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 Solange es noch Hoffnung gibt - Teil 1

 

Biggi, Gabi, Peter, Thomas und Michael saßen im Aufenthaltsraum. Die A Crew hatte Schicht, doch es war ziemlich ruhig heute und sie hatten noch nicht einen Einsatz gehabt, obwohl das Schichtende schon kurz bevorstand. Thomas, Peter und Michael spielten Karten, während sich die beiden Frauen unterhielten, als Ebelsieder in Begleitung eines Mannes, den keiner der Crew zuvor schon einmal gesehen hatte, den Aufenthaltsraum betrat. „Darf ich vorstellen, das ist Ralf Staller, Ihr neuer Kollege.“, erklärte Ebelsieder. „Hallo.“, sagte Ralf etwas unsicher, während er von fünf Augenpaaren gemustert wurde. „Hallo, ich bin Dr. Gabriele Kollmann, wir werden zusammen im B Team fliegen.“, ergriff Gabi dann schließlich die Initiative und stellte sich ihrem neuen Kollegen vor. „Ja, und ich bin Biggi Schwerin, die Pilotin des B Teams.“ Auch sie gab Ralf die Hand. „Und das ist unser A Team.“, sagte se dann, während sie auf Thomas, Michael und Peter deutete, „Thomas Wächter, Pilot, Peter Berger, Sanitäter und Dr. Michael Lüdwitz.“ Thomas, Peter und Michael begrüßten Ralf. „Dann auf gute Zusammenarbeit.“

„Ich lasse sie dann mal alleine, zeigen sie Herrn Staller bitte alles.“, forderte Ebelsieder die anderen auf. Dann verließ er den Aufenthaltsraum und verschwand wieder in seinem Büro. „Könnten Sie mir zeigen, wo ich meine Sachen lassen kann?“, fragte Ralf Gabi dann freundlich. „Natürlich, aber wir sind hier alle bei du.“ „Oh, ach so.“, meinte Ralf lächelnd. Dann verschwand er mit Gabriele im Umkleideraum und sie zeigte ihm seinen Spind. „Danke.“, meinte Ralf und verstaute seine Sachen im Spind. „Am besten du ziehst dich gleich um, denn unsere Schicht beginnt in einer Viertelstunde.“, schlug Gabi ihm vor. Ralf nickte und so verließ Gabi den Raum, während er sich umzog. Als sie in den Aufenthaltsraum kam, fand sie dort jedoch niemanden vor. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihr, dass Thomas draußen im Gras saß und Biggi sich gerade zu ihm setzte.

„Was ist denn los mit dir?“, fragte Biggi Thomas, als sie sich neben ihn gesetzt hatte. „Nichts.“, sagte Thomas nur. „Bist du sicher? Ich meine, du bist heute den ganzen Tag schon so abwesend, du hast doch etwas?“ „Vera hat mir verboten meine Mädels zu sehen, weil ich sie vom letzten Ausflug zu spät zurück gebracht habe.“, erzählte Thomas ihr schließlich. Biggi biss sich auf die Lippe. Sie wusste, wie sehr Thomas darunter litt, dass er seine beiden Töchter, die bei ihrer Mutter lebten, nur alle zwei Wochen sehen durfte. Und nun hatte ihm seine Ex-Frau also das Besuchsrecht ganz verweigert. Biggi ahnte, wie sehr das Thomas mitnahm, denn sie wusste, wie sehr er an seinen Kindern hing. Sie legte aufmunternd ihren Arm um ihn und meinte leise: „Tut mir Leid.“ „Was sind das eigentlich für Richter, die einem Vater erlauben seine Kinder nur alle zwei Wochen einmal zu sehen?“, fragte Thomas dann verzweifelt. Biggi wusste nicht, was sie sagen sollte. „Und was ist, wenn du noch einmal mit Vera redest?“, schlug sie ihm vor. Doch Thomas schüttelte den Kopf. „Mit Vera kann man nicht reden, mit ihr kann man nur streiten.“, sagte er betrübt. „Verstehe.“, meinte Biggi. Sie wusste, dass Thomas und seine Ex-Frau sich keine 5 Minuten lang unterhalten konnten, ohne dass es zu einem handfesten Streit zwischen den beiden kam. Das hatte sie schon oft genug mitbekommen. „Komm, ich mach uns einen Kaffee.“, schlug sie dann vor. Sie stand auf, reichte Thomas die Hand und zog ihn dann hoch. Zusammen gingen sie in den Aufenthaltsraum, wo sich Gabriele und Ralf angeregt unterhielten.

Michael und Peter waren im Hangar und lieferten sich ein Duell am Kicker. Doch da Peter etwa so viele Eigentore schoss, wie Michael Tore, war es ein leichtes für den Notarzt immer zu gewinnen. Und so hatte Peter irgendwann keine Lust mehr. „Ich geh mich jetzt umziehen.“, sagte er schließlich, denn die Schicht war seit wenigen Minuten zu Ende. „Ich komme mit.“, beschloss Michael, denn wozu sollte er noch weiterspielen ohne Gegner?

Gabi und Ralf waren so in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie Thomas und Biggi, die grinsend in der Tür standen und lauschten, gar nicht bemerkt hatten. Ralf erzählte Gabi, wo er gearbeitet hatte, bevor er diesen Job angenommen hatte und sie hörte ihm gespannt zu.

Plötzlich bemerkte sie Thomas und Biggi in der Tür stehen. „Ihr könnt gern reinkommen.“, sagte sie. „Ach, wir wollten nicht stören.“, meinte Thomas grinsend. „Ihr stört nicht.“, sagte Ralf bestimmt. „Wollt ihr auch einen Kaffee?“, fragte Biggi dann, nachdem sie in der Küche verschwunden war. „Ja, gern.“, antworteten Gabriele und Ralf gleichzeitig. Thomas hatte sich zu den beiden an den Tisch gesetzt und sie unterhielten sich. „Was hat dich denn eigentlich hierher verschlagen?“, fragte Thomas Ralf. „Tja, ich habe mich von meiner Ex-Freundin getrennt und bin dann von Berlin hierher gezogen. Dann wurde diese Stelle frei….“ „Hm, verstehe.“, meinte Thomas nur. „Was…was ist eigentlich mit meinem Vorgänger passiert?“, fragte Ralf dann vorsichtig. „Er hat mit diesem Job hier nur sein Studium finanziert und war dann fertig mit seinem Studium. Deshalb hat er gekündigt.“, erklärte Gabi, „Er war allerdings sowieso nicht gerade beliebt im Team.“, fügte sie dann noch hinzu. Ralf hoffte, dass er gut mit den anderen klarkommen würde, doch sein erster Eindruck war sehr positiv, es schien ein sehr gutes Arbeitsklima zu herrschen.

Biggi kam mit zwei Kaffeetassen in der Hand aus der Küche. Eine davon reichte sie Thomas und meinte dann: „Hier, das wird dir gut tun.“ „Danke, du bist ein Schatz.“, sagte Thomas lächelnd. „Ja, ich weiß.“, meinte Biggi grinsend und verschwand dann wieder in der Küche, um die restlichen Tassen zu holen.

Dann setzte sie sich zu den anderen an den Tisch und sie tranken gemütlich ihren Kaffee aus. „Ich werde dann auch mal.“, sagte Thomas dann und stand auf, um in die Umkleide zu gehen.

„Was ist denn los mit ihm?“, fragte Gabi Biggi, nachdem Thomas den Raum verlasen hatte. „Er hat Stress mit Vera, sie hat ihm verboten Lisa und Laura zu sehen.“, erzählte Biggi betrübt. „Oh, der Arme.“, meinte Gabi. Sie wusste, wie sehr Thomas die ständigen Streitereien um seine Töchter mitnahmen. „Wir sollten uns um ihn kümmern.“, sagte Biggi. Gabi und Ralf, der in etwa mitbekommen hatte, worum es ging, stimmten ihr zu.

Michael und Peter kamen gerade aus der Umkleide. Peter verabschiedete sich von den anderen. „Tschüss bis morgen…ach und Ralf, viel Glück beim ersten Einsatz.“, sagte er noch, bevor er verschwand. Michael wartete noch auf Thomas, da sie wie gewöhnlich zusammen nachhause fahren wollten.

Nach einer Viertelstunde kam Thomas endlich aus der Umkleide. Auch er verabschiedete sich von den anderen. „Tschüss, bis morgen. Und Ralf, lass dich von Biggi und Gabi nicht unterkriegen.“, meinte Thomas grinsend, worauf er einen bösen Blick von den beiden Frauen erntete. Dann verschwand er schnell, bevor das Sofakissen, das Biggi nach ihm geworfen hatte, die Tür erreichte. „Geht es bei euch immer so zu?“, fragte Ralf grinsend. „Nein, eigentlich ist es noch schlimmer.“, meinte Biggi lachend. Gabi stimmte ihr zu. „Ja, hier ist immer was los.“

Thomas und Michael waren unterdessen an der Villa, in der sie zusammen mit Michaels Sohn Dirk, der nach der Scheidung seiner Eltern zu seinem Vater gezogen war, wohnten, angekommen. „War hat eigentlich Küchendienst?“, wollte Thomas von Michael wissen. „Na immer der, der fragt.“, bekam er prompt zur Antwort. „Hey, das kann nicht sein, ich hab doch schon gestern und vorgestern gekocht.“, beschwerte sich Thomas. „Stimmt, aber dafür hab ich immer eingekauft und die Tage davor Küchendienst gemacht.“, verteidigte Michael sich. Thomas sah ein, dass Michael Recht hatte und begab sich widerwillig in die Küche um irgendwie etwas essbares aufzutreiben.

Gabi, Biggi und Ralf saßen immer noch im Aufenthaltsraum, tranken ihren Kaffee und warteten auf einen Einsatz. Ralf sah immer wieder auf die Uhr, das Schichtende rückte immer näher. Gabi bemerkte das. „Du wirst schon noch zu deinem ersten Einsatz kommen, wenn nicht heute, dann morgen.“, sagte sie lächelnd. Ralf nickte. „Du wirst sehen, bald wirst du beten, dass der Alarm ausbleibt.“, fügte Biggi hinzu, während sie zum Regal ging, um sich noch einige Berichte, die sie fertig stellen musste, zu nehmen. Doch gerade als sie sich mit den Berichten an den Tisch gesetzt hatte und beginnen wollte sie auszufüllen, meldete sich die Alarmsirene. Biggi stöhnte auf. „Das war ja klar!“ „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, verletzter Bergsteiger in der Nähe von Garmisch, GPS Koordinaten 47, 34 Nord zu 10,96 Ost.“ „Verstanden Rettungsleitstelle, wir übernehmen.“, bestätigte Gabi den Notruf. Dann nahm sie sich ihre Jacke und die Notfallausrüstung und lief zusammen mit Ralf Biggi hinterher zum Helicopter.  Biggi war schon eingestiegen und hatte die Turbinen angelassen. „Soll ich dich einweisen?“, fragte Gabi Ralf. „Nein, danke, ich kenne mich aus.“, gab Ralf zurück und setzte sich dann auf den Copilotensitz.

Biggi hob ab und flog die angegebenen Koordinaten an. „Das wird ne Seilbergung werden.“, bemerkte die Pilotin schon aus der Luft, denn es gab weit und breit keine Landemöglichkeit. „Ralf, traust du dir das zu?“, wandte sie sich dann an den Sanitäter, der neben ihr saß. Ralf nickte „Klar.“ Er ging nach hinten und Gabi sicherte ihn. „Sei vorsichtig, ok?“, sagte sie und sah ihm in die Augen. „Mach ich.“, meinte Ralf und öffnete dann die Seitentür des Helicopters. Gabi ließ ihn langsam zu dem Verletzten ab. „Ok, ich hab ihn.“, rief Ralf, als er unten angekommen war. Er überprüfte die Vitalfunktionen des bewusstlosen Bergsteigers und legte ihm dann die Rettungsschlaufe um. „Ok, Gabriele, hoch.“ Gabi zog die beiden langsam wieder nach oben, bis sie den Helicopter erreicht hatten. Im Helicopter untersuchte Gabi den Bergsteiger. „Biggi, wie lange noch bis zur Klinik?“, fragte sie nervös, denn der Zustand des Patienten war instabil. „Noch 7 Minuten, Gabi.“, antwortet Biggi ihr. „Hoffentlich reicht das.“, meinte die Notärztin und sah dann zu Ralf. „Gib mir noch 1 mg Atropin.“, wies sie ihn an. Ralf kramte im Notfallrucksack und zog schließlich die Ampulle hervor, die Gabi dem Patienten dann verabreichte.

Als sie endlich die Klinik erreicht hatten, stand Gabi und Ralf der Schweiß auf der Stirn, aber es war geschafft, der Patient lebte. „Glückwunsch Ralf, das war gute Arbeit.“, lobte Gabi den Sanitäter. Ralf lächelte. Er war froh, dass alles gut gegangen war. Zusammen mit Gabriele ging er zu Biggi zurück, die am Helicopter gewartet hatte. „Und?“, erkundigte sie sich. „Er wird durchkommen.“, meinte Gabi erleichtert und sie schlugen ein. „Ich finde wir sind ein klasse Team.“, meinte Gabi und Biggi und Ralf stimmten ihr zu. Dann stiegen sie in den Heli und flogen zurück zur Basis.

Die Schicht war schon seit über einer halben Stunde zu Ende, denn der Einsatz hatte ziemlich lange gedauert. Als das B Team auf der Basis ankam, gingen Biggi und Gabi sich gleich umziehen. Auch Ralf wollte gerade in der Umkleide verschwinden, doch Ebelsieder steckte den Kopf aus seinem Büro. „Herr Staller, ich muss noch ein paar Formalitäten mit Ihnen klären.“, sagte er und so drehte Ralf um und ging zu Ebelsieder in sein Büro.

„Und, wie findest du den Neuen?“, wollte Biggi von Gabi wissen, als sie sich umzogen. „Ganz nett“, antwortet Gabi lächelnd. „So, so, ganz nett.“, meinte Biggi und grinste verschwörerisch. „Was gibt’s denn da zu grinsen?“, wollte Gabi von ihrer Freundin wissen. „Ach nichts.“, meinte Biggi schnell. „Du findest Ralf also nur ganz nett?“, fragte sie dann jedoch noch einmal nach. „Ja, wieso?“, meinte Gabi, die sich schon denken konnte, worauf Biggi hinaus wollte. „Aber, was ist eigentlich mit dir und Thomas?“, wollte Gabi dann wissen. „Wieso, was soll mit uns sein?“, fragte Biggi scheinheilig. „Na ja, du weißt schon, was ich meine.“ „Nichts, wir sind nur sehr gute Freunde.“, bezeugte Biggi lächelnd. „So, so, nur gute Freunde.“, meinte Gabi grinsend. „Ja, wenn ich es dir doch sage.“, sagte Biggi. „Zum Glück haben wir morgen erst die zweite Schicht.“, meinte sie dann, um vom Thema abzulenken, „Ich hab echt wieder mal ein wenig Schlaf nötig.“ „Ich auch.“, stimmte Gabi ihr zu, „Aber meine Mutter hat heute Abend wieder irgendwelche Leute eingeladen.“ „Na das kann ja heiter werden.“, bemitleidete Biggi sie. Sie wusste, dass Angela Kollmann ständig versuchte ihre Tochter mit wohlhabenden Männern zu verkuppeln. Gabi nickte nur betrübt.

„Sag mal, was wollen wir eigentlich Peter zum Geburtstag schenken?“, fiel ihr dann plötzlich ein. „Stimmt, er hat ja am Samstag.“, meinte Biggi erschrocken, „Aber wir können das ja morgen noch mal mit den anderen bereden.“ Gabi nickte. Dann machte sie sich auf den Weg nachhause. „Tschüss bis morgen.“, verabschiedete sie sich von Biggi, die gerade dabei war sich die Schürsenkel zuzubinden. „Ja, ciao.“

Draußen auf dem Parkplatz traf Gabi Ralf, der auch schon umgezogen war und sich auf den Heimweg machte. Sie standen eine Weile so da und sahen sich an. „Tschüss bis morgen.“, verabschiedete Ralf sich dann von Gabi. „Tschüss.“, brachte sie nur hervor, bevor sie in ihr Auto stieg und losfuhr. Ralf sah ihr noch nach, dann stieg auch er in sein Auto und fuhr los.

Biggi beschloss bevor sie nachhause fuhr, noch einmal kurz bei Thomas und Michael vorbei zuschauen, für sie lag die Villa der beiden sowieso auf dem Weg und sie wollte schauen, wie es Thomas ging. Er war sicherlich immer noch ziemlich fertig, wegen seinen Mädels und vielleicht konnte sie ihn ja ein wenig aufheitern.

Wenig später stand Biggi auch schon vor der Tür der Villa und klingelte. Dirk öffnete ihr. „Oh, hallo Biggi. Komm doch rein.“, sagte er überrascht. Dann lief er in die Küche, um Thomas und Michael zu holen. Thomas strahlte förmlich, als er Biggi sah. „Hi“, brachte er nur hervor. „Was machst du denn hier?“, wollte Michael dann von Biggi wissen. „Eigentlich wollte ich nur mal vorbeischauen.“, sagte sie. „Thomas hat gekocht, wenn du willst kannst du mitessen.“, bot er ihr an. „Gern“, sagte Biggi und zog sich ihre Jacke aus. Dann gingen sie in die Küche und setzten sich an den Tisch. Thomas hatte ein Kartoffelgratin gemacht. „Gabi und mir ist vorhin eingefallen, dass Peter ja am Wochenende Geburtstag hat, was wollen wir ihm eigentlich schenken?“, fragte Biggi, denn ihr war das Gespräch mit Gabi wieder eingefallen. Michael und Thomas zuckten ratlos mit den Schultern. Dann schaute Thomas traurig nach unten. Mit dem Wort Wochenende verband er immer den Besuchstermin bei seinen Töchtern, den Vera ihm nun gestrichen hatte. Biggi hatte das sofort bemerkt. „Oh, sorry.“, meinte sie leise. „Schon ok.“, sagte Thomas nur und sie aßen weiter.

„Wie ist eigentlich der Neue?“, wollte Thomas dann nach einiger Zeit von Biggi wissen. „Ich glaube er ist in Ordnung.“, antwortete sie. „Na, dann haben wir ja Glück gehabt.“

Nach dem Essen hatte Michael seinem Sohn noch versprochen mit ihm ein Video zu schauen. „Wenn du möchtest, kannst du noch hier bleiben, Michael, Dirk und ich wollen ein Video schauen.“, bot Thomas Biggi dann an. Sie nickte. Also setzten sich die vier ins Wohnzimmer und schauten den Film. Dirk hatte sich eine Komödie ausgesucht und sie lachten viel. Schließlich startete Dirk eine Kissenschlacht mit seinem Vater. Da Thomas und Biggi, die auf dem Sofa saßen, jedoch auch andauernd von den herumfliegenden Kissen getroffen wurden, hieß es bald jeder gegen jeden. Schließlich glich das Wohnzimmer einem Schlachtfeld und die vier ließen sich erschöpfte aufs Sofa sinken. „Ich denke, es ist Zeit für dich ins Bett zu gehen.“, wandte Michael sich dann an seinen Sohn, „Du hast morgen Schule.“ „Och man.“, stöhnte Dirk. „Keine Widerrede, ab nach oben.“, meinte Michael jedoch. Thomas und Biggi grinsten sich an und Dirk verschwand schließlich mit hängenden Schultern nach oben.

Michael, Thomas und Biggi hatten sich noch ein wenig ins Wohnzimmer gesetzt und unterhielten sich. Doch auch Michael und Thomas wollten bald ins Bett gehen, da sie am nächsten Morgen die Frühschicht hatten. Thomas bracht Biggi noch nach draußen bis zu ihrem Motorrad. „Danke für den schönen Abend.“, meinte er und sah ihr in die Augen. „Ich bin doch gern vorbeigekommen.“, erwiderte Biggi. „Komm gut nachhause und fahr nicht so schnell.“, sagte Thomas dann. Biggi nickte. Sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und meinte: „Ciao, wir sehen uns morgen.“ „Ja, ciao.“, brachte Thomas nur hervor. Dann streifte Biggi sich ihren Helm über den Kopf, stieg auf ihr Motorrad und fuhr los. Thomas blickte ihr verträumt hinterher, bis er die Lichter ihres Motorrads nicht mehr erkennen konnte.

Michael, der die Szene vom Küchenfenster aus grinsend beobachtet hatte, machte nun das Licht in der Küche aus und ging nach oben.

Als Thomas Biggi nicht mehr sehen konnte, ging er wieder rein. Er hatte vorher gar nicht bemerkt, wie kalt es draußen geworden war.

Als Biggi zuhause angekommen war, stellte sie ihr Motorrad vor dem Haus ab und ging dann zu ihrer Wohnung. Sie war ziemlich erschöpft, deshalb beschloss sie gleich ins Bett zu gehen. Irgendwie war sie total glücklich, sie wusste selbst nicht genau warum.

Auch Thomas ließ sich glücklich ins Bett sinken. Er dachte noch die halbe Nacht an Biggi, bis er schließlich einschlief. Irgendwie mochte er sie schon ziemlich gerne, doch er wusste nicht, ob es ihr genauso ging.

Gabi hatte es nach zwei Stunden endlich geschafft sich von der Feier ihrer Mutter loszureißen, nachdem diese sie bereits versucht hatte mit dem Sohn eines Grafen zu verkuppeln. Gabi hatte sich nun genervt in ihren Bereich verzogen. Manchmal überlegte sie ernsthaft auszuziehen. Doch andererseits wusste sie, dass ihre Mutter es eigentlich nur gut meinte und sie ihr das nicht antun konnte.

Als Michael und Thomas am nächsten Morgen noch ziemlich müde auf der Basis eintrafen, war Peter bereits dort. Er hatte bereits Kaffee gekocht und hatte sogar Brötchen mitgebracht. „Na, Lust auf ein zweites Frühstück?“, begrüßte er die beiden. Thomas und Michael nickten dankbar. Sie hatten noch nicht gefrühstückt, weil sie mal wieder total verschlafen hatten und sich total beeilen mussten, um überhaupt pünktlich zum Dienst zukommen.

Die drei setzten sich zusammen an den Tisch und frühstückten. Als Peter seinen Kaffee ausgetrunken hatte, stand er auf um die Post durchzusehen. „Und, was Interessantes dabei?“, wollte Michael wissen. „Bis jetzt nur Rechnungen und Post für Ebelsieder.“, stellte Peter fest. „Ah, hier ist ein Brief für dich, Thomas.“, entdeckte er dann und übergab Thomas den Umschlag. Thomas betrachtete ihn. Es stand kein Absender drauf, also öffnete er ihn gleich. Er zog ein Blatt Papier heraus und faltete es auseinander. Es war ein Bild. Es zeigte einen rot gelben Helicopter, der eindeutig die BK 117 darstellen sollte, und unten stand: „Papa, wir vermissen dich so sehr.“ Thomas versetzte es einen Stich ins Herz. Er vermisste Lisa und Laura so sehr, doch er wusste, dass Vera nicht mit sich reden ließ. Er stand auf und verließ den Aufenthaltsraum fluchtartig in Richtung Hangar. Peter und Michael, die das Bild nicht gesehen hatte, warfen sich nur fragende Blicke zu. Michael stand schließlich auch und folgte Thomas. Er fand ihn in der hinteren Ecke des Hangars vor, wo er sich gerade auf einen Karton gesetzt hatte. Michael sah ihn fragend an. „Was ist los, Thomas?“, wollt er dann wissen. Thomas holte wortlos das Bild aus der Tasche seines Overalls und reichte es Michael. Der Pilot versuchte seine Tränen zu unterdrücken. „Das ist los.“, sagte er leise. Michael verstand nun alles. Er wollte gerade etwas sagen, als der Alarm losging. „Rettungsleitstelle an Medicopter 117. Verletzter Fußgänger in Goldegg, GPS Koordinaten über Funk.“ Peter hatte den Notruf bereits bestätigt und kam nun mit der Notfallausrüstung aus dem Gebäude gesprintet. Michael und Thomas folgten ihm im Laufschritt. Durch den Einsatz wurde Thomas dazu gezwungen seine privaten Probleme zu vergessen, denn er wusste, dass jetzt wieder vollste Konzentration gefragt war, schließlich ging es um Leben und Tod.

Sie hatten den Einsatzort schnell erreicht. Michael und Peter schnappten sich die Ausrüstung und liefen zu dem Verletzten. Doch zum Glück stellte sich heraus, dass er nicht so schwer verletzt war und von dem gerade eingetroffenen Rettungswagen ins nächste Klinikum gebracht werden konnte. Thomas, der am Helicopter gewartet hatte, wunderte sich, wieso Michal und Peter schon so schnell zurück waren. „Der Mann ist zum Glück nur leicht verletzt, der RTW bringt ihn ins Krankenhaus.“, erzählte Peter ihm. Thomas nickte erleichtert und schwang sich dann wieder auf den Pilotensitz. Den Rückflug zur Basis legten sie fast schweigend zurück. Michael hatte Peter erzählt, was in dem Brief für Thomas drinnen gewesen war und sie wussten, wie sehr Thomas das mitnahm.

Als sie die Basis erreicht hatten, entdeckte Thomas schon aus der Luft Biggis Motorrad auf dem Parkplatz stehen, wodurch dann doch ein Lächeln über sein Gesicht huschte.

Biggi saß derweilen mit Gabi und Ralf, die auch schon eingetroffen waren, zusammen im Aufenthaltsraum. Gabi erzählte Biggi und Ralf gerade von der Feier, die ihre Mutter am vergangenen Abend veranstaltete hatte. „Ach, deshalb bist du jetzt noch so müde, obwohl wir erst die zweite Schicht haben.“, stellte Ralf fest, denn Gabriele gähnte zwischen ihren Erzählungen immer wieder. Sie nickte. „Oh, die Jungs kommen gerade zurück.“, bemerkte Gabi dann und sah, genau wie Biggi, aus dem Fenster.

Michael und Peter gingen in den Aufenthaltsraum, während Thomas sich in den Hangar verzogen hatte und ein Spiel am Flipper machte. „Morgen.“, begrüßten Michael und Peter die B Crew. „Morgen, wo ist denn Thomas?“, erkundigte Biggi sich. „Der ist gleich im Hangar verschwunden.“, sagte Michael und sah nach unten. Biggi ahnte, dass irgendetwas geschehen sein musste. Also stand sie auf und machte sich auf den Weg in den Hangar. Sie fand Thomas dort am Flipper vor. „Hey, Thomas.“, sagte sie, als sie knapp hinter ihm stand. Thomas drehte sich um und sah sie an. „Hallo Biggi.“ Biggi bemerkte, dass er furchtbar traurig aussah. „Thomas, was ist denn los?“, fragte sie, es klang ziemlich besorgt. Thomas griff in seine Tasche und zog das Bild von Lisa und Laura hervor und gab es Biggi. Sie faltete es auseinander und erkannte die Zeichnung von Thomas’ Töchtern. Den Helicopter und dann den Satz darunter: „Papa, wir vermissen dich so sehr.“ Sie legte schweigend ihren Arm um Thomas. Nach einer Weile sagte sie dann: „Hey, ich bin mir sicher, das wird schon wieder.“ „Das sagst du so leicht.“, meinte Thomas betrübt. Er hätte ihr so gerne geglaubt, doch er wusste, dass niemand etwas daran ändern konnte, dass Vera ihn nicht zu seinen Töchtern ließ, auch nicht Biggi. Plötzlich stand Max hinter den beiden. Er hatte die letzten Sätze mitbekommen. „Ich glaube, da braucht jemand dringend eine kleine Aufheiterung.“, bemerkte er, „Ich hab eine Idee. Wir treffen uns heute Abend um acht im „Pilot’s“ am Flughafen und machen uns einen schönen Abend. Ich lade euch ein.“ „Du kommst auch mit, ich brauche deinen Charme.“, wandte er sich dann an Biggi. „Kannst du haben.“, meinte sie und lächelte Thomas an. Auch Thomas stimmte zu, vielleicht würde ihn das ja wirklich ein wenig  ablenken. Max lächelte zufrieden und machte sich dann wieder an die Arbeit.

Thomas und Biggi gingen zu den anderen in den Aufenthaltsraum, da Max noch einiges zu tun hatte und seine Ruhe im Hangar haben wollte.

Peter war schon nach Hause gefahren und so konnten die anderen in Ruhe besprechen, was sie ihm zum Geburtstag schenken wollten. „Wann beginnt die Feier am Samstag eigentlich?“, erkundigte Gabi sich. „Um 20 Uhr, hier auf der Basis.“,  informierte Michael sie. „Aber was wollen wir ihm schenken?“, fragte Biggi in die Runde. Allgemeines Schulternzucken war die Antwort. Nach einer langen Diskussion, entschlossen sie sich schließlich dazu, Peter ein Buch und ein Video zu schenken. „Ok, wer besorgt das Geschenk?“, fragte Michael. Gabi erklärte sich schließlich dazu bereit. „Ok, ich übernehme das.“ „Dann ist ja alles geklärt oder?“, fragte Ralf. Die anderen nickten.

Michael und Thomas begaben sich dann auch in die Umkleide. „Heute koche ich uns auch was schönes.“, meine Michael, da er mit Küchendienst an der Reihe war. Doch Thomas schüttelte den Kopf. „Für mich brauchst du nicht mit zu kochen, ich treffe mich nachher mit Biggi und Max im Pilot’s.“ „Oh, ach so, dann viel Spaß heute Abend.“ Sie zogen sich fertig um und verabschiedeten sich dann noch von den anderen. „Tschüss, bis morgen.“, meinte Michael zum B Team. „Ja, bis morgen.“, erwiderte Gabi. „Bis heute Abend, Biggi.“, meinte Thomas dann lächelnd und sah Biggi an. „Ja, bis heute Abend.“, meinte sie und lächelte zurück.

„Du triffst dich mit Thomas?“, fragte Gabi erstaunt und grinste verschwörerisch, als Thomas und Michael auf dem Parkplatz verschwunden waren. „Ja, Max und ich wollen Thomas ein wenig aufheitern, deshalb treffen wir drei uns heute Abend im Pilot’s.“, erklärte Biggi ihr. „Ach, Max kommt auch mit?“ „Ja, Max kommt auch mit.“, versicherte Biggi ihr noch einmal. Sie wollte schließlich nicht, dass irgendwelche Gerüchte entstanden, denn wie würde Thomas das finden?

Gabi lehnte sich zurück. Sie wollte gerade etwas sagen, als sie jedoch von der Rettungsleitstelle unterbrochen wurde: „Rettungsleitsetelle an Medicopter 117, schwerer Badeunfall am Chiemsee. GPS Koordinaten 47, 67 Nord zu 12, 23 Ost.“ „Verstanden, wir übernehmen das.“, bestätigte Ralf. Dann nahm er sich seine Jacke und lief zusammen mit Biggi und Gabi zum Helicopter. „Badeunfall, da zählt meistens jede Minute, wie lange noch Biggi?“, fragte Gabi die Pilotin während des Flugs. „Noch zwei Minuten.“, antwortete Biggi ihr. Dann sahen sie aus dem Seitenfenster heraus auch schon den Chiemsee. Biggi landete den Helicopter auf der Badewiese, die extra als Landeplatz geräumt worden war. Ralf und Gabi sprangen schon aus dem Helicopter, bevor die Kufen ganz auf dem Boden aufgesetzt hatten. Es war nicht schwer das Unfallopfer zu finden, da sich um den Unglücksort bereits eine ganze Traube von Menschen versammelt hatte. Als Gabriele und Ralf sich durch die Menschenmenge gebahnt hatten, stellten sie mit Entsetzen fest, dass das Unfallopfer noch ein Kind war. Einer der Bademeister unternahm gerade Wiederbelebungsversuche. „Ich bin die Notärztin, was ist passiert?“, fragte Gabi. „Der Junge konnte nicht schwimmen und ist trotzdem ins tiefe Wasser gegangen, er war fast 5 Minuten lang ohne Sauerstoff, Herz- und Atemstillstand.“, informierte sie ein anderer Bademeister. „Ok, Ralf, wir übernehmen das.“, beschloss Gabi. Sie schloss den Jungen ans EKG an, das jedoch nur eine Nulllinie anzeigte. Dann übernahmen sie und Ralf die Wiederbelebung. Nachdem Gabi dem Kind bereits die dritte Ampulle Adrenalin injizierte und sich immer noch nichts tat, rief sie panisch: „Komm schon, Junge, lass uns nicht im Stich.“ Doch es war sinnlos, sie konnten nichts mehr für das Kind tun. Ralf nahm Gabi, die total fertig war, in den Arm und ging mit ihr ein Stück von der Leiche des Jungen weg. „Es war nicht deine Schuld.“, flüsterte er und versuchte sie zu beruhigen. Biggi kam gerade mit der Trage unter dem Arm auf die beiden zu. Doch als sie Ralf und Gabi sah, wusste sie, dass sie zu spät gekommen waren. Betrübt gingen die drei zurück zum Helicopter und traten den Heimflug an. Auf dem ganzen Flug sprachen sie kein Wort. Unfälle mit Kindern waren immer besonders schlimm und wenn man ihnen dann auch noch nicht mehr helfen konnte…

Nachdem sie wieder auf der Basis gelandet waren, wollten sie sich gleich umziehen gehen, denn die Schicht war bereits zu Ende. Gabi und Ralf gingen schon einmal vor, während Biggi noch den Helicopter checkte. Plötzlich hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie drehte sich um und blickte in Ebelsieders Gesicht. „Ich wollte Sie fragen, ob sie nicht am Wochenende Lust haben mit mir auf die Stützpunktleiter-Tagung zu gehen.“, fragte er Biggi, doch sie lehnte, wie jedes Mal, wenn Ebelsieder sie so etwas fragte, dezent ab. „Tut mir Leid, aber am Wochenende habe ich schon etwas vor.“, sagte sie. „Dann vielleicht ein anderes Mal.“, erwiderte Ebelsieder. „Vielleicht“, brachte Biggi nur hervor. Am liebsten hätte sie jetzt „Vergessen Sie es.“ geantwortet, doch Ebelsieder war ihr Chef und sie wusste, dass das für sie wahrscheinlich nicht gerade zum Vorteil wäre. ‚Wann gibt er es endlich auf?’, fragte Biggi sich. Es war ziemlich offensichtlich, dass Ebelsieder ein Auge auf die attraktive Pilotin geworfen hatte, doch sie ließ ihn jedes Mal abblitzen. Sie machte sich schnell daran den Helicopter zu checken um nachher pünktlich im Pilot’s zu sein.

Als sie damit fertig war ging sie zurück ins Basisgebäude. Ebelsieder war zu Glück schon weg, nur Max war noch auf dem Gelände. Gabi und Ralf waren gerade auf dem Weg zu ihren Autos. Gabi war noch immer ziemlich fertig. „Komm, ich fahr dich nachhause.“, bot Ralf ihr schließlich an. Gabi nickte dankbar und stieg dann mit ihm zusammen in sein Auto. „Er …er hatte doch noch sein ganzes Leben vor sich.“, sagte Gabi leise. „Ich weiß, Gabriele, aber manchmal, da sind wir eben machtlos, du konntest ihm nicht mehr helfen, er war schon tot, als wir angekommen sind.“ Gabi wusste, dass Ralf Recht hatte, doch sie nahm die ganze Sache trotzdem ziemlich mit.

Biggi hatte sich fertig umgezogen und ging dann in den Hangar, um sich von Max zu verabschieden. „Bis später dann.“, meinte sie. „Ja, bis später.“, sagte Max grinsend. Biggi bemerkte das jedoch nicht. Sie drehte sich um und ging dann zu ihrem Motorrad, um nachhause zu fahren.

Max widmete sich wieder seiner Arbeit und sagte dann leise zu sich selbst: „Sie und Thomas, die beiden wären doch wirklich ein schönes Paar oder?“ Dem wollte Max natürlich nicht im Wege stehen und deshalb hatte er schon von Anfang an beschlossen an diesem Abend nicht im Pilot’s zu erscheinen.

Gabi und Ralf waren vor dem Haus von Gabis Mutter angekommen. „Ich würde dir ja gern noch etwas anbieten, aber meine Mutter….“, meinte Gabi traurig. Ralf nickte. Auch wenn er noch gerne mit zu Gabi gekommen wäre. „Verstehe.“, sagte er, „Dann sehen wir uns also morgen früh zur ersten Schicht auf der Basis?“ Gabi nickte. Sie umarmte ihn noch zum Abschied und stieg dann aus dem Auto aus und ging auf die Haustür zu. Ralf sah ihr noch nach, bis sie im Haus verschwunden war, dann fuhr er auch nachhause. Auch ihm ging die Sache mit dem Kind an die Nieren.

Biggi war währenddessen bereits zuhause angekommen, sie stand im Bad vor dem Spiegel und konnte sich nicht entscheiden, was sie anziehen sollte. Schließlich entschied sie sich für einen kurzes, schwarzes Kleid. Nachdem sie sich fertig umgezogen hatte und sich ihre Haare zurechtgemacht hatte, sah sie auf die Uhr. „Oh, Mist, so spät, jetzt aber los.“, sagte sie zu sich selbst, denn es war bereits Viertel vor acht und sie wusste, dass sie für den Weg zum Pilot’s etwa eine Viertelstunde brauchen würde. Schnell zog sie sich ihre Jacke über, nahm sich ihren Helm und ging runter zu ihrem Motorrad. ‚Na klasse, Biggi! Mit einem Kleid Motorrad fahren.’, dachte sie sich dann. Doch jetzt blieb ihr nichts übrig, denn sie hatte keine Zeit mehr sich noch umzuziehen. Also setzte sie sich ihren Helm auf und machte sich auf den Weg zum Pilot’s.

Thomas war dort bereits eingetroffen und hatte sich schon an einen Tisch gesetzt. Er sah immer wieder auf die Uhr. Es war schon fast acht, aber weder von Biggi noch von Max war etwas zu sehen. Er dachte wieder an seine Töchter. Wie er sie vermisste. Langsam griff er in seine Jackentasche und zog ein Zigarette und ein Feuerzeug heraus. Eigentlich hatte er das Rauchen schon vor über zwei Jahren aufgegeben, aber in dieser Situation…

Er wollte sich die Zigarette gerade anstecken, als er durchs Fenster sehen konnte, wie Biggi mit ihrem Motorrad vorfuhr. Also nahm er sich die Zigarette wieder aus dem Mund und legte sie zusammen mit dem Feuerzeug auf den Tisch. Wenige Augenblicke kam Biggi auch schon auf ihn zu. Thomas fand, dass sie fabelhaft in dem Kleid aussah. Er konnte seinen Blick kaum von ihr abwenden. „Sorry, dass ich etwas zu spät bin.“, entschuldigte sie sich. „Das macht doch nichts.“, meinte Thomas lächelnd. Biggi setzte sich und sie begannen sich zu unterhalten. „Hast du das nicht schon seit zwei Jahren aufgegeben?“, fragte Biggi Thomas dann, als ihr Blick auf die Zigaretten fiel. Thomas nickte. „Weißt du, der ganze Stress mit Vera wegen den Mädels….“, Thomas sprach nicht weiter. Biggi nahm seine Hand in ihre, sah ihn an und meinte dann: „Ich weiß, aber das hilft dir auch nicht weiter.“ Thomas nickte, sie hatte ja Recht. „Was soll ich denn machen?“, fragte er leise. „Fahr doch morgen noch einmal zu Vera und rede mit ihr. Du kannst schließlich nichts verlieren. Und wenn du ihr das Bild zeigst, das Laura und Lisa für dich gemalt haben….ich glaube nicht, dass sie will, dass ihre Kinder ihren Vater vermissen.“, schlug Biggi ihm vor. Thomas nickte. „Du hast Recht, ich kann ja nichts verlieren.“ Irgendwie fühlte er sich jetzt gleich viel besser. Vielleicht würde Vera ja wirklich mit sich reden lassen.

"Danke. Du bist echt lieb.", meinte Thomas. "Hey, ist doch klar." Biggi verpasste ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. "Du bist übrigens auch lieb." Das brachte Thomas wieder zum Lächeln, er sah sie an und blickte in ihre dunklen Augen, die ihm schon immer so an ihr gefallen hatten. Eigentlich gefiel ihm alles an ihr.... Dann fiel ihm etwas ein. "Hey, jetzt haben wir ja den ganzen Abend nur über mich geredet - ich weiß gar nicht, wie's bei dir so läuft. Erzähl mal.", meinte er und blickte sie auffordernd interessiert an. Biggi schnaubte. "Ach, da gibt's nicht so viel zu erzählen - es läuft eben." "Nicht mehr?" "Nicht dass ich wüsste." "Wir könnten dann ja mal zusammen laufen.", meinte er und grinste. "Wenn es sich dann anders läuft, gern.", sagte Biggi und erwiderte sein Grinsen. "Aber bevor wir hier ne Lauferei beginnen, läufst du morgen zu Vera und sprichst mit ihr. Ich bin mir sicher, dass es dir nachher besser gehen wird.", sagte Biggi zuversichtlich. "Ok, mach ich. Auf deine Verantwortung." "Jederzeit. Sag mal, was anderes...." "Was denn?", blickte Thomas sie fragend an. "Jetzt ist es schon nach zehn, und Max ist immer noch nicht aufgetaucht." "Ach ja, hatte ich gar nicht bemerkt." Er lugte neugierig unter die Tischdecke, offensichtlich vollen Erwartens, Max dort herumkriechen zu sehen. "Max, komm raus!!", brüllte er fordernd unter den Tisch. Biggi musste lachen, worauf Thomas einstimmte. "Was will er denn damit bezwecken, erst einen Abend zu organisieren und dann nicht zu erscheinen?", fragte Biggi nachdenklich. "Ne Vorahnung hätte ich da ja.", meinte sie dann. "Ach ja, und welche?" "Hm.....glaubst du nicht auch manchmal, dass uns der so'n ganz klein bisschen verkuppeln will?" Thomas nickte langsam. "Klingt einleuchtend. Das verlangt aber nach einer Gegenoffensive." "Oh ja", stimmte Biggi ein. Sie prosteten sich zu, und dabei näherten sich plötzlich ihre Köpfe einander. Über den Tisch gebeugt, sahen sie sich tiefer und tiefer in die Augen... Ein Kribbeln im Bauch war bei jedem Einzelnen zu verspüren ... "Biggi, ich...", wagte Thomas es zu sprechen. "DARF'S NOCH WAS SEIN?"

Beide fuhren vom Tisch hoch, und blickten in das bemüht hochfreundliche Gesicht der korpulenten Pilot's - Kellnerin. "Äh - nein, wirklich, danke." meinte Thomas noch ein wenig perplex. "Für mich auch nicht.", sagte Biggi monoton.

Die Kellnerin verschwand wieder, und Thomas und Biggi sahen sich schrecklich verlegen an. Biggi räusperte sich, meinte: "Tja ... ähm ... und wann beginnt die Schicht morgen?" "Ja, also ... wenn sich in den letzten Jahren nicht was geändert hat, würde ich sagen um acht Uhr..." "Aaah ja genau, hatte ich vergessen." "Mhm.", entgegnete Thomas. "Kann ja passieren...", fügte er hinzu. "Jaja.", sagte Biggi leise. "Wo waren wir grade?" "Wann?" "Na, bevor wir unsere nicht vorhandenen Wünsche geäußert haben." "Ach so, da. Hm...", meinte Biggi. Thomas beugte sich nach vorne über den Tisch, stützte seinen Kopf auf der Hand ab und blickte ihr in die Augen. "Ich glaube, wir waren ungefähr hier...", sagte er dann. "Na, wenn du das sagst.", entgegnete Biggi verschwörerisch und näherte sich ihm ebenso. Minutenlang saßen sie so da und sahen sich in die Augen. Nach einer Weile huschte ein leichtes Lächeln über Thomas' Lippen. "Fast so schön wie fliegen, so mit dir im Restaurant zu sitzen ..." "Meinst du?" "Na klar. Danke für den wunderschönen Abend.", sagte er lieb. "Und weißt du was?", fragte er dann. "Was denn?" "Max geht mir nicht im Geringsten ab." Biggi lächelte. "Mir auch nicht. Wir könnten so was ja öfter machen..." "Na klar! Jederzeit.", freute Thomas sich. Sie unterhielten sich noch eine Weile gut bei einer weiteren Flasche Wein. Als es schließlich schon sehr spät wurde, beschlossen sie, sich schweren Herzens doch irgendwann dem Bett zu widmen. Ein stressiger Tag stand ihnen bevor.

Thomas begleitete Biggi noch bis zu ihrem Motorrad. "Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass du total klasse aussiehst heute?" "Hm...kann mich nicht erinnern. Aber danke", meinte sie geschmeichelt. "Soll ich dich nicht nachhause fahren? Jetzt im Dunkeln mit dem Motorrad, das ist doch gefährlich." "Hast du etwa Angst um mich?" "Ja.", gab Thomas entschieden zu. "Keine Sorge. Mir passiert schon nichts ... aber wenn du möchtest, kannst du ja bei mir mitfahren." "Ähm..." "Na na na, nicht so feige. Wär doch nicht das erste Mal." "Schon, aber nachts." "Ist doch romantisch." Auf dieses Argument ging Thomas ein. "Du hast mich geschlagen.", meinte er grinsend. "Aber was wird dann mit meinem Auto?" "Michael kann dich ja hier absetzen, wenn er morgen zur Basis fährt." "Stimmt. Na gut, also dann..." Er setzte sich hinter Biggi auf das Motorrad, und Biggi ließ den Motor aufheulen. "Hey, da krieg ich ja Angst", meinte er kleinlaut. Biggi drehte sich zurück und grinste ihn an, er grinste zurück. "Kannst dich ja an mir festhalten, vielleicht ist's dann nicht so schlimm." Thomas legte seine Arme um sie und meinte: "Schon viel besser. Könnte ich mich fast dran gewöhnen." Biggi lächelte, ohne dass er es sehen konnte und räusperte sich dann laut. "Also ab die Post!" Mit einem weiteren Aufheulen des Motors ließ Biggi endgültig die Maschine an und brauste davon.

Die Fahrt verlief, wie man es von Biggi gewohnt war, souverän und ohne irgendwelche Zwischenfälle. Nach zehnminütiger Fahrzeit hatte Biggi Michaels und Thomas' Villa erreicht. "Bitte sehr, der Herr.", meinte sie, als Thomas von der Maschine abstieg. Er atmete tief durch und meinte: "Puh, das war toll! Danke ..." "Aber immer doch.", entgegnete Biggi. Sie stieg ebenso vom Motorrad ab und stellte sich noch mal vor ihn. "Morgen erzählst du mir dann, was rausgekommen ist, ja?" "Klar." "Ich drück dir die Daumen." "Danke ... für alles. Ich hab schon lange keinen so schönen Abend mehr erlebt. Das bringst wirklich nur du zustande." Sie lächelte ihn lieb an. "Das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich hoffe, wir können das bald wiederholen." "Das hoffe ich auch." "Tja - äh - ich glaube, ich muss dann..." "Schade...", meinte Thomas traurig. "Die Schicht ruft leider schon.", sagte Biggi nicht weniger betrübt. Als sie sich schon umdrehen und auf das Motorrad steigen wollte, sagte Thomas plötzlich: "Biggi, warte ..." Sie drehte sich wieder zurück. "Ja?" "Ich..." Er blickte ihr wieder in die Augen, näherte sich ihr im Zeitlupentempo. Die Schmetterlinge in Biggis Bauch wurden zu kleinen Helicoptern. Thomas fasste zaghaft nach ihrer Hand, sie erwiderte seinen tiefen Blick und näherte sich ihm ebenso...

"THOMAS, DA BIST DU JA ENDLICH!" Biggi und Thomas erschraken so sehr, dass sie kurz aufschrieen. "Ach, und Biggi ist ja auch da. Wart ihr zusammen weg?", rief Michael unschuldigst aus dem Fenster im ersten Stock. "Jaaa, Michael.", raunte Thomas hoch. Langsam bemerkte Michael, dass er wohl etwas ungelegen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Verlegen zog er sich zurück und schalt sich selbst dafür.

Derweil standen Biggi und Thomas unbeholfen immer noch voreinander. "Tja, es ... es ist jetzt wirklich Zeit für mich.", meinte Biggi, sie hoffte sehr, den traurigen Unterton in ihrer Stimme nicht preiszugeben. Thomas neigte den Kopf nach unten. "Ja, wird wohl so sein." Biggi wusste nicht, was sie tun sollte. Mit sich kämpfend drehte sie sich noch mal zu Thomas um, und nahm ihn dann in die Arme. Thomas erwiderte die freundschaftliche Umarmung. Während sie so dastanden, sagte Biggi leise: "Gute Nacht. Ich freu mich schon auf morgen.", drückte ihn noch mal fest, dann drehte sie sich unerwartet um und stieg endgültig auf das Motorrad. Thomas sah ihr noch lange nach, als sie schon längst in der dunklen Nacht verschwunden war - das Rücklicht des Motorrads war schon längst zwischen dem Blinken der Sterne untergegangen...

Er seufzte leise und begab sich dann ins Haus.

Derweilen war Gabi zuhause noch immer wach. Sie machte sich die größten Vorwürfe. Aber was hätte sie denn tun können? Sie wusste es selbst nicht. Sie sah nur immer das Kind vor sich liegen - das Kind, das womöglich erst sieben Jahre alt gewesen war und noch sein ganzes Leben vor sich gehabt hatte. Das Kind, das vielleicht noch leben könnte, wäre sie nur ein paar Sekunden schneller bei ihm gewesen, hätte sie das Adrenalin ein paar Sekunden früher eingesetzt... jetzt war es tot. Und sie war sich sicher, dass irgendwo jetzt seine Familie saß, am Boden zerstört, und um den Jungen weinte. Den Jungen, den sie vielleicht hätte retten können...

Sie weinte sich in einen unruhigen Schlaf, in dem ihr der kleine Junge immer und immer wieder erschien. "Warum hast du mich nicht gerettet??" "Ich hätte noch so gern weitergelebt!!" - Unentwegt hörte sie die verzweifelte Stimme des Kindes, wälzte sich im Bett hin und her, ohne Erfolg. Schließlich gab sie den Versuch, endlich richtig einzuschlafen, um vier Uhr auf. Sie beschloss, sich einen alten Film anzusehen, der sie vielleicht ablenken würde. Wäre doch nur jemand hier, mit dem sie reden konnte. Ohne es sich bewusst zu werden, dachte sie sofort an Ralf. Ralf ... wäre er doch nur hier. Irgendwie vermisste sie ihn.

Das B-Team hatte am nächsten Tag die erste Schicht. Biggi war die erste, die an diesem Morgen die Basis betrat. Ein Fehler, wie sie leider sogleich bemerken musste. "Ah, Guten Morgen Frau Schwerin. Wie schön, Sie zu sehen." Herr Ebelsieder hatte sich vor sie hingestellt und lächelte sie nun an. "Äh, ja, guten Morgen. Gibt's was?" "Ja, ich wollte Sie fragen, ob Sie sich vielleicht in der nächsten Woche freimachen könnten, wenn Sie an diesem Wochenende schon belegt sind." "Ich weiß nicht, Herr Ebelsieder. Meine freien Tage sind gezählt, das wissen Sie so gut wie ich. Ich seh mal in meinem Terminkalender nach." "Wie liebenswürdig, danke." Er strich ihr betont unauffällig über die Schulter und machte sich wieder auf den Weg zurück ins Büro.

Als sich Biggi leise aufstöhnend umdrehte, bemerkte sie, dass Ralf hinter sie getreten war. "Ich wusste ja gar nicht, dass du einen Terminkalender hast.", meinte er grinsend. "Pssst.", meinte Biggi und zog ihn mit in den Aufenthaltsraum. "Wieso sollte ich auch einen haben?", fragte sie dann. "Ebelsieder nervt dich ganz schön an, hm?" "Das kann man wohl sagen. Und

siehst du, du hast es ja auch schon bemerkt, trotz der paar Tage die du erst hier bist. Weißt du, mir ist das echt so unangenehm vor Kollegen." "Kann ich verstehen. Aber du kannst wohl nix dagegen unternehmen." "Eben, das ist es ja. Er bleibt mein Chef." "Komm, mach dir nichts draus - schau mal, ich hab Brötchen mitgenommen, wir drei machen uns jetzt ein richtig schönes Frühstück. Gabi geht's ja leider auch nicht so gut." "Wieso, was hat sie denn?", fragte Biggi erschrocken. "Na ja, die Sache mit dem Kind gestern nimmt sie glaube ich ziemlich mit." "Oje, die Arme ... ich kenne sie, sie macht sich immer schrecklich viel daraus, wenn sie jemandem nicht mehr helfen kann. Und wenn's dann auch noch ein Kind ist." "Ich kümmere mich ein wenig um sich." "Mach das. Ach übrigens..." "Was denn?" Biggi lächelte. "Ich bin echt total froh, dich als neuen Kollegen zu haben." Ralf freute sich sehr darüber. "Ich freue mich auch.", meinte er, klopfte Biggi auf die Schulter und begab sich dann in die Küche.

Wenige Minuten später traf auch Gabi ein. "Hey, Gabi, guten Morgen! Wie geht's dir denn?" "Guten Morgen! Ach - geht so, danke. Seid ihr schon fleißig am Frühstück richten?" "Jo!", meinte Ralf, er trat gerade aus der Küche. "Guten Morgen! Lust auf ein wunderschön warmes Brötchen?" "Oh ja, gerne.", meinte Gabi. "Hey, du siehst ja gar nicht gut aus.", merkte Ralf plötzlich besorgt. Man sah Gabi wirklich an, dass sie wohl kaum zu einem erholsamen Schlaf gekommen war, sie sah schrecklich müde und blass aus. "Danke. Sehr motivierend." "Hey, du weißt, wie ich das meine. Ich mach mir ja nur Sorgen." Gabi lächelte gequält. "Er hat aber wirklich Recht. Machst du dir denn immer noch Vorwürfe wegen gestern?", meinte Biggi dann und legte einen Arm um sie.  "Ach ... ich werd's schon vergessen. Ist ja immer dasselbe." "Na na na, so fertig warst du aber noch nie." Ralf und Biggi warfen sich hilflose Blicke zu. Biggi dachte daran, dass es vielleicht kein Fehler wäre, die beiden allein zu lassen - vielleicht könnte Ralf ja wirklich was anrichten. "Ich geh mich mal schnell umziehen, ja?", meinte sie, blickte Ralf auffordernd an, der verstand. Also begab sich Biggi in den Umkleideraum.

"Komm, setz dich mal her, ich schenk dir Kaffee ein." Liebevoll schubste Ralf Gabi zum Tisch, worauf sie sich hinsetzte. Er legte ihr ein Brötchen auf den Teller, gab ihr den Kaffee und setzte sich dann zu ihr. Er legte einen Arm um sie, sie blickte ihn traurig an. "Glaubst du denn wirklich, du hättest noch was tun können?" "Ja.", meinte Gabi stur. "Aber der Junge war doch schon so gut wie tot, als wir gekommen sind. Nicht so gut wie, er war es schon!" "Aber ich hätte ihn vielleicht wieder zurückholen können!" "Nein, das konntest du nicht. Du hast dein Bestes gegeben, und wenn das nicht gereicht hat, dann hätte auch nichts anderes gereicht. Glaub mir, er hatte durch dich immer noch die besten Chancen. Aber er hat eben selbst aufgegeben. Wer weiß, wie lange die gebraucht haben, um endlich den Notruf abzusetzen, als der Junge schon längst bewusstlos dalag. Wir haben alles getan was wir konnten, wir hätten nicht schneller bei ihm sein können, und du hättest auch nicht mehr tun können als du getan hast. Aber manchmal reicht eben alles nicht. Es wird schon richtig sein so, Gabi, glaub mir." "Ich weiß nicht." "Aber ich weiß. Niemandem nützt es, wenn du dir Vorwürfe machst, die noch dazu vollkommen unberechtigt sind. Ich bin mir sicher, auch wenn der Kleine jetzt nicht lebt - er ist dir trotzdem dankbar, dass du alles versucht hast, um ihn zurückzuholen."

Gabi blickte ihn an. Seine Worte taten ihr unheimlich gut, sie fühlte sich nun wirklich ein wenig besser. "Meinst du wirklich?" "Aber natürlich." Sie lächelte ihn leicht an. "Komm her.", meinte er dann, und nahm sie liebevoll in den Arm.

Währenddessen parkte Thomas gerade vor dem Reihenhaus, in dem Vera mit den Kindern wohnte. Zur Sicherheit sah er noch mal auf die Uhr - ja, die Mädels müssten seit einer guten Stunde schon in der Schule sein. Thomas wusste, dass Vera zu dieser Zeit meist die Wohnung ein wenig aufräumte. Er atmete noch mal tief durch, bevor er auf den Klingelknopf drückte. In diesem Moment dachte er an Biggi. Er wusste genau, dass sie jetzt wohl an ihn denken und ihm die Daumen drücken würde. Das beruhigte ihn, immerhin war er ja doch ein wenig aufgeregt. Wenige Sekunden später erschien Vera in der Tür. "Was willst du?", fragte sie kurz angebunden. "Ich will mit dir reden.", meinte Thomas. "Ich wüsste nicht worüber." "Aber ich." Er gab die Hand in seine Tasche und zog daraufhin die Zeichnung von Lisa und Laura heraus. Er streckte sie Vera hin. Sie überlegte, ob sie überhaupt zum Zaun gehen sollte - entschied sich dann aber doch dazu, ließ die Tür ins Schloss fallen und stellte sich vor ihn an den Zaun. Dann nahm sie das Bild, sah es an und las die kurze, aber viel sagende Nachricht, die darunter stand. Es huschte ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Hatte sie ihre Mädchen tatsächlich so unglücklich gemacht mit der Entscheidung, ihnen ihren Vater wegzunehmen? "Möchtest du das wirklich? Das kann ich mir nicht vorstellen." Thomas konnte es sich wirklich nicht vorstellen. Er hatte Vera mal geliebt.  Er hatte sie wirklich geliebt, und zwar ihre Güte und ihr warmes Herz. Ein Mensch konnte sich doch nicht so verändern. Er wusste, dass sie ihre Kinder über alles liebte und sie nicht unglücklich machen wollte. Ja, ihn liebte sie nicht mehr - aber das sollte sie höchstens ihn, und doch nicht die beiden unschuldigen Kinder spüren lassen.

Und er sollte Recht behalten. Sie blickte ihn traurig an und meinte leise: "Es tut mir leid. Du hast Recht, das ... das möchte ich wirklich nicht. Ich hätte mir nicht gedacht was ich ihnen damit antue." Thomas wusste, dass es ihr sehr schwer gefallen sein musste, diese Worte zu sprechen. Aber er war unheimlich froh darüber. "Ist schon gut. Wir machen doch alle mal Fehler." "Komm rein, wir ... wir reden gemeinsam darüber, wie es jetzt weitergeht." "Ok." Thomas schwang sich schwungvoll über den Zaun und folgte ihr glücklich ins Haus. Noch glücklicher war er, als er eine Stunde später wieder aus der Wohnung trat. Es könnte ihm wirklich nicht besser gehen. Vera und er hatten ein unbeschränktes Besuchsrecht festgelegt - er konnte die Kinder jetzt jedes Wochenende sehen. Vera begleitete ihn noch bis zum Zaun. "Danke", meinte er. "Du weißt gar nicht, was mir das bedeutet." "Doch, ich weiß es. Und ich schäme mich dafür, dass ich es ignoriert habe." "Hey", meinte er und umarmte sie. "Dann sehen wir uns ja in naher Zukunft. Ich kann's kaum erwarten die beiden in die Arme zu schließen." Vera lächelte. "Sie auch nicht." Sie verabschiedeten sich, beide von einer großen Last befreit, und Thomas beschloss, auf kürzestem Weg zur Basis zu fahren. Er musste unbedingt was erledigen...

Auf der Basis waren Biggi, Ralf und Gabi gerade von einem Einsatz gekommen und setzten sich an den noch gedeckten Frühstückstisch. Gerade, als sie herzhaft ihn die Brötchen beißen wollten, ging schon der nächste Alarm los. "Verletzter Fahrradfahrer auf einem Feldweg nahe Schliersee. GPS-Koordinaten per Funk. Over and out." "Na klasse", meinte Biggi. Sie stürmten zurück in den Hangar und schwangen sich in den Helicopter. Gerade als sie mit Höchstgeschwindigkeit davongedüst waren, parkte Thomas auf dem Parkplatz an der Basis. Nur ein winziger roter Punkt am Himmel zeigte ihm, dass für seine Kollegen wohl gerade ein Einsatz angesagt war. Also begab sich Thomas dann in den Hangar, um dort auf die drei zu warten.

Der Unfall nahe Schliersee war kein schwerwiegender gewesen und Gabi konnte den Verletzten sogar an den Rettungswagen übergeben, da er sich nur einen glatten Beinbruch und mehrere Schürfwunden zugezogen hatte. Also schafften sie es, schon nach fünfzehn Minuten wieder die Basis anzufliegen. Als Biggi die Turbinen heruntergefahren hatte und gerade aus dem Cockpit stieg, sah sie plötzlich Thomas auf sie zurennen. Er nahm sie schwungvoll in den Arm, hob sie hoch und drehte sie in der Luft. "Aaah, Thomas, was machst du??" Ralf und Gabi sahen dem Spektakel amüsiert zu.

Thomas ließ sie wieder runter, sah sie glücklich an und meinte: "Danke!! Du bist ein Goldschatz!" "Ich nehme mal an, das Gespräch war einigermaßen erfolgreich?", meinte Biggi grinsend. "Das kann man wohl sagen! Ich hab jetzt unbeschränktes Besuchsrecht!!" "Oh klasse Thomas!!" Biggi freute sich unheimlich für ihn, und diesmal nahm sie ihn in den Arm und drückte ihn fest. "Du weißt gar nicht, wie ich mich freue!", meinte sie dann. Sie blieben noch eine Weile so stehen und umarmten sich. Gabi und Ralf begaben sich inzwischen in den Hangar. Thomas lächelte Biggi überglücklich an. "Diesmal bin ich dran", meinte er dann, und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Biggi sah ihn verlegen an. "Danke", meinte sie lächelnd. "Wie heißt es so schön? Aber immer doch...", entgegnete er leise und sah ihr in die Augen, während er sich langsam ihrem Gesicht näherte...

"NA, WARUM DENN SO FRÖHLICH HEUTE?"  Max. Er war aus der Tür im Hangar getreten und schreitete munter auf die beiden zu. Thomas räusperte sich. "Ähm ja, also... stell dir vor Max, ich hab mich mit Vera geeinigt! Ich sehe die Mädels jetzt jedes Wochenende, mindestens!" "Ja das ist ja wunderbar!!", freute sich nun auch Max und sie schlugen sich ein. "Kommt, das müssen wir feiern! Ich hab da zufällig was lagern, vom feinsten - die Flasche geht auf meine Rechnung!" Er schob die beiden vor sich her in den Aufenthaltsraum...

Thomas und Biggi warfen sich hilflose Blicke zu, mussten aber doch grinsen. Im Aufenthaltsraum angelangt kündete Max lautstark an: "Es gibt was zu feiern, Freunde! Stellt mal die Gläser bereit." Thomas machte das große Trara etwas verlegen. "Hat wer Geburtstag? Das wüsste ich doch!", meinte Gabi. "Ne, das nicht, aber Thomas ist jetzt wieder Vater geworden!", freute sich Max. "Hey Thomas, das ist ja klasse!" Gabi kam auf ihn zu und auch sie drückte ihn freundschaftlich. Es war immerhin niemandem entgangen, wie sehr Thomas die ganze Sache mitgenommen hatte. Auch Ralf gratulierte ihm. "Spitze! Kann mir vorstellen dass das vorher nicht einfach für dich war, hm?" "Ja, so kann man's wohl sagen. Danke, Leute! Aber eigentlich hab ich alles unserer Frau Pilotin zu verdanken..." Dankbar lächelnd blickte er Biggi an, welche zurücklächelte. "Jaja, wenn's mich nicht gäbe...", meinte sie grinsend und verpasste Thomas einen freundschaftlichen Stoß in die Rippen. "Hey...!", meinte er, versuchte sie zu erwischen, aber sie war ihm schon ausgewichen. Die Stimmung auf der Basis war wirklich hervorragend. Max hatte auch Peter und Michael zu der kleinen Feier verständigt, und sie kamen kurze Zeit später schon bei der Tür herein. Beide umarmten Thomas freudig, als sie von der guten Nachricht erfuhren, sie gönnten es ihm alle so sehr. Stundenlang saßen sie alle beisammen, plauderten und waren froh, dass kein Einsatz die schöne Atmosphäre auf der Basis unterbrach. Als es schon früher Abend war, ging Gabi kurz nach draußen, um ein wenig Luft zu schnappen. Ralf hatte das beobachtet und folgte ihr. "Hey", sagte er. "Geht's dir denn schon besser?" "Danke - ja, es geht mir wirklich besser. Und das hab ich vor allem dir zu verdanken." Sie lächelte ihn lieb an.  "Danke, Ralf." "Ach, wofür denn. Ich hab doch nur das ausgesprochen, was ich dachte. Und außerdem hab ich mir Sorgen um dich gemacht." "Das finde ich lieb von dir.", meinte sie und sah ihn an. Er blickte zurück und lächelte verlegen. "Sag mal, ist dir nicht kalt? Es ist doch schon fast dunkel und du hast nur ein T-Shirt an. Komm, nimm meine Jacke." Er zog sich seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern. "Danke", sagte sie dankbar. "Aber dann ist dir doch kalt?" "Ach, mir ist nie kalt. Und dann noch in deiner Gegenwart, da wird mir sowieso gleich warm..." "Was soll das denn bedeuten?", fragte Gabi lächelnd. "Na, dass ich gern mit dir zusammen bin." Gabi sagte nichts, sie gingen eine Weile nebeneinander her. "Ich bin auch sehr gern mit dir zusammen, Ralf.", sagte sie dann plötzlich. "Das trifft sich ja gut", freute sich Ralf. "Wollen wir uns mal außerdienstlich treffen?", fragte er sie dann vorsichtig. Sie blieb stehen, sah ihn an und meinte: "Ja, wieso nicht?" Ralf berührte zaghaft ihren Arm und meinte: "Das wäre sicher..." Sie sahen sich tief in die Augen. "... schön" Sie kamen sich immer näher. "Das..." Gabi nahm seine Hand, blickte unentwegt in seine Augen. "glaube ich..." Ralf legte sanft seine Hand auf ihre Wange, ihre Lippen näherten sich immer mehr und schließlich berührten sie sich zaghaft. In dieser dunklen Nacht ... doch inmitten der Dunkelheit loderte das Licht der Liebe. Sie küssten sich zärtlich, auch Gabi legte ihre Arme um ihn und sie wollten einander nicht mehr loslassen. Lange blieben ihre Lippen ineinander versunken, und als sie schließlich voneinander abließen meinte Gabi: "...auch" und lächelte. Auch Ralf lächelte, sie blickten sich an und küssten einander erneut.

Währenddessen war die Stimmung im Aufenthaltsraum immer noch wunderbar. Michael blickte auf die Uhr. "Uuh, Leute, Schichtwechsel in fünf Minuten. Ich schätze, wir sollten uns ans Umziehen machen." "Shit, das hab ich ja ganz vergessen.", meinte Peter, und hastete hinter Michael in den Umkleideraum. Thomas saß gerade mit Max und Biggi auf dem Sofa und unterhielt sich. "Mann, wie die Zeit vergeht.", meinte er enttäuscht. "Bleibst du trotzdem noch ein wenig?", richtete sich Thomas an Biggi und sah sie bittend an. "Gibt es einen Grund dafür?", fragte sie ihn quälend. "Ja, mich. Ich würde mich halt freuen, weil ich dich gern bei mir habe...", meinte er verlegen. "Uuh...na ich gehe dann mal besser.", meinte Max verschwörerisch und stand auf. Die beiden sahen ihm grinsend nach, und spürten geradezu, wie er innerlich triumphierte. Das tat er auch. Der Abend scheint den beiden ja gut bekommen zu haben, dachte sich Max. "Na dann – das passt ja gut, ich hatte ohnehin vor noch zu bleiben. Weil ich dich auch gern in meiner Nähe hab..." "Ehrlich?" Biggi blickte verlegen zum Boden. "Ganz ehrlich.", meinte sie. Thomas rang sehr mit sich, dann aber gab er sich einen Ruck und nahm Biggis Hand. Sie blickte auf und sah ihn an. "Biggi, ich ..." Diesmal sagte sie nichts. Sie wartete und versank in seinen grünen Augen ... "Ich wollte..." Er rückte ein wenig zu ihr, ein paar Mal, bis sie schließlich nicht näher beieinander hätten sitzen können. Biggi musste lächeln, wusste aber auch nicht, was sie sagen sollte. Er versank einstweilen in ihren Augen, sie waren ... so wunderschön - wie alles an Biggi ... "Ich...", begann er noch mal ein wenig lauter, holte Luft. Ihre Gesichter kamen sich immer näher, Thomas blickte auf Biggis Lippen ... er verspürte im Bauch das Kribbeln ganzer Rettungsstaffeln ...  "ES FREUT MICH, DASS AUF DER BASIS GUTE STIMMUNG HERRSCHT!!!"  Eine ganz gewisse, ärgerlich mürrisch schadenfreudig blickende Gestalt war in der Tür zu erkennen. Ebelsieder. Biggi und Thomas sprangen erschrocken vom Sofa auf. "Tja, ich habe ein Problem mit Ihnen zu besprechen, Herr Wächter. Es tut mir leid dass ich Sie in Ihrer Zweisamkeit gestört habe." Thomas kratzte sich verlegen am Kopf. "Ihr Kerosinverbrauch in diesem Monat ist unzumutbar. Sie werden sich etwas einfallen lassen müssen, Herr Wächter, ansonsten werde ich mir etwas einfallen lassen. Habe ich mich klar ausgedrückt?" Biggi hatte sich wutschnaubend abgewandt. "Klar genug, herzlichen Dank.", meinte Thomas stechend.

Dann wandte sich Ebelsieder an Biggi. Zuckersüß säuselte er sie an: "Na, Biggi, haben Sie es sich schon überlegt, ob Sie nächste Woche Zeit haben?" Biggi blickte ihm wütend in die Augen. "Gegenfrage: Wann habe ich Ihnen erlaubt, mich beim Vornamen zu nennen? Ich kann mich nicht erinnern." Durch diesen Konter wurde Ebelsieder nur noch wütender. "Ihnen werden die Frechheiten schon noch vergehen. Ihnen allen!", brüllte er verärgert und

stapfte dann wieder zurück in sein Büro.

Biggi ließ sich fertig auf einen Stuhl sinken und stützte den Kopf in die Hände. Sie wusste wirklich nicht mehr, was sie tun sollte. Kaum setzte sie sich ein wenig gegen Ebelsieder zur Wehr, machte er ihre Kollegen auch noch fertig. Und das sogar ohne dass sie etwas dafür tun musste. Thomas trat vorsichtig auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wie sie sich fühlen musste, und es tat ihm schrecklich Leid. Sie alle bekamen nahezu täglich mit, wie sehr Ebelsieder ihr an die Nerven ging. Und er wusste auch, dass es ihr wohl total unangenehm gewesen war, dass er Thomas nun wieder aus Eifersucht wegen ihr zusammengedonnert hatte.

"Hey", sagte er leise. "Lass dich nicht von dem fertig machen." Er beugte sich zu ihr runter neben den Stuhl und wartete, bis sie ihn ansah. "Aber was soll ich denn tun?", fragte sie dann und blickte ihn an. Er bemerkte, dass sie sogar eine Träne in den Augen hatte. Sie tat ihm so Leid. "Schau mal, darauf will er doch hinaus, dass du es aufgibst und er gewonnen hat. Er weiß ja genau, dass er über dir steht, und er will ganz über dich bestimmen." "Ich weiß gar nicht mehr, wie ich ihm gegenübertreten soll. Jedes Mal wenn ich ihn abblitzen lasse, seid ihr dran, besonders du." "Daran brauchst du nicht denken. Wir verkraften den schon, und irgendwie ist er ja einfach zu bemitleiden. Er mag dich wahrscheinlich auch so gern ... wie ich." Da musste Biggi nun doch lächeln. "Komm her.", meinte Thomas, und er nahm sie liebevoll in die Arme.

Währenddessen kamen Michael und Peter aus dem Umkleideraum wieder. "Nanu, was macht ihr denn hier so zweisam?", fragte Michael die beiden. Thomas und Biggi standen auf. Biggi beschloss, ein wenig zu Max in den Hangar gehen, sie wollte jetzt nicht noch lange nach Begründungen suchen.

"Nicht das, was du denkst.", sagte Thomas dann zu Michael. "Ihr geht's nicht so gut." "Was ist denn los? Etwa wieder Ebelsieder?" Thomas nickte. "Der wird immer schlimmer. Vorhin platzte er rein und war außer sich vor Wut, uns allein hier anzutreffen. Er faselte irgendwas von zu hohem Kerosinverbrauch, das stimmte ja gar nicht, ich verbrauche nicht mehr Sprit als den Durchschnitt." "Gegen den Kerl ist echt kein Kraut gewachsen.", meinte Peter verärgert. "Ne, bis jetzt nicht. Aber wir können versuchen was zu pflanzen.", meinte Thomas dann. Schließlich eilte er aber in den Umkleideraum, er war schon viel zu spät dran, am Ende müsste noch Biggi statt ihm den nächsten Einsatz fliegen.

Der Abend verging schnell und die Teams brachten viel Zeit damit zu, hinter Peters Rücken Pläne für die Party zu schmieden, die schon morgen Abend steigen würde. Es sollte eine lange, bedeutende Nacht werden - doch nicht nur für Peter...

Am nächsten Tag hatte keines der Teams Dienst, da es Samstag war. Doch auf der Basis liefen die Vorbereitungen für Peters Geburtstagsfeier auf Hochtouren. Er hatte zwar erst am nächsten Tag Geburtstag, doch er wollte reinfeiern.

Während Gabi und Peter gerade schwer damit beschäftigt waren in der Küche das kalte Buffet herzurichten, waren die anderen im Aufenthaltsraum, wo die Feier stattfinden sollte, rückten die Möbel um und schmückten den Raum mit Girlanden und Luftballons. „Hey, das sieht ja schon gut aus.“, bemerkte Gabi, als sie einmal den Kopf aus der Küche steckte, dabei zwinkerte sie Ralf unauffällig zu. Dieser grinste sie an und Gabi grinste zurück. „Hey, Gabriele, komm, hilf mir mal lieber bei der Käseplatte.“, sagte Peter vorwurfsvoll.“ „Ist ja schon gut.“, meinte Gabi, „Du kannst es wohl schon gar nicht mehr erwarten, wieder ein Jahr älter zu werden, was?“ Dafür bekam sie von Peter einen Stoß in die Seite.

Biggi war gerade damit beschäftigt einige Luftballons an der Decke zu befestigen, deshalb war sie auf eine Leiter gestiegen.  Thomas stand unten und reichte ihr die Luftballons hoch. Max stand etwas abseits, er war gerade damit beschäftigt den Tisch herzurichten und beobachtete die beiden. ‚Sie wären doch so ein schönes. Paar!’, dachte er sich und schmunzelte. „Max, gibst du mir mal bitte das Tesafilm?“, riss Michaels Stimme ihn dann plötzlich aus den Gedanken. „Was, wie, äh, na klar.“, Max reichte Michael das Tesafilm und widmete sich dann wieder dem Tisch. „Gibst du mir noch mal die Girlande da vorne?“, wandte Biggi sich an Thomas. Thomas nahm die Girlande und reichte sie Biggi. „Was hast du denn damit vor?“, fragte er sie neugierig. „Das wirst du gleich sehen.“, sagte Biggi fröhlich und lächelte ihn an. Doch dann beugte sie sich einen kleinen Tick zu weit nach vorne und verlor das Gleichgewicht. Sie fiel und landete genau in Thomas’ Armen. „Bist du ok?“, fragte er sie erschrocken. Biggi nickte leicht. „Danke.“, meinte sie dann. Sie sah Thomas, der sie immer noch auf dem Arm hielt, in die Augen und er tat es ihr nach. „Alles in Ordnung?“, wollte Michael dann wissen. „Was? ...ähm …ja.“, beruhigte Biggi ihn und Thomas ließ sie vorsichtig wieder runter. „Ich glaube, ich hänge lieber die Girlande an.“, meinte er dann und stieg auf die Leiter, während Biggi ihm die Girlande, die sie fallen lassen hatte, hoch reichte. Wenig später hing die Girlande und der Tisch war fertig gedeckt. Auch Gabi und Peter hatten das Buffet so gut wie fertig, die anderen halfen ihnen noch ein wenig, dann waren die Vorbereitungen ab geschlossen. Alle wollten noch einmal nachhause fahren und sich umziehen und dann in zwei Stunden, um ca. 20 Uhr wieder auf der Basis erscheinen. Michael saß bereits ungeduldig in seinem Wagen und rief nach Thomas, der gerade mit Biggi zusammen das Basisgebäude verließ. „Tja, ich muss, bis nachher dann.“, meinte er und sah Biggi in die Augen. „Ja, bis später.“, meinte sie und schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. Thomas lächelte zurück. „Und fahr vorsichtig, ja?“ „Mach ich doch immer.“, erwiderte Biggi. „Thomas, kommst du jetzt?“, Michael verlor langsam die Geduld. „Ja, ja, bin ja schon auf dem Weg.“, gab Thomas ein wenig genervt zurück. „Also bis nachher.“, er drehte sich noch einmal zu Biggi um, lächelte sie an und begab sich dann jedoch endgültig zu Michaels Wagen. „Was trödelst du denn so?“, wurde er dann gleich angemotzt, nachdem er die Tür geschlossen hatte. „Ich wollte mich nur noch kurz von Biggi verabschieden, das wird ja wohl erlaubt sein oder?“, fragte Thomas. „Na, ein einfaches Tschüss hätte doch wohl auch gereicht oder?“, gab Michael zurück. „Nein, hätte es nicht.“, protestierte Thomas. Er warf Michael einen bösen Blick zu und Michael warf ihm einen fast noch böseren Blick zu. Sie sahen sich eine Weile so an und schließlich mussten sie anfangen zu lachen.

Biggi beeilte sich nachhause zukommen, denn sie wusste, das sie sich sowieso wieder nicht entscheiden können würde, was sie anziehen sollte. Es ging ihr fast jedes Mal so. Sonst fragte sie meistens Gabi oder eine andere Freundin um Rat, aber Gabi war selbst gerade damit beschäftigt sich für den Abend zu stylen.

So stand Biggi alleine vor ihrem Spiegel und überlegte. Thomas würde schließlich auch da sein, das machte die Entscheidung für sie gleich doppelt so schwer. Schließlich entschied sie sich für einen kurzen Rock, ein Top und eine dünne Bluse.

Auch Gabi ging es nicht besser. Sie freute sich schon ziemlich auf den Abend, den sie mit Ralf zusammen verbringen könnte. Seit dem gestrigen Abend waren Ralf und sie nicht mehr alleine gewesen und sie wusste nicht genau, ob sie jetzt wirklich zusammen waren, aber sie hoffte es sehr.

Thomas und Michael hatten sich inzwischen Umgezogen und Michael hatte Dirk ins Bett geschickt. „Können wir jetzt endlich los?“, fragte Thomas leicht genervt. Sie waren sowieso schon spät dran und Thomas wollte nicht noch mehr zu spät kommen. „Ja, gleich.“, kam es von Michael zurück. Er wollte Dirk noch gute Nacht sagen. Thomas verdrehte die Augen und ging dann schon einmal vor zum Auto. Sie hatten beschlossen wieder mit Michaels Auto zu fahren und so stieg Thomas schon einmal ein und setzte sich auf den Beifahrersitz.

„Na endlich.“, meinte er vorwurfsvoll, als Michael endlich ins Auto stieg. „Ich werde meinem Sohn wohl noch gute Nacht sagen dürfen, oder?“ „Ja ja…“, murmelte Thomas nur. „Und außerdem hast du vorhin auf der Basis auch auf dich warten lassen.“, fügte Michael hinzu. „Das war was ganz anderes.“, protestierte Thomas. „Du kannst es doch nur nicht erwarten, wieder zu Biggi zu kommen.“, unterstellte Michael ihm dann grinsend. Thomas sah ihn entsetzt an. „Wie kommst du denn darauf?“, wollte er wissen. „Na, ich bin ja nicht blind.“, meinte Michael nur und grinste wieder.

Biggi hatte sich währenddessen auf den Weg zur Basis gemacht. Sie freute sich schon sehr auf Peters Geburtsgasfeier, es würde sicherlich ein amüsanter Abend werden, hoffte sie jedenfalls. Bald hatte sie die Basis erreicht. Zur ihrer Enttäuschung stand einzig und alleine das Auto von Gabriele auf dem Parkplatz. Insgeheim hatte sie gehofft, dass sie dort vielleicht das Auto von Thomas oder Michael erblicken würde.

Sie stellte ihr Motorrad neben Gabis Auto ab und nahm sich dann den Helm ab. Langsam ging sie auf den Eingang zu und betrat das Basisgebäude. „Hey, Biggi, schön, dass du da bist.“, begrüßte Gabi ihre Freundin sofort. „Für wen hast du dich denn so hübsch gemacht?“, fragte sie dann verschwörerisch. Biggi grinste nur und zuckte unschuldig mit den Schultern. „Aber das gleiche könnte ich dich ja genauso gut fragen.“, meinte sie dann. Gabi lächelte, ihr fiel ein, dass sie Biggi noch gar nichts von ihr und Ralf erzählt hatte. Da sie wusste, dass sonst noch niemand auf der Basis war, fand sie, dass es eine gute Gelegenheit wäre, es Biggi jetzt anzuvertrauen. „Also, na ja, Ralf und ich…wir…wir“, zögerte sie. „Sag bloß, ihr seid zusammen?“, unterbrach Biggi sie grinsend. „Na ja, ich glaube schon.“ „Was soll das heißen, du glaubst es?“ „Also, gestern Abend, da haben wir uns geküsst, draußen auf der Wiese und es… es war wunderschön.“, erzählte Gabi schließlich. Biggi umarmte ihre Freundin. „Ich freu mich so für dich.“, sagte sie. Gabi schien wirklich glücklich zu sein und Biggi gönnte es ihr total. „Hey, hallo Biggi, hallo Gabi.“, vernahmen sie dann plötzlich die Stimme von Ralf hinter sich. Gabi strahlte förmlich als sie ihn sah und Ralf ging es nicht anders. „Ähm, also ich geh dann noch mal kurz ins Bad.“, meinte Biggi schnell, weil sie die beiden alleine lassen wollte. „Du siehst klasse aus.“, sagte Ralf zu Gabi. Sie lächelte verlegen. „Ehrlich?“ „Ehrlich!“ Ralf ging zu ihr und gab ihr einen sanften Kuss. Gabi wollte ihn gerade erwidern, als sie Peters Auto auf den Parkplatz fahren sah. Schnell tickte sie Ralf an. Er drehte sich um und sah nun auch Peter der gerade aus seinem Auto ausstieg. „Hallo Gabi, hallo Ralf, seid ihr die einzigen, die schon da sind?“, fragte er, als er hereinkam. „Nein, Biggi ist auch schon da, aber sie wollte noch mal kurz ins Bad.“ „Ja, ja, die Frauen immer.“, meinte Peter kopfschüttelnd und bekam dadurch einen bösen Blick von Gabi zugeworfen. Biggi, die Peters Stimme gehört hatte, kam nun wieder in den Aufenthaltsraum, da sie wusste, dass Gabi sowieso nicht mehr mit Ralf alleine war. Als sie den Aufenthaltsraum betrat, sah sie, dass auch Max inzwischen eingetroffen war. Nur Thomas und Michael fehlten nun noch.

Gabi, Peter, Max, Biggi und Ralf bauten dann noch die letzten Sachen des Buffets auf. Dann setzten sie sich schon einmal an den Tisch. „Also wenn die beiden nicht bald kommen, dann fangen wir ohne sie an.“, meinte Peter mahnend, denn es war schon fast halb neun. „Da kommen sie.“, entdeckte Biggi, die ihren Blick die ganze Zeit über nicht vom Fenster, von dem man den Parkplatz einsehen konnte, abgewendet hatte. „Na endlich.“, meinte Max nur, „Ich hab schon richtig Hunger.“ Daraufhin bekam er einem mahnenden Blick von den anderen zugeworfen. „Ok, ok ist ja schon gut.“, sagte er schließlich.

Wenige Augenblicke später betraten Thomas und Michael dann endlich den Aufenthaltsraum. „Hey, schön, dass ihr doch heute noch kommt!“, bekamen sie gleich von Peter zu hören. „Michael hat mal wieder getrödelt, ich konnte absolut nichts dafür.“, verteidigte Thomas sich. „Ist ja auch egal, Hauptsache ihr seid jetzt da.“, meinte Ralf dann. Michael und Thomas setzten sich an den Tisch. Thomas schob sich extra schnell an Michael vorbei, damit er sich auf den Platz neben Biggi setzen konnte. Sie sah fabelhaft aus und Thomas konnte seinen Blick überhaupt nicht mehr von ihr abwenden. Biggi lächelte ihn an und er tat es ihr nach. „Ich denke, dann ist es jetzt Zeit, also, das Buffet ist eröffnet.“, sagte Peter dann und zog damit alle Blicke auf sich. Alle klatschten, dann standen sie nacheinander auf und bedienten sich am Buffet.

Nachdem sie gegessen hatten, war Peter kurz in der Küche verschwunden und Gabi und Ralf hatten begonnen zusammen zu tanzen. Thomas ging erneut zum Buffet und kam dann mit zwei Gläsern Sekt zurück, wovon er eins Biggi überreichte. „Danke“, sagte sie und sah ihm in die Augen. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch begannen wieder Loopings zu drehen. Sie stießen an. „Auf dich.“, sagte Thomas und lächelte sie an. „Nein, auf uns.“, verbesserte Biggi ihn. Michael, der als einziger außer den beiden noch am Tisch saß, schmunzelte, während er die beiden beobachtete.

Als das Lied zu Ende war, wollten Gabi und Ralf sich gerade wieder hinsetzen, als Peter aus der Küche kam und Gabi aufforderte. Ralf sah ihnen zu und wurde dabei ein bisschen eifersüchtig. Doch beim nächsten Song tanzte Gabi wieder mit ihm und so war die Welt für ihn wieder in Ordnung.

„Wollen wir auch tanzen?“, fragte Thomas Biggi dann zögerlich. Eigentlich hatte er sie das schon den ganzen Abend fragen wollen, aber er hatte sich erst jetzt dazu durchringen können. Biggi strahlte. „Gern“, erwiderte sie. Und so stand Thomas auf, nahm ihre Hand und zog sie mit auf die Tanzfläche. Nach dem dritten Lied, Gabi und Ralf hatten sich gerade wieder hingesetzt, folgte ein langsameres Lied. Biggi blickte zu Thomas auf und er sah ihr ihn die Augen. Dann traten sie noch näher zusammen und tanzten Engtanz miteinander. Biggi schmiegte sich leicht an ihn und auch Thomas schien es sehr zu genießen.

Die anderen saßen inzwischen wieder am Tisch und waren ziemlich in ihre Unterhaltung vertieft. Mitternacht rückte immer näher und somit Peters Geburtstag. „Hey, es sind nur noch 5 Minuten.“, bemerkte Ralf dann plötzlich. Auch die anderen sahen erschrocken auf die Uhr. Der Abend war wie im Flug vergangen. Peter stand auf und holte für alle Sektgläser zum Anstoßen. Biggi und Thomas tanzen immer noch zusammen. Biggi hatte ihren Kopf auf seine Brust gelegt und die Augen geschlossen. Sie waren beide so in ihren Gedanken versunken und genossen es so sehr, dass sie fast gar nicht darauf achteten, was um sie herum geschah. Bis Gabi schließlich zu den beiden ging und Biggi vorsichtig auf die Schulter tippte. Sie erschreckte sich so, dass sie beinahe einen kleinen Schrei ausgestoßen hätte. Gabi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Peter hat in zwei Minuten Geburtstag, wir wollen gleich anstoßen.“, sagte sie dann. Thomas und Biggi nickten und gingen dann langsam wieder zurück zum Tisch und setzten sich zu den anderen. Schließlich hielt jeder ein Glas Sekt in der Hand und sie zählten den Countdown bis Mitternacht. „10, 9,8,7,6,5,4,3,2,1 und Happy Birthday Peter.“, riefen alle zugleich. Sie gingen alle nacheinander zu Peter und umarmten und gratulierten ihm. „Wie alt bist du denn jetzt eigentlich geworden?“, wollte Ralf dann wissen. „Eigentlich spreche ich ja nicht so gern übers Alter, aber weil du es bist: 32“, antwortete Peter ihm grinsend. „Ich denke, dann ist es Zeit für dein Geschenk.“, bemerkte Gabi dann. Sie stand auf und verschwand in der Umkleide, da sie das Geschenk dort in ihrem Spind versteckt hatte. Wenig später kam sie wieder und überreichte es Peter. „Ja, also, das ist von uns allen.“ Peter öffnete das Päckchen sogleich und fand einen Gutschein, ein Buch und ein Video darin vor, worüber er sich sehr freute. Er bedankte sich bei jedem einzelnen und die anderen freuten sich, dass sie anscheinend die richtige Wahl getroffen hatten. „Nun Peter, wie fühlt man sich so mit 32?“, wollte Michael dann wissen. „Alt“, gab Peter lachend zurück und auch die anderen schmunzelten. Dann unterhielten sie sich noch eine Weile.

Etwa eine halbe Stunde später stand Biggi auf. „Hey, wo willst du denn hin?“, fragte Thomas sie. „Ich will nur mal kurz frische Luft schnappen.“, meinte sie und lächelte ihn an. Er nickte. „Hm, das würde mir vielleicht auch ganz gut tun.“, überlegte er laut. „Dann komm doch mit.“, schlug Biggi ihm vor. Thomas nickte und stand dann auch auf. So verließen sie gemeinsam den Aufenthaltsraum. Die anderen bemerkten ihr Verschwinden kaum, denn Michael und Peter hatten bereits so viel getrunken, dass sie fast gar nichts mehr mitbekamen, Max war kurz auf die Toilette verschwunden und Gabi und Ralf tanzten gerade zusammen. „Ganz schön kalt.“, bemerkte Biggi, als sie draußen waren. Thomas nickte, er merkte, dass Biggi ein wenig zitterte. Er legte liebevoll seinen Arm um sie und zog sie ganz nah zu sich. „Besser?“, wollte er dann wissen. Biggi nickte und lehnte sich ein wenig an ihn. Sie fühlte sich total wohl in seiner Gegenwart. „Viel besser“, sagte sie und sah ihn glücklich an. Sie gingen ein paar Schritte, bis sie schließlich hinter dem Helicopter, der noch draußen auf der Landeplattform stand, stehen blieben. Biggi sah auf, in den Himmel, der sternenklar war. „Ist es nicht wunderschön hier?“, fragte sie und sah Thomas dann tief in die Augen. Er nickte. „Ja, genau wie du.“ Biggi lächelte ein wenig verlegen. Thomas fasste zaghaft nach ihrer Hand und nahm sie in seine. Dann sah er Biggi mit einem tiefen Blick, den sie erwiderte, in die Augen. „Biggi…ich…ich wollte…“ Thomas sprach nicht weiter. Biggi legte ihre Arme um seinen Hals und er tat es ihr nach. Langsam näherten sie ihre Gesichter einander an und sahen sich dabei unablässig in die Augen. Schließlich berührten sich ihre Lippen ganz sanft und dann verschmolzen sie in einem unendlich zärtlichen Kuss. Wie lange hatten sie beide schon auf diesen Augenblick gewartet? Sie waren beide total glücklich und küssten sich immer leidenschaftlicher. „Ich liebe dich, Biggi.“, sagte Thomas dann leise, als sie kurz voneinander abließen. Biggi lächelte ihn überglücklich an. „Ich dich auch.“, sagte sie, „Sehr sogar.“ Daraufhin zog Thomas sie wieder ganz dicht an sich und begann wieder sie zu küssen, was Biggi glücklich erwiderte. Irgendwann setzten sie sich in die offene Schiebetür des Helicopters. Biggi hatte sich in Thomas’ Arme gekuschelt und sie küssten sich immer wieder überglücklich. „Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe?“, fragte Thomas sie dann. „Ja, gerade eben.“, sagte Biggi und strahlte ihn an. „Ich kann es gar nicht oft genug sagen.“, meinte er und küsste sie zärtlich.

Als es ihnen mit der Zeit draußen zu kalt wurde, setzten sie sich hinten in den Helicopter, wo es schön warm und windgeschützt war. Thomas hatte sich auf die Bank gesetzt und Biggi saß auf seinem Schoß und hatte sich an ihn geschmiegt. „Ich bin total glücklich.“, sagte sie leise. „Ich auch.“, gab Thomas zurück. Er gab ihr einen innigen Kuss, dann begann er langsam ihr die Bluse aufzuknöpfen und Biggi zog ihm das T-Shirt aus, während sie sich immer wieder zärtlich küssten. Schließlich lagen sie nur noch in Unterwäsche, nebeneinander auf der Trage. Biggi drehte sich um, legte sich auf Thomas und küsste ihn immer leidenschaftlicher. „Das geht jetzt aber auf deine Verantwortung.“, meinte er zwischen zwei Küssen und lächelte sie überglücklich an. Biggi zog ihm langsam seine Boxershorts aus und auch sie trug ihre Unterwäsche nicht mehr lange. Schließlich schliefen sie miteinander. Es war wunderschön und sie genossen es beide unheimlich.

Danach lag Biggi überglücklich in Thomas’ Armen und blickte ihn verliebt an. Er küsste sie zärtlich und schloss sie ganz fest in die Arme. Schließlich schliefen sie so beide überglücklich ein. Es war immerhin schon zwei Uhr nachts.

Außer Peter, der noch ein wenig aufräumen wollte, hatten alle die Basis schon verlassen. Michael dachte wie alle anderen auch, dass Thomas sich ein Taxi nachhause genommen hätte und Biggi auch schon gefahren wäre, da Thomas und Biggi sich schließlich nicht mehr im Aufenthaltsraumblicken lassen hatten. Gabi war mit zu Ralf gefahren und auch Max war schon zuhause. Schließlich schloss Peter die Tür ab und ging zu seinem Auto. Dass Biggis Motorrad noch auf dem Parkplatz stand, fiel ihm nicht auf. Er wollte nur noch nachhause und in sein Bett, zumal das Medicopterteam gerade dieses Wochenende am Sonntag die Bereitschaft hatte, was bedeutete, dass sie am nächsten Morgen früh aufstehen müssen würden. Eigentlich hätte er, genau wie Michael, gar nicht mehr fahren dürfen, dafür hatte er viel zu viel getrunken, doch er setzte sich schließlich doch ans Steuer und machte sich auf den Weg nachhause.

So verging die Nacht. Alles war dunkel in der Basis, doch der leuchtend rot-gelbe Helicopter wurde vom Mond beschienen. Biggi und Thomas hatten sich mit einer Wolldecke zugedeckt, eng aneinander gekuschelt und schliefen tief und fest.

Auch zwei andere hatten sich einander gekuschelt und redeten noch bis in die frühen Morgenstunden darüber, wie glücklich sie waren. Ralf hatte Gabi zu einer Nacht in seinem kuscheligen Bett eingeladen, was sie nicht abgelehnt hatte. In seinen Arm gekuschelt genoss Gabi die Stille der Nacht. "Du, ich muss dir was sagen ..." "Ja?" "Biggi weiß es ... ich meine ..." "Du hast es ihr erzählt?" "Ja. Ist das schlimm?" "Ach was, wieso? Dann brauchen wir jetzt wenigstens nichts mehr zu verheimlichen." "Ja, das ist klasse. Nur den Jungs müssen wir's noch sagen." "Die werden's schon früh genug erfahren.", meinte er und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Dann begann er: "Du – ich muss dir auch etwas sagen..." "Aha, was denn?", fragte Gabi neugierig. Sie befürchtete schon, gleich zu hören, dass er verheiratet sei. Doch dem war nicht so. "Wir sind nicht allein." Gabi blickte auf. "Kannst du dich vielleicht etwas genauer ausdrücken?", fragte sie ihn und sah ihn an. "Wenn es sein muss...", meinte Ralf und lächelte. Daraufhin stieß er einen lauten Pfiff aus. Drei Sekunden später wurde die Schlafzimmertür wie von Geisterhand geöffnet. Weitere zwei Sekunden später blickte Gabi in die beiden dunklen, gutmütig-treuen Augen eines wunderschönen Golden Retrievers. "Wenn ich vorstellen darf? Gonzo, meine bessere Hälfte.", sagte Ralf feierlich.  Gabi musste lachen. Sie umarmte ihn und küsste ihn überschwänglich. Ralf erwiderte es natürlich, wunderte sich aber. "Na dass du dich so über ihn freust, hätte ich mir gar nicht gedacht.", meinte er. "Ach, es ist doch nicht das. Ich hatte nur schon Angst, ein weibliches Wesen würde mir gleich die Hölle heiß machen.", meinte sie lächelnd. "Ach Gabi, wie kommst du denn darauf?" Er legte seine Arme um sie, drehte sich mit ihr im Bett und küsste sie zärtlich.

Daraufhin war ein empörtes "Wuff" zu hören. "Oh, sorry, Gonzo. Komm, jetzt müsst ihr euch mal näher kennen lernen.", sagte Ralf und führte Gabi an der Hand zu Gonzo.

Gabi wusste mit Hunden umzugehen, da sie selbst schon einen gehabt hatte in ihrer Kindheit. Sie streckte ihm ihre Hand hin, worauf er sie neugierig beschnupperte und begann dann, ihn liebevoll am Hals zu kraulen. "Gonzo ist ausgebildeter Rettungshund. An meiner alten Stelle haben wir zusammen schon viele Verletzte ausgebuddelt, stimmt's, Gonzo?" "Er ist Rettungshund? Na, warum nimmst du ihn dann nicht mit zu uns? Ebelsieder wollte schon lange mal die Teams mit einem Hund ergänzen, aber er stellt sich das alles ein wenig zu einfach vor." "Was? Ebelsieder? Ich hab mich bis jetzt nicht getraut ihn darauf anzusprechen, da er mir so gar nicht tierliebend aussah." "Ist er auch nicht. Er sieht Rettungshunde als programmierte Computer an. Aber wofür sind wir denn da?", meinte sie und knuddelte Gonzo, welcher das überaus genoss. "Na wenn das so ist. Das wär ja klasse! Ich könnte ihn immer mitnehmen, und er hat ne neue Herausforderung.", freute sich Ralf. "Die anderen werden begeistert sein. Gleich morgen gehen wir und reden mit Ebelsieder, ok?" "Na klar.", meinte Ralf und küsste sie glücklich.

Max stand am nächsten Morgen schon sehr früh auf. Ihm war eingefallen, dass er am Abend vollkommen vergessen hatte, den Heli für den Sonntagsdienst aufzutanken, da er nur mit der Party beschäftigt gewesen war. Er machte sich also schon im Morgengrauen auf, zur Basis zu fahren. Als er dort gähnend aus dem Auto stieg, musste er beim wunderschönen Anblick der BK 117 lächeln. Der Morgentau floss von der rot-gelb-leuchtenden Karosserie des Helicopters, welcher einem wunderschönen Engel gleichte. Nicht im Entferntesten hätte er daran gedacht, dass er an diesem Morgen nicht alleine war auf dem Gelände.

Er begab sich in den Hangar, um dort seinen Werkzeugkasten zu holen, da er zudem noch den Heli checken musste.

Im selben Moment wachte Biggi gerade auf. Als sie aufsah, lächelte sie bei Thomas' Anblick. Er schlief immer noch tief und fest und hatte seine Arme liebevoll um sie gelegt. Sie versuchte, sich nicht zu bewegen, um ihn nicht zu wecken. Doch das war gar nicht nötig – als Max draußen eine Zange fallen ließ, schreckten sie beide auf. "Wie - was?", fragte Thomas verschlafen. Biggi legte ihre Hand auf seinen Mund und sagte leise: "Pssst - ich glaube da draußen ist irgendwas!" "Was sollte denn da sein?", erwiderte Thomas, lächelte glücklich, als er in Biggis Augen sah, und küsste sie zärtlich. Sie erwiderte es, zog die Decke über ihre Köpfe und sie verkrochen sich küssend. Doch lange verblieben sie nicht so. Fröhlich summend war Max an die Helitür getreten und riss sie nun mit einem Ruck auf. Als er dort drinnen die Decke sich bewegen sah, erschrak er so sehr, dass er nach hinten auf den Boden fiel. "Hilfe", stammelte er ängstlich.

"Und da ist doch irgendwas!", hörte er plötzlich Biggis Stimme unter der Decke. Kurz darauf wurden zwei Köpfe aus der Decke gestreckt, welche nicht weniger erschraken als Max. "Oh - äh - hallo Max", stammelten sie und wollten vor Verlegenheit am liebsten im Boden versinken. Als Max sich von seinem Schreck erholt hatte, rappelte er sich auf und lehnte sich grinsend in die offene Helitür. "Na so eine Überraschung..." Er begann freudig zu lachen. "Kommt, ich lade euch zu nem Frühstück ein, es gibt ja offensichtlich schon wieder was zu feiern. Aber vorher zieht ihr euch was an." "Max, also..." "Jaja, ich weiß schon, es ist natürlich nicht so, wie's aussieht." Daraufhin mussten auch Thomas und Biggi lachen. Dann meinte Max: "Ach ihr beiden, ihr wisst ja gar nicht, wie ich mich freue! Ihr wart schon immer füreinander vorbestimmt, das hab ich doch schon gesehen, als ihr euch das erste Mal gegenübergetreten seid! Dass ihr allerdings gleich so rangeht..." Max grinste übers ganze Gesicht. "Bis später dann, ich ziehe mich einstweilen zurück, bevor ihr euch noch erkältet."

Als Max sich fröhlich in den Hangar verzogen hatte, sagte Thomas leise: "Ich glaube wir haben ihm einen Herzenswunsch erfüllt." "Nicht nur ihm ...", entgegnete Biggi und begann ihn leidenschaftlich zu küssen.

Inzwischen trudelten langsam auch Michael und Peter auf der Basis ein. Doch sie waren alles andere als munter. Als Michael Peter auf dem Parkplatz begrüßte, meinte er: "Gut, dass es solche Feiern nur einmal im Jahr gibt ... ach übrigens. Thomas ist spurlos verschwunden." "Was???" "Ja, ich dachte er sei bei dir oder so?" "Wieso sollte er bei mir sein??" "Frag ja nur, ach Mann ich bin so müde, ich will mir jetzt eigentlich über gar nix Gedanken machen." "Ja halt mal, was wenn ihm irgendwas passiert ist??" "Wieso sollte ihm denn was passiert sein. Er hat doch sowieso nichts getrunken, außerdem war er schon vor uns allen weg." "Biggi auch." "Ja, Biggi auch", meinte Michael nachdenklich. Weiter zum Nachdenken kam er nicht, denn Max eilte schon aus der Basis und begrüßte sie. "Hi Max. Sag mal, hast du ne Ahnung, wo Thomas steckt?", fragte Michael ihn gähnend, während er mit Peter von Max in den Aufenthaltsraum gezogen wurde. "Was hast du's denn so eilig?", fragten sie überrumpelt. "Ich kann euch beruhigen, Thomas ist schon hier, er hat eine etwas luftige Nacht verbracht." "Aha, und wo?" "Tja..."

Inzwischen waren Biggi und Thomas gerade dabei, sich im Schneckentempo anzuziehen. "Das war die schönste Nacht meines Lebens.", meinte Thomas leise, während er ihr die Bluse zuknöpfte und sie ihm liebevoll das T-Shirt überstreifte. "Und meine erst...", entgegnete sie und küsste ihn. Als sie fertig angezogen waren, stiegen sie aus dem Heli. Arm in Arm betraten sie den Hangar und traten schließlich auf den Flur hinaus. Als sie Peters und Michaels Stimmen hörten, hielten sie in einer Ecke inne. "Scheiße, die sind schon da. Sollen wir's ihnen sagen?", fragte Thomas Biggi flüsternd. "Hm...es bleibt uns eh nix anderes übrig, oder?"

"Jetzt sag schon Max, wo ist Thomas und bitte wo hat er übernachtet?", fragte Michael ungeduldig, er wollte jetzt wirklich wissen, was los war. Zwei Sekunden später meinte Peter triumphierend, als er zur Tür sah: "Du solltest wohl besser fragen, mit wem er übernachtet hat." Michael drehte sich um und blickte in die verlegen lächelnden Gesichter von Thomas und Biggi, die Arm in Arm in der Tür standen. Erst herrschte kurze Zeit lang Schweigen, dann meinte Michael: "Ach sooo ist das!! Mann, dass ich da nicht gleich draufgekommen bin." Er lächelte und verpasste den beiden einen freundschaftlichen Stoß. "Sagt bloß, ihr habt im Heli übernachtet." "Jo. Und es war herrlich.", schwärmte Thomas. "Müsst ihr auch mal ausprobieren.", meinte er grinsend und küsste Biggi. Michael und Peter freuten sich ebenso wie Max riesig für die beiden, und Michael meinte: "Wurde auch mal Zeit, dass ihr zueinander findet."

"So, Freunde, es gibt Frühstück!!!", verkündete Max lautstark. "Oh ich komme gleich, aber ich muss wirklich erst mal duschen.", meinte Biggi dann. "Das könnte mir auch nicht schaden.", sagte Thomas. "Ok, aber beeilt euch, es ist schon fast alles fertig!", rief Max ihnen noch nach.

Als Thomas und Biggi vor den beiden Umkleidetüren stehen blieben, meinte Thomas: "Ich will mich jetzt aber nicht von dir verabschieden." "Ich auch nicht...", entgegnete Biggi mit trauriger Stimme. "Komm, wir duschen zusammen.", fiel Thomas dann eine wunderbare Idee ein. "Thomas, das können wir doch nicht machen.", sagte Biggi belustigt. "Wieso nicht?" "Na gut, aber dann kommst du zu mir." "Ok", meinte er, küsste sie und schließlich betraten sie beide den Frauen-Umkleideraum, worauf sie nach hinten zu den Duschen gingen.

Als sie den Vorhang hinter sich zugezogen hatten, drückte Biggi plötzlich auf den Duschhahn. Ehe sie es sich versahen, ergoss sich ein Strom Wasser über ihnen und sie wurden innerhalb von Sekunden platschnass. Thomas erschrak total, dann meinte er. "Na, warte du!", packte Biggi von hinten, worauf sie zu schreien begann. Dann begannen sie sich wild zu küssen, während das Wasser immer noch auf sie herabplätscherte. Thomas fasste Biggi unter die Bluse und knöpfte sie auf, während Biggi ihm die Hose öffnete. "Wir hätten uns gar nicht anziehen brauchen", meinte sie lachend. "Ja, dann wären unsere Sachen jetzt wenigstens nicht nass.", entgegnete Thomas und zog ihr nun auch den Rock aus. Bald hatten sie sich aller Kleidung entledigt und standen sich umarmend unter der Dusche. Thomas nahm das Duschgel aus der Ecke und sie seiften sich gegenseitig zärtlich ein.

Zur selben Zeit betraten Gabi und Ralf die Basis. Arm in Arm begrüßten sie fröhlich Michael, Max und Peter, die wie angewurzelt auf der Stelle standen. "Ja sagt mal, hat sich Amor auf unserer Basis eingenistet oder was?" "Wieso denn?", fragte Gabi mit Unschuldsmiene und küsste Ralf in den Nacken. "Ach, nur so.", meinte Peter lächelnd. "Soviel Aufregung heute, kommt, setzt euch her, es gibt Frühstück.", meinte Max und schob die beiden zum Tisch." "Was gab's denn noch heute?", fragte Gabi. "Ihr werdet es schon noch früh genug erfahren.", meinte Max grinsend. "Äh, warte Max, ich geh mich nur schnell umziehen vorm Frühstück, sonst muss ich nachher wieder mittendrin aufstehen. Thomas und Biggi sind ja ohnehin noch nicht da, oder?" "Äh, na so könnte man's eigentlich nicht sagen.", meinte Max, doch Gabi war schon im Flur verschwunden.

Als Gabi in den Umkleideraum trat, hörte sie verdächtigte Geräusche aus der Dusche. Oh, Biggi war also doch schon hier. Aber was machte sie denn um Gottes Willen dort drinnen? "Äh, hi Biggi, alles in Ordnung?", fragte Gabi nun. Biggi und Thomas erschraken zum zweiten Mal an diesem Tag. "Danke, uns geht's gut!", rief Biggi dann einfach. "Hä???", fragte Gabi. "Guten Morgen, Gabi...", sagte Thomas dann. Gabi prustete los. "Mensch, warum sagt ihr mir das nicht gleich?", fragte sie dann lachend. "Haben wir ja gerade.", meinte Biggi. "Na, ich lasse euch dann mal alleine.", meinte Gabi grinsend und verließ lachend wieder den Umkleideraum. Als sie zurück in den Aufenthaltsraum trat, fragten alle, was denn los sei. "Ach nichts, bin nur eben in der Dusche auf zwei eingeseifte Turteltäubchen gestoßen." Alle lachten los, bis auf Ralf, der gar nichts verstand. Doch Gabi klärte ihn schnell auf. Leise flüsterte sie ihm ins Ohr: "Das müssen wir auch mal machen." "Aber gerne...", entgegnete er und küsste sie zärtlich. Dann nahm er sie auf den Schoß und begann, sie mit einem Brötchen zu füttern.

Thomas und Biggi waren inzwischen aus der Dusche gestiegen, und trockneten sich gegenseitig ab. Thomas legte Biggi ein Handtuch um und umarmte sie dann von hinten. "Ich hab dich sooo... lieb", meinte er dann leise. "Nicht mehr?", fragte Biggi gespielt empört. "Doch ... Ich liebe dich." Sie drehte sich um und küsste ihn innig, worauf sie immer leidenschaftlicher wurden. Nach einer Weile meinte Biggi: "Ich liebe dich auch so sehr." Glücklich umarmte Thomas sie und zog sie so fest es ging an sich. Schließlich aber zogen sie sich ihr Overalls an, da die anderen Sachen ja vollkommen nass waren, und machten sich auf den Weg zurück in den Aufenthaltsraum.

Dort frühstückten sie dann alle gemeinsam, und unterhielten sich gut. Vor allem wurde viel gelacht über die nächtlichen Eindringlinge im Heli und Max' Beinah-Herzinfarkt.

Als sie alles abgeräumt hatten, gingen Thomas und Biggi ein wenig nach draußen. Sie legten sich neben dem Heli ins hohe Gras und blickten gemeinsam verträumt in den Himmel. Biggi hatte sich an Thomas' Brust geschmiegt und schloss die Augen. "Das Leben kann so schön sein...", seufzte sie. "Mit dir ist es am schönsten", entgegnete Thomas. Sie drehte sich um, legte sich auf ihn und die beiden begannen wieder, sich leidenschaftlich zu küssen. Sie wälzten sich überglücklich im Gras herum, ließen die gegenseitige Nähe auf sich wirken und küssten sich unentwegt.

Währenddessen gingen Ralf und Gabi Hand in Hand hinter dem Hangar spazieren. "Ich fühl mich wie ein kleines Schulmädchen.", meinte Gabi lächelnd, drehte sich vor Ralf und küsste ihn leidenschaftlich. "Hast du das damals auch schon gemacht?", fragte er sie, während er zärtlich eine Hand um ihren Nacken legte.  "Möchtest du das wissen?" "Ja." "Ich war noch nie so verliebt ... also hab ich's auch noch nie so gemacht." Ralf freute sich unheimlich darüber und sagte leise: "Und ich hab noch nie jemanden so geliebt ... so wie dich." Er küsste sie zärtlich. "Ich liebe dich doch auch.", erwiderte sie und schmiegte sich an ihn. Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich.

Als sie schließlich ein Stück weiterspazierten, erblickten sie draußen in der Wiese Biggi und Thomas, die sich immer noch wild im Gras wälzten und sich leidenschaftlich dabei küssten. "Mein Gott, die beiden. Man sieht ihnen das Glück total an. Als müssten sie ein jahrelanges Versäumnis nachholen ... Schau mal wie die rumtoben, die sind ja noch schlimmer als wir beiden Schulkinder.", meinte Gabi lächelnd. Auch Ralf sah den beiden amüsiert zu. "Oh nein, wenn Ebelsieder das sieht.", fiel ihm dann ein. "Der kriegt doch glatt nen Anfall und feuert sie fristlos." "Ach, der Typ ist wirklich ein harter Brocken.", stimmte ihm Gabi zu. Gerade als sie überlegten, ob sie Thomas und Biggi nicht besser Bescheid sagen sollten, fuhr auch schon Ebelsieders Wagen am Parkplatz vor. Na Mahlzeit. Als Ebelsieder aus dem Auto stieg, war seine Miene starr wie das kälteste Eis am Nordpol und sein Blick nur in eine einzige Richtung gewandt. Biggi lag gerade unter Thomas, doch jetzt blickten sie auf und ihnen fiel nichts anderes ein, als einfach "Guten Morgen, Herr Ebelsieder!" zu sagen. Es war das erste Mal, dass Biggi wirklich Mitleid für ihn empfand, so starr und doch irgendwo enttäuscht war sein Gesichtsausdruck. Aber das Mitleid sollte ihr bald vergehen.

Ebelsieder stapfte auf die beiden zu, und begann dann zu brüllen: "Ich dulde es an dieser Arbeitsstelle nicht, dass während der Dienstzeiten so etwas veranstaltet wird!! Sie haben weitaus besseres zu tun, als hier im Gras zu liegen - wofür werden Sie denn eigentlich bezahlt?? Sie machen sich jetzt sofort an Ihre Berichte, sonst sehe ich schwarz für Ihre Zukunft. Und was Sie betrifft, Frau Schwerin, ich will sie in fünf Minuten in meinem Büro sehen!" Mit diesen Worten drehte er sich ruckartig um und betrat die Basis. Thomas und Biggi atmeten durch. "Puh...", meinte Biggi und ließ ihren Kopf ins Gras fallen. "Der spinnt doch, der hat den absoluten Vollknall.", meinte Thomas abwertend. "Ach, ich bin ehrlich gesagt froh, dass er dir nicht an die Gurgel gegangen ist. Komm her, mein Schatz.", meinte Biggi, drehte seinen Kopf zu sich und ließ sich von ihm in die Arme nehmen. Dann küssten sie sich voller Liebe, doch sie mussten sich schweren Herzens nun doch zusammennehmen und standen schließlich auf.

Gabi und Ralf kamen auf die beiden zu. "Habt ihr die Szene eben mitbekommen?", fragte Biggi sie immer noch empört, als sie aufeinander trafen. "Ja, wir haben's gesehen. Was meinst du, was will er von dir in seinem Büro?", fragte Gabi sie. "Keine Ahnung, aber ich will nicht hin. Wahrscheinlich will er meinen Terminkalender sehen." "Hä? Du hast nen Terminkalender?", fragte Thomas perplex.  "Ja Schatz, im Kopf, aber da bist überall nur du eingeschrieben." Er lächelte sie strahlend an und sie küssten sich liebevoll. "Na was soll ich machen, ich werd's über mich ergehen lassen müssen. Ich will mich jetzt nicht über den Kerl aufregen, dafür bin ich viel zu glücklich.", meinte Biggi dann. "Ganz recht.", stimmte Thomas ihr zu und kuschelte sie an sich. "Und du machst dich gefälligst an deine Berichte.", meinte Biggi und stupste ihn an der Nase. "Sehr wohl, Ma'm", entgegnete er grinsend.

So gingen sie also alle gemeinsam zurück in die Basis, in den Aufenthaltsraum. Dort wurden sie von Michael und Peter empfangen, denen man ansehen konnte, dass sie gerade eine Begegnung der vierten Art gehabt hatten. "Mann, der Ebelsieder ist heute wieder drauf. Das gibt noch nen Eklat, so hab ich ihn noch nie erlebt.", meinte Michael schockiert. "Es wird nicht das letzte Mal sein.", meinte Ralf seufzend. "Na dann begebe ich mich mal in die Höhle des Löwen. Ihr werdet jetzt ja sicher auch Berichte schreiben müssen, oder?", richtete sie sich genervt an Michael und Peter. "Erraten." Biggi schnaubte und machte sich auf den Weg zu Ebelsieders Büro. "Na dann mal an die Arbeit, Jungs.", feuerte Peter seine Freunde gähnend auf.

"Herein", hörte Biggi die barsche Stimme von Ebelsieder aus dem Büro. Als sie eintrat, bat er sie, näher an den Schreibtisch zu kommen. Sie tat es und sah ihn dann erwartungsvoll an, da er keine Anstalten machte, zu reden zu beginnen. Er stand auf und blickte sie an. "Frau Schwerin...", begann er. "Ja?" "Wie ich das beobachten durfte, bahnt sich offensichtlich zwischen Ihnen und Ihrem Kollegen Wächter eine persönliche Beziehung an." "Die hat sich schon längst angebahnt.", unterbrach Biggi ihn. "Und?", fragte sie dann. "Ich kann es nicht dulden, wenn Sie diese auf diesem Gelände ausleben." "Dann tut es mir herzlich Leid, Herr Ebelsieder, aber das ist doch immer noch unsere Privatsache. Und solange wir unsere Berichte immer schön ausfüllen und unsere Einsätze fliegen, dürfte das doch ok sein." "Dann muss ich mich klarer ausdrücken. Sollte ich Sie und Herrn Wächter noch einmal in einer bedenklichen Situation sehen, werde ich einen von Ihnen an einen anderen Stützpunkt versetzen lassen." Biggi war total geschockt. "WAS???" "Ja, so ist es." "Das darf doch einfach nicht wahr sein. Für wen halten Sie sich eigentlich? Macht Ihnen das Spaß? Bitte, Herr Ebelsieder, sagen Sie mir ganz einfach den Grund. Wenn es Ihnen um die Arbeit ginge, hätten sie doch schon längst auch ein paar andere Leute versetzen müssen!!"

Biggi war vollkommen aufgebracht. Alles hätte sie erwartet, aber nicht das. Sie wusste ja genau, dass Ebelsieder in sie verliebt war, schon lange – aber dass er so was zustande brachte. Oder war es etwa nur eine leere Drohung? Nein, das glaubte sie nicht.

Schließlich trat er auf sie zu und meinte: "Ich will nicht, dass sie an den falschen Mann geraten." Biggi blickte ihn fassungslos an. "Wer wäre denn Ihrer Meinung nach der richtige für mich?" Daraufhin fasste er ihren Arm leicht mit seiner Hand und zog sie ein wenig zu sich. "Das wollte ich Ihnen nächste Woche eigentlich auf der Stützpunktleitungstagung sagen." Biggi erwiderte nichts. Als Ebelsieder noch näher kam und sie beinahe Körperkontakt hatten, wich sie zurück. "Haben Sie denn schon nachgesehen in Ihrem Terminkalender?" "Äh - nein." "Tun Sie das doch bitte. Ich könnte ein schönes Hotelzimmer für uns reservieren, wär das in Ordnung?" Biggi holte tief Luft und seufzte dann auf. "Herr Ebelsieder, es tut mir Leid, das geht nicht. Und es wird auch in Zukunft nicht gehen. Bitte verstehen Sie das." "Aber wer sagt denn, dass es nicht geht?" Ebelsieder wollte nicht aufgeben, und schließlich war Biggi bis nach hinten an die Wand getreten. Er wollte sie gerade versuchen zu küssen, als sie im letzten Moment zur Seite wich und aus dem Raum stürmte. Ihr wurde das alles zuviel. Sie würde es nie schaffen, ihn zur Aufgabe zu bringen, und sie hatte auch keine Ahnung, was sie machen sollte, wenn es weiter schlimmer werden würde.

Als sie zurück in den Aufenthaltsraum kam, wo die anderen bereits einschließlich dabei waren, Berichte zu verfassen, blickten alle auf. "Na, wie war's?", fragte Gabi mitleidig, als sie Biggis Gesicht sah. Biggi meinte nur "Frag nicht" und ließ sich einfach hinten auf das Sofa fallen. Thomas stand auf und setzte sich zu ihr. Liebevoll legte er einen Arm um sie, worauf sie sich an seine Schulter lehnte und ein wenig zu weinen begann. "Hey, was ist denn los? So schlimm kann's doch nicht gewesen sein...", sagte Thomas besorgt und streichelte sie beruhigend. Nun warfen sich auch die anderen fragende Blicke zu. Dann begann Biggi zu erzählen. "Wenn er uns jetzt so sehen würde, wär einer von uns wahrscheinlich übermorgen schon an die Ostsee versetzt." "Was???", fragten die anderen schockiert. "Ja, er will einen von uns versetzen, wenn er uns zusammen sieht. Klasse, oder?" "Das ist doch verrückt.", meinte Michael. "Das kann der nicht bringen." "Oh doch", entgegnete Biggi. Thomas war total wütend. "Ich gehe jetzt zu ihm." Er stand schon auf und wollte in Ebelsieders Büro stürmen, doch Peter und Michael konnten ihn aufhalten. "Ach komm, Thomas, das bringt nichts! Da freut der sich doch gerade, wenn er dir was anhängen kann und versetzt dich heute schon. Wir müssen uns was anderes einfallen lassen." "Fällt dir denn was ein?", fragte Biggi ihn hoffnungslos. "Nein", musste Michael zugeben und ließ sich wieder auf den Sessel sinken. Thomas hatte eingesehen, dass er Recht hatte, und setzte sich wieder zurück auf das Sofa zu Biggi. Er nahm sie in den Arm und sie lehnten sich zurück. Nach vielen Minuten des Schweigens und des erfolglosen Überlegens schlug er ihr vor, ein wenig nach draußen zu gehen, um frische Luft zu schnappen. "Dann gehen wir aber lieber gleich in den Hangar hinter die Werkzeugkiste", meinte Biggi sarkastisch, aber nun doch ein wenig grinsend. Während die anderen noch mit den Berichten weitermachten, begaben sich Thomas und Biggi in den Hangar. Dort zog Thomas sie hinter die offene Tür. "Hier findet uns keiner. Ist doch irgendwie aufregend, findest du nicht?" "Na ja, meine Freude hält sich in Grenzen", meinte Biggi, musste dann aber lachen, weil Thomas sie kitzelte. "Fies", sagte sie nur und zahlte es ihm heim. Bald begannen sie sich wild zu küssen, das Werkzeug neben ihnen bebte nur so. "Ich liebe dich so sehr", meinte Thomas dann. Er legte seine Arme um ihren Hals und küsste sie zärtlich. "Na und ich dich erst", entgegnete sie leise und erwiderte seinen Kuss. "Das kann uns keiner nehmen, vergessen wir ihn doch, diesen Griesgram.", meinte er dann. "Du hast Recht. Es gibt viel schönere Dinge." "Welche zum Beispiel?", fragte Thomas sie lächelnd und strich zärtlich mit der Hand über ihr Gesicht. "Diese", meinte sie, und küsste ihn daraufhin leidenschaftlich...

Schließlich waren sie so vertieft in ihre Küsse, dass sie an der Wand langsam zu Boden sanken und dort weitermachten, gottlob waren sie immer noch hinter der Tür versteckt...

Währenddessen saß Ebelsieder in seinem Büro und starrte den Laptop an.  Er hatte noch lange nicht aufgegeben, und das würde er auch nicht, das wusste er. Er war ein Kämpfer. Versunken in seine Gedanken schreckte er hoch, als es an der Tür klopfte. Insgeheim hoffe er, dass es Biggi war, um sich zu entschuldigen. Wie absurd, Biggi hatte er doch inzwischen soweit kennen gelernt. Als er "herein" rief, betraten Gabi und Ralf das Büro. "Guten Tag, Herr Ebelsieder. Dürfen wir stören?" "Sie tun es ja bereits." Ralf und Gabi blickten sich an. Ralf atmete aus. "Dürfen wir damit fortfahren?" "Bitte sehr." "Gabi, äh ich meine Frau Dr. Kollmann hat erwähnt, sie wären auf der Suche nach einem ausgebildeten Rettungshund." "Ja. Und?" "Tja, ich habe einen - wir waren an unserer alten Stelle gemeinsam sehr erfolgreich, und ich wollte Sie ohnehin auf dieses Thema ansprechen." "Na wenigstens eine gute Nachricht heute. Bringen Sie ihn doch mit, ich werde der Zentrale Bescheid geben, dass unsere Suche somit beendet ist. Danke, Herr Staller." "Bitte."

Damit verließen sie wieder das Büro. Als sie wieder in den Aufenthaltsraum kamen, fragte Michael: "Na, wie ist es gelaufen?" "Ich glaube seine Laune hat sich etwas gehoben.", meinte Gabi aufatmend. "Na klasse. Ich freu mich schon ihn ... wie heißt er noch mal?" "Gonzo" "... Gonzo kennen zu lernen", entgegnete Michael. "Wo sind eigentlich Thomas und Biggi hin? Die sind schon die längste Weile weg, sie sollten doch eigentlich Berichte schreiben.", meinte dann Ralf. Allgemeines Schulterzucken war die Antwort.

Biggi und Thomas hingegen hatten es sich im Hangar inzwischen richtig gemütlich gemacht. Um sie herum waren überall Werkzeugkisten verteilt, sodass man sie beim ersten Blick in den Hangar nicht sehen konnte. Sie hatten sich eine Decke ausgebreitet und kuschelten sich aneinander. "Schon schlimm, wie wir hier verweilen.", meinte Biggi leise, während sie sich an Thomas' Brust schmiegte, und lächelte belustigt. "Ja, ich komme mir vor wie ein verheirateter Schwerverbrecher, der aus dem Knast geflohen ist und weder den Bullen noch seiner Frau ins Angesicht treten darf." Sie mussten beide lachen. "Meinst du, das ändert sich irgendwann?", fragte Biggi ihn. "Ja, spätestens wenn ich nach China versetzt bin und du nach Afrika." "Du, so witzig finde ich das nicht.", meinte Biggi und sah ihn versucht ernst an. "Ja, denkst du etwa, ich?", entgegnete Thomas. "Weißt du, der Hangar ist ja schön, aber in der Wiese oder noch besser am Fluss wär's mir schon lieber." "Wir können uns ja ein U-Boot mieten, dann hast du deine Salzach." "Klasse Idee", meinte Biggi begeistert. "Du, Thomas?" "Ja?" "Ich muss dir was sagen." "Was denn? Was schlimmes?" "Da kann man geteilter Ansicht sein." "Jetzt sag schon.", drängte Thomas. "Ich weiß nicht." "Na los – durchs Verschweigen machst du's auch nicht besser." "Na gut." "Also?" "Ich liebe dich." Sie mussten beide grinsen. Dann sah Thomas ihr tief in die Augen und meinte leise: "Ich dich doch auch." Dann lächelten sie sich an und versanken in einen innigen, leidenschaftlichen Kuss...

„Was machen wir eigentlich heute Abend?“, fragte Thomas Biggi dann nach einiger Zeit. „Hm…“, überlegte sie, „Was hältst du davon, wenn ich uns etwas schönes koche?“ „Hört sich gut an.“, meinte Thomas grinsend. „Gut, dann können wir ja gleich nach der Schicht zu mir fahren, vorausgesetzt du bleibst meine Schicht auch noch mit hier.“ „Natürlich“, erwiderte Thomas und küsste sie zärtlich. Biggi erwiderte es überglücklich. Schließlich fanden sie sich wild küssend auf der Decke liegend wieder.

Zur gleichen Zeit betrat Ebelsieder gerade den Aufenthaltsraum. „Wo sind denn Herr Wächter und Frau Schwerin?“, fragte er in einem strengen Ton. Michael, Ralf, Peter und Gabi, die es sich auf dem Sofa bzw. auf Stühlen gemütlich gemacht hatten, sahen sich an und zuckten dann mit den Schultern. Michael ahnte, dass Ebelsieder Biggi und Thomas nun suchen würde und er konnte sich genauso gut denken, was sie jetzt gerade taten… Deshalb versuchte er Ebelsieder in ein Gespräch zu verwickeln, um ihn davon abzuhalten nach den beiden Piloten zu suchen. „Ach Herr Ebelsieder, ich müsste da noch einmal kurz mit Ihnen reden.“, begann er zögerlich. „Ja, Herr Dr. Lüdwitz, worum geht es denn?“, wollte Ebelsieder wissen. Seine Laune ließ sehr zu wünschen übrig. „Ähm, ich…also, wir bräuchten mal wieder neue Einwegspritzen, unser Vorrat geht langsam zu Ende.“, sagte er dann schnell, da ihm nichts Besseres einfiel. „Wieso, es wurde doch letzte Woche gerade erst ein 500er Paket geliefert.“, gab Ebelsieder ein wenig genervt zurück. ‚Mist’, dachte Michael sich. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht. Mit hilfesuchenden wandte er sich an seine Kollegen. Ebelsieder wollte sich gerade wieder umdrehen und den Aufenthaltsraum verlassen, als sich Ralf zu Wort meldete. „Ach, Herr Ebelsieder, ich hab da noch ein paar Fragen an Sie, wegen Gonzo, dem Rettungshund.“ „Ja, was denn?“, wollte Ebelsieder wissen. „Ab wann soll ich den Hund denn mitbringen? Gleich ab morgen?“ Ebelsieder nickte. „Ja, natürlich Staller! So schnell wie möglich. Unser Job ist es schließlich Menschenleben zu retten und dazu soll Gonzo beitragen.“ Ralf nickte. Ihm fielen partout keine weiteren Fragen ein. „Will mich noch irgendwer etwas fragen?“, fragte Ebelsieder dann schlecht gelaunt. Er ahnte schon, dass die anderen versuchen wollten ihn davon abzuhalten Biggi und Thomas zu suchen. „Äh, nein.“, sagte Gabi zögerlich. Ebelsieder drehte sich um und verschwand dann endgültig. Die anderen blickten ihm noch nach. „Hoffentlich findet er Biggi und Thomas jetzt nicht in einer heiklen Situation vor.“, meinte Peter schließlich und sprach damit das aus, was alle dachten.

Ebelsieder machte sich derweilen auf den Weg nach draußen und ging einmal um den Hangar herum, doch nirgendwo konnte er Biggi und Thomas entdecken. Schließlich gab er es auf und beschloss nur noch einmal kurz im Hangar nach zu sehen.

Gabi und Ralf waren in der Zwischenzeit nach draußen gegangen und hatten sich ins Gras gesetzt. Gabi hatte sich an Ralf angelehnt und er hatte seinen Arm um sie gelegt. „Ich liebe dich.“, flüsterte er. „Ich dich auch.“, gab Gabi zurück und begann ihn zu küssen, was Ralf gern erwiderte.

Biggi und Thomas lagen immer noch auf der Decke und küssten sich. Plötzlich schreckte Thomas auf. „Was ist denn?“, fragte Biggi irritiert. „Ich hab was gehört. Da kommt jemand.“, flüsterte er. Sie hielten beide den Atem an und trauten sich kaum sich zu bewegen. Langsam hörten sie wie die Schritte näher kamen. ‚Oh, nein, jetzt ist alles aus.’, dachte Biggi sich. Doch dann hörte man plötzlich wie die Schritte immer leiser wurden und sich wieder entfernten. Ebelsieder hatte die beiden tatsächlich nicht entdeckt. „Mann, das war knapp.“, sagte Biggi zu Thomas. Er nickte. „Ganz schön gefährlich.“ „Hm, so kann das nicht weitergehen.“, sagte Biggi dann. Thomas nickte. „Du hast Recht, so kann es wirklich nicht weitergehen.“ „Aber“, fügte er dann hinzu, „Ich habe da eine Idee.“ Biggi sah ihn fragend an. „Und welche?“ Thomas stand auf, reichte ihr die Hand und zog sie hoch. Dann nahm er sie auf den Arm und lief mit ihr aus dem Hangar. Biggi musste lachen. „Thomas, was hast denn vor?“, wollte sie wissen. „Wirst du gleich sehen.“, meinte Thomas grinsend. Sie verließen den Hangar durch die Hintertür. Glücklicherweise gingen alle Fenster von Ebelsieders Büro, wohin sich der Stützpunktleiter wieder zurückgezogen hatte, zur anderen Seite raus. Thomas ließ Biggi runter. Dann fasste er nach ihrer Hand, lief los und zog sie mit.  Schließlich blieb er stehen – genau vor dem Eingang des „Wracks“. Das Wrack war ein alter Helicopter aus Kriegszeiten, der hier auf dem Basis Gelände seine letzte Ruhe gefunden hatte. „Hier findet Ebelsieder uns niemals.“, sagte er lächelnd. Biggi strahlte. „Du bist super.“, sagte sie glücklich, bevor sie ihm um den Hals fiel. Sie küssten sich zärtlich. Dann öffnete Thomas die Tür und klappte die kleine Treppe hinunter. „Nach Ihnen.“, meinte er grinsend und schob Biggi vor sich her in den Helicopter.

Aus dem Helicopter waren alle technischen Geräte ausgebaut worden und er war mit einigen Möbeln eingerichtet. Es befand sich dort ein Bett, ein Tisch mit Stühlen und sogar eine Küche gab es hier. Biggi war erst ein paar Male hier drinnen gewesen, doch Thomas hatte hier sogar schon einmal übernachtet. Damals war er noch mit Vera verheiratet gewesen und sie hatten mal wieder einen handfesten Ehekrach gehabt…

Biggi ließ sich sofort aufs Bett fallen und einige Sekunden später lag Thomas auch schon neben ihr. „Na, ist das nicht traumhaft hier?“, fragte er und legte seinen Arm ganz fest um Biggi. „Ja, das ist es wirklich.“ Biggi legte sich auf ihn und begann ihn immer leidenschaftlicher zu küssen. Schließlich begann Thomas den Reißverschluss ihres Overalls zu öffnen. „Thomas, wir sind im Dienst.“, mahnte Biggi ihn lachend. „Ich weiß, es wird schon kein Einsatz kommen.“, sagte Thomas grinsend und ließ sich nicht davon abbringen. Er fasste zärtlich mit seinen Händen unter Biggis T-Shirt und streichelte ihr über den Rücken. Biggi genoss dies sehr und küsste ihn immer wieder. „Hast ja Recht, es wird schon kein Einsatz kommen.“, sagte sie zwischen zwei Küssen. Schließlich begann auch sie Thomas’ Overall zu öffnen.

Doch dann ertönte plötzlich die laute Alarmglocke und ihre Zweisamkeit wurde jäh gestört. „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, eine angeschossene Person bei einem Banküberfall in Traunstein. GPS Koordinatenwährend des Flugs.“, kam es aus den Lautsprechern und aus Biggis Walkie, das sie ihn ihrer Tasche hatte. Biggi drückte Thomas noch einen letzten Kuss auf den Mund, dann kletterte sie aus dem Wrack und begab sich rennend zum Helicopter, wo Ralf und Gabi schon ungeduldig warteten. Endlich sahen sie Biggi, die aus dem Hangar gerannt kam und noch dabei war ihren Overall wieder zu schließen. Endlich hatte sie den Helicopter erreicht, schwang sich auf den Piloten sitzt und hob dann auch sofort mit Höchstgeschwindigkeit ab. „Wo warst du denn die ganze Zeit?“, fragt Gabi ihre Freundin dann verschwörerisch. Biggi zuckte bloß unschuldig mit den Schultern und grinste. „Komisch, und Thomas war auch verschwunden.“, setzte Ralf noch hinzu. „Und dabei seid ihr doch nur gute Freunde.“, meinte Gabi dann ironisch. „Ja, genau, wie du und Ralf.“, gab Biggi zurück. Dann musste sie alle drei loslachen.

„Da vorne ist es schon.“, machte Ralf Biggi auf den Unglücksort aufmerksam. Dieser war nicht schwer zu erkennen, denn überall standen Polizeiautos und ein RTW war auch bereits vor Ort. „Medicopter 117 an Rettungsleitstelle. Landung am Unfallort in einer Minute.“, gab Biggi bekannt. Wenig später setzte sie den Helicopter auch schon auf der Straße vor dem Gebäude auf. Ralf und Gabi schnappten sich sofort ihre Ausrüstung und eilten zu dem Verletzten. „Was ist passiert?“, fragte sie die beiden Sanitäter, die verzweifelt um das Leben des Mannes kämpften. „Ein Verrückter hat sich in der Bank verschanzt, es sind noch Geiseln bei ihm. Diese Geisel hat er angeschossen. Wahrscheinlich ist die Lunge verletzt.“, klärte einer der Sanitäter Gabriele auf. Gabi nickte und machte sich daran den Verletzten zu untersuchen. Es sah nicht gut aus für den Mann, das erkannte sie sofort.

Währenddessen hatte Thomas sich aus dem Wrack geschlichen und ging nun wieder in den Aufenthaltsraum. Peter und Michael saßen dort am Tisch und spielten Karten. „Ach, Thomas, Ebelsieder hat dich vorhin gesucht.“ „Was wollte er denn?“, fragte Thomas, obwohl er sich das genau denken konnte. „Na, was wohl? Dich und Biggi im Auge behalten.“, klärte Michael ihn auf. Thomas nickte betrübt. „Warum kann er nicht einfach einsehen, dass er verloren hat?“, sagte er mehr zu sich selbst, doch Peter antwortete trotzdem. „Tja, Ebelsieder gibt eben nicht so schnell auf.“ „Aber er muss doch langsam mal bemerkt haben, dass Biggi nicht an ihm interessiert ist.“ „Das hat er auch, nur ich glaube, er will es nicht wahr haben. Ein Mann hört halt nicht gern, dass er sich gerade zum Affen macht.“, mischte sich Michael dann ein. „Wahrscheinlich hast du Recht.“, meinte Thomas betrübt. Er seufzte und ließ sich aufs Sofa sinken.

Währendessen hatte Gabriele den Mann so weit versorgt, dass er in die Klinik geflogen werden konnte. „Biggi, die Trage.“, rief sie der Pilotin zu, die noch am Helicopter stand. Biggi ging zum Heck des Helicopters, nahm die Trage heraus und eilte mit ihr unterm Arm zu Ralf und Gabriele.

Sie wollten gerade den Verletzten auf die Trage legen, als um sie herum Unruhe ausbrach. Biggi sah auf. Sie konnte erkennen, dass ein bewaffneter Mann, vermutlich der Geiselnehmer, aus der Bank trat. Er hatte eine Frau in seiner Gewalt, die er vor sich her schob und mit der Waffe bedrohte.

Einer der Scharfschützen, richtete seine Waffe auf den Täter und wollte gerade abdrücken, als dieser das mitbekam. Er warf sich blitzschnell auf den Boden und drehte nun komplett durch. Wie wild feuerte er um sich, bevor auch nur irgendwer in der Lage war zu reagieren. „Runter auf den Boden.“, schrie Gabi panisch und warf sich neben der Trage auf den Boden. Ralf und Biggi standen, wie viele andere Passanten wie gelähmt dort und reagierten nicht. Plötzlich wurde Biggi von einer Kugel in die rechte Schulter getroffen. Sofort fiel sie zu Boden. Durch die unerträglichen Schmerzen in ihrer Schulter war sie unfähig sich zu bewegen und verlor wenige Augenblicke später ganz das Bewusstsein. „Biggiiii!!!“, rief Gabi panisch. Nun war auch Ralf wieder bewusst, was eigentlich los war, doch bevor er reagieren konnte, traf ihn eine Kugel in den Bauch und er sackte blutüberströmt zu Boden.

Der Täter wurde wenige Sekunden später durch einen Schuss eines Scharfschützen außer Gefecht gesetzt. „Oh, Gott, Ralf, Biggi!“, brachte Gabi nur noch hervor, dann stürzte sie zu ihren Kollegen. Auch die anderen beiden Sanitäter sprangen sofort auf um sich um die Verletzten zukümmern.

Gabi stürzte zuerst zu Ralf. Sie erkannte sofort, dass er durch die Schusswunde sehr viel Blut verloren hatte und es nicht gut aussah, vermutlich kamen noch innere Verletzungen, die die Kugel verursacht hatte, hinzu. Gabi versuchte ruhig zu bleiben, doch sie schaffte es nicht. Vor lauter Tränen in den Augen sah sie kaum noch etwas. Einer der Sanitäter kam ihr zur Hilfe. Er injizierte Ralf ein Kreislaufmedikament und bedeckte die Wunde so gut es ging. „Er muss so schnell wie möglich in den OP.“, stellte Gabi fest. Sie wusste, dass Ralf bei diesen schweren Verletzungen keine Chance hatte, wenn er nicht innerhalb der nächsten 15 Minuten operiert werden würde. Und das schien ziemlich aussichtslos, denn mit dem RTW würden sie mindestens 15 Minuten bis zur nächsten Klinik brauchen, wenn nicht mehr.

Gabi drehte sich um und wendete sich Biggi zu. Der anderen der beiden Sanitäter, hatte ihr ein Medikament zur Stützung des Kreislaufs verabreicht und ihr einen Druckverband angelegt. Gerade als Gabi sich über Biggi beugte, schlug diese langsam die Augen auf. Sie hatte höllische Schmerzen in der Schulter. Gabi kramte sofort im Notfallrucksack und verabreichte ihr ein Schmerzmedikament. „Die Schmerzen werden gleich besser werden.“, versuchte sie Biggi zu beruhigen. Diese nickte nur ganz leicht. „Gabi…was ist mit mir? Bin ich schwer verletzt?“, fragte sie dann leise. „Du hast eine Kugel in der Schulter stecken, aber ich denke, es ist nicht lebensbedrohlich, wir bekommen das wieder hin, Biggi.“, versprach sie ihrer Freundin, wobei ihr immer wieder Tränen über die Wangen liefen. „Aber, warum weinst du denn, ich denke, es ist nicht so schlimm?“, brachte Biggi leise hervor. Gabi deutete vorsichtig auf Ralf, der einige Meter weiter lag, umsorgt von dem Sanitäter. Biggi erschrak fürchterlich, sie hatte nicht gewusst, dass Ralf auch verletzt worden war. „Was ist mit Ralf?“, fragte sie  geschockt. „Er ist schwer verletz, wenn er nicht schnellstens in den OP kommt, wird er es nicht schaffen. Und…und mit dem RTW werden wir wahrscheinlich nicht schnell genug in der Klinik sein.“, sagte Gabi und brach nun wieder in Tränen aus. Für einen Moment lang herrschte schweigen. „Dann werde ich fliegen.“, sagte Biggi dann entschlossen. Gabi blickte sie entsetzt an. „Nein, Biggi das kommt nicht in Frage, du kannst in deinem Zustand niemals einen Helicopter fliegen.“, widersprach die Notärztin ihr sofort. „Aber es ist unsere einzige Chance.“, flüsterte Biggi. Gabi blickte zu Ralf hinüber. Er wurde gerade auf die Trage gelegt. Sie wusste, dass er kaum eine Chance hatte ohne einen Flug in die Klinik, doch sie wusste, dass Biggi das unmöglich durchhalten würde. Durch die Schusswunde hatte sie ziemlich viel Blut verloren und sie könnte jede Minute das Bewusstsein verlieren. Nein, sie konnte das Biggi unmöglich zumuten. Doch andererseits mussten sie alles versuchen um Ralfs Leben zu retten. „Gabi, ich werde fliegen.“, sagte Biggi noch einmal und sie klang so entschlossen wie nie. Gabi sah ihr in die Augen. „Biggi, das ist zu gefährlich, was ist, wenn du während des Flugs das Bewusstsein verlierst? Hm?“ Biggi sah Gabi entschlossen an und flüsterte dann. „Bitte, es ist unsere einzige Chance, ich schaffe das schon, vertrau mir.“ Biggi schloss für einen Moment die Augen und Gabi befürchtete schon, dass sie wieder bewusstlos geworden wäre, doch dann öffnete sie die Augen wieder und versuchte sich aufzurichten. „Ok.“, gab sich Gabi schließlich geschlagen. Sie und Biggi würden alles tun um Ralfs Leben zu retten. Gabi hoffte nur, dass es nicht schon zu spät war. Ganz vorsichtig half sie Biggi aufzustehen. Sie stützte sich auf Gabi, doch gerade als sie aufrecht stand, drohten ihre Beine unter ihr wegzusacken. Mit aller Kraft klammerte sie sich an Gabi fest. Diese sah Biggi zweifelnd an, sie glaubte nicht, dass sie den Flug durchstehen würde. Schließlich hatte Biggi es mit Gabis Hilfe bis zum Helicopter geschafft und ließ sich erschöpft auf den Pilotensitz sinken. Gabi wies die beiden Sanitäter an, die Trage mit Ralf in den Medicopter zu bringen. Dann stieg sie hinten ein und schloss Ralf ans EKG an. Die Werte sahen allerdings alles andere als gut aus. Einer der Sanitäter setzte sich auf den Copilotensitz und flog mit, er sollte sich um Biggi kümmern. Diese drückte vorsichtig die beiden Leistungshebel nach vorn und startete dann die Maschine. Langsam zog sie den Helicopter in die Höhe und flog die Koordinaten der nächsten Klinik an. Gabi übernahm den Funkverkehr und informierte zuerst das A Team, das auf der Basis wartete und nichts Böses ahnte.

„Medicopter 117 an Basis.“ „Basis hört.“, antwortete Thomas, der als erster beim Funkgerät angekommen war. „Thomas, hör zu, wir sind in eine Schießerei geraten, Biggi und Ralf wurden angeschossen.“ Thomas wurde bei Gabis Worten kreidebleich und ließ sich auf de Stuhl der hinter ihm stand fallen. „Gabriele, was ist mit Biggi?“, fragte er dann nach einigen Augenblickes des Schweigens. „Biggi wurde von einer Kugel in die Schulter getroffen, sie hat ziemlich viel Blut verloren, aber Ralf geht es noch schlechter…“ Gabi schluchzte immer wieder. „Biggi, sie, sie fliegt jetzt den Helicopter in die Klinik, es ist Ralfs einzige Chance.“, brachte sie dann hervor. „Was????“, fragte Thomas entsetzt. „Kann Biggi mithören?“, fragte er dann. „Ja, Thomas, sie kann dich hören.“, bestätigte Gabi. „Biggi, was auch immer du jetzt tust, ich weiß, dass du dich richtig entschieden hast und…ich liebe dich.“, sagte er dann leise. Biggi taten Thomas’ Worte unheimlich gut. Sie war kurz davor wieder bewusstlos zu werden und hatte größte Mühe die Augen offen zuhalten. „Thomas…Ich…ich liebe...dich auch…“, flüsterte sie unter größter Anstrengung ins Funkgerät.“ „Biggi, streng dich jetzt nicht noch mehr an.“, sagte Gabi. „Gabi, in welche Klinik fliegt ihr?“, wollte Thomas dann sofort wissen. „Marienklinik.“, brachte Gabi nur noch schluchzend hervor. „Ok, wir fahren sofort los.“, sagte er entschlossen. Er, Peter und Michael, die sich während des Gesprächs hinter ihm versammelt und alles mitbekommen hatten, sprangen auf und rannten so schnell sie konnten zu Michaels Wagen. Sie sagten nicht einmal Max oder Ebelsieder Bescheid, sondern rasten sofort vom Parkplatz. „Kannst du nicht noch schneller fahren?“, fragte Thomas, der auf dem Beifahrersitz saß, Michael nervös. „Ich fahre schon doppelt so schnell wie erlaubt.“, gab Michael nicht weniger nervös zurück. Sie hatten alle ihre Walkies dabei und bekamen so mit, was im Helicopter passierte. „Gabriele, wie geht es Ralf?“, fragte Peter die Notärztin. „Schlecht, seine Werte sacken immer wieder ab.“, gab sie total fertig zurück. „Und was ist mit Biggi?“, fragte Thomas dann voller Sorge. „Noch hält sie sich tapfer, aber ich weiß nicht, ob sie noch lange durchhält.“, gab Gabi zu. ‚Oh Gott’, dachte Thomas ‚wenn seiner Biggi etwas Ernstes zustoßen würde, das würde er nicht ertragen, es musste einfach alles gut gehen.

Die Situation war extrem gespannt. Jeder betet, dass Biggi es durchhalten würde den Helicopter bis zur Klinik zufliegen. Wenn nicht, würden sie wohlmöglich abstürzen und es würde ein noch viel größeres Unglück geschehen.

Biggi hatte die Klinik fast erreicht. Sie konnte den Landeplatz schon in einiger Entfernung vor sich erkennen, doch ihre Kräfte verließen sie mehr und mehr und sie sah alles nur noch verschwommen. Immer wieder geriet der Helicopter bedenklich ins Schwanken und Biggi verlor fast das Bewusstsein.

Michael, Thomas und Peter hatten die Klinik, die nicht sehr weit vom Stützpunkt entfernt war, erreicht. Sie stürmten sofort aus dem Auto und liefen zum Heliport. Dort konnten sie den bedrohlich taumelnden Helicopter bereits erkennen. Es war nicht mehr weit, doch die Landung war das schwerste, das wussten sie. Nervös beobachteten sie den immer näher kommenden Medicopter. „Biggi, ein paar Meter noch, du hast es gleich geschafft.“, rief Thomas in sein Walkie. Biggi war kurz davor die Augen zu schließen, doch dann hörte sie Thomas’ Stimme, die Stimme, die sie für ein paar Sekunden alle Schmerzen vergessen ließ und ihr wieder Kraft gab. Sie nahm ihre letzten Kräfte zusammen und lenkte den Helicopter genau über die Landeplattform. Dann ließ sie ihn langsam sinken und setzte ihn schließlich mit einem ziemlichen Ruck auf der Plattform auf. Sie hatten es geschafft, der Medicopter war sicher gelandet. Michael, Thomas und Peter stürmten genau wie das Ärzteteam, das den Helicopter bereits erwartet hatte, sofort zur Landeplattform.

Thomas rannte nach vorn zum Cockpit und öffnete die Tür an der Pilotenseite. Biggi hatte fast vollständig das Bewusstsein verloren und hatte die Augen geschlossen, sie hatte einfach keine Kraft mehr und der hohe Blutverlust machte ihrem Kreislauf zu schaffen. „Biggi“, rief Thomas panisch. Sie hob leicht den Kopf und sah ihn an. Thomas fielen 1000 Steine vom Herzen. „Wir haben es geschafft…du hast es geschafft.“, flüsterte er und strich ihr sanft über die Wange. Biggi nickte glücklich. Thomas hob sie ganz vorsichtig aus dem Helicopter, doch in seinen Armen verließen sie dann schließlich vollständig ihre Kräfte und sie wurde bewusstlos. Thomas blieb fast das Herz stehen. „Biggi, nein, du kannst jetzt doch nicht schlapp machen.“, flehte er panisch. „Schnell, einen Arzt.“, rief er dann. Sofort kamen zwei Ärzte mit einer Trage herbei. Thomas legte Biggi vorsichtig auf die Trage, dann wurde sie von den Ärzten, genau wie Ralf sofort in den OP gebracht. Thomas, Gabi, Michael und Peter blieben niedergeschlagen zurück. Gabi und Thomas wollten sofort hinterher rennen, doch Peter und Michael hielten die beiden fest. „Biggi und Ralf werden jetzt operiert. Wir können im Moment nichts für sie tun.“, erklärte Michael. Thomas riss sich los. „Aber wir können hier doch nicht einfach herumstehen und so tun, als ob nichts gewesen wäre.“, schrie er. Diese Hilflosigkeit brachte ihn zur Verzweiflung.

„Kommt, wir gehen zu den OPs und warten dort.“, schlug Peter vor. Alle waren einverstanden und so machten sie sich langsam und mit hängenden Schultern auf den Weg zum OP-Bereich. Peter hatte Gabi in den Arm genommen, die nun vollkommen die Nerven verloren hatte und nur noch weinte. Auf dem Flug hatte sie noch stark sein müssen, Ralfs Leben hatte in ihren Händen gelegen, aber nun, nun lag es nicht mehr in ihrer Macht und sie konnte und wollte einfach nicht mehr stark sein. Thomas ging es nicht viel besser. Ihm standen Tränen in den Augen und er wusste nicht was er tun sollte. Es musste einfach alles gut gehen, sonst wusste er nicht, wie es weitergehen sollte. Biggi und er hatten sich doch gerade erst ihre Liebe gestanden, konnten endlich das ausleben, wovon sie schon lange geträumt hatten… sie waren so glücklich gewesen, das konnte doch jetzt nicht einfach alles vorbei sein. Nein, das durfte es nicht. „Michael, sag mir die Wahrheit, was ist mit Biggi?“, fragte er dann leise. „Sie werden ihr jetzt die Kugel aus der Schulter entfernen und dann hoffen wir, dass alles gut geht.“ „Was soll das heißen?“, wollte Thomas wissen. „Ich will dir nichts vormachen, sie ist ziemlich geschwächt, der Flug hierher war eine enorme Belastung für ihren Körper. Wir können nur hoffen, dass es deshalb nicht zu Komplikationen bei der OP kommt.“ Thomas war an der Wand heruntergerutscht und stützte seinen Kopf in seine Hände. Immer wieder liefen ihm Tränen über die Wangen. Warum nur? Warum Biggi und Ralf? Auf diese Frage gab es keine Antwort. Sie mussten es so hinnehmen, es akzeptieren und niemand konnte es rückgängig machen. Gabi weinte die ganze Zeit nur. Sie machte sich die größten Sorgen um Ralf und fühlte sich gleichzeitig schuldig gegenüber Biggi, weil sie zugelassen hatte, dass sie geflogen war, obwohl sie selbst verletzt war. Michael war in zwischen aufgestanden und zu dem Kaffeeautomaten, der am anderen Ende des Gangs stand gegangen. Er holte vier Becher Kaffee. Die anderen nahmen den Kaffee dankbar an, doch viel tranken sie nicht. Sie waren mit ihren Gedanken die ganze Zeit bei Ralf und Biggi.

Gabi lag in Peters Armen und weinte immer noch. Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte, wenn Ralf oder Biggi nicht wieder gesund werden würden. Sie und Ralf waren doch gerade so glücklich gewesen und Biggi – sie war ihre beste Freundin und sie hatte ihr Leben riskiert um Ralf zu retten, das würde Gabriele ihr niemals vergessen.

Die OP-Tür ging auf und eine Schwester kam heraus, sie trug ein Tablett mit Chirurgenbesteck. „Entschuldigung, können Sie uns vielleicht sagen, wie es Herrn Staller und Frau Schwerin geht?“, fragte Michael sie sofort. Doch sie schüttelte den Kopf. „Tut mir Leid, Ihre Kollegen werden noch operiert, ich kann Ihnen über ihren Zustand leider keine Auskunft geben.“ Und so ging das endlose Warten weiter. Diese Hilflosigkeit, einfach nur abwarten und absolut gar nichts tun zu können, war schrecklich. Noch schrecklicher für das Team war der Gedanke daran, dass Ralf oder Biggi sterben könnten.

Nach einer weiteren, endlosen Stunde, von der jede Sekunde nur so langsam wie eine Minute verging, trat endlich ein Arzt aus dem OP Saal und kam auf die wartende Crew, die ihn erwartungsvoll ansah, zu. „Hallo, ich bin Dr. Dorn, ich habe Ihre Kollegen operiert.“, sagte er. „Und, was ist mit unseren Kollegen?“, fragte Gabi sofort, „Nun sagen Sie es uns schon.“ Der Arzt blickte in die Augen der vier und begann dann sie über den Zustand von Biggi und Ralf zu informieren.

„Wir haben Frau Schwerin die Kugel aus der Schulter entfernt und die Wunde versorgt. Allerdings ist sie durch den hohen Blutverlust und die Anstrengung durch den Flug noch sehr schwach und muss sich erst einmal von den Strapazen erholen. Aber machen Sie sich keine Sorgen, wir bekommen das schon wieder hin. Ihr Kreislauf ist erstaunlich stabil und ich denke nicht, dass es zu irgendwelchen Komplikationen kommen wird, so wie es aussieht ist sie in einer oder zwei Wochen wieder fit. Allerdings wird sie sich auch danach noch schonen müssen.“ Alle atmeten auf, die Erleichterung war ihnen ins Gesicht geschrieben. Thomas ging zu Peter und sie fielen sich erleichtert in die Arme. Gabi und Michael taten es ihnen nach. Sie waren alle unendlich froh, dass Biggi die OP gut überstanden hatte. „Und was ist mit Herrn Staller?“, wollte Gabi dann jedoch sofort wissen. Doch sie hatte große Angst vor der Antwort. Der Arzt machte ein ernstes Gesicht und sah so aus, als ob er es dem Team am liebsten nicht sagen würde. „Nun erzählen sie es uns schon endlich.“, forderte Michael ihn auf. „Nun…also…“ „Ist er tot?“, fragte Gabi entsetzt. Dr. Dorn schüttelte den Kopf. Gabi fielen 1000 Steine vom Herzen, Ralf lebte also. „Ihr Kollege lebt, dank Ihnen, wäre er nicht so schnell hierher gebracht worden, hätte er keine Chance gehabt. Aber…“, zögerte der Arzt dann. „Was aber?“, fragte Peter, der ahnte, dass dieses „aber“ nichts Gutes zu bedeuten hatte. „Wir konnten zwar die Kugel entfernen und die Verletzungen, die sie verursacht hat, versorgen, aber Herr Staller ist uns nach der Operation ins Koma gefallen.“ „Waaas?“, Gabi konnte nicht glauben, was Dr. Dorn da gerade gesagt hatte. Schluchzend ließ sie sich in Michaels Arme fallen. Er drückte seine Kollegin fest an sich und versuchte sie zu trösten, doch was sollte er ihr in so einer Situation schon erzählen? Es wird alles wieder gut, Ralf wacht bald wieder auf? Gabriele war selbst Ärztin und wusste, dass es Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern konnte, bis Komapatienten wieder aufwachten, wenn sie überhaupt irgendwann wieder aufwachten, was nicht mit Sicherheit gesagt war. Auch die anderen waren geschockt. Ralf war noch nicht lange im Team und schon musste ihm, gerade ihm, so was Schreckliches zustoßen. Keiner konnte es fassen, keiner wusste warum. Alle hofften nur, dass Ralf tatsächlich bald wieder aufwachen würde. „Können…können wir zu unseren Kollegen?“, fragte Michael, als er sich wieder gefasst hatte und seine Sprache wieder gefunden hatte. Dr. Dorn nickte. „Frau Schwerin dürfen Sie gern besuchen, Herr Staller allerdings ist noch nicht außer Lebensgefahr und ich halte es nicht für gut, wenn Sie alle jetzt zu ihm gehen. Einen von Ihnen könnte ich allerdings für ein paar Minuten zu ihm lassen.“, erkläre er dem Team.

Peter, Thomas, Gabi und Michael nickten betrübt. Michael hatte immer noch Gabi, die nicht aufhörte zu weinen, im Arm. Dann fasste sie sich jedoch unerwartet schnell wieder und sagte entschlossen: „Ich möchte jetzt zu Ralf.“ Die anderen nickten. „Gut, ich bringe Sie dann jetzt zu Herrn Staller auf die Intensivstation.“ „Schwester Erika wird Sie zu Frau Schwerin bringen.“, wandte er sich dann an die A Crew und winkte eine Schwester herbei. Nachdem Schwester Erika sich zusammen mit Michael, Peter und Thomas auf den Weg zu Biggis Zimmer gemacht hatte, ging Dr. Dorn mit Gabriele zusammen zu Ralf. Sie blieben in einem Vorraum stehen und Gabi musste sich einen Kittel und einen Mundschutz anziehen. Sie hatte nichts anders erwartet, schließlich war sie selbst Ärztin und wusste, wie es auf einer Intensivstation zuging.

Michael, Peter und Thomas waren inzwischen bei Biggis Zimmer angekommen, die Schwester war schon wieder gegangen. Leise klopften sie an und traten dann ein. Biggi lag in ihrem Bett und schlief. Sie traten ein und gingen auf Biggis Bett zu. Thomas nahm sich einen Stuhl und setzte sich an ihre Seite. Peter und Michael blieben am Fußende stehen. Thomas umfasste Biggis Hand und strich ihr zärtlich über das Gesicht. „Hey, mein Schatz, du hast es geschafft. Ich bin so stolz auf dich“, sagte er glücklich. Doch er musste auch immer wieder an Ralf denken, der nun auf der Intensivstation um sein Leben kämpfte. Aber ohne Biggis gewagten Einsatz, wäre er jetzt sicherlich nicht mehr am Leben gewesen, das hatte Dr. Dorn ihnen selbst erklärt.

Kurze Zeit später bemerkte er, wie Biggi ihre Hand in seiner Hand bewegte. Dann schlug sie langsam die Augen auf. Das erste, was sie sah, war, dass Thomas an ihrem Bett saß. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Thomas.“, flüsterte sie leise. „Ja, Biggi, ich bin ja da. Es wird alles wieder gut, ich verspreche es dir.“, sagte er und lächelte sie an. Biggi nickte leicht. Es tat gut, Thomas jetzt bei sich zu wissen. „Hast du noch Schmerzen?“, fragte Michael sie dann. Biggi sah auf zum Bettende und bemerkte jetzt erst, dass Peter und Michael auch da waren. „Ein wenig…in der Schulter.“, sagte sie leise. „Ich bin so stolz auf dich Biggi, dass du es geschafft hast. Es war wirklich eine Meisterleistung den Helicopter in deinem Zustand sicher hierher zu fliegen“, sagte Thomas und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Biggi nickte glücklich. „Aber wenn du nicht gewesen wärest, dann hätte ich es nicht geschafft. Als ich deine Stimme über Funk gehört habe, habe ich noch einmal meine letzten Kräfte gesammelt, sonst hätte ich es nicht geschafft.“, sagte sie. Thomas beugte sich erneut zu ihr um sie zu küssen und Biggi erwiderte es. Michael und Peter beobachteten die rührende Szene und verließen dann leise und unbemerkt das Zimmer.

„Thomas, was…was ist eigentlich mit Ralf?“, fragte Biggi ihn dann, als sie langsam wieder von einander abgelassen hatte. Das Lächeln auf Thomas’ Gesicht verschwand und er sah Biggi traurig an.

Biggi musste erstmal schlucken. Sie spürte, wie ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken fuhr. "Nun sag schon.", bat sie ihn voller Angst, als er keine Anstalten machte, zu antworten. "Biggi, ich weiß nicht." "Thomas, bitte sag's mir! Was ist mit Ralf?" Sie war total aufgeregt. Sie spürte, wie sie zu zittern begann und ihr der Magen schmerzte. Sie erwartete das schlimmste. "Ralf - er lebt, aber er ist ins Koma gefallen.", sagte Thomas dann leise und blickte nach unten. Biggis Hand jedoch drückte er fest. "Nein", flüsterte Biggi, spürte, wie ihr die Tränen hochstiegen. "Wie sind seine Chancen?" "Er ist immer noch in Lebensgefahr – sie wissen im Moment gar nicht, wie's weitergeht."  Biggi rannen langsam Tränen vom Gesicht, als Thomas das sah, nahm er sie in die Arme und drückte sie ganz fest. Er konnte es ja selbst nicht glauben. Ralf - er war so ein lieber Mensch, den sie alle sofort ins Herz und in ihren Freundeskreis geschlossen hatten. Und da durfte er nicht mal zehn Einsätze fliegen, bevor er durch seine neue Stelle schon auf die Schwelle zwischen Leben und Tod geriet. War das etwa gerecht? Konnte ein einziger Schwerverbrecher denn über das Leben von einer ganzen Menge anderer Menschen bestimmen? Konnte er einfach ziellos durch die Gegend schießen, um mit einer einzigen, entscheidenden Sekunde durch eine winzige Kugel eine noch größere Menge an Menschen ein völlig umgekrempeltes Leben weiterleben zu lassen? Das konnte doch nicht der Sinn sein.

Thomas spürte, wie Biggi in seinen Armen schluchzte. "Hey, ganz ruhig. Wir müssen jetzt einfach abwarten. Aber ich denke nicht, dass es Ralf hilft, wenn wir uns jetzt fertig machen. Besonders du - wärst du nicht gewesen, Biggi, dann wäre Ralf doch schon längst nicht mehr am Leben. Das kann doch keinen Sinn machen, ihn zuerst weiterleben zu lassen, um ihm dann doch das Leben zu nehmen. Er hat es bis hierher geschafft - dann wird er es bestimmt weiterschaffen." "Meinst du das wirklich?" Biggi sah auf und blickte ihn mit verweinten Augen an. Thomas rang mit sich. Er war selbst unsicher darüber, ob es wirklich so war. Doch er strich Biggi lieb über die Wange, brachte ein aufmunterndes Lächeln zustande, zu dem ihm alles andere als zumute war, und sagte: "Ich bin davon überzeugt."

Währenddessen war Gabi an Ralfs Bett getreten. Als sie Ralf sah, hielt sie eine Hand vor den Mund und vergaß für einige Momente darauf, zu atmen. Dr. Dorn konnte sie gerade noch halten, bevor ihre Beine drohten, unter ihr zu versagen. "Wollen Sie wirklich hier bleiben?", fragte er sie zweifelnd, als sie wieder halbwegs Stand gefasst hatte. "Ja, unbedingt.", antwortete sie nach einer Weile leise und mit erstickter Stimme. "Dann setzen Sie sich hier hin. Ich bringe Ihnen ein Glas Wasser.", meinte er und führte sie zu einem Sessel an Ralfs Bett. Sie wäre doch eigentlich die, die mit so einer Situation umgehen können müsste. Mit so einem Anblick. Doch in dieser Situation zählte weder irgendwelche Abhärtung noch irgendeine berufliche Erfahrung, hier kam nur das Herz zu tragen, das unheimlich verletzlich war. Und Gabis Herz war schwer verletzt, es ließ sie mindestens den Schmerz von Ralfs ganzer körperlicher Verletzung spüren, sie war am Ende ihrer Kräfte. Der Gedanke an den heutigen Morgen, an dem sie Ralf noch leidenschaftlich geküsst und umarmt hatte, brachte sie ohne die Chance auf irgendeine Gegenwehr auf den Boden, sie brach erneut in Tränen aus. Vor ihr lag er, ähnlich einem Computersystem, das mit tausenden Kabeln vernetzt war, um überhaupt laufen zu können, funktionieren zu können. Ohne all diese elektrischen Dinger, die kein Gott der Welt erfunden hatte, würde Ralf wohl keine dreißig Sekunden überleben.

Sie fasste zitternd nach seiner Hand. Die Angst, dass in jedem Moment das Leben daraus weichen könnte, raubte ihr beinahe den Atem. Dass er ihr entgleiten könnte, ohne auch nur irgendein Warnzeichen oder die Chance auf Verhinderung zu geben.

"Ralf", sagte sie dann mit bebender Stimme. "Ich flehe dich an ... verlass mich nicht. Ohne dich wär mein Leben sinnlos ... ich liebe dich."

Erneut brach sie in Tränen aus. War sie es doch gewohnt, auch wenn dies nur im Zeitraum von zwei Tagen geschehen war, von ihm auf diesen Satz immer eine Antwort zu erhalten. Sie wusste, dass er sie liebte. Doch war die Liebe stark genug, um diesen Kampf zu gewinnen? Den Kampf ums Leben? Den Kampf darum, diese junge Liebe noch weiterleben zu können?

"Hier, trinken Sie das. Es wird Ihnen gut tun." "Danke", sagte Gabi tonlos, und fasste nach dem Glas Wasser, das Dr. Dorn ihr überreichte. "Wir werden ihn schon wieder auf die Beine bringen. Machen Sie sich jetzt nicht fertig." Er legte eine Hand auf ihre Schulter. Er hatte Mitleid mit der jungen Ärztin, der man ansah, wie sehr sie all die Geschehnisse in den Abgrund der Verzweiflung rissen. "Seien Sie ehrlich zu mir. Glauben Sie, dass er wieder aufwachen wird? Dass er überhaupt überleben wird?" Ihre Stimme zitterte wie Espenlaub.  "Frau Kollegin, Sie wissen, dass wir Ärzte keine Wahrsager sind. Aber ich habe das Gefühl, dass Herr Staller es schaffen wird. Er hat eine starke Konstitution,  die ihn wieder vorantreiben wird, auch wenn es im Moment ein wenig aussichtslos erscheint." Gabi sah ihn an. "Wie oft behält ihr Gefühl denn recht, Herr Kollege?" Der Arzt blickte ihr in die Augen. "Bis jetzt - immer." Gabi sah wieder hinüber zu Ralf. "Danke.", sagte sie dann leise. "Sie sollten sich jetzt aber wirklich ein wenig ausruhen - Herr Staller braucht noch sehr viel Ruhe, und ich lasse Sie ungern hier allein. Ich bringe Sie zu Ihrer Kollegin, ist Ihnen das recht?" "Aber Ralf..." "Sie werden ihn bestimmt heute wieder sehen. Aber jetzt bitte, nehmen Sie sich eine Pause. Er braucht Ruhe, außerdem werden noch einige Untersuchungen mit ihm gemacht." Gabi erklärte sich einverstanden. Natürlich wollte sie zu ihrer Freundin, sie hatte sie schon sehr vermisst - aber der Gedanke an Ralf und seine Zustand stellte eben einfach alles andere in den Schatten.

Schließlich aber folgte sie dem Arzt nach draußen, nachdem sie ein letztes Mal fest Ralfs Hand gedrückt hatte. Dr. Dorn ließ sie von einer Schwester zu Biggis Zimmer bringen. Vor der Tür traf sie Michael und Peter an. Sie erkundigten sich natürlich gleich nach Ralfs Zustand und nahmen Gabi tröstend in die Arme. "Wie geht es Biggi?", fragte Gabi dann. "Wir waren nicht dabei, als sie die Sache mit Ralf erfahren hat. Thomas ist bei ihr, geh doch einfach rein. Ihr Kreislauf ist noch ziemlich geschwächt, aber ansonsten ist zum Glück alles in Ordnung." Sie waren unheimlich froh darüber, dass wenigstens Biggi glimpflich davongekommen war.

Als Gabi die Tür öffnete, blickten Thomas und Biggi auf. "Gabi!", rief Biggi aus. Gabi eilte an die andere Seite des Bettes und sie umarmten sich innig. Thomas beschloss, die beiden für einen Moment alleine zu lassen und verließ unauffällig den Raum. "Ich bin so froh dich zu sehen", sagte Gabi leise schluchzend, als sie sich nach der langen Umarmung wieder aufrichtete. Sie sah, dass auch Biggi Tränen in den Augen hatte - immer noch, schon wieder. "Ich bin auch so froh ...", sagte Biggi leise. "Ach Biggi ...", Gabi brach erneut in Tränen aus, sie ließ sich in Biggis Arme sinken und sie weinten gemeinsam.

"Warst du ... warst du bei Ralf?", fragte Biggi mit erstickter Stimme. "Ja", entgegnete Gabi leise. "Er sieht so ... so hilflos aus. So, als wollte er nicht mehr kämpfen - aber ... er lebt. Wenn du nicht gewesen wärst, Biggi." "Ach Gabi." "Dann wär er schon längst tot. Meinst du, er schafft es?", fragte Gabi sie mit ängstlichem Blick. Biggi musste sich immer wieder Tränen aus dem Gesicht wischen. "Ja" sagte sie dann mit bebender Stimme. "Ich glaube schon. Ich kenne ihn doch - der würde niemals abhauen, ohne dich noch mal zu küssen." Sie mussten trotz ihrer Verzweiflung und unter all den Tränen lächeln. "Wie geht's deiner Schulter?" "Halb so schlimm.", meinte Biggi.

Gabi blieb noch lange bei Biggi sitzen - das tat ihr unheimlich gut. Dr. Dorn hatte noch versprochen, ihr Bescheid zu sagen, wenn sie wieder zu Ralf konnte. Und sie war sich inzwischen sicher, dass er auch dann bestimmt noch kämpfen würde - innerlich versuchte sie, all die Kraft, die sie hatte, an ihn zu übertragen. Und sie hatte das Gefühl, es würde klappen. Ihr Gefühl - das hatte sie noch nie in ihrem Leben getäuscht...

Währenddessen hatten Peter, Thomas und Michael auf drei Stühle auf dem Gang gesetzt, die in der Nähe von der Tür zu Biggis Krankenzimmer standen. „Michael, meinst du Ralf wird durchkommen?“, fragte Peter dann plötzlich und durchbrach damit das Schweigen. Michael sah ihn ernst an. „Das kann keiner genau sagen. Es hängt ganz davon ab, wie sein Körper mit den schweren Verletzungen klarkommt und wie stark sein Herz ist.“, sagte der Notarzt bedrückt. „Warum?“, flüsterte Thomas, „Warum er?“ Die anderen sahen ihn ratlos an. Diese Frage würde sich wohl niemals jemand beantworten können. „Er war doch erst so kurz dabei, warum?“ „Das weiß keiner.“, sagte Michael nachdenklich. Keiner konnte es verstehen, sie mussten es erst einmal richtig begreifen und es verarbeiten, was bei dem heutigen Einsatz geschehen war und dass ihr Kollege gerade auf der Intensivstation um sein Leben kämpfte. „Gabi tut mir auch total Leid.“, meinte Peter dann. Die anderen nickten zustimmend. „Wir sollten uns ein bisschen um sie kümmern.“, beschloss Michael.

Gabi saß noch immer an Biggis Bett. Sie saß einfach nur da und schwiegen. Ab und zu weinten sie ein bisschen. Gabi wusste wirklich nicht, wie es ohne Ralf weitergehen sollte, er musste es einfach schaffen. Es war das erste Mal, seit ziemlich langer Zeit, dass sie wieder Glück in der Liebe hatte und nun musste so ein schreckliches Unglück passieren und vielleicht alles zerstören.

„Biggi, wenn Ralf es nicht schafft, ich weiß nicht, was ich dann tun soll.“, sagte Gabi schließlich unter Tränen. Biggi sah sie traurig an. Sie malte sich aus, was sie tun würde, wenn Thomas an Ralfs Stelle wäre. Sie wusste es nicht, dieser Gedanke war einfach nur schrecklich und so schob sie ihn schnell zur Seite. Sie war unendlich froh, dass Thomas gesund war. „Hey, ich bin mir sicher, Ralf schafft das, er hat es bis hierher geschafft und er wird es weiter schaffen.“, sagte Biggi dann und versuchte überzeugend zu klingen, obwohl sie alles andere als überzeugt von ihren Worten war. Gabi nickte nur schwach und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Hoffentlich hast du Recht.“, flüsterte sie. „Aber ohne dich, wäre er schon lange nicht mehr am Leben. Biggi, das werde ich dir nie vergessen.“ Biggi strich Gabi über die Hand. „Ich würde es jederzeit wieder tun.“, sagte sie dann. Gabi beugte sich zu Biggi und sie umarmten sich. „Soll ich die Jungs wieder reinholen?“, fragte sie Biggi dann. Diese nickte. „Ja, sie warten sicherlich schon.“, sagte Biggi leise. So stand Gabi langsam auf und begab sich zur Tür.

Michael, Thomas und Peter sahen sofort auf, als Gabi aus der Tür kam. „Ist etwas mit Biggi?“, fragte Thomas sofort erschrocken. Gabi schüttelte den Kopf. „Keine Angst, es ist alles in Ordnung.“, beruhigte Gabi ihn. „Ich wollte euch eigentlich nur wieder reinholen. Biggi freut sich sicherlich euch zu sehen.“ Sie nickten, standen auf und folgten Gabi dann in Biggis Zimmer. Biggi lächelte, als Thomas als erster auf ihr Bett zukam und sich wieder auf den Stuhl neben ihr setzte. Langsam folgten nun auch Peter und Michael. Die Stimmung war bedrückt und keiner sprach viel. Jeder war mit seinen Gedanken bei Ralf.

Gabi wollte Dr. Dorn später noch einmal fragen, ob sie noch mal zu Ralf durfte. Wenn auch nur für zwei Minuten, sie wollte ihn einfach noch einmal sehen. Einfach bei ihm sein und seine Nähe spüren. Am liebsten wäre sie die ganze Zeit bei ihm geblieben, doch sie wusste selbst, dass er Ruhe brauchte und dass das nicht ging. Sie seufzte leise und ihr stiegen erneut Tränen in die Augen. Als Peter das bemerkte, ging er auf seine Kollegin zu und nahm sie schweigend in den Arm.

„Ich glaube wir sollten Biggi jetzt in Ruhe lassen, und nachhause fahren, sie ist sicherlich sehr erschöpft.“, sagte Michael, der merkte, dass Biggi vor Erschöpfung kaum noch die Augen offen halten konnte. Biggi nickte nur leicht. „Wir kommen morgen wieder.“, versprach Peter ihr. Er hatte immer noch Gabi, die sich nur langsam wieder beruhigte, im Arm. Zusammen mit ihr und Michael verließ er langsam den Raum. Thomas blieb noch bei Biggi sitzen, er wollte sich noch alleine von ihr verabschieden. „Musst du jetzt auch gehen?“, fragte Biggi ihn traurig. Thomas sah sie fragend an. „Aber ich dachte, du bist erschöpft und möchtest ein bisschen Ruhe haben, aber wenn du möchtest, bleibe ich natürlich gern bei dir. Ich lasse dich sowieso nur ungern hier ganz alleine.“, sagte er und brachte dann ein kleines Lächeln hervor. Biggi nickte. „Ja, bleib bitte bei mir.“, sagte sie leise. „Ok“, Thomas beugte sich langsam zu ihr und gab ihr dann einen zärtlichen Kuss. „Versuch jetzt ein bisschen zu schlafen, das wird dir sicherlich gut tun.“, schlug er ihr dann vor. Biggi nickte. „Aber, wenn es was Neues von Ralf gibt, dann weckst du mich sofort, ja?“ „Ja, werde ich machen.“, versicherte er ihr. Biggi schloss – beruhigt dass Thomas bei ihr bleiben würde – die Augen und schlief dann sofort ein. Thomas blieb die ganze Zeit an ihrem Bett sitzen, hielt ihre Hand und strich ihr ab und an leicht übers Haar. Ihm wurde erst jetzt wirklich bewusst, was für ein riesiges Glück Biggi gehabt hatte. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn sie so schwer verletzt worden wäre wie Ralf. Seine Biggi, das wäre schrecklich gewesen. Er beugte sich leicht über sie und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Dann legte er seinen Kopf neben ihren aufs Kopfkissen und schloss langsam die Augen. Es dauerte nicht lange und auch Thomas war – von den ganzen Strapazen erschöpft – eingeschlafen.

Peter, Michael und Gabi waren währenddessen zur Intensivstation gegangen um noch einmal mit Dr. Dorn zu reden. „Kann ich noch einmal kurz zu meinem Kollegen?“, fragte Gabi und sah den Arzt bittend an. Er überlegte einen Moment und rang mit sich, schließlich wusste er, dass Ralf Ruhe brauchte und er wusste nicht, ob ihm Besuch gut tun würde. „Also, ok, kommen Sie mit.“, gab er sich dann schließlich geschlagen. Gabi warf Michael und Peter noch einen letzten Blick zu, bevor sie Dr. Dorn zu Ralfs Zimmer folgte. Wie vor einigen Stunden musste sie sich zunächst den Kittel und den Mundschutz anziehen, bevor zu ihm durfte. Schließlich betrat sie langsam das Intensivzimmer. Sie nährte sich langsam dem Bett und setzte sich dann auf den Stuhl, der noch von ihrem letzten Besuch dort stand. Ralf sah noch genau so aus wie vor einigen Stunden, er hatte sich keinen Millimeter bewegt und sein Zustand hatte sich kein bisschen verändert. Wenigstens hatte er sich auch nicht verschlechtert.

Gabi faste zaghaft nach seiner Hand und drückte sie. „Ralf, auch wenn du mich nicht hören kannst, du musst bitte ganz schnell wieder gesund werden, ja?“, sagte Gabi leise. Sie war ganz ruhig, aber ihre Stimme zitterte. „Ralf, ohne dich, weiß ich nicht mehr, was ich tun soll…“, die letzten Worte schluchzte sie nur noch und barg ihr Gesicht weinend in seine Bettdecke.

So saß sie einige Minuten dort, hielt seine Hand und weinte. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Gabi wagte es kaum aufzusehen, insgeheim hoffte sie, dass es vielleicht Ralfs Hand wäre, doch als sie dann doch aufsah, bemerkte sie schnell, wie unsinnig dieser Gedanke doch gewesen war. Es war die Hand von Peter, der zusammen mit Michael das Zimmer betreten hatte. Ralf lag noch genau wie einige Minuten zuvor in seinem Bett und rührte sich nicht.

„Komm, Gabriele, wir sollten jetzt gehen. Ralf braucht Ruhe.“, sagte Michael entschlossen. Gabi nickte langsam. Sie warf Ralf noch einen letzten, sehnsüchtigen Blick zu und verließ dann, von Michael und Peter gestützt das Zimmer.

Schweigend gingen sie durch die langen Flure des Krankenhauses, bis sie schließlich an der Information im Erdgeschoss angelangt waren und dann auf den Parkplatz hinaustraten. Langsam gingen sie zu Michaels Auto und stiegen ein. „Wo ist Thomas eigentlich?“, erkundigte Peter sich dann. „Ich schätze, er ist bei Biggi geblieben.“, vermutete Michael. Peter nickte. „Ist wohl besser so.“

Sie fuhren los und legten den Weg zur Basis fast schweigend zurück. Peter, der mit Gabriele zusammen hinten saß, hatte seine Kollegin in den Arm genommen und versuchte sie so gut es ging zu trösten. Gabriele liefen immer wieder Tränen über die Wangen. Sie bekam dieses Bild – von Ralf zwischen all den Geräten, die ihn am Leben erhielten – einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Als sie auf der Basis angekommen waren und langsam aus dem Wagen ausstiegen, wurden sie bereits von Ebelsieder empfangen. Er wollte ihnen gerade eine gehörige Standpauke halten, warum sie einfach so verschwunden waren – schließlich war er nicht über die Ereignisse informiert worden. Doch dann sah er Gabriele, Peter und Michael mit hängenden Schultern und traurigen Gesichtern auf sich zukommen. „Was ist passiert?“, wollte er sofort wissen, „Und wo sind Herr Staller, Herr Wächter und Frau Schwerin?“

„Es ist zu einem Unglück bei dem letzten Einsatz gekommen. Frau Schwerin und Herr Staller sind dabei verletzt worden. Herr Wächter ist im Moment noch bei Frau Schwerin im Krankenhaus.“, erklärte Michael schnell. Eigentlich wollte Ebelsieder die drei jetzt anmotzen, warum sie ihn nicht informiert hatten, doch er sah, wie sehr sie das ganze mitnahm und ließ es deshalb. „Ich werde mich dann um einen Eratzpiloten und einen Ersatzsanitäter kümmern.“, meinte Ebelsieder. Die anderen nickten bloß schweigend und setzten sich dann betrübt an den Tisch im Aufenthaltsraum. Max, der im Hangar gewesen war, hatte die letzten Worte mitbekommen und kam nun auch in den Aufenthaltsraum. „Ersatzpilot? Ersatzsanitäter? Was ist denn passiert und wo sind Biggi, Thomas und Ralf?“, fragte Max irritiert. Gabi sah auf und als er in ihr tränenverschmiertes Gesicht blickte, ahnte er das schlimmste. „Es gab eine Schießerei bei dem letzten Einsatz des B Teams…Ralf und Biggi sind angeschossen worden…“, erzählte Gabi dann unter Tränen. Peter war zu ihr gegangen und hatte sie in den Arm genommen. „Schlimm?“, fragte Max dann Michael, der ein ernstes Gesicht machte. „Biggis Verletzung ist nicht lebensgefährlich, aber Ralf ist nach der Operation ins Koma gefallen, sie wissen noch nicht ob er durchkommen wird.“ „Oh Gott.“, brachte Max nur hervor. Ralf war doch erst seit kurzer Zeit auf der Basis und nun war er gerade mit Gabriele zusammen gekommen und sie hatten ihr Glück in der Liebe endlich gefunden. Max verstand das alles nicht. Er verstand nicht warum, warum gerade Ralf? Niemand verstand es. „Ist Thomas bei Biggi?“, fragte Max dann nach einer Weile, da auch der Pilot nicht auf der Basis aufgetaucht war. Michael nickte. „Ich glaube, er wollte sie jetzt nicht alleine lassen und ich denke, es tut ihr gut, wenn er bei ihr ist.“ Max hatte noch so viele Fragen, wie es zu dem Unglück kommen konnte und was für Verletzungen Biggi und Ralf hatten, doch er wusste, das dies der falsche Zeitpunkt war, um diese Fragen zu stellen. Die anderen waren so fertig, dass er ihnen jetzt nicht auch noch zumuten wollte ihm alles haarklein zu schildern.

Gabriele hatte sich zusammen mit Peter auf das Sofa am andern Ende des Aufenthaltsraums gesetzt und ihren Kopf in den Händen vergraben. Plötzlich spürte sie etwas nasses, raues, an ihrer Hand. Sie blickte ein wenig auf. Es war Gonzo, der ihr über die Hand leckte. „Ach Gonzo.“, sagte sie leise und streichelte dem Hund übers Fell. Er ahnte nicht, dass sein Herrchen heute nicht wiederkommen würde. „Ich werde mich um ihn kümmern.“, beschloss Gabi dann. Gonzo war schließlich Ralfs Hund und irgendwie fühlte sie sich verantwortlich für ihn.

Max hatte sich inzwischen zu den anderen gesetzt. Sie redeten nicht viel. Plötzlich bemerkten sie, dass Ebelsieder in der Tür stand. „Wir bekommen morgen einen neuen Piloten und einen neuen Sanitäter zugeteilt, die Frau Schwerin und Herrn Staller vertreten werden.“, erklärte er der Crew. „Die hätten ruhig noch etwas warten können.“, bemerkte Michael sofort. „Ich weiß, Herr Dr. Lüdwitz, aber wir müssen den Laden hier irgendwie schmeißen und unsere privaten Sorgen müssen da nun einmal hinten anstehen.“, mit diesen Worten ging Ebelsieder wieder zurück in sein Büro. „Arschloch.“, murmelte Max noch, allerdings so leise, dass Ebelsieder es nicht mehr hören konnte.

Biggi öffnete langsam wieder die Augen. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte und wie spät es jetzt war. Sie lächelte ein wenig, als sie Thomas, der mit seinem Kopf neben ihrem lag und schlief, ansah. Ihre Hand lag immer noch in seiner. Sie wollte ihn nicht wecken, also versuchte sie sich möglichst nicht allzu viel zu bewegen, doch schließlich wachte Thomas doch auf. „Hey, du schläfst ja gar nicht mehr.“, sagte er erstaunt, als er sah, dass Biggi wieder wach war. Sie schüttelte leicht den Kopf und lächelte ihn ein wenig an. „Ich fühle mich aber schon ein wenig besser.“ „Das ist schön zu hören.“, sagte Thomas. Er strich ihr zärtlich über die Wange und gab ihr dann einen zärtlichen Kuss, den Biggi erwiderte.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Dr. Dorn betrat zusammen mit einer Schwester, die das Abendessen brachte, das Zimmer Im ersten Moment befürchteten Biggi und Thomas schon, dass irgendetwas mit Ralf geschehen wäre, doch Dr. Dorn machte ein ziemlich fröhliches Gesicht. „Wie geht es Ihnen denn jetzt?“, wandte er sich an Biggi. „Na ja ich glaube, den Umständen entsprechen ganz gut, oder wie Sie jetzt sagen würden.“, antwortete sie. Der Arzt musste schmunzeln. „Ich möchte noch einmal gerne Ihren Blutdruck messen.“, sagte er dann. Biggi nickte. Thomas ließ ihre Hand los – wenn auch widerwillig – stand auf und ließ Dr. Dorn zu Biggi. Er legte ihr das Blutdruckmessgerät am Arm an und wartete dann auf die Ergebnisse. „Das sieht doch schon wieder ganz gut aus.“, stellte er dann einige Augenblicke später fest. „Der Blutdruck könnte etwas höher sein, aber sonst ist alles in Ordnung. Sie sollten sich allerdings schonen und versuchen möglichst viel zu schlafen.“ Biggi nickte. „Werde ich machen.“, versprach sie dem Arzt. „Ich pass schon auf sie auf.“, meinte Thomas dann und setzte sich wieder zu Biggi. „Davon bin ich überzeugt.“, antwortete Dr. Dorn grinsend, während er zusammen mit der Schwester, die das Abendessen auf Biggis Nachttisch abgestellt hatte, das Zimmer verließ.

„Möchtest du etwas essen?“, fragte Thomas Biggi dann führsorglich. Sie nickte. „Ja“, immerhin hatte sie seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen. Thomas drehte den Nachttisch so hin, dass Biggi gut an das Tablett kam und stellte ihr dann vorsichtig das Kopfteil ein wenig höher. „Ist es gut so?“, erkundigte er sich. „Ja, danke, sehr gut.“, antwortete Biggi und lächelte ihn verliebt an. Sie begann ihr Abendbrot zu essen und Thomas sah ihr dabei zu. „Und schmeckt es?“, fragte er nach einer Weile. „Na ja.“, sagte Biggi, es schmeckte nicht besonders gut, aber sie hatte ziemlich großen Hunger. Also blieb ihr nichts anderes übrig als mit der Krankenhauskost vorlieb zunehmen. „Du solltest jetzt versuchen ein wenig zu schlafen, hm? Dr. Dorn hat doch gesagt, dass du dich schonen sollst.“, sagte Thomas dann nach einer Weile. Biggi nickte, sie fand es lieb von Thomas, wie sehr er sich um sie sorgte. „Aber nur unter einer Bedingung.“, sagte Biggi und lächelte ihn an. Thomas sah sie fragend an. „Nur wenn ich noch einen Gutenachtkuss bekomme.“, meinte Biggi. Thomas musste grinsen. „Du weißt gar nicht, wie gern ich diese Bedingung erfülle.“, antwortete er. Dann beugte er sich zu Biggi und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Sie legte ihren Arm um seinen Hals und zog ihn noch näher zu sich. „Ich liebe dich.“, flüsterte sie ihm ins Ohr.“ „Ich dich auch.“, gab Thomas ebenfalls flüsternd zurück, „Mehr als alles andere auf dieser Welt.“ Sie sahen sich tief in die Augen und versanken dann erneut in einem innigen Kuss. „Gute Nacht, schlaf schön.“, sagte Thomas dann und strich Biggi sanft über die Wange. „Du auch.“, antwortete sie und schloss dann langsam mit einem kleinen Lächeln im Gesicht die Augen.

Als Thomas ganz sicher war, dass Biggi tief und fest schlief, verließ er kurz das Zimmer um auf der Basis anzurufen. Ebelsieder hatte die Basis zwar für diesen Tag dicht gemacht, doch Peter, Max, Michael und Gabi waren trotzdem noch dort. Jeder war froh jetzt nicht alleine zu sein. Sie saßen im Aufenthaltsraum und versuchten sich gegenseitig ein wenig zu trösten.

Das Telefon schreckte alle aus ihren Gedanken. Michael stand auf und ging schließlich ran. „Basis Medicopter 117, Lüdwitz?“, meldete er sich  „Hier ist Thomas.“, vernahm er dann von der anderen Seite der Leitung „Ach, Thomas. Wie geht es Biggi?“, erkundigte Michael sich. „So weit ganz gut, sie schläft jetzt.“, informierte Thomas ihn. „Richte ihr liebe Grüße von uns aus, wenn du wieder zu ihr gehst.“ „Ja, werde ich machen. Sag mal, ist Ebelsieder noch da?“ „Ja, der ist in seinem Büro.“, antwortet Michael ihm. „Kannst du mich kurz rüberstellen, ich muss noch etwas mit ihm regeln. Ich habe nämlich vor mir die nächste Woche frei zu nehmen“, bat Thomas. „Klar, mach ich.“, sagte Michael und stellte das Gespräch dann zu Ebelsieder ins Büro.

„Ebelsieder?“, meldete der Stützpunktleiter sich. „Ja, hallo Herr Ebelsieder, hier ist Thomas Wächter.“ „Herr Wächter, was kann ich denn für sie tun?“, fragte Ebelsieder gespielt freundlich. Seit er wusste, dass Thomas und Biggi zusammen waren, konnte er Thomas noch weniger leiden als vorher. „Ich möchte mir eine Woche Urlaub nehmen.“, sagte Thomas. „Wie stellen sie sich das so kurzfristig vor?“, fragte Ebelsieder entsetzt. „Mir steht noch eine Woche Resturlaub zu und ich habe das Recht frei zu entscheiden, wann ich diesen nehmen möchte.“, meinte Thomas trocken. „Wie stellen sie sich das vor, Wächter? Woher soll ich so schnell einen Ersatzpiloten herbekommen?“, wollte Ebelsieder wissen. Thomas hätte jetzt am liebsten gesagt, das das nicht sein Problem wäre und er jetzt bei Biggi bleiben wolle, doch das ließ er besser. Er wollte Ebelsieder nicht noch mehr provozieren. „Das weiß ich auch nicht, aber ich benötige den Urlaub wirklich so kurzfristig. Herr Ebelsieder, ich würde sie nicht fragen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.“ „Ok, ich werde schauen, was sich machen lässt, aber morgen werden sie wohl oder übel noch zum Dienst erscheinen müssen, Wächter, denn bei der Zentrale werde ich um diese Uhrzeit niemanden mehr erreichen um mich nach einem Ersatz zu erkundigen. Thomas willigte schließlich ein und beendete dann das Gespräch. Zwar missfiel es ihm, dass er morgen noch zum Dienst erschein musste, doch wenigstens hatte er danach eine Woche lang frei und konnte sich um Biggi kümmern. Nachdem er aufgelegt hatte, ging er zurück zu Biggi. Zuerst vergewisserte er sich, ob sie noch schlief. Das tat sie, tief und fest. Er setzte sich zu ihr ans Bett und nahm dann wieder ihre Hand. „Ich habe ab übermorgen eine Woche frei.“, sagte er leise und lächelte Biggi glücklich an. Er strich ihr leicht mit seiner Hand über die Wange und blickte sie verliebt an. Dann legte er ganz vorsichtig seinen Kopf auf ihre Decke und schloss ebenfalls erschöpft die Augen. Ihre Hand jedoch ließ er nicht los, auch nicht, als er schon lange eingeschlafen war.

Max war inzwischen schon nachhause gefahren. Auch Gabi, Michael und Peter wollten sich langsam auf den Weg machen. „Komm, ich fahre dich nachhause.“, bot Peter Gabriele an. Doch sie lehnte ab, auch wenn sie wusste, dass es lieb gemeint war. „Ich möchte lieber allein sein.“, sagte sie leise. Sie nahm Gonzo mit und ging dann zu Ralfs Auto, das auf dem Parklatz stand. Michael und Peter stiegen gerade in ihre Autos ein. „Tschüss, Gabi, bis morgen.“, verabschiedete Michael sich noch. Ihm war gar nicht wohl bei dem Gedanken seine Kollegin jetzt alleine zu lassen, auch wenn er es verstehen konnte, dass sie jetzt gern allein sein wollte und Zeit zum Nachdenken brauchte. Sie wartete bis Michael und Peter schließlich die Basis verlassen hatten und sie ihre Autos am Horizont nicht mehr erkennen konnte. Dann wollte sie einsteigen, doch sie bemerkte, dass sie überhaupt keinen Schlüssel für Ralfs Wagen hatte. Also ging sie wieder rein und begab sich in die Umkleide zu seinem Spind.

Sie öffnete ihn und sah sich dann nach dem Autoschlüssel um, den Ralf in seinem Spind gelassen haben musste. Sie öffnete seine Jackentasche, da sie dort den Schlüssel vermutete. Dort fand sie ihn auch, aber noch etwas anderes. Gabriele zog es heraus, es war ein Umschlag. Der Brief war noch nicht geöffnet worden und er war an Ralf adressiert. Sie zögerte einen Augenblick, doch dann steckte sie ihn zurück in seine Jackentasche, sie hatte schließlich kein Recht darauf, seine Post zu öffnen.

Sie nahm den Autoschlüssel, schloss den Spind wieder und verließ dann die Umkleide. Langsam trat sie wieder hinaus auf den Parkplatz. Gonzo verfolgte sie auf Schritt und tritt, denn Gabi war die einzige, die noch auf der Basis war, neben Ebelsieder. Gonzo vermisste sein Herrchen, es war so, als ob er ahnen würde, dass etwas passiert war. Gabriele ging zu Ralfs Auto und schloss nun die Tür auf. Gonzo sprang auf den Beifahrersitz und Gabi stieg auf der Fahrerseite ein. Sie startete den Motor und fuhr dann ziemlich schnell vom Parkplatz. Den Weg zu Ralfs Wohnung fand sie sofort, obwohl sie erst einmal dort gewesen war. Zum Glück lag die Wohnung nicht all zu weit entfernt von der Basis.

Gabi parkte das Auto vor dem Haus und stieg dann langsam aus. Hier erinnerte sie alles an Ralf, natürlich, schließlich wohnte er hier. Sie kraulte Gonzo ein wenig den Rücken, doch dann ging sie langsam zu Ralfs Wohnungstür. Vorsichtig steckte sie den Schlüssel ins Schloss und schloss auf. Gonzo lief sofort in die Wohnung und kam wenig später mit seiner Leine im Maul zurück zu Gabi, die in Gedanken versunken im Flur stand. „Wuff“ Gabi sah zu Gonzo. „Du willst Gassi gehen, hm?“, sagte sie. Sie bückte sich und strich Gonzo über den Kopf. Dabei brachte sie sogar ein kleines Lächeln hervor. Schließlich nahm sie die Leine in die Hand und ging mit Gonzo zusammen nach draußen. Es war bereits dunkel und Gabi fror ein wenig. Sie stellte sich immer wieder vor, wie schön es doch wäre, wenn Ralf jetzt hier wäre und sie in den Arm nehmen würde. Doch Ralf war nicht hier und niemand nahm sie liebevoll in den Arm, Gabi seufzte. Sie ging mit Gonzo durch doch benachbarten Park und setzte sich dort schließlich auf eine Bank. Sie genoss die Stille und die Dunkelheit. Es war sehr dunkel, obwohl der Mond schien und der Himmel sternenklar war. Gabi dachte nach, über die Zukunft. Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Nur eins wusste, sie, sie würde morgen noch vor der Frühschicht zu Ralf fahren. Plötzlich spürte sie etwas kaltes, nasses im Nacken. Erschrocken drehte sie sich um, doch es war nur Gonzo. „Mann, hast du mich jetzt erschreckt.“, sagte Gabi leise. Sie sah auf die Uhr. Es war schon halb zehn, sie musste ziemlich lange hier gesessen haben. Langsam ging sie mit Gonzo zurück in Ralfs Wohnung. Dort angekommen legte Gonzo sich gleich in sein Körbchen und rollte sich zusammen.

Gabi ließ sch erschöpft aufs Sofa sinken. Sie sah sich im Raum um und betrachtete die Fotos, die Ralf an der Wand hängen hatte. Eines zeigte ihn zusammen mit einer Frau. Sie musste etwa so alt sein wie Ralf und es schien so, als ob die beiden einmal zusammen gewesen waren. ‚Vielleicht war sie ja der eigentliche Grund, warum Ralf hierher gezogen war.’, überlege Gabi nachdenklich. Doch sie dachte nicht weiter darüber nach, es ging sie schließlich auch nichts an, das war Ralfs privates Ding. Sie setzte sich wieder zurück aufs Sofa. Dort lag ein Pulli von Ralf. Gabi nahm ihn in die Hand. Er roch nach Ralfs Aftershave. Diesen Geruch liebte sie. Langsam zog sie sich den Pulli über und kuschelte sich darin ein.

Thomas wachte am nächsten Morgen dadurch auf, dass eine Schwester ins Zimmer kam und Biggi eine Infusion wechselte. Er sah auf zu Biggi, sie schlief immer noch und Thomas bemerkte, dass er noch immer ihre Hand hielt. Er lächelte bei ihrem Anblick und streichelte ihr leicht übers Gesicht. Er verharrte so mindestens eine halbe Stunde, bis Biggi schließlich auch aufwachte. „Guten Morgen mein Schatz.“, sagte Thomas leise. Biggi sah ihn an und lächelte dann ein wenig. Sie fühlte sich schon viel besser als am Vortag, doch ein wenig schwach war sie noch immer. „Hast du gut geschlafen?“, erkundigte Thomas sich dann. Biggi nickte. „Klar, du warst doch bei mir.“ Thomas grinste. Dann beugte er sich zu ihr und sie küssten sich zärtlich. „Und geht’s dir heute schon besser?“, wollte er dann wissen. „Ja, ich fühle mich schon viel besser als gestern und meine Schulter tut auch kaum noch weh.“, sagte sie. „Hey, das ist ja super.“, freute Thomas sich. Biggi nickte. „Ich würde gern wissen, wie es Ralf jetzt geht.“, sagte sie dann leise. „Hm, ich werde Dr. Dorn gleich fragen, ok?“, meinte Thomas. „Danke.“ Thomas beugte sich erneut zu ihr und sie küssten sich wieder. Als sie nach einer ganzen Weile wieder voneinander abließen, stand Thomas langsam auf. „Ich erkundige mich dann jetzt nach Ralf.“, meinte er und drückte noch einmal Biggis Hand, bevor er sie ganz langsam losließ. „Ok, mach das.“, antwortete Biggi und sah ihm nach, wie er das Zimmer verließ. Irgendwie hatte sie ein wenig Angst, vor dem, was Thomas gleich von Dr. Dorn erfahren würde. Was war, wenn es Ralf schlechter ging?

Erschrocken fuhr Gabriele hoch, sie musste gestern Abend eingeschlafen sein, jedenfalls hatte sie die Nacht auf Ralfs Sofa verbracht, auch seinen Pulli trug sie noch. Sofort sah sie auf die Uhr. Es war bereits halb acht, um acht fing ihre Schicht an. Gabi stand sofort auf und verließ dann fluchtartig die Wohnung, sie wollte vor ihrer Schicht, die um acht begann schließlich unbedingt noch zu Ralf. Zum Frühstücken blieb keine Zeit mehr, wahrscheinlich hätte sie sowieso nichts runter bekommen, solange sie nicht wusste, ob Ralf die Nacht überlebt hatte.

Michael und Dirk saßen gerade beim Frühstück. „Papa, wo ist eigentlich Thomas?“, wollte Dirk auf einmal wissen. Ihm war nicht entgangen, dass Thomas die letzten beiden Nächte nicht zuhause verbracht hatte. „Er ist bei Biggi in der Klinik.“, erklärte Michael ihm. Ihm fiel plötzlich ein, dass Dirk ja gar nicht wusste, was passiert war. Schon sah sein Sohn ihn fragend an. „Ralf und Biggi sind gestern bei einem Einsatz verletzt worden.“, erzählte Michael. Dirk sah ihn geschockt an. „Schwer verletzt?“, wollte er dann wissen. Er kannte die Kollegen seines Vaters auch ziemlich gut, da sie schon öfter alle gemeinsam in der Villa gefeiert hatten. Michael nickte leicht. „Ziemlich schwer.“, sagte er nur leise. Mit seinen Gedanken war er die ganze Zeit bei seinen Kollegen. Die ganze Nacht hatte er deshalb schon kaum ein Auge zubekommen.

Thomas hatte Dr. Dorn inzwischen auf dem Gang getroffen und fragte ihn nach Ralfs Zustand. „Ihrem Kollegen geht es leider unverändert, wir können leider immer noch nicht mit Sicherheit sagen, dass er überleben wird. Aber ich denke, er ist stark und wird es schaffen.“, meinte der Arzt. Thomas nickte nur stumm. „Danke“, meinte er dann. Dr. Dorn verschwand in einem Patientenzimmer und auch Thomas wollte sich gerade umdrehen um wieder zu Biggi zurückzugehen, als plötzlich Gabi vom anderen Ende des Gangs auf ihn zu gerannt kam. „Thomas, warte.“, rief sie außer Atem. „Weißt du was neues von Ralf?“, fragte sie dann, als sie ihn erreicht hatte, da sie gesehen hatte, dass er sich mit Dr. Dorn unterhalten hatte. „Es geht ihm unverändert, aber ich glaube Dr. Dorn ist zuversichtlich.“, erzählte Thomas ihr. „Meinst du ich kann zu ihm?“, wollte Gabi dann wissen. „Bestimmt.“, sagte Thomas. Er hatte zwar keine Ahnung, ob man Gabi zu Ralf lassen würde, doch er wollte ihr nicht die Hoffnung nehmen. „Und wie geht es Biggi?“, erkundigte Gabi sich dann. „Ich glaube schon besser als gestern. Aber die Sache mit Ralf nimmt sie sehr mit – wie uns alle.“ Gabi nickte, sie musste sich bemühen, damit ihr nicht wieder Tränen in die Augen stiegen. „Und wie geht es dir?“, fragte Thomas dann. Alle machten sich große Sorgen um Gabriele. Sie konnte die Tränen nun nicht mehr zurückhalten und sie rannen über ihr Gesicht. Thomas nahm sie vorsichtig in den Arm. „Ich hab so Angst, dass Ralf stirbt.“, flüsterte Gabi unter Tränen. Thomas versuchte sie ein wenig zu trösten, doch plötzlich fasste Gabi sich wieder und meinte: „Ich gehe jetzt zu Ralf, viel Zeit hab ich nicht mehr bis meine Schicht anfängt. Du kannst Biggi sagen, dass ich nach der Schicht noch einmal zu ihr  komme und grüß sie ganz lieb von mir.“ Thomas nickte. „Tschüss.“ „Tschüss, wir sehen uns zum Schichtwechsel auf der Basis.“ Thomas wurde wieder daran erinnert, dass er heute noch die Spätschicht fliegen musste. Er würde alles dafür geben heute bei Biggi bleiben zu können, doch es war nun einmal nicht zu ändern. Wenigstens konnte er die nächsten Tage, wenn er Urlaub hatte, bei ihr bleiben, das war der einzige Trost.

Er drehte sich nun endgültig um und ging zu Biggi. Als er ihr Zimmer betrat, sah sie ihn erwartungsvoll an. „Und?“. „Es geht ihm unverändert…aber Dr. Dorn meinte, dass er zuversichtlich ist.“, sagte Thomas. Er ging zu Biggi und nahm sie liebevoll in den Arm. Biggi legte ihren Kopf auf seine Schulter und schmiegte sich an ihn. „Gabi tut mir so Leid.“, sagte sie dann leise. „Ich hab sie eben auf dem Gang getroffen, sie ist jetzt bei Ralf.“, erzählte Thomas ihr, „Aber ich soll dich ganz lieb von ihr grüßen und dir sagen, dass sie dich nach der Schicht besuchen kommt, denn sie hat nur noch 20 Minuten bis sie auf der Basis sein muss.“ Biggi hob den Kopf und sah ihn an. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht.“, sagte sie dann. Thomas nahm sie daraufhin ganz fest in den Arm und drückte sie an sich. Biggi tat es unheimlich gut seine Wärme zu spüren. „Ich liebe dich.“, sagte sie leise und begann dann ihn zu küssen. Thomas erwiderte es.

Dann fiel ihm ein, dass Biggi noch gar nichts davon wusste, dass er die nächsten Tage frei hatte, da sie gestern Abend schon geschlafen hatte. „Ich habe gestern noch mit Ebelsieder telefoniert. Heute muss ich noch die Spätschicht fliegen, aber ab morgen hab ich eine Woche frei. Dann bin ich ganz für dich da.“, erzählte er ihr und lächelte sie an. Biggi legte glücklich ihre Arme um seinen Hals und lächelte ihn ebenfalls an. Dann zog sie ihn noch dichter zu sich und küsste ihn wieder. Sie war unheimlich froh, dass Thomas die nächsten Tage frei hatte und bei ihr bleiben würde.

Gabi war inzwischen auf der Intensivstation angekommen. Dr. Dorn hatte er ihr genehmigt, dass sie für 10 Minuten zu Ralf dürfe. Nachdem sie sich die Schutzkleidung angezogen hatte, betrat sie dann langsam sein Zimmer. Es sah alles noch genauso aus wie am Vortag, Ralf hatte sich nicht bewegt und es waren immer noch die gleichen Geräte dort, die ihn am Leben hielten. Gabis Blick fiel auf das EKG. Täuschte sie sich, oder war die Kurve ein wenig gleichmäßiger geworden? Sie wagte es kaum neue Hoffnung zu schöpfen. ‚Wahrscheinlich bilde ich mich das nur ein.’, dachte sie sich und setzte sich dann zu Ralf ans Bett. Sie nahm seine Hand und gab ihm dann einen sanften Kuss auf die Stirn. „Hallo Ralf.“, sagte sie leise. „Ich vermisse dich so, und Gonzo auch. Wir alle vermissen dich.“, flüsterte sie unter Tränen. Doch Ralf zeigte keine Reaktion. Gabi vergrub ihr Gesicht leise schluchzend in seiner Bettdecke. Sie konnte einfach nicht mehr und sie wollte auch nicht mehr stark sein. „Ralf, bitte, du musst wieder aufwachen, ich liebe dich doch so und wie soll ich es denn ohne dich aushalten?“, fragte sie weinend und drückte seine Hand ganz fest.

Dr. Dorn stand in der Tür und beobachtete Gabi. Die zehn Minuten waren bereits um. Die junge Ärztin tat ihm furchtbar Leid, doch was sollte er schon tun? Als Ärztin wusste sie genau, wie Ralfs Chancen standen, er konnte er nichts vormachen und das wollte er auch nicht. „Frau Dr. Kollmann, die Zeit ist jetzt leider um.“, sagte er dann mitfühlend und trat ein wenig näher. Gabi sah auf und der Arzt sah in ihre verweinten Augen. „Wenn sie möchten, können sie später noch einmal wiederkommen.“, bot er ihr an. Gabi nickte dankbar. Dann verließ sie schweigenden Raum. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und warf einen letzten Blick auf Ralf, doch dann ging sie endgültig. Sie sah auf die Uhr. Noch 5 Minuten bis zum Schichtbeginn, das würde sie sowieso nicht schaffen, also beeilte sie sich nicht. Sie musste schließlich auch noch einmal zu Ralfs Wohnung um Gonzo abzuholen. Langsam ging sie zum Parkplatz und stieg in Ralfs Auto ein. Sie war mit seinem Auto zur Klinik gefahren, da ihrs noch auf der Basis stand.

Als sie schließlich auf den Parkplatz der Basis fuhr, fielen ihr dort sofort die beiden fremden Autos auf, die dort parkten. ‚Die gehören bestimmt den beiden Neuen…’, dachte sie sich. Langsam stieg sie aus und ging zusammen mit Gonzo auf den Eingang der Basis zu. Schon durchs Fenster konnte sie erkennen, dass Ebelsieder mit zwei anderen Personen im Aufenthaltsraum stand. Sie sah auf die Uhr. Es war Viertel nach acht. „Hallo Frau Dr. Kollmann, schön dass Sie auch schon da sind.“, meinte Ebelsieder sarkastisch. Gabi musste sich bemühen, dass ihr nicht wieder Tränen in die Augen stiegen. Sie wollte sich vor den Neuen nicht schwach zeigen und schon gar nicht vor Ebelsieder. Nun sah sie sich zunächst um und musterte die beiden Neuen. Es waren ein Mann und eine Frau, beide etwa Mitte Dreißig. „Hallo, ich bin Dr. Gabriele Kollmann, die Notärztin.“, sagte Gabi dann leise und gab den beiden die Hand. „Rene Meier, Pilot.“, gab der Mann nur von sich und lächelte kühl. „Hallo, ich bin Katja Heinemann, die Sanitäterin.“, sagte die Frau dann. Sie war Gabi auf jeden Fall um einiges sympathischer als dieser Rene, aber Ralf konnte sie auch nicht ersetzen, das konnte niemand. Gabi seufzte, was würde sie jetzt dafür geben, wenn sie mit Ralf und Biggi Dienst tun könnte. Doch es gab kein wenn und auch kein aber, sie konnte die Zeit nicht zurückdrehen und musste sich damit abfinden. „Ich lasse Sie dann mal alleine, Frau Dr. Kollmann wird Ihnen alles zeigen.“, sagte Ebelsieder und blickte Gabriele auffordernd an. Dann verschwand er in seinem Büro. Gabriele blieb nichts anderes übrig als den beiden Neuen die Basis zu zeigen, denn sie wollte nicht noch mehr Ärger mit Ebelsieder bekommen. Über ihr Zuspätkommen war er schon nicht gerade erfreut gewesen. „Dann zeig uns doch erst mal den Helicopter.“, meinte Rene nun auffordernd, worauf er einen bösen Blick von Gabi erntete. Doch was blieb ihr anderes übrig, als mit ihm nach draußen zu gehen und ihm den Heli zu zeigen. Katja war auch mitgekommen. „Das ist ja ein echtes Prachtstück.“, schwärmte Rene, „Da kann ich mich ja wieder mal richtig austoben.“ ‚Wenn das Biggi und Thomas hören würden.’, dachte Gabi sich. Das könnte ja heiter werden mit diesem Rene. Anscheinend hielt er sich für obercool. ‚So ein Arsch.’, dachte Gabi sich. Am liebsten hätte sie ihm jetzt so richtig schön ihre Meinung gesagt, doch sie unterließ es besser. Nachdem Rene den Medicopter genauestens inspiziert hatte, folgte er Gabi und Katja in den Hangar. Als er den Flipper entdeckte, stürzte er sich sofort darauf und fragte, Gabi ob er ein Spiel machen könnte. Sie nickte und so warf Rene ein 1 Euro Stück ein und begann das Spiel. Katja und Gabriele sahen ihm kopfschüttelnd zu. Rene war total begeistert. Gabi wollte es ihm nun heimzahlen und zog ihn vom Flipper weg, sodass er Ball ins Aus ging. „Du wolltest doch alles sehen, dann komm.“, sagte sie energisch. „Hey, das wäre mein Rekord geworden.“, beklagte sich Rene. Katja musste grinsen. „Thomas schlägst du nie.“, meinte Gabi dann, denn Thomas war der unbestrittene Champion am Flipper. Rene sah sie nur komisch an, schließlich wusste er nicht, wer Thomas war.

Thomas saß derweilen immer noch an Biggis Bett. Es war gerade Visite und Dr. Dorn war mit zwei Schwestern zusammen im Zimmer. Er kontrollierte Biggis Blutdruck, maß ihren Puls und schaute sich dann noch die Wunde an. „Das heilt ja schon ziemlich gut.“, stellte er erfreut fest. Er ließ die Schwestern den Verband wechseln und wandte sich dann an Biggi: „Das sieht alles sehr gut aus, wenn Sie sich weiterhin so schnell erholen, können wir Sie mit ganz viel Glück vielleicht schon in einer Woche entlassen.“ Biggi sah ihn erstaunt, aber überglücklich an „Ehrlich?“ „Ehrlich!“. Biggi sah Thomas an. „Das ist ja super.“, freute er sich. Biggi nickte. „Ja und am Montag in einer Woche kann ich dann schon wieder arbeiten.“, sagte sie glücklich. „Damit sollten Sie sich lieber noch ein wenig Zeit lassen.“, riet Dr. Dorn ihr. „Wenn wir Sie entlassen, wird Ihre Schusswunde noch nicht vollständig verheilt sein und auch sonst würde es Ihnen gut tun, wenn Sie sich noch zwei oder drei Wochen danach schonen.“ „Na gut, wenn’s sein muss.“, sagte Biggi nicht gerade begeistert, denn sie wusste genau, dass es ihr schwer fallen würde, drei Wochen oder noch länger ohne ihren Engel auszukommen. „Hey, in der Zeit bleibst du dann schön zu Hause und ich kann dich ein bisschen verwöhnen. Und wenn du ganz brav bist, dann nehme ich dich vielleicht auch mal zu einem kleinen Rundflug mit...“, flüsterte Thomas ihr ins Ohr. Biggi grinste. „Aber eine Woche müssen Sie es mindestens noch bei uns aushalten.“, mischte sich Dr. Dorn dann ein. Biggi nickte, obwohl sie es gar nicht erwarten konnte, endlich nach Hause zu kommen.

Gabi saß währenddessen mit Katja im Aufenthaltsraum. Rene versuchte verzweifelt doch noch Thomas’ Rekord am Flipper zu knacken, doch es war aussichtslos. „Was ist eigentlich mit den beiden Kollegen passieret, die Rene und ich jetzt vertreten?“, fragte Katja irgendwann vorsichtig nach. Sie ahnte, dass es etwas schlimmes sein musste, denn sie hatte die ganze Zeit schon bemerkt, dass Gabriele etwas bedrückte. „Sie sind bei einem Einsatz angeschossen worden und liegen jetzt im Krankenhaus.“, sagte Gabi leise und sie merkte, wie ihr wieder die Tränen in die Augen stiegen. Katja, die dies bemerkt hatte, legte tröstend den Arm um Gabi. „Biggi, unsere Pilotin, hat es nicht so schlimm erwischt, sie ist bald wieder ok, meinen die Ärzte, aber Ralf, unser Sani...er…er liegt im Koma…sie wissen nicht, ob er überleben wird.“, schloss Gabi dann ihre Erzählungen. „Oh, das tut mir Leid.“, sagte Katja mitfühlend. Gabi war froh, dass Katja nicht genauso unsympathisch war wie Rene, mit ihr konnte man wirklich gut auskommen.

Thomas musste sich schweren Herzens langsam von Biggi verabschieden. „Was machst du denn dann die ganze Zeit, wenn ich weg bin?“, fragte er sie. „Na, was wohl? Mit süßen Pflegern flirten.“, antwortete Biggi grinsend. „Na warte.“, sagte Thomas lachend und begann sie zu kitzeln. „Oh bitte Gnade…“, rief Biggi, während sie lachen musste, „Ich werde auch ganz brav sein.“  „Hm, na gut, aber nur unter einer Bedingung.“, meinte Thomas. „Und die ist?“ „Dass du mich sofort küsst.“ „Immer und überall.“, erwiderte Biggi und begann ihn zu küssen.

„Ich komme gleich nach meiner Schicht wieder.“, versprach er ihr dann, als sie langsam wieder voneinander abließen. „Danke.“, sagte Biggi und lächelte ihn an. „Und ab morgen hab ich ja sowieso frei.“ „Ja, das wird schön.“, freute Biggi sich. Sie fasste nach Thomas’ Hand und zog ihn zu sich. Dann sahen sie sich verliebt in die Augen und küssten sich zum Abschied. Thomas fiel es schwer sich endgültig loszureißen, doch was blieb ihm anders übrig, wenn er nicht noch mehr Ärger mit Ebelsieder bekommen wollte, als er eh schon hatte. „Bis nachher mein Schatz.“, sagte er traurig. „Ja, bis nachher. Und grüß unsere BK von mir.“, meinte Biggi. „Werde ich machen. Thomas warf ihr noch einen Kuss zu, bevor er endgültig das Zimmer verließ und sich auf den Weg zum Parkplatz machte.

Dort jedoch musste er feststellen, dass er ja gestern mit Michael zusammen gekommen war und nun gar kein Auto hatte. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sich ein Taxi zur Basis zu nehmen.

Michael und Peter waren schon etwas vor Schichtbeginn auf der Basis eingetroffen und leisteten Gabi und Katja im Aufenthaltsraum Gesellschaft. Michael und Peter hatten sich bereits mit Katja und Rene bekannt gemacht und auch sie konnten ihn nicht leiden. Rene war immer noch dabei verzweifelt zu versuchen den Rekord am Flipper zu knacken, doch es war aussichtslos.

Gabi ging es schon etwas besser, denn Peter, Michael und Katja schafften es sie ziemlich gut abzulenken. Schließlich betrat auch Thomas den Aufenthaltraum. Ebelsieder hatte ihn genau beobachtet, wie er vom Parkplatz zum Eingang gegangen war. Er lächelte zufrieden. Dann verließ er die Basis und für mit seinem Wagen davon.

„Hey, Thomas, wie geht es Biggi?“, wurde der Pilot sogleich von Peter und Michael begrüßt, als er in den Aufenthaltsraum gekommen war. „Es geht ihr schon besser als gestern. Der Arzt meinte vorhin bei der Visite, dass sie mit Glück schon in einer Woche entlassen wird.“, erzählte Thomas glücklich. „Dann sind wir Rene endlich los.“, meinte Gabi erleichtert. Thomas sah sie irritiert an. „Der Ersatzpilot.“, erklärte sie ihm. „Nun, da muss ich euch leider enttäuschen, Biggi wird danach noch zwei oder drei Wochen zuhause bleiben und sich schonen, bis sie wieder anfangen wird zu arbeiten.“, erzählte er ihnen. Dann stellte er sich erst einmal Katja vor. „Ich bin Thomas Wächter, der Pilot der A Crew.“ „Freut mich, Katja Heinemann.“, sie gaben sich die Hand. „Und wo ist nun dieser Rene?“, fragte Thomas dann neugierig. „Der ist im Hangar, er versucht schon seit Stunden deinen Rekord am Flipper zu brechen.“, sagte Gabi und verdrehte die Augen. Thomas schmunzelte. Seinen Rekord hatte es noch niemand geschafft zu brechen.

„Ich werde mich dann mal auf den Weg zu Ralf machen.“, beschloss Gabi dann, da ihre Schicht zu Ende war. Auch Katja ging sich umziehen. Schließlich betrat auch Rene den Aufenthaltsraum. „Hallo, ich bin Thomas Wächter, der Pilot der A Crew.“, stellte Thomas sich ihm vor. „Rene Meier.“, sagte Rene nur knapp. Das war also dieser Thomas. Irgendwie war er ihm von Anfang an unsympathisch. Alleine die Tatsache, dass er den Rekord am Flipper hielt, hatte ihn bei Rene schon unten durch fallen lassen, denn wenn Rene eins nicht leiden konnte, war es, wenn jemand besser war als er.

Kurz nachdem Thomas gegangen war, war Biggi eingeschlafen, sie war doch noch ziemlich geschwächt. Während sie tief und fest schlief, betrat plötzlich ein Mann ihr Zimmer. Keiner bemerkte es. Es war kein geringerer als Frank Ebelsieder. Er ging langsam auf Biggis Bett zu und setzte sich auf den Besucherstuhl, auf dem sonst Thomas immer gesessen hatte. Dann nahm er ganz langsam ihre Hand in seine. Er wusste, dass sie das niemals zu lassen würde, wenn sie wach wäre, also nutze er die Zeit, in der sie schlief. Er strich ganz vorsichtig mit seiner Hand über ihre Wange, da er sie auf keinen Fall wecken wollte. Er genoss es ihre Nähe zu spüren, denn er wusste, dass er das wahrscheinlich nie wieder tun würde. Er beugte sich langsam über sie und wollte sie gerade küssen, als Biggi langsam aufwachte. Sie hatte die Augen noch geschlossen, doch sie fühlte, dass jemand ihre Hand hielt. ‚Thomas’, dachte sie zunächst. Doch dann fiel ihr ein, dass Thomas beim Dienst war. Erschrocken riss Biggi die Augen auf und blickte in das noch erschrockenere Gesicht von Ebelsieder, das nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt war. Keine zwei Sekunden später bekam Ebelsieder auch schon eine schallende Ohrfeige. „Was fällt Ihnen ein, gehen Sie sofort von mir runter!“, schrie Biggi ihn an. Ebelsieder verließ fluchtartig den Raum und stieß vor der Tür mit Gabi zusammen, die Biggis Schreie gehört hatte und die letzten Meter zu ihrem Zimmer im Laufschritt zurückgelegt hatte. Ebelsieder, der sich die Hand auf die schmerzende Wange presste, schob sich ohne ein Wort zu verlieren an Gabi vorbei und verließ dann im Eiltempo die Klinik. Gabriele stürmte sofort zu Biggi, die ihr weinend in die Arme fiel.

"Hey, ist ja gut.", versuchte Gabi besorgt ihre Freundin zu beruhigen. Sie hatte sich auf die Bettkante gesetzt und Biggi fest an sich gedrückt. Die war ziemlich außer sich. "Er ist schon abgehauen, ist ja gut..." Sie streichelte sie beruhigend und fragte dann: "Hat er dir was getan?" "Nein ... ich hab's grad noch bemerkt. Gabi, ich halte das nicht mehr aus!" Biggi sah Gabi verzweifelt an. "Sogar in die Klinik verfolgt er mich. Ich weiß nicht, was ich tun soll." "Komm, leg dich erst mal wieder hin. Die Aufregung tut dir nicht gut. Oder willst du etwa noch länger hier bleiben?" "Ich überlege schon, ob ich überhaupt in dieser Stadt bleiben soll.", meinte Biggi leise. "Hey, das ist Blödsinn. Du darfst dich nicht von ihm fertig machen lassen. Klar ist, dass der Kerl ein ernstes Problem hat." "Ich hab doch keine Chance gegen den, ich bin doch nur eine kleine Pilotin, Gabi. Vielleicht sollte ich mich versetzen lassen." "Das lasse ich nicht zu. Außerdem würde es keinen Sinn machen, der ist so verrückt nach dir, dass er dir sogar nach Timbuktu folgen würde."

Sie bettete Biggi behutsam in ihr Bett zurück und deckte sie zu. Biggi sah sie verzweifelt an, dann nahm sie sie nochmals in die Arme. "Was soll ich denn machen?" "Es wird uns schon was einfallen, glaub mir. Von dem lassen wir uns nicht unterkriegen."

Eine Zeit lang schwiegen sie. Biggi hatte sich nach einiger Zeit wieder beruhigt. Dann fasste sie nach Gabis Arm und fragte leise. "Wie geht es Ralf?" Gabi blickte traurig nach unten. "Es gibt nicht viel Neues. Er liegt immer noch so da und ... und wird am Leben gehalten. Aber dass er lebt ... das könnte man nun wirklich nicht behaupten." Die Tränen bahnten sich ihren Weg nach oben und bald tropften ein paar auf die weiße Bettdecke. Diesmal war es an Biggi, ihre Freundin zu trösten. Sie zog sie zu sich her und umarmte sie innig. "Warst du heute schon bei ihm?" "Nein, ich hab nur mit dem Arzt geredet. Ich weiß nicht ... ich weiß nicht, ob ich es schaffe. Es tut immer so weh, so verdammt weh ... wenn ich ihn sehe. Ich traue mich nicht mehr, aber ich will ihn unbedingt sehen." "Und wie wär's, wenn wir beide hingehen? Meinst du, die Ärzte lassen mich?" "Das wär ... das wär so schön. Danke, Biggi.", meinte Gabi erleichtert. Sie war so froh, ihre beste Freundin bei sich zu haben. Durch sie und natürlich auch durch die anderen wurde vieles leichter. "Das werden wir schon schaukeln.", meinte Biggi und versuchte Gabi anzulächeln, was ihr allerdings nur halb gelang, schließlich hatte auch sie unheimliche Angst um Ralf. Eine Schwester wurde geordert, die Biggi einen Rollstuhl brachte. Sie fühlte sich zwar noch ein wenig schwach, aber stark genug, um jetzt für Gabi da zu sein. Und außerdem wollte auch sie Ralf sehen. Gabi schob Biggi durch die Gänge und Stockwerke zur Intensivstation. Dort trafen sie auf Dr. Dorn, der zuerst nicht begeistert war von der Idee, gleich zu zweit an Ralfs Intensivbett aufzutauchen, dann aber einstimmte. Als Gabi und Biggi langsam den Raum betraten, in dem Ralf lag, wurden sie vom Piepsen des EKG's und vom Pumpen des Sauerstoffgeräts empfangen. Ansonsten herrschte absolute Stille. Früher um diese Zeit hatte Ralf den beiden immer fröhlich das zweite Frühstück mit Brötchen und Kaffee angeboten. Jetzt lag er starr und leblos da, ohne auch nur irgendeine Bewegung zu machen. Ganz langsam näherten sie sich dem Bett. Biggi bemerkte, wie Gabi wieder mit den Tränen zu kämpfen begann, wobei es ihr allerdings nicht viel besser ging. Sie nahm Gabi's Hand und hielt sie ganz fest.

Gabi rannen langsam Tränen über die Wangen. Biggi bemerkte das sofort. Sie stand ganz vorsichtig aus dem Rollstuhl auf und nahm Gabi tröstend in den Arm. Gabi weinte daraufhin hemmungslos in Biggis Armen. „Hey, ist ja gut.“, flüsterte diese immer wieder und strich Gabi behutsam über den Rücken, dabei liefen auch ihr ein paar Tränen über die Wangen, denn sie wusste genau, dass eigentlich gar nichts gut war.

Währenddessen war die Schicht der A Crew bereits zu Ende. Sie hatten nicht einen Einsatz gehabt, worüber sie ziemlich froh waren. Sie hatten die Sache mit Ralf noch lange nicht verarbeitet und jeder hing seinen Gedanken nach. „Ich geh mich schon einmal duschen, ich will gleich noch zu Biggi.“, sagte Thomas und verließ dann als erster den Aufenthaltsraum in Richtung Umkleide. „Muss Liebe schön sein.“, sagte Michael seufzend, als Thomas weg war. Damit erntete er von Peter nur einen schrägen Blick.

Kaum 5 Minuten später verließ Thomas die Umkleide schon wieder. „Wie hast du das denn so schnell gemacht?“, fragte Peter erstaunt, denn Thomas hatte sich in der kurzen Zeit geduscht und umgezogen. „Tja.“, erwiderte er nur grinsend und war dann auch schon auf dem Parkplatz verschwunden. Er konnte es kaum noch erwarten zu Biggi zu kommen. Michael hatte seinem Freund erlaubt sein Auto zu nehmen, da Thomas ja mit dem Taxi gekommen war und sein Auto noch zuhause stand.

Thomas stieg in Michaels Jeep und fuhr dann auf dem schnellsten Weg zur Klinik. Wenig später öffnete er fröhlich die Tür zu Biggis Zimmer. „Hallo mein Schatz…“, Thomas sprach nicht weiter, er hatte erschrocken bemerkt, dass Biggis Zimmer leer war. War ihr irgendwas passiert? Er machte sich schreckliche Sorgen, doch dann erblickte er Gabrieles Jacke, die auf dem Besucherstuhl lag. Gabi war also hier, wahrscheinlich war sie mit Biggi irgendwo hingegangen. Nur wo? Thomas fiel nichts anderes ein, als dass sie Ralf besucht haben könnten. Also machte er sich kurzer Hand auf den Weg zur Intensivstation.

Dort angekommen erkundigte er sich zunächst nach Dr. Dorn, da er weder wusste, wo sich Ralfs Zimmer befand, noch ob er überhaupt zu ihm durfte. Schließlich hatte er Dr. Dorn gefunden. Dieser hatte gerade einen Notfall gehabt und war aus der Notaufnahme zurück auf die Station gekommen. „Ich wollte sie fragen, ob ich meinen Kollegen Ralf Stallen besuchen könnte?“, fragte Thomas ihn. Dr. Dorn schüttelte den Kopf. „Tut mir, leid, ich glaube nicht, dass das gut wäre, Ihre beiden Kolleginnen sind bereits bei Herrn Staller und Ihr Kollege braucht viel Ruhe nach der komplizierten Operation.“ Thomas sah Dr. Dorn bittend an. „Also gut, aber nur zwei Minuten.“, genehmigte er Thomas schließlich. Dieser sah ihn dankbar an. „Danke.“ Er musste sich im Vorraum von Ralfs Zimmer einen Kittel überziehen, dann durfte er den Raum betreten.

Gabriele hatte sich inzwischen wieder ein wenig gefasst und saß an Ralfs Bett. Sie hielt seine Hand fest umklammert und sah ihn unentwegt an, so als ob sie ihn hypnotisierten wollte, dass er doch aufwachen möge. Biggi hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sch um. „Thomas.“, sagte sie und lächelte, als sie ihn erblickte. Er kam auf Biggi zu und sie stand langsam auf und ließ sich in seine Arme sinken. Thomas umarmte sie und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Dann fiel sein Blick auf Ralf. Er sah Biggi fragend an, doch sie meinte nur leise. „Sein Zustand hat sich nicht verändert.“, worauf sie sich noch enger an Thomas schmiegte und er seine Arme noch fester um sie schloss. Alle hofften so sehr, dass Ralf bald aufwachen würde.

Plötzlich stand Dr. Dorn in der Tür. Thomas wusste, dass die zwei Minuten um waren. „Ich muss wieder gehen, Dr. Dorn hat mir nur für zwei Minuten lang erlaubt hierher zukommen.“, sagte er traurig. „Gabi?“, sagte Biggi dann, „Kann ich dich alleine lassen?“. Gabi sah auf und sah Biggi mit tränengefüllten Augen an. „Ja, geht nur, ich komme schon klar. Ich werde dann später noch mal bei dir vorbeischauen.“, sagte sie leise. Biggi nickte. „Okay, bis nachher.“ Sie setzte sich wieder in den Rollstuhl und Thomas schob sie langsam aus dem Raum. „Gabi ist ganz schön fertig, hm?“, meinte er dann draußen auf dem Flur. Biggi nickte. „Sie tut mir so schrecklich Leid.“, sagte sie leise. „Ich weiß, mir doch auch.“, erwiderte Thomas. „Wenn man doch nur irgendwas tun könnte.“, sagte Biggi verzweifelt. Sie wollte Gabi so gern irgendwie helfen, nur wie? Ihre Freundin musste sich schrecklich fühlen, das war Biggi klar. Wenn sie nur daran dachte, dass Thomas etwas zustoßen könnte, bekam sie furchtbare Angst. Sie liebte ihn so sehr und würde es nicht aushalten, wenn ihm etwas passieren würde. Gabi ging es mit Ralf sicherlich genauso.

Als Thomas und Biggi in Biggis Zimmer angekommen waren, hob Thomas sie vorsichtig aus dem Rollstuhl und nahm sie auf den Arm. Dann legte er sie behutsam zurück ins Bett und deckte sie liebevoll zu. „Thomas, meinst du Ralf wird wieder gesund?“, fragte Biggi leise. Thomas nahm ihre Hand und sah ihr in die Augen. „Ja, ich bin mir sicher, er wird wieder gesund.“, sagte er dann hoffnungsvoll. Biggi lächelte ihn glücklich an, irgendwie glaubte sie ihm und nun war sie sich selbst sicher, dass Ralf wieder ganz gesund werden würde. Sie legte langsam ihre Hand um Thomas’ Nacken und zog ihn dann ganz nah zu sich. Sie sahen sich in die Augen und lächelten einander an, bis sie schließlich begannen sich zärtlich zu küssen.

Nachdem sie sich eine Weile lang geküsst hatten und nun langsam wieder voneinander abließen, fiel Biggi ein, dass sie Thomas noch gar nichts von dem Zwischenfall mit Ebelsieder erzählt hatte. „Thomas…“, meinte sie und sah ihn an. „Ja?“ „Ebelsieder war heute Morgen hier.“, erzählte Biggi stockend. „Was?“, Thomas sah sie entsetzt an. „Er…er hat versucht mich zu küssen, als ich geschlafen hab, aber ich hab’s zum Glück noch rechtzeitig bemerkt.“, sagte sie lese. Thomas konnte nicht glauben, was Biggi da gerade erzählt hatte, diesmal war Ebelsieder wirklich zu weit gegangen. Er hatte eine unheimliche Wut auf den Stützpunktleiter im Bauch. Warum konnte er Biggi nicht einfach in Ruhe lassen? „Was soll ich nur machen? Ich bin doch inzwischen nirgendwo mehr vor ihm sicher, selbst nicht hier im Krankenhaus, wenn ich schlafe.“, meinte Biggi verzweifelt. Thomas nahm sie liebevoll in den Arm. „Komm her.“, meinte er und drückte sie an sich. „Jetzt hab ich ja Urlaub und werde auf dich aufpassen, das verspreche ich dir.“, beruhigte er sie, „Und mit Ebelsieder werde ich noch mal ein ernstes Wort reden…“ Biggi wusste nicht, ob das wirklich eine gute Idee war, schließlich war Ebelsieder Thomas’ Chef und er riskierte damit seinen Job zu verlieren, das wollte sie auch nicht. „Meinst du, dass das gut ist?“, fragte sie ihn zweifelnd. Sie wusste, dass es lieb von Thomas gemeint war, doch sie wollte wirklich nicht, dass er seinen Job verlieren würde. „Du meinst, weil er mein Chef ist?“, fragte Thomas. Biggi nickte. „Dieses Mal ist er wirklich zu weit gegangen. Und wenn ich meinen Job verlier, ich kann immer noch bei der Bundeswehr anfangen zur Not. Du bist mir eben wichtiger...“, sagte er und strich ihr zärtlich über die Wange. „Danke, du bist so lieb.“, meinte Biggi und sah ihm verliebt in die Augen. Dann küsste sie ihn innig, was Thomas glücklich erwiderte.

Gabi saß währenddessen noch immer an Ralfs Bett und ließ seine Hand nicht los. Ab und an strich sie ihm über den Kopf und redete mit ihm. Sie hoffte so sehr, dass er aufwachen würde. Plötzlich glaubte Gabi zu spüren, wie sich Ralfs Hand in ihrer bewegte, ganz langsam. Sie konnte es nicht fassen. Hatte er wirklich seine Hand bewegt, oder war es nur Einbildung gewesen? Sie sah auf zu seinem Gesicht und konnte nicht fassen, was sie dort sah. Ralf war gerade dabei langsam zu blinzeln und die Augen aufzuschlagen. Nach einigen Augenblicken sah er Gabi an. Er konnte nichts sagen, da er noch intubiert war.

Gabi saß immer noch neben ihm. Sie brachte vor Glück kein Wort heraus und ihr liefen Freudentränen über die Wangen. „Ralf…Ralf.“, flüsterte sie dann leise… Sie brachte kein Wort heraus vor Glück und Freude, unentwegt liefen ihr die Tränen über die Wangen, während Ralf sie aus seinen Augen, die sie so liebte, ansah. Unaufhörlich wiederholte sie seinen Namen. "Ralf ... Ralf..." Sie drückte seine Hand fest, er rührte sich nicht und sah sie einfach nur an. Er konnte sich auch kaum bewegen unter all den Geräten und Schläuchen, an die er angeschlossen war. Dann begann er zu husten, erst ganz leicht, dann immer stärker - der Tubus. Dadurch kam Gabi wieder ein wenig zu sich, sie stand auf und rief nach Dr. Dorn, der sogleich in der Tür erschien und seinen Augen nicht traute. "Er ist aufgewacht!", meinte Gabi überglücklich, ließ ihn an ihr vorbei und Dr. Dorn begann, Ralf vorsichtig den Tubus zu entfernen. Gabi setzte sich wieder hin, sie brachte immer noch kaum ein Wort hervor, war einfach nur sprachlos und überglücklich. Dr. Dorn, der an der anderen Seite des Bettes stand, hatte den Tubus jetzt gelöst und kontrollierte die Werte, die erstaunlich stabil waren, trotz der Anstrengung. Ralf blickte immer noch Gabi in die Augen. Sie hatte wieder seine Hand genommen, näherte sich nun seinem Gesicht und sagte: "Ralf ... ich bin so unendlich glücklich, dass du wieder aufgewacht bist. Ich ... ich liebe dich.", sagte sie, und vergoss ununterbrochen Tränen dabei. Man sah Ralf an, dass er versuchte, zu sprechen, es jedoch noch nicht schaffte. "Strengen Sie sich nicht an. Sprechen Sie nur sofern Sie es sich zutrauen. Sie lagen lange im Koma, und haben eine komplizierte Operation hinter sich.", klärte Dr. Dorn ihn ruhig auf. "Ralf, wir .... wir hatten alle solche Angst um dich. Aber jetzt wird alles wieder gut.", sagte Gabi leise zu ihm. "Ich liebe dich ja so sehr." Ralf hustete leicht, und schaffte es dann, zu sprechen. Doch was er sagte, versetzte Gabi den schlimmsten Schock ihres Lebens. Es raubte ihr den Atem und sie vergaß für einige Sekunden alles um sich. Ihr immer noch tief in die Augen blickend, sagte er leise, aber unmissverständlich: "Wer ... wer sind Sie?" Sie starrte ihn an. Es verging eine Sekunde. Die nächste. Die nächste. Und noch eine. Und dann noch ein paar. Doch ob nach einer oder zehn Sekunden, sie konnte nicht glauben was er eben gesagt hatte. "Ralf .. w ... was hast du gesagt?" Als sie den Sauerstoffmangel schon bewusst spürte, atmete sie erst wieder ein, und schluckte mühevoll. Ralf machte noch einen Versuch. "Wer sind Sie? Kenne ich Sie?" "Aber ... aber Ralf" Gabi kam in Panik. "Ich bin's doch, ich bin's doch - hörst du, Gabi!" "Wer?" Das war zuviel. Sie brach zusammen. Gerade als sie drohte, vom Stuhl zu fallen, stürzte Dr. Dorn noch im letzten Augenblick herbei und fing sie auf. Er nahm sie hoch, auf seine Arme und rief nach einem Kollegen und den Schwestern. Sie eilten sofort herbei.  Zusammen brachten sie Gabi nach draußen und Dr. Dorn legte sie im Vorraum der Intensivstation auf eine Liege. Er prüfte ihren Puls und stellte beruhigt fest, dass er zwar knapp von den Normalwerten abwich, aber nicht bedrohlich war. Ihr Blutdruck allerdings war besorgniserregend. "Schwester Gerda, bereiten Sie mir bitte 10mg Diazepam und 5mg Migazulam. Und beeilen Sie sich." "Ok, Dr. Dorn." Gabi lag regungslos und vollkommen blass auf der Liege, er hatte großes Mitgefühl mit ihr.  Er konnte sich nur zu gut vorstellen, was für ein Schock das für Gabi gewesen sein musste. Akuter Gedächtnisverlust, anders konnte Dr. Dorn es sich nicht vorstellen. Er nahm eine Decke vom Regal und deckte Gabi damit zu.  Dann kam die Schwester mit den Spritzen und er legte ihr einen Zugang. Anschließend hing er einen Beutel mit einem Mittel für den Kreislauf an und injizierte ihr das Beruhigungsmittel. Als er sich noch einmal versichert hatte, dass alles in Ordnung war, ließ er Schwester Gerda zur Beaufsichtigung bei Gabi bleiben und ging zurück zu Ralf in den Intensivraum. Ralf war immer noch wach und blickte Dr. Dorn fragend an, als dieser vor sein Bett trat. Er setzte sich auf den Stuhl. "Was war denn los? Was hatte denn die Frau? Ich verstehe gar nichts mehr."  Ralfs Verzweiflung war ihm anzuerkennen. Er war vollkommen verwirrt und wusste nicht einmal, wie sein eigener Name war. "Dann sollte ich wohl von Anfang an beginnen. Können Sie sich an irgendetwas erinnern?" Ralf schüttelte leicht den Kopf. Er spürte, wie er wieder schwächer wurde, schließlich kostete ihm all das große Kraft, doch er wollte nun unbedingt wissen, worum es überhaupt ging. "Sie sind Ralf Staller. Sie hatten einen schweren Unfall, vor ca. einer Woche. Sie sind angeschossen worden von einem Bankräuber. Sie arbeiten als Sanitäter bei einer Rettungsflugwacht, und es war eigentlich ein ganz normaler Einsatz. Sie waren sehr schwer verletzt und wir konnten in einer Notoperation Ihr Leben retten, was eigentlich vor allem Ihren Kollegen zu verdanken war. Ja, und jetzt liegen Sie hier. Und ... die Frau vorhin ... das war Ihre Kollegin ... und Geliebte.", erzählte ihm der Arzt ganz langsam. Ralf konnte das alles nicht glauben. Es war, als ob ihm jemand eine Geschichte erzählt hätte, über eine fremde Person. Doch die Person war er.

"Was?" "Ja. Ich weiß, es ist schwer für Sie. Sie haben einen akuten Gedächtnisverlust. Das kommt häufig vor und ist meist nur vorübergehend. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange es anhalten wird. Vielleicht ein paar Tage - vielleicht aber auch Wochen. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen nichts anderes sagen kann." Ralf musste das alles erst mal schlucken. Lange herrschte Schweigen. "Und ... die Frau, das war meine Geliebte? Wie heißt sie?" Sie heißt Gabriele Kollmann, sie ist die Notärztin in Ihrem Team. Ich glaube, Sie beide waren ein unheimlich glückliches Paar. Sie werden Ihre Reaktion jetzt verstehen, nehme ich an. Sie saß stundenlang an ihrem Bett, hat um Sie geweint. Sie liebt Sie wirklich sehr." Ralf atmete durch. "Oh nein.", sagte er dann. "Vielleicht sollte ich Sie jetzt besser allein lassen? Schlafen Sie ein wenig, es wird Ihnen gut tun." "Wie geht es ihr?", fragte Ralf dann. "Es wird ihr bald wieder gut gehen, keine Sorge. Ich kümmere mich um sie." "Ok.", meinte Ralf.

Als Dr. Dorn das Zimmer verlassen hatte, dauerte es kaum ein paar Minuten, in denen Ralf zwar noch verzweifelt nachzudenken versuchte, dann aber erschöpft einschlief.

Währenddessen hatte sich Dr. Dorn wieder zu Gabi begeben, die immer noch reglos auf der Liege lag. Er setzte sich an die Kante und wartete. Nach einigen Minuten schlug sie die Augen auf.  Sie blickte um sich. Erst musste sie überlegen, was los war, stellte es allerdings schnell fest. Doch Dr. Dorn hatte mit ausreichend Beruhigungsmittel einem weiteren Zusammenbruch vorgebeugt und so blieb sie ziemlich ruhig. "Er ... er kennt mich nicht mehr.", flüsterte Gabi leise und blickte den Arzt verzweifelt an. "Beruhigen Sie sich. Er wird Sie wieder kennen. Er hat nur sein Gedächtnis verloren." Gabi stiegen wieder Tränen hoch und sie begann zu weinen. "Aber .... Sie wissen doch selbst, wie lange das dauern kann.... und ... und sicher ist es auch nicht." Dr. Dorn sagte nichts darauf. Belügen konnte er sie nicht. Und mit der Wahrheit konfrontieren, dass es nämlich wirklich nicht so sicher war - zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher - das wollte er auch nicht.

"Sie hatten einen schweren Kollaps. Sie sollten sich ausruhen. wenn es Ihnen recht ist, lasse ich Sie zu Ihrer Kollegin ins Zimmer bringen." "Ja.", entgegnete Gabi leise.

Während Dr. Dorn alles dafür veranlasste, lagen sich Biggi und Thomas gerade wieder in den Armen und küssten sich. "Ich freue mich so sehr darauf, wenn du wieder hier raus darfst. Dann werden wir wunderschöne Sachen unternehmen, ja?", meinte Thomas lieb. "Oh ja...", entgegnete Biggi. "Aber ehrlich gesagt ... hier...", begann sie und grinste. "Hier, so die ganze Zeit mit dir, das lässt sich auch aushalten." Thomas lächelte. "Hm.....ja, ist nicht übel.", meinte er, dann umfasste er sie zärtlich liebkosend und küsste sie wieder.

Plötzlich ging die Tür auf. Dr. Dorn trat auf die beiden zu. Biggi und Thomas bemerkten ihn zunächst überhaupt nicht, bis der Arzt sich schließlich räusperte. Sie schraken auf und sahen erschrocken in das etwas verlegende Gesicht von Dr. Dorn. Biggi und Thomas dachten zunächst, dass er Biggis Kreislaufwerte kontrollieren oder irgendeine andere Untersuchung bei ihr durchführen wollte, bis der Arzt ihnen mitteilte, dass Gabi jetzt zu Biggi verlegt werden würde. „Ihre Kollegin wird gleich hier auf Ihr Zimmer verlegt.“ „Was?“, Thomas und Biggi verstanden nicht. „Sie hatte einen Kreislaufkollaps.“, klärte Dr. Dorn die beiden auf. „Oh Gott.“, brachte Biggi nur hervor. Sie machte sich schreckliche Sorgen um Gabi. „Aber wie konnte das passieren?“ „Herr Staller ist vorhin aufgewacht und…“ „Was? Ralf ist aufgewacht?“, unterbrach Thomas den Arzt freudig. Er und Biggi umarmten sich glücklich. „Ich hab’s doch gewusst, dass er wieder ganz gesund wird.“, meinte Thomas. Biggi nickte glücklich. „Nun lassen Sie mich doch erst einmal ausreden.“, meinte Dr. Dorn dann. Thomas und Biggi sahen ihn erschrocken an. Sie befürchteten das Schlimmste. Warum hatte Gabi sonst einen Kreislaufkollaps erlitten? „Ihr Kollege leidet an einer Amnesie, er hat sein Gedächtnis verloren und kann sich an nichts mehr erinnern.“, sagte Dr. Dorn ernst. „Was???“, Biggi konnte es nicht fassen. Gerade hatten sie die gute Nachricht erfahren, dass Ralf aufgewacht war und nun folgte der nächste Schock. „Aber er wird sich doch wieder erinnern können oder?“, fragte Thomas vorsichtig. „Wahrscheinlich, aber so genau kann das niemand sagen.“, erklärte Dr. Dor ihnen. Biggi schluckte. Sie konnte sich das alles nicht vorstellen, dass Ralf sich an nichts mehr erinnern konnte, vielleicht für immer….“Und deshalb ist Gabi zusammengebrochen oder?“, wollte Biggi dann wissen. Dr. Dorn nickte. „Das war wohl alles zuviel für sie, aber ich denke, es ist das Beste, wenn sie jetzt zu Ihnen aufs Zimmer kommt um sich ein wenig auszuruhen.“ Biggi und Thomas nickten. Dann verließ Dr. Dorn das Krankenzimmer wieder. „Arme Gabi.“, meinte Biggi nur leise. Ihre Freundin tat ihr so Leid. Erst lag Ralf im Koma und nun, wo er endlich wieder wach war hatte er sein Gedächtnis verloren. War das fair? Die letzten Tage waren schon schlimm genug gewesen für Gabriele und nun auch noch das. „Wenn wir ihr doch nur irgendwie helfen könnten.“, sagte Biggi verzweifelt. Thomas nahm sie liebevoll in den Arm. „Ich glaube das einzige, was wir jetzt tun können, ist für sie da zu sein.“ Biggi lief eine Träne über die Wange. „Warum gerade Ralf? Er und Gabi waren doch so glücklich. Es ist so unfair.“, sagte sie leise. „Ich weiß.“, sagte Thomas, „Ich weiß.“ Er wischte Biggi zärtlich mit seiner Hand die Tränen aus dem Gesicht. „Aber das Leben ist, wie es ist, und wir müssen es so hinnehmen.“ „Ich weiß, wenn das doch nur nicht so verdammt schwer wäre…“ Thomas schloss seine Arme noch fester um Biggi. „Hey, wir werden das schon schaffen. Ich bin mir sicher, dass Ralf sein Gedächtnis wieder finden wird. Wir müssen nur ganz fest daran glauben.“ Biggi nickte. Thomas’ Worte taten ihr unheimlich gut, irgendwie schaffte er es immer wieder ihr Mut zu machen und sie davon zu überzeugen, dass alles wieder in Ordnung kommen würde und meistens hatte er damit Recht.

Biggi sah ihm in die Augen und gab ihm dann einen innigen Kuss.

Dr. Dorn war inzwischen wieder bei Gabriele angekommen. Er hatte zwei Schwestern damit beauftragt ein Bett für sie bereit zu machen, das sie wenig später in den kleinen Vorraum, in dem Gabi lag, schoben. „Danke“, sagte Dr. Dorn. Er half Gabriele sich ganz vorsichtig hinüber in das Bett zu legen. Dann deckte er sie zu und wies die Schwestern an sie zu Biggi aufs Zimmer zu bringen. Er selbst folgte ihnen langsam. Als sie bei Biggis Zimmer angekommen waren, öffnete er die Tür und schob langsam Gabis Bett hinein. Biggi hatte sich aufgesetzt und Thomas saß bei ihr auf dem Bett. Sie hatten schon auf Gabriele gewartet.

Nachdem die Schwestern das Bett an die richtige Stelle geschoben hatten, hängte Dr. Dorn die Infusion, über die Gabriele ein Kreislaufmedikament zugeführt bekam, fest. Dann kontrollierte er noch einmal ihre Kreislaufwerte, die zum Glück wieder fast normal waren. Als Dr. Dorn das Zimmer verlassen hatte, sah Gabi hinüber zu Biggi. Biggi erschrak. Gabi sah schrecklich blass und mitgenommen aus und in ihren Augen standen Tränen. „Er hat mich nicht erkannt….er hat gefragt, wer ich bin.“, sagte sie leise, während ihr einige Tränen über die Wangen liefen. Sie tat Thomas und Biggi so Leid, aber was sollten sie schon tun. Sie konnten Ralf seine Erinnerung leider auch nicht wiederbringen. „Hey, ich bin mir sicher, dass Ralf sich bald wieder erinnern wird.“, versuchte Biggi ihre Freundin zutrösten. Gabi wusste, dass Biggi es zwar nur gut meinte, doch in Wirklichkeit sich nicht damit auskannte. Wie auch? Sie war schließlich Pilotin, nicht Ärztin. Doch Gabi, sie kannte sich mit solchen Sachen aus und sie wusste genau, dass es bereits Patienten gegeben hatte, die ihr Gedächtnis für immer verloren hatten. Wenn sie sich vorstellte, dass das Ralf auch passieren würde… schrecklich. Sie mochte gar nicht daran denken. „Hoffentlich…“, schluchzte sie nur leise. Thomas und Biggi warfen sich hilfesuchende Blicke zu. „Aber man muss doch irgendetwas tun können!“, meinte Thomas dann verzweifelt. Gabi sah ihn an. „Man kann nichts tun, manchmal, da kommt die Erinnerung von alleine wieder, wenn der Patient mit irgendetwas aus seiner Vergangenheit konfrontiert wird, oder einem Menschen, den er kennt, begegnet, aber meistens dauert das Wochen, Monate oder sogar Jahre…“ Biggi und Thomas schluckten. „Dann müssen wir eben versuchen Ralf mit Dingen oder Personen aus seinem alten Leben zu konfrontieren.“, schlug Biggi vor. Daran hatte Gabi noch gar nicht gedacht. „Du hast Recht, wir müssen es versuchen.“, sagte sie und klang dabei schon ein wenig hoffnungsvoller. An diese Hoffnung klammerte sie sich wie an einen Strohhalm.

Biggi sah Thomas an und er nickte. „Gut, dann werden wir jetzt zu ihm gehen.“, sagte Biggi entschlossen. Gabi schüttelte leicht den Kopf. „Das geht nicht, Dr. Dorn meinte vorhin, dass er jetzt schläft und viel Ruh braucht, wir dürfen erst wieder morgen zu ihm.“ „Ich denke das würde dir auch gut tun, ein wenig Schlaf und Ruhe.“, sagte Biggi und sah Gabi besorgt an. „Vielleicht hast du Recht.“, meinte sie leise. Normalerweise wäre sie in dieser Situation nicht dazu in der Lage gewesen einfach die Augen zu schließen und zu schlafen, doch durch die Medikamente war sie ruhig gestellt. „Dir würde das aber sicherlich auch gut tun.“, wandte sich Thomas dann an Biggi. Sie nickte. Der Tag war ziemlich anstrengend gewesen. Erst die Sache mit Ebelsieder, dann war sie das erste Mal seit dem Unfall aufgestanden und nun auch noch die Sache mit Ralf.

Biggi legte sich zurück ins Kissen und Thomas deckte sie fürsorglich zu. „Schlaf gut, ich bleibe hier und pass auf dich auf.“ „Danke.“, sagte Biggi und sah ihn verliebt an. Thomas gab ihr noch einen zärtlichen Kuss, dann schloss sie die Augen und schlief en. Gabi, die die Szene mitbekommen hatte, wurde wieder traurig. Sie dachte die ganze Zeit an Ralf. Was würde sie jetzt dafür geben, wenn er an ihrem Bett sitzen würde, sowie Thomas an Biggis. Sie seufzte leise, bevor auch sie die Augen schloss und völlig erschöpft einschlief.

Als Thomas sich ganz sicher war, dass sowohl Biggi als auch Gabriele schlief, stand er langsam auf und verließ das Zimmer. Er wollte Michael und Peter verständigen, die schließlich noch nicht wussten, dass Ralf aufgewacht war. Also ging er zu dem Telefon im Gang und rief zuhause an. Er ließ es einige Male klingeln, bis Michael schließlich abnahm. „Lüdwitz?“ „Ja, hallo Michael, ich bin’s Thomas.“ „Thomas! Wie geht es Biggi?“, wollte Michael sofort wissen. „Sie schläft jetzt, der Tag war heute ein bisschen viel für sie. Ralf… Ralf ist aufgewacht.“, meinte Thomas daraufhin. „Hey, das ist ja super.“, freute sich Michael. „Aber er hat eine Amnesie. Als Gabi davon erfahren hat ist sie zusammengebrochen, sie liegt jetzt bei Biggi auf dem Zimmer.“ „Was???“, fragte Michael entsetzt. Er wusste, was das bedeutete. Gabriele und Ralf taten ihm so Leid. „Ja, Gabi geht es ziemlich schlecht, wenigstens liegt sie bei Biggi auf dem Zimmer.“, sagte Thomas bedrückt. „Und zu Ralf dürfen wir erst morgen wieder. Wir wollen alle zu ihm gehen, denn vielleicht erinnert er sich dann ja, wenn er mit einem von uns konfrontiert wird.“ Michael stimmte dem zu, obwohl er als Arzt wusste, dass dies ziemlich unwahrscheinlich war. Aber einen Versuch war es wert. „Sagst du Peter Bescheid?“, fragte Thomas ihn. „Ja, werde ich machen. Wir kommen dann morgen vorbei, nach der Frühschicht.“ „Ok“, meinte Thomas, er hatte schon fast vergessen, dass Peter und Michael ja arbeiten mussten, während er Urlaub hatte. Dann verabschiedeten sie sich. Thomas wollte möglichst schnell zurück zu Biggi. Nachdem Vorfall mit Ebelsieder ließ er sie ungern allein. Als er das Krankenzimmer betrat, stellte er jedoch beruhigt fest, dass sowohl sie als auch Gabi schliefen. Thomas setzte sich auf den Besucherstuhl neben Biggis Bett. Er nahm ihre Hand in seine und legte dann seinen Kopf vorsichtig neben ihren aufs Kissen. Dann versuchte auch er ein wenig zu schlafen. Er war ziemlich erschöpft und schlief tatsächlich ziemlich schnell ein.

Michael hatte unterdessen Peter über die Neuigkeiten was Ralf betraf informiert. Der Sanitäter war genau so geschockt, wie Michael, als er es von Thomas erfahren hatte. Sie wollten Ralf am nächsten Tag auf jeden Fall gleich nach der Frühschicht besuchen.

Nachdem er mit Peter gesprochen hatte, beschloss Michael dann Ebelsieder zu informieren, dass Gabriele für die nächsten Tage ausfallen würde. Dies erwies sich allerdings nicht als großes Problem, da Ebelsieder es nicht geschafft hatte einen Ersatzpiloten für die Woche, in der Thomas Urlaub hatte zu bekommen. So war Rene der einzige Pilot auf der Basis und sie konnten immer nur eine Schicht fliegen. Diese Schicht würden nun Rene und Michael immer abwechselnd mit Peter oder Katja zusammen fliegen.

Am nächsten Morgen wachte Gabriele schon ziemlich früh auf. Sie brauchte einen Augenblick um sich zu erinnern, was überhaupt passiert war und wo sie war. Doch dann war alles wieder da. Ralfs unheimlich verletzende Worte, seine Frage „Wer sind Sie?“, alles. Sie sah zu Biggi hinüber. Sie schlief noch, genau wie Thomas, der an ihrem Bett wachte.

Gabi wollte jetzt so gern zu Ralf, doch sie hatte Angst davor. Angst, dass es genau so schlimm werden würde wie gestern, als er sie nicht erkannt hatte. Deshalb beschloss sie so lange zu warten, bis Thomas und Biggi aufwachen würden und sie mit ihnen zusammen zu Ralf gehen könnte.

Wenig später kam Dr. Dorn ins Zimmer um nach seinen Patientinnen zu sehen. Als er sah, dass Biggi noch schlief, ging er zuerst zu Gabi. „Guten Morgen. Wie geht es Ihnen denn heute?“, erkundigte er sich bei ihr. „Na ja…“, meinte Gabi nur leise. „Wie soll es einem schon gehen, wenn der Lebensgefährte einen nicht mehr erkennt.“ Jetzt wo die Wirkung des Beruhigungsmittels nachließ, ging es Gabi wieder schlechter. Dr. Dorn sah sie mitleidig an. Doch er wusste, dass er gegen ihr Problem machtlos war und ihr nicht helfen konnte. „Ich möchte bitte, dass Sie mich heute entlassen.“, sagte Gabi dann entschlossen. „Wollen Sie sich nicht noch ein paar Tage schonen?“, fragte er Gabi zweifelnd. Doch sie schüttelte den Kopf. „Bitte.“ „Also gut, aber versprechen Sie mir, dass Sie sich noch ein wenig ausruhen.“ Gabriele versprach es ihm. „Können wir nachher zu Ralf?“, fragte sie ihn dann. „Ich denke schon. Herr Stallers Werte sind erstaunlich stabil, ich denke, das schlimmste ist überstanden und es geht jetzt bergauf.“ Gabi freute es zwar das zu hören, doch Ralfs Erinnerung kam dadurch auch nicht zurück.

Gerade als Dr. Dorn das Zimmer wieder verlassen wollte, wachte Biggi auf. Sie sah zu Thomas, der mit seinem Kopf neben ihrem lag und friedlich schlief, und lächelte bei seinem Anblick. Dann sah sie zu Gabriele und Dr. Dorn hinüber.

Der Arzt kam zu Biggi und kontrollierte dann wie jeden Morgen ihre Kreislaufwerte. Biggi sah ihn fragend an. „Alles in Ordnung.“, meinte er dann zufrieden. „Ich lasse Sie dann mal alleine.“, meinte er und verließ den Raum. Biggi sah zu Gabi hinüber. „Und, wie geht’s dir?“, fragte sie besorgt, obwohl sich die Antwort eigentlich schon erübrigte. Gabi blickte sie traurig an. „Wir können gleich zu Ralf.“, meinte sie anstatt zu antworten. Biggi nickte. „Das wird schon wieder.“, sagte sie aufbauend, auch wenn sie es selbst nur hoffen, aber nicht wissen konnte. Gabriele nickte tapfer.

Schließlich öffnete auch Thomas langsam die Augen. Er hatte nicht sehr gut geschlafen und hatte immer wieder an Ralf denken müssen. „Morgen.“, sagte er verschlafen und blickte Biggi an. „Guten Morgen, Schatz.“, erwiderte diese und gab ihm einen Kuss. „Wie geht’s dir heute?“, fragte er dann, wie jeden Morgen als allererstes. Biggi lächelte ihn an. „Danke, mir geht’s immer besser, ich hoffe, ich komme hier endlich raus.“ „Na ja, es sind ja nur noch ein paar Tage. Das schaffen wir schon und danach, wenn du dann wieder zuhause bist…das wird erst richtig schön.“, versprach Thomas ihr. Biggi nickte, lächelte ihn verliebt an und begann dann ihn zu küssen, was Thomas glücklich erwiderte.

Gabi sah den beiden traurig zu. Sie musste immer wieder an Ralf denken. Warum war nur alles so weit gekommen? Warum gerade Ralf? Gerade waren sie zusammen gekommen und nun sollte das alles schon vorbei sein? Das war wirklich nicht fair.

Schließlich räusperte Gabi sich und Thomas und Biggi, die sich immer noch küssten, sahen auf. „Wollen wir jetzt zu Ralf?“, fragte sie die beiden. Sie nickten. Also stand Gabi auf und ging zum Schrank. Sie zog sich das Krankenhausnachthemd aus und zog sich ihre Sachen wieder an.

Auch Biggi stand auf. „Soll ich einen Rollstuhl bringen lassen?“, fragte Thomas sie. Doch Biggi schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube es geht schon, ich möchte es so versuchen.“, sagte sie. Thomas nickte. Dann gingen sie zur Tür und verließen das Zimmer. Den Weg zur Intensivstation legten sie schweigend zurück. Biggi hatte sich ein wenig auf Thomas gestützt, da es für sie doch anstrengender war, als sie gedacht hatte. Doch sie wollte jetzt zu Ralf, genau wie die anderen. Sie musste Gabi helfen, so konnte es nicht weitergehen. Biggi konnte es überhaupt nicht vertragen ihre Freundin so leiden zu sehen.

Schließlich waren sie auf der Intensivstation angekommen. Langsam betraten Thomas, Biggi und Gabriele Ralfs Zimmer und näherten sich ihrem Bett. Er war wach und sah die drei an. „Hallo Ralf.“, sagte Biggi dann leise. Ralf sah sie irritiert an. Er hatte keine Ahnung, wer diese Frau war, sie schien ihn zu kennen, aber für ihn war es so, als ob er sie zum ersten Mal in seinem Leben sehen würde. Die andere Frau, ja, die kannte er, von gestern. Sie war also seine Geliebte, er konnte sich das alles nicht vorstellen. Sie sah nett aus, ja, sie alle sahen nett aus. Aber lieben? Nein, er konnte sich nicht vorstellen, dass er sie geliebt hatte. Im Augenblick veranlasste sie jedenfalls nicht die geringste Gefühlsregung in ihm. „Wie geht es dir heute, Ralf?“, fragte Gabi ihn dann und fasst zaghaft nach seiner Hand. „Es geht so.“, meinte Ralf nur knapp. Er wollte nicht wieder etwas falsches sagen, womit er irgendjemanden verletzen würde. Doch er musste es einfach wissen, was passiert war und vor allem, wer er war.

Gabriele hoffte die ganze Zeit, dass er vielleicht seine Erinnerung wieder gefunden hatte und sie erkannte. Doch sein nächster Satz ließ wieder alle ihre Hoffnungen erlöschen. „Bitte…bitte erzählen Sie mir etwas über mich…wer bin ich? Ich kann mich nicht erinnern…“, sagte Ralf leise und blickte Biggi, Thomas und Gabi flehend an. Für Gabriele war das jedoch zu viel. Ralf hatte sie gesiezt, sie, Gabriele. Nein, das war wirklich zu viel für sie. Sie konnte einfach nicht mehr. Mit Tränen in den Augen verließ sie fluchtartig das Zimmer. Biggi folgte ihr sofort. Draußen vor der Tür fiel Gabriele ihr weinend in die Arme. Sie wurde vom Schluchzen regelrecht durchgeschüttelt, sie wollte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Biggi nahm die Sache ja selbst auch ziemlich mit, doch sie wusste, dass es für Gabi natürlich noch viel schlimmer war und versuchte jetzt stark zu sein und für sie da zu sein.

Thomas war währenddessen bei Ralf geblieben, er vermutete, dass Gabriele jetzt lieber mit Biggi allein sein wollte. Ralf sah Thomas bittend an. „Bitte…“, sagte er leise. Thomas setzte sich auf den Besucherstuhl neben Ralfs Bett und begann zu erzählen. Er wusste nicht wirklich, wo er anfangen sollte. „Also, du heißt Ralf Staller und bist Rettungssanitäter bei Medicopter. Allerdings bist du noch nicht sehr lange bei uns. Du hast vorher in Berlin gewohnt und bist wegen deiner Ex-Freundin hierher nach Traunstein gekommen. Ich glaube die Trennung war ziemlich schlimm für dich und du wolltest hier neu anfangen. Aber so genau weiß ich es nicht, denn du hast nie viel über deine Vergangenheit geredet.“ Ralf nickte nur leicht. Er konnte das alles immer noch nicht glauben. Einige Sachen, wie zum Beispiel dass er Rettungssanitäter bei Medicopter sei, hatte Dr. Dorn ihm am Vortag ja auch schon erzählt, doch für Ralf war es immer noch so, als ob das eine andere Person gewesen wäre, dessen Geschichte er gehört hatte. „Und, wer sind Sie?“, wollte Ralf dann wissen, da er Thomas das noch gar nicht gefragt hatte. „Ich bin Thomas Wächter, der Pilot der A Crew.“, Thomas fiel ein, dass Ralf ja noch gar nichts über seine Kollegen wusste bzw. es nicht mehr wusste. „Wir haben auf unserer Basis zwei Teams. Ich fliege zusammen mit Dr. Michael Lüdwitz und Peter Berger, der ist auch Sani, wie du, zusammen im A Team. Und du fliegst mit Dr. Gabriele Kollmann und Biggi Schwerin im B Team. Gabi und Biggi waren ja eben auch hier…“ Ralf dachte nach. Er versuchte sich krampfhaft zu erinnern, doch in seinem Kopf herrschte eine gähnende Leere, mehr nicht. Alle diese Namen kamen ihm so vor, als würde er sie zum ersten Mal hören. „Ich bin mit Gabi zusammen, nicht wahr?“, meinte Ralf dann. Thomas nickte. „Ja, ihr wart unheimlich glücklich miteinander.“, erzählt er, „Ich glaube, ihr habt euch von Anfang an super verstanden und seit kurzem seid ihr ein Paar.“ Gabi tat Ralf so unendlich Leid. Sie musste sich sicherlich schrecklich fühlen, doch was sollte er machen? Er konnte sich nicht an sie erinnern und er konnte sich nicht vorstellen mit ihr zusammen zu sein. Er kannte sie doch gar nicht – nicht mehr. Genau so wenig wie er Thomas oder Biggi kannte. Das sollten also seine Kollegen sein. „Und meine Eltern?“, fragte Ralf dann nach. „Ich weiß es nicht, du hast nie drüber geredet. Wahrscheinlich leben sie noch in Berlin, oder in irgendeiner anderen Stadt. Ich glaube jedenfalls nicht, dass sie hier in Traunstein leben, weil du sonst bestimmt mal was von ihnen erzählt hättest. Aber vielleicht weiß Gabi mehr…“, sagte Thomas zögerlich. Er wusste, was für eine enorme Belastung das alles für Gabi sein musste und war sich nicht sicher, ob es gut war, wenn er oder Ralf sie nun auch noch über Ralfs Vergangenheit ausfragen würden. „Du kannst dich wirklich an gar nichts erinnern? Auch nicht an Gabi?“, fragte Thomas noch einmal nach. Ralf schüttelte verzweifelt den Kopf. Es war schrecklich, er wusste nicht, wer er selbst war, und nicht, wie seine Vergangenheit ausgesehen hatte.

Plötzlich kam Dr. Dorn ins Zimmer. „Herr Staller braucht jetzt wirklich Ruhe.“, sagte er zu Thomas und sah ihn auffordernd an. „Ja, ich gehe schon.“, erwiderte dieser. „Tschüss Ralf, wir sehen uns.“, meinte er dann noch und warf Ralf einen letzten Blick zu. Dieser schloss nun erschöpft die Augen. Er war von der Operation noch sehr geschwächt und die Unterhaltung mit Thomas hatte ihn sehr angestrengt. Doch er konnte sich jetzt nicht ausruhen, das war unmöglich. Er musste es irgendwie schaffen, sich zu erinnern, seine Vergangenheit wieder zu finden.

Als Thomas das Intensivzimmer wieder verließ, traf er Biggi und Gabi draußen auf dem Flur an. Gabriele hatte sich etwas beruhigt, doch sie war immer noch total fertig. Thomas beschloss deshalb ihr besser nichts von dem Gespräch mit Ralf zu erzählen. „Ich muss noch kurz zur Basis, etwas klären.“, meinte Thomas zu den beiden. „Gabi ist ja jetzt bei dir, ich bin auch spätestens in einer Stunde zurück.“, versprach er Biggi. Sie nickte und gab ihm noch einen Kuss zum Abschied. „Ja, Gabi ist ja bei mir…und Thomas…viel Glück.“, meinte sie dann noch, da sie schon wusste, was Thomas vorhatte. Er wollte sich Ebelsieder vorknöpfen. „Hey, Biggi, ich werde schon keinen Mist bauen, aber irgendwer muss dem Kerl ja mal die Meinung sagen.“, sagte er und lächelte sie aufmunternd an. Biggi gab ihm zum Dank noch einen zärtlichen Kuss, bevor Thomas sich dann endgültig verabschiedete und zur Basis fuhr.

Biggi und Gabi gingen zurück in Biggis Krankenzimmer. „Du solltest dich wieder hinlegen, hm?“, schlug Gabriele ihrer Freundin vor. Biggi fühlte sich zwar ziemlich gut, aber Gabi zuliebe legte sie sich trotzdem wieder hin, sie wollte ihr nicht noch mehr Sorgen bereiten. Die Sache mit Ralf war schon weitaus schlimm genug. Gabi setzte sich auf den Besucherstuhl neben Biggis Bett. „Biggi, wenn Ralf….wenn er sich nie wieder erinnern kann, ich weiß nicht, was ich machen soll.“, sagte Gabi plötzlich. Sie klang total verzweifelt. Biggi fasste nach ihrer Hand und sah sie traurig an. Gabriele tat ihr so Leid, sie hofft nur, dass sie mit der Situation fertig werden würde und nicht irgendwelche Dummheiten anstellen würde. Doch dafür würde Biggi schon sorgen. Sie wollte jetzt für ihre Freundin da sein. Und Thomas, Michael und Peter waren ja auch noch da. Sie würden Gabi alle helfen damit fertig zu werden. Und vielleicht, vielleicht würde Ralf sich ja wirklich bald wieder erinnern können und der Albtraum würde ein Ende haben.

Thomas hatte währenddessen die Basis erreicht, wo gerade Michael und Peter zusammen mit Rene Dienst tun mussten. Michael und Peter saßen gerade im Aufenthaltsraum, während Rene sich in den Hangar verzogen hatte. Michael und Peter sahen sich fragend an, als Thomas den Aufenthaltsraum betrat. „Hallo, Thomas, was machst du denn hier? Hast du vergessen, dass du Urlaub hast?“, scherzte Peter. Doch Thomas war absolut nicht zum Scherzen zu Mute. Er wollte Ebelsieder jetzt endlich seine Meinung sagen, das war schon lange fällig gewesen. „Nein, keine Angst, ich bin gleich wieder weg. Ich muss nur noch etwas mit Ebelsieder klären.“, erklärte Thomas den beiden und verschwand dann in Richtung Ebelsieders Büro. Michael und Peter warfen sich nur fragende Blicke zu. Sie konnten ja nicht ahnen, was Thomas mit Ebelsieder zu klären hatte…

Dieser hatte inzwischen ohne anzuklopfen das Büro des Stützpunktleiters betreten. „Tag, Herr Wächter.“, sagte Ebelsieder, „Schon mal etwas von Anklopfen gehört?“ Thomas ignorierte diese Bemerkung. „Was fällt Ihnen eigentlich ein?“, fuhr er Ebelsieder dann an. Der Stützpunktleiter ahnte, worauf Thomas hinaus wollte, doch er tat unwissend. „Nicht in diesem Ton, Wächter. Was wollen Sie?“ „Das wissen Sie genau! Ich will, dass Sie Biggi endlich in Ruhe lassen.“, sagte Thomas wütend. Er musste sich wirklich beherrschen um nicht handgreiflich zu werden. „Ich weiß leider nicht, was Sie meinen. Wenn Sie nun bitte mein Büro verlassen würden, ich habe noch zu tun.“, sagte Ebelsieder und versuchte gelassen zu bleiben. Nun reichte es Thomas. Er packte Ebelsieder am Kragen und stieß ihn an die Wand. „Sie wissen genau, was ich meine, oder können Sie sich etwa nicht mehr an Ihren gestrigen Besuch bei ihr im Krankenhaus erinnern, hm? Lassen sie Biggi ein für alle mal in Ruhe, oder…“ „Oder was?“, unterbrach Ebelsieder ihn. Thomas ließ ihn los. „Ich werde meine Mitarbeiter wohl noch im Krankenhaus besuchen dürfen. Ich weiß zwar nicht, was Frau Schwerin Ihnen erzählt hat, jedenfalls war das gestern ein ganz normaler Krankenbesuch.“ „Ach, ganz normaler Krankenbesuch? Biggi könnte Sie anzeigen wegen sexueller Belästigung!“ „Hat Sie dafür denn Zeugen?“, fragte Ebelsieder hämisch grinsend. Thomas war klar, dass er Recht hatte, ohne Zeugen stand Aussage gegen Aussage, und sie hatten keinen Zeugen. „Und Herr Wächter, sollten Sie noch einmal solche Beschuldigungen gegen mich erheben, dann sind Sie ihren Job los, das ist Ihnen ja wohl klar.“ „Eigentlich müssten Sie mir Leid tun, aber dafür verabscheue ich Sie zu sehr. Sie können es einfach nichts akzeptieren, dass Sie niemals bei Biggi landen werden, dass sie mich liebt und dass sie mit mir zusammen glücklich ist. Das ist Ihr Problem.“, mit diesen harten Worten stapfte Thomas wütend aus Ebelsieders Büro. „Ich warne Sie, lassen Sie Ihre dreckigen Finger von Biggi.“, rief er ihm noch hinterher. Ebelsieder grinste nur. „Als ob ich mir von Ihnen etwas verbieten lassen würde, Wächter!“, sagte der Stützpunktleiter zu sich selbst und setzte sich wieder an seinen Computer.

Thomas hingegen verließ die Basis ohne sich von Michael oder Peter zu verabschieden. Er hatte so eine Wut auf Ebelsieder. Das schlimmste war, dass er im Moment absolut nichts tun konnte. Er hatte keine Beweise. Außerdem musste er auch an Biggi denken. Wenn er Ebelsieder weiter provozieren würde, würde er ihnen das Leben sicherlich noch schwerer machen. Die einzige Möglichkeit wäre eine Kündigung. Doch Thomas liebte seinen Job und er wusste, dass Biggi ihren Job genauso sehr liebte wie er seinen.

Thomas fuhr auf schnellstem Weg wieder zu Klinik. Er wollte jetzt zu Biggi, sofort. Als er ihr Zimmer betrat, sah er, dass Gabi an ihrem Bett saß. Die beiden sahen zu Thomas, der nun langsam auf sie zukam. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war das Gespräch nicht gerade positiv verlaufen, das erkannte Biggi sofort. Auch Gabi bemerkte es. „Ich gehe dann mal kurz in die Cafeteria, ich habe heute schließlich noch nichts gegessen.“, sagte sie schnell und verließ dann den Raum. Sie konnte sich denken, dass Thomas jetzt mit Biggi allein sein wollte. Er hatte sich zu ihr ans Bett gesetzt, dort, wo Gabriele vorher gesessen hatte. „Und?“, fragte Biggi dann vorsichtig. Thomas sah sie traurig an. „Ich glaube nicht, dass es was genützt hat.“, gestand er ihr dann, „Ebelsieder hat alles abgestritten und meinte, dass wir keine Beweise hätten.“ Biggi setzte sich auf und sie fielen sich in die Arme. „Aber irgendwas muss man doch tun können.“, sagt sie verzweifelt. „Nur was?“, fragte Thomas ratlos. Sie wussten es beide nicht. „Weißt du, ich glaube das Beste ist es, wenn wir ins einfach nicht mehr von ihm provozieren lassen.“, sagte Biggi dann nach einiger Zeit nachdenklich, „Das will er doch nur erreichen, er will uns fertig machen, aber das wird er nicht schaffen, niemals!“ Thomas nickte. „Wahrscheinlich hast du Recht. Ebelsieder ist unser Chef und wenn wir unsere Jobs behalten wollen… Aber wenn er dich noch einmal anfasst…“ „Hey, du passt doch auf mich auf….“, sagte Biggi und lächelte ihn an. „Stimmt.“, erwiderte er und lächelte zurück. Sie kamen sich immer näher und schließlich begannen sie sich leidenschaftlich zu küssen. Thomas hatte seine Arme um Biggi gelegt und sie ganz nah zu sich gezogen. Immer wieder küssten sie sich. Sie dachten nicht mehr an Ebelsieder, sondern nur noch daran, wie glücklich sie ihn diesem Augenblick gerade waren.

Gabriele hatte unterdessen beschlossen kurz zur Basis zu fahren. Sie wollte Ebelsieder und den anderen Bescheid geben, dass sie ab morgen wieder anfangen würde zu arbeiten. Sie wollte sich jetzt einfach ablenken und dazu trug ihr Job bei. Während den Einsätzen musste sie sich voll und ganz auf ihre Patienten konzentrieren und es blieb nicht viel Zeit für Gedanken an Ralf, an alte Zeiten, als sie noch glücklich waren, und diese immer wiederkehrende Frage. „Warum? Warum gerade er?“ ‚Ach, wenn doch nur alles wieder so werden könnte wie früher.’, Gabriele seufzte. Dann stieg sie jedoch schnell ins Auto ein und fuhr vom Klinikparkplatz.

Bereits zehn Minuten später hatte sie die Basis erreicht. Sie stieg langsam aus und begab sich zum Eingang. „Hallo Gabi, wie geht’s dir?“, fragten Michael und Peter, die noch immer im Aufenthaltsraum saßen sofort. „Danke, es geht schon…“, sagte Gabi leise und versuchte nicht wieder in Tränen auszubrechen. Deshalb machte sie sich schnell auf den Weg zu Ebelsieders Büro. Sie war gerade in der Tür verschwunden, als Rene aus dem Hangar kam und den Aufenthaltsraum betrat. Er meinte Gabis Stimme gehört zu haben, doch zu seiner Enttäuschung konnte er die Notärztin nirgends erblicken. „Ist Gabriele hier?“, fragte er Michael. Dieser nickte. „Ja, sie ist bei Ebelsieder.“, antwortete er knapp und wandte sich dann wieder seiner Zeitschrift zu. Rene ließ sich auf einen der Stühle sinken und hoffte, dass Gabi bald wieder rauskommen würde. Er hatte vom ersten Moment an Gefallen an der blonden Notärztin gefunden. Zwar wusste er, dass sie mit Ralf zusammen war, doch das war für ihn höchstens ein Grund, aber kein Hindernis.

"Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, dass ich ab morgen wieder arbeiten werde." "Sind Sie sicher dass sie wieder fit genug sind?" "Ja, ich bin mir sicher.", antwortete Gabi nachdrücklich. "Na gut, dann freue ich mich natürlich Sie morgen wieder hier auf der Basis zu haben. Gibt es was Neues von Herrn Staller?" Gabi schluckte. Kaum hörte sie Ralfs Namen, spürte sie schon wieder die Tränen hochsteigen. Aber sie riss sich zusammen und unterdrückte sie. "Nein, nichts Neues. Er erinnert sich an gar nichts. Aber physisch geht es ihm immer besser." "Na wenigstens etwas. Ach ja ähm ..." Gabi wollte schon bei der Tür raus, dann drehte sie sich aber noch mal um. "Ja?" "Frau Schwerin, wann ... wann wird sie denn voraussichtlich entlassen? Ich meine, nur wegen der Dauer der Vertretung." "Sie wird sich sicher noch schonen müssen nach der Entlassung. Ich glaube in ein paar Tagen wird es so weit sein." "Genaues Datum gibt's noch nicht?" "Nein. Darf ich fragen, weshalb Sie das wissen wollen?" "Ach, nur so.", meinte er und lächelte überfreundlich. Gabi schüttelte innerlich den Kopf und verließ dann das Büro.

Draußen wartete Rene auf sie. "Oh, hallo Rene. Du hast mich aber erschreckt.", meinte Gabi. "Oh, das wollte ich nicht. Tut mir Leid. Darf ich mit einer Tasse Kaffee um Verzeihung bitten?" "Eigentlich hab ich jetzt gar keine Zeit. Vielleicht ein andermal, ok?" "Na meinetwegen. Aber dafür darf ich dich wenigstens hinausbegleiten?" "Von mir aus.", meinte Gabi leicht genervt. Sie konnte diesen Rene einfach nicht leiden. Diese Augen, wie er sie immer anstarrte, schrecklich. Rene hingegen hatte ungemein großen Gefallen an ihr gefunden. In jeder Sekunde spürte er mehr, wie sehr er sie begehrte... "Hab ich dir schon mal gesagt wie schön du bist?", fragte er dann plötzlich. "Nein, und das musst du auch nicht." "Ich will es aber. Wie wär's, wenn wir uns mal abends treffen? Ich kenne ne klasse Bar in der Nähe vom Flughafen." "Du scheinst wohl vergessen zu haben, dass ich kaum woanders bin als im Krankenhaus. Ich bin schließlich mit Ralf zusammen." Diesen Satz zu sagen, das versetzte ihr einen Stich ins Herz. Einen schmerzhaften Stich. Waren sie denn noch zusammen? Es war ... es war wie in einer anderen Welt – plötzlich war aus dem Menschen, den sie so gut gekannt hatte und so unendlich geliebt hatte, ein ganz anderer geworden. Und das Verrückte an der Sache war, dass sich das jederzeit schlagartig ändern könnte - von einer Sekunde zur anderen. Dann war sie wieder in ihrer alten Welt. Der Welt mit Ralf. Diese Welt jetzt - das war eine Welt mit einem Geliebten, der ein scheinbar Unbekannter war. Sie hatte jetzt einfach genug von alldem - an ihrer Liebe zu Ralf hatte sich nichts geändert, und obgleich dies nicht mehr auf Gegenseitigkeit beruhte, sie brauchte einfach die Nähe zu ihm und wollte nun auf dem schnellsten Wege ins Krankenhaus fahren.

"Das weiß ich ja. Aber es spricht doch nichts dagegen, dass wir auch zusammen Spaß haben, oder? Sei doch nicht so zimperlich." "Zimperlich, ja? Mensch, bin ich froh, wenn Biggi wieder zurück ist. Von Menschlichkeit hast du wohl noch nie was gehört?" "Hey, nicht frech werden...", entgegnete Rene aggressiv darauf und kam ihr näher. "Lass mich doch in Ruhe.", meinte Gabi nur. Dann fasste sie Rene plötzlich an den Schultern und zog sie zu sich. Gabi riss sich mit aller Kraft los und eilte zu ihrem Auto. Dann stieg sie ein und fuhr im Eiltempo davon.

Rene blickte ihr wütend nach. Er hatte ihr richtig Angst gemacht. Als Gabi fuhr, merkte sie erst, dass sie zitterte. Diese starrenden Augen von Rene .... seine Hände ..... sie ekelte sich einfach nur. Warum konnte sie dieser Kerl nicht in Ruhe lassen? Er war ja richtig aggressiv und penetrant. "Wir sprechen uns schon noch.", sagte Rene zu sich selbst und begab sich dann zurück in den Hangar, um zu flippern.

Währenddessen küssten sich Thomas und Biggi im Krankenhaus immer noch. Thomas hatte seine Arme um Biggi gelegt und streichelte zärtlich ihren Oberkörper, während sie sich leidenschaftlich küssten. "Meinst du, wir können nachher noch mal zu Ralf?", fragte Biggi Thomas, als sie kurz voneinander abließen. "Ja, ich denke schon. Fragen wir Dr. Dorn." "Ok. Hast du eigentlich heute noch mit Ralf geredet? Konnte er sich an was erinnern?" "Ja, hab ich. Ich hab ihm einiges über sich erzählt. Aber er wusste gar nichts. Schrecklich.", meinte er traurig. Biggi nickte nicht minder betrübt.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Dr. Dorn trat ein. "Guten Tag! Wie geht es Ihnen heute?", fragte er. "Danke, gut. Na ja, zumindest meiner Schulter geht's gut.", meinte Biggi. Dr. Dorn ahnte, dass die beiden traurigen Gesichter von Thomas und Biggi wohl auf Ralf zurückzuführen waren. "Ich verstehe." "Wir wollten Sie fragen, ob wir heute noch mal zu Herrn Staller gehen können? Wie geht es ihm denn?" "Ja, physisch bessert sich sein Zustand erstaunlich und extrem schnell. Die Amnesie ist leider noch immer vorhanden. Aber es tut ihm bestimmt gut, wenn er mit Ihnen sprechen kann, Sie sozusagen als neue Freunde gewinnen kann - ich weiß, es klingt hart. Aber irgendwann wird dieses Spiel ein Ende haben, glauben Sie mir." "Wir versuchen es.", meinte Thomas. "Ja, und noch mal zu Ihnen, Frau Schwerin!" "Ja?" "Ich hab mir heute wieder Ihre Werte angesehen und mit ihrer Genesung bin ich äußerst zufrieden. Ich denke, ich werde sie schon in zwei Tagen frühzeitig entlassen können." "Das ist ja super!!", freute sich Thomas, und auch Biggi machte ein glückliches Gesicht. "Sind Sie sich sicher, dass es nicht zu früh ist?", fragte Thomas dann aber vorsichtig nach. "Ich bin mir zumindest sicher, dass sie auf jeden Fall die nötige Unterstützung bekommen wird, um sich noch angemessen zu schonen. Sie sollten auf jeden Fall noch eine ganze Weile nicht arbeiten und sich zuhause hinlegen, nicht unbedingt wegen der Schulter, aber Ihr Kreislauf ist von den enormen Strapazen noch lange nicht richtig erholt. Also bitte, so wenig Anstrengungen wie möglich, dann kann ich Sie auch guten Gewissens übermorgen nachhause schicken. Ok?" "Ich sorge schon dafür, dass sie sich schont.", sagte Thomas, bevor Biggi irgendetwas antworten konnte.

Daraufhin verließ Dr. Dorn wieder das Zimmer. "Heey, das ist ja klasse!! Ich freu mich so!", sagte Thomas und zog Biggi zu sich, worauf er ihr einen zärtlichen Kuss gab. "Ich freu mich auch total - endlich raus hier, gegen Krankenhausluft bin ich allergisch." "Aber gegen mich doch hoffentlich nicht, oder? Wirst nämlich nun äußerst oft in meinen Genuss kommen.", meinte Thomas und grinste. "Von dir krieg ich höchstens Entzugserscheinungen, mein Schatz." "Ooh - gut zu wissen...", freute sich Thomas und sie küssten sich erneut.

Anschließend machten sie sich auf, um noch mal Ralf zu besuchen. Thomas half Biggi aus dem Bett und stützte sie liebevoll auf dem Weg nach draußen. Als sie vor der Intensivstation ankamen, trafen sie auf Gabi, die genau im selben Moment dort angekommen war. "Hey, Gabi! Warst du auf der Basis?" "Ja. Hab nur schnell mit Ebelsieder geredet. Wolltet ihr gerade zu Ralf?" "Ja, aber wir können auch später, wenn du jetzt lieber mit ihm allein bist.", meinte Biggi. Gabi blickte zu Boden. "Nein, bloß nicht." An ihrer Stimme erkannte man, wie sie versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Doch diesmal schaffte sie es nicht so gekonnt wie in Ebelsieders Büro. Bald tropfte eine Träne nach der anderen von ihrer Wange. "Was soll ich denn allein mit ihm, wenn er .... wenn er mich nicht mal kennt. Und er zeigt absolut kein Interesse an mir." Daraufhin begann sie herzzerreißend zu weinen. Biggi löste sich von Thomas und nahm Gabi ganz fest in die Arme. Sie versuchte, sie zu beruhigen. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie Gabi sich fühlen musste, Es musste eine schreckliche Situation sein, plötzlich einen Menschen zu lieben, der eigentlich gar nicht mehr da war und keine Empfindungen zeigte. Als hätte es Ralf, den sie liebte und vor allem der sie ebenso liebte, nie gegeben. Keiner wusste, wie es weitergehen sollte, wenn dieser Zustand noch lange anhielt.

Nach einigen Minuten hatte Gabi sich wieder beruhigt und sie betraten schließlich gemeinsam die Intensivstation. Dort brauchten sie sich heute keine Kittel mehr überzuziehen, die Infektionsgefahr war gebannt. Ralf war gerade wach und lächelte leicht, als die drei das Zimmer betraten. "Hi! Gabi, Biggi und Thomas, stimmt's?", begrüßte er sie schwach. "Erraten.", meinte Thomas. Sie nahmen sich Stühle und setzten sich an sein Bett. "Wie geht's dir denn?" "Ja, es geht so. Ziemlich mies, wenn der Kopf so leer ist." "Kann ich mir vorstellen.", meinte Thomas.

Ralf wandte sich an Gabi. "Geht's dir denn wieder gut?", fragte er vorsichtig. Er wusste ja, wie sehr sie die ganze Sache mitnahm, für die er ja gar nichts konnte und gegen die er leider machtlos war. Jedenfalls hatte er großes Mitgefühl. Aber eben nur Mitgefühl. Liebe - nein, das empfand er nicht. "Danke, es ... es geht schon. Mach dir keine Gedanken.", antwortete Gabi tapfer. "Es ... es tut mir leid, dass das so kommen musste.", begann Ralf dann.

Thomas und Biggi warfen sich Blicke zu und verließen dann schließlich unauffällig das Zimmer. Sie ahnten, dass vielleicht ein klärendes Gespräch zwischen Gabi und Ralf unter vier Augen folgen würde. Na ja, sofern man das als klärend bezeichnen konnte.

Gabi antwortete ihm nicht. Es tat so schrecklich weh, darüber zu reden oder nur zu hören, wie die kurze, aber so schrecklich intensive Liebe zwischen ihr und Ralf ein Ende genommen hatte. Oder war es nur eine Pause? Man konnte doch das, was jetzt geschah, nicht ungeschehen machen, selbst wenn irgendwann von einer Sekunde auf die andere wieder alles beim Alten wäre...

Als Gabi eine Weile nichts sagte, meinte Ralf: "Wie haben wir uns denn kennen gelernt?" Gabi blickte auf. "Du bist neu zu uns gekommen. Wir arbeiten in einem Team." "Ach ja, das hat Thomas mir erzählt. Wie ... wie lange waren wir zusammen?" Gabi versuchte ihre Traurigkeit unter Kontrolle zu halten. "Ein paar Tage.", entgegnete sie mit erstickter Stimme. "Und dann ist das passiert?" Gabi nickte. "Wir waren sehr glücklich zusammen, oder?" Auf diese Frage hin war es mit Gabis Tapferkeit vorbei. Eine Träne nach der anderen rann von ihrem Gesicht, und sie versuchte sie zu verbergen, was ihr aber nicht gelang. "Hey, ... ich – ich kann ja verstehen, wie traurig dich das machen muss. Das würde es mich bestimmt auch machen." "Das würde.", entgegnete Gabi aufgelöst. "Du weißt gar nicht wie viel ich darum geben würde, mich erinnern zu können! Ich würde alles darum geben..." Ralf war ziemlich fertig. "Komm her.....", sagte er dann zu ihr, worauf sie sich zögerlich von ihm umarmen ließ. Das tat so unheimlich gut. Es war ein wunderschönes Gefühl, das sie an die Tage vor dem Unfall erinnerte. An die schönsten Tage ihres Lebens. Für einen Moment konnte sie vergessen, dass sie in den Armen eines eigentlich unbekannten Mannes lag.

Ralf hielt sie ganz fest. Er fühlte sich verantwortlich dafür, dass es Gabriele nun schlecht ging. Aber was sollte er denn tun? Er konnte schließlich an seinen Gefühlen nichts ändern.

Biggi und Thomas waren inzwischen den Gang entlang gegangen und hatten sich dort auf zwei Stühle gesetzt. Gabriele und Ralf würde es sicherlich gut tun, wenn sie eine Weile alleine waren. „Ich kann das alles einfach immer noch nicht glauben...“, sagte Biggi leise. Thomas nahm sie liebevoll in den Arm. „Ich weiß, das kann keiner.“, erwiderte er niedergeschlagen. Noch vor einigen Tagen war Ralf mit ihnen zusammen auf der Basis gewesen, und nun, nun konnte er sich an nichts mehr erinnern, er hatte seine Vergangenheit verloren. „Aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.“, meinte Thomas dann, „Ralf braucht uns jetzt und Gabi auch.“ Biggi nickte. „Du hast ja Recht.“

Wenig später, kamen Peter und Michael den Gang entlang. Ihre Schicht war zu Ende und auch sie wollten nun zu Ralf. „Was macht ihr dann hier?“, fragten sie Biggi und Thomas, als sie die beiden auf dem Flur erblickt hatte. „Gabi ist jetzt bei Ralf. Ich glaube, wir sollten die beiden besser alleine lassen.“, erzählte Biggi ihnen. Michael und Peter nickten verständnisvoll. „Ja, das wird wahrscheinlich das Beste sein.“ Die vier beschlossen auf Biggis Zimmer zu gehen und dort auf Gabriele zu warten. Biggi legte sich wieder ins Bett, da sie sich schließlich noch schonen sollte. „Und wie geht es dir so?“, erkundigte Michael sich dann bei ihr, nachdem er und Peter sich zwei weitere Besucherstühle vom Gang ins Zimmer geholt hatten. „Meiner Schulter geht’s wieder ganz gut…“, erzählte Biggi, „Übermorgen komm ich raus.“ Peter und Michael freuten sich das zu hören. „Hey, das ist ja super.“, meinten sie. Biggi nickte. „Ja, ich werde mich aber noch schonen müssen und anfangen zu arbeiten werde ich auch noch nicht gleich wieder.“ „Ja, das ist sicherlich besser so.“, stimmte Michael ihr zu, „Dein Kreislauf muss sich erstmal von Strapazen erholen.“

Gabriele und Ralf lagen sich schweigend im Arm. Gabi schluchzte immer wieder leise. Sie war froh, Ralfs Nähe zu spüren doch irgendwie war alles so unwirklich. Warum konnte es nicht einfach so sein, wie vor ein paar Tagen?

Lange verblieben Gabi und Ralf so, doch dann merkte Gabriele, dass Ralf langsam schwächer wurde. Sie wusste, dass er nach der Operation noch sehr viel Ruhe brauchte. „Ich glaube, ich geh dann jetzt besser.“, meinte sie leise. Ralf sah sie traurig an. „Soll ich morgen wiederkommen?“, fragte sie ihn, nachdem sie aufgestanden war. Ralf nickte leicht. „Okay.“, sagte Gabi leise. Sie drückte noch einmal fest seine Hand, dann drehte sie sich um und verließ schweren Herzens das Intensivzimmer.

Da sie Biggi und Thomas auf dem Gang nicht finden konnte, dachte sie sich schon, dass sie wohl zurück in Biggis Zimmer gegangen waren. Als sie die Tür öffnete und das Zimmer betrat, sah sie, dass Michael und Peter auch da waren. Die beiden erschraken bei Gabrieles Anblick. Sie sah furchtbar blass und mitgenommen aus. Als sie kurz auf der Basis gewesen war, war ihnen das überhaupt nicht aufgefallen, da sie sie nur ganz kurz gesehen hatten. Doch es war eindeutig, dass die letzten Tage nicht einfach so an Gabi vorbeigegangen waren. „Gabi, setz dich doch.“, bot Peter ihr an und stand auf. „Danke.“, sagte Gabi leise und ließ sich auf den Stuhl sinken. Sie tat den anderen schrecklich Leid, doch sie konnten nichts anders tun, als ihr Mut zusprechen. „Soll ich dich nachhause fahren?“, bot Michael ihr an. Doch Gabi schüttelte den Kopf. „Ich…ich muss noch zu Ralfs Wohnung, mich um Gonzo kümmern. Die letzten Tage hat eine Nachbarin auf ihn aufgepasst, aber ich kann es ihr schließlich auch nicht zumuten sich die ganze Zeit um den Hund zu kümmern. Außerdem bin ich mit Ralfs Wagen hier…“ Die anderen nickten verständnisvoll. „Aber wenn du Hilfe brauchst…“ „Dann melde ich mich.“, vollendete Gabi Peters Satz. „Ich werde dann mal fahren…schließlich habe ich morgen die Frühschicht.“, sagte Gabi dann entschlossen und erhob sich wieder. Die anderen wussten nicht, ob es richtig war, dass Gabi schon morgen wieder anfangen würde zuarbeiten, doch sie sagten nichts. „Ja, ich denke wir werden uns dann auch mal auf den Weg machen.“, sagte Michael zu Peter. Dieser nickte zustimmend. „Ok, dann macht euch noch einen netten Abend.“, richtete Michael sich grinsend an Thomas und Biggi. „Davon kannst du ausgehen.“, erwiderte Biggi und lächelte Thomas verliebt an.

Peter, Michael und Gabriele verließen nun Biggis Krankenzimmer und machten sich auf den Weg zum Parkplatz. „Dann bis Morgen.“, verabschiedeten sie sich voneinander. „Ja, bis morgen.“

Gabi stieg in Ralfs Auto ein und fuhr zu seiner Wohnung. Wieder kamen in ihr all die Erinnerungen an die wunderschöne Nacht, die sie hier mit ihm zusammen verbracht hatte, hoch. Sie fasste sich jedoch und betrat dann mit schnellen Schritten den Hausflur. Bevor sie Ralfs Wohnung betrat, holte sie noch Gonzo von der Nachbarin ab. Der Golden Retriever war außer sich vor Freude und sprang sofort an Gabi hoch. „Hey, Gonzo.“, begrüßte sie ihn und streichelte ihm durchs Fell. Sofort wurde Gabi wieder an Ralf erinnert. Ob er seinen Hund wieder erkennen würde? ‚Nein, wohl kaum.’, dachte sie dann. Sie verabschiedete sich von der Nachbarin und betrat denn mit Gonzo zusammen Ralfs Wohnung. Erschöpft ließ sie sich aufs Sofa sinken und streichelte Gonzo ein wenig übers Fell. „Ach, Gonzo, wenn du wüsstet…“, seufzte sie leise.

Dann fiel Gabi ein, dass sie sich in Ralfs Wohnung nach Fotos umschauen könnte, sie wusste schließlich fast nichts über seine Vergangenheit und er selbst nun ja auch nicht mehr. Im Wohnzimmer hingen einige Bilder an der Wand. Die meisten von ihnen bildeten Ralf alleine ab oder zusammen mit Gonzo. Er musste sehr an seinem Hund gehangen haben. Dann war da noch ein Foto. Gabi nahm an, dass der Mann und die Frau neben ihm seine Eltern waren. Doch da sie keine Ahnung hatte, wo sie lebten, konnte sie sie auch nicht benachrichtigen.

Schließlich schweifte ihr Blick an die gegenüberliegende Wand und blieb an einem Foto hängen, an dem er vor einigen Tagen schon einmal hängen geblieben war. Das Foto von Ralf und dieser Frau. Gabi vermutete, dass sie seine Ex-Freundin aus Berlin war. Doch sie wusste es natürlich nicht genau und ihren Namen kannte sie auch nicht. Das wollte sie auch besser gar nicht. Sie wollte nur eins, mit Ralf zusammen wieder glücklich werden, doch das lag im Moment so schrecklich weit weg. Gabi ließ sich zurück aufs Sofa sinken und seufzte. Dann fragte sie sich, ob Ralf, der neue Ralf, überhaupt damit einverstanden sein würde, dass sie in seiner Wohnung übernachtete und mit seinem Auto fuhr. Mit diesem Gedanken schlief sie schließlich erschöpft ein.

Biggi hatte gerade ihr Abendbrot aufgegessen und stellte das Tablett dann wieder zur Seite. „Ich bin so froh, wenn ich endlich wieder etwas Ordentliches zu essen bekomme.“, sagte sie dann und verzog das Gesicht. „Hey, übermorgen hast du es ja geschafft.“, sagte Thomas aufmunternd. Biggi nickte glücklich. „Ja, länger hätte ich es hier echt nicht ausgehalten.“ „Was soll ich dir denn dann als erstes kochen?“, fragte er sie dann. Biggi sah ihn ungläubig an. „Du willst für mich kochen?“ Thomas nickte. „Natürlich, du musst dich schließlich schonen, mein Schatz.“ Biggi grinste. „Ok, dann wünsche ich mir… hm... genau, ich wünsche mir chinesische Reispfanne.“ Thomas lächelte. „Bekommst du. Ich könnte dir ja sowieso keinen Wunsch abschlagen…“ Biggi legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn ganz nah zu sich. „Dann bin ich ja beruhigt.“, sagte sie grinsend und begann ihn dann zu küssen. Sie konnte es kaum noch abwarten endlich nachhause zukommen.

Gabi wachte mitten in der Nacht schweiß gebadet auf. Sie hatte einen Alptraum gehabt, in dem Ralf sie vor den Kopf gestoßen hatte und ihr gesagt hatte, dass er sie nicht liebte und das auch niemals getan hatte. Es dauerte einen Moment, bis sie realisiert hatte, dass alles zum Glück nur ein Traum gewesen war. Sie zitterte immer noch am ganzen Körper und beruhigte sich nur langsam wieder. Schließlich stand sie auf, ging in Küche und holte sich ein Glas Wasser, welches sie mit schnellen Schlucken austrank. Sie sah in den Flur, wo Gonzo friedlich in seinem Korb lag und schlief. Dann legte sie sich wieder hin und versuchte wieder einzuschlafen, was ihr jedoch erst einige Stunden später gelang. Sie musste einfach die ganze Zeit an Ralf denken. Ob der Traum ein Zeichen war? Nein, das konnte und wollte sie nicht glauben. Sie hoffe doch so sehr, dass alles wieder gut werden würde zwischen ihnen.

Am nächsten Morgen wachte sie völlig übermüdet auf, doch es nützte ja nichts, sie hatte zusammen mit Rene und Katja die Frühschicht. Langsam quälte sie sich hoch und nahm dann erst einmal eine Dusche um richtig wach zu werden. Wenig später verließ sie mit Gonzo zusammen das Haus, da sie schon spät dran war. Sie hatte allerdings beschlossen sich ein Taxi zu rufen, da sie nicht mehr Ralfs Auto nehmen wollte. Ihrs stand sowieso noch auf der Basis, so dass sie damit dann zurückfahren könnte.

Unterdessen war Rene bereits auf der Basis eingetroffen. Er wollte Gabriele, die heute ja ihren ersten Arbeitstag hatte, mit einem Frühstück überraschen. Er hatte sich wirklich sehr viel Mühe gegeben und den Tisch bereits vorbereitet. Auch für Katja hatte er mitgedeckt. Vielleicht könnte er so ja die kleine Auseinandersetzung der beiden am Vortag vergessen machen. Das hoffte er zumindest sehr, denn es war unübersehbar, dass er großen Gefallen an ihr gefunden hatte.

Als Gabriele mit Gonzo zusammen die Basis betrat, entdeckte sie sehr zu ihrem Missfallen, dass Katja noch nicht da war und sie nun mit Rene allein war. Doch was sollte sie schon tun, sie musste sich wohl oder übel mit ihm arrangieren, bis Biggi wieder arbeiten würde und das konnte noch eine Weile dauern.

„Guten Morgen Gabriele!“, wurde sie gleich von Rene überschwänglich begrüßt. „Morgen.“, murmelte Gabi nur knapp. Sie hatte heute wirklich keine Lust auf eine Unterhaltung mit Rene. „Ich habe Frühstück gemacht, setz dich doch.“,“, bot er ihr dann an. Gabi zögerte. ‚Ach, warum eigentlich nicht.’, dachte se dann. Auch wenn sie Rene nicht ausstehen konnte, ein Frühstück wäre jetzt wirklich nicht schlecht, zumal sie den ganzen Morgen noch nichts gegessen hatte. Rene war in der kleinen Küche verschwunden und kam wenige Augenblicke später mit einer Kanne Kaffee wieder raus. Er schenkte sich und Gabi ein und setzte sich dann auch an den Tisch. „Hast du eigentlich am Wochenende schon was vor?“, fragte er sie dann. „Ja“, sagte Gabi genervt. „Und was?“, fragte Rene, der nicht so schnell aufgeben wollte, neugierig. „Ich besuche Ralf in der Klinik, wie jeden Tag.“, gab Gabi zurück. „Einen Abend wird dein Ralf wohl mal ohne dich auskommen können. Dafür könntest du mit einem netten Kollegen etwas trinken gehen. Was hältst du davon?“, er lächelte sie auffordernd an. „Ach ja? Und wer soll dieser nette Kollege sein? Du?“, fragte Gabi provozierend. Damit hatte Rene nicht gerechnet. „Na dann eben nicht.“, meinte er sauer, stand auf und verließ den Aufenthaltsraum. Doch aufgegeben hatte er noch lange nicht. Gabriele war froh ihn los zu sein und lehnte sich zurück. Was würde sie jetzt dafür gegeben hier mit Biggi und Ralf zu sitzen und zu frühstücken. Wenn sie Frühschicht hatten, hatte Ralf den beiden Frauen oft ein zweites Frühstück gemacht. Aber nun? Nun lag er in der Klinik und hatte sein Gedächtnis verloren. Gabriele musste sich beherrschen um nicht wieder zu weinen zu beginnen. Indem Moment betrat Katja den Aufenthaltsraum. „Hallo Gabriele, schön, dass du wieder da bist.“, sagte sie fröhlich. „Sorry, dass ich etwas spät dran bin, aber ich habe total verschlafen.“ „Macht doch nichts, Ebelsieder hat ja zum Glück nichts bemerkt.“, sagte Gabi und bot Katja dann auch ein Brötchen und Kaffee an. Sie setzte sich beide an den Tisch und unterhielten sich etwas. „Und, geht es Ralf schon besser?“, erkundigte Katja sich. Gabi schüttelte leicht den Kopf. „Körperlich schon, aber…er hat eine Amnesie und kann sich an nichts mehr erinnern.“ „Oh mein Gott, das ist ja schrecklich.“, sagte Katja mitfühlend. Sie legte tröstend ihren Arm um Gabi. „Wenn ich irgendwas für dich tun kann – jederzeit.“ „Danke.“, meinte Gabi, „Ich komm schon klar…“ Nach außen hin versuchte sie stark zu sein, doch innerlich war sie am Boden zerstört, doch sie wollte nicht auch noch ihre Mitmenschen mit dieser entsetzlichen Trauer belasten – zumindest nicht Katja. Biggi, Thomas, Michael und Peter waren ja selbst mit betroffen.

Thomas wachte gerade langsam auf. Er sah zu Biggi hinüber doch sie schlief noch. Deshalb beschloss er kurz raus zu gehen, weil er sich bei seinen Kindern melden wollte. Sie hatten ihren Vater schließlich in den letzten Tagen weder zu sehen bekommen, noch hatten sie etwas von ihm gehört. Thomas stand extra leise auf, um Biggi nicht zu wecken und schlich sich aus dem Zimmer. Dann ging er zum Telefon auf dem Gang und wählte die Nummer seiner Ex-Frau. Zunächst nahm jedoch nicht sie ab, sondern Hubert, Veras neuer Lebensgefährte. „Ja, bei Wächter?“, meldete er sich. „Guten Tag, hier ist Thomas Wächter, könnte ich bitte mit meinen Töchtern sprechen?“, fragte er freundlich. „Da haben Sie aber Glück, sie müssen erst in einer halben Stunde los zur Schule und sind noch da.“ Hubert ging in die Küche, wo Lisa und Laura gerade beim Frühstück saßen und rief die beiden Mädchen ans Telefon. „Wer ist es denn?“, wollte Lisa genervt wissen. Sie und Laura machten Hubert, wo es nur ging, das Leben zur Hölle. Sie vermissten ihren Vater so sehr und Hubert würde Thomas niemals ersetzen können. „Euer Vater.“, erzählte Hubert ihnen. „Papa?“, rief Laura fröhlich. Und schon rannten sie zum Telefon. Laura hatte sich den Hörer zuerst geangelt. „Papa?“, fragte sie glücklich. „Ja, mein Schatz, wie geht’s dir denn?“ „Gut. Holst du mich und Lisa bald wieder ab?“ „Ja, versprochen, vielleicht schon nächstes Wochenende.“, sagte Thomas. Er freute sich riesig seine Kinder bald wieder in die Arme schließen zu können. „Gehen wir dann ins Kino?“ „Ja von mir aus gehen wir dann ins Kino! Ist Lisa auch da?“ „Ja, die steht neben mir.“ Laura überreichte den Hörer an Lisa, die schon sehnsüchtig darauf gewartet hatte. „Hallo Lisa, mein Schatz.“, begrüßte Thomas sie. „Hallo Papa. Stimmt das, dass wir am Wochenende was zusammen machen?“, fragte sie glücklich. „Ja, wenn ihr Lust habt?“ „Klar. Du, Papa, wir müssen jetzt zur Schule.“ „Ok, dann man los.“, sagte Thomas grinsend. „Ja tschüss Papa.“ „Tschüss.“ Thomas legte auf und ging dann wieder zurück zu Biggis Zimmer. Er war total glücklich, dass er am Wochenende etwas mit seinen Töchtern zusammen machen konnte, schließlich hatte er sie durch das Besuchsverbot, das Vera ihm erteilt hatte, längere Zeit schon nicht gesehen. Dann kam ihm eine Idee. Eigentlich könnte er ja auch mal etwas zusammen mit Biggi und den Kindern unternehmen. Er wusste, dass Lisa und Laura Biggi sehr mochten und auch Biggi hätte sicherlich nichts dagegen.

Als er Biggis Zimmer betrat, sah er, dass sie bereits wach war. „Ah, endlich geht für mich die Sonne auf.“, sagte sie lächelnd. Thomas ging zu ihr und gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Wo warst du denn eben?“, fragte sie dann neugierig. „Ich habe mit meinen Mädels telefoniert. Am Wochenende kann ich sie abholen, dann machen wir was zusammen.“, erzählte er ihr glücklich. „Und du kommst natürlich auch mit.“, fügte er hinzu. Biggi lächelte ihn überglücklich an. Sie mochte Lisa und Laura auch sehr und war total froh, dass Thomas sich mit seiner Ex Frau über das Besuchsrecht einig geworden war. „Das wird sicher schön.“, sagte sie glücklich. Thomas nickte. Er schloss Biggi in seine Arme und sie begannen sich zu küssen.

Gegen halb zehn betrat Dr. Dorn zusammen mit einer Schwester das Zimmer zur Visite. „Guten Morgen.“, begrüßte er Thomas und Biggi freundlich. „Na, wie geht es uns denn heute?“, wandte er sich an Biggi. „Also wie es Ihnen geht, weiß ich ja nicht, aber mir geht es gut.“, antwortete sie und grinste. „Na, das freut mich zu hören, dann werde ich mir gleich noch mal Ihre Verletzung anschauen.“ Dr. Dorn trat an ihr Bett und sah sich ihre Schulter an.

„Das sieht wirklich sehr gut aus, Frau Schwerin. Schwester Erika wird Ihnen gleich noch einen neuen Verband anlegen. Nach Ihrer Entlassung müssen Sie dann in der nächsten Zeit alle drei Tage zu Ihrem Hausarzt oder hierher in die Klinik kommen zum Verbandswechsel.“ Biggi nickte. „Hauptsache ich kann endlich nachhause.“ „Aber Sie wissen ja Frau Schwerin…“ „Keinen Stress und keine Anstrengung.“, vervollständigte Biggi den Satz des Arztes. „Genau, wenn alle Patienten so vorbildlich wären wie Sie.“, erwiderte Dr. Dorn lächelnd und verabschiedete sich wieder. Die Schwester führte bei Biggi den Verbandswechsel durch und verließ dann ebenfalls das Zimmer.

„Ach, ich kann es kaum noch erwarten bis morgen früh.“, sagte Biggi dann glücklich. „Ich doch auch nicht.“, meinte Thomas und lächelte sie  an, „Dann machen wir es uns so richtig schön.“ Biggi nickte und blickte ihm verliebt in die Augen. „Das wird wunderschön.“ Sie legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich um ihn zu küssen.

Gabi konnte es kaum abwarten bis die Schicht endlich zu Ende war. Sie hatte wirklich keine Lust mehr darauf sich auch nur eine Minute länger in Renes Gegenwart aufzuhalten. Sie wollte zu Ralf, schließlich hatte sie ihm gestern versprochen heute wiederzukommen und auch sie selbst hatte große Sehnsucht nach ihm. Schon kurz bevor die Schicht zu Ende war, verzog sie sich in die Umkleide um ihre Ruhe zu haben.

Wenig später folgte Katja ihr. „Na, war ganz schön anstrengend mit Rene heute hm?“, meinte sie. Gabi nickte. „Wenn Biggi doch endlich wieder hier wäre.“, seufzte sie. Katja nickte. „Aber sie wird doch morgen entlassen oder?“ „Ja, schon, aber sie wird sich noch einige Zeit schonen müssen und noch nicht gleich wieder anfangen zu arbeiten.“, erklärte Gabi. „Ach so, verstehe.“ Sie zogen sich um und verließen dann gemeinsam die Basis. „Dann bis morgen.“, meinte Katja. „Ja, Ciao.“ Gabi ging zu ihrem, Auto und machte ich auf den Weg zur Klinik.

Dort angekommen wollte sie zuerst noch kurz bei Biggi vorbeischauen. Irgendwie hatte sie Angst vor der Begegnung mit Ralf, wie jedes Mal. Es war so anders, so schrecklich anders zwischen ihnen, als vor dem Unfall. Gabi wusste absolut nicht, woran sie war. Waren sie noch zusammen? Hatte er überhaupt noch irgendwelche Gefühle für sie? Im Moment schien es nicht so…

Gabi schlenderte den Gang entlang bis sie vor Biggis Zimmer angekommen war. Als sie die Tür jedoch öffnete, musste sie feststellen, dass ihre Freundin nicht auf ihrem Zimmer war. Biggi hatte beschlossen mit Thomas einen kleinen Ausflug in den Krankenhauspark zu unternehmen. Sie hatten sich auf eine Bank in der hintersten Ecke des Parks verzogen und genossen dort ihre Zweisamkeit. Biggi lag in Thomas’ Armen und sah in den Himmel. Die Sonne schien und es war keine einzige Wolke zu sehen. Es war ein erstaunlich schöner und warmer Tag heute, dafür, dass es bereits Mitte September war, und Biggi genoss die letzten Strahlen der Sommersonne, die ihr ins Gesicht schienen. „Ist es nicht schön hier?“, schwärmte sie. Thomas nickte und streichelte ihr zärtlich durch die Haare. „Ja, und mit dir ist es noch viel schöner.“ Sie lächelten sich an und versanken dann in einem innigen Kuss. Biggi hätte fast vergessen, dass sie sich eigentlich im Krankenhaus befand und dies nur der zugehörige Park war, doch die leichten Schmerzen in ihrer Schulter erinnerten sie manchmal wieder daran. In diesem Augenblick allerdings nicht. Sie dachte nur an Thomas und daran, wie glücklich sie war. Immer wieder blickten sie sich überglücklich in die Augen und küssen sich.

Gabriele hatte unterdessen beschlossen doch allein zu Ralf zu gehen. Sie hatte keine Lust Thomas und Biggi jetzt auf dem Klinikgelände, das nicht gerade klein war, zu suchen. Außerdem wollten die beiden sicherlich allein sein – oder sie waren bei Ralf, aber genau dort würde Gabi nun schließlich auch hingehen. Sie war sich immer noch ein wenig unsicher, versuchte ihre Zweifel nun aberendgültig über Bord zu werfen. Hatte sie etwas zu verlieren? Nein hatte sie nicht. Sie hatte schließlich schon alles verloren. So kam es ihr im Moment jedenfalls vor. Sie konnte nur etwas gewinnen. Was hielt sie dann noch auf? Mit schnellen Schritten ging sie zum Fahrstuhl und fuhr ein Stockwerk nach oben, wo sich die Intensivstation befand. Sie betrat den kleinen Vorraum, von dem aus man durch die Fensterwand in Ralfs Zimmer schauen konnte. Doch dann stockte sie. Was war das denn? Wer war diese fremde Frau an Ralfs Bett. Gabi trat an die Scheibe und sah genauer hin. Ralf schlief und diese Frau, sie…sie hielt seine Hand. Gabi konnte es nicht fassen. Wer bitteschön war diese Frau und was machte sie an Ralfs Bett? Sofort betrat Gabriele das Intensivzimmer. Die Frau drehte ich erschrocken um und blickte die Ärztin, die nun hinter ihr stand, erschrocken an. „Ähm, hallo.“, sagte sie dann leise. „Wer sind sie und was wollen sie hier?“, fragte Gabi irritiert. „Ich bin Christine. Ralf…Herr Staller und ich, wir… ich bin seine Ex Freundin.“, erklärte sie dann. Gabi musterte diese Christine von oben bis unten. Sie hatte schulterlanges, blondes Haar und machte eigentlich einen sympathischen Eindruck. Natürlich, jetzt fiel es Gabriele wieder ein, sie kannte diese Frau doch. Ralf hatte ein Foto von ihr in seinem Wohnzimmer hängen. Ja, das war sie zweifellos – Ralfs Ex Freundin aus Berlin. Gabriele versetzte es einen Stich ins Herz. „Hallo, ich bin Gabriele Kollmann, Ralf und ich, wir sind ein Paar.“, sagte sie dann langsam. Sie wusste zwar wirklich nicht, wie es mit ihr und Ralf weitergehen sollte, doch sie wollte diese andere Frau aus seinem Leben verdrängen. Dann kam ihr eine schreckliche Befürchtung. Was war, wenn Ralf aufwachen und diese Frau wieder erkennen würde? Was war, wenn er sie noch liebte und sich an sie erinnerte? Gabi lief ein kalter Schauer den Rücken herunter, sie mochte gar nicht daran denken. „Ich…ich glaube ich gehe dann besser jetzt.“, sagte Christine dann. Gabi sah sie an und nickte. „Ja, ist wohl besser. War er wach?“, fragte sie dann nach. Christine schüttelte den Kopf. „Wenn er aufwacht, können sie ihm dann sagen, dass ich da gewesen bin?“, meinte sie noch. Gabriele nickte. „Es wird zwar sowieso nichts bringen, da Ralf unter einer Amnesie leidet und sich an nichts erinnern kann, was vor dem Unfall geschah – auch nicht an sie – aber ich werde es ausrichten.“ Christine trafen diese Worte ziemlich hart. Sie liebte Ralf immer noch und bedauerte die Trennung, an der sie schuld gewesen war. Sie hatte zu viel Stress im Job gehabt und sich deshalb von Ralf getrennt, der daraufhin nach Traunstein gegangen war. Nun hatte sie auf einen Neuanfang gehofft, doch er hatte nicht nur eine neue Beziehung, sondern sollte sich auch noch an nichts mehr erinnern können???

 Christine schob sich langsam an Gabriele vorbei zur Tür. „Tschüss.“, meinte sie dann leise. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Gabriele sie nicht leiden konnte, was wohl daran lag, dass sie Ralfs Ex Freundin war. „Tschüss.“, sagte Gabi nur in einem nicht gerade freundlichen Ton und setzte sich dann zu Ralf ans Bett.

Sie nahm seine Hand und betrachtete ihn, wieder hier ruhig und friedlich schlief. Sollte sie ihm wirklich sagen, dass seine Ex Freundin, an die er sich mit großer Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht mehr erinnern konnte, hier gewesen war? Das würde ihn sicherlich nur verwirren….doch andererseits konnte sie ihm sicherlich helfen seine Vergangenheit, oder zumindest einen Teil davon wieder zu finden. Sie wusste sicherlich auch mehr über seine Familie und seine Eltern…. Doch Gabi entschied sich trotzdem zunächst dafür, Ralf nichts von seiner Besucherin zu erzählen.

Biggi und Thomas schlenderten Hand in Hand durch den Park. Biggi fühlte sich schon wieder richtig gut und außer der Verletzung an der Schulter, merkte sie kaum noch etwas von dem Unfall. Auch wenn die Ärzte meinten, dass sie sich noch schonen sollte – was sie auch zweifelsfrei tun würde, dafür würde Thomas schon sorgen – fühlte sie sich schon wieder richtig gut. „Ich freu mich schon sooo sehr auf morgen.“, meinte sie glücklich und lächelte Thomas an. Sie blieben stehen und er legte seine Arme um sie. „Ich mich doch auch.“, sagte er, während er sie ganz nah zu sich zog. Dann begannen sie sich zu küssen.

Als sie nach einer ganzen Weile wieder von einander abließen und zurück zur Klinik gehen wollten, bemerkten sie eine junge Frau, die weinend aus dem Gebäude lief. Sie sah wirklich sehr mitgenommen aus. „Entschuldigung, können wir Ihnen helfen?“, fragte Biggi sie vorsichtig. Die Frau hob den Kopf und blickte Thomas und Biggi mit ihren rot geweinten Augen an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, mir kann niemand helfen.“, sagte sie entschlossen und ging dann mit schnellen Schritten weiter. Weder Biggi noch Thomas konnten ahnen, dass diese Frau Christine hieß und dazu noch Ralfs Ex-Freundin aus Berlin war. Sie sahen ihr beide fragend nach, gingen dann jedoch weiter in das Klinikgebäude. „Was machen wir denn jetzt?“, fragte Thomas Biggi dann. „Hm, ich weiß nicht. Es gibt bald Abendbrot. Und danach…“, sie grinste ihn an, „…Ich wüsste da schon etwas…“ „Klingt gut.“, meinte Thomas ebenfalls grinsend und sah Biggi verliebt an. „Sehr gut.“, verbesserte er sich dann, woraufhin Biggi ihn zu sich zog und ihn zärtlich küsste.

Sie gingen dann in Biggis Zimmer, da die Schwester, die das Abendessen brachte, sicherlich gleich kommen würde. „Willst du dich wieder hinlegen?“, fragte Thomas Biggi führsorglich. Sie überlegt kurz und meinte dann aber: „Okay“ Kurze Zeit später brachte auch schon die Schwester das Essen. „Ich würde jetzt viel lieber mit dir zusammen zuhause essen.“, meinte Biggi. „Hey, komm, noch eine Nacht, dann ist es überstanden.“, sagte Thomas aufbauend. „Hast ja Recht.“, stimmte Biggi ihm zu und aß dann ein wenig von ihrem Abendessen. „Und dann werden wir jeden Abend zusammen essen – das, was ich uns koche.“, fügte Thomas noch hinzu. „Na, das kann ja was werden…“, meinte Biggi grinsend. „Hey!“, protestiere Thomas und tat so, als ob er beleidigt wäre. „Oh, mein armer Schatz.“, sagte Biggi gespielt ernst und gab ihm einen Kuss. Dann sahen sie sich an und mussten beide lachen.

Währenddessen saß Gabriele immer noch am Bett von Ralf. Er war noch immer nicht aufgewacht und hatte fast den ganzen Tag geschlafen. Das war jedoch nicht verwunderlich, da sein Körper viel Ruhe brauchte um sich von den schweren Verletzungen zu erholen. Gabi hielt Ralfs Hand und redete ab und an leise mit ihm. Ihr ging diese andere Frau nicht aus dem Kopf. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie ihr Ralf wegnehmen wollte. Sie war seine Ex-Freundin, aber was war, wenn sie ihn zurückgewinnen wollte? Ralf konnte sich schließlich nicht daran erinnern, was zwischen ihnen vorgefallen war und wenn er sich damals in sie verliebt hatte, vielleicht würde er es heute wieder tun.

Doch Gabriele blieb keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn Ralf öffnete langsam die Augen. „Gabriele“, sagte er leise. „Ja“, erwiderte Gabi und sah ihn an. „Hab ich lange geschlafen?“, wollte Ralf wissen. Gabi nickte. „Fast den ganzen Tag, aber du brauchst den Schlaf jetzt, das tut dir gut.“, meinte sie und lächelte ein wenig. „Wie spät ist es? Hab ich wirklich den ganzen Tag verschlafen?“, fragte Ralf ungläubig. „Ja, es ist bereits halb sieben.“ „Oh, tut mir Leid.“ „Wieso tut es dir Leid? Du brauchst den Schlaf jetzt.“ „Weil du die ganze Zeit nichts von mir hattest. Du warst doch schon länger hier oder?“ Gabi nickte. Sie konnte ihm das mit Christine einfach nicht sagen. Vielleicht würde das alles was zwischen ihr und Ralf vor dem Unfall gewesen war endgültig in den Schatten stellen und das wollte sie natürlich auf keinen Fall.

„Gabriele…“, begann Ralf plötzlich und sah ihr in die Augen. „Ja?“, meinte sie leise und erwiderte seinen Blick. „Es ist…ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll…“ „Sag’s einfach.“, forderte Gabi ihn auf. Sie ahnte schlimmes. „Du willst mir sagen, dass….dass das mit uns vorbei ist, oder?“ Ralf sah sie erschrocken an. „Nein, eigentlich wollte ich dir etwas anders sagen. Ach Gabriele, ich weiß auch nicht, wie es mit uns weitergehen soll… Ich kann mich nun einmal nicht daran erinnern, was vor dem Unfall geschehen ist, deshalb können wir  nicht dort weitermachen, wo wir aufgehört haben.“, meinte er nachdenklich. Er wusste, dass Gabi ihn immer noch liebte und er wollte sie auf keinen Fall verletzen. Doch falsche Hoffnungen machen wollte er ihr auch nicht. Er wusste absolut nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Gabi nickte nur leicht. Seine Worte taten ihr verdammt weh. Sie liebte ihn doch so sehr, was sollte sie denn machen? „Vielleicht können wir erst mal Freunde bleiben?“, schlug Ralf dann vor. Gabi nickte nur. Sie merkte wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Nun war es also offiziell. Ralf hatte sich von ihr getrennt. Eigentlich hatte sie es ja schon die letzten Tage befürchtet, aber jetzt war sie trotzdem total am Boden zerstört, auch wenn sie damit gerechnet hatte. Sie sah Ralf traurig an. Dann drehte sie sich plötzlich um und verließ fluchtartig das Zimmer. Sie konnte einfach nicht mehr, es war so als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Wie in Trance irrte sie durch die Gänge des Krankenhauses, bis sie schließlich irgendwie den Weg zum Ausgang gefunden hatte.

Ralf hingegen lag total verzweifelt in seinem Bett und dachte an Gabi. Was hatte er getan? Er hatte alles kaputt gemacht….

Gabriele war in ihr Auto gestiegen und auf dem schnellsten Weg nachhause gefahren. Sie hielt es einfach nicht mehr aus in er Klinik – dem Ort der Enttäuschung. Auf der Fahrt fiel ihr plötzlich ein, dass sie sich in den letzten Tagen überhaupt nicht zuhause blicken lassen hatte. Ihre Mutter würde ihr jetzt sicherlich wieder lästige Fragen stellen, doch da musste sie nun wohl durch. Außerdem war sie schließlich kein kleines Kind mehr, sie war immerhin schon über Dreißig. Manchmal fragte sie sich wirklich, warum sie nicht schon längst ausgezogen war.

Biggi hatte ihr Abendessen aufgegessen und die Schwester hatte das Tablett bereits wieder abgeholt. Nun half Thomas Biggi dabei den ersten Teil ihrer Sachen, den sie nicht mehr brauchen würde, zu packen. Sie konnte es kaum noch abwarten nach Hause zu kommen und fing deshalb jetzt schon an zu packen, damit sie morgen früh nicht mehr so viel hatte. Als sie fertig waren, stand Biggi auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Es war bereits dunkel und er Mond spiegelte sich auf dem nassen Asphalt der Straße. Gedankenverloren blickte sie in die Dunkelheit. „Woran denkst du?“, fragte Thomas sie. Er umarmte sie von hinten und küsste ihr zärtlich den Nacken. „Ich frage mich, wie es Gabi wohl geht.“, meinte Biggi leise. Sie drehte sich um und schmiegte sich an Thomas, der sie fest in die Arme schloss. Er wusste, dass Biggi es ziemlich mitnahm, dass es ihrer Freundin so schlecht ging. Ihm tat Gabi ja auch Leid. Doch wie konnten sie ihr helfen? Sie konnten Ralfs Erinnerung schließlich auch nicht wieder herzaubern. „Wenn du möchtest können wir ja morgen früh bei ihr vorbei schauen.“, meinte er dann. Biggi nickte leicht. „Ich mach mir echt Sorgen sie.“, sagte sie traurig. „Ja, ich weiß, das machen wir alle. Aber ich glaube Gabi ist stark und Ralf auch, die beiden werden das schon schaffen, hm?“ „Ich hoffe, du hast Recht.“, meinte Biggi und legte ihren Kopf auf Thomas’ Schulter. „Du weißt doch, ich habe immer Recht.“, sagte er lächelnd. „Hey, wir sind heute ja wieder gar nicht von uns selbst überzeugt…“, meinte Biggi nun grinsend. „Nö, wieso?“, fragte Thomas unschuldig. Biggi lächelte. „Was würde ich nur ohne dich machen?“, sagte sie und küsste ihn zärtlich. Thomas erwiderte es und sie wurden immer leidenschaftlicher. Schließlich ließen sie sich küssend aufs Bett sinken und machten dort weiter. Biggi zog die Decke über ihre Köpfe und sie verkrochen sich darunter. „Ich liebe dich sooo sehr.“, flüsterte Biggi zwischen zwei Küssen. Als Antwort bekam sie nur einen langen Kuss, was ihr wohl auch lieber war.

Doch plötzlich ging die Tür auf und Dr. Dorn betrat das Zimmer. Thomas und Biggi waren so in ihre Küsse vertieft, dass sie es zunächst gar nicht bemerkten. Dann jedoch räusperte sich der Arzt und machte sich so vorsichtig bemerkbar. Thomas und Biggi erschraken sich total und schauten verlegen unter der Decke hervor. Sie blickten in das nicht weniger verlegende Gesicht von Dr. Dorn. Die Situation war ihnen ziemlich peinlich, dem Arzt ging es nichts anders. „Sie…Sie müssen noch die Entlassungspapiere unterschreiben.“, meinte er dann, als er seine Sprache wieder gefunden hatte. Biggi nickte schnell. Thomas und sie krochen nun ganz unter der Decke hervor und setzten sich auf. Dr. Dorn ging mit den Entlassungspapieren zu Biggi und legte sie ihr auf den Nachttisch. Sie nahm den Kugelschreiber, den der Arzt ihr überreichte, und setzte ihre Unterschrift auf das Papier. „Danke, das war’s auch schon, ich will Sie nun nicht weiter stören.“, meinte Dr. Dorn und grinste übers ganze Gesicht. Biggi und Thomas war die Situation äußerst peinlich und sie waren froh, als er das Zimmer wieder verlassen hatte. Biggi und Thomas sahen sich an, dann mussten sie beide loslachen. „Hast du Dr. Dorns Gesicht gesehen?“, fragte Biggi. Thomas nickte. „Ja, aber deins war auch nicht viel besser.“, erwiderte er grinsend, worauf er von Biggi einen Stoß in die Rippen bekam. „Hey, kann es sein, dass du in letzter Zeit ein bisschen frech geworden bist?“, fragte er lachend. „Ich? Wieso?“, fragte Biggi unschuldig und erstickte jede weitere Bemerkung von Thomas bereits im Ansatz mit einem zärtlichen Kuss. Er erwiderte es und zog Biggi wieder mit runter. Sie küssten sich immer wieder und Biggi kuschelte sich ganz eng an Thomas, der seine Arme um sie gelegt hatte. Schließlich schlief sie glücklich in seinen Armen ein.

Als Biggi am nächsten Morgen aufwachte, bemerkte sie, dass Thomas immer noch neben ihr lag und sie im Arm hatte. Sie mussten wohl gestern Abend eingeschlafen sein. Sie versuchte sich nicht zu bewegen um ihn nicht zu wecken und schloss wieder die Augen. Sie genoss den Augenblick, die Stille, die Nähe zu Thomas, die Wärme ... sie liebte ihn so sehr. Sie öffnete nochmals die Augen und sah in sein Gesicht. Sie lächelte. Oh ja, sie liebte ihn. Unendlich. Sie konnte nicht anders. Sie musste ihm einfach einen Kuss auf die Stirn geben. Ganz zärtlich und leicht berührte sie ihn mit den Lippen. Einige Sekunden später schlug er die Augen auf. Er blickte sie an. "Ich hab gerade geträumt, dass mich ein Engel geküsst hat ...", sagte er leise und lächelte. "Wer mag das wohl gewesen sein?", fragte Biggi. "Der schönste Engel, den es gibt auf der ganzen Welt. Na, klingelt's?" "Nein. Ich weiß nicht, wen du meinst." "Es ist der, den ich liebe und den ich gleich küssen werde." Daraufhin näherte er sich ihrem Gesicht und küsste sie unendlich zärtlich. Er legte dabei fester seine Arme um sie und sie verkrochen sich immer leidenschaftlicher küssend unter der Bettdecke.

Gabi hatte nun nach längerer Zeit wieder zuhause, bei ihrer Mutter, übernachtet. Selbstverständlich war sie von ihr ausgefragt worden und hatte versucht, ihrer Mutter zu erklären, dass es kein Mann war, der ihr in den letzten Wochen die Zeit geraubt hatte, sich zuhause blicken zu lassen. So wie es sonst immer war, wenn sie sich bei ihrer Mutter rar machte. Es war nur natürlich gewesen, dass ihre Mutter gleich wieder einen neuen Freund dahinter gesehen hatte. Irgendwie war es ja so. Aber irgendwie auch wieder nicht. Nicht mehr. Es war alles so kompliziert, so unnatürlich. Warum konnte sie nicht einfach eine ganz normale Beziehung erleben? Wie jeder andere Mensch? Einfach glücklich sein? Ralf war der Mann, den sie als ihre große Liebe bezeichnet hatte - nein, sie tat es immer noch. Nie hatte sie jemanden mehr geliebt als ihn. Warum konnte nicht einfach alles nur glatt laufen? Warum musste ausgerechnet ihr das passieren?

Sie hatte eine recht schlafarme Nacht verbracht. Aber zumindest brachte sie die andere Umgebung zuhause nicht immer auf die Gedanken an Ralf. Sie konnte ein ganz klein wenig abspannen, obgleich sie wieder viele Tränen vergoss. Es tat so unglaublich weh ... plötzlich waren sie nur mehr Freunde. Als hätte es die paar wunderschönsten Tage ihres Lebens nie gegeben.  Sie waren wie ausgelöscht. Einfach weg. Er hatte mit ihr Schluss gemacht. So wie es jeden Tag tausende andere Menschen taten. Nur - die hatten einen Grund. Ralf allerdings hatte keinen Grund. Er wusste es einfach nicht. Er wusste gar nichts. Und sie wusste inzwischen auch nichts mehr. Vor allem nicht, wie es weitergehen sollte. Wie sie weiterleben sollte. Ob sie überhaupt weiterleben sollte ...

Biggi war bereits das Frühstück gebracht worden. Die letzte Mahlzeit, die sie in der Klinik zu sich nehmen musste. Sie freute sich schon so sehr darauf, wieder nachhause zu dürfen. Gleich nach dem Frühstück würde sie sich anziehen, packen und Thomas würde sie nachhause bringen. Er saß neben ihr und sie fütterten sich gegenseitig. "Gleich werde ich dich verschnüren, in den Kofferraum packen und mitnehmen.", meinte er lächelnd. Er konnte es kaum mehr erwarten. "Jaja, das könnte dir so passen.", meinte sie und küsste ihn. "Aber ich darf doch bei dir bleiben, oder?", fragte Thomas mit Dackelblick. "Das musst du sogar, sonst müssen sie mich gleich wieder hier einliefern weil ich vor Sehnsucht nach dir fast sterben würde." "Oh, das darf ich natürlich nicht zulassen.", entgegnete Thomas glücklich und küsste sie wieder.

Als das Frühstück fertig war, machte Biggi sich sogleich daran, sich umzuziehen. Thomas half ihr, die Sachen zusammenzusuchen und brachte sie dabei allerdings fast noch mehr durcheinander. Sie lachten viel, konnten es allerdings kaum abwarten endlich fertig zu sein und fahren zu können. Als Biggis Tasche endlich gepackt auf dem Bett stand, setzten sie sich erschöpft dazu und küssten sich. Dabei legten sie sich noch mal aufs Bett und umarmten sich. Nach einer Weile meinte Thomas: "Warte noch kurz ... ich muss nur schnell was erledigen, bevor wir losfahren." "Was denn? Jetzt noch?" "Das wirst du schon sehen.", meinte Thomas glücklich lächelnd und küsste sie nochmals zärtlich. Dann verschwand er aus dem Zimmer, nachdem er ihr nochmals "Ich liebe dich unendlich" ins Ohr geflüstert hatte...

Sein Weg führte ihn direkt in den Blumenladen. Der war ziemlich verwinkelt im hintersten Eck des Klinikums gelegen und Thomas ärgerte sich, wie lange er brauchte, um hinzugelangen. Er wollte doch zu seiner Biggi.

Als er aus dem Lift stieg, streifte er den dunklen Mantel eines Herren, der seinen Hut so tief ins Gesicht gezogen hatte, dass er kaum zu erkennen war. Er bestieg den Lift, den Thomas verlassen hatte und fuhr einige Stockwerke nach oben. Bevor sich die Tür schloss, beobachtete er mit einem hämischen Grinsen, wie Thomas in die andere Richtung verschwand. Das lief doch besser, als er sich erhofft hatte...

Den Weg, den der Mann zu gehen hatte, kannte er schon längst. Und auch den Weg, der ihn nach draußen führen würde. Und die Person, mit der er zusammen das Gebäude verlassen würde ...

Als sich plötzlich die Tür zu Biggis Zimmer öffnete, war sie überrascht und erfreut sogleich, dass Thomas wohl offensichtlich doch nicht so lange gebraucht hatte. "Schatz, da bist du j..." Sie hielt in ihrem Satz inne. "Herr ... Herr Ebelsieder?" "Erraten", antwortete dieser ihr und zog seinen Hut nun ganz aus seinem Gesicht. Er schritt auf Biggi zu, die immer noch verdattert auf ihrem Bett saß. "Was wollen Sie hier?" "Ich hole Sie ab, Frau Schwerin. Oder wollen wir nun nicht doch lieber endlich du zueinander sagen?" "Bitte verlassen Sie das Zimmer. Thomas wird jeden Moment kommen." "Ach, der kommt nicht so schnell. Bin ihm unten am Lift begegnet, er hatte wohl wichtigeres zu tun als auf Sie aufzupassen. Pech für ihn." "Hauen Sie ab!" Biggi bekam es langsam mit der Angst zu tun.  Der Blick, mit dem Ebelsieder sie ansah ... er kam immer näher auf sie zu. "Sie werden jetzt mit mir kommen." "Das werde ich unter Garantie nicht.", sagte Biggi entschlossen. Der hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. "Da wär ich mir nicht so sicher ... Biggi." Mit einem schnellen Griff in seine Tasche hatte er ein Messer hervorgezogen. Biggi erschrak und starrte es an. "Das ist doch nicht Ihr Ernst." "Frank ... nenn mich doch bitte Frank." "Niemals.", entgegnete Biggi eisern, wobei sie sich schon längst nicht mehr so mutig und sicher fühlte, wie sie sich gab. "Na das werden wir schnell ändern ..." Mit diesen Worten stürzte er auf sie zu, packte sie von hinten, zog sie hoch und hielt ihr das Messer an den Hals. Biggis Blut erstarrte. Sie begann vor Angst zu zittern und fragte ihn nochmals: "Was soll Ihnen das denn bringen? Denken Sie etwa, dass ich je Ihre Gefühle erwidern werde? Das hat doch keinen Sinn, lassen Sie mich los." "Bei derartigen Sinnfragen bin ich anderer Meinung, wenn du mich fragst. Und jetzt Klappe. Ein Ton, während wir jetzt rausgehen werden, und du wirst dieses Gebäude niemals lebendig verlassen. Ist das klar?" Noch fester hielt er ihr das Messer an den Hals und Biggi hatte keine andere Wahl als zu nicken. Sie hatte Todesangst. In diesem Moment begann sie, Ebelsieder alles zuzutrauen. Nie hatte sie erwartet, dass die Situation je so eskalieren würde. Sie war verzweifelt. Was hatte er vor?

Er stieß sie unsanft aus der Tür, hielt sie hinten an der Bluse unauffällig, aber mit festem Griff fest und leitete sie den Gang hinunter. Er hatte mehr Glück als Verstand. Fast kein einziger Mensch befand sich in diesem Augenblick auf dem Flur. Er führte Biggi in die entgegen gesetzter Richtung, aus der er gekommen war und in die Thomas gegangen war. Schließlich gelangten sie am anderen Ende des Gebäudes zur Nottreppe, die nur selten benützt wurde. Durch sie gelangten sie direkt an den Hinterausgang der Klinik, von wo aus es ein Leichtes war, unauffällig zu Ebelsieders Auto zu gelangen, das er dort geparkt hatte. Wohl geplant. Er stieß Biggi mit einem kräftigen Ruck auf den Beifahrersitz, schloss die Tür von außen ab und setzte sich ebenfalls ins Auto. Nachdem er Biggi, die sich kaum mehr zu wehren getraute, sowohl die Hände gefesselt als auch den Mund verklebt hatte, startete er den Motor und brauste mit hoher Geschwindigkeit davon. Auch diesmal wusste er genau, wohin sein Weg ihn führen sollte ...

"Wunderbar. Wenn Sie mir die bitte einpacken würden?", bat Thomas die Verkäuferin zufrieden. Er hatte lange gebraucht, um das richtige für seine Biggi auszusuchen, doch nun war er glücklich über das Ergebnis. Er hoffte, Biggi nicht zu lange alleingelassen zu haben, hoffentlich war sie nicht sauer. Aber das würde sie schon nicht sein, wenn er ihr diesen wunderbaren Strauß Blumen vor die Augen halten würde, freute er sich. "Ist es recht so?", fragte die Verkäuferin. "Super, danke." Er verabschiedete sich und machte sich auf den schnellsten Weg hoch in Biggis Zimmer. Dort sollte er eine böse Überraschung erleben ...

"Hey mein Schatz! Da bin ich wieder! Entschuldige, dass es so la ... Biggi?" Als Thomas mit dem riesigen Blumenstrauß in der Hand das Zimmer betreten hatte, blickte er sich verwundert um. Wo war Biggi? "Hey! Hast du dich versteckt?", fragte er dann und grinste. Er blickte hinter die Tür, dann um die Ecke, ins Badezimmer und sogar in den Schrank. Nichts. Langsam wurde ihm etwas mulmig. Was hatte das zu bedeuten? War sie etwa sauer geworden und gegangen, weil er so lange gebraucht hatte? Aber ihre Sachen waren doch noch da! Hier lag ihre Tasche, ihr Rucksack und ... er entdeckte noch etwas. Auf dem Boden. Doch es gehörte nicht Biggi. Er hob es auf. Es war ein Schlüsselanhänger, und er erkannte das Medicopter-Abzeichen darauf. Irgendwo hatte er diesen Anhänger schon mal gesehen. Aber nicht bei Biggi. Auch nicht bei seinen Kollegen. Es war auf Ebelsieders Schreibtisch gewesen. Nein, das konnte doch nicht ... das durfte doch nicht wahr sein. Thomas überkam Panik. Nach einigen Sekunden, in denen er wie erstarrt auf der Stelle gestanden hatte, rannte er plötzlich los und stürzte auf den Flur hinaus.

Inzwischen waren Ebelsieder und Biggi schon eine ganze Strecke gefahren. Biggi sah verzweifelt aus dem Fenster. Diese Gegend hier kannte sie nicht. Sie war unheimlich. Was konnte sie tun? Sie war gefangen. Immer wieder blickte sie auf den Türöffner. Sollte sie ... sollte sie sich aus dem Auto werfen? Nein, das war zu gefährlich. Aber was war gefährlicher - hier bei Ebelsieder zu bleiben oder sich auf die Straße zu werfen? Sie wusste doch nicht mal, was Ebelsieder mit ihr vorhatte. Er würde sie doch wohl kaum umbringen, er war doch in sie verliebt. Allerdings traute sie ihm alles zu, er war gar nicht wieder zu erkennen. Vielleicht hatte er begriffen, dass er keine Chance hatte, und wollte sich nun rächen? Die schlimmsten Gedanken kamen ihr und sie spielte wieder mit dem Gedanken, die Tür zu öffnen. Wäre sie schnell genug, könnte sie wegrennen. Vielleicht hatte sie Glück und jemand würde sie finden? Doch diese Straße sah so schrecklich verlassen aus. "Woran denkst du denn?", fragte Ebelsieder sie und blickte sie an. Sie blickte stechend zurück. "Ach, ich hatte ja ganz vergessen, dass du im Moment nicht reden kannst.", meinte er und grinste. Biggi hätte ihm am liebsten eine geknallt. Wie gern hätte sie ihm alle Schimpfwörter an den Kopf geworfen und ihm befohlen, sie gefälligst wieder zu siezen. Doch so schnaubte sie nur verärgert und sah wieder nach vorn.

"Nanana, nicht beleidigt sein.", sagte Ebelsieder darauf und fasste mit der Hand nach ihrem Bein. Sie schüttelte ihn ab, doch das nützte nicht viel. Zärtlich streichelte er ihr über den Schenkel, worauf sie sich ekelnd so nah es ging an die Seitentür presste. Als er ihr dann noch über das Gesicht streicheln wollte, wurde es ihr zuviel und sie fasste einen Entschluss.  Es ging verdammt schnell. Kaum hatte sie mit ihren gefesselten Händen die Türschnalle geöffnet, flog sie auch schon aus dem Auto. Ebelsieder konnte gar nicht schnell genug hinsehen.

Zum Glück landete Biggi in weichem Gras und es passierte ihr nichts. Sie rappelte sich so schnell sie konnte wieder hoch und rannte weg. In einen Wald. Sie rannte so schnell sie nur konnte. Ebelsieder hatte inzwischen natürlich angehalten. Während des Rennens riss sich Biggi den Klebestreifen vom Gesicht und atmete tief durch. Sie rannte und rannte und rannte und dachte an nichts anderes, als bloß hier wegzukommen. Und sie dachte an Thomas. Wenn er doch nur hier wäre. Beim Gedanken an ihn kamen ihr die Tränen. Doch sie rannte weiter. Sie rannte endlos, bis sie schließlich nicht mehr konnte. Sie sah sich um, und als sie niemanden hinter sich sah, blieb sie erschöpft stehen und ließ sich zu Boden fallen. Sie spürte, wie ihr plötzlich schwindlig und schließlich schwarz vor Augen wurde. Doch sie fasste sich wieder und versuchte langsam zu atmen. Das war zuviel gewesen, und das wusste sie auch. Schonen sollte sie sich. Von wegen. Am Tag ihrer Entlassung war schon ein psychotischer Mann hinter ihr her, den sie bis vor ein paar Tagen noch als harmloses Weichei eingeschätzt hatte. Sie musste es schaffen, sie musste von hier weg. Was würde er noch mit ihr anstellen? Sie wusste es nicht. Mühsam stand sie wieder auf und lehnte sich an einem Baum an. Doch lange hatte sie nicht die Ruhe, hier zu stehen.

Plötzlich wurde sie von hinten gepackt. Ein starker Griff hielt sie fest und zerrte sie nach hinten. Sie brauchte nicht lange zu überlegen, um zu wissen, dass Ebelsieder sie eingeholt haben musste. Sie war so sehr erschrocken, dass sie für kurze Zeit zu keiner Reaktion fähig war. Doch dann versuchte sie sich zu wehren und schlug um sich. "Lassen Sie mich, bitte!! Was soll denn all das bringen??" "Das werd ich dir schon noch zeigen. Wir beide haben noch viel vor. Und nenn mich gefälligst Frank." "Nein!" daraufhin verpasste er ihr eine schallende Ohrfeige. Geschwächt wie Biggi bereits war, reagierte sie nicht darauf und versuchte weiter sich loszureißen. Doch ohne Erfolg. Irgendwann musste sie erkennen, dass es keinen Sinn hatte. Ebelsieder schliff sie den ganzen Weg zurück zum Auto und stieß sie schließlich hinein. Diesmal allerdings knebelte er sie nicht wieder, sondern brauste sofort los. Während der Fahrt überlegte sie, was sie noch tun könnte, doch ihr fiel kein Ausweg ein. Sie dachte an Thomas. Was er wohl gerade machte?

Tja, was Thomas gerade machte. Thomas war wie von 1000 Hornissen gestochen zur Basis gerast. Dort hatte er es kaum geschafft, in Ruhe zu erzählen, was passiert war. Nachdem Michael ihm einen Tee gemacht hatte, beruhigte er sich um ein Minimum. Alle waren vollkommen schockiert von der Nachricht. Es war ganz offensichtlich, dass es keine andere Möglichkeit geben konnte: Ebelsieder hatte Biggi entführt. Ratlos versuchte man sich untereinander zu beraten, was sie nun tun konnten. Ob sie überhaupt etwas tun konnten. Sie mussten Biggi retten, das war jedem klar. Alle Gedanken waren bei ihr, doch konnte keiner auch nur ein wenig klar nachdenken. "Wir müssen jetzt erstmal die Polizei verständigen.", schlug Michael vor. Alle waren einverstanden. "Aber ... aber wenn er ihr dann was tut?", fragte Thomas verzweifelt. Michael blickte zu ihm und sagte: "Thomas, was, wenn wir es nicht tun?" Thomas bekam feuchte Augen. "Allein sind wir machtlos. Wir haben nicht die geringste Ahnung, wie wir Biggi da rausholen können. Wir brauchen Unterstützung. Verstehst du?" Thomas nickte. Er stützte den Kopf in seine Hände. Die anderen sollten seine Tränen nicht sehen. Seine Verzweiflung. Er war völlig am Boden. Was hatte dieses Schwein mit seiner Biggi gemacht?

Ebelsieder war bereits fast an seinem Ziel angelangt. Eine alte Scheune am Ufer der Salzach, eine Stelle, an der die Strömung besonders stark war und hohe, reißende Wellen bildete. Die Scheune daneben war seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden. Doch vor kurzem hatte man sie in eine kleine Wohnung umfunktioniert. Ein Auftrag von Frank Ebelsieder. Nun gab es dort eine kleine Küche, ein Sofa und sogar ein Bett.

Die weitere Fahrt verlief ohne Zwischenfälle. Biggi hatte keine Möglichkeit mehr gefunden, zu flüchten oder sich gegen Ebelsieder zu wehren. Er war einfach viel zu stark und sie zu schwach. Als er das Auto vor die Scheune fuhr, hörte Biggi schon die reißende Strömung im Fluss. Sie liebte dieses Geräusch und kurz fühlte sie sich ein wenig besser, sie fühlte sich für eine Millisekunde, als wäre sie an ihrer Basis. Doch dieser Moment war schnell vorbei, als Ebelsieder sie unsanft packte und aus dem Auto zerrte. Er blickte nach oben. "Oh, da scheint sich ein Gewitter anzubahnen. Na prima, dann werden wir beide es noch gemütlicher haben." "Sie sind doch verrückt.", antwortete Biggi nur trocken. Ebelsieder musste sich sehr zusammenreißen, um nicht wieder auszurasten und ihr eine Ohrfeige zu verpassen. Doch er beherrschte sich und sagte nur: "Du wirst schon sehen, was du an mir hast." Biggi schnaubte lautstark und wandte ihren Kopf ab. Er zog das Messer hervor und hielt es ihr wieder an den Hals. "Ein freches Wort noch, dann...!" "Was dann?", fragte Biggi versucht sicher, was sie eigentlich schon längst nicht mehr war. "Ich verlange gefälligst einen sanfteren Ton mir gegenüber. Ich bin doch auch nett zu dir, oder etwa nicht?" Er blieb stehen, hielt sie vor sich hin und streichelte über ihr Gesicht. Sie drehte sich weg, doch sie entkam ihm nicht. "Du solltest besser brav sein...", sagte er leise, dann neigte er sich zu ihr und versuchte sie zu küssen. Doch er schaffte es wieder nicht, da sie sich von ihm wegbeugte, soweit es ihr nur möglich war. Daraufhin packte er sie wutschnaubend und zerrte sie weiter zum Tor der Scheune.

Als er die Scheune betrat und Biggi hineinstieß, dachte diese nur an eines: "Thomas...hol mich hier raus." Beim Gedanken an ihren geliebten Thomas stiegen ihr wieder Tränen in die Augen.

Doch ihre feuchten Augen waren nicht die einzigen, die um einen geliebten Menschen weinten. Thomas stand im selben Moment am Fenster der Basis, beobachtete, wie es langsam zu regnen begann und blickte in die Ferne. "Biggi ... wo bist du nur?"

"Ok, in Ordnung, dann warten wir hier auf Sie. Danke." Michael hatte gerade das Gespräch mit der Polizei beendet. Er hatte mit einem Kriminalkommissar gesprochen, der versprochen hatte, sich um den Fall zu kümmern. Er würde in wenigen Minuten mit einigen Kollegen an der Basis erscheinen.

Diese Nachricht erleichterte Michael, Peter, Gabi und natürlich Thomas ein wenig, doch brachte sie noch längst kein Stückchen Hoffnung mehr, Biggi zu finden.

"Lasst uns noch mal in Ruhe überlegen. Haben wir irgendwelche Anhaltspunkte, wo Ebelsieder Biggi hingebracht haben könnte?", fragte Michael in die Runde. Alle schüttelten verzweifelt die Köpfe.

Rene hatte sich abgewandt. Er war der Meinung, dass ein Rettungsteam keine Detektivrunde war und es nicht zu seinen Aufgaben gehörte, vermisste Kollegen einzusammeln. Das allerdings hatte nicht mal er sich laut zu sagen getraut, da ihm die Kollegen in der Anspannung, besonders Thomas, wahrscheinlich an die Kehle gegangen wären. So verzog er sich in den Hangar zum Flipper. Sollte sie doch verschwunden bleiben, diese Biggi. Dann konnte er wenigstens länger hier am Posten bleiben, bei Gabi ... er hatte noch viel vor...

Ebelsieder hatte Biggi in die Scheune gezerrt, die sogar mit Kunststoffboden belegt war. "Wir werden eine wunderschöne Zeit zusammen verbringen, stimmt's?", fragte er Biggi, die versuchte, sich von ihm loszureißen. "Nein, das werden wir nicht.", antwortete sie. Sie befürchtete, wieder einen Wutanfall Ebelsieders zu ernten, doch er blieb wider Erwarten ganz ruhig. "Doch doch, das werden wir, wirst du schon sehen. Ich weiß genau, dass du mich auch magst. Aber Wächter lenkt dich an der Basis immer zu sehr ab. Deshalb mussten wir eben hierher kommen um Zeit für uns zu haben." "Was ist denn los mit Ihnen??" Biggi verstand die Welt nicht mehr. Sie konnte sich doch nicht so getäuscht haben in einem Menschen? Ja, Ebelsieder hatte sie zwar immer bedrängt, aber er war doch immer noch ein seriöser Mann gewesen?! "Sie ... Sie wissen genau, dass ich Thomas liebe, nur ihn - und nichts wird daran etwas ändern, schon gar nicht eine einsame Nacht mit Ihnen in dieser Scheune!" Ebelsieder musste diesmal lange tief atmen, um nicht wieder in Wut auszubrechen. Er stieß Biggi zu Boden, fesselte sie an den Pfosten des Bettes, das mitten im Raum stand, und begab sich in die Kochecke. Dort holte er ein Päckchen Tabletten aus dem Schrank und nahm mit einem Schluck Wasser gleich fünf davon zu sich. Kurz darauf wurde er wieder ruhig und ausgeglichen. Er begann wieder zu säuseln. "Ach ja ... wir werden es wunderschön haben ...", meinte er zufrieden. "Sie sind ja verrückt.", erwiderte Biggi nur. "Das sagst du nur, um deine Gefühle für mich zu verdrängen.", säuselte er weiter. "Doch ich weiß, dass du mich liebst." Das mussten diese verdammten Tabletten bewirkt haben, dachte Biggi und blickte auf das Päckchen in der Küche. Wenn sie doch nur an sie herankommen würde! Aber die Fesseln, mit denen sie ans Bett gekettet war, waren stahlhart. Sie war hilflos. Es gab keine Chance, zu entkommen. Von draußen hörte sie das Rauschen des Flusses und das Prasseln der Regentropfen ... sie dachte an Thomas.

Währenddessen waren die Polizei und der Kommissar namens Billmann bereits an der Basis eingetroffen und hatten eine erste Besprechung mit dem Team vorgenommen. "Sie haben also diesen Schlüsselanhänger im Zimmer von Frau Schwerin vorgefunden, richtig?" Thomas schaffte es kaum, zu antworten, so fertig war er. Michael legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter und beantwortete die Frage für ihn. "Ja, das haben wir ja vorhin schon gesagt. Sonst war nichts Auffälliges dort vorzufinden, leider." "Verstehe. Wie gut kennen Sie Frank Ebelsieder denn? Hat es schon früher Auffälligkeiten im Bezug auf das Entführungsopfer gegeben?" Thomas wurde das alles zuviel. Er wandte sich ab und ließ sich erschöpft aufs Sofa fallen, wo er den Kopf wieder in die Hände stützte und versuchte, seine Tränen zurückzuhalten. Die konnte er jetzt nicht brauchen. Peter brachte ihm eine heiße Tasse Tee, während Michael und Gabi, die ebenso eine riesige Angst um ihre Freundin hatte und das erste Mal von Ralf abgelenkt wurde, weiter mit Herrn Billmann sprach. "Ja, es hat sehr wohl Auffälligkeiten gegeben. Er hat unsere Kollegin schon immer bedrängt, es war unübersichtlich, dass er in sie verliebt war. Sie hat ihn jedoch immer abgewiesen. Leider kennen wir ihn privat kaum. Er ist nur unser Chef." "Gibt es dennoch irgendwelche Anhaltspunkte?" "Nein, leider." "Könnte ich sein Büro sehen?" "Ich bringe Sie hin.", erklärte Gabi sich bereit und zusammen gingen sie in Ebelsieders Büro. Und dort sollten sie nicht nur Büroakten vorfinden...

Während Kommissar Billmann mit einigen Kollegen Ebelsieders Büro auf den Kopf stellte, spitzte sich die Situation in der Scheune für Biggi immer mehr zu. Ebelsieder hatte inzwischen schon wieder zwei dieser Tabletten zu sich genommen und wurde immer zudringlicher. Biggi hatte sich so nah es ging an das Bett gekauert und beobachtete ihn ängstlich, wie er in der Scheunenwohnung auf und ab schritt. Eigentlich müsste sie jetzt zuhause auf ihrem Sofa sitzen und sich von Thomas verwöhnen lassen .... von Thomas ... Thomas - sie vermisste ihn so. Wo war er? Wann würde er kommen und sie hier rausholen? "Bitte, Herr Ebelsieder, lassen Sie mich doch gehen.", wagte sie einen weiteren Versuch, mit ihm zu reden. "Wir haben nur einen Ausflug gemacht, das können wir doch vor der Polizei sagen. Lassen Sie doch mit sich reden!" Ebelsieder drehte sich um und blickte so plötzlich so starr in ihr Gesicht, dass sie vor Schreck zurückzuckte. Es war völlig sinnlos. Er stand vollkommen unter der Wirkung dieser Tabletten. Wahrscheinlich hatte er sie schon den ganzen Tag zu sich genommen und auch damals, als er plötzlich an ihrem Bett aufgetaucht war. "Bleib doch locker! Wir haben doch keinen Grund, zur Polizei zu gehen. Und ich wüsste auch keinen Grund, dich gehen zu lassen. Die Zeit mit dir beginnt doch gerade erst ..." Er schritt langsam und bedächtig auf sie zu und beugte sich vor ihr hinunter. Er fasste nach ihrem Kinn und wollte ihren Kopf hochheben, sodass sie ihm in die Augen sah. Doch Biggi wehrte sich. "Hören Sie auf! Ich werde niemals tun, was Sie sagen!" Ebelsieders Stimme begann zu zittern ... "Doch doch ... doch doch ... das wirst du."  Dann stand er auf, eilte zur Küche und warf sich wieder drei Tabletten in ein Glas Wasser, um sie anschließend begierig in einem Zug zu schlucken. Biggi schauderte bei dem Gedanken, dass ein normales Gespräch inzwischen wohl längst unmöglich geworden war - Ebelsieder wurde vollkommen von den Medikamenten beherrscht.

Lange hatte sie allerdings nicht Zeit darüber nachzudenken, kaum hatte er sich durch die Tabletten wieder beruhigt, drehte er sich um und kam auf sie zu.  "Du liebst mich, das weiß ich einfach ... schon die ganze Zeit bist du in mich verliebt, aber du hast dich eben nie getraut es mir zu sagen, weil Wächter dich so bedrängt hat ...", fing er an. "WAS???" Biggi war verzweifelt. "Sie wissen doch selbst, dass Sie absoluten Blödsinn reden. Ich liebe Thomas. Sie haben mich bedrängt, nicht er. Und in ihn bin ich verliebt, nicht in Sie. Kapieren Sie das doch endlich. Diese verdammten Tabletten ändern auch nichts daran." "Jaja, ich weiß, dass du es vertuschen möchtest. Du hast Wächter gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil du ihm falsche Hoffnungen gemacht hast. Ich weiß ja, was für ein gutes Herz du hast." Biggi schüttelte nur den Kopf. "Komm her, hier sind wir allein, Wächter bekommt ja nichts mit. Kuscheln wir doch ein wenig, es stürmt dort draußen so gemütlich." Daraufhin neigte er sich zu Boden und setzte sich neben Biggi, die, so weit es ihr mit den Fesseln möglich war, wegrutschte. Doch das nützte nichts. Er rückte nach, bis er schließlich eng an ihr saß und seinen Arm um sie legte. Als er sie zu sich zog, um sie zu küssen, dachte sie sich nur den Tränen nahe: "Thomas, wo bist du nur???!!! Lass mich doch nicht im Stich ..." Sie drehte den Kopf weg. "Sei doch nicht so pingelig!", warf Ebelsieder ihr vor. "Hey - du weinst ja ..." Biggi neigte sich noch weiter von ihm. "Nein, das tue ich nicht.", entgegnete sie. "Aber natürlich tust du das ... bist du traurig darüber, dass es so lange gedauert hat, bis wir endlich zueinander finden?" Tatsächlich waren Biggi Tränen über das Gesicht gelaufen. Tränen der Verzweiflung. Und der Sehnsucht. Aber nicht nach Ebelsieder. Nach THOMAS ...

Zur selben Zeit hatten Billmann und seine Kollegen bereits jeden Stein in Ebelsieders Büro dreimal umgedreht. Nun hatten sie sich die Aktenmappen vorgenommen, allerdings ohne große Hoffnung, auf etwas Nützliches zu stoßen. Doch in dieser Voraussicht schlugen sie fehl...

Während Billmann eine der Dutzenden Mappen durchforstete, murmelte er leise mit seinen Gedanken ... "Stützpunktleitungstagung April ... Medikamentenbestellung Mai ... extra Tankladung Juni ... Urlaubsvertretungen Juli ... Immobilienumbau August ... Blackboxwechsel Sept – Immobilienumbau August???" Er schreckte hoch und blätterte ein paar Blätter zurück. "Ausstattungshaus Weber&Company ... hier ist ein Bestätigungsbrief ... Auftragsbestätigung ... zum Umbau der Brungsbach-Scheune?? .. haben den Auftrag erhalten ... Küche dürfte ein Problem darstellen ... Wasserleitung kostenintensiv ... WAS??" "Haben Sie etwas gefunden?", fragte Gabi angespannt. "Ja, und ob. Wissen Sie etwas über eine Scheune, die für Medicopter umgebaut wurde?" "Hä? Nein. Nie gehört." Sie rief nach Michael, Peter und Thomas.  Die Pulsfrequenz aller vier stieg rapide in die Höhe, als sie von Billmanns Fund hörten. Keiner hatte je von einer "Brungsbach-Scheune" gehört, geschweige denn, dass es einen Umbau für Medicopter gegeben haben sollte. "Steht hier denn irgendwo eine Adresse?", fragte Thomas aufgeregt. "Nein. Danach habe ich auch bereits gesucht. Keine Anhaltspunkte, wo diese Scheune stehen soll."

Thomas blickte aus dem Fenster und sah, dass es bereits dunkel wurde. Und wo war seine Biggi? Er wandte sich von den anderen ab und schritt auf den Flur hinaus. Dann zog er aus seiner Seitentasche ein Foto heraus - ein Foto von Biggi. Sie lächelte ihm entgegen. Doch er brachte kein Lächeln zustande. Nicht jetzt. Jetzt ging es ihm nur wie dem Himmel dort draußen, der stärker und stärker zu weinen begann - das Foto wurde nässer und nässer...

Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter – Peter war hinter ihn getreten. Thomas sah kurz zu ihm auf und Peter bemerkte, dass Thomas geweint haben musste. „Hey, wir werden Biggi finden.“, versuchte er seinen Kollegen aufzubauen. „Und was macht dich da so sicher? Oder weißt du, wo diese Brungsbach-Scheune liegt?“, fragte Thomas verzweifelt. Peter hielt einen Moment inne. „Wir werden es herausfinden!“, sagte er dann entschlossen. Thomas nickte nur schwach. Er hoffte so sehr, dass Peter Recht hatte und sie Biggi finden würden. Doch sicher was das gewiss nicht, schließlich wussten sie nicht einmal genau, ob diese Scheune wirklich etwas mit Biggis Entführung zu tun hatte. Was hatte dieses Schwein nur mit einer Biggi gemacht? Ob er ihr etwas angetan hatte? Thomas mochte gar nicht daran denken, allein bei der Vorstellung daran, wurde ihm ganz schlecht. Wieder fiel sein Blick auf das Foto. „Ich hab solche Angst um dich.“, flüsterte er leise.

Kommissar Billmann hatte unterdessen auf der Wache angerufen und seine Kollegen beauftragt etwas über diese Scheune herauszufinden. Zwar konnte man mit Hilfe des Computers herausfinden, wo diese Scheune stand, sofern sie unter dem Namen Brungsbach-Scheune registriert war, doch das könnte dauern, einige Tage lang. Schließlich musste die gesamte Gegend überprüft werden. „Meine Kollegen werden jetzt die gesamte Gegend überprüfen, und ich bin mir sicher, wenn es diese Scheune hier irgendwo gibt, dann werden wir sie finden. Zudem haben wir bereits eine Großfandung herausgegeben. Sie können sicher sein, Ebelsieder wird nicht weit kommen.“ Gabi und Michael, die mit Kommissar Billmann im Aufenthaltsraum waren, atmeten auf. „Allerdings kann es ein paar Tage dauern, bis wir herausgefunden haben, wo sich diese Scheune befindet, dafür ist das Gebiet zu groß.“ „Was???? Ein paar Tage???“, fragte Thomas, der gerade mit Peter zusammen hinzugekommen war, entsetzt. „Es tut mir Leid, aber solange wir weder die Adresse, noch irgendeinen anderen Hinweis haben, können wir nichts weiter tun. Bedauerlicherweise steht auch der Name der Firma, die die Umbauarbeiten durchgeführt hat nicht in der Akte.“ „Aber wir können hier doch nicht einfach so herumsitzen und nichts tun!“, rief Thomas außer sich. Michael versuchte ihn zu beruhigen. „Thomas, komm wieder runter, das bringt doch nichts, ich bin mir sicher, die Polizei tut, was sie kann.“ Thomas sah Michael an und nickte dann leicht.

Auch Gabriele ging das ganze sichtlich an die Nieren. Erst der ganze Stress mit Ralf, der für sie noch lange nicht überstanden war, und nun war auch noch ihre beste Freundin vom Stützpunktleiter, der scheinbar total die Kontrolle über sich selbst verloren hatte, entführt worden. Das hätte wirklich keiner aus dem Team von Ebelsieder erwartet. Er war doch immer so korrekt und seriös, nein, das passte absolut nicht zu ihm. Möglicherweise hatten sie ihn falsch eingeschätzt. Dies zumindest dachte Gabi sich, auch wenn sie Ebelsieder schon seit einigen Jahren kannte, oder besser gesagt geglaubt hatte zu kennen. Sie konnte ja nicht ahnen, was der wirkliche Auslöser für die Entführung war und was in Ebelsieder vorging.

Dieser wurde Biggi gegenüber immer aufdringlicher. Sie konnte sich gegen Ebelsieder, der viel stärker war als sie kaum zur Wehr setzen. Zudem war sie durch die enorme Anstrengung sowieso schon geschwächt. Er versuchte mit seiner Hand unter ihre Bluse zufassen, doch Biggi drehte sich ruckartig weg. „Hey, was hast du denn?“, fragte Ebelsieder und strich ihr über den Kopf. Biggi ekelte sich richtig vor ihm. Warum konnte Thomas jetzt nicht hier sein und sie hier rausholen? Ebelsieder packte sie nun plötzlich und nicht gerade sanft an den Schultern. Er wollte nun mit Gewalt versuchen sie zu küssen. Biggi drehte den Kopf zur Seite und versuchte sich mit letzter Kraft zu wehren, doch sie hatte keine Chance. Ebelsieders Lippen berührten ihren Hals und bewegten sich dann langsam auf ihren Mund zu. Sie wollte am liebsten schreien und weglaufen, doch sie konnte nicht. Und hier konnte sie niemand hören. Sie versuchte sich verzweifelt zu wehren, indem sie mit den Beinen strampelte, um Ebelsieder irgendwie los zu werden. Doch er übte dadurch nur noch mehr Kraft auf sie aus. Er setzte sich auf sie und beugte sich über sie. Biggi rannen Tränen übers Gesicht, sie war so verzweifelt und wollte nur noch eins: hier weg. Doch sie wusste, dass Ebelsieder sie nicht gehen lassen würde. Würde er sie überhaupt jemals gehen lassen? Was hatte er vor? Er konnte sie doch nicht ewig hier festhalten, außerdem würden Thomas und die anderen sicherlich schon nach ihr suchen. Sie konnte das alles einfach nicht fassen, dass ihr Chef sie entführt hatte und sie nun sexuell belästigte. Das hätte sie Ebelsieder wirklich niemals zugetraut, sie ahnte, dass es etwas mit diesen Tabletten zu tun haben musste. Doch das half ihr in dieser Situation auch nicht. Ebelsieder öffnete Biggis Bluse und zog sie ihr halb aus, obgleich sie sich dagegen zu wehren versuchte. Sie hatte keine Chance und war kurz davor vollkommen aufzugeben. Sie konnte sich gegen Ebelsieders Berührungen und die Versuche sie küssen überhaupt nicht mehr wehren und ließ alles nur noch stumm über sich ergehen.

Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so schrecklich gefühlt. Noch nie. Sie wollte einfach hier weg!!! Immer wieder versuchte sie sich wegzudrehen, doch es war unmöglich, Ebelsieder saß mit seinem ganzen Gewicht auf ihr und hatte sie vollkommen in seiner Gewalt. Sie blieb einfach nur mehr liegen, weinte, und hoffte, dass das alles irgendwann ein Ende haben würde. Sie war einfach zu schwach, sich zu wehren. Außerdem war Ebelsieder ja ohnehin viel stärker als sie. Er übte all seine Kraft auf sie aus, presste ihre Arme auf den Boden, sodass sie nicht mehr die geringste Möglichkeit hatte, sich zu bewegen, und küsste sie. Sie presste ihre Lippen aufeinander, doch das half nicht viel, da er sofort mit seiner Hand nachhalf. Bald spürte sie seine Zunge in ihrem Mund und hätte am liebsten losgeschrieen, so laut sie nur konnte. Doch kein Chance, sie musste sogar darauf achten überhaupt noch Luft zu kriegen um nicht zu ersticken. Als er während des Küssens schließlich auch noch mit seiner Hand an ihr herabtastete und immer begieriger und aggressiver wurde, unternahm sie einen letzten Versuch, aus seiner Gewalt zu entkommen. Doch wie hätte sie das schaffen sollen? Sie schaffte es einzig, seine Hand kurz von ihr abzuschütteln, worauf er ihr aber einen so festen Stoß in den Bauch versetzte, dass sie kurz vor Schreck nicht atmen konnte. Ihr wurde schwindlig, sie sah Ebelsieder plötzlich nur mehr ganz dunkel vor sich. Doch nach mehreren Sekunden kam sie wieder mehr zu sich, versuchte, sich zusammenzureißen. Wenn sie bewusstlos werden würde, wäre alles zu spät. Obwohl es das jetzt eigentlich auch schon war. Sie hatte absolut keine Kräfte mehr. Ebelsieder, der sie immer noch gierig küsste, fasste schließlich mit seiner Hand unter ihren BH. Biggi rannen wieder Tränen übers Gesicht, so verzweifelt war sie. Er versuchte, ihr den BH aufzureißen, und ließ so einmal kurz mit seinem Mund von Biggi ab. Sie schaffte es, einmal tief Luft zu holen, und wimmerte dann mit leiser Stimme, da sie zu mehr nicht mehr die Kraft hatte: "Bitte ... hören Sie auf ... bitte!!!" Ebelsieder, der schon längst nicht mehr er selbst war und total wie von sich weggetreten, nahm ihre Stimme kaum wahr, entgegnete nur: "Ich weiß doch, dass dir das gefällt ... ich weiß es ... stell dich nicht so an" Biggi stöhnte schwach auf, drehte ihren Kopf zur Seite und vergoss bittere Tränen, während Ebelsieder sich so lange an ihrem BH zu schaffen macht, bis er ihn endlich aufgerissen hatte. Er war schon so in Trance, dass er gar nicht in Erwägung zog, einfach nur den Verschluss zu öffnen. Daraufhin riss er sich nun auch selbst das Hemd vom Leib, und Biggi überkam wieder so großer Ekel, dass ihr richtig übel wurde. Dann fiel er wieder wie besessen über sie her und ließ Biggi keine weitere Sekunde die Möglichkeit, wegzusehen. Er drehte ihren Kopf gewaltsam zu sich und küsste sie wieder, während er schon richtig auf ihr lag und sie überall anfasste, schließlich sogar unter ihre Hose griff. Biggi hatte nicht die Möglichkeit, auch nur irgendein Wort zu sagen, doch ihre innere Stimme schrie bis zur Heiserkeit nach einem einzigen Namen: "Thooooomaaas!!!!!!!"

Dieser war nicht weniger verzweifelt. Irgendein Gefühl sagte ihm, dass Biggi ihn in diesem Moment mehr denn je brauchte. Er wurde auf seltsame Weise so unglaublich nervös, dass er nur zitternd auf und ab ging, versuchte, irgendetwas Vernünftiges anzustellen, es aber nicht schaffte. Nervös fuhr er sich durch die Haare, zitterte am ganzen Körper, blickte auf Biggis Foto, das inzwischen nicht mehr zu lächeln schien, sondern nur verzweifelt nach seinem Namen rief. Er hielt das nicht mehr aus. Er stürmte nach draußen, in den Hangar, dann in die dunkle Nacht hinein und brüllte, so laut es seine Stimme nur zuließ: "BIIIIGGIIIIIIIIII !!!!!!!!!!!! Neiiiiiiiiin ..." Dann sank er in sich zusammen. Er fiel ins Gras, hämmerte mit seinen Fäusten in die Erde und wusste einfach nicht mehr, was er tun sollte. Er war vollkommen verzweifelt. In seinem Innersten spürte er, wie Biggi nach ihm rief, wie sie ihn brauchte, wie sie in Verzweiflung versank und er nicht bei ihr war. Er war nicht bei ihr. Sie hätte ihn doch gebraucht!!!

Währenddessen hatten sich Peter, Michael und Gabriele in den Aufenthaltsraum gesetzt und überlegten fieberhaft, ob sie den Namen Brungsbach-Scheune mit irgendetwas in Verbindung bringen konnten. Michael glaubte diesen Namen schon irgendwo einmal gehört oder gelesen zu haben, doch er konnte sich einfach nicht mehr daran erinnern. Es schien aussichtslos. Kommissar Billmann verabschiedete sich, für ihn gab es hier nichts mehr zu tun. Doch er versprach sich natürlich sofort zu melden, wenn sie etwas herausbekommen haben würden. „Viel Glück noch.“, meinte er zu Peter, Michael und Gabi und verließ dann den Aufenthaltsraum. Die drei nickten nur betrübt.

Kurz nachdem der Kommissar die Basis verlassen hatte, betrat Rene den Aufenthaltsraum. Den ganzen Tag vor dem Flipper zu hocken, war ihm dann  doch zu langweilig. Allerdings kam er nicht in den Aufenthaltsraum um den anderen dabei zu helfen herauszufinden, wo sich Biggi aufhielt, sondern eigentlich nur deshalb, weil er zu Gabriele wollte. Er hatte sich hoffnungslos in sie verliebt. Und er würde sie bekommen, das hatte er sich fest in den Kopf gesetzt. Langsam schritt er auf die Kollegen zu und setzte sich schließlich neben Gabriele an den Tisch. Sie sah total fertig aus. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, wollte Rene wissen. Er versuchte es dieses Mal mit einer anderen Masche. Gabriele schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte sie leise und musste sich bemühen nicht anzufangen zu weinen. Die letzten Tage waren einfach zu viel für sie gewesen.

„Ich hab’s…dass ich da nicht gleich drauf gekommen bin!“, rief Michael plötzlich. Die anderen starrten ihn erwartungsvoll an. „Wir hatten vor einigen Wochen einen Herzinfarktpatienten. Er hieß Brungsbach und er hatte einen eigenen Hof. Möglicherweise gehörte die Scheune zu seinem Anwesen und er hat sie verkauft.“, erzählte Michael. Die anderen nickten. „Ok, ich werde sofort Kommissar Billmann anrufen, er kann mit Sicherheit herausfinden, ob an der Sache etwas dran ist.“, sagte Peter entschlossen und griff sogleich zum Telefon. „Wo ist denn eigentlich Thomas?“, wunderte Michael sich dann. Ihm war es gar nicht richtig bewusst geworden, dass sein Freund den Aufenthaltsraum verlassen hatte. „Ich glaube er ist vorhin nach draußen gegangen.“, antwortete Gabriele. Michael stand auf um Thomas zu informieren. Er ging zuerst in den Hangar, doch dort war keine Spur von dem Piloten. Also beschloss Michael draußen nachzusehen. Als er aus dem Hangar hinaus trat, hinein in die dunkle Nacht, entdeckte er Thomas sofort auf der Wiese. Er hatte seinen Kopf in seinen Armen vergraben und weinte. Michael hatte seinen Freund selten so am Boden gesehen. Langsam trat er auf ihn zu und setze sich neben ihn. „Hey, Thomas.“, meinte er und legte aufmunternd seinen Arm um ihn. Thomas sah auf und blickte ihn unendlich traurig an. „Wir wissen jetzt vielleicht, wer der Besitzer der Scheune sein könnte.“, meinte Michael. Thomas starrte ihn an. „Worauf warten wir dann noch?“, fragte er und wollte aufspringen, doch Michael hielt ihn zurück. Peter ruft gerade bei der Polizei an. Ich konnte mich erinnern, dass einer unserer Patienten Brunsbach hieß und Peter informiert Kommissar Billmann jetzt von dem Einsatzort und die Personalien des Mannes, damit sie überprüfen können, ob er etwas mit dieser Scheune zu tun hat.“ „Dann los, wir fliegen zu dem Unfallort und sehen uns dort um.“, sagte Thomas nun. Erwischte sich die letzten Tränen mit seinem Ärmel aus dem Gesicht, sprang auf und lief zum Helicopter. Michael lief ihm hinterher. „Thomas, das bringt doch nichts. Bei der Dunkelheit werden wir nichts erkennen, außerdem ist das Gebiet viel zu groß. Möglicherweise liegt die Scheune, falls sie wirklich zum Hof dieses Mannes gehört, mehrere hundert Meter von seinem Hof entfernt.“ „Aber wir müssen doch irgendetwas tun! Biggi braucht unsere Hilfe!“, rief Thomas verzweifelt. „Ich weiß, aber es bringt ihr auch nichts, wenn wir nachts durch die Gegend fliegen und nach dieser Scheune Ausschau halten. Das ist wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.“, erwiderte Michael. „Aber immerhin ist es eine Chance und wir müssen sie nutzen.“, widersprach Thomas. Michael sah in das besorgte Gesicht seines Freundes und er wusste, dass er geschlagen war. „Ok, ich sage den anderen Bescheid.“ Thomas lief zum Helicopter, der noch draußen vor dem Hangar auf der Landeplattform stand, und schwang sich auf den Pilotensitz. Michael hatte unterdessen den Aufenthaltsraum erreicht und informierte die anderen. Sie beschlossen, dass das A Team den Suchflug übernahm, währen Rene und Gabriele auf der Basis die Stellung hielten, falls Kommissar Billmann sich melden würde.

Wenige Minuten später hob Thomas auch schon mit einem Mordskaracho von der Plattform ab.

Gabriele gefiel der Gedanke jetzt die nächsten Stunden mit Rene alleine zu sein überhaupt nicht. Sie wunderte sich sowieso, was er noch hier machte, schließlich hatte er schon vor Stunden Feierabend gemacht und gewöhnlich verschwand er dann sofort. Irgendwie wurde er ihr schon richtig unheimlich. Vom ersten Tag an hatte sie ihn nicht gemocht, aber warum war er nun plötzlich so freundlich zu ihr? Sie macht sich jedoch keine weiteren Gedanken darüber, es gab jetzt wichtigere Dinge. Dass wichtigste war jetzt  erst einmal, dass sie Biggi finden würden. Hoffentlich hatte Ebelsieder ihr nichts angetan. Zwar würde Gabi ihrem Chef niemals so etwas zutrauen – dachte sie zumindest vor ein paar Tagen noch – doch die Entführung hatte ihm ja auch niemand zugetraut. Gabriele überlegte fieberhaft, doch sie fand einfach keine Erklärung für Ebelsieders verhalten. Das passte einfach vorn und hinten nicht zusammen. Wieso hatte er Biggi entführt? Ja, er war in sie verliebt, das wusste bereits jeder auf der Basis, doch das war schließlich noch lange kein Grund für so eine Tat. Da musste mehr dahinter stecken, dachte Gabriele sich. Sie kannte Ebelsieder nun schon so lange und hatte das irgendwie im Gefühl.

Ralf hatte den ganzen Tag alleine in seinem Krankenzimmer verbracht. Heute hatte ihn niemand besucht, niemand. Irgendwie vermisste er Gabriele. Doch er hatte ja selbst Schuld. Er glaubte alles kaputt gemacht zu haben. ‚Wahrscheinlich wird sie nie wieder etwas mit mir zu tun haben wollen.’, dachte er sich. Doch was sollte er denn machen? Für seine Gefühle konnte er doch nichts. Doch jetzt, jetzt verspürte er plötzlich die Sehnsucht Gabriele bei sich zu haben. War da doch mehr, als er sich eingestanden hatte? Nein, er war sich fast sicher, dass es nicht so war. Er mochte Gabriele, ja, aber als Freundin. Er liebte sie nicht, auch wenn es ihm Leid tat für sie – sehr Leid.

Ebelsieder hatte immer noch nicht von Biggi abgelassen. Er lag noch immer auf ihr und küsste und berührte sie immer stärker. Sie war kaum noch bei Bewusstsein und konnte nichts anderes tun, als zu hoffen, dass er endlich aufhören würde. Plötzlich jedoch geschah etwas, womit Biggi absolut nicht gerechnet hatte. Ebelsieder ließ urplötzlich von ihr ab, stand ruckartig auf und ging mit schnellen Schritten zu der Küchenzeile. Er griff wieder nach den Tabletten und nahm eine ganze Hand voll. Das konnte Biggi erkennen. Dieses Zeug musste einen komplett anderen Menschen aus ihm gemacht haben.  Anders konnte sie sich das alles nicht erklären. Sie war sich inzwischen sicher, dass allein die Tabletten an Ebelsieders Verhalten Schuld sein mussten. Vielleicht lösten sie Schizophrenie aus? Aber wie auch immer, das zu wissen half ihr in ihrer Situation herzlich wenig. Obwohl sie nun mit Sicherheit die Freiheit hätte, sich aufzusetzen, und sogar zu versuchen aus den Fesseln zu gelangen, die inzwischen nur mehr an ihrer rechten Hand angebracht waren - sie schaffte es nicht mehr. Sie lag erschöpft da und versuchte auszumachen, was Ebelsieder dort drüben in der Küche trieb. Er hörte gar nicht mehr auf, sich noch und noch eine Tablette ins Glas zu werfen.

Biggi spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Schulter, die sie ja eigentlich nicht belasten hätte dürfen. Sie fühlte sich so schrecklich, wie noch nie in ihrem ganzen Leben. Die Angst davor, dass Ebelsieder jeden Moment wieder auf sie zukommen würde, sich auf sie setzen und die ganze Todesqual von vorne beginnen würde, erdrückte sie. Sie wollte einfach nur heulen. Sie wollte einfach nur zu ihrem Thomas. Wollte von ihm in den Arm genommen werden. Sich sicher fühlen in seinen Armen. Doch hier war sie in der Gewalt eines Mannes, der die Kontrolle über sich selbst verloren hatte und sie die schlimmsten Stunden ihres Lebens ausstehen ließ. Sie hatte solche Angst. Vor diesen Augen, diesem Blick, diesem Körper - diesen Händen. Diese Hände, die an ihr eigentlich nicht das Geringste verloren hatten. Die ihr mit jeder Berührung einen Riss in ihre Seele versetzten. Ihr war soo übel, wenn sie an das Gefühl seiner Hände auf ihr, seiner Zunge in ihrem Mund dachte. Sie fühlte sich dreckig, wollte am liebsten aus ihrer Haut heraus. Abermals begann sie zu weinen, konnte nichts gegen ihre Tränen, die Tränen der reinsten Verzweiflung, tun.

Währenddessen raste der Helicopter, der mit der rot-gelben Lackierung einem leuchtenden Engel glich, so schnell wie nie durch die Lüfte. Michael und Peter bekamen es beinahe mit der Angst zu tun, so sehr holte Thomas das höchste aus dem Heli. Doch auch sie waren in größter Sorge um Biggi. Wie es dann erst Thomas gehen musste? "Michael, wo ist dieser Hof?", fragte Thomas ungeduldig.  "Er ist in der Nähe eines Salzachufers - wenn wir dem Fluss entlang Richtung Nord-Ost fliegen, können wir eigentlich nicht viel falsch machen." "Ok.", meinte Thomas, und flog die Richtung an. Bald befanden sie sich direkt über der Salzach. Thomas stellte die Scheibenwischer auf höchste Stufe, und dennoch konnte er nur schwer den Boden unter sich erkennen. "Ausgerechnet jetzt dieses verdammte Wetter!!", ärgerte er sich lautstark. Er war komplett fertig. Es war bereits nach zwei Uhr in der Nacht.

Im selben Moment, als Michael auf seine Uhr blickte, tat Gabi das auf der Basis mit ihrer Uhr. Ungeduldig ging sie auf und ab. "Hey, jetzt beruhig dich mal. Sie werden sie schon finden. Soll ich Kaffee machen?", fragte Rene sie betont freundlich. ‚Was sollte plötzlich diese Freundlichkeitsmasche???’, fragte Gabi sich. Doch sie war froh darüber, dass er ihr jetzt nicht auch noch Probleme machte, auch wenn er ihr unheimlich war. Sie bejahte dankend, worauf Rene in der Küche verschwand. Beim Vorbeigehen streifte er sie unnötigerweise an der Schulter. Gabi ging beiseite, um ihm Platz zu machen, den er allerdings gehabt hätte. Sie schüttelte nur unverständig den Kopf und stellte sich ans Fenster. Was Biggi wohl jetzt machte? Was Ebelsieder wohl mit ihr gemacht hatte? Und wo waren ihre Kollegen nun wohl? Sie hatte unheimliche Angst um ihre beste Freundin. Erschöpft setzte sie sich wieder aufs Sofa und stützte den Kopf in die Hände. Wenige Minuten später spürte sie plötzlich eine Hand auf ihrem Rücken. Rene. "Hier ist der Kaffee. Mach dich nicht fertig. Das bringt deiner Freundin nichts." Sie blickte auf und nahm den Kaffee entgegen. "Danke. Möchtest du nicht auch einen?" Rene verneinte nur und lehnte sich im Sofa zurück. "Was machst du denn morgen so?", fragte er dann locker. Gabi drehte sich ruckartig um und starrte ihn an. "Wie kannst du das nur fragen??" Rene schalt sich selbst. Das hätte er natürlich nicht sagen sollen, obwohl er eigentlich nichts Falsches daran sah. Gabi fühlte sich bestätigt in ihrer Ansicht über ihn. Der unsensibelste und antipathischste Mensch, dem sie je in ihrem Leben begegnet war. Warum konnte er nicht einfach nachhause gehen und sie hier allein lassen? "Tut mir leid.", sagte Rene. "Ach, vergiss es doch.", sagte Gabi abwertend und stand auf. "Jetzt komm, setz dich wieder her! Ich hab's doch nicht so gemeint!" Er stand ebenfalls auf und zog Gabi am Arm wieder runter zum Sofa. "Lass mich los!", befahl Gabi ihm. Sofort ließ er sie los und meinte: "Okay, okay - schon gut. Setzt du dich trotzdem wieder her?" "Ich brauche frische Luft." Mit diesen Worten verließ sie den Aufenthaltsraum und ging Richtung Hangar. Er folgte ihr ...

Inzwischen waren Thomas, Peter und Michael schon ein ganzes Stück an der Salzach entlang geflogen. Doch bis jetzt hatten sie keinen Erfolg. Und die Zeit wurde immer knapper ...

Währenddessen in der Scheune hatte Ebelsieder die Tablettenpackung wieder abgelegt. Angsterfüllt bemerkte Biggi, wie er wieder mit diesem schrecklich starren Blick von vorhin auf sie zukam ...

Thomas, Michael und Peter hatten den Hof fast erreicht. Es war mitten in der Nacht und außer dem fahlen Mondlicht konnte man kaum irgendwo eine Lichtquelle erkennen. Das erschwerte die Suche umso mehr, denn wie sollten sie die Scheune in der Dunkelheit und bei dem Wetter finden. Zwar hatte der Medicopter einen Suchscheinwerfer an der Unterseite, doch bei diesen Wettverhältnissen war die Sichtweiter ziemlich gering. „Das hat doch keinen Sinn, lass uns umkehren.“, meine Michael. Er wusste – genau wie Peter – dass es aussichtslos war und sie wirklich nach einer Nadel im Heuhaufen suchten. Bei dem starken Regen konnten sie trotz dem Suchscheinwerfer kaum erkennen, was sich unter ihnen befand. „Wir müssen sie finden.“, meinte Thomas entschlossen. Er dachte gar nicht daran umzukehren und einfach aufzugeben, auch wenn er wusste, dass sein Kollege Recht hatte. Biggi brauchte ihn jetzt, das spürte er. Er betete so sehr, dass Ebelsieder ihr nichts angetan hatte. „Thomas, wir können doch sobald die Dämmerung anbricht wieder starten, aber in der Dunkelheit hat das doch keinen Zweck. Und wenn wir jetzt das ganze Kerosin aufbrauchen, dann haben wir auch nichts davon.“, stimmte Peter Michael zu. „Ihr könnt ja aussteigen und zurücklaufen.“, meinte Thomas nur und starrte dann wieder konzentriert nach unten. Michael und Peter sahen sich an und zuckten nur mit den Schultern. Sie wussten, dass sie keine Chance gegen Thomas hatten und so flogen sie weiter und setzten die Suche fort.

„Von den Koordinaten her müssten wir den Hof gleich erreicht haben.“, stellte Michael dann nach einiger Zeit fest. Thomas nickte. „Da vorn, ich kann das Hauptgebäude schon erkennen.“ Nur erkannten es auch die anderen beiden. Das musste der Hof sein. Auch hier brannte kein einziges Licht, außer einer kleinen Straßenlaterne, da der Hof ziemlich abgelegen lag. „Ok, dann macht mal die Augen auf Jungs.“, sagte Peter und sah nun noch genauer als zuvor nach unten.

Ralf war währenddessen eingeschlafen. Er konnte ja nicht ahnen, was sich bei seinen Kollegen heute abgespielt hatte und was auf der Helicopterbasis los war. Er dachte nur an Gabriele und die anderen und fragte sich wirklich, wie es weitergehen sollte.

Ebelsieder war inzwischen wieder bei Biggi angekommen. Sie wich sofort zurück als er sich neben sie kniete. Doch zu ihrem Erstaunen wirkte er jetzt ganz ruhig. Wahrscheinlich war auch das wieder der Verdienst dieser Tabletten. Biggi zitterte und ihr liefen immer wieder Tränen über die Wangen. Ebelsieder nahm ihren Kopf in seine Hände und drehte ihr Gesicht zu sich. Biggi sah ihn mit angsterfüllten Augen an. „Warum weinst du denn? Wir haben es doch so schön hier!“, säuselte er. Er strich ihr mit der Hand übers Gesicht. Biggi ekelte sich so sehr vor seinen Berührungen, sie hätte am liebsten los geschrieen, doch ihre Stimme versagte und ihre lautlosen Schreie gingen in der tiefen Nacht unter. Ebelsieder lag erneut halb auf ihr und sie spürte seine Berührungen am ganzen Körper. Sie hatte sich so weit es ihr möglich war zur Seite gedreht und ließ alles nur noch stumm über sich ergehen. Sie war viel zu schwach um sich auch nur irgendwie wehren zu können.

Doch dann hörte sie etwas, ein ihr wohlbekanntes Geräusch. Ja, es war eindeutig, dieses Geräusch stammte von einem Helicopter. Sie hörte genauer hin und dann war sie sich todsicher. Es war eine BK 117. Dieses Geräusch ließ sie für einen kleinen Moment all die Qualen, die sie ertragen musste, vergessen. Vielleicht war diese BK 117 dort draußen ihr Engel und im Cockpit saß Thomas. Ja, sie war sich schon beinahe sicher, dass es so war, denn normalerweise flog kein Helicopter um zwei Uhr nachts mehr über dieses Gebiet. Sie musste es irgendwie schaffen sich bemerkbar zu machen, nur wie? Sie hatte Mühe sich überhaupt noch wach zu halten und war am Ende ihrer Kräfte. Doch das Geräusch des Helicopters kam immer näher und Biggis Hoffnung wuchs um wieder ein kleines Stück. Vielleicht würde man sie ja doch irgendwo finden? Vielleicht wussten die anderen, dass Ebelsieder sie hier in dieser Scheune festhielt und waren gezielt hierher geflogen? Ebelsieder jedoch nahm die immer lauter werdenden Rotorgeräusche des Helicopters überhaupt nicht war. Er nahm gar nichts mehr war, nur noch Biggi, die zitternd und schluchzend unter ihm lag.

„Sieh mal Thomas, dort unten brennt Licht!“, rief Peter dann plötzlich. Wie gebannt starrten Thomas und Michael sofort aus dem Fenster in die Richtung, in die Peter zeigte. Sie mussten sich bemühen und ganz genau hinsehen, doch schließlich konnten sie durch den strömenden Regen hindurch hinter einigen Bäumen versteckt einen fahlen Lichtschein erkennen, der aus einem kleinen Fenster stammen musste. Thomas flog dichter heran und nun sah man es ganz deutlich. Es war ein Gebäude, das direkt an der Salzach stand, eine alte Scheune. „Das ist es, hundert pro!“, rief Thomas aufgeregt, aber zu gleich unendlich erleichtert. „Ich gehe runter!“

Nun hatte Ebelsieder wider Erwarten den Helicopter doch gehört. „Was wollen die denn hier?“, schrie er außer sich. „Wir wollen doch allein sein, nur wir beide. Sie wissen doch genau, dass du zu mir gehörst.“. Er sprang auf und lief zu dem kleinen Fenster an der Rückseite der Scheune. Von dort aus konnte er genau sehen, wie der Helicopter nur wenige Meter von der alten Scheune entfernt auf dem Boden aufsetzte und drei Männer heraussprangen.

Nun bekam er Panik. Er wusste, dass die drei gleich in das Gebäude gestürmt kommen würden. Das musste er irgendwie verhindern. Er rannte zu Biggi zurück, zerschnitt mit seinem Taschenmesser blitzschnell ihre Fesseln und riss sie hoch. Dann zerrte er sie zur Tür, wobei er sie fast tragen musste, da Biggi sich selbst kaum noch auf den Beinen halten konnte.

Ebelsieder riss die Tür auf und schleppte sich und Biggi nach draußen. Doch es war zu spät. Thomas, Michael und Peter, die sofort, nachdem der Helicopter den Boden berührte hatte herausgesprungen waren, kamen auf die Scheune zugelaufen. Sie waren nur noch etwa 20 Meter von ihm entfernt und hatten ihn und Biggi längst erblick. „Biggiiii!“, schrie Thomas so laut er konnte. Biggi sah auf und sah zu ihm, noch nie in ihrem Leben war sie so froh ihn zu sehen. „Hilf mir, Thomas!“, flüsterte sie schwach, doch es ging im laute Prasseln des Regens unter. Ihre Blicke trafen sich, obwohl man bei dieser Dunkelheit und bei dem Regen kaum etwas erkennen konnte bei dieser Entfernung. Thomas erschrak, denn aus Biggis Blick ging nur eins hervor: Verzweiflung, tiefste Verzweiflung. Was hatte dieses Schwein seiner Biggi nur angetan? „Lassen Sie sofort Biggi los!“, schrie Thomas und rannte auf Ebelsieder zu. „Keinen Schritt weiter, Wächter.“, schrie dieser. Er trat mit Biggi gefährlich nahe an das Ufer der Salzach heran. „Diese Frau gehört zu mir, lasst uns doch endlich in Ruhe.“ „Nein, dass tut sie nicht, Biggi liebt mich und ich liebe sie, das wissen Sie doch genau. Sie können doch nur nicht ertragen, dass Sie verloren haben.“, schrie Thomas verzweifelt. Doch dadurch provozierte er Ebelsieder nur noch mehr. „Nein, ich habe nicht verloren, du wirst gleich sehen, was es wirklich heißt zu verlieren, Wächter!“

Immer näher trat er mit Biggi an das Ufer heran, bis sie schließlich direkt neben dem Wasser standen. Die Wellen bäumten sich wild und aggressiv auf, das Wasser rauschte so laut, dass es nahezu alle anderen Töne unterdrückte. Biggi konnte sich selbst nicht mehr halten, ihr Leben hing nun von Ebelsieder ab. Sie spürte eiskalte Wassertropfen auf ihrem Körper, die aus dem Wellengang hervorspritzten. Biggi hatte schließlich nur mehr halb die Bluse an, und sie zitterte am ganzen Körper vor Kälte. Doch das Zittern, das ihren Körper in diesem Moment beherrschte, war nicht das Zittern vor Kälte - sondern das Zittern aus Todesangst. Sie liebte die Salzach und ihr Wasser. Doch jetzt würde es über ihr Leben entscheiden. Öffnete wie ein Monster sein Maul, um sie zu verschlingen, jagte ihr eine ungeheure Angst ein.

Wie aus weiter Ferne hörte sie Thomas' Stimme rufen: "Neiiiiiiin!!! Tun Sie das nicht!!! Ich flehe Sie an!!!" "Es ist zu spät. Ihr wollt sie mir nicht lassen - dann soll sie keiner haben ...", entgegnete Ebelsieder nur.

Thomas konnte nicht einmal mehr Luft holen, um etwas zu sagen - da war es schon passiert. Biggi schaffte es nur mehr, die Augen zuzumachen, bevor sie von Ebelsieder losgelassen wurde. Sie spürte den eiskalten Wind, der sie umfuhr, als sie ins Wasser fiel. "Neiiiiiiiin!!!!!!!!!!!!", brüllte Thomas. Die Eiseskälte des Wassers raubte Biggi für mehrere Sekunden den Atem. Sie hatte absolut keine Kraft mehr, um sich irgendwie zu bewegen, geschweige denn zu schwimmen oder sich über Wasser zu halten. Sie hatte keine Chance gegen die reißende Strömung und wurde mit ihr in die Tiefe gerissen. Thomas, Michael und Peter waren herbeigestürmt, so schnell wie noch nie in ihrem Leben. Ebelsieder hatte versucht, zu flüchten. Peter und Michael holten ihn ein, während Thomas nicht eine einzige Sekunde zögerte. In seinem riesigen Anlauf riss er sich die Jacke vom Leib, und sprang dann in hohem Bogen in den reißenden Fluss. Nur die Stelle im Visier, an der Biggi untergegangen war. Die Kälte des Wassers stach wie tausend Pfeile auf ihn ein, doch er dachte gar nicht daran, fasste sich sofort, nahm all seine Kräfte zusammen, nur einen einzigen Gedanken im Kopf: Er musste seine Biggi retten. Ihr Leben hing an einem seidenen Faden. An einem hauchdünnen Faden, der zu reißen drohte. Er musste ihn aufhalten.

Die Kälte ließ sein Blut fast gefrieren, doch mit seinem unheimlichen Willen, seinem einzigen Ziel, schaffte er es, vorwärts zu kommen und gegen die Strömung anzukämpfen. Immer wieder wurde er von Wellen in die Höhe geschleudert. Nicht nur, dass er sich schwerst konzentrieren musste - da war auch noch diese unendliche Panik, die Panik, dass es zu spät sein könnte. Er kraulte und kraulte, und als er schließlich an der Stelle angelangt war, an der er irgendwo Biggi vermutete, holte er tief Luft und tauchte unter.  Er suchte und suchte, wurde wieder von der Strömung mitgerissen, in die Höhe getrieben, in das Wasser gedrückt - doch er gab nicht auf. Als er allerdings seine letzte Luftreserve aufgebraucht hatte, musste er kurz wieder an die Oberfläche. Abermals holte er tief Luft, blickte um sich, konnte aber nichts erkennen, und tauchte wieder unter. Inzwischen sprang Michael ihm nach, während Peter Ebelsieder festhielt. Es ging nun um Sekunden. Beide tauchten inzwischen mit letzten Kräften im eiskalten Wasser, beteten um Biggis Leben. Wieder musste Thomas an die Oberfläche, um Luft zu holen. Die Strömung war so ungeheuer stark, dass er weiter und weiter mitgerissen wurde, Michael bald nicht mehr sah. Ein mikroskopisch kurzer Moment, in dem er verzweifelt zu seinem Engel hinüberblickte, der schon ganz weit entfernt von ihm war, und ihn anflehte, ihm doch zu helfen - dann verschwand er auch schon wieder im Wasser. Er sperrte die Augen auf - das nützte ihm zwar bedenklich wenig, doch konnte er trotzdem ein wenig mehr sehen. Und plötzlich passierte es. Er konnte es selbst nicht glauben - er konnte es nicht fassen. Er spürte plötzlich Biggis Körper in seinen Armen, griff nach ihr - er hatte sie gefunden!! Er nahm noch mal alle Kräfte zusammen – würde er sie jetzt loslassen, wäre es zu spät. Die Strömung versuchte, sie mit allen Kräften auseinander zu reißen - doch das sollte nicht der stärkste Hurrikan mehr schaffen. Thomas drückte Biggi so fest er nur konnte an sich, hielt sie fest, während er in höchstem Tempo an die Oberfläche tauchte. Nie hätte er geglaubt, dass die Salzach so tief war. Er hatte größte Ehrfurcht vor diesem Fluss.

Oben angekommen, keuchte er, zog Biggis leblosen Körper nach oben, blickte in ihr blasses, triefendes Gesicht und kam umgehend in Panik. Ja ... er hatte sie im Arm - aber hatte er sie nicht etwa schon verloren? Zitternd tastete er nach ihrem Puls an der Halsschlagader - atmete schnell und panisch, als er im ersten Moment nichts fühlte - doch nach mehreren Sekunden vernahm er einen leichten Puls. Ganz schwach - aber sie war am Leben. Sie mussten unbedingt hier raus - in ihrem Zustand konnte jede weitere Sekunde in diesem eiskalten Wasser lebensentscheidend sein. Doch vielleicht war es dann schon zu spät. Tausend Gedanken flogen Thomas durch den Kopf, während ihm das eiskalte Wasser ins Gesicht peitschte und er mit allen Kräften versuchte, sich und vor allem Biggi über der Wasseroberfläche zu halten. Er blickte sie an. Es zerriss ihm das Herz, sie so zu sehen. Er liebte sie so sehr. Sie musste am Leben bleiben, bitte. Er musste sie beatmen. Sonst würde er sie verlieren. Er lehnte ihren Kopf über seine Schulter, versuchte, irgendwie im Wasser das Gleichgewicht zu halten und gegen die Strömung anzukämpfen, holte tief Luft, öffnete Biggis Mund und beatmete sie. "Biggi, komm schon, bitte! Lass mich nicht im Stich ...", schoss es ihm durch den Kopf. Er flehte sie an, betete, hatte noch nie in seinem Leben solche Angst durchgestanden. Während er immer wieder Luft holte und Biggi mit Sauerstoff versorgte, versuchte er, irgendwie ans Ufer zu gelangen. Er hatte nichts dagegen tun können, mit Biggi im Arm konnte er nicht mehr gegen die Strömung ankämpfen und so waren sie ein ganzes Stück mit ihr weiter getrieben worden. Aber sie mussten hier unbedingt raus! Die Eiseskälte und die Kraft der Wellen um sich nahm Thomas gar nicht mehr wahr - alles, was er spürte war die unglaubliche Angst um Biggi. Um ihr Leben. Er hielt sie mit aller Kraft fest und versuchte mit einem Arm und seinen Beinen an das Ufer zu gelangen.

Er spürte die Kraft des Adrenalins, das in seinem Körper freigesetzt wurde - ansonsten hätte er wohl keine Kraft mehr gehabt. Immer näher, fast greifbar sah er das Ufer auf sich zukommen. Immer wieder blickte er auf Biggi, worauf er jedes Mal noch stärkere Bewegungen machte. Ja, endlich! Er hatte das Ufer beinahe erreicht. Mit großer Anstrengung schaffte er es, einen Ast zu ergreifen, der von einem Baum über dem Ufer hang. Er hielt sich mit aller Kraft daran fest und versuchte, sich langsam daran ans Ufer zu ziehen. Zentimeter für Zentimeter zog er sich und Biggi näher. Die Wasseroberfläche war dem Uferrand fast gleich, so sehr hatte der Fluss durch den Regen übergeschwappt. Die Wellen versuchten immer wieder, sie mitzureißen, doch Thomas war eisern. Schließlich gelang es ihm mit einem Ruck, sich vom Ast zu lösen und sich am Ufer festzuhalten. Er hatte es geschafft. Fast. Er kletterte am inneren Uferrand nach oben, Biggi niemals loslassend, und stieg aus dem Wasser. Sofort zog er Biggi mit sich nach oben. Den Kampf gegen die Wellen hatte er gewonnen. Doch würde er auch den Kampf um Biggis Leben gewinnen? Er legte sie neben sich auf die Erde, tastete zitternd nach ihrem Puls - nichts. Er konnte es nicht glauben, tastete nochmals danach, an beiden Seiten - doch nichts. "NEIN!!!", brüllte er. Wollte es nicht glauben. Nein, das konnte sie ihm nicht antun. Reanimieren ... er musste sie reanimieren. Ins Leben zurückholen. Wo war nur Michael??? Biggis Bluse brauchte er nicht mehr zu öffnen. Er suchte nach der richtigen Stelle an ihrer Brust und begann mit der Herzmassage. Leise flüsterte er mit, um in seinem Zustand nicht durcheinander zukommen. "Eins, zwei drei ... Biggi, komm schon, bitte!!!!! ... acht, neun, zehn ... bitte, Biggi!!! ... dreizehn, vierzehn, fünfzehn" Er schlug sich selbst ins Gesicht, um einen klaren Kopf zu behalten. Das allerdings war die schwerste der Aufgaben, die ihm in seinem Leben je zugemutet worden waren. Er überstreckte Biggis Kopf und beatmete sie. Einmal. Zweimal. Wieder tastete er nach ihrem Puls - nichts. Er war am Rande der Verzweiflung. Das durfte einfach nicht wahr sein!! Er packte Biggi an den Schultern und rüttelte sie. "Hör mir jetzt zu, Biggi!! Wir haben es schon so weit geschafft, wir werden jetzt nicht aufgeben, ok???!!!? Ich liebe dich so sehr - bitte, zerstöre nicht mein Leben. Du hast mich doch selbst zum glücklichsten Menschen gemacht - das kannst du mir doch nicht jetzt wieder wegnehmen!!! BITTE!!!!" Er war vollkommen außer sich. Erneut begann er mit der Herzmassage. Eins, zwei, drei ... Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Das Wasser tobte und war vollkommen unbändig. Doch all das war nichts gegen die Wellen, die gerade in Thomas' Herz tobten. Aus Verzweiflung, Panik - und unheimlicher Angst... Die Angst, Biggi zu verlieren. Wieder begann er mit der Herzmassage und beatmete sie. „Biggi, bitte, lass mich jetzt nicht alleine!“, flehte er panisch. Immer wieder taste er verzweifelt nach dem Puls an ihrer Halsschlagader. Und plötzlich spürte er einen ganz schwachen Puls. Er war ziemlich langsam, aber spürbar. Er hatte es geschafft, Biggi war am Leben. Im Moment jedenfalls, denn sie durfte auf keinen Fall weiter dieser Eiseskälte ausgesetzt werden. Wo waren nur Peter und Michael? Thomas selbst war ebenfalls total durchnässt und hatte kaum eine Möglichkeit Biggi auch nur irgendwie ein wenig Wärme zu spenden. Er hielt sie im Arm und drückte sie ganz fast an sich. „Michaeeeel, schnell!!“, schrie er dann so laut, wie er konnte. Doch Michael konnte ihn nicht hören, er war viel zu weit weg.

Der Notarzt hatte es inzwischen mit größter Mühe geschafft sich selbst aus dem Wasser zu ziehen, da er gesehen hatte, dass Thomas Biggi gefunden hatte. Er rannte so schnell es ihm möglich war zum Helicopter, der einige Meter vom Ufer entfernt stand, und schnappte sich sofort die Notfallausrüstung und eine Wolldecke. Peter konnte ihm nicht helfen, da er immer noch damit beschäftigt war Ebelsieder ruhig zu halten. Dieser wehrte sich heftig und beschimpfte Peter immer wieder. „Lass mich los, lass mich zu Biggi, sie gehört zu mir….“ Peter erkannte seinen Chef überhaupt nicht mehr wieder, so hatte er ihn noch nie erlebt. Ihn konnte sonst nie etwas aus der Ruhe bringen, das passte überhaupt nicht zu Ebelsieder. Peter hoffte, dass die Polizei, die er sofort über Funk armiert hatte, bald eintreffen würde und sich um Ebelsieder kümmern würde.

Michael rannte und rannte, doch die Strecke, die zwischen ihm und Biggi und Thomas lag, kam ihm unendlich vor. Sie waren durch die Strömung ein ganzes Stück flussabwärts getrieben worden. Ebenso kam Thomas die Zeit unendlich vor, in der er dort mit Biggi im Arm auf dem Boden saß und auf Michael wartete. Die ganze Zeit hoffend, dass sich Biggis Zustand nicht verschlechtern würde. Immer wieder tastet er nach ihrem Puls, um sicherzugehen, dass er noch vorhanden war. Unendlich besorgt streichelte er über ihr blasses Gesicht und flehte: „Bitte, bleib bei mir, Biggi! Du darfst mich nicht verlassen…“

Ihm fielen tausend Steine vom Herzen, als er endlich Michael erblickte, der mit der Notfallausrüstung auf ihn zugerannt kam. „Michael, schnell!“, rief er ihm zu. Endlich kniete Michael neben ihm und beugte sich über Biggi. „Ich musste sie reanimieren.“, erklärte Thomas ihm total fertig. Michael kontrollierte sofort Biggis Vitalfunktionen. „Ihr Kreislauf ist schwach, aber stabil.“, stellte er dann erleichtert fest, „Allerdings darf sie auf keinen Fall weiterhin dieser Kälte ausgesetzt werden.“ Thomas nickte und er und Michael deckten Biggi mit der Decke zu. Thomas hielt sie immer noch im Arm und er würde sie auch nicht loslassen – nie wieder! Michael schloss Biggi währenddessen an das EKG an und legte ihr einen Zugang, um ihr ein kreislaufstützendes Medikament zu verabreichen. „Sie wird doch wieder oder?“, fragte Thomas ängstlich. Michael nickte. „Ja, aber wir wissen nicht, was Ebelsieder mit ihr gemacht hat… die seelischen Verletzungen sind oft schlimmer als die körperlichen.“ Thomas sah Biggi unendlich besorgt an. „Ich bringe dieses Schwein um.“, flüsterte er dann.

Inzwischen war die Polizei eingetroffen und hatte Peter von Ebelsieder befreit. Sofort griff er nach seinem Walkie und funkte Michael an. „Peter an Michael, wie geht es Biggi?“ Michael griff in seine Tasche und zog sein Walkie heraus. „Nicht gut, bring die Trage und eine Aludecke mit.“, antwortete er. Peter bestätige es und machte sich dann auf dem schnellsten Weg zu Thomas und Michael. Er sah noch, wie die Polizisten Ebelsieder abführten und dieser ihm einen bösen Blick zuwarf.

Nachdem Michael Biggi fürs erste versorgt hatte, versuchte er sie zu wecken. Er klopfte ihr leicht auf die Wange und rief: „Biggi, kannst mich hören? Biggi?“. Es dauerte einen Moment, dann schlug Biggi tatsächlich die Augen auf. Das erste, was sie erblickte, war Thomas’ Gesicht, das sie besorgt ansah. Sie war unendlich froh ihn zu sehen. „Wo ist er? Ist er weg?“, rief sie dann jedoch panisch. Michael bemerkte sofort, dass sie psychisch schwer angeschlagen war. „Ja, er ist weg, du bist in Sicherheit.“, versicherte er seiner Kollegin. Biggi liefen einige Tränen über die Wangen. „Es…es war so schrecklich…“, flüsterte sie leise. Thomas nahm sie noch fester in den Arm und zog sie ganz nah an sich. „Es wird alles wieder gut mein Schatz, er wird dir nie wieder irgendwas antun, das verspreche ich dir.“, versuchte er Biggi, die nun richtig angefangen hatte zu weinen, zu beruhigen. Michael kramte im Notfallrucksack und zog schließlich eine Spritze Beruhigungsmittel auf, die er Biggi vorsichtig in die Hand injizierte. Sie zuckte zusammen, als Michael die Nadel einstach, doch Thomas streichelte sie sofort wieder beruhigend. „Eigentlich müsste sie dringend ins Krankenhaus, aber in ihrem Zustand halte ich es nicht für gut, sie in die Obhut fremder Ärzte zu geben.“, meinte Michael. Thomas sah ihn an und nickte dann. „Wir werden sie mit zu uns nehmen und uns dort um sie kümmern.“, beschloss der Notarzt dann. Biggi bekam kaum noch mit, was um sie herum geschah. Sie war total erschöpft und das Beruhigungsmittel zeigte deutlich seine Wirkung.

Endlich kam Peter mit der Trage herbeigeeilt. Thomas legte Biggi ganz vorsichtig auf die Trage und deckte sie dann behutsam zusätzlich zur Wolldecke noch mit der Aludecke zu. Dann nahm Michael die Ausrüstung und Peter und Thomas trugen die Trage mit Biggi zurück zum Helicopter. Erst jetzt bemerkte Thomas, wie erschöpft und unterkühlt er eigentlich selbst war. Doch das war jetzt unwichtig, das einzige, was für ihn im Moment zählte, war, dass es seiner Biggi besser ging.

Am Helicopter warteten noch zwei Polizeibeamte auf das Team. Ebelsieder saß bereits von zwei weiteren Beamten bewacht im Streifenwagen. „Wir müssen in den nächsten Tagen dann noch Ihre Aussagen aufnehmen.“, informierte einer der Polizisten das Team. „Ja, natürlich.“, meinte Michael nur und öffnete dann die Heckklappe des Helicopters. Es gab jetzt weitaus wichtigere Dinge als die Aussage.

Biggi hatte ihren Kopf zur Seite gedreht und plötzlich viel ihr Blick auf das Polizeiauto, das nur wenige Meter vom Helicopter entfernt stand. Und dann erkannte sie ihn – Ebelsieder. Trotz der Dunkelheit, dieses Gesicht würde sie niemals vergessen, diesen starren Blick… Thomas bemerkte sofort, dass Biggi wieder unruhiger wurde, fasste nach ihrer Hand und strich ihr zärtlich über die Wange. Dann stellte er sich so hin, dass Biggi Ebelsieder nicht mehr sehen konnte…

Sie schoben die Trage in den Helicopter, während sich die Polizisten mit Ebelsieder auf den Weg zur Wache machten. Sie hatten bereits bemerkt, dass er unter Medikamenteneinfluss stand und nicht mehr zurechnungsfähig war.

Als Thomas Biggis Hand loslassen wollte, um sich ins Cockpit zu bewegen, umklammerte sie seine Hand so fest sie konnte. „Thomas, bitte, geh nicht weg, lass mich nie wieder allein.“, flehte sie und sah ihm in die Augen. Thomas nickte. „Ich werde dich niemals allein lassen, das verspreche ich dir.“, sagte er und gab Biggi einen sanften Kuss auf den Mund. „Wir fliegen jetzt zur Basis und dann kommst du mit zu uns und Michael und ich werden uns um dich kümmern.“, erklärte er ihr. Biggi nickte beruhigt. Dann setzte Thomas ihr vorsichtig ein Headset auf und drückte noch einmal ganz fest ihre Hand, bevor er langsam hinten aus dem Helicopter kletterte. Bevor er jedoch vorne wieder einstieg, fragt er Michael, der gerade hinten einsteigen wollte, leise: „Sie wird doch wieder ganz ok, oder?“ Michael sah seinen Freund an. „Ich denke schon, aber es braucht Zeit, bis auch die seelischen Wunden verheilen. Aber ich bin mir sicher, mit dir zusammen schafft Biggi das.“ Thomas nickte nur betrübt. Was hatte Ebelsieder seiner Biggi nur angetan?

Thomas schwang sich auf den Pilotensitz und hob sofort, nachdem Peter und Michael eingestiegen waren, ab. Zunächst funkte er die Basis an, schließlich wollte er Gabriele nicht noch länger in der Ungewissheit, wie es Biggi ging, lassen. Sie wusste schließlich noch nicht einmal darüber bescheid, dass sie sie gefunden hatten. „Medicopter 117 an Basis, bitte kommen.“ Gabriele, die inzwischen wieder in den Aufenthaltsraum gegangen war, sprang so sofort vom Sofa auf und lief zum Funkgerät. „Basis hört.“ „Wir haben Biggi gefunden und befinden uns jetzt auf dem Rückflug zur Basis. Ebelsieder ist auf dem Weg ins Polizeipräsidium.“ Gabriele atmete erleichtert auf. „Und, wie geht es Biggi?“ Thomas schluckte, er wollte nicht, dass Gabi sich noch mehr Sorgen machte, doch andererseits würde sie sowieso erfahren, wie es Biggi ging. Biggi, die alles mithören konnte, sprach schließlich leise in ihr Headset: „Gabi, ich bin ok.“ Gabriele atmete erneut auf, das von Biggi selbst zu erfahren, war am besten. Doch Biggi selbst wusste, dass sie alles andere als ok war. Neben der Unterkühlung und ihrem schwachen Kreislauf kamen noch die seelischen Verletzungen hinzu. Dieser Tag mit Ebelsieder in der Scheune war der schrecklichste in ihrem ganzen Leben gewesen und sie würde ihn wahrscheinlich niemals vergessen können. Doch jetzt war sie erst einmal nur unendlich froh, dass Thomas, Peter und Michael sie gefunden hatten und sie in Sicherheit war. Und sie hatte endlich ihren Thomas wieder. Sie war sich sicher, mit seiner Hilfe, würde sie es schaffen über dieses schreckliche Erlebnis hinwegzukommen.

Wenige Minuten später landete Thomas den Helicopter auch schon auf der Basis. Gabriele hatte bereits draußen, vor dem Hangar gewartet, in Begleitung von Rene, der keinen Schritt mehr von ihr weichte. Gabi nervte das langsam richtig, doch jetzt war für sie nur Biggi wichtig und sie hatte keine Lust sich auch noch über Rene aufzuregen.

Thomas sprang sofort, nachdem er die Turbinen abgeschaltet hatte, aus dem Helicopter und lief nach hinten zu Biggi. Auch Gabriele kam auf den Helicopter zugerannt. Thomas hatte bereits die Schiebetür geöffnet und war zu Biggi in den Heli geklettert. Er strich ihr liebevoll übers Haar und schob dann mit Peter zusammen die Trage aus dem Heli. Michael klärte Gabriele derweilen über Biggis Zustand auf: „Ebelsieder hat Biggi in die Salzach gestoßen. Thomas hat es erst nach mehreren Minuten geschafft Biggi aus dem Wasser zu ziehen. Er musste sie reanimieren, aber jetzt ist ihr Kreislauf stabil. Sie hat eine starke Unterkühlung und müsste eigentlich sofort in ein Krankenhaus, aber Thomas und ich haben entschieden sie mit zu uns zunehmen.“ „Ebelsieder dieses Schwein, was hat er mit ihr gemacht?“, fragte Gabi außer sich. „Wir wissen es nicht, Biggi ist psychisch schwer angeschlagen, ich denke es wird eine Zeit dauern, bis sie darüber hinweg ist.“ Gabi nickte betrübt. „Es wird sicherlich nicht einfach sein für sie, die Aussage bei der Polizei zu machen.“, fügte Michael hinzu. „Zum Glück hat sie Thomas.“, erwiderte Gabi. Sie musste immer wieder daran denken, dass Ralf sich von ihr getrennt hatte und sie niemanden mehr hatte, der sich um sie kümmerte, der für sie da war und sie in den Arm nahm, wenn sie traurig war. Michael nickte. „Ja, ich glaube alleine würde sie das nicht durchstehen, aber er wird sich um sie kümmern.“

Dann ging Gabriele auf Biggi zu. Sie beugte sich zu ihrer Freundin herunter und umarmte sie vorsichtig. Es tat ihr so Leid, was passiert war. Sie brachten Biggi in den Aufenthaltsraum und Thomas hob sie dort vorsichtig von der Trage hoch und legte sie behutsam aufs Sofa. Gabriele setzte sich zu ihr und nahm ihre Hand, denn Thomas und Michael mussten sich zunächst etwas Trockenes anziehen, sie waren beide schon total durchgefroren. „Ich bin sofort wieder da.“, versprach Thomas Biggi und strich ihr sanft über die Schulter. Sie nickte leicht. „Ist ok, Gabi ist ja bei mir.“ Dann fasste sie mit ihrer Hand schwach nach seinem Ärmel und zog ihn zaghaft zu sich, bis ihre Lippen sich schließlich berührten und sie sich zärtlich küssten. Als sie sich wieder ganz langsam voneinander lösten, sahen sie sich in die Augen und Biggi sagte leise: „Ich bin so froh wieder bei dir zu sein.“ „Ich auch“, antwortete Thomas ohne seinen Blick von ihr zu lassen. Er streichelte ihr noch einmal zärtlich über die Wange und stand dann jedoch schweren Herzens auf um sich umzuziehen.

Er traf Michael in der Umkleide an, der jedoch schon fast fertig umgezogen war. „Und, wie geht’s ihr jetzt?“, erkundigte er sch. „Gabriele ist jetzt bei ihr.“, antwortet Thomas. „Ich schwöre dir, wenn ich Ebelsieder in die Finger bekomme….“, fügte er dann noch hinzu. Michael sah ihn an. Er konnte die Rektion seines Freundes verstehen, auch er hatte eine unheimliche Wut auf Ebelsieder im Bauch. Wer weiß, was er Biggi alles angetan hatte.

Während Thomas sich eilig trockene Sachen anzog, war Michael in Ebelsieders Büro gegangen und telefonierte mit der Zentrale, um ihnen den Vorfall zu erklären und die Basis für den nächsten Tag außer Dienst zu stellen. Immerhin war es schon vier Uhr morgens.

Die Zentrale teilte Michael mit, dass er bis auf weiteres erst einmal die Leitung der Basis übernehmen sollte. Er willigte ein und beendete dann das Gespräch. Gerade als er aus Ebelsieders Büro trat, kam Thomas aus der Umkleide und sie gingen zusammen in den Aufenthaltsraum. Sie wollten so schnell wie möglich nachhause, da Biggi jetzt absolute Ruhe brauchte. Thomas ging zu ihr und nahm sie vorsichtig hoch. Biggi klammerte sich an ihm fest, so sehr sie konnte. Dann brachte er sie in sein Auto und legte sie behutsam auf den Rücksitz. Michael fuhr und Thomas setzte sich nach hinten zu Biggi und bettet ihren Kopf in seinen Schoß. Während der Fahrt schlief sie schließlich völlig erschöpft ein.

Gabriele hatte die Basis dicht gemacht und verließ nun als Letzte das Gelände. Als sie endlich in ihrem Auto saß, atmete sie erst einmal tief durch. Das war vielleicht ein Tag gewesen heute – schrecklich. Biggi tat ihr unendlich Leid. Sie wusste, dass sie sich jetzt ein bisschen um ihre Freundin kümmern musste, es war sicherlich nicht leicht mit so einem Ereignis fertig zu werden. Doch Gabriele dachte auch immer daran, dass Biggi ja Thomas hatte, der ihr beistand. Sie hingegen hatte niemanden. Nicht mehr. Doch schließlich startete sie den Motor und fuhr schnell davon, hinein in die tiefe Nacht.

Als Michael und Thomas mit Biggi vor der Villa angekommen waren., ging Michael schon einmal vor, schloss die Tür auf und machte Licht an, während Thomas Biggi aus dem Auto hob und mit ihr auf dem Arm auf den Eingang zukam. Er ging mit ihr gleich die Treppe nach oben und brachte sie in sein Schlafzimmer. Dort legte er sie behutsam auf sein Bett und deckte sie zu. Die Infusion, die noch nicht ganz durchgelaufen war, befestigte er, dann rief er Michael, damit dieser noch einmal nach Biggi schauen konnte. Michael überprüfte noch einmal ihren Kreislauf und stellte jedoch beruhigt fest, dass alles in Ordnung war. „Gute Nacht“, flüsterte er dann, um Biggi nicht zu wecken, und verließ dann leise das Zimmer. „Gute Nacht“, gab Thomas ebenfalls flüsternd zurück. Er wollte gerade zur Tür gehen, um das Licht auszuschalten, als Biggi wieder aufwachte. Sie sah sich um und brauchte erst einmal einige Sekunden, bis sie wusste, dass sie hier in Thomas’ Zimmer, in seinem Bett lag. Als Thomas merkte, dass sie wach war, ging er sofort zu ihr und setzte sich auf die Bettkante. „Alles ok?“, fragte er besorgt, während er nach ihrer Hand fasste. Biggi nickte leicht. „Hab ich lange geschlafen?“, fragte sie dann. „Ein bisschen, jedenfalls die ganze Fahrt über.“, meinte Thomas leise. Er war bereits umgezogen und schaltete nun das kleine Licht auf dem Nachttisch ein und machte das Deckenlicht aus. Dann legte er sich vorsichtig neben Biggi und legte seine Arme um sie. Sie kuschelte sich so dich, wie es ging, an ihn und schloss dann zufrieden die Augen. Wie sehr hatte sie seine Nähe und seine Wärme vermisst. Thomas gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und wartete noch bis er sicher war, dass sie schlief, bis auch er erschöpft die Augen schloss.

Etwa zwei Stunden später wachte er jedoch wieder auf. Biggi wälzte sich im Schlaf unruhig hin und her und sprach im Traum. Thomas verstand nicht genau, was sie sagte, doch dann verstand er doch einen Satz: „Nein, bitte nicht…bitte.“ Sie musste einen Alptraum haben, oh nein! Er überlegte, ob er sie wecken sollte, doch diese Entscheidung wurde ihm abgenommen, da sie plötzlich hochschreckte. Sie war ziemlich außer Atem. „Hey, Biggi, ganz ruhig, es ist alles in Ordnung.“, sagte Thomas leise und schaltete die kleine Nachttischlampe an. Biggi begriff erst jetzt, dass es alles nur ein Traum gewesen war. Sie hatte von Ebelsieder geträumt, von dem Tag in der Scheune, wie er über sie hergefallen war, es war einfach nur schrecklich. Ihr liefen Tränen übers Gesicht und Thomas nahm sie sofort ganz fest in den Arm. „Ich habe von ihm geträumt…es war so schrecklich…“, sagte Biggi leise. Thomas wusste natürlich genau, wer mit „ihm“ gemeint war und streichelte Biggi beruhigend. „Hey, es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir.“, meinte er lieb. Biggi weinte ein bisschen in seinen Armen. Sie war unendlich froh, dass sie jetzt nicht alleine war, sondern hier bei Thomas. Ganz langsam beruhigte sie sich wieder. Sie sah auf und sah Thomas an. „Danke, dass du da bist.“, sagte sie dann leise. „Hey, das ist doch selbstverständlich, ich liebe dich doch.“, erwiderte er. „Ich dich auch.“, sagte Biggi und brachte sogar ein kleines Lächeln hervor. Sie schmiegte sich ganz eng an Thomas und küsste ihn dann zärtlich. Sie war so unendlich froh, bei ihm zu sein. Wenn sie ihn spürte, wie er sie zärtlich in den Armen hielt, fühlte sie sich sicher. Da konnte sie einen ruhigen Atemzug tun, ohne Angst zu haben, dass "er" wieder mit seinem starren Blick auf sie zukam und alles von vorn losging. Sie sah Thomas an, der ihr liebevoll übers Gesicht streichelte. "Versuch, wieder einzuschlafen. Das wird dir gut tun.", meinte er leise. "Aber ... aber wenn ich wieder träume ... er lässt mich nicht mal da in Ruhe.", entgegnete Biggi mit ängstlicher Stimme. "Ich bin ja bei dir. Du musst dir nur ganz sicher sein, dass ich auf dich aufpasse. Es kann dir nichts passieren. Glaub mir, er kann dir nie nie wieder etwas tun, dafür sorge ich." "Ich liebe dich so...", sagte Biggi und blickte ihm in die Augen. "Komm her", meinte er darauf, mit feuchten Augen. Er hatte sie so schrecklich vermisst, sich so unheimliche Sorgen gemacht. Sie jetzt wieder im Arm zu haben, war wie ein Geschenk des Himmels. Doch die Wut, die er im Bauch hatte, war ebenso endlos wie die Freude über das Wiedersehen mit Biggi. Er wusste nicht, was dieses Schwein seiner Biggi angetan hatte, doch aus Biggis Traum ahnte er etwas deuten zu können, das ihn Ebelsieder gegenüber zu einer unberechenbaren Bestie machen ließ...

Er hielt sie noch lange fest im Arm, wusste, dass es ihr unheimlich gut tat. Und ihm auch. Erst als er spürte, dass Biggi immer schwächer und müder wurde, legte er sie ganz sanft zurück ins Kissen, streichelte ihr noch mal übers Haar und wartete dann, bis sie wieder eingeschlafen war. Anschließend legte er sich selbst wieder neben sie hin, sie niemals loslassend. Während Biggi aus Erschöpfung sofort wieder eingeschlafen war, lag Thomas noch lange wach in dieser Nacht...

Doch auch Gabi konnte nicht viel Schlaf finden in ihrer Wohnung. Da waren die Gedanken an Biggi, an Ralf ... an Rene. Obwohl sich dieser heute wie ein Gentleman unter den Piloten verhalten hatte, sagte ihr ein tiefes inneres Gespür, dass der Schein trog. Ihr Gefühl hatte sie noch nie in ihrem Leben getäuscht. Und deshalb wäre es äußerst verwunderlich, wenn es zu diesem Zeitpunkt das erste Mal geschehen würde. Rene war ihr unheimlich. Jede Minute, in der sie mit ihm zusammen arbeitete, die sie mit ihm verbrachte, fühlte sie sich schrecklich unsicher. Überhaupt war die Vertrautheit in ihrer Arbeit zurzeit weg. Katja, ok, sie war eine sympathische Frau, aber keine Vertraute, mit der sie hätte reden können. Ja, und von Rene ganz zu schweigen. Sie vermisste Ralf und Biggi so sehr. Sie fühlte sich allein in dem Engel, in dem sie ihre Arbeit doch sonst immer nur mit ihren engsten Freunden geteilt hatte. Und dann war heute auch noch dieses schreckliche Ereignis mit Biggi passiert. Sie tat ihr so unheimlich Leid. Dieser traurige Blick, mit dem sie ihr am Sofa gesagt hatte, es gehe ihr gut - während Gabi im Innersten wieder mal genau gewusst hatte, dass es nicht so war. Hoffentlich hatte ihr Ebelsieders nichts angetan...

Sie wusste überhaupt nicht, wie es nun weitergehen sollte. Hoffentlich würde irgendwann wieder alles beim Alten sein - Ralf würde sich vielleicht irgendwann wieder an alles erinnern können, sie würden dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten, Biggi sollte über all die Geschehnisse hinwegkommen, sich erholen und beide sollten wieder in ihre Arbeit zurückkehren. Und Rene würde verschwinden. Wenn sich doch nur einmal alle ihre Wünsche erfüllen würden ... doch ihr Gefühl sagte ihr die schreckliche Wahrheit, dass nichts so kommen würde wie sie es sich erhoffte... Weinend schlief sie schließlich im frühen Morgengrauen in ihrem Bett ein.

Michael stand an diesem Morgen schon früh auf. Er war von einem Anruf der Polizei geweckt worden. Er ging daraufhin in die Küche, um für Dirk Frühstück zu machen und dann nach Biggi zu sehen. Gedankenverloren belegte er Brote für seinen Sohn. Als dieser ihn darauf aufmerksam machte, dass er ein wenig abwesend schien, meinte er nur:  "Das werde ich dir heute Mittag erzählen, jetzt musst du zur Schule." Sie verabschiedeten sich und Michael räumte erstmal den Frühstückstisch ab. Als er alles in die Spüle gegeben hatte, bereitete er auf einem Tablett ein Frühstück für Thomas und Biggi und begab sich schließlich nach oben. Die beiden schliefen noch, und Michael schlich ganz leise ins Zimmer, stellte das Tablett auf einem Tisch am Fenster ab. Dadurch wurde Thomas wach. "Guten Morgen", flüsterte Michael ihm zu. "Morgen", meinte auch der ganz leise. Dann sah er auf Biggi, vergewisserte sich, dass sie noch ganz fest schlief und ging dann mit Michael zusammen nach draußen. "Wie war die Nacht? Ist sie noch mal aufgewacht?", fragte Michael auf dem Flur. "Ja. Sie hatte einen Alptraum." "Oh nein ..." "Sie hat eindeutig von Ebelsieder geträumt, stammelte etwas von 'nein, bitte nicht' und ist dann hochgeschreckt. Ich hab sie zum Glück wieder beruhigen können. Sie ist dann eingeschlafen." Michael schüttelte nur betroffen den Kopf. Dann fiel ihm der Anruf ein. "Die Polizei hat schon angerufen. Sie brauchen unbedingt unsere Aussagen - vor allem aber Biggis." "Spinnen die? Das schafft sie doch nicht, nicht jetzt." "Das hab ich ihnen auch gesagt. Aber die lassen nicht locker. Sie brauchen ihr Protokoll, sonst können sie nichts unternehmen." "Was haben sie jetzt mit ihm gemacht?" "Damit wollten sie nicht rausrücken." "Dieses Schwein soll dafür bezahlen." "Ich weiß. Gerade eben deshalb brauchen sie handfeste Unterlagen. Am besten reden wir mal mit Biggi darüber." Thomas willigte ein. Das würde wohl das Beste sein.

Doch noch schlief Biggi tief und fest und das würde auch noch die nächsten Stunden anhalten. Thomas hatte sich umgezogen und sich dann zu ihr auf die Bettkante gesetzt. Er wollte auf jeden Fall bei ihr sein, wenn sie aufwachte. Während er so dort saß und ihre Hand hielt, dachte er nach. Über den gestrigen Tag. Er musste einfach wissen, was Ebelsieder Biggi angetan hatte, es ließ ihm keine Ruhe. Aber natürlich wollte er sie auf keinen Fall drängen, darüber mit ihm zu reden. Es würde mit Sicherheit schon schwer genug sein für sie die Aussage bei der Polizei machen zu können.

Als er so dort saß und nachdachte, vergaß er total die Zeit und hätte es beinahe nicht bemerkt, dass Biggi langsam die Augen aufschlug. Sie lächelte ein wenig, als sie sah, dass Thomas bei ihr saß und ihre Hand hielt. „Hey, wie geht’s dir?“, fragte er sofort, als er bemerkte, dass Biggi wach war. Biggi zuckte mit den Schultern. Sie fühlte sich noch ziemlich schwach, doch viel schlimmer waren die Gedanken an Ebelsieder, die sie sogar bis in ihre Träume verfolgten. „Es geht so“, meinte sie dann leise. Thomas strich ihr sanft über die Wange und gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Das wird schon wieder, hm?“, meinte er dann aufmunternd und versuchte zu lächeln, was ihm jedoch nicht ganz gelang. Biggi nickte nur leicht. Sie hoffte so sehr, dass er Recht hatte.

Thomas stand auf und rief Michael, der gerade dabei war im Flur Staub zu saugen, damit er noch einmal nach Biggi sehen konnte. Thomas holte inzwischen das Frühstück, das Michael vor der Tür abgestellt hatte, ins Zimmer und stellte es auf den Nachttisch. Auch er selbst hatte noch nichts gegessen.

Michael betrat das Zimmer und ging zu Biggi. Er kontrollierte zunächst ihren Puls, der allerdings im Normalbereich lag. Dann maß er ihren Blutdruck. Er war zwar noch immer ein wenig niedrig, aber noch kein Grund zur Besorgnis. Schließlich wechselte er ihr noch die Infusion, die inzwischen ganz durchgelaufen war aus. Biggi sah ihm die ganze Zeit zu. „Das bekommen wir schon wieder hin, du wirst sehen, in ein paar Tagen bist du wieder auf den Beinen. Du wirst dich zwar noch ein wenig schonen müssen, aber das wird schon wieder.“ „Ich würde dich gern noch einmal untersuchen.“, sagte er dann und sah Biggi fragend an. Sie zögerte einen Moment, doch dann nickte sie. Thomas hatte sich zu ihr ans Kopfende gesetzt und strich ihr liebevoll durchs Haar, während Michael sie vorsichtig untersuchte. Er fand zu seinem Entsetzen nicht nur Schürfwunden an den Handgelenken, die von Fesseln stammen mussten, sondern auch einige Hämatome an ihrem Oberkörper vor. Thomas warf seinem Freund fragende Blicke zu, doch dieser zuckte ebenfalls nur mit den Schultern. Ebelsieder musste Biggi gefesselt haben und sie musste wirklich schlimmes erlitten haben. Darauf wiesen jedenfalls ihre Verletzungen hin.

Nachdem Michael Biggi untersucht hatte, verließ er das Zimmer wieder. Thomas stellte ihr das Tablett aufs Bett und meinte: „Du hast sicherlich Hunger, es wird dir gut tun.“ „Danke.“, meinte Biggi. „Ich…ich bin so froh, hier zu sein, bei dir.“, meinte sie dann leise zu Thomas. Er nickte. „Ich weiß, ich hatte solche Angst um dich. Also Ebelsieder dich in den Fluss gestoßen hat…“ Biggi zuckte sofort zusammen, als der Name Ebelsieder erwähnt wurde. Thomas merkte das und strich ihr beruhigend über die Schulter. „Tut mir Leid, ich wollte das nicht…“ „Schon gut.“, meinte Biggi nur. „Du hast mich aus dem Fluss gezogen, oder?“, fragte sie dann leise. Thomas nickte. Er würde diese Bilder niemals vergessen, wie Biggi bewusstlos, kaum noch am Leben, in seinen Armen gelegen hatte. „Danke“, sagte Biggi und sah ihm in die Augen, „Ich liebe dich.“ „Ich liebe dich auch, unendlich.“, erwiderte Thomas und lächelte sie an. Biggi sah in seine Augen und lächelte zurück. Thomas beugte sich vorsichtig zu ihr herunter und sie begannen sich zu küssen. Biggi legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn ganz nah zu sich. Sie war so erleichtert bei ihm zu sein – hier, wo sie in Sicherheit war und in seinen Armen fühlte sie sich so unendlich geborgen.

Nachdem sie sich eine Weile geküsst hatten, nahm Thomas Biggi ganz fest in den Arm und legte sich neben sie. Sie schmiegte sich an ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust. Thomas streichelte ihr durch die Haare und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Biggi war immer noch sehr schwach und Thomas merkte, dass sie schon fast wieder am einschlafen war. Doch plötzlich bemerkte er, wie Biggi Tränen über die Wangen liefen. Er erschrak und drehte vorsichtig ihr Gesicht zu sich. „Komm her.“, meinte er leise und schloss sie ganz fest in die Arme. Biggi weinte in seinen Armen. „Es war so schrecklich.“, flüsterte sie. Thomas fühlte sich so verdammt hilflos. Wie konnte er ihr nur helfen? Er musste für sie da sein, das wusste er und das würde er auch, da bestand kein Zweifel. Doch er würde so gern noch mehr für sie tun. Nur was?

Nachdem Biggi sich wieder beruhigt hatte, bettete Thomas sie in ihr Kissen zurück und deckte sie fürsorglich zu. „Du solltest dich etwas ausruhen und ein bisschen schlafen, hm?“, meinte er besorgt. Biggi nickte. Sie merkte ja selbst, wie erschöpft sie war. Thomas blieb noch an ihrem Bett sitzen und hielt ihre Hand, bis er sich ganz sicher war, dass sie eingeschlafen war. Dann stand er langsam auf und verließ leise das Zimmer. Michael hatte ihn schon erwartet. „Ich glaube, dass wir mit Biggis Vernehmung noch mindestens bis morgen warten sollten.“, meinte der Arzt nachdenklich. Thomas nickte. „Die Schürfwunden an ihren Händen weisen darauf hin, dass er sie gefesselt hat.“, meinte Michael dann. Thomas erschrak. „Und die Hämatome an ihrem Oberkörper…“, Michael sprach nicht weiter. „Dieses Schwein, dafür wird er bezahlen…“, flüsterte er nur. „Mit Biggis Aussage wird die Polizei auf jeden Fall genug Beweise haben und er bekommt seine gerechte Strafe.“, versichte Michael seinen Freund. Thomas nickte. „Hoffentlich.“ „Ich werde Kommissar Billmann dann für morgen Vormittag hierher bestellen.“, meinte Michael, „Biggi kann in ihrem Zustand unmöglich aufs Präsidium kommen.“ Thomas nickte. „Wird wohl das Beste so sein. Ich geh dann wieder zu ihr, sie schläft jetzt.“, meinte er. Michael nickte, während Thomas die Tür zu seinem Schlafzimmer öffnete.

Ralf lag zur selben Zeit gerade in seinem Krankenbett und starrte an die Decke. Seit vorgestern hatte ihn schon niemand besucht. Wie auch? Er gab sich selbst die Schuld. Wahrscheinlich hatte er sie mit seinem Verhalten vertrieben und sie wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er konnte ja nicht ahnen, was sich auf der Basis alles ereignet hatte und was Biggi zugestoßen war. Plötzlich hörte er ein Geräusch und sah dann zur Tür. Eine blonde Frau betrat sein Zimmer. Er hatte sie schon einmal vorher gesehen, da war er ganz sicher – vor dem Unfall. Doch er konnte sie nicht einordnen. Aber…er erinnerte sich an sie. Er konnte es nicht fassen. Er hatte sich an etwas erinnert, an etwas, vor dem Unfall, an einen Teil seiner verloren geglaubten Vergangenheit. Die Frau trat näher an sein Bett und setzte sich auf den Besucherstuhl. „Hallo Ralf.“, sagte sie dann zögerlich. Ralf blickte sie an und fragte dann: „Wer sind Sie? Ich weiß, ich kenne Sie, aber ich… ich kann mich nicht mehr genau erinnern….“, „Ich…wir…wir waren einmal zusammen. Ich bin Christine…aus Berlin. Wir haben dort zusammen gelebt, bis wir uns getrennt haben…“, meinte sie, wobei sie immer leiser wurde. „Ja…ich erinnere mich…“, sagte er dann. Er konnte es immer noch nicht glauben. Er konnte sich tatsächlich an Christine erinnern. An alles, was er mit ihr zusammen erlebt hatte, in Berlin. Ja, es war alles plötzlich wieder da. Doch das, was davor und danach war, das blieb für ihn weiterhin im Dunklen. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, dass er sich von Christine getrennt hatte – oder sie sich von ihm? Das musste er jetzt wissen. „Warum haben wir uns getrennt. Und wann?“, fragte er sie und sah ihr dabei in die Augen. „Es ist noch nicht allzu lange her, nicht mal ein halbes Jahr. Ich…ich hatte ziemlich viel Stress im Job und deshalb hatten wir immer wieder Zoff, bis ich mich dann von dir getrennt habe….“, erzählte sie und musste ihre Tränen zurückhalten. Sie liebte Ralf immer noch, und sie bereute alles so. Sie fasste langsam nach seiner Hand. „Aber…ich habe das damals nicht so gemeint… Ralf, sieh mich an. Ich liebe dich doch immer noch…“, sagte sie. Ralf sah sie an. Er wusste partout nicht, was er sagen sollte. Damit hatte er nicht gerechnet. Doch auch ihm gefiel Christine noch immer. Er konnte sich ja nicht einmal vorstellen, dass sie sich getrennt hatten. Doch da war auch noch Gabriele. An sie konnte er sich jedoch nicht mehr erinnern, jedenfalls nicht daran, was er vor seinem Unfall mit ihr zusammen erlebt hatte. Was sollte er denn nur tun. Irgendwie fühlte er sich zu Christine hingezogen, doch war das wirklich richtig?

Thomas wachte wieder an Biggis Bett. Sein Blick fiel auf die Schürfwunden an ihren Handgelenken. Was hatte Ebelsieder ihr nur angetan? Das würde Thomas ihm niemals verzeihen. Er streichelte Biggi zärtlich über die Hand und gab ihr dann einen ganz leichten Kuss auf die Wange. Wenn sie wieder aufwachen würde, müsste er mit ihr über die Aussage reden. Er hoffte so sehr, dass Biggi in ihrem Zustand überhaupt in der Lage war gegen Ebelsieder auszusagen, damit er seine gerechte Strafe bekam. Aber das wichtigste war jetzt erst einmal, dass es ihr besser ging und sie den Vorfall verarbeiten konnte. Dabei würde Thomas ihr helfen, so gut er konnte, und zusammen würden sie das alles durchstehen.

Nach einer Weile betrat Michael leise das Zimmer. Er setzte sich zu Thomas an die Bettkante und erzählte ihm ganz leise über das Telefongespräch mit Dr. Billmann. "Er wird morgen gegen zehn Uhr kommen. Er meint, er verstehe natürlich die Umstände und dass es für Biggi sehr schwer sein muss, aber ihre Aussage sei einfach nötig. Im Moment suchen sie noch in der Scheune nach weiteren Beweismitteln." Thomas nickte nur. "Thomas ... wir müssen nachher mit ihr darüber reden." "Ich weiß ja. Aber es fällt mir so schwer. Sie hat keine Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen." Michael konnte ihm nur Recht geben. Doch da mussten sie jetzt durch. "Ich will mir gar nicht vorstellen, was dieses Schwein mit ihr gemacht hat ...", sagte Thomas und seine Stimme bebte vor Zorn. "Wir werden es ... wohl morgen erfahren. Wir müssen Biggi beistehen." "Klar, aber ..." Michael bemerkte, wie Thomas' Augen feucht wurden. Er sprach nicht weiter. Michael umarmte ihn tief freundschaftlich. Das tat Thomas unheimlich gut. Auch er hatte Emotionen, denen er irgendwann Luft lassen musste – diese unendliche Wut, mit der er nicht fertig werden konnte. Die er vor Biggi besser nicht zeigen sollte. Er weinte an der Schulter seines Freundes, der ihm beruhigend über den Rücken strich. "Wir werden das irgendwie alles auf die Reihe bekommen. Glaub mir. Sie wird darüber hinwegkommen, egal, wie lange es dauert."  Thomas sah ihn dankbar an und nickte. Er wischte sich die Tränen aus den Augen. Biggi sollte sie nicht sehen.

Sie blieben noch eine ganze Weile schweigend am Bett sitzen. Bis sie schließlich bemerkten, wie Biggi langsam aufwachte. "Hey mein Schatz ...", sagte Thomas lieb und streichelte ihr über den Kopf. "Hast du gut geschlafen?" Biggi nickte leicht. "Wie spät ist es denn? Ich kriege gar nichts mehr mit...", fragte sie dann schwach. Thomas lächelte und meinte: "Ist schon wieder acht Uhr abends. Aber es ist doch gut, wenn du dich ausruhst. So kommst du am schnellsten wieder zu Kräften." Michael fühlte ihren Puls und nickte zufrieden. "Der Schlaf tut dir gut. Hast du Hunger?" "Danke", meinte sie nur und schüttelte leicht den Kopf. Sie verspürte überhaupt kein Hungergefühl mehr. Seit all diesen Ereignissen wollte sie einfach nur die Zeit an sich vorbeigehen und all die Erinnerungen mit ihr davonfliegen lassen. Doch das ging nicht. Das wusste sie. Sie würde am liebsten aus ihrer Haut raus. Doch auch das war nicht möglich.

"Biggi, wir ... wir müssen mit dir reden.", begann Thomas dann vorsichtig. Biggi blickte ihn an. "Worüber denn?", fragte sie leise, ahnte aber die Antwort. Michael sprach weiter. "Die Polizei muss unbedingt ein Protokoll aufnehmen. Ich ... ich konnte sie für heute noch abwimmeln - aber es bringt nichts, das länger hinauszuzögern. Der Kommissar will morgen Vormittag vorbeikommen und mit dir sprechen." Biggi sah ihn an und sagte nichts. Dann blickte sie weg, aus dem Fenster, und fragte leise: "Was ... was will der denn wissen?" Michael fiel es schwer, zu antworten. "Er wird wissen wollen, wie das mit der Entführung in der Klinik war und was ... was in der Scheune vorgefallen ist..." Was in der Scheune vorgefallen ist. Als Michael das sagte, konnte Biggi nicht anders, als an all die schrecklichen Ereignisse, die qualvollsten Stunden ihres Lebens zurückzudenken, wie Ebelsieder über sie hergefallen war ... wie ein Tier ... mit diesen starren Augen.

Sie begann zu zittern und Tränen stiegen ihr in die Augen, rannen über ihr Gesicht. Thomas und Michael erschraken. Thomas nahm sie sofort zu sich, versuchte, sie zu beruhigen. "Hey Biggi ... ganz ruhig. Komm her ... es wird alles wieder gut." Leise redete er auf sie ein, nahm sie fest in die Arme und streichelte sie. Ganz langsam begann sie, sich zu beruhigen, langsamer zu atmen und nicht mehr zu zittern. In Thomas' Armen kam das Gefühl der Geborgenheit wieder, sie spürte, dass sie keine Angst mehr zu haben brauchte.

Sie schmiegte sich ganz eng an ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust. „Du solltest dich ausruhen für morgen.“, meinte Michael dann. Thomas nickte. „Er hat Recht, es wird dir sicherlich gut tun. Ich werde auch bei dir bleiben.“ Biggi nickte beruhigt. Thomas legte sie vorsichtig wieder zurück aufs Kissen und legte sich dann neben sie. Er legte beschützend seine Arme um sie und Biggi kuschelte sich an ihn. Michael lächelte bei dem Anblick der beiden und verließ dann das Zimmer.

Im Vergleich zur letzten Nacht verlief diese ziemlich ruhig. Biggi wachte nicht ein einziges Mal auf und schlief die ganze Nacht tief und fest – und ruhig. Thomas wachte mehrere Male auf, doch immer wenn er zu Biggi sah, stellte er erleichtert fest, dass alles in Ordnung war und schlief schnell weder ein.

Am nächsten Morgen stand Michael als erstes auf. Er musste schließlich wie jeden Morgen das Frühstück für seinen Sohn machen. Für Biggi und Thomas machte er auch gleich Frühstück.

Nachdem Dirk aus dem Haus war, ging Michael nach oben und schaute vorsichtig in Thomas’ Schlafzimmer, um festzustellen, ob Thomas und Biggi noch schliefen. Das taten sie beide, tief und fest. Biggi lag immer noch in Thomas’ Armen. Michael schmunzelte bei diesem Anblick. Sie waren wirklich ein schönes Paar, fand er. So schloss er die Tür leise wieder und machte sich daran ein wenig aufzuräumen. Nachher würde schließlich Kommissar Billmann kommen und außerdem hatte Michael heute Nachmittag wieder Dienst. Die Basis war schließlich nur für einen Tag geschlossen worden und der Dienst musste weitergehen, trotz des schlimmen Vorfalls.

Das B Team war unterdessen schon auf der Basis eingetroffen, da sie die Frühschicht hatten. Gabriele war mit Katja und Rene ganz allein auf der Basis. Max kam heute später und die Stützpunktleitung hatte ja vorübergehend Michael übernommen. Es war so merkwürdig still an diesem Morgen auf der Basis. So zumindest empfand Gabi es. Sie vermisste den gewöhnlichen Trubel und das morgendliche Chaos. Ralf, der ihnen meistens ein zweites Frühstück mitbrachte, das Lachen von Biggi und Thomas, wenn sie wieder auf der Wiese herumalberten, Max, der trotz allem fast immer gute Laune hatte…. Und irgendwie fehlte ihr sogar Ebelsieder ein wenig, keiner mehr, der ihnen Berichte aufdrückte oder sie zur Ordnung rief. Stattdessen saß sie hier mit Katja und Rene, die sie beide kaum kannte und musste ihre Schicht absitzen, immer hoffend, dass endlich die Ablösung kommen würde. Es war alles anders, anders als sie es gewöhnt war, anders, als sie es sich wünschte… Sie seufzte und widmete sich dann wieder dem Einsatzbericht, den sie gerade ausfüllte. Rene saß ihr gegenüber und starrte sie schon die ganze Zeit so merkwürdig an. Gabi war das irgendwie unheimlich. Doch irgendwann nervte es sie nur noch und so nahm sie ihren Bericht, stand auf und verzog sich in den Hangar. Doch Rene folgte ihr, nur Katja blieb kopfschüttelnd über sein merkwürdiges Verhalten Gabi gegenüber, das ihr auch schon aufgefallen war, im Aufenthaltsraum zurück.

Thomas war inzwischen aufgewacht. Er sah zunächst zu Biggi, die noch immer in seinen Armen lag und schlief, und dann auf die Uhr. Es war kurz nach neun. Nicht mal mehr eine Stunde und Kommissar Billmann würde hier auftauchen, um Biggis Aussage zu protokollieren…

Christine saß an Ralfs Bett und betrachtete ihn, während er noch schlief. Sie war die ganze Nacht bei ihm geblieben und hatte ihm erzählt, was noch alles nach ihrer Trennung geschehen war, zumindest von den Sachen, die sie mitbekommen hatte, denn seit Ralf in Traunstein war, hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Als er dann irgendwann eingeschlafen war, war sie immer noch bei ihm geblieben und musste dann wohl auch eingeschlafen sein. Jetzt saß sie hier an seinem Bett, sah ihn an und dachte nach. Hätte ein Neuanfang zwischen ihr und Ralf überhaupt eine Chance? Das fragte sie sich die ganze Zeit schon. Ihr Job, den sie inzwischen aufgegeben hatte, würde ihnen nicht mehr im Weg stehen. Sie würde alles dafür geben mit Ralf noch einmal glücklich zu werden. Doch würde er das auch? Sie wusste es partout nicht. Schließlich war da auch noch diese Gabriele, die angeblich mit ihm zusammen gewesen war, bevor er den Unfall gehabt hatte. Ob er sie noch liebte? Und was empfand er für sie selbst? Immerhin hatte er sich nicht daran erinnern können, dass sie sich getrennt hatten, daran, dass se zusammen gewesen waren schon. Überhaupt war sie die erste Person gewesen, an die er sich erinnern konnte. Das hatten zumindest sowohl Ralf als auch die Ärzte ihr bestätigt. Ob das etwas zu bedeuten hatte? Oder erhoffte sie es sich nur, dass Ralf die gleichen Gefühle für sie empfand, wie sie für ihn?

Es klingelte um kurz vor zehn an der Haustür der Villa und Michael öffnete. „Guten Morgen, Kommissar Billmann, kommen Sie doch rein.“, empfing er den Polizeibeamten freundlich. „Wie geht es Frau Schwerin?“, erkundigte dieser sich erst einmal. „Körperlich geht es ihr wieder ganz gut. Sie ist zwar noch etwas schwach und braucht viel Ruhe, aber das wird schon wieder. Doch seelisch ist sie schwer angeschlagen. Ich hoffe, dass Sie die Vernehmung durchsteht.“ Der Kommissar nickte. Auch ihm machte es keinen Spaß die total verängstigten und psychisch angeschlagenen Opfer eines Verbrechens zu vernehmen, doch es war nun einmal sein Job und er wusste, dass Ebelsieder nur so seine gerechte Strafe erhalten würde. „Vorhin hat Frau Schwerin noch geschlafen. Herr Wächter ist bei ihr. Ich werde mal schauen, ob sie schon wach ist.“, meinte Michael dann und machte sich auf den Weg nach oben zu Thomas’ Schlafzimmer, während Kommissar Billmann im Flur wartete.

Als Michael das Zimmer betrat, sah er, dass die beiden schon wach waren. „Kommissar Billmann ist jetzt da.“, informierte er sie, obwohl sich Biggi und Thomas schon denken konnten, wer vor einigen Minuten an der Haustür geklingelt hatte. Thomas sah Biggi zweifelnd an. „Ist schon ok.“, meinte sie jedoch und bat Michael den Kommissar zu holen. „Bist du sicher, dass du bereit dazu bist, mit ihm zu reden?“, fragte Thomas sie besorgt. Biggi zögerte kurz, doch dann nickte sie entschlossen. Sie wollte es endlich hinter sich bringen, wolle endlich ihre Ruhe haben von der ganzen Sache, endlich vergessen können, was geschehen war.

Wenige Augenblicke später betrat Kommissar Billmann auch schon das Zimmer. Michael brachte ihm einen Stuhl und er setzte sich zu Biggi ans Bett. Thomas legte ihr noch ein weiteres Kissen unter den Kopf, damit sie ein wenig höher lag und setzte sich dann auf der anderen Seite neben sie. Er fasste nach ihrer Hand und hielt sie ganz fest. Hoffentlich würde Biggi die Befragung psychisch durchstehen.

Michael holte sich ebenfalls einen Stuhl und setzte sich ans Fußende des Betts. Schließlich fing Kommissar Billmann an. „Frau Schwerin, ich weiß, dass es sicherlich nicht einfach für Sie ist, über diese Ereignisse zu reden, aber wir brauchen Ihre Aussage dringend. Sobald es Ihnen zu viel wird, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid, dann werden wir aufhören und später weitermachen.“ Biggi nickte leicht. Sie hatte Angst vor den Fragen, die sie jetzt beantworten müssen würde, Angst, wieder an diesen schrecklichen Tag zu denken.

Dann begann Kommissar Billmann sie zu der Entführung – zu dem schrecklichsten Ereignis ihres Lebens – zu befragen. „Sie sollten also am Morgen des 21. Septembers gegen zehn Uhr aus dem Marienklinikum entlassen worden, wo sie wegen einer Schussverletzung einige Tage in stationärer Behandlung waren.“ Biggi nickte. „Was ist dann passiert?“, wollte Kommissar Billmann wissen. „Thomas…Herr Wächter hat mir geholfen meine Sachen zu packen, doch bevor wir nachhause fahren wollte, hatte er noch etwas zu erledigen. Ich sollte in meinem Zimmer auf ihn warten…“, erzählte Biggi. Sie war dabei noch erstaunlich ruhig und gefasst. „Was hatten Sie denn an diesem besagten Morgen noch vor, Herr Wächter?“, wandte der Kommissar sich dann an Thomas. „Ich wollte für Biggi… für Frau Schwerin einen Strauß Blumen aus dem Blumenladen in der Klinik kaufen, bevor wir nachhause fahren wollten. Deshalb bin ich noch mal kurz weg…“ Thomas fragte sich die ganze Zeit schon, ob er es hätte vermeiden können, wenn er bei Biggi geblieben wäre. Andererseits wusste er, dass er sie nicht 24 Stunden am Tag beschützen konnte.

Billmann notierte alles und wandte sich dann wieder an Biggi. „Und was ist dann passiert? Nachdem Herr Wächter das Zimmer verlassen hatte?“ Biggi zögerte einen Moment, doch dann begann sie langsam zu erzählen. „Schon kurze Zeit später ging die Tür wieder auf. Ich dachte zunächst, Thomas wäre schon zurück, doch dann erkannte ich Herrn Ebelsieder. Er…“ Biggi zögerte, bevor sie weiter sprach. „Er hat mich aufgefordert mit ihm mitzukommen und als ich ihn für verrückt erklärt habe und mich geweigert habe, hat er ein Messer gezogen und mich gezwungen…“ Biggi lief eine Träne über die Wange. Es war schrecklich jetzt auch noch alles haargenau wiedergeben zu müssen. Thomas drückte ganz fest ihre Hand und strich ihr zärtlich über die Wange. „Sollen wir aufhören und morgen weitermachen?“, fragte Kommissar Billmann, dem das natürlich nicht entgangen war. „Nein, nein es…es geht schon.“, erwiderte Biggi jedoch und wischte sich tapfer die Tränen aus dem Gesicht, sie wollte das jetzt hinter sich bringen. „Er...er hat mich gezwungen in sein Auto einzusteigen und dann…dann…dann ist er mit mir zu einer Scheune gefahren.“ Die Zwischenfälle, die auf der Fahrt geschehen waren, erwähnte sie jedoch nicht. Zu schwer fiel es ihr darüber zureden. Und noch etwas kam hinzu: Die Angst. Die Angst, davor, dass Ebelsieder sich wohlmöglich an ihr rächen würde, wenn sie ihn nun ins Gefängnis brachte. Doch andererseits wusste sie, dass sie wahrscheinliche nicht mehr ruhig schlafen können würde, wenn sie wüsste, dass er frei herumliefe.

Kommissar Billmann nahm alles in sein Protokoll auf und fragte dann weiter: „Und was hat er dann mit Ihnen gemacht, wie hat er sich Ihnen gegenüber verhalten? War er aufdringlich oder hat er Ihnen irgendwelche Verletzungen zugefügt?“ Biggi sah aus dem Fenster. Tränen liefen ihr über die Wangen, zu schlimm waren die Erinnerungen an diesen Tag – diesen Tag mit Ebelsieder. Sie begann nun richtig zu weinen und Thomas nahm sie sofort in den Arm. Er zog sie ganz fest an sich und versuchte sie zu beruhigen. Doch Biggi hörte nicht auf zu weinen. Es war einfach alles so schrecklich. Thomas hatte große Mühe wie wieder ein wenig zu beruhigen, doch sie schluchzte immer noch leise in seinen Armen. Unentwegt streichelte er ihr über den Rücken und übers Haar und versuchte sie zu trösten. Er fühlte sich so schrecklich hilflos und es versetzte ihm einen gewaltigen Stich ins Herz Biggi so am Boden zu sehen. Was hatte Ebelsieder ihr nur angetan? Was hatte er mit Biggi gemacht? Thomas schwor sich, dass Ebelsieder dafür bezahlen würde, für alles, was er Biggi angetan hatte, seiner Biggi, die jetzt am Boden zerstört in seinen Armen lag und weinte.

Es dauerte lange – sehr lange, bis sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Kommissar Billmann wollte schon wieder gehen und später wiederkommen, doch Biggi wollte, dass er blieb. Sie lag in Thomas’ Armen und hatte sich ganz eng an ihn geschmiegt. Wenn sie hier in seinen Armen lag, dann fühlte sie sich irgendwie sicher, sie wusste, dass ihr nichts passieren konnte. Aber die Vergangenheit, dieser grausame Tag, holte sie immer wieder ein. Doch zum Glück hatte sie ja Thomas, der für sie da war und ihr beistand. Sie war ihm so unendlich dankbar dafür, alleine hätte sie die letzten Tage niemals durch gestanden.

Kommissar Billmann wiederholte nach einer Weile seine Frage noch einmal: „Was hat er in der Scheune mit Ihnen gemacht, wie hat er sich Ihnen gegenüber verhalten? War er aufdringlich oder hat er Ihnen irgendwelche Verletzungen zugefügt?“ Biggi atmete einmal tief durch und meinte dann mit zitternder Stimme: „Er hat mir nichts getan.“ „Sind Sie sicher?“, fragte Kommissar Billmann, der das nicht so recht glauben konnte, schließlich war Biggi total verängstigt. Biggi nickte. „Ja, wenn ich es doch sage.“, meinte sie entschlossen, es klang fast ein wenig wie ein Vorwurf. „Ok, ist ja gut, ich glaube Ihnen ja.“, versicherte Billmann ihr, auch wenn er das nicht tat. Doch er konnte sie schließlich zu nichts zwingen und musste ihre Aussage protokollieren. Thomas und Michael warfen sich zweifelnde Blicke zu. Sie wussten, dass Biggi gelogen hatte, woher kamen sonst ihre Verletzungen? „Sie sind sich aber darüber im Klaren, dass Herr Ebelsieder bei Ihrer jetzigen Aussage wahrscheinlich keine Haftstrafe verbüßen werden muss, sondern mit einer Bewährungsstrafe davonkommen wird. Da sich herausgestellt hat, dass er bei der Tat unter Medikamenteneinfluss stand und nicht voll zurechnungsfähig war, wird das Urteil sowieso eher milde ausfallen.“, redete Kommissar Billmann Biggi noch einmal ins Gewissen. Sie zögerte. Sollte sie doch alles erzählen? Sie konnte es einfach nicht, es war zu schrecklich. Und was war, wenn Ebelsieder sich wirklich an ihr rächen würde? „Man kann ihn für nichts bestrafen, was er nicht getan hat, oder?“, meinte sie dann entschlossen. Kommissar Billmann gab es auf, obwohl er sich fast sicher war, dass Biggi ihm etwas verschwieg, dafür war er schon lange genug im Polizeidienst tätig, um so etwas einschätzen zu können. „Dann will ich Sie jetzt nicht länger stören. Alles gute noch.“, verabschiedete er sich. Michael brachte ihn noch zur Tür.

Thomas war bei Biggi geblieben. Nachdem Kommissar Billmann das Zimmer verlassen hatte, hatte sie fürchterlich angefangen zu weinen. Warum hatte sie nicht die Wahrheit gesagt? Sie hatte Kommissar Billmann angelogen und nun würde Ebelsieder wahrscheinlich nicht einmal ins Gefängnis müssen. War das wirklich das, was sie wollte? Nein, natürlich nicht. Aber sie konnte einfach noch nicht über die schrecklichen Ereignisse reden – noch nicht. Thomas konnte Biggi gar nicht mehr beruhigen und so hielt er es für besser Michael zu rufen. Als er das Zimmer betrat, wusste er sofort, was los war und verabreichte Biggi ein leichtes Beruhigungsmittel. Thomas hatte sie ganz vorsichtig zurück aufs Kissen gelegt und Michael injizierte ihr nun das Mittel. Biggi zuckte zusammen, doch dann wurde sie ziemlich schnell ruhiger. Thomas hielt die ganze Zeit ihre Hand und streichelte sie. „Ruh dich erst einmal aus, hm?“, meinte er dann lieb. Biggi nickte, wobei ihr noch eine Träne über die Wange rollte. Thomas wischte sie ihr jedoch zärtlich weg. Es dauerte nicht lange und Biggi schlief ein. Thomas blieb jedoch noch an ihrem Bett sitzen. Er fragte sich die ganze Zeit, warum Biggi nicht die Wahrheit gesagt hatte. Zumindest konnte er sich nicht vorstellen, dass es die Wahrheit war. Er würde sie ja gern darauf ansprechen, doch natürlich wollte er sie auf keinen Fall zwingen, über diese schrecklichen Ereignisse zu reden. Das brauchte Zeit, das wusste er. Er sah Biggi an, immer noch hielt er ihre Hand. Er wünschte sich so sehr, dass sie vergessen könnte, was passiert war, dass sie darüber hinwegkommen würde. Er würde alles dafür tun und ihr so gut dabei helfen, wie er konnte.

Gabriele hatte sich zum Flipper begeben und machte dort ein Spiel. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter – Renes Hand. Sie drehte sich ruckartig um und blickte in Renes grinsendes Gesicht. Leise seufzte sie. Er würde sie wohl nie in Ruhe lassen. Wenn doch nur Biggi und Ralf hier wären… Wen doch nur alles so wäre wie früher und Ralf sich erinnern könnte… „Was willst du?“, fragte Gabriele Rene etwas genervt. „Willst du das wirklich wissen?“, fragte er und lächelte sie schief an. Sie nickte „Nun sag es mir schon.“ „Mit dir heute Abend essen gehen.“, meinte er. Gabriele sah ihn entsetzt an. „Du wirst es wohl nie aufgeben, was?“, meinte sie ärgerlich. Rene nickte. „Stimmt, ich bekomme immer alles, was ich will…“, meinte er und es klang fast bedrohlich. Gabriele hatte schon fast Angst vor ihm. Sie beschloss die Unterhaltung zu beenden und zu Katja in den Aufenthaltsraum zu gehen.

Ralf war inzwischen aufgewacht und hatte bemerkt, dass Christine immer noch bei ihm war. Doch bevor sie dazu kamen sich mehr als Guten Morgen zu wünschen, betrat schon Dr. Dorn das Zimmer. „Guten Morgen Herr Staller, wie geht es Ihnen denn?“, fragte er seinen Patienten. „Ganz gut so weit.“, meinte Ralf, „Nur kann ich mich immer noch an fast nichts erinnern.“, fügte er jedoch wehmütig hinzu. „Das wird schon wieder.“, baute der Arzt ihn auf, „Sie werden sehen, mit der Zeit kommt Ihr Gedächtnis wieder und einen Teil haben Sie ja schon wiedererlangt. Ralf nickte bloß. „Aber der Grund, warum ich eigentlich hier bin, ist, dass ich ein erfreuliche Nachricht für Sie habe. Ihr Zustand bessert sich erstaunlich schnell. Wir werden Sie gleich auf die normale Station verlegen und wenn es weiterhin so schnell bergauf geht, können wir Sie vielleicht sogar schon in einer Woche entlassen.“ „Wirklich?“, freute Ralf sich. Doch dann fragte er sich, was er dann eigentlich machen sollte, nach seiner Entlassung. Er wusste ja nicht einmal, wo er wohnte und konnte sich an niemanden außer Christine erinnern. Vielleicht könnte er ja mit ihr zusammenziehen – vorübergehend, bis er alleine zurechtkam. Zumindest fiel ihm im Moment nichts Besseres ein. Seine Kollegen hatten ihn die letzten Tage schließlich nicht mehr besucht. Er dachte sich, dass sie möglicherweise nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten, wegen der Sache mit Gabriele. Natürlich konnte er nicht ahnen, dass Gabi es niemandem erzählt hatte und sich Thomas und Michael um Biggi kümmern mussten. Er wusste ja noch nicht mal etwas von der Entführung. Dass Peter ebenfalls genug Stress am Hals hatte, da er Zoff mit Barbara hatte, konnte Ralf natürlich auch nicht ahnen.

Thomas saß noch immer an Biggis Bett und dachte nach. Über das Gespräch mit Billmann. Über seine Zweifel darüber, dass Biggi die Wahrheit gesagt hatte. Wie könnte er nur mit ihr darüber reden? Würde sie überhaupt mit ihm darüber reden wollen? Vielleicht war es einfach zu früh gewesen für ein derartiges Gespräch. Biggi hatte keine Gelegenheit gehabt, die Geschehnisse zu verarbeiten. Die Geschehnisse, über deren Verlauf nur zwei Personen Bescheid wussten - sie und Ebelsieder. Ebelsieder, dieses Schwein, das seiner Biggi die schlimmste Zeit ihres Lebens beschwert hatte. Warum sollte Biggi so verängstigt sein, hätte er ihr nichts getan? Woher der Alptraum, in dem sie ihn anflehte, irgendetwas nicht zu tun? Und woher die Verletzungen? Es gab tausend Widersprüche, doch nur eine Wahrheit. Die, die Biggi verschwieg. Es wäre so schön, wenn es doch tatsächlich wahr wäre. Doch Thomas musste sich eingestehen, dass er Biggis Worten keinen Glauben schenken konnte. Ihnen keinen Glauben schenken durfte, wenn er es auch noch so gern getan hätte. Was hatte das jetzt gebracht? Biggi war nach diesem Gespräch noch verzweifelter als sie es ohnehin schon war, ihm kamen die Tränen, wenn er nur in ihre traurigen Augen sah, die von einer am Boden zerstörten Stimmung lesen ließen.

Was konnte er nur für sie tun? Etwas anderes, als für sie da sein? Wieder musste er sich die Wahrheit eingestehen, dass er das nicht konnte.

Gabriele brachte ihre Schicht nur mit Hilfe großer Geduld hinter sich. Sie war froh um jede Minute, in der sie Rene nicht zu sehen brauchte. Doch der Tag würde nicht ohne eine weitere Begegnung vergehen. Gerade als sie sich pünktlich zu Schichtende in den Umkleideraum begab, stieß sie im Flur auf den Piloten. "Lauerst du mir etwa auf?", fragte sie ihn angreifend. "Wie kommst du denn darauf? Darf man nicht mal mehr ohne Beschwerde den Flur runterlaufen oder wie?", verteidigte er sich lautstark. Dann fügte er hinzu: "Was kann ich denn dafür, wenn ich dabei wunderschönen Frauen wie dir über den Weg laufe ..." "Lass das.", sagte Gabi nur verärgert. Sie hatte diesen Typen schrecklich satt. Wenn es doch nur einen Stützpunktleiter gäbe, an dem sie ihre Wut über die Vertretung auslassen könnte. Dann fiel ihr ein, dass sie ohnehin heute unbedingt Biggi besuchen wollte. Bei der Gelegenheit

könnte sie ja mit Michael darüber sprechen. "Kannst du mich vielleicht mal vorbeilassen?", fragte sie Rene genervt. "Nein." "Was soll das?", fragte sie ihn verärgert. "Ich dachte, ich könnte dir beim Umziehen helfen...", entgegnete er darauf und näherte sich ihr plötzlich, fasste mit der Hand nach ihr. Sie wich zurück, stieß ihn wütend zur Seite, schritt an ihm vorbei und drehte sich noch mal um. "Lass mich gefälligst in Ruhe, hast du das kapiert?!" Daraufhin betrat sie den Umkleideraum und schlug die Tür hinter sich zu. Rene blieb draußen stehen, blickte diese an, sagte leise "Nein" und verfiel in hinterhältigstes Grinsen...

Ralf war inzwischen in sein neues Zimmer auf der Normalstation verlegt worden. Es gefiel ihm sehr gut, und nach einigen Minuten wusste er gar nicht mehr, wie er es nur in diesem grünen Raum mit all den Computern und Geräten ausgehalten hatte. Christine hatte ihn bei der Verlegung begleitet und räumte nun seine Sachen in den Schrank. "Danke, du bist mir echt ne große Hilfe.", meinte Ralf dankbar. "Gern geschehen.", meinte Christine lieb und setzte sich dann zu ihm ans Bett. "Ich hätte mir nicht gedacht, dass ich wirklich so schnell hier rauskomme...", meinte er nach einer Weile zu ihr. "Ich auch nicht. Aber ich bin total froh darüber." "Ich nicht. Was soll ich denn machen? Ich weiß immer noch kaum, wer ich bin, wie soll ich mich zu Recht finden? Ich kann nicht einfach nur abwarten und Tee trinken, bis mein Gedächtnis wiederkommt. Es ist so, als wär ich auf ne lange Reise ganz weit weg gegangen, und ich komme zurück, aber nichts ist so wie vorher." "Ich kann es mir vorstellen...", meinte Christine. "Ich kenne nicht mal meine Adresse ... und angeblich soll ich sogar einen Hund haben. Ich weiß nichts, verstehst du, NICHTS!" Ralf machte das alles total fertig. "Und nun kommen auch nicht mal mehr meine Kollegen zu Besuch, und ich habe keine Ahnung, weshalb. Vielleicht wegen Gabriele. Aber was soll ich denn tun? Ich hab sie doch alle gern, aber ich kann mir und ihnen doch nichts vormachen!" Christine blickte betrübt nach unten, als das Thema auf Gabriele fiel. Warum gab es diese Gabriele nur? Sie wollte doch mit ihm zusammen sein, sie, Christine. Sie hatte er geliebt, und nicht diese Gabriele. Oder etwa doch? Sie wagte es sich nicht einzugestehen, stattdessen begann sie mit einem Thema, über

welches sie bereits längere Zeit nachgedacht hatte. "Sag mal, Ralf ... möchtest du in der ersten Zeit bei mir wohnen? Vielleicht hilft es dir, dich besser zurechtzufinden.", meinte sie und sah ihn wieder an. Ralf freute sich sehr über dieses Angebot. "Das wär richtig lieb. Danke, Christine, ich wüsste echt nicht was ich ohne dich machen sollte." Als Dank gab er ihr einen Kuss auf die Wange. Sie war die einzige Person, der er sich vertraut fühlte, die einzige hier in dieser fremden, einsamen Umgebung. Deshalb war es auch kein Verwundernis, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Sie lächelte ihn überglücklich an ...

Währenddessen saß Thomas immer noch an Biggis Bett. Sie wachte gerade auf. "Hey mein Schatz ... wie geht's dir denn?", fragte er sie ganz leise und strich ihr zärtlich über die Wange. Sie sah ihn an. Dieser Blick. Thomas schluckte, und schaffte es ausnahmsweise, die Tränen nicht bis in seine Augen hochsteigen zu lassen. "Hast du gut geschlafen?" Biggi nickte schwach. "Hast du Hunger? Soll ich dir etwas bringen?" Sie schüttelte nur leicht den Kopf.. "Aber Schatz, du musst etwas essen. Es ist schon wieder Nachmittag, und du hast immer noch nichts gegessen." "Wenn ich aber keinen Hunger habe.", sagte Biggi leise, aber nachdrücklich. "Schon gut.", sagte Thomas darauf und unterließ es, sie weiter zu fragen. Er wollte sie unter keinen Umständen aufregen. Er fasste liebevoll nach ihrer Hand und drückte sie leicht, was sie erwiderte. Er war froh darüber und lächelte sie an. Dann neigte er sich zu ihr runter und küsste sie ganz sanft und zärtlich. Beide genossen das sehr, wurden aber plötzlich durch ein Klingeln unterbrochen.

Michael öffnete unten die Tür. "Oh, hallo Gabi! Schön dich zu sehen.", begrüßte er seine Kollegin und ließ sie rein. Sie sah seinen betrübten Blick und fragte: "Und? Wie geht's euch?" "Nicht gut ... aber komm doch erst mal rein in die Küche. Möchtest du Kaffee?" Gabi nahm das Angebot gerne an und schließlich setzten sie sich gemeinsam an den Tisch. Michael erzählte ihr über die letzten Tage, über Biggis Zustand und schließlich über das Gespräch mit Kommissar Billmann. Gabi hörte sich alles schockiert und immer niedergeschlagener werdend an. "Und ihr seid euch wirklich sicher, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hat?", fragte sie am Ende des Berichts und schluckte. Sie konnte das alles nicht fassen. Ihre arme Biggi ... warum hatte nur alles so kommen müssen? "Ich bin mir ziemlich sicher. Ich denke, Thomas auch. Ich bin noch nicht dazugekommen, mit ihm darüber zu reden, er weicht Biggi keinen Moment von der Seite. Ich musste ihr nach dem Gespräch ein Beruhigungsmittel geben, seitdem schläft sie." Gabi nickte. Michael fuhr fort: "Sieh mal, da sind diese Verletzungen, woher sollten sie stammen, wenn nicht von ihm? Dann dieser Albtraum, außerdem ist sie vollkommen verängstigt. Das alles kann ich mir nicht erklären, wenn er ihr wirklich nichts getan hat. Es wäre schlicht und einfach zu schön, um wahr zu sein." Gabi musste ihm Recht geben. "Aber warum hat sie ihn belogen?", fragte sie ihn dann. Michael zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Wahrscheinlich hat sie einfach Angst. Das ist auch verständlich, sie ist schließlich noch nie dazugekommen, das alles zu verarbeiten. Und dann kommt jetzt schon ein Kommissar daher, der von ihr verlangt, all das wiederzugeben, was sie gerade zu verdrängen versucht. Vielleicht hat sie aber auch Angst, Ebelsieder könnte ihr was antun, wenn sie gegen ihn aussagt." Gabi nickte. "Möglich...", meinte sie nachdenklich. "Kann ich mal zu ihr? Meinst du, sie ist schon wach?", fragte sie Michael dann. Im selben Moment kam Thomas in die Küche. "Oh, hi Gabi. Ich wusste ja, das war die Haustür." Thomas begrüßte seine Kollegin und meinte dann: "Sie ist übrigens wach, du kannst gern zu ihr. Ich glaube, sie wird sich freuen." "Vielleicht redet sie ja mit dir darüber ...", meinte Michael hoffend. "Ich werde es auf jeden Fall versuchen.", meinte Gabi, und ging dann schließlich nach oben.

Biggi lag wach im Bett und blickte aus dem Fenster, als die Tür aufging. Sie erwartete Thomas. Doch sie hörte plötzlich die vertraute Stimme ihrer besten Freundin, die ihren Kopf zur Tür reinsteckte. "Heey, Biggi!", begrüßte diese sie total erfreut, kam eilig auf das Bett zu und nahm sie erstmal innig in die Arme. Biggi erwiderte die freundschaftliche Umarmung, sie war ebenfalls froh, Gabi wieder zu sehen. Doch Gabi erschrak innerlich bei Biggis Blick, der auch Thomas viel abverlangte. "Wie geht's dir denn? Ich hab dich so vermisst.", meinte sie dann versucht ermunternd. "Ich hab dich auch vermisst.", sagte Biggi leise, und war froh, bei der Gelegenheit Gabis Frage auslassen zu dürfen. "Ach Biggi...", meinte sie darauf nur und umarmte sie nochmals. Dabei schaffte sie es nicht, die Träne zurückzuhalten, die nun über ihr Gesicht rann. "Ich hatte solche Angst um dich...", sagte sie leise. Als sie die Umarmung wieder lösten, sah sie in Biggis gefasstes Gesicht. Dann fiel ihr Blick plötzlich auf Biggis Hals, wo sie eindeutig Hämatome erkennen konnte. Sie erschrak, obgleich sie bereits von Michael über Biggis Verletzungen erfahren hatte. Sie nahm ihre Hand. "Biggi?" Biggi blickte sie fragend an. "Darf ich dich was fragen?" Sie nickte. "Warum hast du das gemacht?" Biggi sah ihr in die Augen, nach einigen Sekunden fragte sie schwach: "Warum habe ich was gemacht?" Gabi atmete durch. "Den Kommissar belogen." Biggi drehte den Kopf weg, ihre Stimme begann leicht zu zittern, sie flüsterte fast: "Das habe ich nicht." "Doch. Das hast du. E ...", sie zögerte kurz, sprach dann aber weiter. "Ebelsieder hat dir was getan, stimmt's?" "Nein!" Biggis Stimme wurde nun lauter, doch sie blickte Gabi immer noch nicht an. Sie versuchte, ihre Hand aus Gabis Griff zu entziehen, doch diese hielt sie fest. "Warum siehst du mich nicht an, wenn du das sagst?" Keine Antwort. Gabi wartete. Nach einer Weile sagte sie leise: "Sieh mich an, bitte." An ihrer Stimme war zu hören, dass sie weinte. Biggi entging das nicht. Schließlich drehte sie sich ganz langsam um, hob den Kopf und sah ihrer Freundin nun direkt in die Augen. Gabi musste bemerken, dass auch Biggis Augen tränengefüllt waren. Biggi blickte sie auffordernd an. Gabi verstand. Sie wiederholte die Frage, nun mit erstickter Stimme: "Hat ... hat Ebelsieder dir was getan?" Biggi hatte gerade den Mund geöffnet, um was zu sagen - als plötzlich das Telefon klingelte. Sie schreckten beide hoch.

Gabi ärgerte sich total. Gerade als Biggi ihr die Wahrheit erzählen wollte, musste das Telefon klingeln. Sie machte sich wirklich große Sorgen um Biggi, die wirklich schreckliches erlebt haben musste. Ein Gutes hatte die Sache jedoch für Gabriele, was ihr selber allerdings überhaupt nicht so bewusst war. Sie wurde von Ralf abgelenkt. Von der riesigen Enttäuschung, die sie erlebt hatte, von dem Schmerz, der Trauer und der Verzweiflung. Doch wenn sie dann wieder zuhause war, auf der Basis war, alleine war, dann kam alles wieder hoch. Und es war so, als man ihr den Boden unter den Füßen wegziehen würde…

Wenig später betrat auch schon Thomas das Zimmer und die beiden erfuhren, wer eben angerufen hatte. „Kommissar Billmann hat gerade angerufen. Er wird gleich noch einmal herkommen, da sie noch ein Beweismittel in der Scheune gefunden haben. Was, hat er nicht gesagt, aber er meinte, dass es sehr interessant sei und er es uns zeigen wollte.“, erklärte er. Dass der Kommissar am liebsten noch einmal mit Biggi reden wollte, verschwieg er lieber. Biggi sah ihn an und nickte dann leicht. „Ist ok.“ Thomas nickte ebenfalls und schloss die Tür dann wieder. Er dachte sich, dass Biggi und Gabriele sicherlich allein sein wollten und so ging er zu Michael, der das Telefongespräch entgegen genommen hatte, in die Küche. „Und Kommissar Billmann hat wirklich nicht gesagt, was das für ein Beweis ist, den sie in der Scheune gefunden haben?“ Michael schüttelte den Kopf. „Aber ich denke, dass er mit Biggi reden will, weil sie die Wahrheit herausgefunden haben.“ Thomas schluckte. Er wusste, dass es gut möglich war, dass Michaels Vermutung stimmte. Biggi tat ihm so Leid. Nun würde sie schon wieder mit all den schlimmen Ereignissen, mit allem, was Ebelsieders ihr angetan hatte, konfrontiert  werden. Wenn er ihr doch irgendwie helfen könnte, noch mehr tun könnte, als bei ihr zu sein und sie zu trösten.

Etwa zehn Minuten später klingelte es an der Haustür. Michael wusste, dass es Kommissar Billmann war und so stand er auf und ging zur Tür. Auch Biggi und Gabi hatten das Klingeln gehört und wussten, dass der Kommissar jetzt da war. „Hallo, kommen Sie rein.“, begrüßte Michael Kommissar Billmann. Er trat in den Flur. „Und was ist das für ein Beweis, den Sie gefunden haben?“, fragte Thomas, der nun auch hinzugekommen war, sofort. Billmann sah ihn ernst an. Wir haben ein Video aus einer Überwachungskamera in der Scheune entdeckt. Es zeigt Frau Schwerin und Herrn Ebelsieder zusammen in der Scheune…“ Thomas starrte ihn an. „Was???“ Er konnte das nicht glauben, alles war aufgenommen worden?

Christine hatte den ganzen Tag bei Ralf in der Klinik verbracht. Sie hatten sich unterhalten und schon ein paar Zukunftspläne geschmiedet. Ralf würde auf jeden Fall erst einmal zu ihr ziehen. Alles andere würde sich dann schon ergeben. Wenn er wieder zuhause war, wollte er auch wieder anfangen zu arbeiten, obgleich er nicht einmal wusste, wo die Basis lag, auf der er als Sanitäter arbeitete. Aber das würde sich sicherlich alles klären. Er wollte unbedingt in seinen alten Job zurückkehren, auch wenn er dort Gabriele wieder begegnen würde, die sicherlich ziemlich enttäuscht von ihm sein würde. Doch irgendwie musste er schließlich zu Geld kommen. Er wollte wieder sein eigenes Leben führen und unabhängig sein. Und dazu brauchte er diesen  Job.

Gegen Nachmittag betrat Dr. Dorn das Zimmer um noch einmal nach Ralfs Werten zu sehen. „Das sieht ja alles wunderbar aus. Ich denke da steht Ihrer Entlassung in einer Woche wirklich nichts entgegen. Die Gesellschaft scheint Ihnen ja wirklich gut zu tun.“ Zwar wunderte sich der Arzt schon ziemlich, warum Gabriele Ralf nicht mehr besuchte, sondern nur noch diese andere Frau, doch er sagte nichts. Es ging ihn schließlich auch nichts an. Das war Ralfs private Sache.

Thomas war nach oben gegangen und öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Gabi und Biggi sahen zu ihm und er meinte dann leise: „Kommissar Billmann ist jetzt da.“ Biggi zuckte ein wenig zusammen. Sie hatte Angst vor den Neuigkeiten, die der Polizist bringen würde. Möglicherweise hatten sie doch die Wahrheit herausgefunden… „Kommissar Billmann will uns noch etwas zeigen, im Wohnzimmer. Meinst du, du kannst aufstehen?“, fragte Thomas sie dann besorgt. Biggi nickte. „Ich glaube es geht schon.“ Thomas ging zu ihr und half ihr vorsichtig hoch. „Und geht’s?“ „Ja, bis ins Wohnzimmer werde ich es schon schaffen.“, meinte Biggi. Thomas stützte sie und so gingen sie gemeinsam mit Gabriele nach unten ins Wohnzimmer. Biggi hatte große Angst davor, was sie erwartete, doch irgendwie musste sie es jetzt auch einfach wissen.

Währenddessen hatte Michael Kommissar Billmann bereits ins Wohnzimmer geführt und er hatte die Videokassette in den Videorekorder gelegt. „Hallo Frau Schwerin, hallo Frau Dr., Kollmann.“, begrüßte der Kommissar Biggi und Gabi dann, als sie zusammen mit Thomas ins Wohnzimmer kamen. „Hallo“, antwortete Biggi nur schwach. „Möchtest du dich aufs Sofa legen?“, fragte Thomas sie dann fürsorglich. Doch Biggi schüttelte den Kopf. „Ich glaube, es geht auch so. Ich fühle mich schon wieder einigermaßen fit“, beruhigte sie ihn. So setzte Thomas sich aufs Sofa und Biggi setzte sich neben ihn und kuschelte sich in seine Arme. Gabriele und Michael setzten sich mit Kommissar Billmann zusammen auf das andere Sofa. Dann begann er das Video abzuspielen. „Wir haben dieses Video in der Scheune gefunden, es stammt aus einer Überwachungskamera, die der Vorbesitzer einmal einbauen lassen und nicht wieder entfernt hat.“, klärte Kommissar Billmann nun auch Gabi und Biggi auf. Biggi zuckte zusammen, sie klammerte sich an Thomas, der daraufhin seine Arme noch fester um sie schloss, und begann leicht zu zittern, denn sie ahnte, dass auf diesem Video alles zu sehen sein würde. Alles, was Ebelsieder ihr angetan hatte.

Alle Augen waren nun auf den Fernsehbildschirm gerichtet. Zunächst war nur die Scheune zu erkennen, in der sich noch niemand befand. Doch dann konnte man plötzlich erkennen, wie jemand im Hintergrund die Tür öffnete und eine Sekunde später erkannte man Biggi, die von Ebelsieder hineingestoßen wurde. Bei diesen Bildern stieg in ihr alles wieder hoch, die ganzen schmerzhaften Erinnerungen. Thomas merkte natürlich, dass Biggi zunehmend unruhiger wurde. „Wollen wir kurz nach draußen gehen?“, fragte er sie besorgt, obwohl er natürlich wissen wollte, was Ebelsieder ihr angetan hatte. Biggi schüttelte leicht ihren Kopf und ihr lief eine Träne über die Wange. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und Thomas schloss sie noch fester in die Arme. Michael und Gabi sahen ebenfalls immer wieder besorgt zu Biggi hinüber. Auf dem Bildschirm war gerade zu sehen, dass Ebelsieder Biggi ans Bett gefesselt hatte und nun in der Küche verschwand.

Die Wut, die Thomas verspürte, wurde immer größer. Was hatte Ebelsieder seiner Biggi nur schreckliches angetan? Und nun lag sie hier n seinen Armen und musste sich das alles noch einmal ansehen. ‚Dafür wird Ebelsieder bezahlen…’, schwor er sich. Er ahnte ja nicht, was er noch alles schreckliches zu sehen bekommen würde…

Währenddessen war Christine immer noch bei Ralf. Sie weichte nicht mehr von seiner Seite und Ralf schien absolut nichts dagegen zu haben, im Gegenteil. Christine war der einzige Mensch in seiner Umgebung, dem er vertrauen konnte, den er kannte, schon lange kannte. Sie war die einzige, an die er sich erinnerte. Und irgendwie, er konnte es sich nicht erklären wieso, fühlte er sich unglaublich zu ihr hingezogen.

Inzwischen war die Atmosphäre im Wohnzimmer Wächter-Lüdwitz angespannt wie nie. Auf dem Bildschirm war gerade zu sehen, wie Ebelsieder langsam auf Biggi zuging. Sie hatte sofort alles wieder vor sich. Sie spürte diesen starren Blick auf sich ruhen, spürte diese Kälte, diese unglaubliche Angst. Alles war wieder da, als wäre es eben gerade passiert. Sie begann schneller zu atmen, kam in Panik. Alles war da, alles. Ebelsieder setzte sich neben ihr hin. Sie spürte den Hauch seines Atems auf ihrem Körper, als säße er in diesem Moment neben ihr. "Schalten Sie das aus, bitte!!", flehte sie den Kommissar plötzlich lautstark an. Dieser blickte sie an. Thomas legte seinen Arm noch fester um sie, versuchte, sie zu beruhigen. Sie war jedoch derart in Panik, dass er es nicht schaffte. Sie zitterte am ganzen Körper. Der Kommissar bemerkte das und drückte auf die Pause-Taste. "Ich fürchte, Sie werden sich das ansehen müssen, Frau Schwerin. Wie auf diesem Video gleich zu sehen sein wird, haben Sie ein falsches Protokoll abgegeben. Ich weiß Ihre Situation und Ihren Zustand sehr wohl zu verstehen, doch verstehen Sie bitte auch meinen Standpunkt." Nun mischte sich Gabi ein. "Jetzt hören Sie aber auf! Sehen Sie denn nicht, wie es Biggi dabei geht? Wissen Sie, was das für eine Qual sein muss für sie? Ich werde mit ihr nach draußen gehen." Sie setzte sich zu Biggi und Thomas auf das Sofa. Thomas sah sie ängstlich an, er machte sich unheimliche Sorgen um seine Biggi. Gabi nickte ihm beruhigend zu, und nahm dann Biggi in die Arme. Die war immer noch vollkommen aufgelöst, schaffte es nicht, ein Wort zu sagen. Die Angst beherrschte sie, die Angst, die sie in dieser Nacht verspürt hatte, und die sie immer noch erdrückte. Thomas half ihr vorsichtig hoch, Gabi gab ihm ein Zeichen, sitzen zu bleiben und ging dann schließlich langsam mit Biggi nach draußen. Sie wusste, dass Thomas das Bedürfnis verspürte, zu wissen, was Ebelsieder seiner Biggi angetan hatte. Die Ungewissheit ließ ihm keine ruhige Minute mehr. Besorgt sah er ihr nach, bis sich schließlich die Tür schloss.

Billmann blickte sie an. "Nun gut, darf ich dennoch fortfahren? Ich vermute, dass es auch in Ihrem Interesse liegt, die Wahrheit zu erfahren, obgleich es sehr schwer für Sie sein wird."  Thomas und Michael nickten langsam. Thomas begann zu zittern, als Billmann wieder auf Play drückte. Am Bildschirm war zu erkennen, wie Ebelsieder den Arm um Biggi legte. Thomas schluckte. Nein, bitte nicht. Innerlich flehte er. Doch innerlich wusste er auch, dass es keinen Sinn hatte. Er musste die Wahrheit sehen. Und vor allem musste er mit ihr umgehen. Ebelsieder hatte Biggi sehr wohl etwas angetan. Er hatte sie sehr wohl belästigt. Er hielt die Hand vor den Mund, als Ebelsieder Biggi zu sich zog, um sie zu küssen. Ihr unter die Bluse fassen wollte. Sie drehte sich weg. Es war alles zu erkennen. Er blieb atemlos sitzen, schaffte es nicht, irgendetwas zu tun oder zu sagen, als er auf dem Bildschirm beobachten musste, wie Ebelsieder sich gewaltsam auf Biggi setzte. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Die Wut, die er innerlich verspürte, war nicht einem normalen Menschen angemessen. Sie überstieg weit Thomas' Grenzen und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er das alles aushielt. Seine Biggi. In der Gewalt dieses Schweins. Er musste zusehen, wie Biggi sich mit letzten Kräften wehrte, wie sie verzweifelt versuchte, ihm zu entkommen - zwecklos. Er vermeinte sogar, Tränen auf ihrem Gesicht zu erkennen. Sein eigenes war bereits zur Gänze nass.

Was sich auf diesem Videoband abspielte, war Wirklichkeit und nie wieder rückgängig zu machen. Ebenso würde Thomas' Wut sich auch niemals um den mikroskopischst kleinsten Teil verringern. Er raste innerlich. Er stand wie neben sich, als er sich all diese Szenen ansehen musste, die immer schrecklicher wurden. Auch Michael hielt es kaum noch aus. Billmann stand bewegungslos daneben und ließ sich keine Miene entlocken. Sie mussten mit ansehen, wie Ebelsieder Biggi die Kleidung vom Leibe riss, bis an die Grenzen ihrer Kräfte ging, sie mit Schlägen zur Ruhe brachte und ihr seine Liebe auf die brutalste Weise aufzwang. Sie küsste, während er sie mit allen anderen Kräften außer Gefecht setzte, sie überall gewaltsam berührte und einem ausgehungerten Tier glich, das endlich seine Beute gefunden hatte.

Irgendwann wurde es zuviel. Thomas, der bewegungs- und fassungslos die ganze Zeit über auf dem Sofa gesessen hatte, nicht fähig gewesen war, auch nur ein Wort zu sprechen oder ruhig zu atmen, etwas anderes als irrsinnige Wut in solchem Ausmaß zu spüren, dass es schon weh tat, sprang auf. Er war vollkommen außer sich. "Schalten Sie das aus, sofort! Ich halte das nicht mehr aus!!!", brüllte er, wusste nicht, was er tun sollte. Billmann erschrak, verstand dann aber die mehr als ernste Lage und schaltete ab, gerade als Ebelsieder den Höhepunkt seiner Aggressivität erreicht hatte. Thomas starrte immer noch auf den Bildschirm, bis er plötzlich schwarz wurde. Dann sank er vor dem Fernseher zusammen, auf den Boden. Michael eilte sofort herbei, selbst noch im schlimmsten Maße schockiert über das, was er gerade gesehen hatte und nicht glauben wollte. Er wusste nicht, was er tun sollte. Sein Freund kniete hier vor ihm auf den Boden, in einer Verzweiflung, die wohl kaum ein Mensch je in seinem Leben erlebte. Ganz langsam beugte er sich zu ihm hinunter, legte eine Hand auf seinen Rücken. Thomas hatte den Kopf nach unten geneigt. Er war plötzlich ganz ruhig. Michael sah, wie von seinem Gesicht eine Träne nach der anderen zu Boden tropfte, immer schneller, immer intensiver. "Thomas", sagte er leise. Thomas blickte zu ihm auf, sah ihm mit dem Blick der tiefsten Verzweiflung in die Augen und flüsterte: "Bitte sag mir, dass ich gerade einen Alptraum hatte. BITTE!!!" Er flehte ihn an, seine Stimme war nur mehr reinstes Hauchen. "Bitte, bitte, bitte...", flehte er. So gern Michael ihm und sich diesen Gefallen getan hätte- er konnte es nicht. Stattdessen blickte er Thomas an und nahm ihn dann innigst in die Arme. Thomas lehnte sich an seine Schulter, nahm es an, war völlig durcheinander ließ die wortlose Umarmung einfach auf sich wirken. Sie verblieben so für einige Minuten. Billmann sagte nichts. Plötzlich flüsterte Thomas: "Biggi ... warum sie? Warum musste er ihr das antun, warum ihr? Mensch Michael, ich liebe sie so ... warum sie?" "Thomas, du weißt, dass ich dir keine Antwort geben kann. Aber sie weiß, dass du sie liebst. Dass sie dich hat, eure Liebe - die wird ihr die Kraft geben, das alles zu überwinden. Irgendwann." "Ich ... ich muss zu ihr. Wo ist sie?" Thomas war plötzlich aufgesprungen, nachdem er sich die wahren Worte seines Freundes angehört hatte. Er stürmte aus dem Wohnzimmer, die Treppen nach oben. Dann platzte er in das Schlafzimmer. Gabi hatte Biggi wieder ins Bett gebracht, ihr eine Infusion angehängt und saß jetzt bei ihr.

Als Thomas ins Zimmer platzte, stand sie gleich auf. Sie ahnte, dass es unheimlich schlimm gewesen sein musste für ihn. Er stürzte auf Biggi zu, die ihn mit schwachem Blick ansah und gar nicht recht wusste, wie ihr geschah, und nahm sie einfach nur in die Arme. Sie festhaltend, so stark wie er es nie zuvor getan hatte, begann er, herzzerreißend zu weinen. Gabi schlich sich ganz leise aus dem Zimmer. "Thomas", flüsterte Biggi. Dann begann auch sie zu weinen. Alles Beruhigungsmittel der Welt hätte in dieser Situation keine Wirkung mehr erbracht...

Sie lagen sich einfach nur in den Armen und weinten, weinten solange bis sie keine Tränen mehr hatten. „Thomas?“, meinte Biggi dann plötzlich, sie zitterte noch immer ein wenig. „Ja?“ „Es tut mir Leid, dass ich…dass ich es euch nicht gleich erzählt habe.“, sagte sie und begann dann wieder zu schluchzen. Thomas drückte sie ganz fest an sich. „Hey, ist doch ok, du bist die letzte, die sich Vorwürfe machen muss.“, sagte er lieb und versuchte Biggi zu beruhigen. Doch er war selbst bei weitem nicht ruhig. Seine Wut auf Ebelsieder war unbeschreiblich. Genau wie seine Sorge um Biggi. Zwar wusste er jetzt, was Ebelsieder ihr angetan hatte, doch er wünschte sich fast, es nie erfahren zu haben.

Biggi hatte sich ganz eng an Thomas geschmiegt und ließ seine Nähe und seine Wärme auf sich einwirken. Das tat ihr unheimlich gut. Wenn sie hier in seinen Armen lag, dann fühlte sie sich so geborgen, und für einen Augenblick lang, konnte sie vergessen, was Ebelsieder ihr angetan hatte.

Gabriele war unterdessen ins Wohnzimmer zu Kommissar Billmann und Michael gegangen. „Und, wie geht’s ihr?“, wollte Michael sofort wissen. „Ich hab ihr was zur Beruhigung gegeben, Thomas ist jetzt bei ihr. Ich denke, wir sollten die beiden lieber alleine lassen.“ Michael nickte nur betrübt. „Musste das wirklich sein?“, fragte Gabi dann Kommissar Billmann und man hörte deutlich den Vorwurf aus ihrer Stimme heraus. „Ich kann Sie ja wirklich verstehen, wir alle wissen, dass es nichtleicht ist für Ihre Kollegin, aber das Video ist ein wichtiges Beweismittel in diesem Fall. Wir hoffen, dass Herr Ebelsieder wenigstens so eine gerechte Strafe bekommt, wobei sie wahrscheinlich eher milde ausfallen wird.“ „Wieso wird die Strafe milde ausfallen?“, fragte Michael sofort entsetzt. „Ach, das wissen Sie noch gar nicht? Herr Ebelsieder ist tablettenabhängig. Er nimmt schwere Beruhigungsmittel und stand auch bei der Tat unter Tabletteneinfluss, so dass er kaum schuldzurechnungsfähig ist. Wenn sein Anwalt dann auch noch einen Therapieplatz für ihn vorweisen kann, kann es gut möglich sein, dass  er keine Haftstrafe verbüßen werden muss, sondern stattdessen nur eine Therapie in einer geschlossenen Anstalt machen werden muss. Wenn er sein Suchproblem damit gelöst hat, dann wird er entlassen und muss keine weitere Strafe verbüßen.“, erklärte der Kommissar. Gabriele und Michael konnten es nicht fassen. „Ebelsieder ist tablettenabhängig?“, fragte Gabriele entsetzt. „Aber davon haben wir doch nie etwas bemerkt.“ Billmann zuckte mit den Schultern. „Sie als Ärztin wissen ja selbst, dass Suchtkranke Ihre Sucht oftmals perfekt verberge können, so dass es keinem auffällt.“ „Und Ebelsieder wird keine Haftstrafe bekommen?“, fragte Michael, der das immer noch nicht glauben wollte, noch einmal nach. „Das ist natürlich nicht gesagt, ich habe Ihnen nur erklärt, wie das Urteil in den meisten Fällen wie diesem aussieht.“ Michael und Gabi nickten nur. Sie fragten sich beide, warum sie es nicht bemerkt hatten, dass Ebelsieder tablettenabhängig gewesen war. Hätten sie dadurch vielleicht seine schreckliche Tat verhindern können? Sie fragten sich zudem, wie es dazu gekommen war, dass Ebelsieder diesen Tabletten verfallen war. Er war doch sonst immer so ein seriöser Mann. Über sein Privatleben wussten sie zwar nichts, doch er war immer gut gekleidet, fuhr einen teuren Wagen… Deshalb wäre auch niemand jemals darauf gekommen, dass er irgendwelche Probleme haben könnte. Wie sehr sie sich doch alle geirrt hatten.

„Ich werde mich dann mal wieder auf den Weg ins Präsidium machen. Wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben, Sie kennen ja meine Nummer. Und wenn es etwas Neues geben sollte, melde ich mich natürlich sofort bei Ihnen.“ „Danke, Kommissar Billmann.“, meinte Michael und begleitete ihn noch bis zur Tür. Dann ging er zurück zu Gabriele. „Kannst du dir das vorstellen, mit Ebelsieder und den Tabletten?“, fragte er sie schließlich. Gabi schüttelte den Kopf. „Nein, das hätte ich niemals gedacht und schon gar nicht von Ebelsieder.“ „Es muss irgendeinen Grund haben…“, überlegte Michael. „Es ist doch egal, was für einen Grund es hat, das, was er Biggi angetan hat, ist nicht wieder gut zu machen.“ Michael nickte. Gabi hatte ja Recht, dafür, was Ebelsieder Biggi angetan hatte, dafür gab es keinen Grund und keine Rechtfertigung. „Willst du einen Kaffee?“, bot er seiner Kollegin dann an. Doch Gabi lehnte ab. „Nein, danke, wirklich nicht. Ich wollte noch zu Ralf ins Krankenhaus fahren, er weiß von dem allen schließlich noch nichts.“ „ Stimmt, dann grüß ihn schön.“ „Werde ich machen und pass auf Biggi und Thomas auf.“ Michael nickte. „Ich werde morgen vielleicht noch einmal vorbeischauen.“ „Ok, tschüss.“ „Ja, ciao.“ Michael brachte Gabi noch zur Tür und ging dann nach oben in sein Zimmer. Dirk war zum Glück heute bei einem Freund, sodass er von der ganzen Sache nichts mitbekommen hatte.

Gabi setzte sich in ihr Auto und atmete erstmal tief durch. Sie musste die heutigen Ereignisse erst einmal verarbeiten. Zudem überlegte sie, ob es wirklich gut sein würde zu Ralf zu fahren. Eigentlich wollte sie ihn ja überhaupt nicht sehen, aber irgendwie fand sie, dass er ein Recht darauf hatte zu erfahren, was alles passiert war. Andererseits musste sie wieder daran denken, was ihr in jeder Nacht von neuem den Schlaf raubte - war er denn noch er selbst? Er war es vielleicht ... doch er wusste es nicht. Würde er es je wieder tun? Würde es je wieder so sein, wie es war? Sie erinnerte sich zurück an jenen Abend, an dem sie sich zum ersten Mal geküsst hatten ... es war so unglaublich schön gewesen ... soo schön, dass Gabi unverweigerlich die Tränen kamen. Wie sehr sie doch immer noch in ihn verliebt war ... Doch damit war sie nicht die einzige. Christine. Sie liebte Ralf ebenso noch. Und sie war in der glücklichen Situation, die einzige zu sein, an die Ralf sich erinnern konnte. Und zu der er sich hingezogen fühlte. Die er ... vielleicht immer noch liebte? Sie hoffte es so sehr. Und sie würde alles für die Erwiderung ihrer Liebe tun, einen großen Schritt hatte sie schon gemacht. Sobald er bei ihr wohnen würde, würden sie sich sicher wieder um vieles näher kommen.

In diesem Moment saß sie gerade an seinem Bett und sie redeten über alte Zeiten. Ralf verspürte immer mehr das Gefühl der Sicherheit, das Gefühl, sich erinnern zu können. Mit jeder Erzählung von Christine wurde es stärker.

"Weißt du noch, als wir damals in dieser Achterbahn fahren wollten, aber ich mich nicht getraut habe?", fragte Christine ihn. Ralf musste gut überlegen. Doch dann fiel es ihm ein. Er freute sich riesig darüber. "Jaa! Ich weiß es wieder ... das war auf diesem Jahrmarkt, oder? Vorher waren wir in diesem seltsamen Restaurant..." Sie mussten beide lachen. "Und dann ... dann sind wir doch mit der Achterbahn gefahren. Ich hab's geschafft dich zu überzeugen." "Aber nur mit dem Versprechen, mich die ganze Zeit über festzuhalten...", ergänzte Christine. "Ja, genau. Ich hab dich die ganze Zeit festgehalten, ganz fest ... und als wir am höchsten Punkt oben waren, an der Stelle wo es wieder runterging und alle hinter uns geschrieen haben ..." "Da haben wir uns geküsst.", flüsterte Christine. Sie blickten sich an. Sie sahen sich tief in die Augen. Ralf fasste nach ihrem Gesicht, berührte sie zärtlich, während sie sich immer näher kamen. Schließlich berührten ihre Lippen sich ganz langsam ... dann legte auch Christine ihre Arme um ihn und sie wurden immer leidenschaftlicher. Sie waren so passioniert in ihren Kuss vertieft, dass ihnen nicht auffiel, wie plötzlich die Tür aufging. In der Tür stand keine Geringere als Gabi ...

Thomas und Biggi lagen immer noch beieinander im Bett und hielten sich fest, die Nähe und Wärme des anderen nicht loslassen wollend, da sie sie beide so sehr brauchten. "Thomas...", sagte Biggi ganz leise. "Ja?" Er streichelte sie die ganze Zeit zärtlich und hielt sie liebevoll im Arm. "Ich ... ich hab mich so nach dir gesehnt ... dort in der Scheune." Thomas blickte auf. Begann Biggi tatsächlich, über die schrecklichen Ereignisse damals in der Scheune zu sprechen? War sie bereit dazu? "Ich ... ich hab mich auch nach dir gesehnt. So sehr wie noch nie, ich hab's nicht ausgehalten." "Was ... was wolltest du eigentlich noch erledigen, als du in der Klinik noch mal weggegangen bist?" "Ich wollte dir ... Blumen kaufen." "Blumen?" Thomas nickte. Hätte er es nur nicht getan. Dieser Satz hämmerte täglich hunderte Male auf ihn ein. Doch er würde es niemals rückgängig machen können. Niemals. "Sie hätten mir bestimmt gefallen.", sagte sie und musste eine Träne schlucken. Sie HÄTTEN ihr gefallen. WÄRE nicht etwas dazwischengekommen. "Es ... es tut mir so leid, dass ich euch alle belogen habe." "Das braucht dir doch nicht Leid zu tun!" Er setzte sich auf und blickte sie an. "Ich verstehe völlig, was du getan hast. Es war außerdem ein Fehler, dir so ein Gespräch so kurz danach zuzumuten. Es war unsere Schuld. Verstehst du?" Biggi nickte leicht, aber immer noch zweifelnd. Sie dachte an Ebelsieder. Und wieder überkam sie diese Angst. Diese schreckliche Angst vor ihm. "Bitte ... bitte leg dich wieder hin. Halt mich fest, bitte...", bat sie Thomas dann in nahender Panik. Der nahm sie sofort wieder in die Arme, und hielt sie fest an sich. "Lass mich nie wieder los..." sagte Biggi. "Nie wieder...", entgegnete Thomas flüsternd. Viele, viele Tränen flossen in den nächsten Minuten wieder auf das Bettlaken...

Gabriele stand noch immer in der Tür zu Ralfs Zimmer. Sie konnte einfach nicht glaube, was sie dort sah. Sie war so geschockt, dass sie keinen Ton herausbrachte und unfähig war sich zu bewegen. Plötzlich sah Ralf auf und blickte zur Tür. Ihre Blicke trafen sich. Gabi sah Ralf für einen kurzen Moment in die Augen. Dann drehte sie sich abrupt um und verließ fluchtartig das Zimmer. „Gabriele!“, rief Ralf ihr noch hinterher, doch sie konnte ihn bereits nicht mehr hören. Nun hatte auch Christine mitbekommen, dass sie nicht mehr alleine waren, doch das einzige, was sie noch mitbekam, als sie sich zur Tür drehte, war, wie diese mit einem lauten Knallen ins Schloss fiel. „Verdammt!“, fluchte Ralf. Christine sah ihn fragend an. „Das war Gabriele, wir waren vor dem Unfall zusammen.“, erklärte er ihr. Er konnte schließlich nicht ahnen, dass sich die beiden Frauen schon einmal begegnet waren – an seinem Krankenbett. „Liebst du sie denn noch?“, fragte Christine ihn dann ins Gesicht. Sie musste jetzt einfach Gewissheit haben. Ralf zögerte. Er wusste es nicht. Schließlich konnte er sich an gar nichts mehr erinnern – außer an Christine. Gabi tat ihm Leid, ja, aber war da noch mehr? Oder besser gesagt wieder mehr? „Du bist dir nicht sicher, oder?“, fragte Christine ihn dann plötzlich und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Ralf nickte. Er wusste partout nicht, was er sagen sollte. „Lass ich jetzt bitte allein, ich…ich muss nachdenken.“, bat er Christine. Sie nickte verständnisvoll, obgleich es ihr sehr wehtat, dass Ralf sie jetzt wegschickte. Hatte er etwa doch noch Gefühle für diese Gabriele? Sie hatte doch gerade gedacht, dass alles wieder so zwischen ihnen wäre, wie früher, bevor Ralf nach Traunstein gegangen war. „Bis später dann.“, sagte sie leise. „Ja, bis später.“, meinte Ralf und sah Christine noch hinterher, wie sie das Zimmer verließ.

Wieder begann er nachzudenken. Über Gabi, über Christine, über den Unfall, und die Zeit davor, an die er sich partout nicht erinnern konnte. Doch plötzlich wurde ihm klar, dass er wirklich mehr für Gabriele empfand.  Ja, er liebte Christine, aber liebte er sie nicht nur, weil sie die einzige Person war, an die er sich erinnern konnte? Die einzige, der er vertrauen konnte? Bei Gabi war das anders, trotzdem war er sich jetzt sicher, dass er mehr für sie empfand. Doch dann wurde ihm wieder eins bewusst, und das brachte ihn zur Verzweiflung. Wahrscheinlich hatte er eben endgültig alles, was zwischen ihm und Gabi gewesen war, kaputt gemacht. Sie würde sicherlich nie wieder ein Wort mit ihm reden und – er konnte sie verstehen. Was hatte er ihr nur angetan? Seiner Gabriele. Nein, seine Gabriele war sie nicht – nicht mehr und wahrscheinlich würde sie es auch nie wieder sein.

Gabriele irrte währenddessen wie in Trance durch die endlosen Gänge des Krankenhauses. Immer wieder liefen ihr Tränen übers Gesicht, sie konnte einfach nicht glauben, was sie dort gesehen hatte. Nun war es endgültig aus zwischen ihr und Ralf. Am liebsten würde sie ihn einfach vergessen, doch das war schwer, sie liebte ihn doch so sehr – immer noch. Doch für ihn, für ihn war sie nur eine Freundin, er hatte ja jetzt diese Christine. Gabi war so verzweifelt, sie wusste einfach nicht mehr, was sie tun sollte.

Als sie auf dem Parkplatz angekommen war, ließ sie sich auf den Sitz ihres Autos sinken und begann zu weinen. In den letzten Tagen war sie durch die Sache mit Biggi etwas von Ralf abgelenkt worden, aber jetzt kam alles wieder hoch. Und diesmal konnte sie nicht davonlaufen.

Biggi hatte sich inzwischen wieder ein wenig beruhigt. Thomas hielt sie immer noch ganz fest im Arm und streichelte sie zärtlich. „Es...es war so schrecklich…als er mich geküsst hat…“, sagte Biggi dann leise und wieder liefen ihr Tränen über die Wangen. Thomas wischte sie ihr zärtlich weg. „Er wird dir nie wieder etwas antun, das verspreche ich dir.“, sagte er dann. Er wusste, dass es Biggi half darüber zu reden, so würde sie leichter darüber hinwegkommen. Biggi nickte und sie wurde wieder ein wenig ruhiger. Es tat so gut, Thomas jetzt bei sich zu wissen. „Danke….“, meinte sie dann leise und sah ihm in die Augen. „Ach Biggi…“, erwiderte er nur und zog sie noch näher zu sich. Biggi sah ihn an und dann begannen sie sich zärtlich zu küssen.

Doch lange verblieben sie nicht so, denn es klopfte an der Tür. „Ja.“, sagte Thomas leise und er und Biggi sahen auf zur Tür. Michael kam mit einem Tablett, auf dem zwei Tassen Tee standen, ins Zimmer. „Ich habe Tee gemacht, möchtet ihr welchen?“, fragte er die beiden. Thomas sah Biggi an und sie nickte schließlich. „Danke Michael.“, er stellte das Tablett auf dem Nachttisch ab, dann verließ er schleunigst wieder das Zimmer, da er selbst bemerkt hatte, dass er wohl gerade ungelegen gekommen war.

Gabi saß immer noch auf ihrem Sitz und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Sie überlegte, was sie nun machen sollte? Wo sollte sie denn hin? Unter normalen Umständen wäre sie jetzt sofort zu Biggi gefahren, hätte ihr alles erzählt und sich von ihrer besten Freundin trösten lassen. Doch die brauchte nun selbst Trost, nach den schlimmen Ereignissen, die sie erlebt hatte. Sie hatte Biggi ja noch nicht einmal erzählen können, dass sie sich von Ralf getrennt hatte. Ihre Freundin hatte nun wirklich schon genug Probleme, dass sie sie nicht auch noch mit ihren Sorgen belasten wollte.

Gabi wischte sich mit ihren Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und startete dann den Motor. Sie überlegte immer noch fieberhaft, wo sie hinfahren sollte, zu ihrer Mutter, nachhause, wollte sie jetzt auf keinen Fall. Sie wollte einfach nur allein sein und ihre Ruhe haben, und die würde sie dort gewiss nicht bekommen. Doch da ihr nichts einfiel, für sie einfach los und fuhr ohne Ziel durch die Stadt.

Michael war inzwischen zur Basis gefahren. Zwar hatte das A Team heute keine Schicht, da Rosenheim die Spätschicht übernommen hatte und für die Frühschicht das B Team eingetragen gewesen war, doch er musste als Stützpunktleiter noch einigen Papierkram erledigen. Zudem hatte er als Ausgleich dafür, dass er heute keine Schicht hatte, am nächsten Tag die Frühschicht. Er überlegte bereits, ob es nicht besser wäre, wenn er gleich auf der Basis übernachten würde, denn der Haufen Papier, der sich auf seinem Schreibtisch getürmt hatte, war riesig. Das würde er niemals alles schaffen. Hätte er sich doch bloß nicht, zusätzlich zu seinem Job, diesen aufgehalst. Doch einer musste den Laden schließlich schmeißen. Thomas und Biggi konnte man das in dieser Situation wohl kaum zumuten, ebenfalls Gabriele nicht. Rene und Katja waren nur als Vertretung auf der Basis und Ralf war noch im Krankenhaus. So blieben nun einmal nur noch Peter und er und der Sanitäter hatte im Moment ziemlichen Stress mit seiner Freundin Barbara, sodass Michael ihm das nicht auch noch zumuten mochte. Also war er es mal wieder, der in den sauren Apfel beißen musste. Es nützte ja nichts, also setzte er sich an die lästigen Berichte, die eigentlich schon vor zwei Tagen an die Zentrale weitergeleitet worden sein sollten.

Biggi hatte einen Schluck aus ihrer Tasse genommen. Und stellte sie wieder zurück auf das Tablett. „Schmeckt gut oder?“, fragte Thomas sie und lächelte sie dabei sanft an. Biggi nickte. „Wusste gar nicht, dass Michael so guten Tee kochen kann.“, stellte sie fest. „Tja, ich könnte wetten, der war aus dem Teebeutel.“, vermutete er grinsend. Auch Biggi musste schmunzeln. Thomas war überglücklich darüber, dass er es geschafft hatte sie zum Lachen zu bringen.

Als er seine Tasse ebenfalls abgestellte hatte, zog er Biggi, die sich ein wenig aufgesetzt hatte, wieder zu sich herunter und legte seine Arme um sie. „Komm her, mein Liebling.“, meinte er sanft und Biggi schmiegte sich an ihn. Sie sahen sich in die Augen und begannen dann sich zu küssen.

Michael spürte plötzlich eine Hand auf der Schulter und schreckte hoch. Er rieb sich die Augen und blickte sich dann um. Hinter ihm stand Peter. „Oh, ich muss wohl eingeschlafen sein…“, murmelte Michael nur. Er sah auf die Uhr und dann auf den Stapel Berichte. Mindestens zwei Stunden musste er geschlafen haben und er hatte noch nichts geschafft, keinen einzigen Bericht. „Aber was machst du eigentlich hier?“, wandte er sich an Peter. Peter sah ihn verlegen an. „Na ja…“, druckste er drum herum. „Nun sag schon.“, forderte Michael ihn auf. „Ich wollte fragen, ob ich vielleicht hier auf der Basis übernachten könnte…nur diese eine Nacht.“ „Stress mit Barbara?“, fragte Michael betrübt. Peter nickte. Ich habe mich von ihr getrennt, ich hab einfach meine Sachen gepackt und bin davon. Es ging einfach nicht mehr…es ging schon lange nicht mehr, ich wollte einfach nicht mehr streiten.“ „Verstehe.“, erwiderte der Notarzt, „Ich weiß, was du meinst.“ Er legte seinem Kollegen und Freund aufmunternd die Hand auf die Schulter. „Klar, kannst du heute Nacht hier pennen, nur…eine Dauerlösung ist das natürlich nicht. Aber wir finden schon was für dich…“ Peter nickte. „Danke.“, meinte er dann. „Hey, wozu hat man denn Freunde?“, erwiderte Michael.

Gabriele hatte, nachdem sie über zwei Stunden ohne Ziel und Zweck durch die Stadt gefahren war, beschlossen nun doch nachhause zu ihrer Mutter zufahren. Einen anderen Ort, wo sie hin konnte, fand sie jetzt sowieso nicht.

Als sie vor dem Haus ankam und den Motor ausgemacht hatte, atmete sie erst einmal tief durch. Dann jedoch stieg sie aus und ging mit schnellen Schritten durch den Vorgarten zur Haustür. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und öffnete die Tür. Als sie den Hausflur betrat, lauschte sie zunächst. Es war nichts zu hören. War ihre Mutter möglicherweise gar nicht zuhause? Gabi hatte schon Hoffnung geschöpft, als sie plötzlich ein vorwurfsvolles „Püppi, da bist du ja endlich, wo warst du denn?“, aus dem Wohnzimmer hörte. Wenig später stand Angela auch schon in der Tür und sah ihre Tochter erwartungsvoll an. Gabriele hasste es, dass sie sich ständig vor ihrer Mutter rechtfertigen musste, wo sie war und was sie tat. Sie war schließlich erwachsen und konnte tun und lassen, was sie wollte. Und eins hasste sie noch mehr: Wenn ihre Mutter sie ständig „Püppi“ nannte. Doch so lange sie bei ihrer Mutter wohnte, blieb ihr wohl nichts anders übrig, als sich „Püppi“ nennen zu lassen und die ständigen Fragen in Kauf zu nehmen. Im Grunde wusste sie ja auch, dass Angela es nur gut meinte, aber sie überlegte wirklich ernsthaft sich eine eigene Wohnung zu suchen. Das Problem war nur, dass Angela außer ihr niemanden mehr hatte und Gabriele ihrer Mutter das nicht zumuten wollte. „Ich war bei Biggi.“, antwortete sie schließlich und versuchte dabei freundlich zu bleiben, obwohl sie jetzt absolut nicht in der Stimmung dazu war. Doch sie wollte nicht, dass Angela sich auch noch Sorgen um sie machen musste. Sie gab sich schließlich mit der Antwort zufrieden und begab sch wieder in ihr Wohnzimmer, während Gabriele nach oben in ihren Bereich ging.

Dort ließ sie sich gleich aufs Bett fallen, ohne sich die Jacke auszuziehen. Ihr schwirrten so viele Gedanken durch den Kopf. Ralf war jetzt tatsächlich wieder mit dieser Christine zusammen. Wie konnte er nur? Er war doch mit ihr zusammen gewesen. Wieder liefen ihr einige Tränen übers Gesicht. Sie konnte das alles einfach nicht verstehen. Warum? Warum gerade Ralf? Doch darauf würde sie wohl niemals eine Antwort finden. Wenn er sich doch nur wieder erinnern können würde. Erinnern an all die schönen Stunden, die er mit ihr zusammen verbracht hatte.

Biggi lag immer noch in Thomas’ Armen. Am liebsten wollte sie ewig mit ihm hier so liegen bleiben, einfach die Zeit anhalten und nur den Augenblick genießen. Seine Nähe und seine Wärme spüren und zu vergessen – zu vergessen, was Ebelsieder ihr angetan hatte. „Thomas?“, meinte sie dann irgendwann. „Ja?“ „Weißt du eigentlich etwas Neues von Ralf?“ Er sah sie an, dann schüttelte er den Kopf. In den letzten Tagen hatte er sich ausschließlich um Biggi gekümmert. „Aber ich denke, wenn sich etwas getan hätte, dann hätte man uns verständigt.“, fügte er noch hinzu. Biggi nickte. Sie hoffte so sehr, dass Ralf sich bald wieder erinnern können würde und er und Gabi zusammen wieder glücklich werden würden. Sie konnte ja nicht ahnen, was sich vor wenigen Stunden in der Klinik zugetragen hatte.

Biggi wünschte sich so sehr, einfach alles vergessen zu können, alles was an diesem Tag in der Scheune passiert war, doch so einfach war das nicht. Warum war das Leben nur so unfair? Ralf konnte sich an nichts mehr erinnern, obgleich er es noch so sehr versuchte und sie, sie wollte einfach nur vergessen – das vergessen, was Ebelsieder ihr angetan hatte. Sie kuschelte sich ganz eng an Thomas und sah ihn an. „Thomas…. ich liebe dich sooo sehr.“, sagte sie dann leise. Thomas strich ihr zärtlich durchs Haar. „Ich dich auch – mehr als alles auf der Welt.“ Biggi sah ihm in die Augen und gab ihm dann einen innigen Kuss, den Thomas erwiderte.

Michael saß noch immer über seinen Berichten, der Stapel wollte und wollte einfach nicht kleiner werden. Michael kam es sogar so vor, als ob es immer mehr Berichte wurden, die noch ausgefüllt werden mussten. Er sah aus dem Fenster. Draußen hatte es angefangen leicht zu regnen und Peter beeilte sich deshalb ziemlich sein Gepäck – er hatte erst einmal nur das Nötigste mitgenommen – aus dem Auto ins Innere der Basis zubekommen. Nachdem er seine Sachen alle im Aufenthaltsraum abgeladen hatte, ging er schließlich ins Stützpunktleiterbüro zu Michael und half ihm mit den Einsatzberichten. „Ich weiß wirklich nicht, wie Ebelsieder das immer geschafft hat, dass die Berichte alle pünktlich fertig waren.“, seufzte Michael und betrachtete skeptisch den Haufen Arbeit, der noch auf sie wartete. Peter zuckte mit den Schultern. „Er war aber nebenbei nicht auch noch Notarzt.“, bemerkte er dann. Michael nickte. Er hätte wirklich niemals gedacht, dass es so viel Arbeit sein würde einen Luftrettungsstützpunkt zu leiten. Morgen würde zudem der neue Pilot seinen Dienst antreten, der Thomas während der Woche, in der er Urlaub hatte, vertreten würde. Auch darum würde Michael sich kümmern müssen als Stützpunktleiter. Eigentlich hätte Thomas’ Vertretung schon vor zwei Tagen seine Arbeit auf der Basis übernehmen sollen, doch durch die Ereignisse mit Biggi und Ebelsieder war die Basis schließlich einen Tag geschlossen geblieben und danach hatte bis jetzt nur das B Team die Schichten geflogen. Aber morgen mussten nun auch Michael und Peter wieder ran und der Alltag würde allmählich auf die Basis zurückkehren.

„Möchtest du etwas essen? Du hast doch sicherlich Hunger…“, fragte Thomas Biggi nach einiger Zeit, da sie schon den ganzen Tag kaum etwas gegessen hatte und es bereits Abend war. Biggi nickte leicht. Sie hatte wirklich ziemlichen Hunger. „Hm, Michael ist noch mal zur Basis gefahren, er hatte noch Papierkram zu erledigen. Also werde ich wohl für uns kochen müssen.“, stellte Thomas fest, obwohl er Biggi nur ungern alleine lassen wollte. Biggi schmunzelte. „Was gibt es denn da zu lachen?“, fragte Thomas und tat so, als wäre er beleidigt. Er wusste genau, dass Biggi auf seine Kochkünste anspielen wollte. „Ach, ich stelle mir nur gerade vor, wie du mit einer Schürze vor dem Herd stehst…“, sagte sie ganz unschuldig und musste ich ein Grinsen verkneifen. „Du kannst mir ja helfen.“, schlug er dann vor und sah Biggi erwartungsvoll an. Sie nickte zustimmend. So war sie wenigstens in Thomas’ Nähe und nicht oben alleine im Schlafzimmer, wo sie sicherlich die Erinnerungen wieder einholen würden. Die Erinnerungen, die sie so schnell wie möglich vergessen wollte.

Thomas holte seinen Morgenmantel aus dem Schrank und gab ihn Biggi, die ihn sich dankbar überzog. „Traust du dir das denn schon zu? Du sollst dich eigentlich ja noch schonen.“, fragte Thomas sie dann besorgt. Biggi nickte. „Ja, ich denke, das schaffe ich schon. Sich zu schonen heißt ja außerdem nicht den ganzen Tag nur im Bett zu liegen oder?“, meinte sie. „Da hast du Recht.“, erwiderte Thomas und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Dann gingen sie zusammen nach unten in die Küche.

Gabriele lag währenddessen noch immer auf ihrem Bett. Sie starrte an die Decke und überlegte. Wie sollte es nur weitergehen? Sie wusste es nicht. Der einzige Weg schien ihr, Ralf zu vergessen. Doch das konnte sie nicht, glaube sie zumindest. Dafür liebte sie ihn viel zu sehr. Er war seit langem der erste Mann gewesen, bei dem es für sie wirklich ernst war. Ja, sie konnte sich vorstellen ihn zu heiraten und mit ihm alt zu werden. Doch nun, tja nun war doch alles anders gekommen.

„Was möchtest du denn gern kochen?“, fragte Thomas Biggi, als sie unten in der Küche waren. „Hm, was hältst du von Nudeln mit Tomatensauce, das dauert nicht so lange.“ „Für dich doch immer.“, er lächelte sie an und Biggi lächelte zurück. Dann holten sie zwei Töpfe aus dem Schrank sowie die Zutaten aus der Speisekammer und begannen zu kochen. Biggi stand vor dem Herd und rührte die Sauce um. Thomas hatte sich hinter sie gestellt, sah ihr über die Schulter und umarmte sie von hinten.

„Lass nur, ich mache den Rest schon alleine.“, meinte er dann, als sie bereits fast fertig waren, denn er hatte bemerkt, dass Biggi doch schon ziemlich erschöpft war. „Du kannst dich ja inzwischen ein wenig aufs Sofa legen und dann serviere ich dir das Essen.“ Biggi nickte. Sie war wirklich schon etwas erschöpft und so ließ sie sich von Thomas ins Wohnzimmer begleiten und machte es sich dort auf dem Sofa gemütlich. Thomas gab ihr noch einen Kuss und ging dann wieder zurück in die Küche, aber die Zwischentür, die das Wohnzimmer mit der Küche verband, ließ er offen, sodass Biggi ihn und er sie sehen konnte.

Kaum zehn Minuten später betrat Thomas mit einem Tablett mit zwei Tellern Nudeln mit Tomatensauce das Wohnzimmer. Der Fernseher, den Biggi sich kurz zuvor angeschaltet hatte, lief noch, doch sie lag auf dem Sofa und war eingeschlafen. Thomas lächelte bei ihrem Anblick.  Er stellte das Tablett auf den Tisch und nahm dann vorsichtig die Fernbedienung, die Biggi noch in der Hand hielt, und schaltete den Fernseher aus. Dann nahm er sich eine Wolldecke, breitete sie aus und deckte Biggi damit liebevoll zu. Er setzte sich auf den Sessel, der direkt neben dem Sofa stand, und streichelte ihr mit der Hand ganz sanft über den Kopf. Er wollte sie schließlich nicht wecken. Sicherlich war sie ziemlich erschöpft von dem anstrengenden Tag und der Schlaf würde ihr gut tun. Doch er war glücklich, dass es ihr zumindest heute Abend schon wieder etwas besser ging.

Währenddessen war einem anderen ganz und gar nicht zum Lächeln zumute. Ralf. Er zerbrach sich in seinem Bett den Kopf darüber, wieso alles nur so weit hatte kommen müssen, kam aber zu keinem Ergebnis. Sollte das alles denn irgendeinen Sinn haben? Würde es je wieder alles so sein wie vorher? Besser, würde er je überhaupt wissen, wie es vorher war?? Er dachte an Gabi. Andauernd. Egal wie stark seine Amnesie auch war, es musste da irgendetwas geben, wodurch sich sein Unterbewusstsein nicht austricksen ließ. Weshalb sonst verspürte er so ein seltsam flaues Gefühl im Magen, wenn er Gabriele sah? Er hatte sie nun lange nicht gesehen, nicht mehr, seitdem sein Gedächtnis für ein kleines Stück zurückgekehrt war. Und jetzt, als er sie gesehen hatte ... er verstand es zwar nicht, aber - irgendetwas war anders als sonst. Seit er, wenn auch nur für einen winzigen Moment, in Gabis blaue Augen gesehen hatte, war Christine für ihn plötzlich nicht mehr das, was sie vorher war. Christine, daran konnte er sich erinnern, war seine erste große Liebe gewesen. Sie hatten so viel zusammen erlebt, sich in einer langen Beziehung unheimlich gut kennen gelernt, es verband sie etwas besonderes. Doch wenn Ralf nun Gabi ansah ... da vermeinte er, nicht den Bedarf zu haben, sie kennen lernen zu müssen - sobald ihre wunderschönen Augen ihn anblickten, hatte er das Gefühl, sie seit Ewigkeiten zu kennen. Und zu lieben. Und das gab ihm zu denken auf. So

eine Magie hatte er noch nie zuvor erlebt. Zumindest konnte er sich nicht erinnern...

Er musste unbedingt noch mal mit Gabi reden. Was sie wohl gerade machte?

Was Ralf wohl gerade machte? Diese Frage stellte sich Gabi in Gedanken tausendmal, als sie so in ihrem Bett verkrochen dalag und die Decke anstarrte. Sie hatte aber auch eine Antwort. Bestimmt knutschte er jetzt mit Christine rum. Na wer weiß, vielleicht sind sie ja schon im Bett gelandet. Gabi lief ein kalter Schauer über den Rücken und sie verkroch sich noch tiefer in der Bettdecke. Es war, als hätte jemand einen Stein in einen Fotorahmen geworfen, einfach so - ohne Vorwarnung und ohne Grund. Das Bild ist dabei kaputtgegangen. Und dann hat man einfach ein anderes reingesteckt, und neues Glas darüber gegeben. Stärkeres. Das war nicht mehr zu zerbrechen. Wahrscheinlich war die Liebe zwischen ihnen einfach nicht stark genug gewesen, um den Steinwurf abhalten zu können. Das allerdings konnte nicht von ihrer Seite ausgegangen sein. Sie liebte Ralf unendlich. Das hatte sie vor dem Unfall getan, und sie tat es auch jetzt noch. Aber allein konnte sie selbst mit der größten Liebe nichts ausrichten.

Zur selben Zeit allerdings gab es ein Paar, dessen Glas im Bilderrahmen nahezu einem Panzer gleich war. Thomas und Biggi. Thomas saß immer noch am Sofa und sah Biggi an. Er hatte ein glückliches Lächeln im Gesicht. Das hatte er lange nicht mehr gehabt. Und es würde auch noch sehr lange dauern, bis er voll Glück und Freude lächeln konnte - nicht nur in einem Moment des Augenblicks.

Es dauerte noch eine Weile, bis Biggi wieder die Augen aufschlug. Erst musste sie überlegen, wo sie überhaupt war, erkannte dann aber erleichtert Thomas über sich und lächelte ihn an. "Hey mein Schatz ... hast du gut geschlafen?" "Ja...", meinte sie, worauf ihr Blick dann aber auf den Spaghettitopf fiel und ihr alles wieder einfiel. "Oh nein ... das Essen! Bin ich etwa einfach eingeschlafen?" "Ja - aber es war wunderschön, dir zuzusehen. Das hätte ich noch ewig machen können.", meinte er und seine Stimme klang fast ein wenig enttäuscht. "Bist du jetzt sauer, weil ich wieder aufgewacht bin?", fragte Biggi und schmunzelte. "Du hast noch mal Glück gehabt - deine Augen sind nämlich mindestens genauso schön, und jetzt seh ich sie endlich wieder." Dann beugte er sich zu ihr runter und küsste sie zärtlich. Beide genossen es sehr, küssten sich besonders sanft und innig, bis Biggi schließlich ihre Arme um Thomas legte, ihn zu sich zog und sie immer leidenschaftlicher wurden. Das Sofa knarrte bedenklich, es hatte in der alten Villa schon einiges mitgemacht...

Ralf lag in seinem Zimmer und überlegte fieberhaft, wie er mit Gabi sprechen könnte. Er wusste, dass er wahrscheinlich so schnell niemanden sehen würde, der sie kannte und über den er etwas ausrichten lassen konnte. Außerdem würde sie dann sicherlich sowieso nicht mit ihm reden wollen. Ihre Telefonnummer kannte er auch nicht. Sicherlich hatte er sie einmal gekannt, aber jetzt herrschte nichts als Leere in seinem Kopf. Es war wirklich eine schwierige Situation, aber er musste einfach einen Ausweg finden. Er musste noch einmal mit ihr reden und ihr alles erklären. Warum war es nur soweit gekommen. Gabi war wahrscheinlich unheimlich enttäuscht von ihm. Nein, nicht wahrscheinlich – mit Sicherheit! Und er konnte sie verstehen. Was hatte er ihr nur angetan. Wenn er es doch nur irgendwie wiedergutmachen könnte, doch im Moment sah er dafür keine Möglichkeit. Das brachte ihn zur Verzweiflung.

Doch als Dr. Dorn wenig später das Zimmer betrat um nach Ralf zuschauen, kam diesem die rettende Idee. „Kennen Sie zufällig die Telefonnummer von Gabriele Kollmann, der jungen Ärztin, die…“ „Ja, ich weiß schon“, unterbrach der Arzt ihn. „Jedoch muss ich sie leider enttäuschen, ihre Nummer ist hier im Krankenhaus nirgendwo verzeichnet. Die einzige Nummer, mit der ich Ihnen dienen könnte, wäre die von der Basis von Medicopter, auf der Sie vor ihrem Unfall gearbeitet haben und auf der auch Frau Dr. Kollmann arbeitet.“ Ralf nickte dankbar, das war immerhin schon etwas. Vielleicht würde er es so irgendwie schaffen, Gabriele zu erreichen.

Nach zehn Minuten betrat Dr. Dorn erneut sein Zimmer und übergab ihm den Zettel mit der Telefonnummer der Medicopterbasis. Als Ralf wieder allein war, blickte er auf das Telefon auf dem Nachttisch. Sollte er wirklich dort anrufen? Würde Gabi überhaupt mit sich reden lassen? Würde er mit seinem Anruf auch nur irgendetwas bewirken? Würde sie überhaupt gerade auf der Basis sein? Er wusste es nicht. Doch dann fasste er schließlich den Entschluss es zu probieren. Verlieren konnte er schließlich nichts, nichts, dass er nicht bereits verloren hatte. Er wählte mit zitternden Händen ganz langsam die Nummer der Basis und wartete bis am anderen Ende das Freizeichen zu hören war. Es klingelte einige Male bis endlich jemand abnahm, jedoch nicht Gabriele. Sie war überhaupt nicht auf der Basis und hatte erst am nächsten Tag wieder die Spätschicht. „Basis, Medicopter 117, Dr. Michael Lüdwitz, hallo?“, meinte Michael schließlich. Er und Peter waren noch immer nicht mit dem Berg an Einsatzprotokollen fertig. „Hallo, hier ist Ralf Staller, können…können Sie Gabriele bitte sagen, dass Sie sich bei mir melden soll?“, fragte er. Michael versprach es ihm. Er hatte schon Hoffnungen, dass Ralf möglicherweise sein Gedächtnis wieder gefunden hatte, doch dann bemerkte er, dass er ihn in diesem Fall nicht siezen würde.

Biggi hatte Thomas inzwischen ganz aufs Sofa gezogen, wo sie sich in den Armen lagen und sich immer leidenschaftlicher küssten. Schließlich begann Biggi Thomas’ Hemd aufzuknöpfen und zog es ihm ganz langsam aus. Dann öffnete auch er den Morgenmantel, den Biggi noch immer trug. Er fuhr zärtlich mit seinen Händen unter ihr T-Shirt und streichelte ihr über den Rücken. Biggi genoss dies sehr und küsste ihn immer wieder. Wenig später lagen sie bereits nur noch in Unterwäsche auf dem Sofa und verkrochen sich küssen unter der Wolldecke. Thomas war schließlich dabei Biggi den BH auszuziehen, als sie plötzlich aufhörte ihn zu küssen und zurückwich. Er sah sie irritiert an und merkte dann jedoch sofort, dass sie Tränen in den Augen hatte. Sofort zog er sie ganz nah zu sich und legte seine Arme ganz fest um sie. „Hey, Biggi, was ist denn los?“, fragte er sie sanft und bereute dies einige Sekunden später auch schon wieder. Er konnte sich die Antwort schon genau denken. Ebelsieder, dieses Schwein, was hatte er seiner Biggi nur angetan? „Hey, komm her.“, sagte er dann leise und streichelte Biggi beruhigend durchs Haar. Sie wurde ganz langsam wieder ein wenig ruhiger und sah in an. „Thomas…es…es war so schrecklich…“, flüsterte sie dann und wieder liefen ihr Tränen über die Wangen. Es war plötzlich alles wieder da, die ganzen schlimmen Erinnerungen. Thomas wischte ihr zärtlich die Tränen weg und erwiderte dann leise. „Ich weiß, Biggi, ich weiß. Es wird alles wieder gut.“, auch ihm waren nun Tränen in die Augen gestiegen. Er hielt Biggi einfach nur ganz fest im Arm, ließ sie spüren, dass er immer für sie da war, egal was passierte. Biggi weinte in seinen Armen, er spürte, wie sie zitterte. Doch durch ihn wurde sie ganz langsam ruhiger. Er streichelte sie unentwegt und redete beruhigend auf sie ein. Er hielt sie ganz fest, spürte, wie sehr sie diesen Halt und diese Sicherheit, dieses Gefühl der Geborgenheit brauchte. Thomas begann wieder diese Frage das Herz zu schmerzen, die Frage, ob Biggi je über all das hinwegkommen würde. Er musste wohl einfach Geduld haben. Für einige Stunden hatte es so geschienen, als ob Biggi wieder lachen könnte, wieder glücklicher wäre. Doch es war immer noch da. Biggi musste daran denken, und er auch. Und das würde sich wohl nie ändern. Vielleicht aber konnten sie lernen, mit den Erinnerungen umzugehen. Thomas stiegen Tränen in die Augen, als er wieder Biggis Blick vor sich sah, mit dem sie ihn angesehen hatte, als er das gleiche tun wollte wie Ebelsieder vor einigen Tagen. Dieser angsterfüllte Blick, vor ihm, Thomas. Und das Schwein, das das verursacht hatte, sollte nicht mal eine anständige Strafe bekommen. Die Welt war wirklich ein grenzenloses Zentrum der Ungerechtigkeit.

Biggi weinte immer noch. Ganz leise. Sie hatte sich an Thomas' Brust geschmiegt und die Augen geschlossen, sie wollte sie nicht öffnen aus Angst etwas anderes als Thomas zu sehen. So fühlte sie sich sicher. Thomas hatte die Wolldecke ganz hochgezogen, schließlich hatten sie beide fast nichts an, und er befürchtete, dass Biggi zu kalt sein könnte. "Es ... es tut mir Leid.", flüsterte Biggi plötzlich. Er blickte nach unten in ihre Augen, die ihn tränenfeucht ansahen. "Aber Biggi ... was tut dir denn Leid?", fragte er sie und strich ihr über die Wange. "Na ... das eben. Ich hab plötzlich ... ihn vor mir gesehen, und das ... das war einfach schrecklich." Wieder rannen ihr ein paar Tränen übers Gesicht.  "Thomas, ich will es vergessen, aber ich kann nicht! Er ist immer da!" Thomas wusste nicht, was er sagen sollte. Er kam sich unglaublich hilflos vor. Was sollte er sagen? Ihr versprechen, dass er Ebelsieder aus ihrem Gedächtnis wegzaubern würde? Ihr versprechen, dass sie diesem Schwein nie wieder unter die Augen treten müsse? Ihr versprechen, dass die Zeit alle Wunden heile? Er konnte ihr gar nichts versprechen, nichts. Weil er selbst nichts mehr wusste. Gar nichts. Er wusste nicht, wie er Biggi helfen konnte, obwohl er alles dafür geben würde es zu wissen. Und das machte ihn fertig. Seine Biggi so leiden zu sehen und vor allem, dabei zusehen zu müssen. Und deshalb viel ihm nichts Besseres ein, und wahrscheinlich hätte es in dieser Situation kein einziges Wort der Welt gegeben, das mehr tröstete – er nahm sie einfach nur noch fester in den Arm. Er zog sie ganz nah zu sich hoch, küsste sie dann auf die Stirn und streichelte sie. Sie wusste, dass er sie unheimlich liebte. Genau wie sie ihn. Und das gab ihr wohl die größte Kraft die sie je hätte bekommen können...denn Liebe brauchte keine großen Worte.

Das Telefon klingelte. Ralf schreckte hoch. Er war in Gedanken versunken gewesen, hatte an Gabriele, an wen auch sonst, gedacht, und wurde durch das schrillende Geräusch zurück in die Realität geholt. Er begann zu zittern, starrte das Telefon an. War es ... war es vielleicht Gabriele? Er hoffte es so sehr, glaubte aber nicht daran. Er hatte sie doch so sehr verletzt. Es läutete bereits zum dritten Mal. Wenn er nicht gleich abheben würde, würde das Klingeln verschwinden und Gabriele würde vielleicht nie wieder anrufen. Also gab er sich einen Ruck - und hob ab.

"Hallo, Staller?", meldete er sich. Am anderen Ende nichts .... doch dann meldete sich doch eine Stimme. "Ich bin's. Gabi." "Gabi!" Sie war es tatsächlich. "Michael meinte, ich solle dich zurückrufen. Gibt's was? Also mir fiele nichts ein." Gabi tat es unheimlich weh, so mit ihm zu reden. Aber es war ihr einfach nicht danach zumute, anders mit ihm zu reden, nach dem, was sie gesehen hatte. "Mir schon.", antwortete Ralf. Er verstand den Ton, den Gabi aufgesetzt hatte. "Was denn?" "Ich würde dir dabei gern in die Augen sehen, wenn ich dir das sage. Abgesehen davon vermisse ich deine Augen überhaupt schon." Gabi stockte. Er vermisste ihre Augen??? Ja, klar. "Tja, das wär mir aber nicht aufgefallen. Wieso auch? Es gäbe da doch nichts mehr, was das veranlassen könnte, oder? Du hast es mir ausdrücklich genug gesagt." "Gabi, bitte hör auf. Ich bitte dich ein letztes Mal: Komm her! Ich MUSS einfach mit dir reden. Unter anderem deshalb." Gabi atmete tief durch. Konnte sie etwas verlieren? Konnte sie zumindest mehr verlieren, als sie schon verloren hatte? Sie kam auf die Antwort nein und überwand sich schließlich selbst dazu, einzuwilligen. "Ok." Ralf atmete auf. "Danke! Ich freue mich schon unheimlich. Und, Gabi?" "Ja?" "Ich ... nein, das sage ich dir dann, wenn du kommst. Bis nachher." "Bis nachher." Als Gabi aufgelegt hatte, musste sie sich erstmal setzen. Was hatte das alles zu bedeuten?

Ihr ließ das jetzt einfach keine Ruhe mehr. Sie lief nach unten in den Flur, schnappte sich ihre Jacke und wollte gerade zur Tür hinaus, als ihre Mutter plötzlich aus dem Wohnzimmer kam. „Wo willst du denn jetzt noch hin Püppi? Weißt du wie spät es ist?“, fragte sie entsetzt. „Mutter!“, meinte Gabi bloß. Sie hatte jetzt wirklich keine Lust mit ihrer Mutter darüber zu diskutieren. Also verließ sie ohne ein weiters Wort das Haus. Angela war zum Fenster hinaus und blickte ihrer Tochter, die in ihr Auto stieg und vom Hof rauschte, nur kopfschüttelnd nach.

Biggi hatte sich inzwischen wieder beruhigt und lag immer noch mit Thomas zusammen auf dem Sofa. Er hatte sie ganz fest in die Arme geschlossen und streichelte ihr immer wieder zärtlich über den Rücken. „Ich liebe dich, Thomas….“, meinte Biggi dann nach einer Weile. Thomas lächelte sie an. „Ich dich auch, mein Schatz – unendlich.“ Biggi gab ihm einen zärtlichen Kuss, den er erwiderte. Sie drehte sich um, sodass sie nun nicht mehr neben ihm, sondern auf ihm lag und sie begannen sich immer leidenschaftlicher zu küssen. Schließlich begann Biggi Thomas seine Boxershorts auszuziehen. „Bist du dir sicher?“, fragte er sie verunsichert, er wollte sie zu nichts drängen. Doch als Antwort bekam er nur einen langen, innigen Kuss. Er legte seine Arme noch fester um Biggi, während sie sich unentwegt küssten, und zog ihr dann langsam ihre Unterwäsche aus. Doch dieses Mal hatte sie absolut nichts dagegen und genoss einfach nur seine Nähe und seine Berührungen. Sie dachte dieses Mal nicht eine Sekunde lang an Ebelsieder und an den Tag in der Scheune. Auch nicht als sie und Thomas wenig später auf dem Sofa miteinander schliefen. Sie genoss einfach nur den Augenblick, der jetzt nur ihr und Thomas gehörte. Immer wieder küssten sie sich und gaben sich vollständig ihrer Liebe hin.

„Alles ok?“, fragte Thomas Biggi dann fürsorglich, als sie danach in seinen Armen lag und sich an ihn geschmiegt hatte. Sie lächelte ihn glücklich an und nickte dann. Thomas war total glücklich darüber und gab ihr einen sanften Kuss.

Schließlich schlief Biggi ziemlich erschöpft, aber mit einem kleinen Lächeln im Gesicht, in Thomas’ Armen ein. Er zog die Wolldecke noch etwas höher, damit sie nicht fror und versuchte sich dann so wenig wie möglich zu bewegen um sie nicht wieder zu wecken. Bald allerdings schlief auch er erschöpft von dem langen Tag ein. Biggi hatte er dabei jedoch noch immer fest im Arm.

Etwa eine Stunde später betrat Michael die Villa. Er und Peter hatten den Papierkram endlich hinter sich bringen können und so hatte er nun endlich nachhause fahren können. Eigentlich wollte er nur noch in sein Bett, doch dann bemerkte er, dass im Wohnzimmer noch Licht brannte. Verwundert sah er auf die Uhr: 23.35. Schliefen Thomas und Biggi etwa noch nicht? Michael dachte nicht weiter drüber nach, sondern ging ins Wohnzimmer, um nachzuschauen. Da er keine Stimmen hörte, wollte er schon fast das Licht ausknipsen, sich umdrehen und nach oben gehen, als sein Blick auf das Sofa fiel, das am anderen Ende des Raums stand. Dort lagen Thomas und Biggi immer noch eng aneinander gekuschelt und schliefen friedlich.

Langsam schlich er leise zum Sofa. Michael bemerkte, dass die beiden, die noch immer unter der warmen Wolldecke lagen, anscheinend nichts anhatten. Auf dem Teppich lagen sowohl Biggis als auch Thomas’ Klamotten und  Thomas’ unbedeckte Schulter schaute unter der Decke hervor. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schlich Michael kopfschüttelnd wieder zur Tür, machte das Licht aus und begab sich dann nach oben in sein Bett. Er war unheimlich erleichtert, offensichtlich ging es Biggi nun schon besser - immerhin war sie schon dazu bereit gewesen mit Thomas zu schlafen. Ein gutes Zeichen, vor allem nach so einem schrecklichen Erlebnis wie sie es gehabt hatte. Er sah noch mal nach Dirk und vergewisserte sich, dass er auch bestimmt schlief, bevor er schließlich selbst ins Bett ging und nach wenigen Minuten in einen tiefen Schlaf versank.

Zwei andere allerdings konnten noch überhaupt nicht schlafen. Gabi und Ralf. Eigentlich hätte Gabi die Strecke, die sie von sich zuhause in die Klinik fuhr, in einer knappen halben Stunde zurückgelegt. Diesmal allerdings benötigte sie dafür beinahe zwei Stunden. Nicht etwa, weil sie langsam fuhr, sondern weil sie immer wieder mit dem Gedanken spielte, umzudrehen und zurückzufahren. Sie hielt mehrere Male an und musste lange nachdenken. Doch schließlich entschied sie sich doch dazu, weiterzufahren, und bemerkte am Parkplatz der Klinik entsetzt, dass es bereits kurz vor Mitternacht war. Was sollte sie hetzt tun? Zurückfahren? Nein, niemals. Sie hatte sich regelrecht hierher kämpfen müssen. Würde sie jetzt nicht hier rein gehen, würde sie es vermutlich gar nicht mehr schaffen. Also gab sie sich einen Ruck und betrat die verlassene Eingangshalle der Klinik. Von dort aus machte sie sich auf den Weg ins vierte Obergeschoss, zum Zimmer, in dem Ralf lag. Sie wusste noch allzu genau, welcher Flur sie dorthin führte. Zum Glück traf sie dort keine Schwestern oder Ärzte, denen sie lästige Fragen hätte beantworten müssen. Wer sie denn sei und was sie um diese Zeit hier suche. Die erste Frage hätte sie wohl noch beantworten können, die zweite allerdings wäre kein Leichtes gewesen. Wusste sie denn überhaupt, was sie hier suchte? Was suchte sie denn? Vielleicht fand sie die Antwort in dem, was sie suchte, von dem sie aber noch nicht wusste was es war? Sie hatte keine Ahnung. Ohne noch weiter nachzudenken über das was sie suchte und wozu sie dieses führen würde, drückte sie die Klinke an Ralfs Zimmertür herunter und betrat den Raum. Es brannte noch schwaches Licht, das vom Nachtkästchen herkam. Ralf saß noch immer in seinem Bett, wie er es getan nachdem er den Hörer aufgelegt hatte. Seitdem hatte er keine Sekunde daran verschwendet, an etwas anderes als an Gabi zu denken.  Und plötzlich stand sie vor ihm. Er blickte sie an, konnte nicht glauben, dass sie da war. Ihre wunderschönen, blauen Augen sahen ihn an. Ein unheimliches Gefühl überkam Ralf, ein Gefühl, das er zumindest in seinem "neuen" Leben noch nicht kannte und das ihm Angst machte. Aber andererseits ein wunderschönes Gefühl. "Hallo", sagt Gabi, die in den ersten Augenblicken ebenso wie er kein Wort herausgebracht hatte. Nun fasste auch er sich wieder und entgegnete. "Hallo Gabi. Schön, dass du da bist." Gabi zwang sich zu einem leichten Lächeln. Als sie das Strahlen in seinen Augen sah, das glückliche Erwidern ihres Lächelns, überkam sie ein wohliger Schauer und sie bewegte sich langsam auf das Bett zu. "Setz dich doch." Gabi setzte sich auf den Sessel, auf dem Christine sonst immer gesessen war.

Sie erinnerte sich wieder daran, wie diese Frau hier gesessen war und Ralf geküsst hatte. Wie er sie geküsst hatte. Sie neigte den Kopf zum Boden. "Was ist los?", fragte er sie erschrocken, als er die unendliche Traurigkeit in ihrem Gesicht sah. "Nichts. Was soll denn sein?" "Ne ganze Menge." "Es ist aber nichts." "Gabi, wohin sollen wir denn kommen, wenn wir uns unsere Gefühle verschweigen. Ich werde diesen Fehler heute ganz bestimmt nicht mehr machen." Er blickte ihr tief in die Augen. "Was meinst du mit ... nicht mehr?", fragte Gabi ihn entsetzt und vorsichtig. Ralf atmete durch. "Na dass ich ihn schon mal gemacht habe. Vielleicht nicht absichtlich. Vielleicht wusste ich von der Wahrheit noch nichts." Gabi sah ihn an. Er nahm ganz langsam ihre Hand. "Was hast du gerade gedacht?", fragte er sie dann. Gabi zögerte. Dann aber antwortete sie ihm. "Ich hab daran gedacht ... dass du mit dieser Frau hier genauso gesessen bist - du hast sie geküsst. Voller Liebe. Du liebst sie. Und deshalb ... deshalb weiß ich nun auch wirklich nicht, weshalb ich hier bin. Ich denke nicht, dass du es mir sagen kannst." Tränen stiegen ihr wieder hoch, als sie in Ralfs Augen sah. Mein Gott, wie sie diesen Mann liebte. "Doch. Das kann ich." Gabi sah Ralf fragend und zweifelnd zu gleich an. Sie hatte Angst vor der Antwort. Doch konnte sie irgendetwas verlieren? Ehe sie noch weitere Gedanken daran verschwenden konnte, sagte Ralf: „Das mit Christine, das ist nicht so, wie du denkst, ich…ich liebe sie nicht.“ „Und warum hast du sie dann geküsst?“, fragte Gabriele zweifelnd. Sie konnte es nicht glauben, was er da gesagt hatte. Er liebte diese Christine gar nicht? „Aber….“ „Nein, Gabriele ich liebe sie wirklich nicht. Ich habe heute eines erkannt. Die einzige Frau, die ich liebe, bist du.“, unterbrach Ralf sie. Gabi konnte ihr Glück kaum fassen. Hatte er das wirklich gesagt? „Du meinst…es wird alles wieder so wie früher?“, fragte sie verunsichert, lächelte aber überglücklich. Ralf nickte zögerlich. „Ich…ich werde noch ein bisschen Zeit brauchen, um die Geschehnisse zu verarbeiten, aber ich wünsche mir nichts mehr, als dass alles so wird wie vor dem Unfall. Gabi fiel ihm um den Hals, sie war in diesem Moment überglücklich. Sie hatte ihn wieder, ihren Ralf. Dann küssten sie sich lange – sehr lange. „Ich bin so glücklich.“, flüsterte Gabriele ihm ins Ohr. „Ich auch.“, hauchte Ralf zurück und küsste sie wieder. Gabriele hatte sich zu ihm ins Bett gelegt und Ralf hielt sie fest im Arm. Schließlich schliefen sie total erschöpft ein.

Biggi wachte am nächsten Morgen schon vor allen anderen auf. Sie hatte richtig gut geschlafen in dieser Nacht, so gut, wie lange nicht mehr. Noch ein wenig verschlafen blinzelte sie und erkannte, dass sie und Thomas, der sie noch immer im Arm hatte, auf dem Sofa im Wohnzimmer lagen. Sie versuchte sich nicht zu bewegen, um ihn nicht zu wecken, denn er schlief noch tief und fest. Doch wenig später schreckte er trotzdem hoch – genau wie Michael und Dirk, denn es klingelte an der Haustür. Thomas blickte Biggi verschlafen an. „Morgen, mein Schatz.“, flüsterte er dann. Als Antwort bekam er einen zärtlichen Kuss, was ihm wohl auch lieber war. Doch schon zuckten sie wieder zusammen, denn es klingelte erneut. „Wer ist das denn? Am frühen Morgen…“, fragte Thomas ein wenig genervt. Biggi sah auf die große Wanduhr im Wohnzimmer und bemerkte, dass es so früh am Morgen gar nicht mehr war. Es klingelte ein drittes Mal und schließlich erbarmte Thomas sich. „Bin sofort zurück.“, flüsterte er Biggi noch zu und lächelte sie an. Dann zog er sich seine Boxershorts an und seinen Morgenmantel über und schlurfte langsam zur Haustür. Vor der Tür stieß er beinahe mit Michael zusammen, der sich auch gerade aus dem Bett gequält hatte und die Treppe hinunter gekommen war. Thomas öffnete schließlich die Tür. Vor ihm standen Lisa, Laura und Vera, die die beiden Mädels hingefahren hatte. Lisa und Laura stürmten sofort auf ihren Vater zu und fielen ihm um den Hals. Thomas war ziemlich sprachlos. Er hatte ganz vergessen, dass er seinen Töchtern versprochen hatte mit ihnen etwas zu unternehmen – zusammen mit Biggi. Doch nun war die Entführung dazwischengekommen und er musste sich um Biggi kümmern. Da hatte er das total verschlafen. „Morgen Thomas, morgen Michael.“, meinte Vera schließlich. „Morgen, Vera, komm doch rein. Wir könnten doch alle zusammen frühstücken, falls du noch Zeit hast.“, meinte Michael lächelnd, während Thomas kein Wort herausbrachte. Genau das hatte er eigentlich verhindern wollen.

Biggi hatte sich inzwischen schnell ihre Unterwäsche angezogen, als sie die Stimmen von Lisa und Laura im Flur gehört hatte. Dann legte sie sich zurück aufs Sofa und zog sie sich die Decke bis zum Hals. Im nächsten Moment kamen auch schon Lisa und Laura ins Wohnzimmer getürmt gefolgt von Vera, Michael und Thomas, der Biggi einen hilfesuchenden Blick zuwandte. Doch sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Hallo Biggi.“, meinten Laura und Lisa verwundert, als sie sie auf dem Sofa liegen sahen. Während Thomas nach den richtigen Worten suchte um seinen Töchtern die Situation zu erklären, hatte Vera diese längst durchschaut. Schließlich lagen immer noch die Klamotten sowohl von Thomas als auch von Biggi vor dem Sofa.

Biggi räusperte sich. "Hallo ihr beiden!", begrüßte sie die beiden dann freundlich. Die Mädels und Biggi mochten sich sehr gern und hatten sich immer schon gut verstanden. Lisa und Laura freuten sich sehr darüber, sie zu sehen, wenn es auch unerwartet war.

"Tja, Thomas, ihr hattet wohl nicht mit uns gerechnet.", meinte Vera dann. "Ähm ... nein ... äh ... ja ... nicht direkt", stammelte Thomas verlegen. "Er will damit sagen, dass er den Zeitpunkt leicht verpennt hat.", half ihm Michael aus der peinlichen Verlegenheit. "Ja genau.", bestätigte er. "Außerdem gab es in den letzten Tagen einige unerwartete Geschehnisse, aber das ist jetzt eine zu lange Geschichte. Nicht wahr, Thomas?" Thomas nickte. "Habt ihr Lust auf einen Frühstückskaffee? Mädels, ihr kennt doch meinen einzigartigen Kakao?" "Oh jaa!", riefen Lisa und Laura begeistert und folgten Michael freudig in die Küche. Auch Vera schloss sich an.

"Puh", stöhnte Thomas nur leicht auf, als er und Biggi wieder allein im Wohnzimmer waren. Dann ging er zum Sofa, neigte sich zu Biggi herab und küsste sie erstmal zärtlich. "Tut mir Leid, ich hab da überhaupt nicht mehr dran gedacht. Wir hatten es damals ausgemacht, als wir die Probleme mit den Kindern geregelt hatten. Und ich wollte eigentlich mit euch zusammen was unternehmen." "Was spricht denn dagegen?", fragte Biggi darauf. "Biggi, das geht doch nicht. Du musst dich unbedingt ausruhen. Am besten bringe ich dich jetzt nach oben ins Bett." Biggi war empört. "Nein! Jetzt sind sie schon mal da, wir können doch gemeinsam frühstücken und dann weitersehen." "Aber Schatz, du musst dich unbedingt schonen.", meinte Thomas besorgt. "Wenn ich da oben im Bett rumliege, hab ich nichts Besseres zu tun als die ganze Zeit an ihn zu denken. So kann ich mich wenigstens ablenken." Das leuchtete Thomas natürlich ein. Selbstverständlich wollte er nicht, dass seine Biggi durch den Gedanken an "ihn" und den schrecklichen Tag in der Scheune leiden musste. Aber andererseits machte er sich große Sorgen um ihren körperlichen Zustand. Er strich ihr liebevoll übers Haar. "Na gut. Aber wenn es dir schlechter geht, sagst du es mir sofort, ist das klar? Dann verfrachte ich dich nämlich zurück ins Bett und werde bei dir bleiben, bis ich schwarz werde." Biggi musste schmunzeln. "Komm, wir ziehen uns was an.", meinte Thomas dann. Er wollte ihr gerade hoch helfen, als sie ihn noch mal zu sich runter zog und ihm etwas ins Ohr flüsterte: "Ach übrigens ... es war eine wunderschöne Nacht. Ich liebe dich, Thomas." Daraufhin konnte Thomas nicht anders, er legte sich nochmals zu ihr aufs Sofa und küsste sie leidenschaftlich. Sie waren bereits nahe dran, die nächtlichen Aktivitäten zu wiederholen, doch dann rissen sie sich mit großer Mühe doch zusammen und standen auf. "Schade...", meinte Thomas leise und küsste sie. "Wir kommen schon noch dazu...", meinte Biggi und lächelte. Thomas legte Biggi fürsorglich die Decke um und wickelte sie darin ein. Dann begaben sie sich Arm in Arm nach oben, um sich anzuziehen.

Währenddessen herrschte unten in der Küche reger Betrieb. Inzwischen war auch Dirk aufgestanden und hatte sich zu Lisa und Laura an den Tisch gesetzt. Die Kinder vergnügten sich prächtig. Vera half Michael dabei, das Frühstück herzurichten und sprach ihn währenddessen auf ein Thema an, das ihr auf der Zunge brannte. "Sag mal ... mit Thomas und Biggi, geht das schon lange?" Michael hatte die Frage erwartet. "Nein, noch nicht lange. Zwei bis drei Wochen vielleicht." "Oh, und da landen die beiden schon auf dem Sofa?"

Michael grinste. "Die sind schon in der ersten Nacht im Heli gelandet. Es hatten sich da viele Gefühle aufgestaut, denen sie dann endlich mal freies Spiel gelassen haben, denke ich." "Verstehe.", meinte Vera. "Ist es schlimm für dich, Thomas mit einer anderen Frau zu sehen?", fragte Michael dann einfach so grade heraus. Er könnte es verstehen. Er mochte Vera eigentlich sehr gerne, wenn er auch manchmal ihr Verhalten äußerst missbilligt hatte. Vera antwortete nicht sofort, sondern überlegte erst. "Es ist ungewohnt. Und vielleicht ... ja, vielleicht tut es etwas weh, selbst wenn meine Gefühle zu Thomas sich seit damals verändert haben. Aber ich freue mich für die beiden. Ehrlich." "Das ist schön.", meinte Michael und lächelte ihr zu. "Wollt ihr heute eigentlich gemeinsam etwas machen?" "Oh, nein, ich hab die beiden nur hergebracht. Ich hab heute schon etwas anderes vor ...", meinte sie und lächelte verlegen. "Oh, verstehe", entgegnete Michael und grinste leicht zurück.

Wenig später kamen auch Thomas und Biggi herein. Gemeinsam frühstückten sie und hatten alle viel Spaß. "Papa, was machen wir heute denn eigentlich?", fragte Laura Thomas nach einer Weile. "Ähm...", antwortete Thomas und grübelte nach. Lisa machte einen Vorschlag. "Oh, machen wir doch ein Picknick im Wald!! Das haben wir soo lange nicht mehr gemacht. Und Biggi muss auch mit! Bitte, Paps!!" Laura war von der Idee ihrer Schwester begeistert und gemeinsam drängten sie ihren Vater zu einem Ja. Er blickte Biggi an. "Das wär doch eine gute Idee, Thomas.", meinte diese und blickte ihn mit demselben Blick seiner Töchter an. "Ich weiß nicht.", zweifelte Thomas. Er sah zu Michael hinüber, der zögerte. Ob Biggi wirklich schon einen ganzen Ausflug durchstand? Medizinisch hatte er eine ganze Menge Einwände. Aber dann dachte er wieder daran, dass so ein schöner Ausflug nach draußen für Biggi bestimmt eine wunderschöne Ablenkung wäre und war überzeugt davon, dass sie gemeinsam einen tollen Tag verbringen könnten. Schließlich also nickte er Thomas zu. Der war aber immer noch nicht ganz überzeugt. Biggi griff nach seiner Hand und sah ihn bittend an. Daraufhin willigte er schließlich ein. "Na gut. Ihr habt mich überredet." Lisa und Laura jubelten lautstark. "Klasse, Papa!!!! Komm, wir müssen gleich einen Korb einpacken!!" Lisa nahm Laura an der Hand und zog sie vom Tisch, worauf sie schließlich aufgeregt in die Speisekammer stürmten.

"Bist du dir wirklich sicher?", fragte Thomas Biggi dann leise. Biggi nickte lächelnd. "Solange du glücklich bist, bin ich es auch.", meinte er dann, strich ihr zärtlich über die Wange und küsste sie. "Tja, ich werde dann mal wieder aufbrechen.", meinte Vera. "Ich begleite dich noch raus.", meinte Michael. "Ach Michael ... lass mal, ich mach das schon.", meinte Thomas daraufhin. Er verspürte irgendwie das Bedürfnis, noch mal kurz mit Vera allein zu reden und sich zu bedanken.

Also ging er zusammen mit ihr nach draußen in den Flur. "Vera?" "Ja?" "Danke." "Wofür?" "Für alles. Dafür, dass du mich wieder zum Vater werden lässt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich die beiden vermisst hab." "Gern geschehen. War auch höchste Zeit. Du kannst nämlich ein toller Vater sein, wenn du willst. Und du kannst auch ein toller Partner sein. Ich bin mir sicher, Biggi wird sehr glücklich sein mit dir." "Danke", meinte Thomas lächelnd. "Und du bist bestimmt auch glücklich mit ihr.", meinte Vera. "Sehr sogar.", entgegnete Thomas. Schließlich umarmte er Vera nochmals, und ließ sie dann nach draußen. "Bis heute Abend!", verabschiedeten sie sich, bis er schließlich wieder zurück in die Küche ging. Dort verpasste er seiner Liebsten einen unglaublich zärtlichen Kuss...

Während Thomas, Biggi und Michael fertig frühstückten, packten Lisa und Laura eifrig den Picknickkorb. „Fertig, wir können jetzt los.“, meinte Lisa strahlend und zog ihren Vater am Ärmel. „Immer langsam, erstmal wollen Biggi und ich noch unseren Kaffee austrinken.“, bremste er seine Töchter grinsend. Lisa und Laura setzten sich ungeduldig wieder an den Tisch.

Schließlich hatten sie fertig gefrühstückt. Während Lisa und Laura Biggi bereits mit in den Flur gezogen hatten und die drei sich ihre Jacken anzogen hatten, war Thomas noch mit Michael in der Küche und half ihm den Tisch abzudecken. „Paps, kommst du jetzt endlich? Biggi und Lisa sind auch schon fertig“, meinte Laura wenig später, als sie den Kopf zur Tür reinsteckte. Thomas griff nach dem Picknickkorb, der neben dem Tisch stand. „Man könnte glauben, dass ihr die halbe Speisekammer eingepackt habt.“, meinte er kopfschüttelnd, denn der Korb war ziemlich schwer. Dann zog Laura ihn schon aus der Küche. „Dann wünsche ich euch viel Spaß.“, meinte Michael noch. „Ja, den werden wir sicherlich haben, oder Mädels?“, erwiderte Biggi, die nun auch an der Küchentür stand. Lisa und Laura nickten fröhlich und schließlich verließen die vier die Villa und Michael und Dirk blieben alleine zurück. Sie hatten erst einmal genug damit zu tun die Küche fertig aufzuräumen. Zudem begann Michaels Schicht bald.

„So geht das aber nicht.“, Gabriele und Ralf wurden von der Stimme einer Schwester geweckt. Sie schraken beide auf. „Sie können doch nicht einfach hier bei Herrn Staller im Bett übernachten, er braucht noch Ruhe.“, wandte sich die Schwester vorwurfsvoll an Gabi. „Tut mir Leid.“, brachte diese nur leise hervor und stand schnell auf. „Das geht schon in Ordnung.“, antwortete Ralf der Schwester jedoch, die darauf nichts mehr erwiderte. Gabi setzte sich auf den Besuchersessel und nahm Ralfs Hand. „Ich fand es viel schöner, als du hier neben mir gelegen bist.“, meinte er dann, nachdem die Schwester das Zimmer verlassen hatte. Gabi nickte. Ralf zog sie kurzerhand wieder zu sich ins Bett und sie begannen sich zu küssen. Beide waren froh wieder bei dem anderen zu sein. Gabi war so erleichtert, dass es alles wieder gut zu werden schien zwischen ihnen, dass sie Ralf absolut nicht böse sein konnte für das, was geschehen war. Zudem konnte er sich ja immer noch nicht erinnern.

Biggi, Thomas, Lisa und Laura hatten inzwischen den Wald erreicht. Thomas stellte das Auto auf dem nahe gelegenen Parkplatz ab und nahm den Picknickkorb aus dem Kofferraum, dann konnte es losgehen. Lisa und Laura waren sofort vorgelaufen, während Thomas und Biggi ihnen Arm in Arm hinterher schlenderten.

Es war ein warmer und sonniger Herbsttag und das Wetter lud geradezu zu einem Picknick ein. Lisa und Laura hatten schnell einen geeigneten Platz zum Picknicken ausgesucht. Nur wenige Meter davon entfernt befand sich ein kleiner Waldspielplatz, wohin die beiden Mädchen sofort verschwanden und zu toben begannen. „Sie sind echt süß.“, meinte Biggi zu Thomas und lächelte ihn an. „Ich weiß, du aber auch.“, erwiderte er grinsend und gab ihr einen zärtlichen Kuss, den Biggi glücklich erwiderte. So standen sie eine ganze Weile da, umarmten und küssten sich glücklich.

Thomas breitete schließlich die Decke auf dem Waldboden aus und sie ließen sich dort nieder und beobachteten die beiden Mädchen, die vergnügt auf dem Spielplatz tobten. „Es ist wirklich schön hier.“, meinte Biggi glücklich und strahlte Thomas, der seine Arme um sie gelegt hatte, an. Er nickte. „Finde ich auch.“ „Wir könnten es uns ja noch schöner machen“, schlug Biggi dann vor und begann ihn zärtlich zu küssen. „Gute Idee.“, flüsterte Thomas zwischen zwei Küssen, während sie sich langsam nach hinten sinken ließen und schließlich nebeneinander auf der Decke lagen. Biggi kuschelte sich ganz eng an Thomas und sie küssten sich immer wieder glücklich.

Michael war inzwischen auf der Basis angekommen. „Morgen, Michael, auch einen Kaffee?“, wurde er von Peter fröhlich begrüßt. Der Sanitäter hatte bereits Kaffee gekocht und war sogar schon Brötchen holen gewesen, schließlich hatte er auf der Basis übernachtet und brauchte etwas zum Frühstück. „Morgen Peter, und war’s bequem?“, fragte Michael mit einem Blick aufs Sofa. „Na ja, sagen wir, es ist gewöhnungsbedürftig.“, gab Peter ein wenig gequält zurück. „Sag mal, wann wollte der Neue eigentlich kommen?“, erkundigte er sich dann. Michael hatte das total vergessen. Heute sollte schließlich der neue Pilot, der Thomas vertreten sollte, kommen. Erschrocken sah er auf die Uhr. In einer halben Stunde würde er einreffen. „In einer halben Stunde. Ich hoffe nur, dass das nicht so eine Nervensäge ist wie Rene. Mit zwei solchen Typen auf der Basis halte ich das wirklich nicht aus.“ „Stimmt, aber immerhin haben wir jetzt überhaupt noch eine Vertretung bekommen.“, meinte Peter. „Ja, da hast du Recht. Außerdem ist Thomas ja in ein paar Tagen wieder da.“ Sie setzten sich beide an den Tisch und tranken erst einmal eine Tasse Kaffee.

Gabi lag immer noch neben Ralf im Bett und sie küssten sich. Gabriele war überglücklich, sie wünschte sich, dass dieser Augenblick niemals enden würde. Das einzige, was sie jetzt noch glücklicher machen könnte, wäre, wenn Ralf sich wieder erinnern könnte. An all die schöne Zeit, die sie zusammen erlebt hatten, daran wie sie sich kennen gelernt hatten und wie sie zusammen gekommen waren. Ralf hingegen musste plötzlich an Christine denken. Er liebte Gabriele und nur sie, das war ihm inzwischen bewusste. Trotzdem hatte er ein schlechtes Gewissen Christine gegenüber. Schließlich hatte sie sich um ihn gekümmert und ihm angeboten bei ihr zu wohnen, was er gern angenommen hatte. Doch das Schlimmste war, dass sie nun dachte, dass sie und Ralf wieder zusammen wären. Er würde wohl oder übel noch einmal mit ihr reden müssen um das zu klären. Das würde sicherlich nicht einfach werden, doch er würde nicht darum herumkommen.

Thomas und Biggi lagen noch immer auf der Decke und küssten sich. Sie genossen einfach nur die Ruhe und die Gegenwart des anderen. Sie wünschten sich, dass die Zeit einfach stehen bleiben würde. Das tat sie immerhin auch fast, denn sie hatten ja den ganzen Tag Zeit. Sie waren wieder voll und ganz in ihre Küsse vertieft, als sie plötzlich eine gewaltige Ladung Laub abbekamen. Wenige Sekunden später war das Lachen von Lisa und Laura zu vernehmen. Thomas und Biggi befreiten sich zunächst von dem Laubberg, unter dem Laura und Lisa sie begraben hatten. „Na, wartet.“, rief Thomas dann grinsend. Er stand auf und reichte dann Biggi die Hand, um sie hochzuziehen. Die beiden Mädchen waren jedoch schon geflüchtet und hatten einige Meter Vorsprung. „Wir kriegen euch.“, rief Biggi lachend, während sie und Thomas Hand in Hand Lisa und Laura hinterherliefen. Schließlich hatten sie die beiden eingeholt und eine wilde Laubschlacht begann, bei der alle ziemlich viel abbekamen.

Irgendwann ließen sie sich dann aus der Puste auf den Waldboden sinken. Thomas ging zu Biggi und zog sie hoch. „Alles ok?“, fragte er sie dann, als er sie im Arm hielt. „Klar.“, antwortete Biggi grinsend und gab ihm einen Kuss. Thomas war überglücklich, Biggi hatte heute endlich wieder richtig unbeschwert lachen können. Der Ausflug war anscheinend doch eine gute Idee gewesen. Arm in Arm gingen sie zur Decke zurück, denn sie hatten alle ziemlichen Hunger bekommen. Sie setzten sich auf die große Decke und machten es sich dort gemütlich. „Dann wollen wir mal schauen, was die Mädels uns mitgenommen haben.“, meinte Thomas zu Biggi. Sie nickte und sah dann im Korb nach. Lisa und Laura saßen nur grinsend daneben. Biggi zog schließlich zwei Tüten Chips, drei Tafeln Schokolade und zwei Flaschen Coca Cola hervor, sowie Berge von Gummibärchen. Thomas schlug sich die Hand vors Gesicht. „Ich hab’s geahnt.“, meinte er. Doch dann mussten sie alle lachen. „Tja, von wem sie das wohl haben?“, meinte Biggi und grinste Thomas an. „Na warte.“, rief er lachend und begann Biggi durchzukitzeln. „Oh bitte, Gnade.“, flehte sie, während sie lachen musste. „Was bekomme ich denn dafür?“, wollte Thomas wissen. „Hm…“, überlegte Biggi. „Das sag ich dir nachher.“ Sie warf Thomas dabei einen viel sagenden Blick zu und er grinste sie ebenfalls viel sagend an. Dann küsste er sie zärtlich und nahm sie in den Arm. Lisa und Laura grinsten sich an und meinten dann: „Wir sind dann auf dem Spielplatz…“ „Und wer soll das ganzes Essen, das ihr mitgenommen habt, essen?“, rief Thomas ihnen noch nach, doch die beiden waren schon auf dem Spielplatz verschwunden. Kopfschüttelnd wandte er sich dann wieder Biggi zu und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Während sie sich küssten, ließen sie sich langsam auf die Decke sinken und legten sich schließlich ganz hin. Eng umschlungen küssten sie sich leidenschaftlich und warfen einander dabei immer wieder genussvolle und unendlich verliebte Blicke zu. Als sie einmal kurz voneinander abließen, pflückte Thomas mit der einen Hand, während er mit der anderen Hand Biggi zärtlich berührte, ein Gänseblümchen. Er kitzelte sie damit im Gesicht. "Hey, lass das...", lachte sie, doch er hörte nicht auf. "Nur wenn du mir jetzt gleich sagst, was ich bekomme...", meinte Thomas grinsend und küsste sie. "Das würde dir so passen.", meinte Biggi. "Biiitte..." "Nein.", entgegnete Biggi streng, musste aber auch grinsen. "Dann bin ich auch ganz brav.", sagte Thomas gespielt traurig. "Das kannst du gar nicht.", meinte sie. Thomas überlegte. "Oh ... ja, da hast du Recht." "Aber was anderes kann ich umso besser..." Er beugte sich wieder ganz nah zu ihr herab, lehnte sich über sie und küsste sie abermals zärtlich. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und erwiderte den Kuss voller Leidenschaft. Sie wälzten sich auf der Decke leicht hin und her, genossen die Nähe und Berührungen des anderen unheimlich und wollten nicht mehr aufhören. Nach einiger Zeit begann Thomas, mit der Hand unter Biggis Bluse zu fahren und sie zärtlich zu streicheln. Sie legte genussvoll den Kopf zurück, sagte dann aber dennoch leise: "Thomas, wenn die Kinder kommen..." "... dann wissen sie wenigstens wie praktizierte Liebe aussieht...", vollendete Thomas den Satz, er wollte jetzt nicht einfach von Biggi ablassen. "Du bist schrecklich.", entgegnete Biggi, musste aber lächeln. Sie legte ihre Arme noch enger um Thomas, dann zog sie kurz seinen Kopf ganz nahe zu sich und sagte: "Ich liebe dich soo sehr, dass es schon weh tut ..." Dann küsste sie ihn und meinte lächelnd: "Aber das sind die schönsten Schmerzen der Welt."

Gabriele hatte sich währenddessen wieder auf den Besucherstuhl neben Ralfs Bett gesetzt, da Dr. Dorn und zwei Schwestern gerade zur Visite im Zimmer waren. „Das sieht wirklich schon erstaunlich gut aus.“, bemerkte der Arzt, nachdem er Ralfs Werte lang und breit studiert hatte. Ralf lächelte zufrieden, genau wie Gabi, die noch immer seine Hand hielt. „Ihrer Entlassung steht nun wirklich nichts mehr entgegen, Herr Staller.“, teilte er Ralf dann erfreut mit. Gabi kam eine wunderbare Idee. „Ich bin doch Ärztin. Wenn ich mich um ihn kümmern würde und Ralf sich absolut schonen würde, könnte ich ihn dann nicht vielleicht heute schon mitnehmen nachhause?“ Dr. Dorn überlegte einen Moment. Er würde Ralf lieber noch ein paar Tage in der Klinik behalten, doch die gewohnte Umgebung würde ihm sicherlich gut tun. Vielleicht würde er sich daran erinnern können. Andererseits würde er sich aber wirklich noch schonen müssen. Doch Gabi würde sich ja um ihn kümmern. Sie sah Dr. Dorn noch immer bittend an, genau wie Ralf, der von ihrer Idee begeistert war. „Na, gegen Sie beide komme ich ja eh nicht gegen an.“, meinte der Arzt schließlich überzeugt. „Danke.“, meinte Ralf glücklich. Er zog Gabriele zu sich und gab ihr einen Kuss. „Ich werde dann die Entlassungspapiere fertig machen.“, meinte Dr. Dorn nur noch und verließ dann das Zimmer. Die beiden Schwestern folgen ihm.

Zur gleichen Zeit fuhr auf der Basis ein schwarzer Kombi auf den Parkplatz, aus dem wenig später ein Mann ausstieg. Er war etwa Mitte Dreißig und hatte schwarze, kurze Haare. Michael und Peter standen am Fenster und beobachteten ihn, wie er auf den Eingang zuschritt. „Das ist bestimmt der Neue.“, meinte Peter. Wenige Augenblicke später betrat er auch schon den Aufenthaltsraum. „Hallo, ich bin Oliver Kehring, der Ersatzpilot.“ „Hallo, Michael Lüdwitz, Notarzt, wir werden in einem Team fliegen. Das ist Peter Berger, unser Sani.“ Oliver gab sowohl Michael als auch Peter die Hand. „Dann auf gute Zusammenarbeit.“ ‚Hm, er scheint ganz nett zu sein, trotzdem, hoffentlich kommt Thomas bald wieder.’, dachte Michael, obwohl er wusste, dass Thomas’ Urlaub in ein paar Tagen zu Ende sein würde.

Thomas und Biggi hatten derweilen beschlossen einen kleinen Spaziergang um den nahe gelegenen Teich zu unternehmen. Sie waren aufgestanden und gingen nun zum Spielplatz um Lisa und Laura Bescheid zu sagen und die Mädchen zu fragen, ob sie mitkommen wollten. Diese Frage erübrigte sich jedoch, da die beiden nichts mehr hassten als Spaziergänge. Also beschlossen sie sich erst einmal auf die Decke zu setzen und ihre mitgebrachten Vorräte zu essen und danach noch etwas auf dem Spielplatz zu bleiben, während Thomas und Biggi spazieren gingen.

Thomas hatte seinen Arm um Biggi gelegt und sie lehnte sich ein wenig an ihn, während sie durch den herbstlichen Wald spazierten. Die bunten, abgefallenen Blätter lagen überall auf dem Boden, doch die Sonne schien und es war ziemlich warm. „Ist heute nicht ein herrlicher Tag?“, fragte Biggi fast schwärmend. „Ja…“, stimmte Thomas ihr zu. „Und mit dir ist er am schönsten.“ Sie blieben stehen, sahen sich tief in die Augen und küssten sich schließlich. Thomas war unendlich froh, dass es Biggi heute so gut ging. Sie wirkte richtig fröhlich. Und das war sie auch. Noch nicht einen Gedanken hatte sie an diesem Tag an Ebelsieder und die Erlebnisse in der Scheune verschwendet. Ihre Gedanken waren nur bei Thomas und den Mädels. Sie hatte die beiden richtig gern und mit Thomas war sie überglücklich.

Gabi hatte schon angefangen Ralfs Sachen in seine Reisetasche zu packen. Er sah ihr dabei zu. Wie sehr freute er sich schon endlich nachhause zu kommen. Zwar wusste er nicht, was ihn dort erwarten würde, schließlich erinnerte noch immer nichts aus seinem Leben vor dem Unfall, doch er war sich sicher, dass er mit Gabriele zusammen eine wunderbare Zeit verbringen würde. Nun musste er das nur noch Christine erklären.

Als Gabi fertig war mit Packen, ging sie auf Ralf zu und setzte sich auf seine Bettkante. Er nahm ihre Hand und meinte dann: „Ich bin so glücklich, ich kann es gar nicht erwarten endlich hier raus zu kommen.“ „Ich weiß, ich liebe dich.“, erwiderte Gabi. „Ich dich auch.“, sagte Ralf noch leise, bevor sie begannen sich zu küssen. Wenige Sekunden später jedoch, ging die Tür zu Ralfs Zimmer auf und Christine kam gut gelaunt, sich freuend Ralf wieder zu sehen, ins Zimmer. Als sie jedoch Ralf mit Gabriele zusammen sah, wie sie sich küssten, verschlug es ihr die Sprache.

Sie ging mit schnellen Schritten auf das Bett zu und verpasste Ralf, der inzwischen von Gabi abgelassen hatte, eine schallende Ohrfeige. Dann rannte sie mit Tränen in den Augen aus dem Zimmer. Sie rannte und rannte, immer weiter, durch die Gänge der Klinik, zum Parkplatz, wo sie schließlich in ihr Auto steig und davonraste. Gabi und Ralf waren zunächst sprachlos. Sie hatten beide sofort wieder die Situation vor Augen, als es andersherum gewesen war, als Gabi Ralf mit Christine zusammen gesehen hatte. Gabriele wusste, wie sie sich jetzt fühlen musste. Schließlich hatte sie sich vor wenigen Tagen genauso gefühlt. Ralf rieb sich mit der Hand die schmerzende Wange. Man konnte deutlich den Abdruck von Christines Hand erkennen. „Das hat gesessen.“, meinte er und verzog das Gesicht. Gabi nickte leicht. „Was wirst du jetzt tun?“, fragte sie ihn dann zögerlich. Ralf zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich werde ich versuchen mich noch einmal mit ihr zu treffen um ihr alles zu erklären.“ Gabriele hielt diesen Vorschlag für nicht so gut. Was wenn Christine Ralf wieder verführen würde? „Bis du sicher, dass das eine so gute Idee ist, wer weiß… Was ist wenn sie dich wieder verführt?“, brachte sie ihre Sorgen auf den Punkt. Ralf schüttete den Kopf. „Nein, das schafft sowieso niemand anderes außer dir.“ Er grinste sie an und zog sie dann wieder zu sich um sie zu küssen.

Wenig später musste Gabi allerdings wieder gehen, da sie noch Schicht hatte. Viel lieber wäre sie jetzt noch bei Ralf geblieben als auf der Basis wieder Rene ertragen zu müssen, doch die Arbeit ging nun vor. „Ich komme nach der Schicht sofort wieder hierher und dann geht’s endlich nachhause.“, versprach sie ihm jedoch. Ralf nickte glücklich und gab ihr dann noch einen Abschiedskuss, bevor Gabriele endgültig das Zimmer verließ. Sie beeilte sich, denn sie war schon ziemlich spät dran.

Michael und Peter warteten währenddessen sehnsüchtig auf das Ende ihrer Schicht. Sie saßen am Tisch und unterhielten sich mit Oliver, dem Ersatz für Thomas. Er war eigentlich ganz nett, aber Michael und Peter wäre es schon lieber gewesen, wenn Thomas jetzt bei ihnen sitzen würde. „Was meinst du, wann wird Biggi wieder anfangen zu arbeiten?“, fragte Peter irgendwann. Er mochte Rene –wie alle anderen, besonders Gabriele, auch nicht. „Na, ich denke, eine bis zwei Wochen wird sie sich mindestens noch schonen müssen. Aber so wie ich Biggi und ihren Sturkopf kenne….“, erwiderte Michael. Peter schmunzelte. Ja, Biggi war wirklich manchmal ein Sturkopf, das wussten sie alle.

Biggi und Thomas waren nach ihrem kleinen Spaziergang wieder zurück zu den Mädchen gegangen und die vier hatten beschlossen als Abschluss für den schönen Ausflug im Anschluss noch Essen zu gehen. Biggi tobte mit den beiden Mädchen im Laub, während Thomas die Decke zusammenpackte. Er war unheimlich froh, dass die Mädchen sich so gut mit Biggi verstanden. Sie waren wirklich schon fast wie eine kleine Familie und Thomas dachte ein wenig betrübt daran, dass die Mädchen am Abend wieder von Vera abgeholt werden würden. Aber er wusste auch, dass er jetzt endlich wieder uneingeschränktes Besuchsrecht hatte und er und Biggi sicherlich bald wieder etwas mit Lisa und Laura unternehmen würden. Zwar würde er übermorgen wieder zum Dienst müssen, da sein Urlaub dann zu Ende sein würde, doch die Wochenenden blieben ihnen ja immer noch.

Schließlich kamen Biggi, Lisa und Laura zur Thomas, der nun schon alles eingepackt hatte, zurück und sie gingen zum Auto. Die beiden Mädels hatten sich den Korb geschnappt und waren voraus gelaufen. „War es dir auch nicht zu anstrengend?“, fragte Thomas Biggi dann ein wenig besorgt. „Nein, ich mag die beiden doch wirklich gern. Und außerdem fühle ich mich schon wieder ziemlich gut.“, erwiderte Biggi. „Das ist schön zu hören.“, antwortete Thomas und küsste sie glücklich. Biggi schmiegte sich an ihn und sie gingen Arm in Arm zum Auto. Lisa und Laura waren bereits eingestiegen und warteten schon ungeduldig. „Wo bleibt ihr denn?“, fragte Lisa. Thomas und Biggi warfen sich einen viel sagenden Blick zu und mussten dann grinsen. „In unserem Alter ist man eben nicht mehr ganz so schnell.“, meinte Thomas dann schnell und ließ den Wagen an. Dann fuhren sie nach Traunstein in eine Pizzeria.

Gabriele hatte unterdessen die Basis erreicht. Rene und Katja waren auch bereits eingetroffen, während Oliver und Peter schon gegangen waren. Nur Michael wartete noch ungeduldig auf seine Ablösung. Die Schicht der B Teams hatte immerhin schon seit 10 Minuten begonnen, als Gabi endlich auf den Parkplatz fuhr. Sie warf nur ein kurzes „Hallo“ in die Runde und verschwand dann auch gleich im Aufenthaltsraum. Glücklicherweise hatte Michael ja vorübergehend die Leitung der Basis übernommen und sie wusste, dass er das nicht so eng sah, zumal er wusste, dass Gabriele die meiste Zeit bei Ralf in der Klinik verbrachte.

„Ich werde dann auch mal…“, verabschiedete Michael sich und machte sich auf den Weg nachhause.

Ralf überlegte die ganze Zeit, wie es nun weitergehen sollte mit Christine. Er liebte Gabi, das war ihm klar, doch er wollte unbedingt noch einmal mit Christine reden und ihr alles erklären. Er wollte sich entschuldigen, für alles was zwischen ihnen vorgefallen war und sich bedanken dafür, dass sie im Krankenhaus für ihn da gewesen war. Doch bevor er sich weiter den Kopf darüber zerbrach, dachte er wieder Gabi und daran, dass sie ihn nachher, nach ihrer Schicht abholen würde und er dann endlich entlassen werden würde.

Gabriele war kaum fertig umgezogen und hatte sich zu Katja an den Tisch gesetzt, schon ging der Alarm los. „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, schwerer Autounfall auf der B 202 zwischen Traunstein und Berchtesgaden.. GPS Koordinaten 47,6 Nord zu 12,22 Ost.“ „Verstanden, wir übernehmen das.“, antwortete Gabriele, während Katja und Rene schon zum Helicopter liefen. Gabi schnappte sich ihre Jacke und die Notarzttasche und folgte ihnen dann im Laufschritt.

Rene zog die Maschine, gleich nachdem Gabriele eingestiegen war, hoch und flog die angegebene GPS Koordinaten an. Auf dem Flug sprach keiner ein Wort. Gabi dachte noch immer über die Szene im Krankenhaus nach. Irgendwie tat Christine ihr richtig Leid, aber sie wusste, dass sie darauf jetzt keine Rücksicht nehmen konnte. Sie musste jetzt erst einmal an sich denken und sich darauf konzentrieren, dass zwischen ihr und Ralf alles wieder so werden würde wie früher.

Rene landete den Helicopter direkt neben der Unfallstelle und Gabriele und Katja sprangen hinaus und eilten zu den Unfallopfern. Eine junge Frau war mit ihrem Wagen frontal in ein anderes Auto gerast. Sie war noch im Auto eingeklemmt, während der Fahrer des anderen Autos sich bereits selbst befreien konnte. Er war nur leicht verletzt.

Gabi erschrak, als sie das Gesicht der eingeklemmten Autofahrerin erkannte. „Was ist denn los, Gabriele?“, fragte Rene, der mit der Trage unterm Arm hinter sie getreten war. „Nein… das kann doch nicht sein…“, stammelte Gabi nur. „Was ist denn, kennst du sie?“, fragte Rene erneut. Gabi nickte langsam. „Das ist Christine…eine Freundin von Ralf…“ Gabriele hatte Mühe sich zusammenzureißen, doch sie musste jetzt um Christines Leben kämpfen. Mit Hilfe von Katja und Rene schaffte sie es, die Schwerverletzte aus dem Wrack zu bergen. Sie legten sie auf die Trage und Gabi begann damit sie zu untersuchen. Katja kümmerte sich in der Zwischenzeit um den leicht verletzten Fahrer des anderen Autos, der anscheinend unter Schock stand. Rene half Gabriele bei der Versorgung von Christine. Als Gabriele sie abtastete, wurde ihr Gesicht jedoch immer hoffnungsloser. „Serienrippenfraktur beidseitig, Bauchraum stark verhärtet, verdacht auf Milz- oder Leberruptur….“ Sie schloss Christine an das EKG an und hängte ihr eine Infusion Ringerlösung an. Die Werte waren mehr als beunruhigend. „Rene, gib mir das Laringoskop und einen 8er-Tubus“, wies Gabi den Piloten an, der ihr, so gut wie es ihm möglich war, versuchte zu helfen. Nachdem Gabriele Christine intubiert hatte, forderte sie Rene auf ihre ein weiteres Kreislaufmedikament aus dem Notfallrucksack zu geben. „Gib mir eine Ampulle NaCl.“ Rene, dessen medizinische Kenntnisse nicht gerade groß waren, gab Gabriele jedoch aus Versehen nicht NaCl, sondern ein Medikament, das muskellähmend wirkte. Gabriele sah in der Aufregung nicht noch einmal auf die Spritze, sondern injizierte Christine das Mittel sofort. Wenige Sekunden später ging das bis zu diesem Moment noch regelmäßige Piepsen des EKGs in einen lang gestreckten Piepton über. „Scheiße, Herzstillstand.“, rief Gabriele. Sie begann sofort mit der Reanimation. Doch als sie es auch nach zehn Minuten nicht schaffte Christine zurück ins Leben zuholen, musste sie es schließlich aufgeben, musste einsehen, dass sie ihr nicht mehr helfen konnte. Christine war tot. Sie war doch noch so jung gewesen, hatte ihr ganzes Leben noch vor sich und nun war sie tot. Gabi fragte sich die ganze Zeit, ob sie noch etwas hätte tun können. Hätte sie schon aufgeben dürfen? Hätte sie Christine retten können? Die Fragen hämmerten unaufhörlich auf sie ein. Dann fiel ihr Blick plötzlich auf die Ampulle, die neben ihr im Gras lag. Es war kein NaCl, das sah sie sofort. Sie hatte Christine das falsche Medikament gespritzt, sie hatte sie umgebracht. Christine war tot und sie, Gabriele, war schuld daran. Wie gebannt starrte sie auf die Spritze. „Was ist denn Gabriele?“,  riss sie Renes Stimme dann plötzlich zurück in die Realität. „Das war das falsche Medikament, ich habe sie umgebracht.“, stotterte Gabi nur. Nun starrte auch Rene auf die Spritze. Er hatte Gabi die falsche Ampulle in die Hand gedrückt. „Sie werden mich verklagen und meinen Job bin ich auch los.“, sagte Gabriele total aufgelöst. „Aber das muss doch niemand erfahren, dass du ihr die falsche Spritze gegeben hast.“, versuchte Rene sie zu beruhigen. Gabi sah ihn entsetzt an. „Du meinst, ich soll so tun, als ob sie an ihren Verletzungen gestorben wäre? Das kann ich nicht.“ „Natürlich kannst du es und wir werden es sogar. Wahrscheinlich hätte diese Frau sowieso keine Chance gehabt. Sie war im Prinzip doch vorher schon tot.“ Gabi sah ihn zweifelnd an. Sie wusste nicht mehr, was richtig oder falsch war, aber im Prinzip hatte Rene ja Recht. Vielleicht wäre Christine wirklich so oder so gestorben und wenn sie ihren Kunstfehler verheimlichen würden, dann würde niemand jemals davon erfahren und Gabi würde keine Probleme bekommen. Dieser Weg schien ihr im Moment am vernünftigsten, obgleich sie nicht wusste, ob sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte. Immerhin hatte sie Christine auf dem Gewissen. Zugegeben Rene war bei der Sache nicht ganz unschuldig gewesen, doch sie hatte Christine die Spritze verabreicht und sie hatte die Verantwortung dafür. Sie hätte die Spritze vorher kontrollieren müssen. Wenn es hart auf hart käme, hätte sie die gesamte Schuld zu tragen. Was hatte sie Christine nur angetan? Erst hatte sie ihr den Mann weggenommen, nun hatte sie ihr auch noch das Leben genommen. Sie machte sich schreckliche Vorwürfe. Und was würde Ralf dazu sagen? Wie würde er auf die Nachricht von Christines Tod reagieren? Ja, wie würde er erst reagieren, wenn er erfahren würde, dass Gabi schuld daran war? ‚Nein, das soll er niemals erfahren.’, dachte Gabriele sich. Sie packte niedergeschlagen den Notarztkoffer wieder zusammen und begab sich dann mit Rene zusammen zu Katja, die den verletzten Mann inzwischen versorgt hatte, sodass sie ihn mitnehmen in die Klinik konnten. Die Leiche von Christine nahmen sie ebenfalls mit.

Nachdem Lisa, Laura, Thomas und Biggi in der Pizzeria gegessen und sich unterhalten hatten, machten sie sich schließlich auf den Heimweg. Vera wollte gegen 20 Uhr die beiden Mädchen abholen und es war schon fast halb neun. ‚Hoffentlich ist sie nicht sauer.’, dachte Thomas sich. Jetzt, wo er seine Kinder endlich wieder so oft sehen konnte, wie er wollte, wollte er nicht gleich wieder Stress wegen den Besuchszeiten haben. Doch Vera war nicht sauer. Im Gegenteil. Sie hatte die Wartezeit gut überbrückt. Michael hatte sie ins Haus gebeten und nun saß sie mit ihm und Dirk zusammen in der Küche und sie unterhielten sich.

Als Lisa und Laura die Villa betraten stürmten sie sofort in die Küche und fielen ihrer Mutter in die Arme. „Na, ihr beiden, wie war’s?“, wollte sie von ihren Töchtern wissen, doch an den glücklichen Gesichtern der beiden konnte sie bereits erahnen, dass der Tag für die Mädchen schön gewesen sein musste. „Super, wir haben ein Picknick gemacht und waren auf dem Spielplatz und dann waren wir noch Pizza essen. Es war echt toll….“, sprudelte es förmlich aus den Mädels hinaus. Vera freute sich, dass die beiden einen schönen Tag gehabt hatten. „Machen wir nächstes Wochenende wieder etwas zusammen mit Papa und Biggi?“, fragte Lisa dann und sah erst zu Biggi und Thomas, die nun Arm in Arm in der Küchentür standen, und dann zu Vera. „Wenn ihr das so möchtet.“, erwiderte Vera lächelnd. Lisa und Laura nickten heftig und auch Thomas und Biggi freuten sich sehr. „Na, Mädels, dann wollen wir mal wieder. Thomas und Biggi brauchen auch mal ein bisschen Zeit um sich zu erholen.“, meine Vera grinsend und ging mit Lisa und Laura in den Flur. „Tschüss Papa, tschüss Biggi, Dirk und Michael.“, verabschiedeten sich die beiden Mädchen, „Bis nächstes Wochenende“ Thomas und Biggi blieben noch in der Tür stehen und winkten ihnen nach, bis sie schließlich hinter der Hausecke verschwunden waren. Thomas schloss leise die Tür hinter ihnen und wandte sich dann Biggi zu. „Ich glaube, die beiden hatten wirklich Spaß heute.“, meinte er. Biggi nickte. „Es war ja auch ein echt schöner Tag.“ „Hm..“ Thomas nahm sie in den Arm und begann sie zu küssen, was Biggi glücklich erwiderte. Schließlich ließen sie sich auf die Treppe sinken und küssten sich immer leidenschaftlicher.

Lange jedoch waren sie nicht ungestört, denn es klingelte einige Minuten später an der Haustür. Da sie fast neben der Haustür saßen, erbarmte sich Thomas schließlich, stand auf und öffnete. Vor der Tür stand Gabriele. Sie sah ziemlich fertig aus. „Ich wollte zu Biggi…“, meinte sie leise und blickte auf den Boden. „Komm erstmal rein.“, meinte Thomas nur und winkte dann Biggi zu sich. „Gabi.“, rief diese erstaunt, als sie ihre Freundin sah. Doch im nächsten Moment bemerkte sie, dass irgendetwas passiert sein musste. Gabriele wirkte richtig niedergeschlagen. Biggi nahm ihre Freundin erst einmal in den Arm. „Gabi, was ist denn passiert?“ fragte sie dann. Sie merkte, dass Gabriele mit den Tränen kämpfte. „Am besten wir gehen jetzt erstmal nach oben ins Schlafzimmer und dann erzählst du mir, was los ist, ja?“, meinte Biggi. Gabi reagierte darauf nicht und so zog Biggi sie vorsichtig mit nach oben.

Thomas ging währenddessen zu Michael in die Küche. Er wusste, dass Biggi jetzt mit Gabi allein sein wollte. „Wer war denn an der Tür?“, wollte Michael wissen, der die Stimmen im Flur gehört hatte. „Gabriele, sie wollte mit Biggi reden.“, erzählte Thomas und setzte sich zu Michael an den Tisch. „Ich glaube der Ausflug heute hat Biggi wirklich gut getan, sie wirkte vorhin richtig fröhlich.“, meinte Michael dann nach einiger Zeit. Thomas nickte. „Weißt du wie erleichtert ich bin, dass es ihr besser geht?“, erwiderte Thomas. Michael nickte. Er konnte es sich vorstellen, wie sehr Thomas sich freute. Mit Biggi schien er wirklich sein großes Glück in der Liebe gefunden zu haben.

Diese hatte sich währenddessen mit Gabi zusammen auf Thomas’ Bett niedergelassen. Gabriele war sofort nach dem Ende ihrer Schicht zu Biggi gefahren. Sie konnte jetzt nicht zu Ralf, konnte ihm nicht unter die Augen treten. Zu viel Angst hatte sie vor seiner Reaktion auf Christines Tod, an dem sie die Schuld trug. Wobei er letzteres niemals erfahren würde.  Biggi hatte ihren Arm tröstend um Gabi gelegt und sah sie auffordernd an. „Willst du mit mir darüber reden?“, fragt sie leise, denn es war offensichtlich, dass Gabi ein Problem hatte. Biggi tat sie unendlich Leid. Sie sah total fertig aus, es musste wirklich etwas Schlimmes vorgefallen sein.

Gabriele zweifelte noch mit sich selbst, ob sie Biggi alles erzählen sollte. Sie war ihre beste Freundin, aber war es nicht besser, wenn niemand von ihrem Geheimnis wusste? Zudem musste sie Biggi sowieso erst einmal erzählen, dass sie und Ralf wieder zusammen waren, denn sie hatten sich seitdem nicht gesehen.

Gabi blickte Biggi unendlich traurig an. „Christine…sie ist tot.“, brachte sie dann hervor und begann zu schluchzen. Biggi nahm sie ganz fest in die Arme und versuchte ihre Freundin zu trösten. „Hey, Gabi, ganz ruhig…was ist passiert?“, fragte sie dann. Gabi wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie zögerte einen Moment, doch dann begann sie zu erzählen. „Ralf…Ralf und ich, wir sind wieder zusammen…“ „Aber das ist doch ein Grund zur Freude.“, erwiderte Biggi. Sie hatte Gabi so sehr gewünscht, dass sie mit Ralf zusammen wieder glücklich werden würde. „Ralf soll heute Abend entlassen werden…wir wollten zusammen ziehen, es wäre alles so schön gewesen, wenn nicht…“, Gabriele brach mitten im Satz ab und begann dann wieder zu schluchzen. Biggi versuchte sie zu beruhigen, doch es gelang ihr kaum. Sie kam sich schrecklich hilflos vor. Was war nur passiert? Warum war Gabriele so fertig? „Wir hatten einen Einsatz…Christine ist mit ihrem Auto verunglückt. Sie…sie…ich konnte ihr nicht mehr helfen, sie ist unter meinen Händen gestorben.“, sagte Gabi dann leise, als sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte. Sie wirkte dabei erstaunlich gefasst. „Aber, es war doch nicht deine Schuld.“, meinte Biggi aufmunternd. Gabi wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, natürlich war es ihre Schuld gewesen, aber das durfte sie nicht erwähnen. Vor niemandem, selbst vor Biggi nicht. Nein, schon gar nicht vor Biggi. Was würde ihre beste Freundin dann von ihr halten? Würde sie es möglicherweise Ralf erzählen? Nein, Ralf durfte das niemals erfahren. Sie wusste sowieso noch nicht, wie sie es ihm erklären sollte, ob sie ihm je wieder in die Augen sehen können würde. „Ich…ich muss es Ralf sagen.“, meinte Gabi dann plötzlich und wollte aufspringen. „Er wartet auf mich.“ Doch Biggi hielt sie leicht am Ärmel fest. Gabi, du kannst in deinem Zustand doch gar nicht mehr fahren.“, versuchte sie ihre Freundin davon abzubringen. „Aber ich muss zu Ralf, ich muss ihn doch abholen, er wartet doch auf mich…“ „Ich werde Thomas bitten, dich hinzufahren, ok?“, schlug Biggi vor. Gabi gab sich schließlich geschlagen und nickte. Biggi hatte ja Recht, in ihrem Zustand sollte sie wohl wirklich besser nicht mehr fahren.

Biggi und Gabi gingen nach unten in die Küche, wo Thomas und Michael noch immer am Tisch saßen und sich unterhielten. Michael erschrak, als er Gabi sah. Sie sah schrecklich mitgenommen aus. „Ralf wird heute entlassen, Gabriele will ihn abholen. Kannst du sie zur Klinik fahren?“, fragte Biggi Thomas und sah ihn bittend an. Er nickte und stand auf. „Warte, Thomas, ich mache das schon.“, erwiderte Michael dann. „Dann kannst du bei Biggi bleiben.“ Thomas nickte. Er und Biggi begleiteten Gabi und Michael noch zur Tür. Gabi und Biggi umarmten sich noch einmal. „Pass auf dich auf.“, meinte Biggi, „Und grüß Ralf von mir.“ „Werde ich machen.“, antwortete Gabi, „Tschüss, wir sehen uns sicherlich in den nächsten Tagen.“ „Ja, ciao.“

Als Michael und Gabi weg waren, gingen Biggi und Thomas ins Wohnzimmer und setzten sich aufs Sofa. „Was war denn los mit Gabi?“, fragte Thomas vorsichtig nach. „Christine ist tödlich verunglückt. Das B Team hatte den Einsatz und Gabi hat ihr nicht mehr helfen können.“, erzählte Biggi betrübt. „Sag mal, Gabi und Ralf…sind die beiden jetzt eigentlich wieder zusammen? Ich meine, wenn Gabi ihn aus der Klinik abholt.“ Biggi nickte. „Ja, sie sind wieder zusammen. Ich freu mich so für die beiden. Sie haben das Glück wirklich verdient.“ Thomas stimmte ihr zu. „Ja, nach allem, was sie durchgemacht haben.“ Biggi lehnte sich an ihn und Thomas legte seinen Arm um sie. „Und du, bist du glücklich?“, fragte er sie dann nach einer Weile. Biggi sah ihn an, blickte ihm tief in die Augen und antwortete dann leise: „Ja…sehr.“ Dann näherten sie sich langsam einander, bis sich ihre Lippen sanft berührten, und begannen sich zu küssen.

Auf der Fahrt zum Krankenhaus sprachen Michael und Gabi nicht viel. Michael ahnte, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein musste, doch er wollte Gabi jetzt nicht darauf ansprechen. Als sie ausstieg, bedankte Gabi sich bei Michael und machte sich dann jedoch auf dem schnellsten Weg zu Ralfs Zimmer. Sie hielt es kaum noch aus. Endlich stand sie vor der Tür zu seinem Zimmer und drückte langsam die Klinke herunter. Ralf saß bereits angezogen auf seinem Bett und erwartete sie. „Da bist du ja endlich, wo warst du denn so la…“, Ralf verstummte mitten im Satz und blickte Gabi erschrocken an. Auf ihren Wangen waren noch deutlich die Spuren von Tränen zu sehen. „Gabriele, was ist passiert?“, fragte er sofort. Er stand auf, ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. Gabi konnte nicht anders, sie begann in seinen Armen hemmungslos zu weinen. Ralf versuchte sie zu trösten und streichelte sie immer wieder beruhigend. „Gabi, was ist passiert?“, wiederholte er dann seine Frage, als sie sich wieder ein wenig gefasst hatte. „Christine ist tot, sie hatte einen Autounfall. Wir…wir konnten ihr nicht mehr helfen.“, erklärte Gabi ihm, wobei sie sich bei dem letzten Satz sehr zusammenreißen musste, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Ralf drückte sie noch fester an sich. Auch ihm lief eine Träne über die Wange. Christine war seine erste große Liebe gewesen. Ja, er hatte sei unheimlich geliebt, auch wenn das jetzt nicht mehr anhielt. Wie gern hätte er noch einmal mit ihr gesprochen, ihr einfach nur alles erklärt, ihr gesagt, wie Leid ihm alles tat. Doch das war nun nicht mehr möglich. Er ahnte jedoch, dass Gabi sich Vorwürfe machte wegen Christines Tod. „Gabi, es war nicht deine Schuld, es war ein Unfall...“, versuchte er sie zu beruhigen. Wie gern hätte sie ihm geglaubt, wenn sie nicht nur zu gut gewusst hätte, dass es nicht so war. „Komm, wir fahren jetzt erst einmal nachhause. Es wird alles wieder gut, glaub mir.“, versprach er ihr. Er nahm seine Tasche, die noch auf dem Bett stand, und ging dann mit Gabi im Arm zum Parkplatz. Da Gabis Auto noch vor der Villa von Thomas und Michael stand, beschlossen sie sich ein Taxi zu rufen.

Biggi und Thomas hatten sich inzwischen ganz aufs Sofa gelegt und küssten sich immer noch. Sie begannen dabei sich langsam gegenseitig auszuziehen, als sie jedoch plötzlich ein Räuspern hinter sich hörten und kurz darauf die ein wenig verlegenene Stimme von Dirk. „Ähm…ich…ich wollte euch ja nicht stören…aber….“ Thomas und Biggi sahen erschrocken auf. Sie hatten ganz vergessen, dass zwar Michael weg, aber Dirk noch zuhause war, sonst hätten sie sich wahrscheinlich gleich in Thomas’ Schlafzimmer verzogen. „Ich wollte fragen, wann es Abendessen gibt?“, meinte Dirk verlegen. Man merkte, dass ihm die Sache ziemlich peinlich war. Jedoch nicht weniger peinlich als für Thomas und Biggi, die sich hilflose Blicke zuwarfen. Thomas sah auf die Uhr. Es war bereits neun. „Hm, da Michael nicht zuhause ist, schlage ich vor, dass wir drei uns was schönes kochen.“ Er sah Biggi an. Sie nickte. „Ich hab zwar nicht viel Hunger, aber das ist trotzdem ne gute Idee.“ Thomas und Biggi standen auf. Biggi zog sich ihr Shirt, das Thomas ihr ausgezogen hatte, wieder über und auch Thomas zog sich wieder ganz an. Dann folgten sie Dirk in die Küche. „Was möchtest du denn essen? Da Biggi und ich nicht soviel Hunger haben, darfst du entscheiden.“, meinte Thomas zu Dirk. „Hm, also am liebsten hätte ich jetzt Pommes und Würstchen.“, antwortete er. Thomas und Biggi grinsten sich an. Immer wenn Dirk sich etwas aussuchen durfte, wünschte er sich Pommes Frites und Würstchen. „Ok, dann hole ich jetzt schon mal die Pommes aus der Tiefkühltruhe.“, meinte Biggi und ging in die Speisekammer. Thomas und Dirk bereiteten inzwischen alles andere vor, so dass sie, als Biggi zurückkam, gleich die Würstchen in den Topf und die Pommes in den Ofen tun konnten. Die drei alberten die ganze Zeit herum und hatten viel Spaß. Als das Essen fast fertig war, kam Michael schließlich zurück. Er hatte sofort den Essensgeruch bemerkt und steckte seinen Kopf in die Küche. „Lasst mich raten, Pommes und Würstchen?“, fragte er grinsend. Thomas, Biggi und Dirk nickten unschuldig.

Gabriele und Ralf waren schließlich vor dem Haus, in dem Gabi mit ihrer Mutter zusammen wohnte, angekommen. „Hier wohnst du also.“, meinte Ralf, der sich ja noch immer an nichts erinnern konnte. Gabriele nickte. „Ja, das Haus gehört meiner Mutter, ich wohne hier mit ihr zusammen.“ Kaum hatte sie die Haustür aufgeschlossen und war mit Ralf zusammen in den Flur getreten, erschien auch schon Angela Kollmann. Misstrauisch musterte sie den Begleiter ihrer Tochter. „Hallo Püppi.“, meinte sie dann gespielt freundlich. „Hallo Mutter.“, brachte Gabi nur kurz hervor, während sie sich ihre Jacke auszog. „Willst du mir den jungen Mann nicht vorstellen.“ Gabi verdrehte genervt die Augen. „Mutter, das ist Ralf, ein Kollege von mir, Ralf, das ist meine Mutter.“ „Freut mich.“, meinte Ralf und gab Angela, die weniger erfreut schien, die Hand. „Du hast doch nichts dagegen, dass Ralf die nächste Zeit bei mir wohnen wird?“, meinte Gabriele dann, obwohl sie genau wusste, dass ihre Mutter mit Sicherheit etwas dagegen haben würde. Angela sah Gabi nur wütend an, doch sie sagte nichts  und verzog sich ohne ein weiteres Wort in ihr Wohnzimmer. „Geh doch schon mal nach oben in meinen Bereich, ich komme sofort nach.“, meinte Gabriele und gab Ralf einen kleinen Kuss. Während Ralf die Treppe langsam nach oben stieg und sich ein wenig in Gabrieles Bereich umsah, ging Gabi zu ihrer Mutter ins Wohnzimmer. „Was sollte das eben?“, fragte sie vorwurfsvoll. „Was denn?“, fragte Angela ganz unschuldig. „Mutter, du weißt genau, was ich meine. Warum verhältst du dich Ralf gegenüber so unhöflich?“ „Ach, jetzt bin ich wieder der Sündenbock.“, gab Angela wütend zurück, „Du bringst einen wildfremden Mann mit nachhause und stellst mich dann vor die vollendete Tatsache, dass er die nächste Zeit in meinem Haus wohnen soll.“ „Ralf ist nicht irgendein wildfremder Mann, ich liebe ihn, damit du es weißt.“, warf Gabi ihrer Mutter daraufhin an den Kopf. Diese schnaubte vor Wut. Im Prinzip hatte sie es schon geahnt, doch sie wusste aus Gabis Erzählungen, dass Ralf „nur“ Sanitäter war. In ihren Augen absolut nicht der richtige Mann für ihre Tochter. Sie hatte ihrer Meinung nach etwas Besseres verdient. „Ich verlange, dass er auf der Stelle mein Haus verlässt – sofort.“, schrie sie wütend. „Darauf kannst du dich verlassen und ich werde gleich mit ihm gehen.“, schrie Gabi zurück, drehte sich dann um, und verließ den Raum. Angela blieb erstarrt zurück. Das hatte sie nicht gewollt, sie wollte doch immer nur das Beste für ihre Tochter und das war Ralf ihrer Ansicht nach ganz und gar nicht. Insgeheim hoffte sie, dass es eine leere Drohung von Gabi gewesen war, auszuziehen, doch sie wurde wenig später eines Besseren belehrt.

Ralf, der oben jedes einzelne Wort mitgehört hatte, da Gabi und Angela so laut geschrieen hatten, half seiner Freundin schnell das Nötigste zusammenzupacken, dann verließen die beiden fluchtartig das Haus. Angela sah ihnen vom Fenster aus zu. Sie hatte Tränen in den Augen. Das hatte sie doch wirklich nicht gewollt, hatte sie Gabriele jetzt wohlmöglich für immer an diesen Ralf verloren? Sie wollte doch immer nur das Beste für ihre Tochter.

Als sie vor dem Haus auf der Straße standen, meinte Ralf zu Gabi. „Tut mir leid, ich wollte nicht, dass du wegen mir Ärger mit deiner Mutter bekommst.“ „Ach, das war doch nicht deine Schuld. Das mit mir und meiner Mutter, das ging einfach nicht mehr, schon lange nicht mehr“ „Und wo wollen wir jetzt hin?“ „Na, du hast doch auch noch eine Wohnung.“, meinte Gabi lächelnd.

Nach dem Essen hatten Thomas und Biggi sich gleich ins Schlafzimmer verzogen. Biggi hatte der Ausflug doch ein wenig angestrengt und sie war bereits ziemlich müde. Michael war so nett gewesen und hatte den Abwasch übernommen, nachdem er seinen Sohn ins Bett geschickt hatte. „Morgen machen wir uns noch mal einen richtig schönen Tag, ja?“, fragte Biggi, als sie wenig später neben Thomas im Bett lag. „Ja, das werden wir, den letzten Tag müssen wir schließlich noch nutzen.“ Sie blickten beide mit ein wenig Wehmut auf übermorgen zu, wenn Thomas wieder zum Dienst müssen würde. „Ich wüsste auch schon, wie wir ihn nutzen können.“, meinte Biggi dann grinsend und begann Thomas zu küssen, „Immerhin bekommst du ja noch etwas…“ Thomas lächelte. Er dachte ebenfalls wieder an Biggis Worte beim Picknick. Er legte sich langsam auf sie und sie küssten sich immer leidenschaftlicher bis sie schließlich miteinander schliefen. Es war unheimlich schön für beide und danach lagen sie sich glücklich in den Armen. „Ich liebe dich.“, sagte Biggi leise und drückte Thomas einen Kuss auf den Mund. Als Antwort bekam sie einen langen Kuss zurück. Dann legte Thomas seine Arme ganz fest um sie, Biggi kuschelte sich an ihn und sie schliefen beide glücklich ein.

Es war schon ziemlich spät, als Ralf und Gabi endlich seine Wohnung erreicht hatten. Gabriele hatte zum Glück noch einen Schlüssel und schloss auf. Dann holten sie allerdings erst einmal Gonzo von der Nachbarin, die sich freundlicherweise in den vergangenen Tagen um den Hund gekümmert hatte, ab. Gonzo sprang schwanzwedelnd an Ralf hoch. Man sah dem Golden Retriever richtig an, wie sehr er sich freute sein Herrchen endlich wieder zu sehen. Ralf schloss seinen Hund in die Arme und plötzlich…plötzlich war alles wieder da. Alles – seine ganze Vergangenheit. Er konnte sich wieder erinnern. An Gonzo, an Gabi, wie sie zusammengekommen waren, wie er hierher gezogen war, an den verhängnisvollen Einsatz. An alles. „Gabi…ich kann mich wieder erinnern.“, brachte er nur noch hervor. Er konnte sein Glück kaum fassen. Gabi begriff zunächst nicht, was er meinte. Doch Ralf nahm sie freudestrahlend in den Arm und gab ihr einen langen Kuss. „Es ist alles wieder da. Ich weiß jetzt wieder, wie wir uns kennen gelernt haben und erinnere mich an alles vor dem Unfall.“ Jetzt begriff auch Gabriele, was geschehen war. Überglücklich fiel sie Ralf um den HHHals. Wie lange hatte sie auf diesen Augenblick gewartet?

Sie gingen mit Gonzo zusammen zurück in Ralfs Wohnung und machten es sich dort so richtig gemütlich. Ralf holte eine Flasche Wein und zwei Gläser aus der Küche, während Gabi im Wohnzimmer wartete. Dann setzten sie sich zusammen aufs Sofa, tranken den Wein und unterhielten sich. Sie schmiedeten noch die halbe Nacht Zukunftspläne und waren überglücklich. Gabi wollte so schnell wie möglich zu Ralf ziehen, damit sie endlich Ruhe vor ihrer Mutter hatte und damit sie und Ralf jede freie Minute zusammen verbringen konnten. Endlich war alles wieder so wie früher, wie vor dem Unfall. Gabriele hatte Christine vollkommen vergessen, ebenso wie Ralf. Sie waren sich beide absolut sicher, dass sie jetzt wieder sehr glücklich werden würden.

Als es schließlich schon zwei Uhr nachts war, nahm Ralf Gabriele auf den Arm, trug sie ins Schlafzimmer und ließ sich mit ihr zusammen aufs Bett sinken. Sie begannen sich zu küssen und zogen sich dann gegenseitig langsam aus. „Ich bin so glücklich.“, meinte Ralf leise und strich Gabi durchs Haar. „Ich auch.“, gab sie ebenfalls flüsternd zurück und küsste ihn dann wieder. Schließlich schliefen auch die beiden miteinander. Sie genossenes beide total und waren so glücklich, dass jetzt alles wieder gut zu werden schien.

Am nächsten Morgen schreckte Michael gegen acht Uhr hoch, weil das Telefon klingelte. Schlaftrunken griff er zum Hörer. „Lüdwitz?“ „Michael, hier ist Peter, wo bleibst du denn? Wir haben seit zehn Minuten Dienst.“ „Oh verdammt.“, bemerkte Michael. Sein Blick auf die Uhr bestätigte das, was Peter ihm soeben mitgeteilt hatte. „Ich bin in 20 Minuten da.“ Er sprang aus dem Bett und weckte zunächst Dirk, der ebenfalls verschlafen hatte. Thomas und Biggi schienen noch zu schlafen, doch sie mussten heute ja auch keinen Verpflichtungen nachgehen.

Michael zog sich an, machte er seinem Sohn schnell Frühstück und fuhr auf dem Weg zur Basis noch an der Schule vorbei, damit Dirk sich nicht noch mehr verspätete.

Auf der Basis wurde er schon ungeduldig von Peter und Oliver erwartete. „Also seit Ebelsieder weg ist, scheint das mit den Verspätungen hier echt zur Regel zu werden.“, meine Peter belustigt. Er freute sich richtig, dass nun auch einmal Michael, als Stützpunktleiter, zu spät kam und nicht immer nur die anderen.

Michael erwiderte nichts, sondern begab sich schnell in die Umkleide, während sich Peter mit Oliver unterhielt, der heute seinen letzten Tag auf der Basis hatte. „Na ja, du hast es ja auch einfach mit dem Pünktlichsein.“, meinte Oliver grinsend zu Peter, da dieser immer noch auf der Basis wohnte. Er wusste selbst, dass das kein Dauerzustand war und er sich etwas einfallen lassen musste, doch ihm fehlte im Moment einfach die Zeit sich nach einer neuen Wohnung umzusehen und zudem hatte er nicht viel Geld zur Verfügung.

Biggi wachte schon vor Thomas auf. Sie sah auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand, und stellte fest, dass es bereits fast halb zehn war. Vorsichtig weckte sie Thomas, indem sie ihn sanft an der Schulter rüttelte. Er rieb sich verschlafen die Augen. „Morgen, mein Engel.“, sagte er dann und lächelte Biggi an. Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss und kuschelte sich noch enger an ihn. „Was hältst du von einem gemütlichen Frühstück im Bett?“, fragte Thomas sie nach einiger Zeit. Biggi stimmte begeistert zu. „Ok.“, meinte Thomas, „Dann warte kurz, ich bin gleich zurück.“ Er gab ihr noch einen Kuss und stand dann auf und verschwand nach unten in die Küche um ein Frühstück herzurichten. Er brauchte jedoch ziemlich lange, da er für Biggi alles besonders schön machen wollte. Er ging sogar kurz nach draußen auf die Terrasse und pflückte ihr einen kleinen Blumenstrauß.

Als Thomas nach 20 Minuten noch immer nicht zurückkam, wurde es Biggi langsam langweilig. Sie wollte schauen gehen, wo er so lange blieb. Also zog sie sich Thomas’ Morgenmantel, der auf einem Stuhl neben dem Bett lag, über und schlich sich runter in die Küche. „Hab ich dich erschreckt?“, fragte sie grinsend, als sie Thomas plötzlich von hinten umarmte und er aufschrak. „Na warte.“, meinte er lächelnd, drehte sich in Biggis Armen um und küsste sie dann zärtlich. „Ich wollte nur mal schauen, was du machst.“, sagte Biggi dann. „Konntest du dich mal wieder nicht gedulden?“, fragte Thomas sie grinsend. „Hm…das auch, aber der eigentliche Grund ist, dass ich solche Sehnsucht nach dir hatte, Schatz.“, erwiderte Biggi und küsste ihn wieder.

Da Thomas das Frühstück sowieso gerade fertig hatte, nahm er dann das Tablett und sie gingen wieder nach oben, zurück ins Bett. Dort frühstückten sie erst einmal gemütlich und kuschelten noch etwas miteinander. Thomas fütterte Biggi mit einem Brötchen, auf das er mit Marmelade ein Herz gemalt hatte. Biggi griff daraufhin ebenfalls nach dem Marmeladenglas und mahlte auf Thomas’ Brötchen auch ein rotes Herz aus Kirschmarmelade.

Auch nachdem sie fertig gefrühstückt hatten, standen sie noch nicht auf. Dazu genossen sie diesen Augenblick viel zu sehr. „Thomas, meinst du, es geht Gabi schon besser? Sie war ziemlich fertig gestern.“, meinte Biggi dann irgendwann. Thomas sah sie an und strich ihr sanft durchs Haar. „Bestimmt, Ralf ist doch bei ihr. Aber ruf sie doch einfach an, dann hast du Gewissheit.“, schlug er vor, da er nicht wollte, dass Biggi sich weiter Sorgen um ihre Freundin machte. Thomas stand kurz auf und brachte ihr das Telefon. Dann legte er sich wieder zu ihr ins Bett, während Biggi Gabis Nummer wählte. „Angela Kollmann, guten Tag.“, meldete Gabis Mutter sich am anderen Ende der Leitung. „Hallo, hier ist Biggi Schwerin, kann ich bitte mit Gabriele sprechen?“, fragte Biggi. „Nein, sie ist nicht da.“ Biggi wunderte sich, wo Gabi denn sein könnte. „Wo ist sie denn und wann kommt sie wieder?“ „Das weiß ich nicht, sie ist gestern Abend einfach gegangen, ohne etwas zu sagen.“, erzählte Angela. Sie war unheimlich wütend über Gabis Verhalten und brachte das auch vor Biggi zum Ausdruck. „Oh, ach so, dann werde ich es mal bei Herrn Staller versuchen.“, meinte Biggi. „Tun Sie das.“, erwiderte Angela nur und legte dann auf. Sie war immer noch total gekränkt und das würde sie wohl auch noch eine Zeit lang sein. Niemals hätte sie geglaubt, dass Gabi ihre schon häufiger ausgesprochene Drohung auszuziehen wahr machen würde. „Und?“, fragte Thomas, als Biggi aufgelegt hatte. „Sie war nicht zuhause, ich glaube sie hatte gestern Krach mit ihrer Mutter. Wahrscheinlich ist sie bei Ralf, ich werde es dort mal versuchen.“ Thomas nickte und so wählte Biggi die Nummer von Ralfs Wohnung.

Gabi und Ralf schliefen noch, da sie erst mitten in der Nacht irgendwann eingeschlafen waren. Plötzlich wurden sie durch das Klingeln des Telefons hoch geschreckt. Gabi ging ran, da das Telefon dichter bei ihr stand. „Bei Staller.“, meldete sie sich, während Ralf sich ebenfalls aufsetzte und sie von hinten umarmte. „Hallo Gabi, hier ist Biggi.“ „Biggi, wie geht’s dir?“, erkundigte Gabi sich. Sie freute sich über den Anruf ihrer Freundin. „Das wollte ich dich gerade fragen. Deine Mutter hat erzählt, dass du gestern Abend ausgezogen bist?“ Gabi bestätigte das. „Ausgezogen noch nicht, aber ich werde heute Abend nach der Schicht zusammen mit Ralf meine Sachen holen und dann erst einmal zu ihm ziehen. Diesmal hat sie es wirklich zu weit getrieben.“, Gabi war immer noch total verärgert über Angelas Verhalten. „Aber nun mal was anderes. Stell dir vor, Biggi, Ralf hat sein Gedächtnis wieder gefunden, er kann sich wieder an alles erinnern.“, erzählte sie dann überglücklich. Auch Biggi freute sich total. „Hey, das ist ja super, ich freu mich so für euch.“ „Ja, ich hoffe, jetzt wird alles so wie früher.“, sagte Gabi hoffnungsvoll, „Ralf will nachher gleich zu meiner Schicht mitkommen zur Basis, er kann es kaum erwarten alle wieder zu sehen.“ „Vielleicht bekomme ich Thomas ja auch überredet nachher mal kurz auf der Basis vorbei zu schauen.“, meinte Biggi und warf Thomas einen fragenden Blick zu. Er nickte zustimmend und begann dann ihren Nacken zu küssen. „Dann sehen wir uns ja nachher.“, verabschiedete Gabi sich. „Ja, ciao.“ Biggi legte den Hörer auf und kroch dann mit Thomas zusammen wieder ganz unter die Decke.

"Oh Thomas, ich bin so froh...", meinte Biggi glücklich. Sie freute sich unheimlich für ihre beste Freundin - man hatte ihr das Glück total aus der Stimme hören können. "Erzähl mal, was hat sie gesagt?", fragte Thomas, während er sie im Dunkeln unter der Bettdecke überall am Hals küsste und zärtlich um ihren Kopf streichelte. Sie genoss es sehr und antwortete erst nach einigen Augenblicken. "Du hast ja eh viel mitgehört. Sie meinte, sie sei zwar noch nicht endgültig von ihrer Mutter ausgezogen, wird es aber bald tun und dann bleibt sie bei Ralf. Er kann sich ja wieder an alles erinnern, seit gestern. Ist das nicht klasse?" "Ja, absolut, wurde ja auch mal Zeit." "Es war bestimmt vorher total schwer für Gabi. Aber jetzt geht's ihr ja wieder gut, Ralf und sie sind wieder zusammen, alles paletti.", freute sie sich und küsste Thomas zärtlich. Er umarmte sie und zog sie dabei ganz fest an sich.
Während die beiden Paare überglücklich ihre Liebe und das Leben genossen und nur mehr auf weichen, dicken, rosa Wolken im siebten Himmel schwebten, hatte ein anderer keinen einzigen rosigen Gedanken im Kopf. Rene. Er saß auf dem Sofa in seiner kühl eingerichteten Mietwohnung und dachte nach. Dabei zog sich ein hinterhältiges Grinsen der übelsten Art über sein Gesicht. In der Hand hielt er ein Foto - auf welchem keine Geringere als Gabriele zu erkennen war. Er hatte es aus einer von Ebelsieders Aktenmappen entwendet. Er hatte einen miesen Plan. Einen mehr als miesen Plan, an dem er in diesem Moment auf Hochtouren herumfeilte. Immer wieder hatte er dieses Bild im Kopf - Gabi, die ihn dankbar ansah, als er meinte, es müsse ja niemand wissen. Diese Sache mit dem Medikamentenvertausch. Keiner müsse es erfahren ... keiner ... er erinnerte sich, wie er - in der Tat - aus Versehen das komplett falsche Medikament an Gabi überreicht hatte, wie sie es dieser Christine injiziert hatte, und wie diese kurz darauf unter ihnen verstorben war. Gabrieles Schuld. Aber klar - es musste ja niemand wissen. Rene war stolz auf sich selbst. Selbst ohne Absicht passierten ihm die genialsten Dinge. Er hatte Gabi in der Hand. Er, Rene, der schon vom ersten Augenblick an in diese Frau verliebt war. Und schon vom ersten Augenblick an denselben Gedanken hatte ... Und nun hatte er sie in der Hand. Er malte sich die schönsten Dinge aus, die er nun alle von Gabi erzwingen konnte - und niemand würde es je erfahren...
Gabi und Ralf ahnten von alledem nichts. Sie dachten beide nur mehr aneinander und holten all das nach, was sie in den letzten Wochen hatten missen müssen. Und das war verdammt viel. Sie lagen sich nur in den Armen, hielten sich fest, verspürten die Nähe zueinander so intensiv wie nie und gestanden sich ununterbrochen ihre Liebe, so wie sie es schon so lange nicht mehr getan hatten. Noch einige Stunden verweilten sie im Bett, bis Gabi sich leider
nicht mehr gegen die Zeit wehren konnte. Die Schicht rief. Doch diesmal gab es ja keinen Grund, traurig zu sein, da Ralf schließlich mitkommen würde. Er freute sich schon sehr darauf, endlich wieder all seine Freunde zu sehen. Es war ein seltsames Gefühl, plötzlich wieder so viel im Kopf zu haben, was vorher einfach nicht mehr da gewesen war. Doch er erinnerte sich, dass es sehr lange her gewesen sein musste, als er seine Kollegen das letzte Mal gesehen hatte. Er erinnerte sich jetzt sogar wieder an den Augenblick, als die Bankräuber damals aus der Bank gerannt waren und geschossen hatten. Dann war es erstmal wieder dunkel in seinem Gedächtnis, bis die elendslange Zeit im Krankenhaus begann. Sie zogen sich eilig an, um nicht zu spät zu kommen.
Zur selben Zeit lagen Thomas und Biggi immer noch im Bett. Sie konnten es einfach nicht lassen, sich aneinander zu kuscheln und die Nähe des anderen zu spüren. Thomas hatte den Arm um Biggi gelegt, welche sich glücklich an seine Brust geschmiegt hatte und wieder ein wenig eingeschlafen war. Er wollte sie auf keinen Fall wecken, obgleich er auf seiner Uhr sah, dass sie bereits recht spät waren. Aber sie konnten schließlich auch während der Schicht auf der Basis eintreffen, Ralf würde bestimmt die ganze Zeit über bleiben. Er sah Biggi glücklich lächelnd an. Sie lag so friedlich gekuschelt an ihm, und Thomas sah unverkennbar ein kleines Lächeln in ihrem Gesicht. Er war so unendlich glücklich darüber, dass es Biggi bereits wieder so viel besser ging. Wenn er daran dachte, wie ihr Zustand noch vor einigen Tagen gewesen war ... diese traurigen Augen - sie hatten ihn fast jedes Mal zum Weinen gebracht. Und nun, nun wurde sein Herz von glücklicher Wärme erfüllt wenn er in Biggis Augen sah und immer öfter dieses Strahlen darin entdeckte. Er zog sie ganz sanft noch ein weniger fester an sich und drückte ihr einen ganz leichten, aber unendlich zärtlichen Kuss auf die Stirn.

Inzwischen hatten Gabi und Ralf sich bereits auf den Weg gemacht. Ralf hatte darauf bestanden, selbst das Auto zu fahren und Gabi hatte nach einigen Überredungsversuchen nachgegeben. Ralf war total aufgeregt. Er freute sich riesig darauf, endlich alle wieder zu treffen.

Auf der Basis wurde inzwischen eifrig sein Kommen vorbereitet. Michael und Peter hatten trotz der Schicht, die sie ja leider nicht verhindern konnten, den Partyservice gerufen, um Ralf angemessen zu empfangen. Max half ihnen bei den Vorbereitungen und auch Oliver unterließ seine Unterstützung nicht. Es war schließlich sein letzter Arbeitstag und er wollte bei seinem Abschied keinen schlechten Eindruck hinterlassen.

Biggi und Thomas lagen währenddessen immer noch im Bett. Thomas blickte seine Biggi die ganze Zeit an, er konnte den Blick nicht von ihr lassen. Er liebte sie so sehr. Plötzlich aber sah er, dass auf seinem Handy, das am Nachtkästchen lag, ein Anruf einging, was aber aufgrund der niedrigen Lautstärke nicht zu hören war. Thomas hob leise und vorsichtig ab: "Ja?" "Hey, Thomas, wo bleibt ihr denn?" Es war Michael. "Ihr wisst doch bestimmt, dass Ralf heute mit Gabi auf die Basis kommt. Wir haben nen kleinen Empfang vorbereitet." "Ach so ... das wussten wir ja nicht mit dem Empfang. Wir kommen sofort." "Ist gut, bis nachher."

Thomas legte auf. Biggi war immer noch nicht aufgewacht. Er streichelte ihr zärtlich übers Haar und sagte ganz leise: "Hey, Biggi ... Biggi, Süße, du musst jetzt aufwachen ..." Sie rührte sich daraufhin ein wenig, kuschelte sich nachher aber nur noch enger an seine Brust. Er musste lächeln. Wie gern hätte er sie weiterschlafen lassen. Aber wenn Michael und Peter sich nun schon solche Mühe machten ... Er unternahm noch einen Versuch, einen der mehr Wirkung versprach. Er lehnte seinen Kopf ganz nah an ihren und küsste sie dann. Ganz zärtlich berührten seine Lippen die ihren, bis sein Kuss plötzlich erwidert wurde ... Biggi schlug die Augen auf. Als Thomas wieder von ihr abließ, meinte er: "Entschuldige, dass ich dich wecken musste ..." "Ach, so schön bin ich in meinem ganzen Leben noch nie geweckt worden.", meinte Biggi lächelnd, aber immer noch ein wenig verschlafen. Thomas lächelte zurück und sagte dann leise: "Ich liebe dich." "Ich dich auch, mein Schatz.", entgegnete Biggi und küsste ihn darauf. Anschließend meinte Thomas: "Michael hat angerufen. Sie bereiten ein kleines Empfangskomitee für Ralf vor und da sollten wir wohl dabei sein." "Oh, gute Idee. Dann machen wir uns jetzt aber besser auf die Socken.", meinte Biggi. Thomas stimmte ihr zu und schweren Herzens kämpften sie sich schließlich aus dem Bett. "Dabei wär mir noch soo viel eingefallen, was wir im Bett hätten tun können...", meinte Thomas wehmütig. "Jaja, ich kann mir schon denken, woran du immer denkst.", meinte Biggi grinsend. "Ach ja, woran denke ich denn?" "Na an dasselbe wie ich.", entgegnete Biggi, worauf sie beide lachen mussten. "Aber Gott sei Dank rennt uns das ja nicht weg...", fügte Biggi hinzu. "Ja, Gott sei Dank, denn wenn es so wäre, würde ich keinen einzigen Fuß mehr aus dem Haus setzen." Sie alberten noch eine Weile rum, während sie sich umzogen.

Zur selben Zeit fuhren Ralf und Gabi gerade auf den Parkplatz der Basis. Michael sah die beiden aus dem Fenster auf den Eingang zukommen. „Achtung, sie kommen.“, rief er Peter, Max und Oliver zu, die noch die letzten Vorbereitungen trafen. Einen Augenblick später ging auch schon die Tür auf und Ralf und Gabi betraten Arm in Arm den Aufenthaltsraum. Peter ging sofort auf Ralf zu und umarmte ihn. „Hey, Ralf, schön dass du wieder an Bord bist.“, freute er sich. Ralf nickte. „Was glaubt ihr, wie froh ich bin, dass dieser ganze Alptraum endlich vorbei ist und ich mich wieder erinnern kann. Bis ich wieder arbeiten können werde, werden allerdings noch ein paar Tage vergehen.“ Gabi war unendlich froh darüber, sie wusste, dass Ralf wahrscheinlich schon in zwei oder drei Tagen anfangen wollte wieder zu arbeiten. Zwar hielt sie es noch für ein bisschen früh, doch sie wusste, dass er sich sowieso nicht davon abbringen lassen würde. Außerdem war sie ja auch froh, dass sie bald wieder mit ihm zusammen die Schicht fliegen durfte. Wenn Ralf wieder arbeiten würde, dann wäre es für sie auch sicherlich leichter mit Rene zurechtzukommen oder besser gesagt, ihn so gut es ging zu ignorieren. „Na ja das ist ja zum Glück nicht mehr so lange.“, freute sich auch Michael. Sie waren alle froh, Ralf wieder zu sehen und noch erfreuter darüber, dass es ihm schon wieder so gut ging. Nachdem Oliver und Ralf sich einander vorgestellt hatten, setzten sie sich alle an den runden Tisch. „Ihr habt euch ja echt Mühe gemacht mit dem Empfang.“, freute Ralf sich. Über der Tür zum Aufenthaltsraum prangte ein Schild, auf dem mit großen Buchstaben „Welcome back, Ralf“ stand, und auch das kleine Buffet war in der Küche schon hergerichtet. „Jetzt fehlen nur noch Biggi und Thomas.“, meinte Michael, „Aber die beiden werden bestimmt gleich kommen.“

Tatsächlich sahen die anderen kaum fünf Minuten später, wie Thomas’ Auto auf den Parkplatz fuhr und Thomas und Biggi ausstiegen. „Hey, Ralf.“, begrüßte Biggi ihren Kollegen und umarmte ihn. Auch Thomas freute sich sehr, Ralf wieder zu sehen. Sie hatten ja auch seinen ganzen Leidensweg mitbekommen und waren unheimlich froh, dass es ihm wieder gut ging. „Wie geht es euch denn allen so?“, fragte Ralf dann nach einer Weile, „Wir haben bis jetzt immer nur über mich geredet.“ „Na ja also wenn ich daran denke, dass ich morgen wieder arbeiten muss…“, antwortete Thomas grinsend. „Nein, ich denke wir können uns nicht beklagen, oder?“, meinte er dann jedoch und lächelte Biggi an. Diese nickte und lächelte glücklich zurück. So unterhielten sie sich noch eine ganze Weile, bis plötzlich Rene in der Tür stand. „Was ist denn hier los?“, fragte er überrascht. Er klang ziemlich verärgert. Die anderen hatten ganz vergessen, dass die B Crew ja jetzt die Schicht hatte und Rene natürlich hier auftauchen würde. „Wir feiern Ralfs Rückkehr.“, meinte Gabi dann und gab Ralf vor Renes Augen einen extra langen Kuss. Dieser kochte vor Wut. Nun war dieser Ralf also wieder da und Gabi war wieder mit ihm zusammen. Dabei liebte er sie doch, er, Rene und kein anderer. Aber er würde sie bekommen und er hatte auch schon einen Plan, um sein Ziel zu erreichen. Von alldem ahnten die anderen natürlich nichts. Sie hatten Rene widerwillig angeboten sich zu ihnen zu setzen, doch er hatte abgelehnt und sich in den Hangar verzogen, was die anderen keineswegs störte. Sie waren froh, dass sie Rene los waren. „Biggi, wann erlöst du uns endlich von Rene?“, fragte Peter dann scherzhaft. „Ein bisschen werdet ihr euch da wohl schon noch gedulden müssen.“, antwortete Thomas. Er wollte Biggi auf keinen Fall zu viel zumuten. „Aber nur ein bisschen.“, erwiderte Biggi und gab Thomas dann einen Kuss. Sie wusste, dass er sch Sorgen um sie machte und das wollte sie nicht. Sie fühlte sich eigentlich schon ziemlich gut, aber die Zeit, in der sie noch krank geschrieben war, würde sie auf jeden Fall noch zuhause bleiben.

Zum Glück bekam das B Team keinen einzigen Einsatz und die Feier wurde nicht gestört. Nur Rene saß auch gegen Abend noch im Hangar, versuchte immer noch verzweifelt  Thomas’ Rekord am Flipper zu knacken und war schlechter gelaunt denn je. Doch dann dachte er wieder an seinen Plan und ein fieses Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Gabi, Ralf, Biggi, Thomas, Peter, Michael, Oliver und Max saßen noch den ganzen Abend gemütlich im Aufenthaltsraum beisammen und unterhielten sich. Nun war das Team endlich wieder vollständig und in einigen Tagen würden sie auch alle wieder arbeiten. Ralf und Gabi erzählten den anderen, dass sie zusammenziehen wollten und Peter berichtete von seinem Problem mit der Wohnung. „Das hätte ich vielleicht eine Idee…“, meinte Thomas plötzlich. Alle sahen ihn fragend an. „Na ja, es ist nicht sehr groß, aber es hat alles, was man braucht und für dich würde es, denke ich, reichen, zumindest vorübergehend. Und es wäre umsonst…“ „Nun sag schon, mach’s nicht so spannend.“, forderte Peter ihn auf.  „Ok, dann komm mit.“, Peter schaute Thomas nun noch fragender an, dann stand er jedoch auf und folgte ihm nach draußen. Auch die anderen wollten wissen, was Thomas vorhatte und waren ihm und Peter nach draußen gefolgt. Thomas führte sie einmal um den Hangar herum und blieb dann vor dem „Wrack“ stehen. Hier ist es. Er öffnete die Tür und klappte die kleine Treppe herunter. Peter schaute noch etwas zweifelnd, doch dann betrat er den alten Helicopter. Die anderen standen grinsend daneben. „Und, was sagst du?“, fragte Thomas ihn, als er wieder herauskam. „Nun ja, für den Anfang nicht schlecht.“, meinte Peter nur. „Nicht schlecht? Das ist ein Prachtexemplar. Stammt aus dem zweiten Weltkrieg…“ „Thomas!!“, die anderen konnten ihn gerade noch davon abhalten, ihnen die ganze Geschichte des Wracks zu erzählen, wie er es schön öfter getan hatte. „Auf jeden Fall ist das Bett schön gemütlich und du hast dort drinnen alle, was du brauchst.“, meinte Biggi schnell. Sie dachte wieder an den Tag zurück, als sie und Thomas sich hier versteckt hatten. „Woher weißt du denn, dass das Bett gemütlich ist?“, fragte Peter sie dann grinsend. Sie warf Thomas einen unschuldigen Blick zu und meinte dann grinsend: „Na ja, ich hab es mir halt gedacht, es sieht so aus.“ „Soso…“, meinte Michael nur grinsend. „Also willst du es?“, fragte Thomas Peter dann. Er nickte. „Klar, so günstig bekomme ich nie wieder eine Wohnung.“ Die anderen grinsten. Das war wirklich eine klasse Idee gewesen, Peter das Wrack als Wohnung anzubieten, zumal Michael jetzt der Stützpunktleiter war und nichts dagegen hatte, dass Peter auf dem Gelände wohnte. Zwar war dies eigentlich untersagt, doch es würde eben niemand etwas davon mitbekommen.

Peter wollte gleich beginnen seine Sachen aus dem Aufenthaltsraum rüber in den Helicopter zu räumen. „Ich glaube, wir werden dann auch langsam mal gehen, wir haben heute noch etwas vor.“, meinte Gabi dann. „So, was denn?“, fragte Michael verschwörerisch. „Ich muss meine Sachen noch von meiner Mutter holen.“, antwortete Gabi trocken. „Oh, ähm, ach so.“ So verabschiedeten sich Gabi und Ralf und auch Thomas und Biggi verabschiedeten sich. „Thomas muss ja wenigstens noch ein bisschen Schlaf bekommen, wenn er morgen wieder arbeiten muss.“, meinte Biggi lächelnd. Die andern nickten, denn das A Team hatte am nächsten Tag die erste Schicht. Daher fuhr auch Michael bald nachhause. Schließlich blieb Peter allein zurück und räumte seine neue Wohnung ein. Rene hatte die Basis schon lange verlassen, er war gleich nach seiner Schicht nachhause gefahren und durchdachte alles noch einmal für morgen, wenn er seinen Plan in die Tat umsetzen wollte.

Ralf und Gabi fuhren gleich von der Basis aus zum Haus von Gabis Mutter, da dies auf dem Weg lag. Sie stiegen aus und Gabi klingelte. Angela hatte Gabriele vom Fenster aus kommen sehen, Ralf allerdings nicht. Sie hoffte, dass Gabi sich entschuldigen wollte und dass sie eingesehen hatte, dass Angela Recht hatte. Doch eigentlich hätte sie vorher wissen müssen, dass dem nicht so war, sie kannte Gabi schließlich gut genug. Als sie die Tür öffnete erblickte sie auch Ralf und ihre Wunschvorstellung wurde so gleich zunichte gemacht. „Ich komme um meine Sachen zu holen.“, meinte Gabi knapp und schob sich mit Ralf zusammen ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren an Angela vorbei. „Aber…“, rief Angela ihrer Tochter noch hinterher, doch es war zu spät, Gabi war bereits mit Ralf nach oben verschwunden und packte. Angela wollte noch einmal mit ihr reden und ging deshalb ebenfalls nach oben. Sie rüttelte an der abgeschlossenen Tür. „Püppi, mach doch auf. Wir können doch über alles reden. Du machst gerade einen großen Fehler.“ „Nein, es gibt nichts mehr zu reden, Mutter. Ich werde ausziehen, versteh das doch endlich.“, rief sie. Angela rüttelte noch weiter an der Tür, doch Ralf und Gabi versuchten sie zu ignorieren. Nach etwa einer Stunde hatten sie alle Sachen notdürftig gepackt. Sie wollten hauptsächlich erst einmal hier weg.

Wenig später war es geschafft, sie hatten Gabis Sachen ins Auto geladen und fuhren davon. Angela sah ihrer Tochter mit Tränen in den Augen nach. Hatte sie sie wirklich so sehr bedrängt und eingeengt? Sie wollte doch immer nur das Beste für sie…Nun hatte sie sie verloren. Vielleicht für immer. Gabi war doch das einzige, was sie noch hatte. Verzweifelt ließ sie sich aufs Sofa sinken. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte.

Thomas und Biggi waren bereits zuhause angekommen, ebenso wie Michael, der die Basis kurz nach ihnen verlassen hatte. Es war schon ziemlich spät und sie waren alle ziemlich erschöpft, daher gingen sie auch wenig später schon ins Bett. „Was machst du denn dann morgen eigentlich, wenn ich Dienst habe?“, fragte Thomas Biggi, als sie nebeneinander im Bett lagen. „Hm, am besten werde ich erstmal in meine Wohnung fahren und dort nach dem Rechten sehen, ich war schließlich nach meiner Entlassung noch nicht einmal dort.“ „Ok, dann setze ich dich dort ab, wenn ich zur Basis fahre und komme dann gleich nach meiner Schicht zu dir, ja?“ Biggi nickte glücklich. „Ich kann es kaum erwarten auch endlich wieder unseren Engel zu fliegen.“, meinte sie dann. „Bald darfst du ja wieder.“, sagte Thomas aufmunternd und gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Ja“, antwortete Biggi zufrieden. Dann kuschelte sie sich in seine Arme und sie schliefen beide glücklich ein.

Ralf und Gabi waren heilfroh, als sie endlich in Ralfs Wohnung angekommen waren. Jetzt hatten sie endlich ihre Ruhe und waren ungestört. Allerdings war es doch schon ziemlich spät und so zogen sie es vor, Gabis Sachen erst am nächsten Tag auszupacken und gleich ins Bett zu gehen. Sie hatten ja genug Zeit, denn das B Team hatte am folgenden Tag wieder die Spätschicht. „Es war richtig schön heute, alle wieder zu sehen.“, meinte Ralf, als sie bereits im Bett lagen. „Das kann ich mir vorstellen, du hast sie ja auch ne Zeit lang nicht gesehen und der Empfang war ja auch wirklich nett.“ „Ja finde ich auch. Es ist echt schön, solche Kollegen zu haben.“ Er gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Besonders dich als Kollegin zu haben.“, fügte er lächelnd hinzu und küsste sie wieder, was Gabi glücklich erwiderte. Sie war total erleichtert, endlich unabhängig von ihrer Mutter zu sein und jetzt mit Ralf zusammen zu wohnen.

Thomas’ Wecker klingelte am nächsten Morgen bereits um halb sieben. Verschlafen rieb er sich die Augen, machte den Wecker aus und drehte sich wieder zu Biggi, die er die ganze Zeit im Arm gehabt hatte. Auch sie sah noch total verschlafen aus. „Morgen, Schatz.“, flüsterte sie. Thomas gab ihr einen innigen Kuss und zog sie noch dichter zu sich. „Am liebsten würde ich jetzt einfach hier mit dir zusammen liegen bleiben.“ „Ich auch, aber das geht nicht, du kommst zu spät.“, erwiderte Biggi ein wenig traurig. Sie küssten sich noch einmal zärtlich, doch dann standen sie schließlich doch auf. Während Biggi zuerst ins Bad ging, ging Thomas schon einmal runter in die Küche, um Frühstück zu machen. Doch das hatte Michael bereits übernommen. Der Tisch war gedeckt und der Kaffee bereits fertig gekocht. „Na das ist ja ein Service.“, staunte Thomas. Normalerweise machte er meistens Frühstück und Michael kam nicht aus dem Bett. „Tja, da staunst du, was? Es ist alles schon fertig.“, meinte Michael grinsend. „Na dann kann ich ja noch kurz wieder nach oben gehen, dann hab ich ja noch zehn Minuten mehr Zeit.“, erwiderte Thomas nur und verzog sich wieder nach oben. Als er an der Badezimmertür vorbei kam, hörte er, dass Biggi gerade duschte. Grinsend öffnete er die Badezimmertür, schlich sich langsam rein und schloss dann hinter sich die Tür ab. Dann entledigte er sich seinen Schlafsachen und schlich sich zur Dusche. Biggi hatte noch nichts bemerkt. Blitzschnell zog Thomas den Vorhang ein wenig zur Seite, stieg hinter ihr in die Dusche und umarmte sie von hinten. Biggi erschrak sich so sehr, dass sie fast einen Schrei ausgestoßen hätte. „Na, warte…“, meinte sie dann lachend, drehte sich in seinen Armen um und spritzte ihm eine Ladung Wasser ins Gesicht. Das ließ Thomas natürlich nicht auf sich sitzen und begann sie zu kitzeln. „Hey, das ist unfair.“, meinte Biggi, während sie lachen musste. Schließlich fanden sie sich wild küssend unter der Dusche wieder, während sie das heiße Wasser auf sich herabplätschern ließen.

Michael hatte inzwischen Dirk geweckt und die beiden standen schon Schlange vor dem Bad. „Was machen die beiden denn so lange dort drinnen?“, fragte Dirk ungeduldig. Da weder Thomas noch Biggi auffindbar waren, war es klar, dass sie beide im Bad waren. Michael grinste nur. Er konnte es sich vorstellen, sagte aber nichts – nicht vor Dirk. Irgendwann wurde es jedoch auch Michael zu viel. Er und Dirk hatten die Wartezeit bereits genutzt, um zu frühstücken, doch auch als wieder nach oben kamen, war das Bad noch besetzt Sie hatten nur noch eine Viertelstunde, bis sie los mussten und Michael wollte eigentlich auch noch ins Bad. Schließlich klopfte er gegen die Tür. Keine Reaktion. Er drückte die Klinke runter, doch es war abgeschlossen – wie er es erwartet hatte. Also klopfte er noch einmal gegen die Tür, dieses Mal lauter. Biggi und Thomas zuckten zusammen und ließen erschrocken voneinander ab. Sie waren so vertieft in ihre Küsse gewesen, dass sie das erste Klopfen gar nicht bemerkt hatten. „Ja?“, rief Thomas schließlich, während er zärtlich seine Arme wieder um Biggi legte. „Ich will euch ja nicht stören, aber andere Leute wollen auch noch ins Bad.“, rief Michael. Thomas und Biggi sahen sich an und mussten grinsen. Sie hatten wirklich total die Zeit vergessen. „Wir sind gleich fertig, Michael.“, rief Biggi und wandte sich dann wieder Thomas zu. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich, bevor sie schließlich endgültig das Wasser abstellten. Langsam stiegen sie aus der Dusche. Thomas reichte Biggi ein Handtuch und wickelte sie darin ein. Dann nahm auch er selbst sich eins vom Handtuschständer und wickelte es sich um. Schließlich schlossen sie die Tür wieder auf und schoben sich mit einem unschuldigen Lächeln auf dem Gesicht an Michael und Dirk, denen inzwischen nicht mehr zum Lachen zumute war, vorbei. Dirk nutze schnell die Gelegenheit und huschte ins  Bad, bevor Michael dies tun konnte. So ging das Warten für ihn weiter. „Warum nistet ihr euch das nächste Mal nicht gleich in der Dusche ein?“, fragte er Thomas und Biggi, die noch im Flur standen, leicht verärgert. „Tja, Michael, das verstehst du eben nicht, es gibt halt Sachen, für die bist du nun mal einfach schon zu alt.“, erwiderte Thomas grinsend und zog Biggi dann schnell mit in sein Schlafzimmer, bevor der Hausschuh, den Michael nach ihm geworfen hatte, die Schlafzimmertür erreicht hatte. Dort ließen Biggi und Thomas sich lachend aufs Bett fallen. „Na ja, jetzt, wo Michael und Dirk eh noch ins Bad müssen, haben wir ja noch ein bisschen Zeit. Da kommen wir eh zu spät.“, meinte Thomas grinsend und drehte sich dann um, sodass er auf Biggi lag. „Du hast ja ne klasse Einstellung.“, meinte Biggi belustigt, doch Thomas erstickte jeden weiteren Protest schon im Ansatz mit einem zärtlichen Kuss, den Biggi erwiderte. Nach einigen Minuten zogen sie sich dann jedoch an und gingen in die Küche um zu frühstücken. „Oh, das Frühstück ist ja schon gemacht.“, wunderte Biggi sich. „Ja, Michael hat Frühstück gemacht, sonst hätte ich auch gar nicht so viel Zeit gehabt um dir unter der Dusche Gesellschaft zu leisten.“, meinte Thomas grinsend. Biggi lächelte. „Sag mal, meinst du wir sollten uns bei Michael entschuldigen wegen eben im Bad? Ich meine, er hat extra Frühstück gemacht….“, fragte sie dann. „Ich glaube er versteht das schon, aber ich werde trotzdem nachher mal mit ihm reden, ok?“ Biggi nickte zufrieden. Thomas war sich eigentlich ziemlich sicher, dass Michael das verstand und solche Sachen nicht so eng sah, doch manchmal hatte er tatsächlich das Gefühl, dass Michael vielleicht Angst hatte, dass sich durch Biggi ihre Männer WG auflösen könnte.

Als Biggi und Thomas fertig gefrühstückt hatten und gerade den Tisch abräumten, kam Michael dann endlich runter. Er hatte sich ziemlich beeilt, doch sie waren sowieso schon zu spät dran. „Kommt ihr nun endlich?“, fragte er ein wenig gereizt. „Ach, Michael, wir müssen sowieso mit zwei Autos fahren, weil ich Biggi noch schnell bei ihrer Wohnung absetzen muss und dann nach dem Dienst zu ihr fahre. Michael nickte nur und verschwand dann schon einmal nach draußen. „Wir sehen uns dann auf der Basis.“, meinte er noch, bevor er die Tür schloss und zu seinem Auto ging. Thomas und Biggi fuhren dann auch gleich los, da es eh schon zu spät war.

Als Thomas vor Biggis Wohnung hielt, stieg er noch mit aus und brachte sie zur Tür. „Ich freu mich schon auf heute Nachmittag nach der Schicht.“, sagte er und lächelte sie glücklich an. „Ich auch, ich kann’s kaum noch erwarten.“, erwiderte Biggi. Dann folgten ein langer Abschiedskuss, ein sehnsüchtiger Blick und schließlich noch ein Abschiedskuss, bis Thomas und Biggi sich endlich voneinander losreißen konnten.

Peter wartete derweilen schon ungeduldig auf seine Kollegen. Die Schicht hatte schon seit einer Viertelstunde begonnen und weder von Thomas noch von Michael war irgendwas zu sehen. Peter hatte schon dreimal im Haus Lüdwitz/Wächter angerufen, doch es nahm niemand ab. Wie auch? Michael und Thomas waren schließlich auch schon auf dem Weg. Wenig später kamen sie genau gleichzeitig an der Basis an. Michael fragte sich, wie Thomas das nun schon wieder gemacht hatte, schließlich waren sie zur gleichen Zeit losgefahren, doch er wollte ja noch Biggi wegbringen.

„Wird es jetzt zur Regel zu spät zu kommen, Herr Stützpunktleiter, oder was?“, fragte Peter grinsend, als die beiden den Aufenthaltsraum betraten. Michael warf ihm nur einen bösen Blick zu. „Frag Thomas…“ „Ach und der Herr Wächter ist auch gleich am ersten Tag nach seinem Urlaub zu spät…“ Peter schüttelte gespielt empört den Kopf. „Das ist ja auch kein Wunder, wenn er über eine halbe Stunde mit Biggi unter der Dusche steht.“, meinte Michael dann. Peter grinste Thomas an. „Soso…“ Thomas verdrehte die Augen. „Das ist natürlich maßlos übertrieben…“, versuchte er sich noch rauszureden, doch eigentlich wusste er, dass es in Wirklichkeit untertrieben war, denn er und Biggi hatten wirklich ziemlich lange unter der Dusche gestanden.

Gabi und Ralf standen währenddessen gerade auf. Sie hatten zwar noch lange Zeit, bis Gabis Schicht anfangen würde, doch sie wollten schon einmal anfangen ihre Sachen einzuräumen. Zunächst hatte Ralf allerdings Brötchen geholt und sie saßen gemütlich in der kleinen Küche und frühstückten. Sie genossen es total, so viel Zeit miteinander verbringen zu können und waren total guter Dinge.

Biggi hatte inzwischen in ihrer Wohnung ein wenig aufgeräumt und überall nach dem Rechten gesehen. Sie war schon eine ganze Zeit nicht mehr hier gewesen und musste auch mal wieder staubsaugen und Staub wischen. Der Briefkasten quoll über und die Blumen wären wohl längst vertrocknet gewesen, wenn sich nicht eine nette Nachbarin um sie gekümmert hätte. Es dauerte eine ganze Zeit, bis sie alles fertig hatte. Dann beschloss sie etwas Schönes zu kochen. Wenn Thomas nachher von der Schicht kam, würde er sicherlich Hunger haben.

Sein erster Arbeitstag nach dem Urlaub verlief nicht gerade ruhig und er wünschte sich nicht nur einmal in den Urlaub zurück. Aber vor allem vermisste er Biggi. Er hatte nun lange Zeit Tag und Nacht mit ihr verbracht und wurde heute komplett aus der Gewohnheit gerissen. Nach einem der vielen Einsätze am heutigen Tag, als sich Michael und Peter erschöpft aufs Sofa fallen ließen, begab sich Thomas in den Hangar und zog sein Handy aus der Tasche. Er wählte und kurz darauf klingelte bei Biggi das Telefon. Sie war bereits schwer beschäftigt mit Kochen und rührte in drei Töpfen gleichzeitig. "Mann, das gibt's doch nicht.", ärgerte sie sich, als sie das Klingeln vernahm, ausgerechnet jetzt. Sie rannte eilig ins Wohnzimmer und hob ab. "Schwerin, wer stört?" "Einer, der dich ganz doll vermisst.", meldete sich dann am anderen Ende der Leitung Thomas' Stimme.  Sie musste lächeln. "Wobei hab ich dich denn gestört, Schatz?" "Ach Quatsch, du störst nie. Aber ist trotzdem ne ungünstige Gelegenheit." "Soll ich später anrufen?" "Ne, bloß nicht, jetzt hab ich dich schon, da kannst du mir nicht wieder deine Stimme wegnehmen. Die hab ich ja so gern..." "Ich hab deine auch vermisst. Ich halte es gar nicht aus hier ohne dich.", sagte Thomas traurig. "Ich ja auch nicht ... den ganzen Tag will ich dich schon umarmen, aber du bist einfach nicht da. Dann hab ich aus Versehen sogar mal den Staubsauger umarmt." Thomas musste grinsen. "Dein Geschmack lässt zu wünschen übrig.", entgegnete er. "So verstaubt und glatzköpfig bin ich nun wirklich nicht.  "Nein ... bist aber nah dran.", meinte Biggi grinsend. "Na warte, wenn ich zu dir hochkomme, kannst du was erleben.", drohte Thomas. "Oh, ich freu mich ja schon soo...", entgegnete Biggi sehnsüchtig. "Und ich mich erst, mein Liebling...", gingen sie wieder ins Schwärmen über.  "Was machst du denn gerade?", fragte er dann. "Das wirst du schon noch früh genug sehen. Aber es wird dir bestimmt schmecken.", meinte Biggi grinsend. "Oh, hört sich ja lecker an. Hoffentlich ist es noch warm, wenn ich komme." Biggi ließ vor Schreck fast den Hörer fallen. Die Töpfe fielen ihr wieder ein. "Aaah!! Sch .... Thomas, ich muss sofort in die Küche, sonst gibt's heute gar nichts mehr zu essen." "Ach, zur Not haben wir ja noch dich.", entgegnete Thomas gelassen, sah dann aber ein, dass sie Schluss machen musste. "Ich liebe dich!!", rief Biggi noch in den Hörer, wartete Thomas' von Liebe erfülltes "Ich liebe dich auch." ab, legte auf und stürmte dann in die Küche. Thomas schüttelte währenddessen lächelnd den Kopf ... Biggi konnte das Verbrennen des leckeren italienischen Essens um Haaresbreite verhindern, es war wirklich letzte Minute und roch bereits bedrohlich. Erleichtert schob sie die Töpfe vom Herd und machte sich dann erstmal daran, den Tisch zu decken.

Thomas hingegen hatte beschlossen nun noch einmal mit Michael zu reden, wegen der Sache heute Morgen im Bad. Die Gelegenheit war gerade günstig, da Peter Max gerade seine neue „Wohnung“ vorführte. Max war richtig begeistert davon, wie Peter das Wrack eingerichtet hatte. Es sah richtig gemütlich aus.

Als Thomas den Aufenthaltsraum betrat, sah er, dass Michael alleine am Tisch saß und setzte sich dazu. „Du Michael…“ Michael sah ihn fragend an. „Wegen heute Morgen… Biggi und ich…ich meine, das war nicht so gemeint. Tschuldigung.“, brachte Thomas schließlich hervor. Michael musste grinsen. Er verpasste Thomas einen freundschaftlichen Stoß in die Seite und erwiderte dann. „Schon ok, aber nächstes Mal beeilt euch ein bisschen.“ Sie musste beide lachen. „Nein, im Ernst, Thomas. Ich freu mich doch total für dich und Biggi.“, meinte Michael dann. Thomas war total erleichtert das zu hören. „Weißt du, ehrlich gesagt kam es mir manchmal so vor, dass du vielleicht Angst haben könntest, dass unsere Männer WG jetzt kaputt geht – wegen Biggi.“, gab er dann jedoch zu. Michael sah ihn erstaunt an. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet. „Quatsch, ich freu mich doch wahnsinnig für dich, dass du mit Biggi zusammen so glücklich bist.“, erwiderte er. Thomas klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Er war froh, dass die Sache jetzt geklärt war und Michael so verständnisvoll reagiert hatte. In dem Moment kamen Max und Peter zurück. „Oh, was macht ihr denn hier so geheimnisvolles?“, fragte Peter, da Michael und Thomas sofort verstummt waren, als Peter und Max den Aufenthaltsraum betreten hatten. „Das sind Gespräche zwischen Männern, dafür bist du noch zu klein, Peter.“, witzelte Michael und Thomas stimmt ihm zu. Schon wurde Michael von einem Kissen getroffen und gleich darauf Thomas. Das ließen die beiden natürlich nicht auf sich sitzen und starteten eine Gegenoffensive. So entbrannte eine wilde Kissenschlacht, bei der es bald jeder gegen jeden hieß und erst die Alarmsirene ließ sie hochschrecken. „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, schwerer Autounfall auf der Landstraße zwischen Traunstein und Rosenheim. GPS Koordinaten über Funk.“ Max lief zum Funkgerät und bestätigte den Notruf, während Thomas, Peter und Michael ihre Jacken und die Ausrüstung nahmen und zum Heli eilten. Dann sah Max das Chaos, was sie nach der Kissenschlacht zurückgelassen hatten und begann erst einmal den Aufenthaltsraum aufzuräumen.

Gabi und Ralf waren gerade dabei alle Sachen von Gabriele in Ralfs Wohnung unterzubringen, was sich schwerer erwies, als sie gedacht hatten. „Ich bin so froh endlich bei dir zu wohnen.“, meinte Gabi glücklich, während sie einige Sachen in Ralfs Kleiderschrank verstaute. „Ich auch, ich kann es mir ohne dich gar nicht mehr vorstellen.“ Er war nun hinter sie getreten und umarmte sie. Dann ging er mit ihr zusammen ein paar Schritte zurück und sie ließen sch rückwärts aus Bett fallen, wo sie begannen sich zu küssen.

Das A Team war währenddessen auf dem Flug zum Unfallort. Thomas vernahm die GPS Koordinaten aus seinem Headset und bald hatten sie die Unfallstelle erreicht. Zwei Autos waren mit hoher Geschwindigkeit in einander gerast und hatten sich total ineinander verkeilt. Die Feuerwehr war bereits vor Ort und war damit beschäftigt die Unfallstelle zu sichern und die beiden verletzten Fahrer aus den Wracks zu befreien. Als Thomas neben der Straße gelandet war, sprangen Michael und Peter sofort aus dem Helikopter und eilten zu den verletzten. Der eine Fahrer hatte nur leichte Verletzungen erlitten, um den andern stand es jedoch schlecht. „Vermutlich schweres Schädelhirntrauma, Milzruptur, Serienrippenbrüche recht.“, diagnostizierte Michael, während Peter ihm die von Michael angeforderten Medikamente reichte und dem Mann einen Zugang legte. Um die Unfallstelle herum hatten sich bereits einige schaulustige Passanten versammelt, die von den inzwischen eingetroffenen Polizisten mühsam zurückgedrängt wurden. Thomas holte gerade die Trage und brachte sie Michael und Peter. Es war ihnen gelungen den Mann transportfähig zu bekommen und nun hoben sie ihn vorsichtig auf die Trage. Sie wollten gerade die Trage anheben und den Verletzten in den Medicopter bringen, als Peter plötzlich eine Entdeckung machte. „Oh Gott, weg hier.“, rief er panisch.  Michael und Thomas sahen ihn fragend an und reagierten im ersten Moment nicht, doch nun sahen auch sie die drohende Gefahr.

Michael, Thomas und Peter rannten mit der Trage in den Händen so schnell sie konnten von den verunglückten Autos weg. Es führte eine Spur von ausgelaufenem Benzin von den Autos, bis hin zur Polizeiabsperrung, hinter der die schaulustigen Passanten standen. Ein unachtsamer Passant hatte seine Zigarette fallen lassen, genau in die Benzinpfütze. Rasendschnell stand die Benzinspur in Flammen und wenige Sekunden später explodierten die beiden Autowracks kurz nacheinander mit einem lauten Knall. Wrackteile und Scherben flogen durch die Luft und Michael, Thomas und Peter wurden von der Wucht der Explosion zu Boden gerissen, da sie nicht sehr weit von den Wracks entfernt waren. Doch zum Glück waren sie weit genug weg, dass sie von herumfliegenden Wrackteilen getroffen wurden. Peter rappelte sich als erster wieder auf. Schließlich auch Thomas und Michael. Ihre Gesichter waren von dem vielen Rauch und Ruß ziemlich dreckig, aber ihnen schien nichts passiert zu sein. Sie nahmen die Trage und brachten den Patienten so schnell sie konnten zum Heli. „Alles ok bei euch?“, erkundigte Michael sich dann bei seien Kollegen, während sie bereits im Heli saßen und Thomas die Turbinen hochfuhr. „Aber klar doch.“, versicherte Thomas ihm. Und auch Peter bestätigte, dass ihm zum Glück nichts passiert war. „Danke, Peter, wenn du nicht gewesen wärst….“, meinte Michael dann. „Das gleiche gilt für mich.“, stimmte Thomas ihm zu. „Schon ok, Leben zu retten ist doch schließlich mein Job.“, erwiderte Peter grinsend.

Da Gabis Schicht bald begann, waren sie und Ralf schließlich widerwillig wieder aufgestanden. Ralf hatte beschlossen sie zur Schicht zu begleiten, da er einfach jede Minute mit ihr zusammen verbringen wollte. Sie hatten ja einen unglaublichen Nachholbedarf. Also machten sie sich zwanzig Minuten vor dem Beginn von Gabis Schicht auf den Weg zur Basis. Als sie die Basis betraten, erkannten sie sehr zu ihrem Leidwesen, dass Rene ebenfalls schon da war und im Aufenthaltsraum saß. Doch sie versuchten ihn zu ignorieren, so gut es ging. Rene hingegenschielte immer wieder

Als sie den Patienten in der Klinik abgeliefert hatten und Michael, der noch kurz mit rein gegangen war, wieder zum Heli kam, meinte er: „Gute Arbeit, Jungs, der Patient wird überleben.“ Dann stiegen sie wieder ein und flogen zurück zur Basis. Dir Schicht war eigentlich schon zu Ende gewesen und Gabi, Ralf, Katja und Rene saßen im Aufenthaltsraum. „Wie seht ihr denn aus?“, fragte Gabi lachend, als sie ihre Kollegen sah, die von oben bis unten mit Ruß bedeckt waren. „Tja, es war eben ein feuriger Einsatz.“, meinte Peter grinsend und verschwand dann Richtung Dusche. „Ich muss auch erst mal duschen, so lässt Biggi mich nicht rein.“, sagte dann auch Thomas und verschwand in die Dusche. Michael folgte ihm. Eine viertel Stunde später kamen die drei dann frisch geduscht und umgezogen aus der Umkleide. „Ich muss dann los, Biggi wartet sicherlich schon auf mich.“, verabschiedete Thomas sich. „Muss Liebe schön sein.“, meinte Peter grinsend. „Du bist ja nur neidisch.“, erwiderte Thomas. Er verabschiedete sich noch von Gabi, Ralf und Max und fuhr dann auf dem schnellsten Weg zu Biggi.

Auch Michael und Peter verließen die Basis wenig später. Ralf hatte sich mit Gabi in den Hangar verzogen. „Dieser Rene wird mir immer unsympathischer.“, meinte er irgendwann zu Gabi, „Wie der dich immer anstarrt.“ Gabi nickte. „Ich kann ihn auch nicht ab. Aber was soll’s. Das Leben ist viel zu kurz, um sich über solche Typen aufzuregen.“, sagte sie und küsste Ralf dann. Er erwiderte ihren Kuss und meinte dann noch: „Hast Recht, er ist es wirklich nicht Wert.“

Währenddessen parkte Thomas sein Auto gerade vor Biggis Wohnung. Er stieg aus und lief mit schnellen Schritten zum Haus und dann die Treppen hoch zu ihrer Wohnung. Biggi hatte schon auf ihn gewartet, da seine Schicht durch den Einsatz etwas überzogen wurde. Sie hatte ihn bereits durch das Küchenfenster, das zur Straße raus ging, beobachtet und hatte sich schon zur Tür gestellt. Kaum eine Sekunde, nachdem Thomas auf die Klingel gedrückt hatte, riss sie die Tür auf und zog ihn überglücklich zu sich in die Wohnung. Dann begannen sie sich stürmisch zu küssen. „Ich hatte solche Sehnsucht nach dir.“, sagte sie dann, als sie langsam wieder voneinander abließen. „Ich auch.““, erwiderte Thomas und drückte ihr noch einen zärtlichen Kuss auf den Mund. „Tut mir Leid, dass es etwas länger gedauert hat, aber wir hatten noch einen Einsatz am Ende der Schicht.“ „Hauptsache jetzt bist du da.“, erwiderte Biggi darauf. Dann gingen sie Arm in Arm in die Küche, wo Biggi schon das Essen vorbereitet hatte. Sie hatte in die Mitte des Tisches zwei Kerzen gestellt und dazwischen eine Vase mit einer roten Rose. „Womit hab ich das denn verdient?“, fragte Thomas erstaunt, als er sah, wie viel Mühe Biggi sich gemacht hat. „Damit, dass du der wundervollste Mensch auf der Welt bist.“, antwortete Biggi lächelnd. Thomas legte seine Arme um sie, zog sie ganz nah zu sich und küsste sie zärtlich. „Aber das bist du doch schon.“, sagte er dann leise und sie küssten sich wieder. Schließlich begannen sie dann jedoch zu essen, damit es nicht kalt wurde. „Hm, es schmeckt wirklich lecker.“, meinte Thomas, nachdem er probiert hatte. Er lächelte Biggi an und sie lächelte zurück. „Freut mich, dass es dir schmeckt.“, antwortete sie und sah ihn mit einem verliebten Blick, den er erwiderte, an.

Die Schicht des B Team verlief relativ ruhig. Es hatte bis jetzt noch keinen Einsatz gegeben. Ralf und Gabi verblieben die ganze Zeit im Hangar, da sie hier ungestört waren, vor allem von Rene. Dieser wartete im Aufenthaltsraum ungeduldig darauf, dass er endlich eine Gelegenheit finden würde um mit Gabi allein zu sprechen. Doch es schien aussichtslos, da sie die ganze Zeit zusammen mit Ralf verbrachte.

Doch dann, als er schon fast nicht mehr dran geglaubt hatte, fand Rene doch noch eine Gelegenheit. Ralf verschwand kurz auf die Toilette und Rene wusste, dass Gabi nun allein im Hangar war. Sofort stand er auf und machte sich auf den Weg zu ihr. Er hatte sie schnell gefunden. „Was wist?“, fragte Gabi genervt, als sie seine Hand auf ihrer Schulter spürte, sich umdrehte und in Renes Gesicht sah. „Ich möchte mit dir reden Gabriele.“ „Ich aber nicht mit dir.“, erwiderte Gabi. Sie wünschte sich, dass Ralf jetzt wiederkommen würde. „Es könnte aber auch in deinem Interesse sein….“, sagte Rene dann ernst. Gabriele verstand zunächst nicht, was er meinte, doch dann dachte sie an den Einsatz, bei dem Christine ums Leben gekommen war – durch ihre Schuld. „Was willst du von mir?“, fragte sie ihn und sah ihn auffordernd an. „Nun, du erinnerst dich doch sicher noch an den Einsatz mit dem Autounfall….bei dem bedauerlicher Weise eine junge Frau ums Leben gekommen ist….“, begann er und grinste dabei hämisch. Gabi nickte. „Natürlich erinnere ich mich daran, so lange ist es ja nun auch noch nicht her. Komm zur Sache Rene…was willst du?“, fragte Gabinervös. Sie ahnte nichts Gutes. „Na ja, es wäre doch auch in deinem Interesse, wenn niemand von der Sache erfährt…“ „Du hast doch versprochen nichts zu sagen.“, unterbrach sie ihn. Rene grinste immer noch fies „Und wenn ich meine Meinung geändert habe? Aber nein, keine Angst, ich werde nichts verraten. Dann wärest du ja deinen Job los. Und ich meine, was würde denn dein Freund…wie hieß er noch gleich….. Ralf. Genau, Ralf. Was würde Ralf dazu sagen? Die Sache bleibt natürlich unter uns. Unter einer Bedingung.“ Gabi sah ihn entsetzt an. Was wollte Rene von ihr? „Unter welcher Bedingung?“, fragte sie dann zögerlich nach. „Ich will dich – für eine Nacht!“ Gabi dachte, sie hörte nicht richtig. „Du spinnst doch. Außerdem hängst du genauso mit drin, wenn das rauskommt. Du hast mir das falsche Medikament gegen.“, versuchte sie ihn umzustimmen. Die Angst in ihrer Stimme war deutlich zuhören. Rene lächelte nur matt. „Du weißt genau, dass wenn es hart auf hart kommt die ganze Verantwortung bei dir liegt. Du hättest die Ampulle prüfen müssen.“ Gabi wusste dass  er Recht hatte. Was sollte sie denn tun? Er hatte sie in der Hand und konnte von ihr erzwingen, was er wollte und sie wusste, dass er das ausnutzen würde. Sie hatte Rene jetzt schon so weit kennen gelernt, dass sie wusste, dass er, wenn es um so was ging, skrupellos war. Doch auf seine Forderung konnte sie nicht eingehen - niemals. Eine Nacht mit ihm, ausgerechnet mit Rene. Aber hatte sie eine andere Wahl? In dem Moment kam Ralf zurück und Rene verließ blitzartig den Hangar. Gabi blieb angewurzelt auf der Stelle stehen und starrte auf den Boden. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Gerade war sie so glücklich gewesen mit Ralf und nun stand alles auf dem Spiel. Ihr Job, ihre Beziehung zu Ralf, denn wie würde er reagieren, wenn er davon erfahren würde? Ihr ganzer Lebensinhalt, alle was ihr wichtig war. Und das alles durch Rene - wie sie ihn dafür hasste.

Nach dem Essen wuschen Thomas und Biggi gemeinsam ab. Biggi stand an der Spüle und Thomas stand hinter ihn und hatte seine Arme um sie gelegt. Dabei bemerkte Biggi einen dicken Kratzer an seinem Unterarm, der vom letzten Einsatz stammte. „Oh, was hast du da denn gemacht?“, fragte sie besorgt. Thomas hatte den Kratzer vorher noch gar nicht bemerkt. „Muss wohl bei unserem letzten Einsatz passiert sein.“, stellte er fest. „Mein armer Schatz.“, meinte Biggi, drehte sich in seinen Armen um und küsste ihn. „Dafür bekommst du eine sonder spezial Behandlung.“, versprach sie ihm dann. „Hört sich gut an…“, meinte Thomas grinsend. „Aber erst müssen wir den Abwasch erledigen.“, erwiderte Biggi und drehte sich dann wieder um zur Spüle. Thomas half ihr und zu zweit hatten sie die Küche schnell wieder auf Hochglanz gebracht. „So, nun will ich aber meine sonder spezial Behandlung.“, meinte Thomas dann und hielt Biggi gespielt leidend seinen Arm hin. „Ok…“, meinte sie lächelnd, nahm seine Hand und zog ihn mit ins Wohnzimmer, wo sie sich zusammen aufs Sofa fallen ließen.

Biggi wies Thomas an, sich ganz aufs Sofa zu legen, was er natürlich tat, und legte sich dann auf ihn. "Oh, die Behandlung sieht ja viel versprechend aus ...", meinte Thomas grinsend. Biggi fasste mit den Händen um seinen Kopf und begann, ihn zärtlich zu küssen. Dabei fasste sie unter sein T-Shirt und begann ihm unter der Kleidung die Schultern zu massieren. "Oh, ich fühl mich gleich viel entspannter.", sagte Thomas leise wohlig stöhnend. Biggi lächelte ihn an, daraufhin zog er sie am Hals zu sich herab und küsste sie leidenschaftlich. Sie wurden immer stürmischer, und schließlich begann Thomas, Biggis Bluse aufzuknöpfen. "Das gehört aber nicht zur regulären Spezialbehandlung ...", meinte Biggi leise. "Dann führen wir eben ein Zusatzservice ein.", entgegnete Thomas grinsend und öffnete den letzten Knopf. "Aber erwarte bloß nicht, dass das im Preis inbegriffen ist.", warnte ihn Biggi ebenfalls grinsend. "Für dich zahl ich doch alles.", meinte Thomas und küsste sie wild. Nun waren die beiden nicht mehr zu halten. Schließlich hatte Biggi auch Thomas seines T-Shirts entledigt und er hatte ihr die Bluse ausgezogen. Als Biggi schließlich begann, sich Thomas' Hose zu widmen, klingelte es plötzlich an der Haustür. Sie stöhnten auf. "Oh Mann, das gibt's doch nicht.", meinten beide verärgert. "Komm, wir machen einfach nicht auf.", meinte Thomas dann zu Biggi. "Thomas, ich muss - wenn es was wichtiges ist ..." "Na gut.", willigte Thomas ein und ließ sie runter. Biggi zog sich schnell ihre Bluse wieder über und eilte zur Haustür. Thomas konnte gerade noch seinen Hosenbund schließen, als Biggi auch schon geöffnet hatte.

Vor der Tür stand Gabriele. Biggi erschrak bei ihrem Anblick. Sie sah schrecklich aus, total aufgelöst und mit vom Weinen geröteten Augen. "Gabi...", sagte Biggi nur, worauf ihre Freundin ihr in die Arme fiel. Biggi drückte sie fest an sich, spürte wie Gabi zitterte. Sie machte sich schreckliche Sorgen. Was war nur passiert? Thomas blieb hinten am Sofa stehen und sagte nichts, er war selbst sehr erschrocken, zog es aber vor, sich erst mal nicht einzumischen und Biggi mit Gabi besser allein zu lassen. Ganz leise ging er in die Küche und schloss die Tür hinter sich. "Hey, Gabi ... was ist denn los?", fragte Biggi ganz leise. Sie strich ihre beruhigend über den Rücken und hielt sie fest. "Biggi...", stammelte Gabi dann. "Ist was mit Ralf passiert?", fragte Biggi dann vorsichtig und alles befürchtend. Gabi schüttelte nur den Kopf. "Komm, wir setzen uns erst mal aufs Sofa. Komm mit...", meinte Biggi und zog sie sanft mit sich zum Sofa. Dort setzten sie sich gemeinsam hin, und Biggi legte wieder den Arm um ihre Freundin. Gabi blickte sie an. "Ich ...", begann Gabi. Biggi wartete und sah sie lieb an. "Ja?" Gabi neigte wieder den Kopf nach unten. Ob sie Biggi alles erzählen sollte? In ihrem Inneren kämpfte sie mit sich selbst. Was würde passieren, wenn sie es Biggi erzählen würde? Alles, Christines Todesursache, Renes Erpressung? Was wäre dann? Sie durfte es niemandem erzählen, sie durfte es einfach nicht. Aber sie brauchte unbedingt jemanden, bei dem sie sich aussprechen konnte. Bei wem würde sie es lieber tun als bei ihrer besten Freundin? Aber sie durfte es nicht. Es durfte keiner wissen. Niemand. Sie musste mit dem Problem allein fertig werden. Vielleicht ... vielleicht könnte sie Renes Erpressung einfach hinter sich bringen, ihn dann nie wieder sehen und alles vergessen? Würde sie das schaffen? Sie wusste es nicht. Aber sie wusste eines - nämlich, dass sie niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen davon erzählen durfte. Nicht mal ihrer besten Freundin. Obgleich ihr dabei wieder die Tränen kamen. Sie wusste genau, dass sich Biggi nun riesige Sorgen um sie machte. Wieso war sie nur hergekommen? Im ersten Schock ... sie hatte einfach jemanden gebraucht, der zu ihr hielt und sie in den Arm nahm. Das hatte Biggi getan und sie war ihr unheimlich dankbar dafür. Aber sie durfte sie hier nicht mit reinziehen. Nein, das durfte sie nicht. Sie blickte Biggi wieder an. "Ach Gabi, was ist denn nur los?", fragte Biggi leise und besorgt. "Hm?" Gabi schüttelte den Kopf. Sie versuchte, sich zu fassen. "Nichts." Als ob Biggi ihr das glauben würde. "Das glaube ich dir aber nicht.", entgegnete Biggi. "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich ... ich komm schon klar. Tut mir leid, dass ich euch gestört hab." "Aber Gabi, du störst uns doch nicht! Bitte, erzähl mir was passiert ist. Irgendwas ist doch mit dir. Gemeinsam werden wir schon eine Lösung finden! Ich werde dir helfen, immer, das weißt du.", redete Biggi ihr gut zu. Gabi lächelte sie an. "Das hast du bereits. Danke, Biggi." Sie umarmte ihre Freundin innig und erhob sich dann. "Aber Gabi...", begann Biggi. "Bitte ... glaub mir. Ich komme klar. Ich musste dich nur mal sehen. Du hast mir echt geholfen. Danke." "Gabi, bitte, bleib doch ... wenn ich was für dich tun kann ..." "Dann lasse ich es dich wissen.", meinte Gabi und lächelte dankbar. Biggi ließ sie nur sehr ungern gehen. Aber was sollte sie denn machen? Gabi öffnete die Haustür und ging raus auf den Flur. "Ach ja, und sag Thomas liebe Grüße von mir." "Gabi ..." Gabi drückte sie noch mal fest, lächelte ihr noch zu und schritt dann endgültig von dannen. Biggi schloss langsam und nachdenklich die Tür hinter sich.

Was hatte das eben zu bedeuten? Sie machte sich schreckliche Sorgen um Gabriele. Thomas hatte gehört, dass Gabriele wieder gegangen war und begab sich nun wieder ins Wohnzimmer, wo Biggi immer noch nichts verstehend an der Tür lehnte. "Was ist denn passiert?", fragte er vorsichtig. "Gabi sah ja schrecklich aus.", meinte er. Biggi sah ihn an und sagte dann nach einer Weile: "Ich hab keine Ahnung. Ich verstehe gar nichts. Es muss irgendetwas Schlimmes passiert sein, ich bin mir sicher sie wollte es mir erzählen, aber dann ... dann hat sie's plötzlich gelassen und hatte es eilig wieder wegzukommen. Verstehst du das?" "Nein.", antwortete Thomas nur nachdenklich. "Was hatte sie nur?", fragte sich Biggi verzweifelt. Thomas sah, wie sehr ihr das zu schaffen machte und nahm sie erstmal liebevoll in den Arm. "Hey, komm, mach dir keine Sorgen. Gabi weiß bestimmt, was sie tut.", sagte er, obwohl er sich dem gar nicht so sicher war. Auch er machte sich ernste Gedanken. "Du hast doch gesehen, in welchem Zustand sie war.", entgegnete Biggi. "Ich zweifle dran, dass sie weiß, was sie tut. Warum hab ich sie nur nicht aufgehalten?" "Du hast es doch versucht, ich hab es ja gehört. Biggi, mehr konntest du nicht tun!" Thomas zog sie runter aufs Sofa und zog sie an sich. "Ich mach mir solche Sorgen...", meinte Biggi leise. "Ist doch schon gut. Es wird sich bestimmt regeln. Du kannst sie ja nachher noch mal anrufen, hm?" Biggi nickte. "Ja, das werd ich machen. Hoffentlich geht es ihr dann besser." "Bestimmt.", beruhigte Thomas sie und meinte dann: "Komm, ich mach uns erst mal nen Tee." Biggi willigte ein. Thomas ließ sich von ihr zeigen, wo das Teegeschirr war und wies sie dann an, sich wieder aufs Sofa zu setzen. Biggi ließen die Gedanken an Gabi keine Ruhe. Nervös saß sie auf dem Sofa und hatte immer wieder das Bild ihrer besten Freundin im Kopf, als diese sie so verzweifelt angesehen hatte... Was konnte nur passiert sein?

Gabi saß inzwischen in ihrem Auto und fuhr kopflos durch die Gegend. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte Ralf nach der Schicht gesagt, dass sie noch kurz zu Biggi fahren würde und dann sofort zu ihm. Womöglich machte er sich bereits Gedanken, wo sie nur blieb. Schließlich beschloss sie, sich zusammenzureißen, sich nicht das Geringste anmerken zu lassen und zu Ralf zu fahren. Sie blieb am Straßenrand stehen, wischte sich das verschmierte Make-up aus dem Gesicht, gab neues rauf und bedeckte gekonnt ihre verweinten Augenränder, bis sie schließlich zufrieden mit dem Ergebnis war. Ja, so würde ihr niemand etwas anmerken. Sie atmete tief durch und fuhr dann los, zu Ralfs Wohnung.

Ralf hatte sie bereits sehnlichst erwartet. Als er ihr die Wohnungstür öffnete, nahm er sie stürmisch in die Arme, und auch ihr gelang es, ihre Freude über das Wiedersehen zu zeigen. "Ich hab dich so vermisst...", sagte sie und küsste ihn zärtlich. "Na und ich dich erst. Ich dachte schon, ich drehe durch, wenn du nicht gleich kommst. Was hattest du eigentlich bei Biggi zu erledigen? Du warst plötzlich so schnell weg." "Ach, nichts wichtiges. Frauensache." "Verstehe...", meinte Ralf und lächelte. "Naja egal, Hauptsache du bist wieder da. Komm, ich hab es uns im Wohnzimmer gemütlich gemacht." Hand in Hand schritten sie ins Wohnzimmer, wo Ralf das Feuer im Kamin angemacht hatte und leise Musik aufgedreht war. Auf dem Tisch stand eine Vase mit einer einzelnen, wunderschönen Rose. "Die ist für dich.",

meinte Ralf, nahm die Rose und hielt sie ihr vors Gesicht. "Weil du der wunderbarste Mensch bist, der mir je begegnet ist. Und weil du so viel mit mir mitmachen musstest.", meinte Ralf reuig. "Ach Schatz ...", meinte Gabi gerührt. "Das ist doch alles egal, wir sind jetzt zusammen, und das zählt. Danke für die Rose, sie ist wunderschön." "Ja, sie passt hervorragend zu dir, deshalb musste ich auch die schönste aussuchen." Gabi lächelte und küsste ihn, was er gern erwiderte. Arm in Arm fielen sie aufs Sofa.

Währenddessen hatte Thomas den Tee fertig gemacht, wobei er sich besonders Mühe gegeben hatte. Er brachte ihn mit Geschirr auf einem Tablett ins Wohnzimmer, wo Biggi immer noch in Gedanken versunken auf dem Sofa saß. "Ich halte das jetzt nicht mehr aus, ich ruf sie an.", sagte sie, als er reinkam. "Gut, mach das. Hoffentlich ist sie schon zuhause", meinte Thomas und setzte sich zu ihr aufs Sofa. Biggi nahm das Telefon und wählte Ralfs Nummer. Ralf und Gabi waren gerade sehr damit beschäftigt, sich leidenschaftlich zu küssen, als das Telefon klingelte. "Was klingelt denn da?", fragte Gabi zwischen zwei Küssen. "Das Telefon.", sagte Ralf genervt, ignorierte aber das Läuten. "Ja ... und? Gehst du nicht ran?" "Ne, du bist mir jetzt wichtiger.", meinte Ralf. "Ach Ralf, geh doch besser ran. Ich hasse es immer ein Telefon läuten zu lassen ohne ranzugehen." Ralf stöhnte auf. "Na gut. Aber nur weil du es bist." Schweren Herzens ließ er von Gabi ab und begab sich in den Flur, wo er das Telefon abhob. "Staller?" "Hi, Ralf, ich bin's, Biggi. Sag mal, ist Gabi da?" "Ah, hi Biggi. Äh, was soll die Frage? Sie war doch eben bei dir. Klar ist sie jetzt hier." "Ach so, gut, ähm - kannst du sie mir mal geben?" "Klar. Gabiii!", er legte den Hörer hin und ging ins Wohnzimmer. Gabriele war aufgestanden und sah ihn fragend an. "Es ist Biggi, sie möchte mit dir sprechen. Was habt ihr denn für geheime Frauendinge zu erledigen?" Gabi stupste ihn auf die Nase, meinte: "Das geht dich nix an, bist schließlich ein Mann.", und küsste ihn. Ralf sah ihr noch nach, während sie nach draußen auf den Flur ging und ließ sich dann aufs Sofa sinken. Gabi nahm den Hörer und sagte bemüht fröhlich: "Hi Biggi! Wie geht's?" Biggi wunderte sich über den plötzlichen Stimmungswechsel, freute sich aber natürlich sie so fröhlich zu hören. "Äh - danke gut. Ich wollte eigentlich noch mal nachfragen wie's dir geht. Ich hab mir echt Sorgen gemacht.  "Brauchst du nicht, wirklich. Ist aber echt lieb von dir. Mir geht's klasse." "Naja, das hat vorhin anders ausgesehen. Was war denn nur los?" "Es ist unwichtig." Gabi kontrollierte, ob Ralf sie auch nur nicht hören konnte und sprach dann leiser weiter. "Ich hatte nur wieder ne kleine Auseinandersetzung mit meiner Mutter, das ist alles. Deshalb war ich ein wenig fertig." "Ach soo! Ja warum sagst du das denn nicht gleich? Hast du inzwischen wieder mit deiner Mutter geredet?" "Ja, hab ich.", beruhigte Gabi sie. "Ist schon wieder in Ordnung, nur eben die kleinen Differenzen wegen dem Ausziehen, aber die sind mir jetzt eigentlich egal. Ich bin glücklich so wie's ist." Biggi war total erleichtert. "Na dann ist es ja gut.", meinte sie erfreut. "Ich will euch nicht weiter stören. Wir sehen uns ja bestimmt morgen, oder?" "Ja, klar, ich freu mich schon." "Ich mich auch." Sie verabschiedeten sich und legten dann beide auf. Gabi blieb noch eine Weile am Telefon stehen. Was hatte sie nur getan? Sie hatte ihre beste Freundin angelogen. Aber blieb ihr etwas anderes übrig? Alles nur wegen Rene, diesem verdammten Erpresser. Beinahe kamen ihr wieder aus Wut die Tränen hoch, doch sie beherrschte sich, gab sich einen Ruck und begab sich wieder ins Wohnzimmer zu Ralf. Dieser nahm sie erfreut in Empfang und sie kuschelten sich aneinander in die Kissen.

Biggi war währenddessen erleichtert ins Sofa gesunken. "Ich bin so froh, Thomas.", meinte sie und lächelte. "Es geht ihr wieder total gut, sie hatte nur ne kleine Auseinandersetzung mit ihrer Mutter." Thomas freute sich ebenso. "Na dann ist es ja gut. Siehst du, ich hab dir gesagt, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst." "Du hast eben immer Recht.", meinte Biggi lächelnd und schmiegte sich glücklich an ihn. "Oh, und Tee hast du ja auch gemacht", bemerkte sie dann nach einer Weile. "Klar, ich hab mir extra Mühe gegeben, nur für dich." "Wie lieb von dir. Probieren wir ihn gleich aus. Sie nahmen sich die Tassen, schenkten sich ein und nippten dann vorsichtig am heißen Tee. "Phantastisch.", meinte Biggi begeistert. "Also ab jetzt werde ich nie mehr Tee kochen, das kannst du übernehmen." "Wenn du weiterhin so lecker italienisch kochst, gerne.", entgegnete Thomas. "Alles klar.", willigte Biggi zufrieden ein. Sie lehnten sich wieder zurück und kuschelten sich aneinander. "Eigentlich könnten wir jetzt ja da weitermachen, wo wir vorhin waren.", meinte Thomas nach einer Weile grinsend. "Was meinst du denn mit vorhin?", fragte Biggi ihn ebenfalls grinsend, wobei sie ja genau wusste, was er meinte. "Na, bevor Gabi hier war." "Wo waren wir denn da?", fragte Biggi ihn neugierig. "Bei etwas sehr schönem...", deutete Thomas an. "Aach, beim Essen? Also Schatz, hast du wirklich immer noch Hunger?", fragte Biggi empört. "Neiin, nach dem Essen." "Ach daa, ja, was haben wir da denn gemacht?" "Na warte du...", drohte Thomas ihr lachend und stürzte sich auf sie. Wie kleine Kinder rauften sie auf dem Sofa herum, bis Biggi schließlich unter ihm lag und keine Chance des Entkommens mehr sah. "Gnade, bitte!", flehte sie ihn lachend an. "Jetzt hast du es zu weit getrieben, ne ne...", entgegnete Thomas nur und kitzelte sie von oben bis unten durch. "Aufhören, BITTE!!!", bat Biggi ihn, sie konnte sich kaum mehr halten. "Unter einer Bedingung.", meinte Thomas dann. "Und die wäre?" "Wir setzen die Spezialbehandlung fort.", meinte Thomas grinsend. Biggi grinste ihn an, küsste ihn dann zärtlich und flüsterte leise in sein Ohr: "Nichts lieber als das..." Dann griff sie langsam nach unten zu seiner Hose und öffnete den Reißverschluss. Er fasste zärtlich unter ihre Bluse und öffnete sie dann langsam. "Und wenn jetzt irgendwer klingelt, dann ..." "Ist es wohl ein Zeichen, dass du deine Spezialbehandlung nicht verdient hast.", vervollständigte Biggi seinen Satz leise. "Ach, dann klingelt bestimmt keiner.", meinte Thomas grinsend und zog ihr die Bluse aus. Er küsste sie zärtlich am ganzen Oberkörper und Biggi zog auch ihm schließlich das T-Shirt aus. Sie küssten sich immer leidenschaftlicher, und entledigten sich bald fast aller ihrer Kleider, bis sie sich schließlich nur mehr in Unterwäsche auf dem Sofa liegend vorfanden. "Bis jetzt hat keiner geklingelt.", machte Biggi Thomas leise zwischen zwei Küssen aufmerksam. "Sollen wir es wagen?  Sie grinste ihn an. Thomas sagte nichts darauf, blickte sie nur lächelnd an, küsste sie und antwortete dann indem er ihr schließlich den Slip auszog, worauf Biggi dasselbe mit seinen Shorts machte und sie schließlich miteinander schliefen. Es war besonders schön und intensiv, sie küssten einander andauernd dabei, und berührten sich zärtlich. Nach einer langen Weile schließlich, nachdem sie es beide unheimlich genossen hatten, lagen sie nebeneinander auf dem Sofa und blickten sich verliebt an. "Ich liebe dich soo sehr...", sagte Thomas leise und küsste Biggi innig. Als sie wieder voneinander abließen, entgegnete sie: "Ich dich auch. Mehr als alles andere." Sie lächelten sich lieb an, blickten sich tief in die Augen und küssten sich abermals, voller Leidenschaft. Anschließend meinte Thomas: "Sag mal ... ich hoffe doch du hast nicht noch andere Kunden, die du so behandelst." "Ach du meinst, mit meiner Spezialbehandlung?", fragte Biggi. Thomas nickte. "Hm...das hängt immer von den Kunden ab." "Wie meinst du das?" "Ja, manche sind so zeitaufwendig, dass kein Platz bleibt im Terminkalender für andere Kunden." Sie grinste. "Na, und wie sieht's zur Zeit in deinem Terminkalender aus?", fragte Thomas dann, während er sie liebevoll noch fester an sich zog.

"Da steht immer nur ein einziger drin ... und zwar schon ein paar Jahre ... ", erinnerte Biggi sich wieder an die lange, lange Zeit, in der sie schon in Thomas verliebt gewesen war – genau wie er in sie. Auch Thomas erinnerte sich, für ihn war es genauso schlimm gewesen. "Das kenn ich ... hätte ich nen Terminkalender, würde immer nur ein Name drinstehen. Für immer, auf alle Zeit. Deiner." Daraufhin legte Biggi ihre Arme um seinen Hals, zog ihn an sich und sie küssten sich leidenschaftlich. Sie waren so unglaublich glücklich darüber, dass sie sich gefunden hatten, und dieses Glücksgefühl würde niemals enden.

Nach einer Weile meinte Biggi. "Ist ganz schön kalt hier, meinst du nicht?"  Immerhin lagen sie bereits ziemlich lange so auf dem Sofa, und hatten schließlich gar nichts an. "Hast Recht. Soll ich ne Decke holen?", fragte Thomas fürsorglich. "Hm...ich weiß gar nicht wo ich die hab, ich hab sie schon beim Aufräumen nicht gesehen.", meinte Biggi nachdenklich. "Dann hab ich ne bessere Idee.", meinte Thomas und grinste. Er erhob sich vom Sofa, hob Biggi hoch und trug sie auf den Armen in Richtung Schlafzimmer. "Oh, du hast wirklich klasse Ideen.", meinte Biggi lachend. Im Schlafzimmer angelangt, ließ sich Thomas mit Biggi aufs Bett fallen, und sie kuschelten sich eilig unter die Bettdecke.  "Komm her, dann wird's schneller warm.", meinte Thomas und zog Biggi an sich. Sie schmiegte sich an seine Brust und schloss genussvoll die Augen. Draußen war es längst dunkel, und auch im Schlafzimmer brannte kein Licht. Arm in Arm und überglücklich über die Nähe des anderen, fielen die beiden schließlich erschöpft, aber mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht, in den Schlaf.

Auch Gabi und Ralf waren bereits ins Reich der Träume gesunken, wobei Gabi allerdings von einem Alptraum nach dem anderen gejagt wurde. Jeder beinhaltete Rene in seiner Hauptrolle. Schweißgebadet wachte sie inzwischen schon zum dritten Mal auf. Sie hatte schreckliche Angst vor dem, was sie erwartete. Was würde Rene tun? Würde er seine Erpressung wirklich durchziehen? Wenn er das tat, dann ... dann ... Gabi würde am liebsten auf ewig im Erdboden versinken, am besten mit Ralf. Irgendwohin, nur mit Ralf, ohne Rene, ohne Christine - ohne Verbrechen und Probleme. Sie wusste nicht mehr ein noch aus. Wenn Rene tatsächlich seine Forderung wahr machen würde, hatte Gabi keine Ahnung, wie sie weiterleben sollte. Sie wollte flüchten, konnte aber nicht. Sie wollte die Zeit zurückdrehen, konnte aber nicht. Sie wollte ihren Fehler rückgängig machen, ihren Fehler, die Ampulle nicht noch eine einzige Sekunde zu kontrollieren, diesen Fehler, der ihr das gesamte Leben kaputt machte, ihr eigener Fehler. Aber sie konnte es nicht. Konnte sie irgendetwas tun, um ihr Leben zu retten?? Nein. Wenn doch nur nicht der nächste Morgen käme ...

Doch der nächste Morgen kam. Und damit nicht genug, Gabi hatte auch noch Frühschicht. Mit Rene. Als sie um kurz nach sieben aufwachte und den Wecker abstellte, schlief Ralf noch tief und fest. Sie fand ihn süß, wie er so dalag, und zog es vor ihn weiterschlafen zu lassen. Leise schlich sie sich aus dem Bett und machte sich auf ins Bad. Als sie den Duschhahn aufdrehen wollte, bemerkte sie erst, wie ihre Hände zitterten. Diese unglaubliche Angst hatte nun auch ihren Körper voll und ganz erfüllt. Gabi ließ sich auf die Toilettenschale sinken und stützte das Gesicht in die Hände. "Nein, nein, nein ... warum kann ich nicht einfach tot sein ...", flüsterte sie zu sich selbst, aus der tiefsten Verzweiflung, die sie je in ihrem Leben verspürt hatte. Sie würde in der Tat lieber tot sein als auf Renes Erpressung eingehen. Doch hatte sie eine andere Wahl? Nein. Niemals, niemals durfte Ralf erfahren, wie Christine zu Tode gekommen war. Niemals. Er würde sie hassen, dem war sich Gabi sicher, sie war eine Mörderin - die Mörderin seiner ersten großen Liebe. Sie hasste sich selbst dafür. Ja, sie würde jetzt einfach am liebsten tot sein...

Zur selben Zeit erwachten Biggi und Thomas gerade aus einem wunderbaren, erholsamen Schlaf. "Guten Morgen, mein Liebling.", begrüßte Thomas seine Biggi und gab ihr einen zärtlichen Kuss. "Guten Morgen", sagte Biggi verschlafen, aber glücklich. "Hast du gut geschlafen?", fragte Thomas sie. "Gut wie nie." "Ich auch."  Sie kuschelten sich dicht einander und küssten sich noch eine ganze Weile unter der Bettdecke.

Gabi hatte sich inzwischen mit viel Mühe fertig gemacht und dann ein wenig gefrühstückt, wobei sie eigentlich alles, aber nur keinen Hunger verspürte. Kurz bevor sie los musste ging sie nun doch noch mal ins Schlafzimmer, um Ralf zu wecken. "Hey, guten Morgen, mein Schatz." "Wie ... was?" Ralf hatte die Augen aufgeschlagen und sah Gabi nun verwundert an, da sie scheinbar schon fix und fertig für die Arbeit war. "Hey, wir wollten doch zusammen zur Basis fahren." "Ja, ich weiß, aber du hast so süß geschlafen. Mach dich halt schnell fertig und komm dann nach, ich freu mich auf dich.", meinte Gabi. "Na gut, ich beeil mich." Ralf sprang eilig aus dem Bett, küsste Gabi nochmals zärtlich zum Abschied und verschwand dann ins Bad. Gabi verließ inzwischen die Wohnung, setzte sich ins Auto und fuhr zur Basis. Dort sollte sie eine böse Überraschung erwarten ...

Rene hatte sich bereits eine Stunde vor Schichtbeginn in der Basis eingenistet, selbst Max war noch nicht da gewesen. Ungeduldig stand er beim Basiseingang und schaute in die Ferne. In der Hand hatte er einen weißen Umschlag. Immer wieder blickte er ihn an und verfiel dabei in ein hämisches Grinsen. Endlich fuhr Gabi auf dem Parkplatz vor. Auf sie hatte er gewartet. Als Gabi ihn durch die Windschutzscheibe sah, durchfuhr sie ein eiskalter Schauer. Wieder begann sie zu zittern, war von der schlimmsten Angst und größtem Ekel erfüllt und wäre am liebsten rückwärts wieder weggefahren. Doch da musste sie jetzt durch. Sie atmete ein paar Mal tief durch, versuchte dabei, nicht in Renes Augen zu sehen, die sie bereits so hinterhältig und kalt ertappt hatten, und stieg schließlich aus. Schnellen Schrittes versuchte sie einfach an Rene vorbeizugehen. Fast klappte es auch, bis Rene an der Eingangstür schließlich seinen Arm unüberwindbar vor sie legte. "Einen schönen guten Morgen, Gabi.", begrüßte Rene sie grinsend. "Was willst du?", fragte Gabi ihn leise, ihre Angst war unüberhörbar. "Oh, du hast doch nicht etwa Angst vor mir?", säuselte Rene, während er spielerisch mit den Fingern über ihre Schultern strich, dabei die Lippen spitzte. "Ich bin durch und durch ein guter Mensch. Solange man tut, was von mir verlangt wird.", sprach er weiter. "Hier. Kleine Morgenlektüre zum besseren Arbeitseinstieg. Er drückte Gabi den weißen Umschlag in die Hand und rauschte dann an ihr vorbei, ohne sich noch einmal umzudrehen. Gabi blieb noch eine ganze Weile wie angewurzelt auf der Stelle stehen, starrte den Umschlag in ihrer Hand an.

Mit zittrigen Händen riss sie ihn auf, und holte ein Blatt Papier daraus hervor. Die Nachricht darauf war eindeutig. Gabi begann, schneller und schneller zu atmen und zu schwitzen, während sie wieder und wieder die Nachricht überflog: "Heute Abend um acht im Hotel "Zum goldenen Löwen". Ansonsten findest du dich bald vor dem Haftrichter wieder. Ich freue mich schon. Rene." Gabi sank in sich zusammen. Sie konnte nicht mehr. Nun gab es keine Zweifel mehr. Rene würde tatsächlich seine Erpressung durchziehen. Die Hand vor das Gesicht geschlagen, rannte Gabi fluchtartig in die Umkleide, verriegelte die Tür hinter sich und ließ sich auf den Boden sinken. Dort blieb sie erst mal eine ganze Weile liegen und weinte. Sie weinte all die Verzweiflung, die Wut, die seelische Zerstörtheit aus sich heraus, bis sie vermeinte keine Tränen mehr zu haben. Doch keine Tränen der Welt hätten je ausdrücken können, wie verzweifelt sie in diesem Moment war.

Etwa eine halbe Stunde später klopfte Katja an die Umkleidetür. Heute war ihr letzter Arbeitstag, Ralf würde sie bereits morgen ablösen. "Gabi, bist du da drin? Alles in Ordnung? Die Schicht hat schon begonnen!" Gabi erschrak. Sie hatte um sich gar nichts mehr wahrgenommen, die Uhrzeit und den Schichtbeginn eingeschlossen. "Äh ja, alles klar. Ich ziehe mich gerade um.", rief sie bemüht gefasst nach draußen, worauf Katja sich beruhigt wieder in den Aufenthaltsraum verzog. Gabi stand auf, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und nahm sich vor, sich nun endgültig zusammenzureißen. Irgendwie würde sie den Tag hinter sich bekommen, irgendwie, und den Abend ... nein, an den durfte sie jetzt nicht denken. Sie nahm ihren Overall aus dem Schrank und zog sich schließlich um. Danach eilte sie schnellen Schrittes in den Aufenthaltsraum, wo sie zu ihrer großen Erleichterung nur Katja vorfand. "Guten Morgen. Na, wie geht's dir an deinem letzten Arbeitstag?", fragte Gabi sie und war selbst stolz auf ihre überzeugend gespielte Fröhlichkeit. "Danke, gut. Aber ich finde es schade, dass ich euch jetzt verlassen muss. Die freundschaftliche Atmosphäre hier hab ich immer richtig genossen." Gabi lächelte. "Ja, die ist schön hier. Wohin gehst du denn jetzt eigentlich?" "Hm...mal sehen, vielleicht werde ich in Rosenheim anheuern. Vielleicht kriege ich aber auch mal nen fixen Job, nicht immer nur Vertretungen." "Verstehe. Ich wünsch dir viel Glück dabei.", meinte Gabi. "Danke, kann ich brauchen.

Die beiden setzten sich einen Kaffee auf und ließen sich schließlich am Tisch nieder, wo sie in Ruhe auf einen Einsatz warteten. Gabi blickte immer und immer wieder zur Tür, kaum hörte sie ein Geräusch, glaubte sie schon Rene kommen zu hören. Doch er kam nicht. Als sich nach einer halben Stunde die Tür schließlich wirklich öffnete, war es Ralf. Sie fiel ihm in die Arme. "Hey, so eine stürmische Begrüßung.", sagte Ralf erfreut. "Ich hab dich halt vermisst.", entgegnete Gabi. "Oh, verstehe, dann ist das ja klar - ich hab dich auch vermisst, und zwar schrecklich." Arm in Arm spazierten sie schließlich nach draußen in die Sonne, Katja sah ihnen lächelnd nach.

Biggi und Thomas hatten sich inzwischen auch aus dem Bett gekämpft. "Ich mach uns ein schönes Frühstück", schlug Thomas vor. "An den Service könnte ich mich gewöhnen.", meinte Biggi grinsend und küsste ihn in der Tür. Thomas legte seine Arme um sie, sie küssten sich immer leidenschaftlicher, und bewegten sich schließlich eng umschlungen zurück auf das Bett zu, worauf sie sich hineinfallen ließen und sich dort weiter stürmisch küssten. Erst eine ganze Stunde später schafften sie es erst, wieder voneinander abzulassen und sich aus dem kuscheligen Bett rauszubewegen. Während Biggi sich im Badezimmer fertig machte, bereitete Thomas das Frühstück vor. Mit viel Liebe bestrich er Brötchen mit Marmelade und kochte leckeren Früchtetee. Als er schließlich auch den Tisch gedeckt hatte, nahm er ein Brötchen, auf das er mit Marmelade "I love you" geschrieben hatte, und schlich sich zum Badezimmer. Er lauschte an der Tür und hörte, dass Biggi gerade unter der Dusche stand. Welch ein Glück, dass sie bei ihr zuhause und nicht im Hause Wächter/Lüdwitz waren, dachte sich Thomas grinsend. Er öffnete leise die Tür, schlich sich zur Dusche und zog dann ganz langsam den Duschvorhang zur Seite, um Biggi mit der Hand das Brötchen zu reichen. "Kleiner  Vorgeschmack auf ein Frühstück mit deinem Verehrer...", sagte er leise durch den Vorhang. Biggi war zuerst erschrocken, doch dann sah sie das Brötchen und war hingerissen. Sie schob den Vorhang beiseite und fiel Thomas in die Arme. "Und wie ich dich erst verehre ... mein Liebster.", sagte sie leise, blickte ihm tief in die Augen und küsste ihn voller Zärtlichkeit. Er erwiderte es, legte das Brötchen langsam auf die Kommode und schlang seine Arme um sie. Lange blieben sie dort stehen und küssten sich, bis Biggi plötzlich meinte: "Oh nein, jetzt hab ich dich ja ganz nass gemacht." Sie mussten beide lachen. "Tut mir leid." "Das macht doch nichts. Ich liebe dich für alles was du tust...", entgegnete Thomas lächelnd und küsste sie wieder. Dann nahm er das Brötchen wieder von der Kommode und ließ sie abbeißen. Er machte dasselbe am anderen Ende, und schließlich aßen sie gemeinsam das ganze Brötchen auf. Dabei blickten sie sich die ganze Zeit verliebt in die Augen, und als es schließlich fertig war, küssten sie sich wieder. Es war  ein langer Morgen...

Doch für Gabi und Ralf verging er hingegen sonderbar schnell. Gabi tat den ganzen Tag lang alles, um sich durch Ralf von Rene abzulenken. Dass sich ihr der Abend bedrohlich näherte und sie ihm nicht auskommen konnte, wusste sie genau, um so mehr versuchte sie, sich von den Gedanken daran abzubringen. Ralf und sie lagen sich den ganzen Tag in den Armen. Für Gabi gab es kaum einen Einsatz an diesem sonnigen Tag, und so war sie nur wenige Male dazu gezwungen Rene unter die Augen zu treten. Er ignorierte sie jedes Mal völlig, sprach kein Wort mit ihr, grinste sie nur manchmal in seiner hinterhältigen Grimasse an. Jedes Mal durchfuhr Gabi ein furchtvoller Schauer dabei, und nach dem Einsatz fiel sie Ralf in die Arme. Er spürte, dass irgendetwas an Gabi anders war als sonst, dachte sich jedoch nichts dabei. Ein großer Fehler, doch darauf sollte Ralf erst viel später kommen. In diesem Moment freute er sich nur, dass Gabi heute so besonders anschmiegsam und voller Zuneigung für ihn war, ihm andauernd sagte, wie sehr sie ihn liebte.

Gegen Schichtende der B-Crew fuhren Thomas und Biggi auf dem Parkplatz vor. Biggi hatte Thomas unbedingt begleiten wollen, und er hatte sie natürlich überaus gern mitgenommen. Sie hatten das längste, aber auch schönste Frühstück ihres Lebens hinter sich, wobei sie gar nicht mal so viel gegessen hatten...

Als Gabi und Ralf auf die beiden zukamen, umarmte Biggi ihre Freundin erst mal glücklich, und sagte: "Schön, dass es dir wieder...", doch Gabi unterbrach sie und deutete ihr heimlich, still zu sein. Biggi war ein wenig irritiert, verstand aber und sprach nicht weiter. Ralf hatte den beiden leicht verwirrt zugesehen, wurde nun aber von Thomas abgelenkt. "Na, wann  beginnst du wieder zu arbeiten?", fragte Thomas ihn, er hatte die Lage bereits durchschaut. "Morgen schon!", entgegnete Ralf, man hörte ihm an wie sehr er sich schon darauf freute. "Hey, das ist ja klasse!", freuten sich auch Thomas und Biggi. "Na, und ich werde auch nicht mehr lange auf mich warten lassen.", fügte dann Biggi hinzu, "Ich kann euch ja nicht alleine lassen.", meinte sie grinsend. "Aber ein wenig wartest du schon noch.", ermahnte Thomas sie besorgt. "Ach Schatz ... ich halte es nicht mehr aus bis ich wieder in meinem Engel sitzen kann." "Aber du hast doch mich...", entgegnete Thomas. "Klar, aber dich kann ich ja schlecht fliegen. Mit dir schwebe ich ja nur...", meinte Biggi träumerisch. "Wo denn?" "Auf Wolke sieben, mein Schatz." Thomas lächelte sie an, nahm sie in den Arm und küsste sie dann zärtlich.

Ralf und Gabi lächelten und beschlossen, die beiden alleine zu lassen. Gabis Schicht war schließlich bereits zu Ende, und Ralf freute sich auf einen romantischen Abend zu zweit. Ganz im Gegensatz zu Gabi. Sie blickte andauernd auf die Uhr. Noch drei Stunden. Drei Stunden. Ralf begleitete sie in den Umkleideraum. "Du, Ralf - ich muss dir was sagen.", begann Gabi dann dort, als Ralf sie in die Arme genommen hatte. "Was denn? Das kannst du mir doch heute Abend sagen ... wir machen's uns ganz besonders schön...", meinte Ralf und küsste sie am Hals. "Es ist eben wegen heute Abend.", begann Gabi dann. "Ich wollte es dir noch nicht sagen, aber ich muss heute dringend weg..." "Weshalb?", fragte Ralf überrascht und enttäuscht. "Eine ... eine Freundin hat angerufen, Elke, sie ist ziemlich krank und muss für eine Nacht in die Klinik zu einer Untersuchung. Ich soll solange auf ihre Kinder aufpassen." "Von einer Elke hast du mir noch nie erzählt. Wo wohnt sie denn?" "Hab ... hab ich das gar nicht? Wir kennen uns schon sehr lange, sie ist eine sehr gute Freundin, deshalb will ich ihr auch helfen. Sie - ähm, wohnt in München." "Und das mit der Untersuchung ist so kurzfristig?" "Ja." "Ich hab ne klasse Idee. Wir fahren zusammen hin und passen gemeinsam auf die Kinder auf. Dann können wir schon mal üben...", meinte Ralf verschwörerisch und küsste sie wieder. Gabi schob ihn ein wenig von sich weg. "Nein, das ... das geht nicht. Ihr Mann ist da ganz spießig, er ... er lässt niemanden in sein Haus den er nicht kennt." "Ja, aber er ist doch eh nicht da. Er muss es ja nicht erfahren." "Nein, aber ich bin mit beiden sehr gut befreundet – ich will sie nicht hintergehen. Tut mir leid, Ralf." Ralf sah es traurig ein. "Na gut...aber dafür kommst du so bald wie möglich wieder, ja?" "Bestimmt, am nächsten Morgen bin ich ja wieder da." "Gut. Dann werde ich mich eben solange mit den Gedanken an dich begnügen müssen.", meinte Ralf und blickte sie traurig an. "Mach das. Ich werde dich auch schrecklich vermissen. Aber weißt du, es geht nun mal nicht anders." Gabi schmerzte das Herz, als sie ihren Ralf, den Mann, den sie über alles liebte, so belügen musste. Aber wie gesagt. Es ging nun mal nicht anders. Bevor Gabi die Tränen kommen konnten, drehte sie sich weg zum Schrank.

Nachdem Thomas sich umgezogen hatte, waren er und Biggi gemeinsam an den Fluss gegangen und lagen sich nun am Ufer in den Armen. Sie lauschten dem Rauschen des Wassers, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatten. Biggi, die sich in Thomas' Arme gekuschelt hatte, schloss die Augen und genoss nur den Reiz des Augenblicks. Nach einer Weile war sie fast ein wenig eingeschlafen. Das Rauschen des Wassers drang immer lauter in ihre Ohren, versank in ihren Tagträumen ... bis sie plötzlich hochschreckte. Jemand, den sie bis ins weiteste verdrängt hatte, war in ihre Gedanken zurückgekehrt - Ebelsieder. Jetzt wusste sie, woran sie das Rauschen des Wassers andauernd erinnerte. Sie hatte es während der ganzen Zeit in der Scheune gehört, und schließlich noch kurz bevor Ebelsieder sie ins Wasser geworfen hatte und sie beinahe ihr Leben dabei hätte lassen müssen. Thomas erschrak. Auch er war in Gedanken versunken gewesen. Was war auf einmal mit Biggi los? "Hey, Schatz, was ist denn los?", fragte er sie besorgt, als sie sich aufgesetzt hatte und scheinbar leicht in Panik geraten war. Sie blickte ihn mit angstvollen Augen an, und ließ sich dann in seine Arme fallen. Liebevoll hielt er sie fest und streichelte sie - wenn er doch nur wüsste, was plötzlich los war? Sie zitterte und hielt sich an ihm fest, besorgt drückte er sie an sich und fragte leise: "Hey, Süße, was ist denn los? Sag's mir doch..." Es dauerte eine Weile, bis sich Biggi wieder ein wenig beruhigt hatte, und sagte: "Können wir bitte woanders hingehen? Ebelsieder, er ... das Wasserrauschen ..." Ihre Augen waren feucht. Thomas verstand. Na klar, das Wasserrauschen. Er machte sich selbst Vorwürfe, dass er sie ausgerechnet an das Flussufer geführt hatte. Es war immer ihre Lieblingsstelle gewesen - die sollte es auch bleiben, aber zu einem geeigneteren Zeitpunkt.

Langsam standen sie auf, Thomas nahm Biggi nochmals fest in den Arm, bis sie schließlich das Ufer hochstiegen und in die Wiese spazierten, wo das Gras gerade besonders lang und die Blumen besonders duftend waren. Möglichst weit vom Ufer entfernt, dafür aber in der Nähe ihres Engels, legten sie sich hin, Thomas zog Biggi abermals an sich und sie schmiegte sich an seine Brust. "Besser?" Sie nickte glücklich. "Ja, besser." "Tut mir Leid ... ich hätte es wissen müssen." "Das ist doch nicht deine Schuld. Ich hätte es doch auch wissen können.", entgegnete Biggi leise. "Komm her, mein Liebling.", sagte Thomas darauf und sie küssten sich zärtlich.

Gabi und Ralf waren inzwischen bereits nachhause gefahren. Eigentlich hatten sie sich von Biggi und Thomas noch verabschieden wollen, doch als sie die beiden so gesehen hatten, wie sie beinahe schlafend am Flussufer lagen, hatten sie es vorgezogen sie nicht zu stören.

Gabi suchte sich nun zuhause die wichtigsten Sachen zusammen. Immer wieder blickte sie auf die Uhr. Noch zwei Stunden. Zwei Stunden. Sie schluckte und packte die letzten Dinge in ihre Tasche. Die Dinge, die alle nicht nötig wären um durch eine Nacht ihr Leben zu zerstören. Oder etwa zu retten? Sie hatte keine Ahnung. Mit zunehmender Zeit hatte sie immer weniger Ahnung davon, was sie tat oder nicht tat. Nicht an eine Sache, die sie in ihre Reisetasche packte, konnte sie sich nachher noch erinnern, geschweige denn begründen, warum sie sie mitnehmen wollte. Sie nahm einfach irgendwas, was herumstand oder im Schrank herumlag und packte es ein.

So ging das eine ganze Zeit lang. Bis Ralf plötzlich das Schlafzimmer betrat. "Du, Schatz, es schmerzt mir zwar im Herzen das zu sagen, aber du solltest langsam los. Du meintest doch du müsstest noch vor Einbruch der Dunkelheit in München sein." Erschrocken blickte Gabi auf. "Oh, du hast ja Recht. Ich sollte mich wirklich beeilen." Mit schnellem Griff schloss sie die Tasche und nahm ihre Jacke vom Haken. "Hast du wirklich alles? Mein Foto auch?" "Oh, das Foto. Klar, das hab ich noch vergessen.", meinte Gabi nervös. "Wo hast du nur deine Gedanken?", fragte Ralf lächelnd und schloss sie in die Arme. Gerade wollte er sie küssen, als sie nervös zurückwich und meinte: "Wo hab ich denn das Foto?" "Na du hast es doch gestern an den Kamin gestellt, damit du auch guten Blick darauf hast." "Stimmt." Daraufhin raste sie ins Wohnzimmer. Ralf schüttelte nur den Kopf. Was war nur los mit ihr? Als Gabi endlich auch das Foto eingepackt hatte, bewegte sie sich Richtung Tür. "Ich glaube, jetzt hab ich alles.", meinte sie. "Ja, ich glaube auch. In deine Tasche passt ja gar nix mehr rein. Man könnte meinen du verreist für ein paar Wochen." "Keine Angst.", entgegnete Gabi. Sie blickte Ralf lange in die Augen, dann fiel sie ihm plötzlich um den Hals und hielt sich an ihm so fest, wie sie es noch nie getan hatte. Ralf erwiderte die feierliche Umarmung und drückte sie ebenso an sich. "Also langsam mache ich mir wirklich Gedanken, du bleibst für länger weg.", sagte er nachdenklich, während sie so dastanden und sich festhielten. "Nein, nein. Morgen komme ich wieder." Sie sah ihm tief in die Augen. "Bis bald." Sie schaffte es nicht. Wieder fiel sie ihm um den Hals, und küsste ihn dann voller Leidenschaft. Sie war machtlos. Die Tränen blieben diesmal nicht aus. "Aber Gabi, vermisst du mich etwa so sehr? Komm her... es ist doch alles in Ordnung, oder?  Zärtlich wischte er ihr die Tränen aus dem Gesicht. "Klar doch. Ich kann's nur kaum erwarten dich morgen wieder zu sehen.", meinte Gabi und versuchte zu lächeln. Ralf lächelte zurück. "Ich auch nicht." Nochmals küssten sie sich, bis sich Gabi schließlich umdrehte und endgültig die Tür öffnete. "Bis morgen!" "Ja, bis morgen!", verabschiedete Ralf sie, und schloss schließlich langsam die Tür, nachdem sie die Treppen runter gegangen war.

Unten vor der Haustür angekommen, blickte Gabi wieder auf die Uhr. Noch anderthalb Stunden. Anderthalb Stunden. Bevor sie die Tür öffnen konnte, ließ sie sich auf den letzten Treppenabsatz sinken und weinte herzzerreißend bittere Tränen. Doch niemand hörte sie. Und auch in der Nacht würde sie niemand hören...

Ebenso wie die Schicht des B-Teams verlief auch die Schicht des A-Teams vollkommen ruhig. Biggi und Thomas hatten sich zu Michael und Peter in den Aufenthaltsraum gesellt, da es inzwischen schon ziemlich kühl geworden war und der Abend Einzug hielt. "Na, hattet ihr eine schöne Nacht?", fragte Michael grinsend nach der Begrüßung. "Danke, hervorragend.", entgegnete Thomas und grinste zurück. "Hoffentlich muss ich euch noch nicht ganz bei uns zuhause abschreiben ... es ist ziemlich still im Haus.", meinte Michael dann. "Keine Angst - wir werden es immer schön ausgleichen, nicht wahr, Schatz?", entgegnete Thomas und küsste Biggi. "Na klar." "Dann bin ich ja beruhigt.", entgegnete Michael darauf und schlug vor, für alle ne Runde Tee zu machen. Sie willigten gerne ein und setzten sich schließlich alle zusammen an den Tisch, wo sie fröhlich plaudernd die abendliche Ruhe genossen.

Alles andere als fröhlich war zur selben Zeit Gabi. Sie saß noch immer im kalten Treppenhaus und wurde von der Angst und Verzweiflung nahezu erdrückt. Sie blickte auf die Uhr. Noch eine Stunde. Eine Stunde. Sie erhob sich und verließ schließlich das Haus. Dann stieg sie in ihr Auto und fuhr los. Sie wusste nicht, wohin sie fuhr, sie fuhr einfach nur. Das gab ihr irgendwie das Gefühl, dass sie sich wegbewegte. Wegbewegte von all den Problemen. Die Flucht anstrebte. Doch eigentlich lief sie nicht weg, sie lief nur in einem ewigen Kreisel herum, der ihr keine Chance gab, zu entkommen. Nach einer ganzen Weile blickte sie auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde. Was sollte sie tun? Sie musste es hinter sich bringen. Um ihr Leben zu retten. Oder zu zerstören? Nein, um es zu retten. Um die Liebe zwischen ihr und Ralf zu retten, um ihren Ruf zu retten, um ihr Gewissen zu retten – um ihr Leben zu retten. Ja, sie musste es retten, auch wenn es ihr diese Nacht mit Rene kosten sollte. Den größten Preis, den sie auch nur annähernd je für irgendetwas bezahlt hatte. Ja, so ein Leben war teuer. Doch würde sie nicht einen Teil zerstören, indem sie den anderen rettete? Ja, das würde sie. Aber der andere war größer. Die Liebe zu Ralf war ihr wichtiger als ihre eigene Seele. Würde sie Ralf verlieren, würde sie auch ihr Leben verlieren – und deshalb hatte sie nur eine Chance: es heute Nacht zu retten. Sie drehte um und fuhr schließlich Richtung Traunstein. Nur einen einzigen Platz anpeilend. Das Hotel "Zum goldenen Löwen". Den Platz, an dem sie einen Teil ihres Lebens lassen und den anderen, den größeren, wieder unversehrt mit nachhause nehmen sollte. Gute Nacht.

Als sie schließlich vor dem Hotel parkte, das sie von zahlreichen Tagungen her kannte, und das für sie nie wieder das sein würde, was es immer war - nämlich ein gemütliches, schönes Hotel mit einer herrlichen Atmosphäre und Zimmern, die Geborgenheit schenkten - blieb sie erst mal noch für ein paar Minuten im Auto sitzen. Sie musste noch einmal durchatmen, bevor sie sich freiwillig dem schlimmsten Erlebnis ihres Lebens stellte. Freiwillig? Sie hatte keine Antwort auf die Frage, ob sie dies nun freiwillig tat und ob sie eine andere Wahl hatte – doch das war nun auch unwichtig. Sie stand hier und sie müsste es hinter sich bringen. Sie blickte auf die Uhr. Noch fünf Minuten. Fünf Minuten.

Sie blickte um sich, ob sie irgendwo bereits den Wagen von Rene erblicken konnte, und begann unbewusst dabei zu zittern. Nein, sie sah ihn nicht. Schließlich öffnete sie die Tür und stieg aus. Sie hatte in diesem Moment keinen einzigen Gedanken mehr im Kopf. Nur ein Gefühl: Angst. Diese war so unheimlich groß, dass kein Platz für irgendein anderes Gefühl in ihrem Kopf blieb. Die Tasche ließ sie im Auto. Abgesehen davon, dass sie niemals an sie gedacht hätte war es ohnehin fraglich, ob sie all die Dinge, die sie kopflos eingepackt hatte, brauchen würde. Rene wollte nur sie. Und sie, sie wollte nichts anderes als diese Nacht hinter sich bringen und sie der Vergangenheit angehören lassen.

Langsam betrat sie die Hotelhalle. Wieder blickte sie um sich. Kein Rene. ,Sie blickte auf die Uhr. Noch eine Minute. Eine Minute. Nervös ging sie vor der Rezeption auf und ab, schließlich setzte sie sich hin. Doch lange brauchte sie nicht zu warten. Ehe sie noch auf die Uhr sehen konnte und registrieren würde, dass es keine Sekunde mehr, keine Sekunde bis acht Uhr war, stand Rene plötzlich wie aus der Luft gezaubert vor ihr. Ein Schreck durchfuhr sie und sie stand auf.

Lange starrte sie ihn an, blickte in sein Gesicht, das sie voller Ekel erfüllte und bereits wieder diesen Grinser aufgesetzt hatte. Der Grinser, den nur einer auflegte, der sich sicher war, gewonnen zu haben. Mit viel Mühe schaffte sie, etwas zu sagen: "Rene, bitte. Können wir nicht noch einmal darüber reden? Ich ... ich zahle dir alles, wirklich, alles, aber bitte, lass mich gehen. Du bekommst was du willst, versprochen, nur nicht mich. Bitte." Seine Augen funkelten. "Kein Preis ist so wertvoll wie du und ich werde einen Teufel tun und dich gehen lassen, wenn ich dich endlich haben kann.", entgegnete Rene seelenruhig und fasste sie an den Händen. Sie wollte zurückweichen, doch er hielt sie so fest, dass sie keine Chance hatte. "Ich warne dich! Die Nummer des Polizeipräsidiums hab ich eingespeichert." Er zeigte mit einem Blick auf sein Handy, das in seinem Gürtel hing. "Zwei Tastendrücker, wenn du nicht genau das tust, was ich sage - und du bist geliefert. Und morgen früh weiß es dann schon dein geliebter Ralf..." Gabi musste schlucken. Wenn sie es nicht schon längst gewusst hatte - spätestens jetzt wäre ihr klar gewesen, dass sie absolut keine Chance hatte. Tonlos sagte sie: "Ok."

Rene führte sie an der Hand in Richtung Lift. "Rate mal, was ich schönes für uns ausgesucht habe." Gabi sah ihn nur verständnislos an. "Die Hochzeitssuite. Und rate mal, wie lange ich sie schon gebucht hatte." Gabi erwiderte nichts. "Schon sehr lange. An genau dem Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben. Ich wusste genau, dass ich dich kriegen werde. Ich gewinne immer, das sollte dir ja inzwischen auch klar sein. Und jetzt hab ich dich auch gewonnen.", sagte er triumphierend, während sie in den Lift stiegen und er auf die Taste mit der Nummer vier drückte.

Gabriele schwieg. Es gab nichts zu sagen. Sie war einfach nur verzweifelt. Aber hatte sie denn eine andere Wahl als das zu tun? Nein hatte sie nicht. Trotzdem war es eine der schwersten Entscheidungen in ihrem Leben gewesen.

Gabriele hatte sich ganz eng an die kalte Wand des Fahrstuhls gepresst. Rene rückte immer näher zu ihr und faste dann langsam nach ihrer Hand. Gabi bewegte sich langsam von ihm weg, doch es brachte nichts, denn schließlich war sie in der Ecke angelangt und es gab kein Entkommen mehr. Sie spürte Renes Atem auf ihrer Haut und wollte nur eins: HIER WEG. Gerade als der Pilot sich ihr noch mehr nährte und sie anscheinend küssen wollte, hielt der Lift und die Tür ging auf. Sie waren im 4. Obergeschoss angekommen. „Oh, wir sind schon da.“, meinte er erstaunt und fast ein wenig enttäuscht. Er hielt Gabis Hand ganzfest in seiner, sodass sie keine Chance hatte ihm zu entkommen. ‚Jetzt ist sowieso alles zu spät.’, dachte sie nur och. Sie versuchte das alles einfach über sich ergehen zu lassen mit dem Gedanken an ihre Zukunft und an Ralf. Vielleicht würde es ihr ja tatsächlich gelingen diesen Tag aus ihrem Gedächtnis zu streichen.

Rene schloss die Tür zu der Suite auf und gab Gabriele einen kleinen Stoß, sodass sie keine andere Wahl hatte, als in die Suite zu treten. Dort erblickte sie ein riesiges Bett. Die ganze Suite war romantisch eingerichtet und das Bett war ein Himmelbett. ‚Es war ja auch die Hochzeitssuite’, schoss es Gabriele in den Kopf. Die Hochzeitssuite. Wie absurd, niemals würde sie Rene heiraten, er wäre der letzte Mann, den se heiraten würde. Wenn jetzt doch nur Ralf hier wäre.

Doch Ralf war nicht da. Er saß in seiner Wohnung vor dem Fernseher und dachte an Gabriele, wie sie jetzt wohl gerade in München bei ihrer Freundin saß und auf deren kleine Kinder aufpasste. Wie sehr er sich doch irrte. Er hätte so gern den Abend mit Gabi verbracht, doch er sah auch ein, dass sie ihrer Freundin diesen Wunsch nicht hatte abschlagen wollen. Plötzlich fiel ihm wieder ihr merkwürdiges Verhalten auf. Sie war so anhänglich heute gewesen und irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie irgendetwas bedrückte. Nur was? Und dann dieser Abschied. Sie hatte sich von ihm beinahe so verabschiedet, als wäre es ein Abschied für immer gewesen.

Die Schicht des A Team näherte sich währenddessen bereits dem Ende. Michael, Peter, Biggi und Thomas saßen noch immer im Aufenthaltsraum. Draußen war es bereits dunkel geworden und irgendwie war die Stimmung richtig gemütlich, da sie im Aufenthaltsraum nur eine kleine Lampe brennen hatten. Thomas saß auf dem Sofa, Biggi hatte sich in seine Arme gekuschelt und Michael und Peter saßen den beiden auf zwei Stühlen gegenüber. Sie unterhielten sich über alles Mögliche. Biggi war richtig glücklich wieder auf der Basis zu seinen, sie hatte das alles hier schon richtig vermisst in den letzten Wochen. Sie freute sich schon total darauf endlich wieder mit den anderen auf der Basis arbeiten zu können. Dann wäre das Team endlich wieder vollständig.

Als die Schicht schließlich zu Ende war verzogen sich die Jungs in die Umkleide, während Biggi im Aufenthaltsraum wartete. Sie freute sich schon sehr auf den Abend mit Thomas und sie zählte beinahe jede Sekunde bis er endlich zusammen mit Michael und Peter wieder aus der Umkleide kam. Er ging auf sie zu und legte seine Arme um sie. „Und wohin fahren wir jetzt? Zu dir oder zu mir?“, fragte Biggi ihn. „Hm, ich würde sagen heute fahren wir…schwere Entscheidung. Ja, heute fahren wir zu dir.“ Er gab ihr einen zärtlichen Kuss, bevor sie Arm in Arm nach draußen auf den Parkplatz gingen. Dort verabschiedeten sie sich noch von Michael und Peter. Der Sanitäter hatte es ja nicht weit nachhause. Biggi und Thomas hingegen stiegen genau wie Michael ins Auto und machten sich auf den Weg nachhause.

Währenddessen saß Gabriele auf dem großen Himmelbett in der Hochzeitssuite. Rene hatte sich neben sie gesetzt und ihre Hand immer noch fest umklammert. Er rückte immer näher zu ihr hin und begann sie schließlich überall zu streicheln. Gabriele hätte am liebsten laut in die Nacht hinaus geschrieen, doch sie konnte nicht. Nein, sie durfte nicht. Sie musste es aushalten, für ihre Zukunft – ihre Zukunft mit Ralf. Sie tat das alles nur für ihn und für ihren Beruf. Rene wurde immer zudringlicher. Zwar wusste er, dass er den ganzen Abend Zeit hatte, ja sogar die ganze Nacht, doch er konnte es kaum noch erwarten. Vom ersten Augenblick an hatte er Gefallen an Gabriele gefunden und nun hatte er schließlich gewonnen, er hatte sie, wenn auch nur für eine Nacht. Diese Nacht jedoch würde er nutzen. Er würde sie niemals vergessen und Gabriele wohl auch nicht. Es würde die wahrscheinlich schrecklichste Nacht ihres Lebens werden.

Rene hatte inzwischen angefangen sie langsam auszuziehen. Er war seit langem ohne Freundin und spürte ein großes Verlangen in sich. Als er Gabriele schließlich bis auf die Unterwäsche ausgezogen hatte, riss auch er sich die Kleidung vom Leib. Gabi starrte nur teilnahmslos an die Decke. Mit ihren Gedanken war sie nur bei Ralf, der jetzt zuhause saß auf dem Wohnzimmer und fernsah, nichts ahnend, nicht ahnend was seine Gabi gerade durchmachte.

Thomas und Biggi waren inzwischen in Biggis Wohnung angekommen. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Biggi Thomas und sah ihn fragend an. „Hm, was hältst du davon, wenn wir uns heute einen so richtig gemütlichen Abend machen?“, schlug er vor und lächelte sie dabei verliebt an. „Hm, klingt gut…“, erwiderte sie. Sie kuschelte sich in seine Arme und begann ihn dann zärtlich zu küssen.

Ralf saß noch immer auf seinem Sofa und sah fern. Doch er konzentrierte sich kaum auf den Film. Seine Gedanken waren die ganze Zeit nur bei Gabriele. Irgendetwas sagte ihm, dass etwas nicht stimmte, dass es Gabriele gerade schlecht ging. Er beschloss sich zu vergewissern, stand auf und ging zum Telefon. Als er den Hörer abgenommen hatte und gerade ihre Handynummer wählen wollte, legte er jedoch wieder auf. ‚So ein Blödsinn, was sollte denn nicht in Ordnung sein? Gabi hatte sicherlich Spaß mit den Kindern ihrer Freundin.“, redete er sich ein. Er wollte nicht, dass Gabi ihn für überbesorgt hielt. Doch dann griff er doch wieder zum Hörer und wählte diesmal wirklich ihre Nummer. ‚So hab ich wenigstens ein gutes Gewissen und kann danach in Ruhe fernsehen.’, dachte er sich. Am anderen Ende ertönte das Freizeichen und zur gleichen Zeit ertönte in der Hochzeitssuite eines wenige Klinometer entfernten Hotels die Melodie eines Handys. Nicht irgendeines Handys. Die Melodie von Gabi Handy. Sie hatte es nicht ausgeschaltet. Rene vernahm das Klingeln kaum, er war so sehr auf die Notärztin fixiert, die kaum bekleidet und völlig wehrlos vor ihm lag. Erst als das Klingeln mit der Zeit lauter wurde, wurde auch er darauf aufmerksam. „Oh, da will jemand etwas von dir. So ein Pech…Heute Abend gehörst du mir – nur mir.“ Er ließ kurz von Gabriele ab und begab sich zu ihrer Tasche, die vordem Bett auf dem Boden stand. Dann durchwühlte er sie, bis er das Handy gefunden hatte und schaltete es aus.

Ralf wunderte sich sehr, warum Gabi nicht abnahm und schließlich die Mailbox am anderen Ende. „Hier ist Gabriele Kollmann, leider haben Sie nur meine Mailbox erwischt…“Langsam wurde Ralf wirklich unruhig. Irgendwas sagte ihm, dass Gabi ihn jetzt brauchte, dass etwas passiert war. Nur was? Nachdenklich setzte er sich wieder aufs Sofa und schaltete den Fernseher aus. Er hoffte nur, dass Gabi am nächsten Tag möglichst früh wiederkommen würde, denn sie wollten an Ralfs erstem Arbeitstag gemeinsam zur Basis fahren.

Thomas hatte inzwischen für sich und Biggi den gleichen Tee gekocht wie am Vortag und sie hatten sich dann wieder gemütlich aufs Sofa gekuschelt, sich eine Wolldecke geholt und sahen sich einen Liebesfilm an. Thomas mochte eigentlich nicht so gern Liebesfilme, aber Biggi zu Liebe sah er sie sich doch ab und zu an. Außerdem passte der Film gerade so gut zu der romantischen Stimmung im Wohnzimmer und er genoss es, wenn Biggi sich bei tragischen Szenen noch dichter an ihn kuschelte und er sie noch fester in den Arm nehmen konnte.

Ralf ging schon ziemlich zeitig ins Bett. Er wusste eh nicht, was er ohne Gabi noch machen sollte und außerdem war er schon ziemlich müde. Trotzdem konnte er nicht einschlafen. Seine Gedanken an Gabriele ließen ihn nicht los. So lag er die halbe Nacht nach und fiel erst in den frühen Morgenstunden in einen unruhigen Schlaf.

Gabriele erlebte derweilen die schlimmsten Stunden ihres Lebens. Rene war kaum zu bremsen, er hatte nur diese eine Nacht, das wusste er, und die nutzte er aus so sehr er konnte. Immer wieder zwang Gabriele dazu ihn zu küssen und schließlich auch dazu mit ihm zu schlafen. Sie ekelte sich so sehr vor ihm, doch sie wusste, dass sie das jetzt aushalten musste, sonst wäre alles verloren. Immer wieder rannen ihr Tränen übers Gesicht, Tränen aus tiefster Verzweiflung. Sie wollte einfach nur weg hier, weg von Rene, raus aus ihrem Körper. Einfach nur nachhause zu Ralf. Doch sie wusste, dass das nicht ging. Sie zählte die Sekunden bis Rene endlich von ihr ablassen würde, wobei ihr jede Sekunde wie eine Stunde vorkam. Wann war es endlich vorbei?

In den Frühen Morgenstunden, ließ er schließlich erschöpft von ihr ab. Hastig zog er sich seine Hose und seinen Pullover wieder an, packte seine restlichen Sachen zusammen und verließ fluchtartig das Hotelzimmer. Die weinende, am Boden zerstörte Gabriele, ließ er einfach so im Hotelzimmer zurück.

Es dauerte lange, sehr lange, bis Gabi sich schließlich aufraffte. Wie in Trance sammelte sie ihre Sachen zusammen, die auf und neben dem Bett verteilte lagen…Dann stolperte sie in das kleine Bad, was vom Zimmer abging. Sie drehte die Dusche voll auf, stellte sich dann darunter und ließ das heiße Wasser auf sich herabprasseln. Sie versuchte einfach nur die letzte Nacht zu verdrängen, sie zu vergessen, doch sie konnte nicht. Sie hatte es immer wieder vor Augen, ihn – Rene. Doch ein kleines bisschen war sie auch erleichtert. Sie hatte diese Nacht überstanden, auch wenn sie schrecklicher gewesen war, als sie es sich in ihrem schlimmsten Albtraum erträumen hätte können. Aber sie hatte es geschafft, jetzt stand ihrer Zukunft nichts mehr entgegen. Ihr Ruf war gerettet und was noch viel wichtiger war, ihre Beziehung zu Ralf. Doch was war mit ihr selbst? Über die Konsequenzen war sie sich zwar im Klaren gewesen, doch würde sie damit wirklich fertig werden? Im Moment fühlte sie sich nur noch elend und wollte einfach nur noch weg.

Als Thomas aufwachte bemerkte er, dass er und Biggi am vergangenen Abend auf dem Sofa eingeschlafen sein mussten. Sie lag noch immer in seinen Armen und schlief, während der Fernseher immer noch lief. Thomas griff vorsichtig, um Biggi nicht zu wecken, zum Tisch zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Dann drehte er sich wieder zu Biggi und betrachtete sie. Er fand, dass sie wunderschön aussah, wenn sie schlief. Ganz vorsichtig strich er ihr sanft durchs Haar und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.

Irgendwann schlug Biggi schließlich auch die Augen auf und blickte Thomas verschlafen an. „Morgen, mein Liebling.“, sagte er sanft und küsste sie zärtlich. Biggi erwiderte es und kuschelte sich dann noch näher an Thomas und tiefer unter die Wolldecke. „Hm, wir müssen gestern wohl eingeschlafen sein.“, bemerkte sie dann nach einer Weile, da sie schließlich immer noch auf dem Sofa lagen. Thomas nickte. „Ja, aber ich habe wunderbar geschlafen.“ Biggi lächelte ihn verliebt an. „Du wirst es nicht glauben, ich auch. Wie immer, wenn ich neben dir schlafen kann.“ Thomas küsste sie zärtlich, was Biggi glücklich erwiderte. „Hast du eigentlich die erste oder erst die zweite Schicht heute?“, fragte sie ihn dann nach einer Weile. „Zum Glück erst die zweite, da hab ich noch genug Zeit für dich.“, erwiderte er grinsend, worauf Biggi ihn wieder küsste. Sie dachten noch überhaupt nicht daran aufzustehen, schließlich hatten sie noch genug Zeit. Zudem genossen sie dafür den Augenblick viel zu sehr, einfach nur die Nähe und Wärme des andern zu spüren.

Auch Ralf war schon auf. Er hatte sich Frühstück gemacht, doch viel Hunger hatte er nicht. In einer halben Stunde würde er los müssen zur Schicht. Er war schon total aufgeregt, fast so sehr, wie bei seinem allerersten Arbeitstag auf der Basis. Zudem wartete er sehnsüchtig auf eine Nachricht von Gabi. Er wusste nicht warum, aber irgendwie war er beunruhigt.

Irgendwann drehte Gabriele den Duschhahn ab und stieg aus der Dusche. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und hatte keine Ahnung, wie viele Stunden sie dort unter der Dusche gestanden hatte. Auf jeden Fall musste es ziemlich lange gewesen sein, denn sie bemerkte, dass die Haut an ihren Händen schon ganz aufgeweicht war. Sie lief zurück in die Suite und zog sich schnell ihre Sachen über. Dann nahm sie ihre Tasche und verließ fluchtartig das Hotel. Sie rannte zum Parkplatz, stieg in ihr Auto, ließ den Motor an und fuhr los. Wohin wusste sie nicht – einfach nur weg.

Irgendwann fiel ihr dann ein, dass sie ja die Frühschicht hatte. Erschrockenblickte sie auf die Uhr. Sie hatte noch ein halbe Stunde. „Ralf“, schoss es ihr dann sofort in den Kopf. „Ich muss Ralf anrufen und ihm sagen, dass ich jetzt nicht mehr nachhause komme.“ Also griff sie nach ihrem Handy, schaltete es mit zitternden Händen wieder ein und wählte Ralfs Nummer.

Dieser hatte schon fast neben dem Telefon gewartet und nahm sofort ab. Er war total erleichtert, als er Gabis Stimme am Ende hörte. Anscheinend hatte er sich doch viel zu viele Sorgen gemacht. Er wusste ja auch nicht, woher dieses komische Gefühl kam, aber er konnte es einfach nicht wegdrängen.

„Hallo Ralf, ich wollte dir nur sagen, dass ich gleich zur Basis fahre, bin schon spät dran, wir sehen uns dann dort.“, meinte Gabi schnell. Sie wollte das Gespräch möglichst schnell beenden, damit Ralf nicht mitbekam, wie es ihr wirklich ging, dass ihre fröhlich klingende Stimme nur mit großer Mühe aufgesetzt war und es in echt ganz anders in ihr drin aussah.

Thomas und Biggi waren inzwischen auch aufgestanden. Thomas war Brötchen holen gegangen, während Biggi den Tisch deckte und Tee kochte. Sie war richtig gut gelaunt heute, denn Thomas hatte ihr versprochen sie nachher zu seiner Schicht wieder mit auf die Basis zu nehmen, was er natürlich liebend gern tat. Zudem hatte er ihr versprochen, dass er nach der Schicht mit ihr zusammen eine Runde im Heli drehen würde. Darauf freute sich Biggi besonders. Sie hatte schon fast Entzugserscheinungen, immerhin war sie schon mehrere Wochen nicht mehr ihre BK geflogen.

Gabi war zur selben Zeit bereits fast auf der Basis angekommen. Sie wusste, dass sie versuchen musste normal zu wirken und so tun musste, als wäre nichts passiert. Das A Team würde sie vielleicht täuschen können, aber Ralf und Biggi? Ralf würde sicherlich merken, dass mit ihr etwas nicht stimmte und Biggi sowieso. Die beiden kannten sich jetzt schon einige Jahre und merkten meistens sofort, wenn es der anderen nicht gut ging. „Mist“, fluchte Gabi vor sich hin. Sie hatte es jetzt schon so weit geschafft, bis hierhin gekämpft, nun würde sie es auch zu Ende schaffen, dass hatte sie sich ganz fest in den Kopf gesetzt. Oh nein .... und dann ... Rene. Er würde auf der Basis sein. Nein. Wie sollte sie das durchstehen?? Mit ihm zusammen Dienst tun? Mit dem Mann, der ihr die schlimmste Nacht ihres Lebens beschert hatte? Niemals. Am liebsten hätte sie sofort umgedreht und wäre weit weg gefahren. Weg von all den Erinnerungen. Doch sie konnte nicht.

Zur selben Zeit betrat Thomas gerade Biggis Wohnung mit zwei großen Tüten vom Bäcker, die herrlich nach frischen Brötchen dufteten. Er schlich sich ganz leise hinein, stellte die Tüten im Wohnzimmer ab und schlich sich dann in die Küche. Biggi stand gerade am Herd und kochte den Tee. Plötzlich spürte sie, wie sich von hinten zwei Arme um sie legten und jemand sie zärtlich im Nacken küsste. Na klar, Thomas. Sie drehte sich glücklich lächelnd um und meinte: "Hey, du hast mich aber erschrocken." "Oh, tut mir leid. War Absicht.", entgegnete Thomas grinsend. "Naja, egal. Ich hab dich ohnehin schon so vermisst." "Ehrlich?", fragte Thomas. "Ja, ehrlich." Thomas näherte sich langsam ihrem Gesicht und sie begannen, sich zärtlich zu küssen. Erst als sich der Topf mit dem Tee stark kochend vom Herd meldete, ließen sie voneinander ab. Thomas nahm ihn von der Platte und meinte dann: "Sieht du das? Genauso heiß brodelt's immer in meinem Herz, wenn du mich küsst." "Oh, dann sollte ich es besser lassen, ehe du dich noch verbrennst.", meinte Biggi und verschwand grinsend im Wohnzimmer. "HEY!! Wehe...!!!", rief Thomas ihr nach, stürmte ebenfalls ins Wohnzimmer und stürzte sich auf sie. Lachend landeten sie auf dem Sofa.

Währenddessen war Gabi bereits an der Basis angekommen und hatte sich nach langer Überwindung dazu durchgerungen, sie zu betreten. Als sie in den Aufenthaltsraum kam, war keiner da. Auch nicht Rene. Sie spürte zwar, wie ihre Knie vor Zittern fast unter ihr nachgaben, doch sie war unheimlich erleichtert, ihn nicht anzutreffen. Auch sein Auto war nicht da. Hoffentlich würde Ralf vor Rene kommen. Wenn nicht - sie würde es keine einzige Sekunde aushalten, mit Rene allein unter einem Dach zu sein. Sie war sich sicher, dass sie aus Reflex einfach weglaufen würde. Ihre Angst war einfach unheimlich groß.

Sie hatte Glück. Ralf kam tatsächlich vor Rene. Als er am Parkplatz vorfuhr, sah Gabi aus dem Fenster. Wie hatte sie ihn doch vermisst! Sie durfte sich nichts anmerken lassen, nein, ganz locker bleiben. Doch als Ralf schließlich unter dem Türrahmen im Aufenthaltstraum erschien, konnte sie nicht anders - sie rannte auf ihn zu und fiel ihm in die Arme. "Heey!", empfing Ralf sie fröhlich und überrascht über die stürmische Begrüßung, die er inzwischen ja eigentlich gewohnt sein müsste. Er nahm sie liebevoll in die Arme und küsste sie zärtlich. "Ich hab dich so vermisst, mein Schatz. Wie war's bei deiner Freundin? Waren die Kinder brav?" Gabi nickte. "Ja, sehr brav." Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen. Sie belog ihren Ralf. Schon wieder. Und so bald würde das auch nicht wieder aufhören können, vor allem in Rene's Gegenwart. "Oh wie schön - ich freu mich so. Endlich haben wir uns wieder, und heute Abend gönnen wir uns einen romantischen Abend, ja?" Gabi nickte wieder. "Das wird bestimmt schön.", entgegnete sie. Ralf nahm sie an der Hand und zog sie zum Sofa. Dort legten sie sich erstmal hin und kuschelten sich aneinander. Als Ralf sie in den Armen hielt und sie zärtlich berührte, überkam sie plötzlich wieder der Gedanke an letzte Nacht. Sie hatte keine Chance, die Tränen zurückzuhalten, die ihr in die Augen stiegen. Ralf merkte das. "Aber Schatz, was ist denn?", fragte er erschrocken und besorgt. "Ist was passiert? Hat Elke schlechte Ergebnisse bekommen?" Gabi schüttelte nur den Kopf und wischte sich flüchtig die Tränen aus dem Gesicht. "Nein, nein. Es ist nur ...  ich bin so glücklich wieder bei dir zu sein. Ich hätte mir nie gedacht dass ne so kurze Trennung schon so viel anrichten kann.", meinte sie, und schaffte es tatsächlich ein Lächeln über die Lippen zu bringen. Ralf zweifelte ein wenig, doch als sie ihn demonstrativ glücklich anlächelte, schob er die Zweifel beiseite und glaubte ihr einfach. Glücklich hielt er sie an sich.

Eine halbe Stunde lagen sie so da, nur mal schnell vom Umkleiden unterbrochen, und Rene war immer noch nicht gekommen. Die Schicht des B-Teams hatte bereits seit zwanzig Minuten begonnen. Normalerweise war Rene immer der erste gewesen, ein schrecklicher Frühaufsteher. Noch mal eine halbe Stunde später klingelte bei Biggi und Thomas das Telefon. Sie waren gerade dabei gewesen, sich leidenschaftlich auf dem Sofa zu küssen...

Biggi erbarmte sich schließlich und ging ran. „ Schwerin, hallo?“ „Hallo Biggi, hier ist Ralf… ich hoffe ich störe nicht…“ „Na ja, wir wollten eigentlich gerade frühstücken. Was gibt’s denn?“, schwindelte Biggi. „Rene ist nicht zu seiner Schicht erschienen und wir brauchen einen Piloten. Michael hat gesagt, dass Thomas bei dir ist….“ „Verstehe schon, Thomas soll die Schicht fliegen.“ Ralf bestätigt ihr das. Thomas, der alles mitbekommen hatte verdrehte die Augen. „Es wäre super, wenn er so schnell wie möglich hier sein könnte, die Schicht hat schon längst begonnen und wenn ein Einsatz kommt….“, meinte Ralf noch zu Biggi, bevor sie sich verabschiedeten und auflegten. „Tja, das war es dann wohl mit dem gemütlichen Frühstück.“, sagte Biggi ein wenig traurig. „Das holen wir nach, versprochen.“, versicherte Thomas ihr und nahm sie liebevoll in den Arm. Dann beeilten sie sich jedoch zur Basis zu kommen, da sie wussten, dass das eine Katastrophe geben würde, wenn es einen Einsatz geben würde und kein Pilot da wäre.

Ralf und Gabi waren heilfroh, als sie endlich Biggi und Thomas auf den Eingang der Basis zukommen sahen. „Morgen“, begrüßte Biggi Gabi und Ralf fröhlich. Auch Ralf schien gut gelaunt zu sein. Doch Gabi gab nur ein müdes und leises „Morgen“ von sich. Sie sah bemitleidenswert niedergeschlagen aus, fand Biggi. Ob sie ihre Freundin darauf ansprechen sollte? Sie entschloss sich erst einmal dagegen und wollte abwarten, ob sie sich vielleicht  getäuscht hatte.

Biggi und Thomas verschwanden dann in die Umkleide, damit Thomas erst einmal umziehen konnte. Gabi fragte sich derweilen, ob Biggi etwas bemerkt hatte. Sie hatte das Gefühl, dass die Pilotin sie eben irgendwie merkwürdig angesehen hatte. Auf jeden Fall beschlossen sie zu versuchen den Rest des Tages richtig gut gelaunt zu wirken, damit wirklich niemand Verdacht schöpfte. Doch das war schwerer als gedacht. Sie konnte die letzte Nacht nicht einfach aus ihrer Erinnerung löschen, sie einfach vergessen. Nein, sie hatte es einfach immer wieder vor Augen.

Während Thomas sich umzog, fiel Biggis Blick auf ihren Spind. „Biggi Schwerin“ stand ganz dick mit schwarzem Edding auf das Schild geschrieben. Langsam stand sie auf, ging zu dem Spind und öffnete ihn. Dort hing er, ihr Overall. Und ihre Pilotenjacke. So, als hätte sie sie gerade erst dort reingehangen. Doch sie hing dort nun schon einige Wochen so. Biggi seufzte, doch dann nahm sie sich ihren Overall aus dem Spind und beschloss ihn sich anzuziehen. Wenn Thomas so mit ihr nachher einen Rundflug unternehmen würde, würde sie sich sicherlich schon wieder so fühlen, als wäre sie bereits wieder im Dienst. Sie schmunzelte bei dem Gedanken. Sie freute sich schon unheimlich darauf endlich wieder fliegen zu dürfen.

Als sie gerade dabei war sich dann Overall anzuziehen, wurde sie plötzlich von hinten umarmt und wenige Sekunden später, hörte sie Thomas’ Stimme. „Hey, was machst du denn da, mein Schatz?“ „Ich ziehe meinen Overall an.“, erwiderte Biggi lächelnd. „Das sehe ich auch.“, meinte Thomas und begann sie zu kitzeln. „Ich fühle mich so einfach wohler, hier auf der Basis. Dann ist es so…wie früher.“, meinte sie schließlich, nachdem sie wieder aus dem Lachen herauskam und Thomas sie zärtlich in die Arme geschlossen hatte. Er nickte glücklich. „Hm, aber bald hast du es ja geschafft.“ Biggi erwiderte nichts, sondern begann ihn zu küssen. Sie standen eine ganze Weile so da, bis sie schließlich von der lauten Alarmglocke unterbrochen wurden. „Schwer verletzte Radfahrerin bei Berchtesgaden. GPS Koordinaten 47,55 Nord zu 11.98 Ost.“

„Thomas…hättest du etwas dagegen, wenn ich den Einsatz für dich fliegen würde?“, fragte Biggi plötzlich, als Thomas gerade zum Heli laufen wollte. Er sah sie überrascht an, damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Er zögerte einen Moment. Schließlich sollte Biggi sich noch nicht überanstrengen. „Aber nur wenn du mir versprichst, dass du ganz vorsichtig bist.“, sagte er dann. Biggi strahlte ihn an und drückte ihm dann noch schnell einen Kuss auf den Mund, bevor sie aus der Umkleide lief. Dabei rief sie noch „Versprochen“, dann war sie auch schon weg. Thomas blieb kopfschüttelnd in der Umkleide zurück. Ob es wirklich gut war, dass Biggi jetzt schon einen Einsatz flog? Einerseits hatten die Ärzte zwar gesagt, dass sie sich auf jeden Fall noch schon sollte, doch andererseits ging es ihr wirklich schon wieder ziemlich gut und man merkte ihr kaum mehr die Geschehnisse der letzten Wochen an. Darüber war Thomas unheimlich froh.

Schließlich ging auch er raus in den Flur, und blickte aus dem Fenster. Er sah die drei in den Heli einsteigen, Biggi dabei mit einem Strahlen im Gesicht, wie die Sonne es am heißesten Sommertag nicht hatte. Er musste lächeln. Souverän ließ Biggi die Turbinen an und hob dann mit einem Gewaltstart ab, wie Thomas ihn nur zu gut kannte. Er ließ ihr einen kleinen Kuss zufliegen, den sie natürlich nicht sehen konnte, und sagte leise: "Pass auf dich auf, mein Schatz." Als der rote Punkt am Himmel nicht mehr zu sehen war, verzog er sich schließlich in den Aufenthaltsraum. Da er nicht wusste, was er tun sollte, spielte er erst ein wenig mit dem Helicopter-Modell auf dem Tisch herum, und widmete sich dann der Fotowand neben der Küche. Sie war voller schöner Erinnerungsfotos, alle vom Team. Einmal bei der gemeinsamen Weihnachtsfeier vor einem Jahr, dann beim Betriebsessen im "Goldenen Löwen", beim gemeinsamen Skiurlaub in den Bergen im letzten Winter ... so was könnte man doch eigentlich wieder mal machen, dachte Thomas. Er war so unheimlich froh, in einem so tollen Team bei so gutem Arbeitsklima arbeiten zu dürfen, alle waren total stark untereinander befreundet, und obendrein hatte er auch noch die Liebe seines Lebens als Kollegin. Was wollte er mehr? Grinsend sah er sich das Foto an, auf dem man Biggi und ihn im Schnee erkennen konnte, als sie mal wieder herumbalgten. Dann fiel sein Blick plötzlich auf ein anderes Foto - ein Foto, das alles andere als ein Schmunzeln aus ihm hervorlocken konnte. Es war das Bild des gesamten Teams, am Basiseingang, und im Mittelpunkt erkannte man Herrn Ebelsieder. Sie hatten damals einen Preis überreicht bekommen, da sie bei einem besonders schwierigen Rettungseinsatz so erfolgreich gewesen waren, und das Bild hatte man sogar in vielen Zeitungen sehen können. Ebelsieder war damals furchtbar stolz auf sein Team gewesen. Und sie hatten sich damals auch relativ gut mit ihm verstanden. Wenn Thomas so an die Zeiten zurückdachte und revue passieren ließ, wie sich alles weiterentwickelt hatte, war er wirklich ratlos. Wie ein Mensch sich nur so verändern konnte? Aus einem einst großzügigen und wirklich Respekt schaffenden Chef war jemand geworden, dem Thomas in vielen Momenten am liebsten die Kehle umdrehen würde, weil er so etwas Schlimmes verbrochen hatte. In letzter Zeit hatte er, wie Biggi, alle Gedanken an ihn verdrängt. Aber doch würde er nun gern wissen, ob es denn irgendwelche Ergebnisse gab, irgendwelche Gründe, die sein Verhalten veranlasst hatten. Ohne Zweifel war das, was er getan hatte, nie wieder gutzumachen, ebenso wenig zweifelte Thomas daran, ihm nie wieder verzeihen zu können. Doch trotzdem würde er gern wissen, was aus dieser Person geworden war...

Biggi, Ralf und Gabi waren inzwischen beinahe am Unfallort angekommen. Biggis Grinsen hatte sich über ihr gesamtes Gesicht ausgebreitet. "Ach Freunde, gibt es denn was schöneres??", fragte sie und drehte sich um. Ralf lachte. "Nein, das glaube ich auch nicht. Was meinst du, Gabi?" Gabi war in Gedanken versunken gewesen, hatte geradeaus gestarrt, und hörte auch gar nicht, als Ralf sie ansprach. Daraufhin drehte er sich nach hinten. "Hey, Gabi!  Verwirrt drehte Gabi sich um. "Äh, was?" "Ich hab dich grade gefragt was du dazu meinst? Siehst du das auch so?" Gabi hatte nicht die geringste Ahnung, wovon er sprach, doch dann sagte sie einfach: "Ja, klar." Mit viel Mühe schaffte sie es sogar, Ralf anzulächeln. "Wo du nur wieder mit deinen Gedanken warst.", meinte Ralf dann nachdenklich. "Wo soll ich denn gewesen sein?" "Schon gut.", meinte Ralf und strich ihr über die Schulter, dann drehte er sich wieder um. Biggi entging das alles nicht. Zum ersten Mal wich ihr Grinsen aus dem Gesicht. Da stimmte doch was nicht. Das spürte sie genau. Das Gefühl hatte sie schon heute Morgen gehabt und sie wurde es partout nicht mehr los. Kein gutes Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass ihr Gefühl mal wieder in die richtige Richtung deutete. Sollte sie Gabi doch ansprechen?

Leider blieb ihr keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, denn sie waren bereits am Unfallort angelangt. Gabi und Ralf sprangen aus dem Heli und eilten der verletzten Radfahrerin entgegen, die umkreist von Ersthelfern und Schaulustigen am Straßenrand lag. Biggi holte einstweilen die Trage aus dem Heck. Oh, wie sie das vermisst hatte. Bevor sie sich zu Gabi und Ralf aufmachte, blickte sie nochmals nach hinten und sah ihren Engel an. Es war, als würde er zurücklächeln. Biggi begann wieder, zu strahlen und machte sich dann schließlich auf zu Gabi und Ralf. Die beiden hatten inzwischen mit der Versorgung der Verletzten begonnen. "Ralf, einmal Ringer, 500ml, und zieh mir einmal Phenta auf, in fünfprozentiger Glukoselösung, ok?" "Bin schon dabei.", meinte Ralf und widmete sich den Medikamententaschen. Währenddessen legte Gabi der Frau einen Zugang. Biggi kniete sich auf die andere Seite und fragte Gabi: "Und? Schlimm?" Gabi schüttelte den Kopf. "Sie kommt bestimmt durch." "Gut." Biggi sah Gabi zu, wie sie der Frau den Zugang legte. Plötzlich kam sie mit der Nadel von der Einstichstelle ab. Kurz hielt sie inne, fasste sich aber sofort wieder. Biggi erschrak. "Gabi, ist alles in Ordnung?" Gabi blickte auf. "Äh - ja, klar. Wieso nicht?" Ihre Blickte trafen sich, und Biggi lief ein kalter Schauer über den Rücken. Dieser Blick – sie kannte ihn gar nicht mehr. Gabis immer strahlende, blaue Augen waren einem bemitleidenswerten trübseligen und traurigen Anblick gewichen. Was war nur los mit ihr? Innerlich schimpfte Gabi mit sich. Sie durfte sich nichts anmerken lassen! Unter keinen Umständen! Sie hatte es doch gesehen, sie wusste es genau - Biggi hatte alles bemerkt. Sie durfte sich nicht darüber wundern, sie kannte Biggi doch, und noch schlimmer, Biggi kannte sie. Sie hatte sie wieder belogen. Egal, jetzt war auch schon alles egal. Eigentlich ging es ihr alles andere als gut. Ihr war plötzlich schrecklich übel geworden. Sie musste sich unheimlich darauf konzentrieren, nicht wieder daneben zu stechen. Es hing nicht nur das Leben der Frau davon ab, sondern irgendwie auch ihr eigenes. Wenn Biggi oder Ralf etwas bemerken würden und alles ans Licht kommen würde….Sie mochte überhaupt nicht daran denken. Schließlich schaffte sie es jedoch mit der Nadel eine Vene zu treffen und der Frau den Zugang zu legen.

Erleichtert atmete sie auf. ‚Das ist gerade noch mal gut gegangen’, dachte sie sich, doch sie wusste auch, dass sie aufpassen musste, dass ihr so etwas nicht noch einmal passierte.

Ralf und Gabi hatten die Patientin schnell transportfähig und trugen die Tragen zum Helicopter, während Biggi schon einmal die Turbinen anließ.

Der Flug zur Klinik verlief ohne weitere Zwischenfälle und Biggi landete den Heli souverän auf dem Dachlandeplatz der Klinik. Gabi begleitete das Ärzteteam, dass die Patientin in Empfang genommen hatte, noch bis nach drinnen und klärte die Ärzte über den Zustand der Radfahrerin auf.

Währenddessen stieg Biggi aus und stellte sich zu Ralf, der sich an den Heli gelehnt hatte. „Weißt du, ob irgendwas mit Gabriele los ist?“, fragte sie ihn nach einer Weile nachdenklich. Ralf sah sie erschrocken an. Biggi war es also auch aufgefallen, dass Gabi sich irgendwie seltsam verhielt. Was war nur mit ihr los und warum vertraute sie sich weder ihm noch Biggi, der sie sonst wirklich alles erzählte, an? „Ja, es ist mir auch schon aufgefallen, dass sie sich komisch verhält, aber sie hat mir nichts erzählt. Vielleicht hat sie nur einen schlechten Tag.“, erwiderte er, wobei er das eigentlich selbst nicht glaubte, dass Gabi nur einen schlechten Tag hatte. Ja, er wünschte es sich, doch eigentlich war er sich fast sicher, dass ihr merkwürdiges Verhalten einen Grund hatte. Biggi nickte. „Hoffentlich.“, meinte sie besorgt.

Dann kam Gabi auch schon zurück. Ralf und Biggi, deren Stimmen die Notärztin soeben noch gehört hatte, verstummten und Gabi ahnte, dass sie sich über sie unterhalten hatten. Sie sagte jedoch nichts. Wie konnte sie es ihnen verübeln, dass sie sich Sorgen um sie machten? Sie war doch selber schuld. Mit ihrem auffälligen Verhalten hatte sie ihnen doch nur den Anlass dafür gegeben. Sie verfluchte sich selbst dafür, doch nun konnte sie es auch nicht mehr ändern. „Dann können wir ja wieder los.“, meinte Biggi und sah Gabi dabei prüfend an. Diese nickte nur und stieg dann ein.

Biggi startete und sie flogen zur Basis. Nach kurzer Flugzeit hatten sie diese auch schon erreicht und Biggi setzte den Heli direkt auf der Landeplattform vor dem Hangar auf. Thomas war schon, als er das Rotorengeräusch aus weiter Ferne vernehmen konnte, nach draußen vor den Hangar gegangen. Biggi stieg aus de Heli aus und fiel ihm direkt in die Arme, sie strahlte übers ganze Gesicht. „Na, alles gut gegangen?“, fragte Thomas, obwohl er es sich bei Biggis Strahlen schon denken konnte. Biggi nickte glücklich. „Es war so herrlich die Welt wieder von oben zu sehen.“, schwärmte sie und gab ihm dann einen zärtlichen Kuss. Thomas war total glücklich, dass es Biggi so gut ging und bereute es kein bisschen, dass sie den Einsatz für ihn geflogen war. Sie setzten sich in das hohe Gras neben dem Hangar und Biggi erzählte Thomas von dem Einsatz. Dabei schweiften ihre Gedanken wieder zu Gabi. Sie hatte sich vorgenommen sie bei nächster Gelegenheit auf ihr merkwürdiges Verhalten anzusprechen. ‚Vielleicht hat sie wirklich nur einen schlechten Tag’, hoffte sie, doch sie wollte sich trotzdem vergewissern. „Hey, was ist denn?“, fragte Thomas sie plötzlich, als er merkte, dass Biggi nachdenklich geworden war. „Ich…ich glaube Gabi geht es nicht gut.“, meinte sie dann zögerlich, „Sie ist den ganzen Tag heute schon so komisch und gestern…“ „Hm, mir ist noch nichts aufgefallen, aber rede doch nachher einfach mal mit ihr, dann hast du ein beruhigtes Gewissen.“, schlug er vor. „Ja, das werde ich auch machen.“, stimmte Biggi ihm zu und blickte ihm dann verliebt in die Augen. Er strich ihr sanft über die Wange und küsste sie dann zärtlich.

Gabi saß derweilen auf dem Sofa im Aufenthaltsraum und sah gedankenverloren aus dem Fenster. Ralf saß neben ihr und hatte sie in den Arm genommen. Er hatte natürlich bemerkt, dass sie die ganze Zeit schon total abwesend war und dass sie irgendwas bedrückte. „Gabi, was ist denn los mit dir?“, fragte er sie schließlich zum wiederholten Mal. Sie schreckte aus ihren Gedanken auf. Oh nein, schon wieder hatte sie Ralf es merken lassen, wie es ihr wirklich ging. So sehr sie sich auch bemühte, sie schaffte es einfach nicht es zu verdrängen. Dafür saß der Schmerz zu tief, der Schmerz darüber, was Rene ihr angetan hatte, aber auch darüber, dass sie Ralf belogen hatte. Ja, ihr ganzes Leben baute jetzt auf einer Lüge auf und wenn die Wahrheit ans Licht käme, würde es zusammenfallen wie ein Kartenhaus. „Gabi, bitte, wenn du irgendetwas hast, dann sag es mir doch.“, bat Ralf, da sie nicht antwortete. „Verdammt noch mal ich hab nichts, mir geht es gut.“, antwortete sie gereizt. So kannte er sie gar nicht. Erschrocken blickte er sie an. „Entschuldigung.“, meinte Gabi dann jedoch sofort. Sie wollte Ralf gegenüber nicht so reagieren. Was konnte er denn dafür? Sie liebte ihn doch und hatte alles nur für ihn getan. „Ich bin einfach ein bisschen gereizt heute, tut mir Leid. Jeder hat mal einen schlechten Tag.“, erklärte sie ihm dann jedoch ganz ruhig. Sie hatte ihn schon wieder belogen ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. So konnte das nicht weitergehen, doch was sollte sie tun? Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen, dann wäre alles umsonst gewesen. Ralf nahm se noch fester in den Arm und zog sie ganz nah zu sich. Er glaube ihr, dass sie nur einen schlechten Tag hatte, er wollte es glauben, wollte es nicht wahrhaben, dass noch etwas anderes, etwas viel schlimmeres hinter ihrem auffälligen Verhalten steckte.

„Willst du jetzt wieder anfangen zu arbeiten?“, fragte Thomas Biggi nach einer Weile. Sie sah ihn erstaunt an. Mit der Frage hatte sie jetzt nicht gerechnet, sie hatte noch nicht weiter darüber nachgedacht. „Hm, eigentlich könnte ich das machen, oder was meinst du, mein Liebling?“, fragte sie ihn und drückte ihm einen kleinen Kuss auf den Mund. Thomas nickte. „Du wärest sowieso nur noch eine Woche krank geschrieben gewesen und man sieht ja richtig, wie du deinen Heli vermisst hast.“, erwiderte er. Biggi nickte. „Es ist richtig schön wieder hier zu sein. Ich hab das alles schrecklich vermisst.“ „Jetzt hast du es ja geschafft, hm?“, meinte Thomas lächelnd. „Jaaaa….“, erwiderte Biggi nur noch und sie begannen sich zu küssen. Sie war richtig glücklich und hätte am liebsten in diesem Moment die Zeit angehalten.

Das Schichtende des B Teams rückte näher und schließlich trat Peter aus seinem Wohncopter. Schmunzelnd beobachtete er Biggi und Thomas, die im hohen Gras lagen und sich küssten. Dann trat er in den Aufenthaltsraum, wo Gabi und Ralf noch immer auf dem Sofa saßen. Sie hatten in der letzten Stunde kaum ein Wort miteinander gesprochen. Gabi war mit ihren Gedanken ganz woanders, sie dachte nur aneine Person – Rene- immer wieder musste sie an ihn denken, konnte ihn nicht vergessen. Was hatte er ihr nur angetan. Und plötzlich stieß sie auf eine Frage, eine Frage, die sie noch viel verzweifelter machte. Würde er sie jetzt überhaupt in Ruhe lassen? Er hätte sie noch immer in der Hand und somit konnte er sie weiterhin erpressen, wenn er wollte. Daher hatte sie vorher noch gar nicht gedacht, sie war davon ausgegangen, dass nach dieser einen Nacht alles vorbei wäre, dass sie Rene und die Sache mit Christine vergessen könnte. Sollte sie sich etwa getäuscht haben?

Sie war unheimlich froh, dass Rene – aus welchen Gründen auch immer – heute nicht zum Dienst erschienen war. Sie wusste wirklich nicht, wie sie auf ein Wiedersehen mit ihm reagieren würde.

Nachdem Peter sie begrüßt hatte, setzte er sich zu ihnen und unterhielt sich ein wenig mir Ralf. Kurz darauf kam auch Michael und löste Gabriele ab. Nun konnten sie und Ralf sich endlich umziehen und nachhause fahren. Gabi freute sich darauf so sehr wie noch nie. Sie war total müde, hatte sie schließlich in der letzten Nacht kein Auge zugemacht, und wollte nur noch in ihr Bett und schlafen.

Biggi lag in Thomas’ Armen, ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen und war ein wenig eingedöst. Sie schreckte auf, als sie den Motor von Gabis Wagen hörte. Erst einige Augenblicke später bemerkte sie, dass Gabriele die Basis gerade verlassen hatte. Thomas hatte natürlich gemerkt, dass Biggi hoch geschreckt war. „Hey, was ist denn los?“, fragte er besorgt. „Ach nichts.“, beruhigte sie ihn, „Ich wollte doch nur noch mit Gabi reden und nun ist sie schon weg.“ „Dann ruf sie doch später an.“, schlug Thomas ihr vor. „Ja, gute Idee.“, gab Biggi zurück und bedankte sich mit einem Kuss bei ihm.

"Weißt du, sie kommt mir plötzlich so anders vor.", begann sie dann, Thomas zu erzählen, was sie bedrückte. "Was meinst du damit?" "Sie ist so ... so künstlich." Thomas blickte sie nur fragend an. "Früher, wenn sie gelacht hat oder mich angelächelt hat, hab ich sofort gewusst, das meint sie auch so. Irgendwie glaube ich, sagt ihr Äußeres plötzlich was ganz anderes aus als ihr Inneres. Und das genau seit dem Zeitpunkt, als sie zu uns in meine Wohnung kam. Ihr Herz wollte anders als sie's schließlich getan hat, da bin ich mir sicher. Ich kenne sie einfach zu lange um mich von so einer Fassade belügen zu lassen. Verstehst du?" Thomas nickte. Biggi sprach weiter: "Es muss wirklich was total schlimmes sein, wenn sie's nicht mal mir sagt. Thomas, ich mach mir echt Sorgen..." Biggi machte ein trauriges Gesicht. Thomas spürte, wie sehr sie das bedrücken musste. Und er verstand es auch. Klar, von der besten Freundin etwas vorgespielt zu bekommen, war hart. Und noch schlimmer - es war offensichtlich klar, dass Gabi etwas schreckliches zugestoßen sein musste und sie scheinbar nirgends mehr einen Ausweg sah, ansonsten hätte sie sich wohl ihren Freunden anvertraut. "Thomas, hast du was dagegen, wenn ich gleich zu ihr nachhause fahre?  "Meinst du, das ist eine gute Idee? Ich meine, wenn Ralf dabei ist?" "Ich weiß, es ist ja auch keine gute Idee, aber immer noch besser als sie anzurufen. Ich muss ihr in die Augen sehen können." "Du hast Recht. Fahr zu ihr. Aber komm bald wieder, ich vermisse dich nämlich jetzt schon..." Biggi musste lächeln und legte sich langsam auf ihn. "Dafür bekommst du auch einen extraschönen Abschiedskuss." "Hört sich gut an ... das muss aber ein besonders schöner sein, ok?" "Du kannst ihn ja dann nachher beurteilen...", entgegnete Biggi leise. Dann küsste sie ihn erst leicht am Hals, und näherte sich so immer mehr seinen Lippen, bis sie diese schließlich zärtlich berührte. Thomas legte die Arme um sie, und sie verfielen in einen immer leidenschaftlicheren Kuss...

Nach mehreren Minuten erst konnten sie voneinander ablassen. Biggi blickte ihm tief in die Augen, und fragte dann: "Und? Wie war's?" "Bin sprachlos.", entgegnete Thomas, und sie mussten beide lächeln. "Weißt du eigentlich, wie froh ich bin, dass es dich gibt?", fragte Biggi dann und legte ihren Kopf auf seine Brust. "Nein, wie denn?" "Da gibt's keine Worte dafür, ich muss passen.", antwortete Biggi darauf und erntete dafür eine innige Umarmung von Thomas. Dann küssten sie sich nochmals, bis sie schließlich schweren Herzens voneinander abließen und Biggi sich auf zum Auto machte - Thomas hatte ihr den Schlüssel gegeben, da sie ja mit ihm und nicht auf ihrem Motorrad gekommen war.

Als sie gerade einsteigen wollte und Thomas sah, wie er ihr von der Wiese aus sehnsüchtig hinterher blickte, drehte sie sich noch mal ruckartig um und rannte zu ihm zurück. Sie fiel ihm in die Arme, und es folgte ein weiterer Abschiedskuss. "Bleib mir nicht zu lange weg, ok?" "Niemals, das würd ich nie aushalten." "Dann ist ja gut", meinte Thomas, blickte sie verliebt an und ließ sie endgültig von dannen ziehen. Er winkte ihr noch hinterher und lächelte, als sie ihm ein Küsschen zuwarf.

Währenddessen waren Gabi und Ralf an der Wohnung angelangt. Ralf musste dringend mit Gonzo nach draußen, zum Gassi gehen, der arme Hund hatte sein Geschäft bereits dringend nötig. Gabi begab sich einstweilen ins Bad, wo sie sich erschöpft am Waschbecken abstützte und schließlich in den Spiegel sah. Sie sah ja verdammt schlecht aus, bemerkte sie. Bleich, als wäre sie gerade erst aus dem Grab aufgestanden, die Haare unordentlich zerzaust, ihre Augen trübselig, die Haut fahl und ihr Gesichtsausdruck verzweifelt. Endlich konnte sie den Gesichtsausdruck auflegen nachdem ihr zumute war. Es hatte ihr richtig viel Energie gekostet, andauernd ein Lächeln aufzusetzen und zu versuchen, fröhlich zu wirken. Zumindest, so wie immer zu wirken. Und was hatte es gebracht? Gar nichts. Ralf hatte es bemerkt, Biggi hatte es bemerkt. Sie war wirklich eine verdammt miserable Schauspielerin. Aber wahrscheinlich hätte selbst die begabteste und talentierteste Schauspielerin der Welt die Verzweiflung nicht überspielen können, die in ihrem Herzen brodelte. Nein, unmöglich. Plötzlich überkam sie wieder so ein Anfall von Übelkeit. Sie taumelte, und schaffte es schließlich gerade noch, sich auf die Toilettenschale fallen zu lassen. Sie hielt sich die Hand auf den Bauch. Irgendetwas stimmte nicht. Das wusste sie genau.

Plötzlich klingelte es an der Wohnungstür. Oh nein, Ralf war schon wieder zurück. Doch Ralf befand sich immer noch auf dem Spazierweg im Park und versuchte, Gonzo dazu zu bewegen, sein Geschäft zu verrichten. Vor der Tür stand eine ganz andere...Biggi.

Gabi erhob sich ganz langsam wieder und taumelte zur Tür. Sie stützte sich im Türrahmen ab und schaffte es dann bis zur Wohnungstür, wo Biggi nun schon zum dritten Mal klingelte. Sie wollte gerade umdrehen und wieder gehen, als Gabriele langsam die Tür öffnete. Sie hatte fest mit Ralf gerechnet und war total überrascht Biggi zu sehen. „Biggi?“, brachte sie leise hervor. Diese war erschreckt bei Gabis Anblick. Sie sah ja noch viel schlimmer aus als heute auf der Basis. „Darf ich reinkommen?“, fragte sie zögerlich. Gabi nickte langsam und ließ Biggi rein. Dann setzten sie sich zusammen ins Wohnzimmer. „Möchtest du etwas trinken?“, bot Gabi ihr an, doch Biggi lehnte ab. „Nein, danke.“ Sie wollte einfach nur wissen, was mit ihrer besten Freundin plötzlich los war. Vielleicht konnte sie ihr ja helfen. „Gabi…der Grund warum ich eigentlich hergekommen bin, ist…“, begann sie zögerlich. Gabi sah sie mit einem verzweifelten Blick an, sie ahnte, worauf Biggi hinaus wollte. „Weil ich mir Sorgen um dich mache.“, vollendete Biggi ihren Satz. „Warum? Mir geht es doch gut.“, antwortete Gabi sofort und musste sich dabei sehr bemühen ihre wahren Gefühle zu zeigen. Biggi blickte sie zweifelnd an. „Gabi, wir kennen uns nun schon so lange, du weißt, dass du mir nichts vormachen kannst. Ich merke doch genau, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt. Du weißt doch, dass du mir immer alles erzählen kannst…“, die Verzweiflung in Biggis Stimme war kaum zu überhören. Sie wollte Gabi einfach nur helfen, nur wie, wenn sie ihr nicht erzählte , was los war? Gabi sah Biggi immer noch an – mit diesem verzweifelten Blick. Sie rang mit sich. Wie gern hätte sie Biggi alles erzählt, sich von ihr trösten lassen und einfach jemandem alles anvertrauen können. Doch andererseits sagte ihr ihr Verstand, dass sie es nicht tun durfte, sie würde dadurch alle riskieren. „Ach, Biggi.“, meinte sie nur leise, wobei ihr eine Träne über die Wange lief. „Gabi, wir haben doch bis jetzt immer alles wieder hinbekommen. So schlimm kann es doch gar nicht sein. Aber selbst wenn, egal wie schlimmes ist, sag mir doch wenigstens, was du hast.“, erwiderte Biggi und nahm ihre Freundin tröstend in den Arm. Wie gern hätte Gabi das getan, ihr gesagt, was sie hatte. „Biggi…ich…ich kann dir das nicht sagen… es geht nicht… wenn du es wüsstest, würdest du es verstehen, ich kann dich da nicht mit reinziehen.“, sagte sie unter Tränen. Biggi verstand jetzt gar nichts mehr. ‚Immerhin, streite sie nicht mehr ab, das etwas nicht in Ordnung ist.’, dachte sie sich, doch helfen konnte sie Gabi auch nicht, solange sie nicht wusste, was es war. Sie musste es einfach herausfinden, so konnte es nicht weitergehen, sie musste Gabriele einfach helfen. Gabi hatte ihr auch schon so oft geholfen, sie konnte sie jetzt nicht im Stich lassen. „Gabi, ich verspreche dir zusammen schaffen wir das. Bis jetzt haben wir doch immer alles geschafft.“, unternahm sie einen letzten Versuch. Gabi blickte sie mit tränengefüllten Augen an. „Biggi…ich…ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll…“, begann sie dann. Biggi war sich sicher, dass Gabi jetzt dazu bereit war es ihr zu erzählen. Sie nahm sie beruhigend in den Arm und sah sie dann auffordernd an. Gerade als Gabriele dazu ansetzte weiterzuerzählen, hörte man wie sich ein Schüssel umdrehte und wenig später die Haustür geöffnet wurde. Ralf war zurück und Gonzo lief wenige Augenblicke später schwanzwedelnd ins Wohnzimmer.

Gabi warf Biggi einen noch verzweifelteren Blick zu als zuvor. Ihr war klar, dass auch Ralf nichts von Gabis Problem wusste und dass er anscheinend auch unter keinen Umständen etwas davon erfahren sollte. Wenige Sekunden später betrat Ralf auch schon das Wohnzimmer. „Oh, hallo Biggi.“, sagte er erstaunt. „Hallo Ralf.“, begrüßte auch sie ihn, obwohl sie nichtwirklich froh darüber war ihn jetzt zusehen. Nicht in dieser Situation. Gerade wollte Gabi ihr ihr Geheimnis anvertrauen und nun kam Ralf dazwischen. Doch Biggi wusste, dass er ja nichts dafür konnte und das nicht ahnen konnte. „Ja, ähm, ich geh dann mal wieder. Ich bin mit Thomas’ Auto hier und seine Schicht ist bald zu Ende, dann muss ich wieder auf der Basis sein.“, sagte sie dann.  Gabi nickte und brachte ihre Freundin noch bis zur Tür. „Danke, dass du vorbeigekommen bist.“, meinte sie dann noch und sah Biggi mit einem unendlich traurigen Blick an. „Hey, das ist doch selbstverständlich. Gabi wenn du Hilfe brauchst, oder wenn du reden willst, du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst – jederzeit.“, erwiderte Biggi. Gabi nickte dankbar. Dann umarmten sie sich noch einmal, bevor Biggi endgültig zum Auto ging und zurück zur Basis fuhr.

Sie dachte die ganze Fahr über nur an Gabi. Irgendetwas total Schlimmes musste sie bedrücken, sonst hätte Gabi es ihr schon längst anvertraut. Sie erzählten sich normalerweise alles, auch die intimsten Geheimnisse, von denen sonst kein Mensch etwas wusste. Biggi erinnerte sich, dass sie Gabi schon vor langer Zeit anvertraut hatte, dass sie sich hoffnungslos in Thomas verliebt hatte, noch lange bevor sie und Thomas zusammen gekommen waren. Und Gabi war die einzige gewesen, der Biggi es überhaupt erzählt hatte, bevor sie und Thomas sich näher gekommen waren. Ebenso war es andersherum gewesen. Biggi war die erste, die von Gabriele erfahren hatte, dass sie und Ralf ein Paar waren. Ebenso wenn Gabi ein Problem mit ihrer Mutter hatte, immer war Biggi die erste gewesen, der sie es erzählt hatte.

Biggi grübelte, was es sein konnte, das so schlimm war, dass Gabi es nicht einmal ihr anvertraute. Ihr fiel nichts ein. Stress mit Ralf? Nein, das hätte Gabi ihr erzählt. Ebenso, wenn es mit ihrer Mutter zu tun hätte. Nein, das konnte es nicht sein. Aber was war es dann? Biggi war ratlos, ihr fiel wirklich nichts ein, was passen könnte.

Plötzlich wurde sie von einem lauten Hupen aus den Gedanken gerissen. Sie starrte erschrocken auf die Straße. Sie hatte nicht aufgepasst und einem anderen Fahrzeug die Vorfahrt genommen und wenn der andere Fahrer nicht gerade noch reagiert hätte, dann wäre es zum Crash gekommen. Biggi war mit ihren Gedanken soweit weg gewesen, dass sie sich überhaupt nicht mehr auf die Straße konzentriert hatte. Der andere Autofahrer hupte noch einmal und zeigte ihr einen Vogel, dann fuhr er weiter. Biggi wurde bewusst, dass sie um Haaresbreite einen Unfall gebaut hatte. Was hätte alles passieren können, wenn der andere Autofahrer nicht gebremst hätte? Sie war total fertig und hatte große Mühe sich auf die Straße zu konzentrieren. Als sie endlich die Basis erreicht hatte, war sie heilfroh. Sie machte den Motor aus und atme dann erst einmal tief durch.

Gerade als sie ausstieg, kam Thomas, der gesehen hatte, dass Biggi wiedergekommen war,  aus der Basis und ging auf sie zu. Biggi lief zu ihm, ließ sich in seine Arme fallen und begann zu schluchzen. Thomas erschrak. Was war los mit Biggi? Er nahm sie liebevoll in den Arm und ging dann erstmal mit ihr in den Aufenthaltsraum, wo sonst niemand war. Dort setzte er sich mit ihr im Arm aufs Sofa und versuchte sie zu beruhigen und herauszubekommen, was los war. „Hey, Biggi, was ist denn los?“, fragte er sie lieb. Biggi sah auf und Thomas blickte in ihre verweinten Augen. „Ich glaube der Tag heute war einfach zu viel für mich.“, sagte sie dann leise und lehnte ihren Kopf dann wieder an seine Brust. Thomas nahm sie ganz fest in den Arm und streichelte ihr beruhigend über den Rücken. Biggi weinte in seinen Armen und er hatte Mühe sie zu beruhigen.

Kurze Zeit später betrat Michael den Aufenthaltsraum, blieb jedoch an der Tür stehen, als er Thomas und Biggi sah. Thomas deutete ihm mit der Hand an, sie alleine zu lassen und so ging Michael wieder.

Als Biggi sich wieder halbwegs beruhigt hatte, begann sie Thomas zu erzählen, was passiert war. „Ich…ich hätte vorhin fast einen Unfall gebaut.“, sagte sie leise. Thomas erschrak, als er das hörte. „Wie konnte das denn passieren?“, fragte er sie besorgt. „Ich weiß nicht.“, antwortete Biggi leise, „Ich…ich musste immer an Gabi denken.“ Thomas nickte verständnisvoll. „Hat das Gespräch denn wenigstens geholfen?“, erkundigte er sich dann. Biggi zuckte mit den Schultern. „Ich glaube wollte mir gerade erzählen, was los ist, als Ralf, der mit Gonzo Gassi gehen war, zurückkam. Aber wenigstens, weiß ich jetzt, dass ich es mir nicht nur eingebildet habe, obwohl ich mir wünschte, dass es so gewesen wäre. Wenn ich doch nur wüsste, was mit ihr los ist.“ Biggi hatte wieder Mühe die Tränen zurückzuhalten. Die Sache mit Gabi nahm sie mehr mit, als sie es zugeben wollte. Gabi tat ihr so leid, Biggi hatte ja selbst gemerkt, wie verzweifelt sie war. Wie konnte sie ihr nur helfen? Gar nicht, wenn Gabriele ihr nicht sagte, was sie bedrückte. Erst die Sache mit Gabi und dann hätte sie auch noch fast einen Unfall verursacht. ‚Was hätte alles passieren können?’, schwirrte es Biggi immer wieder durch den Kopf. „Lass mich nicht los, ja?“, bat sie Thomas, der sie noch immer im Arm hielt, dann. „Das werde ich bestimmt nicht tun.“, versprach er ihr und zog sie noch näher an sich. Biggi kuschelte sich ganz nah an ihn. Sie beruhigte sich ganz langsam wieder. „Die Schicht ist zum Glück gleich zu Ende. Komm, wir gehen uns umziehen und dann fahren wir erst mal nachhause. Da kannst du dich erst einmal ausruhen von diesem Tag und ich koche uns was schönes. Was hältst du davon?“, schlug Thomas vor. „Klingt gut.“, antwortete Biggi und gab ihm einen Kuss. Dann standen sie auf und gingen in die Umkleide.

Gabi saß währenddessen noch immer mit Ralf zusammen im Wohnzimmer. Er wollte nun endlich wissen, was mit ihr los war, hielt es nicht mehr aus, sie so fertig zusehen, sie so leiden zu sehen. Er wollte wisse, was mit ihr los war und zwar sofort. Und dieses Mal würde er sich nicht mit irgendeiner Ausrede abspeisen lassen. „Gabi, ich muss mit dir reden…“, begann er zögerlich und durchbrach damit das Schweigen, das die letzten Minuten angedauert hatte. Gabi sah ihn und wieder erkannte Ralf diesen Verzweifelten Ausdruck in ihren Augen. „Gabi, bitte sag mir endlich, was los ist!“, forderte er sie dann auf. „Was soll denn schon los sein?“, erwiderte Gabi wie bis jetzt immer auf diese Frage. Sie musste sich sehr bemühen nicht in Tränen auszubrechen. Wenn sie sich doch nur Ralf anvertrauen könnte, sie hatte das alles doch nur für ihn getan, nur für ihn und für ihre Beziehung. „Gabriele, bitte, hör auf mir etwas vorzumachen. Ich möchte jetzt wissen, was los ist. Oder ist das deine Vorstellung von Beziehung, dass man solche Geheimnisse voreinander hat und mit dem anderen nicht darüber reden kann?“, forderte Ralf sie erneut auf. Gabi wurde immer verzweifelter. Sie fühlte sich von Ralf total in die Enge getrieben. Warum konnte er denn nicht einsehen, dass sie ihm nichts sagen konnte? Natürlich, weil er nicht wusste, wie ernst de Sache war. Immer wieder redete er auf Gabi ein, aber glaubte bald jedoch schon selbst nicht mehr daran, dass er es schaffen würde sie dazu zu bringen ihm ihr Geheimnis, was auch immer es war, anzuvertrauen. Irgendwie kränkte ihn das. Sonst waren sie immer offen zueinander, hatten nie Geheimnisse. Und nun verheimlichte Gabriele etwas vor ihm, etwas ziemlich schlimmes, sowie es aussah. Hatte er sich irgendwie falsch verhalten? Hatte er sich zu wenig um sie gekümmert? Zu viel an sich gedacht? Oder war es die Sache mit Christine? Vertraute sie ihm deshalb jetzt nicht mehr? Ralf schwirrten alle möglichen Gedanken durch den Kopf, doch er kam zu keiner Antwort. Gabi hielt es schließlich nicht mehr aus, seine ganzen Fragen und Aufforderungen ihm doch endlich zu sagen, was denn los sei. Sie stand auf, lief ins Schlafzimmer und schoss die Tür hinter sich ab. Dann ließ sie sich weinend aufs Bett fallen. Sie konnte einfach nicht mehr. So konnte es nicht weitergehen, sie spürte, dass Ralf nicht mit der Situation klarkam, genauso wenig, wie sie es selbst tat.

Ralf ließ seinen Kopf verzweifelt in seine Hände sinken. Was hatte er nun schon wieder angerichtet? Er wollte Gabi doch nur helfen, warum sagte sie ihm denn nicht, was los ist? Langsam stand er auf und ging zur Schlafzimmertür. „Gabi, bitte schließ auf.“, flehte er, als er bemerkte, dass sie sich eingeschlossen hatte. Doch Gabi lag noch immer auf dem Bett, vergrub ihren Kopf in der Bettdecke und schluchzte. Sie wollte einfach nur noch alleine sein und dachte gar nicht daran aufzumachen. Am liebsten wollte sie einfach nur weg, raus aus ihrem Körper und alles vergessen, was vorgefallen war. Sie hoffte nur, dass sie Rene niemals wieder sehen würde. Jetzt wo Biggi wieder anfangen wollte zu arbeiten, brauchten sie den Aushilfspiloten schließlich nicht mehr. Sie wusste wirklich nicht, wie sich verhalten würde, wenn sie ihm noch einmal gegenüber treten müsste und hoffte einfach nur das alles irgendwann vergessen zu können.

Biggi und Thomas hatten sich bereits umgezogen und wollten sich noch von Michael und Peter verabschieden, die im Hangar waren und Max halfen etwas am Helicopter zu reparieren. „Tschüss ihr drei!“, verabschiedeten Biggi und Thomas sich von ihnen. „Tschüss, bis morgen.“, erwiderten Max, Peter und Machel und sahen den beiden noch nach, wie sie den Hangar verließen.

Thomas und Biggi hatten beschlossen zu Biggi zu fahren, denn Thomas dachte sich, dass es wohl besser wäre, wenn er und Biggi den Abend nach dem heutigen Tag ungestört verbringen können würden und sie ihre Ruhe hätten.

Gleich nachdem sie in Biggis Wohnung ankamen, legte sie sich aufs Sofa, während Thomas in der Küche verschwand. Er konnte zwar nicht so gut kochen wie Biggi, aber er gab sich große Mühe und probierte ein neues Reisgericht, das er in einem Kochbuch gefunden hatte, aus. Biggi hingegen hatte sich in eine Decke gekuschelt und dachte nun über die heutigen Ereignisse nach. Die Sache mit Gabi ließ sie einfach nicht los und sie musste immer wieder daran denken. Was war nur mit ihrer besten Freundin passiert?

Thomas hatte das Essen ziemlich schnell fertig und Biggi war froh darüber, denn sie hatte schon richtig Hunger. Er kam mit zwei Tellern ins Wohnzimmer, stellte sie auf dem Tisch ab und setzte sich dann zu Biggi aufs Sofa.

Sie setzte sich auf und dann probierten sie gemeinsam Thomas’ Kochkünste. „Hey, das schmeckt gar nicht schlecht, demnächst lasse ich mich öfter von deinen Kochkünsten verwöhnen.“, meinte Biggi, nachdem sie probiert hatte, und lächelte Thomas dankbar an. „Kannst du gern haben, für dich mach ich das doch immer.“, erwiderte er und gab ihr einen zärtlichen Kuss, den Biggi erwiderte. Sie fand es total lieb von Thomas, dass er immer merkte, wenn es ihr nicht so gut ging und sich dann um sie kümmerte.

„Ich bin müde, lass uns ins Bett gehen, ok?“, fragte Biggi nach dem Essen. Thomas nickte. „Komm“, meinte er, während sie aufstanden und er seinen Arm um Biggi legte. Sie gingen zusammen ins Schlafzimmer, wo sie sich dann auch gleich ins Bett sinken ließen. Biggi kuschelte sich ganz nah an Thomas, der sie liebevoll in den Arm genommen hatte. „Alles ok?“, fragte er dann noch einmal ein wenig besorgt nach. Biggi sah ihm in die Augen und nickte dann. „Alles ok.“ Thomas streichelte ihr beruhigt über den Rücken und gab ihr dann einen Gutenachtkuss. „Thomas?“ „Ja?“ „Danke.“ „Danke wofür?“, fragte er. „Dafür, dass du da bist.“, antwortete Biggi und kuschelte sich noch näher an ihn. Thomas küsste sie auf die Stirn und meinte dann. „Das ist doch selbstverständlich, ich liebe dich doch.“ Biggi blickte ihn dankbar an. „Ich dich auch.“ Dann schlief sie erschöpft von dem anstrengenden Tag in seinen Armen ein. Thomas lächelte, als er bemerkte, dass Biggi eingeschlafen war. Er versuchte sich nicht zu bewegen, um sie nicht aufzuwecken und  schlief wenige Minuten später auch ein.

Als Gabi am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich total elend – immer noch. Sie bemerkte nach einigen Augenblicken, dass sie sich gar nicht umgezogen hatte und noch mit ihrer Hose und ihrem Shirt im Bett lag – nein, auf dem Bett. Langsam holte sie der vergangene Abend wieder ein. Ja, genau, sie hatte sich eingeschlossen. Dann musste sie wohl hier auf dem Bett eingeschlafen sein. Aber wo war Ralf? Gabi stand hastig auf und schloss die Tür auf. Als sie gerade aus dem Schlafzimmer treten wollte, wäre sie fast über ihn gestolpert, denn Ralf lag im Türrahmen gelehnt auf dem Boden vor dem Schlafzimmer und war dort ebenfalls eingeschlafen. Vorsichtig trat sie über ihn herüber und kniete sich dann zu ihm herunter. „Ralf…Ralf…“ Ralf wachte nicht auf. Er hatte die halbe Nacht wach gesessen und es erst in den frühen Morgenstunden aufgegeben Gabi anzuflehen, ihm doch endlich die Tür aufzuschießen. Schließlich rüttelt Gabi ihn leicht an der Schulter und er wachte auf. „Gabi?“, fragte er irritiert, als er sah, dass sie neben ihm kniete. Dann erst bemerkte er, dass er auf dem Boden im Flur übernachtet hatte. Sein Rücken schmerzte und viel geschlafen hatte er auch nicht.

Langsam richtete er sich auf. Auch Gabi stand wieder auf. Sie sah ihm in die Augen und meinte dann leise. „Ralf, es tut mir so Leid…ich …ich weiß auch nicht, was gestern mit mir los war. Wahrscheinlich war das einfach alles ein bisschen zu viel in letzter Zeit, bitte verzeih mir.“ Dabei versuchte sie ihren traurigen Unterton so gut es ging zu überspielen und betont glücklich zu wirken. Sie biss sich auf die Zunge. Schon wieder hatte sie ihn angelogen. Doch sie musste ihr Verhalten vom gestrigen Abend unbedingt wieder gut machen. Sie liebte Ralf doch und wollte ihn auf  keinen Fall kränken. „Ach Gabi…“, erwiderte er nur und schloss sie ganz fest in seine Arme. Sie schmiegte sich an ihn und schloss für einen Moment die Augen. Sie genoss einfach nur seine Nähe und seine Wärme und konnte für einen Moment lang alles vergessen, was geschehen war.

Ralf war unheimlich froh, dass es ihr wieder besser ging. Wahrscheinlich war es wirklich nur der ganze Stress gewesen. Das hoffte er zumindest. Er wollte sich in diesem Moment allerdings auch keine Gedanken mehr darüber machen, sondern war einfach nur überglücklich, dass es Gabi wieder besser zu gehen schien. Wie es jedoch in ihr drin aussah, ahnte er nicht. Sie schaffte es an diesem Morgen wirklich gut ihm etwas vorzuspielen.

Die nächsten Wochen vergingen und Gabriele ließ es sich nur selten anmerken, dass die Geschichte mit Rene ihr sehr zu schaffen machte. Sie war nur unheimlich froh, dass sie ihn nicht mehr sehen musste, da Biggi nun ja wieder im Dienst war. Doch vergessen konnte sie die ganze Geschichte einfach nicht. Sie musste immer wieder daran denken, sah Rene immer wieder vor sich.

Ralf hatte sich inzwischen schon fast daran gewöhnt, dass Gabriele ab und an – immer dann wenn sie es einfach nicht mehr schaffte ihre wahren Gefühle zu verbergen – nachdenklich und extrem traurig wirkte. Doch er hatte aufgehört sie nach dem Grund zu fragen, da er sowieso wusste, dass er wieder dieselbe Antwort bekommen würde. „Ich habe nur ein bisschen viel Stress, es ist wirklich alles in Ordnung.“ Auch Biggi hatte sich jedes Mal, wenn sie Gabi darauf ansprach damit zufrieden geben müssen, auch wenn sie es ihrer Freundin noch immer nicht ganz abnahm, dass alles in Ordnung war. Sie hatte noch immer dieses merkwürdige Gefühl, dass etwas nicht stimmte und ihr Gefühl hatte sie eigentlich noch nie getäuscht.

An diesem Morgen, es war bereits Dezember und schon ziemlich kalt draußen, hatte das B Team die erste Schicht. Biggi stand am Fenster und sah nach draußen. ‚Jetzt fehlt nur noch der Schnee für die perfekte Weihnachtsstimmung.’, dachte sie sich und musste schmunzeln. Schließlich setzte sie sich zu Gabriele aufs Sofa. Diese hatte heute einen schlechten Tag. An einigen Tagen hatte sie es schon geschafft kaum noch an die Nacht mit Rene zu denken, doch an anderen Tagen – und so einer war heute – dachte sie wieder einmal unentwegt daran. „Was hältst du davon, wenn wir beide mal wieder einen Abend etwas zusammen unternehmen, ein Frauenabend, ganz ohne Männer.“, schlug Biggi Gabi vor. Sie hatten schon eine ganze Zeit nichts mehr zusammen unternommen. Gabi hätte schon Lust gehabt, doch ihr ging es heute nicht so gut. Irgendwie war ihr schrecklich übel. Sie wusste selbst nicht genau, woher es kam, wahrscheinlich musste sie etwas Falsches gegessen haben. „Können wir das nicht auf nächstes Wochenende verschieben, mir… mir geht’s heute nicht so gut….“, Gabi hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, als sie fluchtartig aus dem Aufenthaltsraum rannte und sich über der Toilette übergeben musste. Biggi war ihr nachgelaufen und wartete nun an der Tür. „Alles ok?“, rief sie Gabi zu. „Ja, es geht schon wieder…“, antwortete diese, obwohl ihr eigentlich immer noch genauso übel war wie zuvor. Sie taumelte zum Waschbecken, stützte sich dort ab und drehte das kalte Wasser auf. Dann hielt sie ihr Gesicht unter den Wasserhahn. Schließlich erneuerte sie ihr Make-up, das vom Wasser verwischt war, und ging wieder nach draußen zu Biggi, die noch immer vor der Tür wartete. „Ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte sie Gabi noch einmal besorgt. „Ja, du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen, Biggi. Ich habe wohl was falsches gegessen, mehr nicht.“, beruhigte sie sie. „Willst du dann denn nicht lieber nachhause fahren, wenn es dir nicht gut geht?“ „Nein, lass mal, die Schicht ist doch sowieso gleich zu Ende.“, erwiderte Gabi. Biggi nickte, die B Crew hatte wirklich nicht einmal mehr eine halbe Stunde Schicht.

Ralf hatte von all dem nichts mitbekommen. Er war kurz zu Peter in den Wohncopter verschwunden, da er seinem Freund versprochen hatte ihm zu helfen. Peter wollte versuchen eine Heizung im Wrack zu installieren, da die frostige Kälte, die draußen herrschte, es ziemlich unerträglich in dem alten Helicopter machte. Peter saß die ganzen letzten Tage schon nur mit einer dicken Jacke in seiner „Wohnung“, wobei er meistens sowieso mit dem warm geheizten Aufenthaltsraum vorlieb nahm. Schließlich hatten die beiden es fast geschafft und Ralf beschloss zurück in den Hangar zu gehen. Den Rest würde Peter auch alleine schaffen, zudem wollte er sich gleich nach seinem Schichtende umziehen und mit Gabi zusammen nachhause fahren.

Gabi hatte sich wieder aufs Sofa gesetzt und Biggi hatte ihr einen Kräutertee gemacht, der angeblich gut sein sollte gegen Magenverstimmungen. Gerade als die Pilotin Gabi die Tasse gereicht hatte, sah sie, wie Thomas sein Auto auf dem Parkplatz abstellte, ausstieg und auf die Basis zukam. Sie zögerte nicht lange, lief raus und begrüßte ihn stürmisch. Thomas schloss sie in die Arme, hob sie dann hoch und drehte sich mit ihr zusammen im Kreis. „Und, war die Schicht anstrengend?“, fragte er dann, als er sie langsam wieder runter ließ. Biggi schüttelte den Kopf. „Nein, es war alles ruhig.“ "Verstehe.", meinte Thomas und musste grinsen. "Was hast du denn?", fragte Biggi ihn vorsichtig. "Dann hast du ja noch ein paar Reserven...", fuhr Thomas fort und ehe Biggi sich umsehen konnte, waren sie schon beide im Gras gelandet und er kitzelte sie von oben bis unten. "Och, warum ist nur kein Schnee da, ich hätte dich jetzt so gern eingeseift.", meinte Thomas und legte sich über sie. Sie musste grinsen. "Wieso willst du mich denn einseifen? War ich etwa böse?" "Können Engel denn böse sein?", fragte Thomas zurück. Biggi musste lächeln und Thomas neigte sich langsam zu ihr herab, bis sich ihre Lippen berührten und sie in einen zärtlichen Kuss versanken. "Was hältst du davon, wenn wir heute Abend schön essen gehen?", schlug Thomas anschließend vor. "Ich bin neulich über ein richtig hübsches Restaurant in Traunstein geflogen.", meinte er viel versprechend. "Oh, wie schön. Wieso nicht?", stimmte Biggi gerne zu. Sie freuten sich sehr auf den gemeinsamen Abend, und anschließend würden sie es sich zuhause richtig gemütlich machen. Wieder küssten sie sich zärtlich...

Währenddessen hatte Ralf sich in den Umkleideraum begeben, er freute sich schon riesig darauf, mit Gabi nachhause zu fahren und dort einen schönen Feierabend zu verbringen. Hoffentlich würde Michael bald kommen, denn bis dahin musste Gabi noch Stellung halten. Als sie so allein im Aufenthaltsraum saß und lustlos an Biggis liebevoll gekochtem Tee nippte, überkam sie plötzlich wieder so ein Übelkeitsgefühl. Sie musste die Tasse abstellen und war nahe daran, sich wieder zu übergeben, hielt es aber zurück und fasste sich an den Bauch. Was war denn nur los?? Hatte sie etwas Falsches gegessen? Das konnte doch gar nicht sein. Sie hatte in den letzten Tagen immer nur das langweilige Übliche gegessen, Ralf und sie waren schon einige Zeit nicht mehr in ein Restaurant gegangen oder aus gewesen. Was aber war es dann? Sie hatte ein äußerst komisches Gefühl. Plötzlich überkam es sie wieder, und diesmal konnte sie nichts dagegen tun - sie hielt sich die Hand vor den Mund und raste zur Toilette. Dort übergab sie sich abermals. Als es vorbei war, sank sie an der Kabinenwand in der Toilette zu Boden und stützte den Kopf in die Hände. Ihr war soo übel. Ausgerechnet jetzt das alles, wo sie gerade wieder ein wenig begonnen hatte mit ihren Erinnerungen zu leben und das Leben ein wenig zu genießen, vor allem die Liebe zu Ralf, die sie ja ohne dieses schreckliche Ereignis vor ein paar Wochen hätte aufgeben müssen. Nach einiger Zeit stützte sie sich an der Toilettenschale ab und stand auf. Dann hielt sie wie schon vorhin ihr Gesicht unter kaltes Wasser, wobei sie sich aber am Waschbecken festhalten musste, da ihr mit jedem Übelkeitsanfall schwummriger wurde. Ihr Herz klopfte wie wild und sie versuchte, ruhig durchzuatmen. All das wurde ihr langsam zuviel. Von draußen hörte sie dann plötzlich die Stimmen der anderen, unter anderem Michaels, und atmete erleichtert auf. Endlich konnte sie nachhause. Sie ging durch die Verbindungstür zwischen Toilette und Umkleide zu ihrem Spind und zog sich langsam um, obgleich sie versuchte, sich zu beeilen. Doch Biggi konnte sie trotzdem nicht abpassen. Die Pilotin betrat wenig später ebenfalls den Umkleideraum. "Ah, da bist du ja, hast dich schon davongeschlichen.", meinte Biggi lächelnd. Doch als sie Gabis blasses Gesicht und den erschöpften Ausdruck in ihren Augen sah, verging ihr das Lächeln. "Hey, um Gottes Willen, musstest du dich schon wieder übergeben?" Sie kam auf sie zu und legte Gabi liebevoll einen Arm um die Schultern. Gabi antwortete nicht, nickte dann aber. Biggi hatte es ja sowieso bemerkt. "Du musst ja einen ungeheuren Quatsch gegessen haben, wenn's dir jetzt so mies geht.", meinte Biggi traurig mitfühlend. "Es geht schon.", entgegnete Gabi nur, während sie allerdings ihr Knie unter sich zittern spürte. "Komm, setz dich lieber mal hin." "Biggi, das hab ich doch die ganze Zeit schon." "Na gut, aber dann legst du dich wenigstens sofort hin, wenn du zuhause bist. Das ist ein Befehl!", sagte Biggi streng. Sie sorgte sich sehr um ihre Freundin. Gabi nickte. "Versprochen." Damit war Biggi zumindest ein wenig zufriedener. Sie half Gabi dabei, ihre Sachen zusammenzupacken, da sie sah, dass diese sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Anschließend begab sie sich, noch bevor Gabi protestieren konnte, nach draußen, um Ralf Bescheid zu sagen, er solle besonders auf Gabi aufpassen. Wenige Augenblicke später erschien Ralf bereits mit einem besorgten Gesicht im Umkleideraum. "Hey, mein Schatz, was ist denn mit dir los?", fragte er besorgt, kam auf sie zu und umarmte sie erstmal. "Biggi hat erzählt, es geht dir nicht gut?" "Ach, Biggi übertreibt mal wieder, mir ist doch nur ein wenig übel.", entgegnete Gabi und wollte sich wegdrehen. "Von wegen übertreiben, man sieht es dir doch an! Du bist ja schrecklich blass.",  bemerkte Ralf erschrocken. "Ich hab eben was Falsches gegessen, kann doch vorkommen." "Komm, wir fahren sofort nachhause, du legst dich hin und ich pflege dich gesund.", meinte Ralf fürsorglich. Er legte Gabi ihre Jacke um und nahm ihre Tasche. Dann legte er seinen Arm um sie und führte sie mit sich aus dem Umkleideraum. In der Tür zum Aufenthaltsraum verabschiedete er sich noch von seinen Kollegen und meinte: "Wir fahren jetzt nachhause, Gabi geht's nicht so gut." Michael, Peter und Thomas konnten gerade noch "Gute Besserung!" rufen, als Ralf und Gabi auch schon verschwunden waren. Lautstark fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

Genau zur selben Sekunde fiel ebenso auch eine andere Tür ins Schloss, mehrere Kilometer entfernt. Es war ein großes, vergittertes Tor in der Nähe von Traunstein. Das Tor gehörte der Strafvollzugsanstalt an. Abteilung Psychiatrie. Vor dem Tor, es war ein großes schwarzes, hinter dem man viele dunkle und missmutige Gestalten ausmachen konnte, standen zwei Männer. Einer hatte lockiges, schwarzes Haar und schüttelte einem uniformierten Wachmann die Hand. Dieser erinnerte ihn bereits ein drittes Mal an seine Regeln dort draußen. "Sie wissen, wie Sie sich zu verhalten haben. Sie haben jetzt Freigang für fünf Stunden, vor Beendigung dieser Zeit kommen Sie wieder. Sie haben sich an Ihre Regeln zu halten. Kein Kontakt zu irgendwelchen außen stehenden Personen, zu denen Sie früher Kontakt hatten. Insbesondere sind Sie dazu verwiesen, zu Ihrer ehemaligen Arbeitsstelle eine Distanz von mindestens fünf Kilometern zu halten, ebenso zu Ihren früheren Arbeitskollegen. Ist Ihnen das klar?" "Sie haben mich oft genug daran erinnert. Ich will nicht umsonst auffällig für meine gute Führung hier sein. Ich danke Ihnen." Der Wachmann nickte nur. "Bis heute Abend.", sagte er dann zum Abschied und ließ Frank Ebelsieder von dannen ziehen. Dieser bestellte sich ein Taxi und atmete ein paar Mal tief durch. So roch sie also, die Luft der Freiheit - wie hatte er sie vermisst.

Auf der Basis herrschte erholsame Ruhe. Noch kein einziger Einsatz hatte das A-Team dazu gezwungen, sich von seinen gemütlichen Plätzen zu erheben und nach draußen in die Kälte zu rasen. Thomas und Biggi lagen auf dem Sofa, Biggi hatte sich in Thomas' Arme gekuschelt und die Augen geschlossen. Während auch Peter und Michael genüsslich vor sich hindösten, blickte Thomas immer abwechselnd zum Fenster und wieder zu seiner Biggi zurück. Er konnte sie nicht lange genug ansehen, er fand sie so wunderschön, wenn sie schlief und seine Augen waren erfüllt von Liebe zu ihr. Wenn er wieder zurück zum Fenster blickte, erkannte er lächelnd, wie sich draußen die Wolken regten und die ersten Schneeflocken vom Himmel fielen. Wie hatten sie schon darauf gewartet, schließlich war bereits Dezember und bis zum Weihnachtsfest dauerte es nicht mehr lange. Thomas überlegte, was man denn zu Weihnachten unternehmen könnte. Klar war, dass das Team wie jedes Jahr zusammen feiern würde - was gab es schöneres als ein Fest unter Freunden? Die Gedanken an Weihnachten gefielen Thomas immer mehr und er kam beim Beobachten der rieselnden Schneeflocken richtig in Stimmung. Schließlich rang er sich doch dazu durch, Biggi zu wecken. Er wusste doch, wie sie den Schnee zur Weihnachtszeit liebte. "Hey Süße, aufwachen.", sagte er ganz leise. Biggi öffnete langsam die Augen und blickte ihn an. "Was wichtiges?", fragte sie ihn dann spielerisch grimmig. "Ja, schau mal raus.", forderte er sie dann auf. Biggi blickte aus dem Fenster und war sogleich begeistert. "Oh wie schön!", sagte sie erfreut, setzte sich auf und ging schließlich ans Fenster. Freudig beobachtete sie die Schneeflocken, während Thomas sie von hinten umarmte. Sie legte ihre Hände auf seine Arme und schmiegte sich an ihn. Er küsste sie im Nacken und meinte dann leise: "Wurde ja auch mal Zeit." Nachdem sie eine ganze Weile am Fenster gestanden und das Treiben genossen hatten, meinte Thomas: "Komm, wir gehen mal raus." und sie begaben sich Hand in Hand nach draußen. Dort wurde der Schneefall immer stärker und es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis er am Boden anlegte. Thomas hob Biggi hoch und drehte sich mit ihr im Kreis. Biggi musste lachen. "Das hat früher mein Freund auch immer gemacht, als ich noch zur Grundschule ging." Thomas war sichtlich empört. "Da hattest du schon einen Freund?" "Aber klar doch.", meinte Biggi grinsend. "Einen richtig lieben sogar. Und gut aussehend war er auch." "Besser als ich?", fragte Thomas vorsichtig. "Wer weiß?", entgegnete Biggi. "Aber so gut fliegen wie ich konnte er bestimmt nicht." "Oh, damals nicht. Aber soviel ich weiß, ist er jetzt irgendwo in Amerika und fliegt eine der ganz großen Maschinen." "Aha.", sagte Thomas nur. "Warum hast du dann nicht ihn genommen, wenn er eh so toll ist?", fragte Thomas beleidigt. Biggi musste lächeln. "Na weil keiner so süß ist wie du. Bei dir krieg ich ja schon weiche Knie, wenn ich dich nur ansehe. Und wenn du mich erst ansiehst mit deinen Augen, ist es sowieso schon mit mir vorbei.", seufzte Biggi. Daraufhin konnte Thomas nicht anders, er zog sie ganz nah an sich und küsste sie voller Hingabe und Leidenschaft. Einmal ließ er ganz kurz von ihr ab und meinte: "Na dann willkommen im Club.", und gab sich sofort wieder seinen Küssen hin. Während sie so dastanden, sich küssten und die gesamte Welt um sich herum vergaßen, bemerkten sie gar nicht, wie eine Schneeflocke nach der anderen das gesamte Basisgelände langsam in eine weiße Schneepracht verwandelte...

Gabi und Ralf waren inzwischen zuhause angekommen. Ralf war total lieb und fürsorglich, er trug erst Gabis Sachen in die Wohnung, dann holte er Gabi ab, stützte sie und ging langsam mit ihr ins Haus. Es war ihr wirklich anzusehen, wie schlecht sie sich fühlte. Oben angekommen, hob Ralf sie einfach hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Dort bettete er sie liebevoll ins Kissen und deckte sie zu. "Ich mach dir gleich einen Tee, wirst sehen, meinen Tee übertrifft niemand." Gabi lächelte nur schwach, ließ sich von ihm einen zärtlichen Kuss geben und schloss dann ein wenig die Augen. Ralf beeilte sich, in der Küche voranzukommen, um möglichst schnell wieder bei Gabi zu sein. Gonzo winselte schon aufgeregt - er musste unbedingt raus, um sein Geschäft zu erledigen. "Tut mir Leid, mein Dicker, ich muss jetzt auf Gabi aufpassen. Ich bitte nachher Frau Schröder, mit dir raus zu gehen, ok?", entschuldigte sich Ralf bei seinem Hund.  Als der Tee fertig war, stellte er ihn zusammen mit ein paar Scheiben Zwieback auf ein Tablett und brachte ihn hinüber zu Gabi. Diese hatte versucht, ein wenig zu schlafen, doch es funktionierte nicht. Sie fühlte sich einfach viel zu mies. "So, hier ist der Tee. Komm, versuch, dich ein wenig aufzusetzen, hm?" Er steckte vorsichtig noch ein Kissen hinter Gabis Rücken, sodass sie ein wenig höher im Bett saß. Dann fütterte er sie liebevoll mit ein wenig Zwieback und Tee. "Du bist ja immer noch so blass.", bemerkte er besorgt. "Vielleicht hätten wir doch noch Michael Bescheid sagen sollen." "Nein, das ist doch nicht nötig.", wehrte Gabi leise ab. "Mir geht's doch schon besser.", log sie. "Ehrlich? Oh, dann bin ich ja erleichtert.", atmete Ralf auf. ,Ich bin ja schon richtig routiniert im Lügen.', bemerkte Gabi innerlich entsetzt, als Ralf ihr mal wieder sofort glaubte. Sie schaffte es inzwischen doch schon so perfekt, jemandem in die Augen zu sehen und ihn dabei von oben bis unten anzulügen. Wieder musste sie sich auf die Lippe beißen. So konnte es doch nicht weitergehen. Aber woher kam nur diese Übelkeit??? Gabi hatte wirklich nicht die geringste Ahnung.

Draußen begann Gonzo wieder, zu winseln. "Oh nein, dieser Hund. Ich komme gleich, Schatz, ich geh nur mal schnell zu Frau Schröder rüber und bitte sie, sich um ihn zu kümmern." Gabi nickte, und sah ihm nach, wie er Gonzo ermahnte und dann hinter der Ecke verschwand. Die Tür hatte er offen gelassen. Bald hörte sie Stimmen von draußen und wie Ralf mit seiner Nachbarin sprach. Sie setzte sich ein wenig auf. Sofort wurde ihr wieder schwindelig. Aber sie wollte aufstehen, sie musste auf die Toilette. Der Tee war wohl ein wenig viel gewesen. Sie hielt sich am Nachttischchen fest und stand langsam auf. Sie torkelte bis zur Tür und hielt sich dann am Türrahmen fest. Ihr war schrecklich schwindelig, sie sah kaum den Boden unter den Füßen. Nur eine Tür weiter, eine Tür, dann würde sie am Bad sein. Ihr war so schwummrig, dass sie es kaum schaffte, ihre Beine unter sich zu kontrollieren. Sie drohten immer wieder, nachzugeben. Und als sie es schließlich mühsam geschafft hatte, zwei weitere Schritte zu machen, gaben es ihre Beine endgültig auf. Gabi verlor vollkommen den Halt, ihr wurde schwarz vor Augen, sah nicht mal mehr ihre Hand vor sich und brach zusammen. Bewusstlos blieb sie auf dem Flur liegen, bald floss ihr Blut aus einer Platzwunde auf der Stirn - sie hatte sich beim Sturz den Kopf an den Schrank gestoßen.

Es dauerte nicht lange, bis Ralf mit seiner Nachbarin alles geregelt hatte - Frau Schröder hatte Gonzo sehr gern und kümmerte sich mit Freude um ihn. "Danke, Frau Schröder, ich werde Ihnen nicht vergessen, was Sie immer für mich tun!", bedankte Ralf sich noch und Frau Schröder lächelte ihm zu. Als Ralf dann in die Wohnung kam, blieb ihm der Atem aus. Ein Schreckensschrei entfuhr ihm, als er Gabi bewusstlos auf dem Boden liegen sah. "Oh nein,

Gabi!!", schrie er verzweifelt, kniete sich zu ihr hinunter und fühlte ihren Puls. Der erschien ihm ziemlich schwach, lag aber wohl noch im Normalbereich. Er versuchte, sie zu wecken. "Gabi ... Gabi, Schatz, wach auf!" Er tätschelte ihr sanft die Wangen, bis Gabi schließlich langsam die Augen öffnete. "Was ... was ist passiert?", fragte sie schwach und verwirrt.

"Du bist zusammengebrochen. Ich bin ja so erleichtert, dass du wach bist. Ich fahr dich sofort ins Krankenhaus." "Nein...", versuchte Gabi, zu protestieren, aber sie musste einsehen, dass es absolut keinen Zweck hatte. Außerdem war sie viel zu schwach, um Ralf umstimmen zu können. Dieser suchte bereits nach seinem Autoschlüssel. In seiner Aufregung brauchte er ungewöhnlich lange dafür. Dann nahm er eine Decke, wickelte sie Gabi um, hob sie hoch und trug sie nach unten. Behutsam legte er sie auf den Rücksitz im Auto und fuhr dann los.

Wenige Minuten später waren sie im Krankenhaus angelangt.

Ralf nahm Gabi auf den Arm und trug sie in die Notaufnahme. Dort kamen sofort zwei Schwestern mit einer Liege herbeigeeilt. „Was ist passiert?“, fragten sie sofort. Ralf erklärte ihnen kurz, was passiert war. Er legte Gabi behutsam auf die Liege und nahm dann ihre Hand, während die Schwestern sie in den Behandlungsraum schoben. Ralf wollte mitgehen, doch an der Tür hielt eine der beiden Schwestern ihn zurück. „Sie können da jetzt nicht mit rein, machen sie sich keine Sorgen, ihre Frau ist bei uns in guten Händen.“ Er nickte nur und sagte nichts weiter, die Schwestern hatten ja Recht, er konnte im Moment nichts für Gabi tun. Jedenfalls nicht aus medizinischer Sicht. Er wäre so gern bei ihr geblieben. Wenige Augenblicke später kam ein Arzt in den Behandlungsraum, um Gabriele zu untersuchen. „Hallo, ich bin Dr. Wenger.“, sagte er und reichte Gabi die Hand. „Vermutlich Kreislaufzusammenbruch.“, informierte eine der beiden Schwestern den Arzt, während er Gabi mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen leuchtete. „Haben sie irgendwelche Schmerzen?“ Gabi schüttelte leicht den Kopf. „Nein, mir ist nur so schrecklich übel…“, antwortete sie zaghaft. Der Arzt maß ihren Blutdruck, konnte jedoch nichts Außergewöhnliches feststellen. „Ok, wir machen ein großes Blutbild“, entschied Dr. Wenger und nahm Gabi dann Blut ab. Sie zuckte ein wenig zusammen, als er mit der Nadel einstach, doch es war schon bald wieder vorbei. Der Arzt schickte die Blutprobe ins Labor und kontrollierte dann Gabis Kreißlaufwerte noch einmal gründlich. Er schloss sie zur Sicherheit ans EKG an, um wirklich alles unter Kontrolle zuhaben, schließlich konnte so ein Zusammenbruch die verschiedensten Ursachen haben. „Sobald die Ergebnisse aus dem Labor kommen, wissen wir mehr.“, sagte er aufmunternd zu Gabi. „Ich weiß…“, erwiderte sie. Der Arzt sah sie fragend an. „Ich bin Ärztin“, klärte sie ihn dann auf. „Oh eine Kollegin, also.“, stellte er erstaunt fest. „Dann wissen sie ja über alles bescheid.“

Ralf saß inzwischen vor dem Behandlungsraum und machte sich die größten Sorgen. Was war los mit Gabi? Warum war sie zusammengebrochen? War es etwas doch etwas ernstes? Hätte er sie doch nur überredet gleich zum Arzt zu gehen, er wusste doch, dass es ihr nicht gut ging. Ihm schwirrten alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Hoffentlich ging alles gut.

In der Zwischenzeit war man im Labor eifrig damit beschäftigt die Blutproben von Gabriele auszuwerten. Zunächst wurde nichts Außergewöhnliches festgestellt. Alle Werte lagen im Normalbereich, dann jedoch stieß die Ärztin, die mit der Auswertung beschäftigt war auf einen Wert, der weit von der Norm abwich. Die Diagnose war eindeutig. Nun wusste sie auch, warum Gabi zusammengebrochen war, es passte alles zusammen. Sofort verständigte sie Dr. Wenger, der noch immer im Behandlungsraum war und ließ ihm von einer Schwester die Ergebnisse bringen.

„So, das Labor hat gerade bescheid gegeben, die Blutergebnisse sind da. Die Schwester wird sie gleich herbringen und dann werden wir sicherlich feststellen können, was ihnen fehlt.“, erklärte er Gabi, die das natürlich bereits wusste. Dr. Wenger warf einen kritischen Blick auf die Untersuchungsergebnisse, dann jedoch schmunzelte er. „Da haben wir den Übeltäter ja schon…“ Gabi sah ihn verständnislos an. Ihr ging es immer noch total miserabel und der Arzt machte Witze. „Und was ist es?“, fragte sie schwach. Sie hoffte, dass es etwas Harmloses war und sie wirklich nur etwas Falsches gegessen hatte oder etwas in der Art. „Sie sind in der 10. Woche schwanger.“ Gabi verschlug es vor Schreck die Sprache. „Bitte was???“, fragte sie ungläubig. „Das kann dich nicht sein….“, stammelte sie dann. „Doch es ist eindeutig zu erkennen. Es kommt häufiger bevor, dass werdenden Mütter übel ist, allerdings so schlimm wie bei ihnen ist es selten. Aber das wissen sie ja selbst.“ Gabi nickte nur geschockt. Sie konnte das alles einfach nicht glauben. Sie sollte schwanger sein??? Sie hätte doch etwas bemerken müssen. Unmöglich. „Sind sie ganz sicher?“, fragte sie noch einmal nach, obgleich sie wusste, dass es bei solchen Tests keine Zweifel gab. „Der Test beweißt es eindeutig, es gibt keine Zweifel.“, bestätigte Dr. Wenger ihr das, was sie schon befürchtet hatte. „Ich werde ihnen ein Kreislaufmedikament mitgeben, damit ihnen das nicht wieder passiert, dass sie ohnmächtig werden. Sie sollten sich am besten die nächsten Tage ein wenig schonen. Allerdings sehe ich keinen Grund sie hier zu behalten. Ihr Mann kümmert sich ja sicherlich um sie.“ Mann? Gabi überlegte, ob es wirklich so ausgesehen hatte, als wären sie und Ralf verheiratet. Na ja, so abwegig wäre es gar nicht. Sie liebte ihn schließlich über alles. Ob er sich wohl über das Baby freuen würde? Für Gabi war die Situation zwar total neu und ungewohnt, doch natürlich freute sie sich auch darüber, dass sie und Ralf ein Kind bekommen würden. Plötzlich jedoch schoss ihr ein schrecklicher Gedanke in den Kopf. RENE!!! Sie rechnete nach. Ja, es war ziemlich genau zehn Wochen her, dass er sie erpresst hatte, mit ihm eine Nacht zu verbringen. Anfang Oktober war es gewesen und nun hatten sie Mitte Dezember. Es passte genau. Gabi fühlte sich auf einmal noch viel schlimmer als zuvor. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, dachte nur noch daran, dass sie möglicherweise von Rene schwanger wäre. Wie sollte sie das Ralf erklären? Sollte sie es ihm überhaupt sagen? Und was war, wenn das Kind von Ralf war, die Chance stand 50 zu 50. Immerhin hatten auch er und Gabi in dieser Zeit miteinander geschlafen. Doch wie sollte sie herausfinden, von wem das Kind war? Ein Vaterschaftstest war in dieser Phase der Schwangerschaft noch nicht möglich und außerdem wollte sie Rene nie wieder sehen – nie mehr in ihrem ganzen Leben.

„Ich hole dann jetzt ihren Mann rein.“, meinte Dr. Wenger und riss Gabi, die überhaupt nichts mehr wahrnahm, aus ihren Gedanken. Kaum drei Sekunden später sah sie Ralf auch schon auf sich zukommen. Dr. Wenger hatte ihm erklärt, dass er Gabi mit nachhause nehmen können. Was die Ursache ihres Zusammenbruchs gewesen war, erwähnte er jedoch nicht. Er stand schließlich in der ärztlichen Schweigepflicht. Ralf war total froh, dass es nichts Ernstes zu sein schien und half Gabi vorsichtig aufzustehen. „Was ist denn nun mit dir? Was hat der Arzt gesagt?“, fragte er dann sofort, nachdem sie den Behandlungsraum verlassen hatten. „Es…es ist nur…“, stotterte Gabi halb, „Es ist nichts schlimmes, ich habe nur einen etwas niedrigen Blutdruck und muss wohl innerhalb der letzten zwei Tage etwas Falsches gegessen haben.“ Gabi konnte ihm nicht in die Augen sehen, schon wieder hatte sie ihn belogen. Es konnte so einfach nicht weitergehen. Und sie konnte ihm auch schlecht noch weitere 6,5 Monate verheimlichen, dass sie schwanger war.

Was sollte sie nur tun? Sie wusste im Moment gar nichts mehr, nichts – da war nur dieser Schock, dieser unendliche Schock, der ihr gesamtes Bewusstsein erfüllte und der sie am liebsten in den Erdboden wollte versinken lassen. Nicht das erste Mal in den letzten zehn Wochen...

Das A-Team hatte inzwischen mühsam seine Schicht abgestrampelt. Nur drei Routineeinsätze hatten sie aus der Ruhe geholt. Biggi war schon seit einiger Zeit nachhause verschwunden, um sich für den Abend hübsch zu machen. Sie freute sich schon sehr darauf, wieder mal mit Thomas essen zu gehen – sie hatten es zwar an den letzten Abenden auf dem Sofa immer unheimlich gemütlich gehabt, aber Abwechslung war auch mal schön. Allerdings konnte Biggi sich auch vorstellen, irgendwo auf einer Müllhalde mit Thomas zu dinieren - und sie wäre trotzdem überglücklich dabei. Sie genoss jede Minute und jede Sekunde, die sie mit ihm verbringen durfte. Sie liebte ihn über alles und diese Liebe wurde von Tag zu Tag stärker, obgleich das unmöglich zu sein schien.

Gegen sieben Uhr konnte sich auch endlich das A-Team seiner roten Overalls entledigen und in den erholsamen Feierabend treten. "Na, was habt ihr heute vor?", fragte Michael seinen Freund in der Umkleide. "Wir gehen aus.", berichtete ihm Thomas in freudiger Erwartung und Michael merkte schon seiner Stimme an, dass er es wohl kaum mehr erwarten konnte, loszudüsen und endlich wieder seine Biggi in die Arme zu schließen. Er freute sich sehr für ihn.

Die beiden Freunde verabschiedeten sich und nach einem letzten Gute-Nacht-Wunsch an Peter verließen sie die Basis. Es war schon längst dunkel geworden, schließlich war ja bereits Dezember. Thomas fuhr im Eiltempo zu Biggis Wohnung. Inzwischen hatte er bereits so viele Sachen dort gelagert, dass er sich ohne Probleme bei ihr umziehen konnte. Als er die Wohnung betrat, begrüßte Biggi ihn freudig mit einem langen, leidenschaftlichen Kuss. Er war nicht nur über diesen erstmal sprachlos, sondern auch über Biggis Anblick. Sie hatte sich mal wieder selbst übertroffen, er fand sie hinreißend schön. Sie trug ein schwarzes, kurzes Kleid, das seiner Meinung nach ihre Schönheit noch mehr betonte als eigentlich möglich war. Nachdem er sie verliebt angesehen hatte, nahm er ihre Hand, küsste sie und fragte leise: "Meinst du, wir sollen wirklich weggehen?" Biggi musste lachen. "Aber klar doch, jetzt hab ich mich extra hübsch für dich gemacht. War ne Menge Arbeit." "Ach Quatsch, du siehst immer bezaubernd aus.", entgegnete Thomas und sah ihr tief in die Augen. "Du auch, besonders in diesem hübschen Hemd mit dem Blutfleck.", sagte Biggi und grinste. "Oh, das hat wohl unser letzter Patient vergessen. Aber er kommt wohl auch ohne aus, er durfte nach unserem Abtransport gleich wieder nachhause." "Ja wunderbar, aber ich komme ebenso hervorragend ohne aus. Wie wär's mit nem kurzen Trip ins Badezimmer, Schatz?" "Für dich tu ich doch alles." Thomas küsste sie zärtlich, und konnte sich erst nach mehreren Augenblicken von Biggi lösen, um schließlich im Badezimmer zu verschwinden. Biggi wartete geduldig auf dem Sofa, als Thomas schließlich nach einer halben Stunde wieder erschien und wirklich kaum wieder zu erkennen war. Er trug einen schwarzen Smoking, den er lässig über einem extraweißen Hemd trug. Biggi lächelte, stand auf und umarmte ihn innig. "Wenn ich mich nicht schon längst in dich verliebt hätte, jetzt würde ich es bestimmt tun.", sagte sie hingerissen. "Wie schön zu hören. ", entgegnete Thomas. "Darf ich Sie entführen, Madame?" "Mais oui!" Biggi harkte sich unter ihm ein und fröhlich verließen sie schließlich die Wohnung, sie freuten sich riesig auf den Abend.

Bald saßen sie im Auto und fuhren Richtung Traunstein. Die Straßen waren recht befahren, es lag wahrscheinlich am Freitagabend, ein Zeitpunkt, den viele Menschen zum ausgehen nutzten. Thomas hatte leise Musik aufgedreht, und Biggi blickte während der Fahrt genüsslich aus dem Fenster, wobei sie und Thomas sich immer wieder mit glitzernden Augen anblickten. Es fuhren viele Autos an Biggis Fenster vorbei. Kleinwagen, Lastwagen, Combis – und Taxis. Es waren viele Taxis an diesem Abend, doch nur in einem saß eine Person, die Biggi vermutlich noch durch zehn Fensterscheiben hindurch erkannt hätte. Sie hatte schwarzes, lockiges Haar. Sie war ein Mann. Der sich an jenem Tag, dem Freitag, frisch auf seinem ersten Ausgang aus dem Gefängnis befand. Wegen guter Führung. Der Mann hieß Frank Ebelsieder. Er befand sich auf dem Rücksitz des ungefähr fünften Taxis, das Thomas' Wagen begegnete. Biggi hatte Thomas gerade einen Kuss auf die Wange gegeben und sich wieder zurückgelehnt, als sie hochschreckte. Für kurze Zeit konnte sie nicht atmen - da war etwas wieder in ihrem Sinn aufgetaucht, das sie bereits des Öfteren für kurze Zeit den Atem hatte aussetzen lassen. Sie griff panisch nach Thomas' Arm, das Taxi war längst vorbeigefahren. "Schatz, was ist denn?", fragte Thomas erschrocken. Biggi holte wieder Luft, sah dann um sich, als wäre das Taxi immer noch in der Nähe, und sagte dann: "Ach, nichts ... ich dachte nur, ich hätte jemanden gesehen." "Oh, wen denn?" "Niemanden. Ist absurd. Vergiss es." "Ja, wen meintest du denn? Nen alten Bekannten oder so?" "Ähm - ja, genau. Ein alter ... Bekannter.", entgegnete Biggi und schluckte.

Eine halbe Stunde später kamen sie in einem wunderschönen, äußerst noblen Restaurant in Traunstein an, in dem Thomas einen Tisch reserviert hatte. Er hatte extra einen Nischenplatz ausgesucht, damit sie sich praktischerweise nicht nur gegenüber saßen, sondern auch mal ein wenig kuscheln konnten. Als sie dort angekommen waren, hatte Biggi den Zwischenfall im Auto schon längst vergessen, zu groß war die Ablenkung durch die Verliebtheit in Thomas. Händchen haltend begaben sie sich zu dem Tisch, den ihnen der Kellner zeigte. "Fein hast du das ausgesucht.", lobte Biggi Thomas. "Für dich nur das Beste, mein Schatz." Sie lächelten sich aus tiefsten Blicken an, und bemerkten dabei gar nicht, wie der Kellner bereits ein zweites Mal mit den Speisekarten in der Hand räusperte. "Oh, Entschuldigung." Der Kellner nickte höflich und reichte ihnen die Karten. "So, und was empfiehlt der Herr?", fragte Biggi  und blickte Thomas auffordernd an, nachdem sie die Karte aufgeschlagen hatte. "Ähm ... tja, ähm..." Thomas war ein wenig hilflos. Er verstand keine einzige Bezeichnung der Speisen in der Karte, sie waren alle entweder französisch oder in diversen Fachausdrücken beschrieben. "Ja?", Biggi zwinkerte ihm grinsend zu. Dann mussten sie erstmal beide loslachen. Das war mal wieder typisch Thomas, ein Nobelrestaurant auszusuchen, in dem man dann wohl auf gut Glück irgendeine Speise auszusuchen hatte, die am Ende noch Lebendiges beinhaltete. Lange Zeit zum Überlegen hatten sie nicht mehr, denn schon nach wenigen Minuten des Entschlüsselns erschien der Kellner bereits wieder am Tisch. "Was wünschen Sie zu speisen, bitteschön?" "Tja ähm ... das Menü.", entgegnete Thomas. Der Kellner nickte langsam. "Gerne. An welches hätten sie denn gedacht?" "Ähm ... Biggi?" Biggi hob ihren Kopf. "Hm, vielleicht so halb vegetarisch, halb Fleisch." "Hervorragend, das nehmen wir.", nickte Thomas zustimmend. Wieder nickte der Kellner langsam. "Sehr wohl. Welches wünschen Sie denn, bitte sehr?", fragte er bemüht geduldig. Thomas schluckte. "Das auf der ersten Seite.", sagte er dann entschlossen. "In Ordnung. Und welches auf der ersten Seite?" "Das erste!", mischte sich nun Biggi ein. "Das erste auf der ersten Seite. Mit Vergnügen. Danke für die Bestellung.", entgegnete der Kellner leicht erschöpft, aber immer noch höflichst. Als er in Richtung Küche verschwunden war, lehnten sich Thomas und Biggi erstmal erschöpft zurück. "Mann, das war ja anstrengender, als selbst zu kochen.", sagte Thomas. "Wie wahr. Und gegessen hätten wir in derselben Zeit übrigens auch.", entgegnete Biggi und grinste. "Ich geh mich jetzt erstmal frisch machen. Hoffentlich hat die Toilette ne Bedienungsanleitung, aber bitte in Deutsch.", sagte sie dann und stand auf. "Hey, aber komm bald wieder.", sagte Thomas mit traurigem Unterton. "Ach, du armer. Ich bin ja selber schuld wenn ich mir eine Minute zuviel von dir entgehen lasse. Du bist einfach einzigartig.", sagte sie leise, neigte sich zu ihm runter und küsste ihn voller Zärtlichkeit. "Ich liebe dich.", flüsterte sie ihm ins Ohr. "Ich dich auch.", antwortete er leise und ließ sie schweren Herzens auf die Toilette verschwinden. Diese befand sich ein Stockwerk weiter unten im Restaurant. Erst blickte Biggi dort ein wenig suchend um sich, als sie direkt gegenüber der Herrentoilette schließlich die Tür zur Damentoilette fand. Sie stand ebenso wie die Tür zur Herrentoilette weit offen. Biggi sah erst in den Spiegel und wollte sich dann Lippenstift aus ihrer Handtasche holen, als ihr wohl der größte Schock ihres Lebens verpasst wurde. Im Spiegel sah sie nicht nur ihr Gesicht. Sie sah auch die Tür direkt hinter sich. Dann den Flur. Dann die Tür zur Herrentoilette. Dann wieder einen Spiegel. Und davor stand ein Mann mit schwarzen Locken. Ein Mann, der ebenfalls gerade in den Spiegel sah. Der sie ebenfalls gerade erblickte. Durch die beiden Spiegel, die sich direkt gegenüber zu tausenden weiteren Bilder fügten, sah Biggi direkt in die Furcht erregendsten Augen, in die sie je in ihrem Leben geblickt hatte. Sie gehörten Frank Ebelsieder. Man hörte nichts. Es herrschte Totenstille, ebenso in der Herren-, wie auch in der Damentoilette. Nicht mal ein Atemzug wurde getätigt, und ganz besonders nicht von Biggi. Das einzige Geräusch, das man hörte, war das klirrende Aufschlagen des Lippenstifts auf den Fliesen des Bodens in der Damentoilette...

Ebelsieder war beinahe genauso geschockt wie Biggi. Nie im Leben hätte er damit gerechnet gerade sie hier anzutreffen. Er drehte ich langsam um, trat auf den Flur hinaus, und stand schließlich in der Tür zur Damentoilette. Biggi starrte noch immer ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen in den Spiegel und verfolgte dort jede kleinste Bewegung von Ebelsieder. Am  liebsten hätte sie los geschrieen, wäre davongerannt, einfach nur weg – zu Thomas. Doch sie konnte nicht. Ihre Beine waren wie gelähmt und sie brachte keinen Ton heraus. Ebelsieder ran mit sich. Sollte er ihr irgendetwas sagen? Er merkte selbst, wie verängstigt Biggi war und er wusste ganz genau, dass es seine Schuld war. Ja, er hatte damals den größten Fehler seines Lebens begangen. Sollte er sich jetzt bei ihr entschuldigen? Nach einem weiteren Augenblick entschied er sich dagegen, schließlich würde er sie dadurch sicher nur noch mehr verängstigen. Wahrscheinlich wäre es das Beste, wenn er schnellstens verschwinden würde. Und das tat er dann auch. Mit schnellen Schritten begab er sich nach oben und verhieß fluchtartig das Restaurant.

Biggi sackte weinend zu Boden. Es war alles wieder da, sie hatte es alles wieder vor Augen, die schrecklichsten Stunden ihres Lebens und der Mann, der ihr das angetan hatte – Frank Ebelsieder. Sie hatte es verdrängt, aus ihrem Gedächtnis gelöscht und gehofft, dass er ihr nie wieder unter die Augen treten würde. Doch nun war alles wieder da.

Thomas wunderte sich währenddessen, wo Biggi so lange blieb. Sie war nun schon über eine Viertelstunde weg. Unruhig blickte er auf die Uhr. Irgendwie hatte er ein merkwürdiges Gefühl. Er spürte, dass irgendetwas passiert war, dass irgendetwas nicht stimmte. Mit dieser dunklen Vorahnung  stand er schließlich auf und begab sich zur Treppe, die ins Untergeschoss führte. Er konnte es sich nicht erklären, aber sein Verdacht verstärkte er sich mehr und mehr, was seine Schritte immer schneller werden ließ. Schließlich war er bei den Toiletten angekommen, wo er Biggi auch sofort fand. Sie saß zusammengekauert in der Ecke vor dem Spiegel, hatte den Kopf in den Armen vergraben und schluchzte. „Biggi!“, rief Thomas entsetzt und stürzte sofort zu ihr. Sie war unendlich erleichtert seine Stimme zu hören und blickte vorsichtig, immer noch in der Angst, jemand anderen als Thomas zu erblicken, auf. Thomas sah in ihren Augen nur eins, Angst und Verzweiflung. Er nahm sie ganz behutsam in den Arm und zog sie ganz fest an sich. „Biggi, was ist denn passiert?“, fragte er sie dann unendlich besorgt. Biggi schmiegte sich ganz eng an ihn und schluchzte immer noch, während Thomas ihr beruhigend durchs Haar streichelte. Was war nur passiert?

Ralf und Gabriele waren inzwischen zuhause angekommen. Gabi hatte sich aufs Sofa gelegt und Ralf hatte sie liebevoll mit einer Wolldecke zugedeckt und sich zu ihr gesetzt. Er war total erleichtert, dass nichts Schlimmes die Ursache für Gabis Zusammenbruch gewesen war. Trotzdem wollte unbedingt dafür sorgen, dass sie sich die nächsten Tage noch etwas schonte und nicht zur Arbeit ging. Gabi war allerdings dagegen. Sie konnte das nicht, den ganzen Tag hier in der Wohnung verbringen, mit Ralf. Ja, sie leibte ihn, sie liebte ihn sehr, aber sie musste jetzt nachdenken. Über ihre Beziehung, über Rene und über ihre Schwangerschaft. Dazu jedoch musste sie unter Leute kommen und in Ruhe nachdenken. Doch wie sollte sie über sich und Ralf und darüber, wie es weiter gehen sollte, nachdenken, wenn sie ihn die ganze Zeit um sich hatte? Das war unmöglich. „Ralf, bitte, mir geht es doch wirklich schon besser. Außerdem findet Michael so schnell niemals eine Vertretung für mich.“, versuchte sie ihn erneut davon zu überzeugen nicht die nächstens Tage zuhause zu bleiben. „Ich halte das wirklich für keine gute Idee, Gabriele.“, antwortete er  und sah sie besorgt an. "Bitte, vertrau mir einfach. Ich weiß schon was gut für mich ist und wozu ich fähig bin." "Ja, ich weiß. Aber trotzdem." "Nein, nicht trotzdem. Ich weiß ja, dass du es gut meinst. Aber damit hilfst du mir nicht." Sie sah ihn erst eindringlich an und strich ihm dann übers Gesicht. "Na gut. Ich mische mich nicht mehr ein. Aber du weißt, dass ich für dich da bin.", gab Ralf sich geschlagen. "Ja, ich weiß. Und das macht mich unheimlich glücklich."  Sie küsste ihn, er erwiderte es voller Zärtlichkeit, bettete Gabi dann aber doch ins Sofa zurück, damit sie sich zumindest an diesem Abend noch schonen konnte.

Biggi und Thomas befanden sich währenddessen immer noch auf der Toilette. Thomas machte sich unheimliche Sorgen. Was war nur los? Plötzlich erinnerte er sich wieder an den Vorfall im Auto. Es war kaum wichtig genug gewesen, um sich in seinem Kurzzeitgedächtnis zu verankern, doch jetzt versuchte er Verbindungen zu sehen zwischen dem Vorfall im Auto und dem Zustand, in dem Biggi sich jetzt befand. Sie beruhigte sich nur sehr, sehr langsam. Thomas streichelte sie andauernd beruhigend und beteuerte ihr leise, dass alles wieder gut werden würde. Genauso gut hätte er ihr sagen können, dass morgen in China eine Stäbchenrevolution aufkommen würde. Beides hatte überhaupt keine Aussagekraft. Wie sollte er denn wissen, dass alles wieder gut werden würde, wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, was in diesem Moment im Kopf seiner geliebten Biggi vorging. Nochmals versuchte er sie zu fragen, was denn passiert sei. "Biggi, bitte, was ist passiert?" Biggi blickte auf, ihre Augen waren vom Weinen vollkommen gerötet. "Ich ... ich hab ..." Sie hielt inne. "Ja?", fragte Thomas sie geduldig leise. "Ich hab ihn gesehen. Er stand direkt hinter mir. Und er hat mich auch angesehen." Im ersten Moment konnte sich Thomas überhaupt nicht vorstellen, wen Biggi meinte. Er wollte schon den Mund öffnen, um "Wer?" zu fragen, als ihm der Atem stockte. Na wer wohl. Er. Frank Ebelsieder. Niemand sonst hätte seiner Biggi jemals so einen Schrecken einjagen können, sie so zum Zittern oder zum Weinen bringen können. Niemand, bis auf ihn. "Oh nein.", sagte Thomas leise. Er war total geschockt. Wie das?? Das letzte, was er von Ebelsieder gehört hatte, war, dass er lange Zeit in einer geschlossenen Anstalt verbringen würde. Und jetzt das. Nun war Thomas auch klar, wer der "alte Bekannte" gewesen sein musste, den Biggi aus dem Autofenster erkannt hatte. Wie blöd war er gewesen. Warum hatte er nur nicht näher nachgefragt? Wieder einmal fühlte er sich machtlos. So machtlos, wie er sich seit vielen Wochen nicht mehr gefühlt hatte.

Er nahm Biggi innigst in den Arm. Mehr konnte er einfach nicht tun. Langsam sollte er sich an diesen Zustand der Hilflosigkeit gewöhnt haben, dachte er sich. Er übermannte ihn nämlich unnatürlich oft innerhalb der letzten Monate. Nach einer Weile sagte er dann leise: "Komm, du erkältest dich noch hier am Boden." Er nahm sie zärtlich an den Armen und zog sie hoch. Als sie vor ihm stand, nahm er sie sofort wieder in die Arme. Er spürte, wie sehr sie das alles mitnahm.

Inzwischen waren Gabi und Ralf bei sich zuhause beinahe eingeschlafen. Ralf hatte sich zu Gabi auf das Sofa gelegt und sie genoss seine Nähe. Sie öffnete immer wieder leicht die Augen. Er hatte sie in die Arme genommen und war bereits nahe dabei, einzuschlafen. Sie beobachtete ihn und dabei überkam sie ein Gefühl von unendlicher Geborgenheit. Ach, könnte es nur immer so sein. Könnte sie doch ihr gesamtes Leben nur gut geschützt in seinen Armen liegen, ohne einen Gedanken an irgendetwas anderes verschwenden zu müssen, beispielsweise an Rene. Sie liebte Ralf so sehr. Und jetzt ... jetzt war sie schwanger. Ohne es von selbst zu steuern, lege sich ihre Hand auf ihren Bauch. Sie fühlte nichts. Noch nichts. Sie versuchte, eine Antwort auf die Frage zu finden, die sich von innen in ihrem Herz festfraß. In Gedanken fragte sie ihr Kind, das Kind, das sie in nicht mal neun Monaten im Arm halten würde und dem sie wohl ebenso wie Ralf all ihre Liebe schenken werde, wer denn sein Vater sei. Ob es ihr mit seiner Geburt das größte Glück nach Ralf oder das schlimmste Unglück nach Rene bescheren werde. Doch es kam keine Antwort.

Ralf war inzwischen ganz eingeschlafen. Gabi stand ganz vorsichtig, ohne ihn zu wecken, auf und schlich sich ins Bad. Vor dem Spiegel blieb sie stehen. Lange, sehr lange sah sie ihr Spiegelbild an. Dann hob sie langsam ihr Shirt hoch und betrachtete ihren Bauch. Ja, wenn man es wusste und ganz genau darauf achtete, dann konnte man bereits sehen, dass sie schwanger war. Schnell streifte sie sich das Shirt wieder runter. Niemand sollte es sehen. Nein, noch nicht. Sie musste es zuerst Ralf beibringen. Wenn sie doch nur wüsste, wer der Vater war! Dieser Gedanke zerfraß sie regelrecht. Wenn sie nur daran dache, dass sie möglicherweise das Kind von Rene in ihrem Bauch trug…

Sie verdrängte diesen Gedanken ganz schnell wieder, wollte ihn vergessen. Sie machte das Licht im Bad aus und schlich sich dann wieder zurück ins Wohnzimmer zu Ralf. Er schlief noch immer und Gabi beobachtete ihn lächelnd. Dann trat sie wieder zum Sofa und legte sich ganz vorsichtig neben ihn. Er wachte davon nicht auf, was Gabriele freute. Ganz sanft legte sie ihren Arm um ihn und schlief dann – mit den Gedanken immer noch bei ihrem ungeborenen Kind -  auch ein.

Währenddessen war Thomas mit Biggi im Arm wieder langsam ins Restaurant zurückgegangen. Er bezahlte nur noch schnell das Essen, das bereits auf dem Tisch stand, dann half er Biggi, die immer noch total fertig war, ihre Jacke anzuziehen und sie verließen das Restaurant. Thomas hielt es für das beste sofort nachhause zu fahren und das taten sie dann auch. Als sie im Auto saßen, wagte Biggi es kaum aus dem Fenster zu sehen, in der Erwartung sie könnte dort wieder ein Taxi sehen, ein Taxi mit dem Mann, den sie niemals in ihrem ganzen Leben wieder sehen wollte, dem sie die schlimmsten Stunden in ihrem ganzen Leben zu verdanken hatte - Ebelsieder. Thomas blickte immer wieder unendlich besorgt zu ihr herüber und strich ihr beruhigend über den Arm. Ihn nahm die Sache sichtlich mit. Wie gern würde er ihr helfen, nur was sollte er tun? Konnte er noch mehr tun, als sie in den Arm zu nehmen, sie zu trösten und einfach nur für sie da zu sein? Nein, und dieses Gefühl der Hilflosigkeit war das schlimmste.

Er war heilfroh als sie endlich vor der Villa von Thomas und Michael angekommen waren. Vorsichtig half er Biggi beim Aussteigen, nahm sie dann wieder ganz fest in den Arm und ging mit ihr zur Haustür. Michael war heute Abend mit Dirk ins Kino gegangen, so hatten sie das ganze Haus für sich. Thomas führte Biggi zum Sofa und wies sie an, sich erst einmal hinzulegen. Dann verschwand er kurz in die Küche und kam wenig später mit einem Becher Tee wieder. Biggi war schon fast eingeschlafen, sie war total erschöpft und total durcheinander. Das war einfach zu viel gewesen. Sie hatte sich doch sehr auf einen wunderschönen Abend mit Thomas gefreut und dann musste ihr ausgerechnet an diesem Abend Frank Ebelsieder über den Weg laufen.

Thomas setzte sich zu ihr und gab ihr vorsichtig die Tasse. „Hier mein Schatz, das wird dir gut tun, hm?“, meinte er lieb. Biggi sah ihn dankbar an und setzte sich dann ein wenig auf. Sie nippte an ihrem Tee und stellte die Tasse dann langsam zurück auf den Tisch. Thomas nahm sie zärtlich in die Arme und Biggi kuschelte sich ganz eng an ihn und schloss die Augen. Die Geborgenheit in seinen Armen tat ihr unendlich gut und sie verblieben einige Minuten so, ohne ein Wort zu sagen. Sie brauchten nichts zu sagen, denn ihre Liebe zueinander, sagte mehr als tausend Worte.

Schließlich legte sich Thomas mit Biggi im Arm aufs Sofa und streichelte sie die ganze Zeit beruhigend. Biggi konnte langsam, ganz langsam den Schock des heutigen Abends vergessen. Sie schmiegte sich so dicht es möglich war an Thomas, schloss die Augen und genoss einfach nur seine Nähe. Irgendwann schlief sie schließlich ein. Das war alles ein bisschen viel heute Abend gewesen.

Als Thomas  bemerkte, dass Biggi eingeschlafen war, stand er ganz vorsichtig auf, ohne sie zu wecken. Dann nahm er sie behutsam auf den Arm und trug sie nach oben ins Schlafzimmer, wo er sie ganz vorsichtig ins Bett legte und sie dann liebevoll zudeckte. Er setzte sich noch auf die Bettkante und strich ihr ganz sanft über die Wange. Lange betrachtete er sie so, wie sie schlief, bis er sich schließlich leise umzog, sich neben sie legte und sie zärtlich in den Arm nahm. Während er schon am einschlafen war, dachte er immer noch über die heutigen Geschehnisse nach. Er hoffte so sehr, dass es Biggi bald wieder gut gehen würde.

Als Michael und Dirk etwa eine halbe Stunde später aus dem Kino zurückkam, entdeckte Michael gleich Thomas’ Wagen vor der Villa stehen. Er wunderte sich ein wenig, dass Biggi und Thomas scheinbar schon wieder zurück waren und zudem, dass sie nicht wie erwartet bei Biggi übernachteten. Jedoch machte er sich keine weiteren Gedanken darüber und ging auch gleich ins Bett.

Früh am Morgen schreckte Gabi plötzlich hoch. Sie hatte einen Albtraum gehabt, der davon gehandelt hatte, dass ihr Baby von Rene war, alles herausgekommen war und Ralf sie daraufhin verlassen hatte. Sie zitterte und war schweißnass. Nur ganz langsam beruhigte sie sich wieder und realisierte, dass alles nur ein Traum war. Beruhigt sah sie, dass Ralf noch immer friedlich schlafend neben ihr lag. „Ganz ruhig Gabi, es war alles nur ein Traum…“, flüsterte sie um sich selbst zu beruhigen. Doch die Gedanken an diesen schrecklichen Albtraum  ließen sie einfach nicht los. Was war, wenn dieser schreckliche Traum tatsächlich wahr werden und ihr Leben zerstören würde? Sie konnte einfach an nichts anderes mehr denken. Sie kuschelte sich ganz eng an Ralf und versuchte an etwas Schönes zu denken, doch es gelang ihr einfach nicht.

Auch Biggi wachte am nächsten Morgen schon relativ früh auf. Sie bemerkte, dass Thomas, der sie noch immer im Arm hatte, noch schlief. Sie musste wohl gestern Abend auf dem Sofa eingeschlafen sein, überlegte sie sich. Langsam schloss wieder die Augen und versuchte noch etwas zu schlafen, da sie Thomas nicht wecken wollte und es ihr unmöglich war aufzustehen ohne dies zu tun.

Biggi war jedoch noch nicht einmal ganz eingeschlafen, als er auch langsam wach wurde. Er blinzelte verschlafen und erkannte, dass Biggi schon wach war. Zärtlich streichelte er ihr über den Rücken und fragte sie dann fürsorglich: „Geht’s dir wieder besser, mein Schatz?“ Biggi nickte und begann ihn zärtlich zu küssen.

Er erwiderte es unheimlich erfreut darüber, dass Biggi den Schock von gestern offensichtlich bereits ein wenig überwunden hatte. Als sie wieder ein wenig voneinander abließen, fragte sie verwundert: "Wie sind wir denn gestern hier hochgekommen?" Thomas lächelte. "Ich zu fuß, und du bist geschwebt." Biggi sah ihn perplex an. "Ich trage gerne Engel die Treppen hoch, du hast so süß geschlafen, ich wollte dich nicht wecken.", sagte er darauf. Biggi lächelte ihn dankbar an. "Hast du gut geschlafen?", fragte er sie dann. "Ja, klar, ich hab wunderbar geschlafen.", entgegnete Biggi. Wieder näherten sich ihre Lippen einander, und sie begannen, sich leidenschaftlich zu küssen.

Währenddessen begab sich Michael gerade aus seinem Schlafzimmer. Es war bereits kurz nach sieben. Zwar hatte das B-Team Schicht, aber für seine Pflichten als Ersatz-Stützpunktleiter musste Michael viel Zeit opfern und hatte deshalb vorgehabt, wie seine Kollegen um acht Uhr zu erscheinen. Als er an Thomas' Schlafzimmertür vorbeitrat, ließen ihn ungewöhnliche Geräusche aufhorchen. Er lugte durch den Türspalt und erkannte grinsend, dass Biggi und Thomas offensichtlich gerade sehr mit Küssen beschäftigt waren. Kurz überlegte er, ob er auf sich aufmerksam machen sollte, unterließ es dann aber. Junges Glück sollte man nicht stören. Stattdessen beschloss er, ein anständiges Frühstück anzurichten. Er gab sich sehr viel Mühe damit, und hatte schließlich nach zwanzig Minuten ein herrliches Frühstück gezaubert, während Biggi und Thomas immer noch anderweitig beschäftigt waren. Nun blieb Michael aber nichts anderes übrig, als die beiden zu unterbrechen. Er begab sich leise die Treppen hoch und stellte sich lautstark räuspernd in die Schlafzimmertür. Biggi und Thomas blickten erschrocken auf, Michael grinste. "Ich will ja nicht stören, aber ich hätte ein wunderschönes Frühstück vorbereitet, und im übrigen ist es ohnehin langsam Zeit für dich, Biggi." Biggi blickte entsetzt auf Thomas' Uhr. "Shit, schon so spät??" "Mach dir keine Sorgen, ne halbe Stunde hast du ja noch. Und jetzt wird erstmal gefrühstückt." Biggi küsste Thomas nochmals flüchtig, stand dann auf und eilte raus auf den Flur. "Zum Glück war ich schon im Badezimmer.", meinte Michael grinsend. Auch Thomas kämpfte sich nun langsam aus dem Bett. "Wie kam es eigentlich zu dem Planungsumschwung? Hattet ihr nicht vor, bei Biggi zu pennen?", fragte Michael so nebenbei, während er seufzend Thomas' Bett  in Ordnung brachte. Manchmal fühlte er sich hier wie das unbezahlte Dienstmädchen.

Michaels Frage erinnerte Thomas wieder an den schrecklichen, tränenreichen Abend. Sein zuvor noch fröhlicher Gesichtsausdruck verschwand schlagartig. Als Michael das bemerkte, fragte er: "Ist was nicht in Ordnung?" "Das kannst du wohl sagen.", entgegnete Thomas. "Du errätst nicht, wer gestern im selben Restaurant war wie wir.  Michael überlegte. Eine angenehme Person konnte es ja nicht gerade gewesen sein. Doch beim besten Willen, es fiel ihm niemand ein. "Tut mir leid, ich muss passen. Wer?" Thomas atmete durch, um ruhig zu bleiben. "Ebelsieder." "Was??", fragte Michael entsetzt. "Das ist nicht dein Ernst. Der ist doch eingebuchtet, oder etwa nicht?" "Ich hab keine Ahnung warum, Tatsache ist, er hat Biggi gestern auf der Toilette überrascht." "Was? Oh nein. Hat er ihr was getan?", fragte Michael entsetzt. "Nein, zum Glück nicht. Ich fand sie total aufgelöst am Boden, als er schon längst weg war. Sie meinte, er sei plötzlich hinter ihr gestanden. Zum Glück geht's ihr jetzt wieder besser. Michael musste sich erstmal setzen. Er konnte das alles nicht begreifen. Laut Polizei befand sich Ebelsieder in einer geschlossenen Anstalt der Psychiatrie, und das sollte nicht nur für ein paar Wochen so sein. Es war unmöglich, dass er jetzt schon entlassen sein sollte. Da war doch was faul.

Nach längerem Nachdenken meinte er dann: "Wir werden so bald es geht Kommissar Billmann anrufen. Der ist uns eine Rechenschaft schuldig. Weißt du was? Das erledige ich sofort." Thomas nickte. "Bitte mach das. Ich geh inzwischen mit Biggi in die Küche."

Und so begab sich Michael sogleich in sein Büro. Er setzte sich in seinen Bürosessel, atmete tief durch und nahm dann den Hörer des Telefons ab. Währenddessen war Biggi nach unten gekommen, fertig für die Schicht. Sie wirkte allerdings bei weitem nicht mehr so ausgeglichen wir zuvor. Ihr Blick war trübselig. Mit einem leisen "Danke" nahm sie das Brötchen an, das Thomas ihr liebevoll mit Marmelade bestrichen hatte. Er bemerkte natürlich sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. "Hey, Liebling, was ist los?",  fragte er sie vorsichtig. "Ach, nichts.", entgegnete Biggi bemüht beiläufig. "Hey, seit wann sind wir hier bei der Unwahrheit? Ich weiß doch genau, dass was nicht stimmt." Biggi neigte den Kopf nach unten. Thomas legte seinen Arm um sie und zog sie an sich. "Es ist nur ... ich ... als ich vorhin in den Spiegel gesehen hab, war er plötzlich wieder da. Dabei hatte ich es so schön weggedrängt über Nacht." "Ach Biggi...", sagte Thomas leise. Seine Augen wurden feucht. Das waren sie mit Ausnahme von gestern so lange nicht mehr geworden, seit ... Er nahm sie so fest er konnte in die Arme.

Michael musste nicht lange am Telefon warten, bis er mit Kommissar Billmann verbunden war. Dieser war ein Mann, der seine Arbeit gewissenhaft und sorgfältig ausführte – dazu gehörten für ihn ebenso lange Arbeitszeiten, mitunter Überstunden. Er befand sich schon längst in seinem Präsidium. "Kommissar Billmann, guten Tag?" "Ja, guten Tag, hier ist Dr. Lüdwitz. Sie erinnern sich?" "Ach, ja natürlich, Herr Lüdwitz. Wir haben ja lange nichts voneinander gehört. Wie geht es Ihnen, und vor allem, wie geht es Frau Schwerin?" "Naja, das ist eine gute Frage. Sie war in den letzten Wochen eigentlich gerade dabei, all die Geschehnisse zu überwinden, bis, naja - gestern etwas sehr Unvorhergesehenes passierte. Ich will es gleich auf den Punkt bringen. Befindet sich Frank Ebelsieder zurzeit noch in Haft?" "Ja, das tut er. Er ist allerdings seit gestern dazu berechtigt, Freigänge zu unternehmen. Mit beschränktem Zeitraum natürlich und auch nur einmal pro Woche." "Weshalb? Er müsste doch noch mindestens ein paar Monate voll inhaftiert sein!" "Ja, müsste, Herr Lüdwitz. Sie müssen wissen, die Voraussetzungen ändern sich besonders im Rechts- und Polizeiwesen äußerst schnell. Dies gilt auch für den Fall Ebelsieder. Glauben Sie mir, ich habe mich ausgiebig damit beschäftigt. Es gibt da etwas, was Sie vielleicht wissen sollten." "Tja, ich bin ganz Ohr.", entgegnete Michael hörbar verärgert. "Ebelsieder ist nicht der typische, naja, sagen wir mal, Psychopath. Seine Tablettenabhängigkeit hatte Gründe." "Jede Tablettenabhängigkeit hat Gründe. Glauben Sie mir, ich kenne mich aus. Was gibt Ihnen das Recht ..." Billmann unterbrach ihn. "Nun lassen Sie mich mal ausreden. Wir unterscheiden hier zwischen verschiedensten Motiven. Ein Mörder, der unter Tabletten- oder Alkoholeinfluss steht, handelt sich immer noch einen Bruchteil der Haftjahre ein, die ein Mörder klaren Verstandes absitzen muss. Ebenso ist es bei Sexual- oder Gewaltverbrechern wie Ebelsieder. Seine Tablettenabhängigkeit und die daraus folgende Schizophrenie sind auf zerrüttete Familienumstände zurückzuführen. Der Amtsarzt hat festgestellt, dass Ebelsieder bereits seit mehreren Jahren von starken Beruhigungsmitteln abhängig war, was erst kurz vor dem Vorfall mit Ihrer Kollegin zur Eskalation führte. Er hatte die Tabletten benötigt, um einen schweren psychischen Schock zu überwinden. Den Tod seiner Familie. Seine schwangere Frau war vor mehreren Jahren zusammen mit ihrer gemeinsamen

dreijährigen Tochter bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt." Billmann machte eine Pause. Michaels Mund war für kurze Zeit offen stehen geblieben. "Was? Davon habe ich nie etwas gewusst." "Das habe ich erwartet. Schließlich schätze ich nicht, dass er irgendeiner Menschenseele davon erzählt hat. Er übernahm damals an Ihrer Basis die Stützpunktleitung, um alles ein wenig zu verarbeiten. Vorher hatte er in Bonn gelebt. Wir sind so allmählich hinter all das gekommen, als wir seinen ehemaligen Wohnsitz, ebenso wie den jetzigen, inspiziert haben. Interessant ist übrigens auch etwas anderes. "Was denn?" "Seine verstorbene Frau weist eine eindeutige Ähnlichkeit mit Frau Schwerin auf. Sowohl vom Aussehen, als auch von den Wesensbeschreibungen der ehemaligen Bekannten her. Das dürfte wohl einiges erklären." Michael nickte nur, vergaß darauf, dass Billmann das nicht sehen konnte. Das musste er erstmal alles verdauen, es war ein wenig viel für einen Morgen, an dem er nicht mal gefrühstückt hatte. Ein Fehler, wie er nun bemerken musste. Allmählich fasste er sich allerdings wieder. "Herr Billmann, so tragisch all das ist - dieses Geschehnis in der Scheune, das uns alle sehr mitgenommen hat, ist nun mal passiert und so leid es mir wegen dieses schrecklichen Unglücks damals tut, ich kann nicht das geringste Verständnis für ihn empfinden. Das werden Sie doch verstehen. Die plötzlichen Freigänge schrecken mich sehr." "Ich kann es mir vorstellen. Aber ich bin nicht der einzige, der das bestimmt. Denken Sie nur nicht, alles was meine Kollegen festlegen, ist mir recht. Allerdings ist zu Ihrer Beruhigung ein absolutes Verbot ausgehängt worden. Ebelsieder hat bei seinen Freigängen sowohl Ihrem Stützpunkt als auch Ihren Wohnsitzen in einer Mindestdistanz von fünf Kilometern fernzubleiben." "Das ist nicht sehr beruhigend für mich, aber ich werde mich wohl vorerst damit zufrieden geben müssen. Sie werden bestimmt bald wieder von mir hören, Herr Billmann." "In Ordnung. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Ach ja, und bestellen Sie Frau Schwerin und Herrn Wächter liebe Grüße." "Danke."

Nachdem Michael aufgelegt hatte, musste er erstmal tief durchatmen. Er musste das Gespräch mit Billmann erst einmal verarbeiten. Ebelsieder war also wieder auf freiem Fuß. Die Tatsache, dass er sich weder der Basis noch den Wohnungen seiner ehemaligen Kollegen nähern durfte beruhigte Michael kaum, schließlich musste man nun, immer wenn man in die Stadt fuhr, zum Einkaufen ging, ja, eigentlich fast immer, wenn man das Haus verließ, damit rechnen, dass einem Ebelsieder über den Weg laufen würde. Besonders für Biggi würde diese Vorstellung sicherlich schrecklich sein.

Dann dachte Michael wieder daran, dass Ebelsieder seine Frau und seine Tochter verloren hatte. Ja, es tat ihm Leid für seinen ehemaligen Chef, doch es half ihm auch nicht viel dabei, dessen Handlung zu verstehen. Ja, Biggi hatte anscheinend seiner verstorbenen Frau ähnlich gesehen, aber wenn Michael nur daran dachte, was Ebelsieder der Pilotin angetan hatte, verspürte er wieder eine riesige Wut auf ihn.

Langsam stand Michael auf und begab sich in die Küche, wo Biggi und Thomas noch immer am Frühstücken waren. Biggi hatte sich wieder ein wenig beruhigt, doch mit dem gestrigen Abend waren die schrecklichen Geschehnisse von vor ein paar Monaten wieder hochgekommen. Sie hatte es so gut geschafft alles zu verdrängen, sie hatte es schon fast vergessen gehabt, doch das Treffen mit Ebelsieder hatte sie wieder hart mit der Vergangenheit konfrontiert.

Michael setzte sich zu den beiden, nahm sich ein Brötchen und bestrich es mit Marmelade. „Ich habe gerade mit Kommissar Billmann telefoniert.“ Biggi zuckte zusammen, wieder wurde sie mit diesem Thema konfrontiert. Thomas sah seinen Freund erwartungsvoll an. „Und? Was hat er gesagt?“ „Er hat mir erzählt, dass Ebelsieder einmal pro Woche Freigang hat. Er darf sich allerdings unseren Wohnungen und der Basis nicht mehr als 5 Kilometer nähern.“ „Was?“, Biggis Stimme zitterte. Sie konnte es nicht glauben, obgleich sie es nach der Begegnung mit Ebelsieder schon geahnt hatte. Thomas legte seinen Arm um sie und zog sie zu sich. „Das ist doch nicht wahr, oder?“, fragte er dann verzweifelt. „Leider schon…“, antwortete Michael ebenso niedergeschlagen. „Das heißt also, ich kann nicht mehr als fünf Kilometer von meiner Wohnung oder der Basis entfernen, ohne Gefahr zu laufen ihm zu begegnen?“, fragte Biggi leise. Michael nickte betrübt, worauf sich Biggi noch enger an Thomas klammerte. Der Gedanke daran, dass Ebelsieder einfach so frei herumlief, irgendwo da draußen, machte sie total fertig.

Gabi und Ralf waren inzwischen auch schon aufgestanden. Gabriele fühlte sich heute zum Glück schon viel besser und ihr sie verspürte nur manchmal noch eine leichte Übelkeit. Ralf hatte liebevoll den Tisch gedeckt und Frühstück gemacht. Zwar hatten sie nicht mehr viel Zeit bis zum Beginn ihrer Schicht, doch sie wollten es sich trotzdem nicht nehmen lassen, gemütlich zusammen zu frühstücken. „Geht’s dir heute wieder besser?“, fragte Ralf, als sie zusammen am Tisch saßen. Gabi nickte. Ralf strahlte sie an, er war unendlich froh darüber. Schon nach dem Aufstehen hatte er bemerkt, dass es Gabi heute anscheinend besser ging, aber es von ihr selbst zu hören, war für ihn natürlich noch erfreulicher. Körperlich ging es Gabi wirklich weitaus besser als am vergangenen Tag, doch ihre Gedanken schweiften immer noch wieder und wieder zu Rene und dem Baby. Sie konnte einfach an nichts anderes mehr denken, als an diese Frage, ob sie nun wirklich von Ralf schwanger war oder nicht.

Biggi, Thomas und Michael waren währenddessen dabei sich ihre Jacken anzuziehen um sich auf den Weg zur Basis zu machen.

Als sie aus der Hautür heraustraten, sah Biggi sich zunächst vorsichtig zu allen Seiten um, in der bösen Vorahnung irgendwo Ebelsieder zu begegnen. Zwar wusste sie, dass er sich dem Haus von Michael und Thomas nicht mehr als 5 Kilometer nähern durfte, doch würde er sich daran halten? Es kam ihr so vor, als ob sie nun nirgendwo mehr sicher war außer zuhause, zumindest nicht, wenn sie allein war. Thomas bemerkte, dass Biggi unruhig war. Er legte beruhigend seinen Arm um sie und ging dann langsam mit ihr zum Auto. Natürlich wusste er, warum sie sich so ängstlich umgeschaut hatte und es machte ihn fertig zu sehen, dass es Biggi so schlecht ging. Wie gern würde er dafür Sorgen, dass man Ebelsieder wieder in Haft stecken würde und zwar für immer – ohne Ausgang. Doch er wusste, dass er was dies anbelangte, nichts ausrichten konnte. Seufzend setzte er sich ans Steuer, während Biggi auf der Beifahrerseite einstieg und Michael auf dem Rücksitz platz nahm.

Als sie auf der Basis ankamen, waren auch Gabi und Ralf bereits eingetroffen. Sie waren bereits umgezogen und saßen auf dem Sofa im Aufenthaltsraum. „Guten Morgen“, begrüßte Ralf die drei fröhlich. „Morgen“, brachte Biggi nur leise hervor. Sah auf den Boden und verschwand dann schnell in der Umkleide. Gabi wunderte sich sehr, was mit ihrer Freundin los war. Normalerweise war Biggi immer diejenige, die am Morgen gute Laune auf die Basis brachte, aber heute sah sie total niedergeschlagen aus.

Nachdem Thomas und Michael ebenfalls Gabi und Ralf begrüßt hatten, gingen auch sie in die Umkleide. Zwar fing ihre Schicht erst in einigen Stunden an, doch sonst müssten sie wieder mittendrin aufstehen und sich umziehen. Gabi hatte beschlossen nach Biggi zu sehen. Als sie die Umkleide betrat, war die Pilotin gerade dabei sich die Schuhe zuzubinden. Als sie Gabi bemerkte sah sie auf. Gabriele fiel erneut auf, wie aufgelöst Biggi wirkte. Sie setzte sich neben sie. Legte ihr den Arm um die Schulter und fragte dann lieb: „Hey, Biggilein, was ist denn los mit dir, hm?“ Biggi sah sie traurig an. „Ach Gabi….“, meinte sie dann nur. „Was ist denn passiert? Hast du Stress mit Thomas?“, fragte die Notärztin sie, wobei sie sich das eigentlich nicht vorstellen konnte. Biggi schüttelte den Kopf „Nein, ich weiß gar nicht, was ich machen würde, wenn ich Thomas nicht hätte, er ist immer für mich da….und ich liebe ihn über alles.“ „Aber was ist es dann?“, fragte Gabi besorgt. „Ich….ich habe gestern Ebelsieder gesehen.“, sagte Biggi dann langsam und versuchte möglichst ruhig zu bleiben. „WAS???“, Gabi konnte es nicht glauben. „Ja, Thomas und ich waren in einem Restaurant, wir wollten uns einen richtig schönen Abend machen….“ Biggi schluckte bei dem Gedanken daran, wie dieser Abend geendet hatte. Es hätte so schön werden können…. „Ich war kurz auf der Toilette und dort hab ich ihn gesehen. Ich hab in den Spiegel gesehen und plötzlich…plötzlich…da hat er hinter mir gestanden.“ Gabi nahm Biggi in den Arm, sie wusste genau, wie sehr Biggi das fertig machte. Sie hatte es verdrängt, fast vergessen und nun traf sie ihn wieder, den Mann, der ihr die wohl schlimmsten Stunden ihres Lebens beschert hatte. Gabi hatte noch so viele Fragen. Warum Ebelsieder überhaupt auf freiem Fuß war und ob er Biggi irgendwas getan hatte. Aber sie hielt es für besser ihre Freundin nicht darauf anzusprechen. Se hatte deutlich bemerkt, wie schwer es ihr fiel darüber zu sprechen. Vielleicht konnte ihr Thomas das ja sagen, hoffte Gabi zumindest. „Komm“, meinte sie dann und zog Biggi mit hoch. Langsam gingen sie in den Aufenthaltsraum, wo Thomas und Ralf am Tisch saßen. Michael hatte sich bereits wieder in sein Büro verzogen. Er hatte noch genug Arbeit zu erledigen. Niemals hätte er gedacht, dass der Job des Stützpunktleiters so anstrengend wäre. Dabei musste er wieder an seinen Vorgänger denken – Frank Ebelsieder. Ihm fiel wieder ein, dass er den anderen noch nicht gesagt hatte, warum Ebelsieder Tabletten abhängig geworden war. Michael wusste ja jetzt Dank Kommissar Billmann über Ebelsieders Vergangenheit bescheid.

Biggi hatte sich auf Thomas’ Schoß gesetzt und er hatte sie ganz fest in die Arme geschlossen. In seiner Gegenwart fühlte sie sich so sicher und geborgen wie nirgendwo sonst. Sie lehnte sich mit dem Kopf an seine Schulter und schloss die Augen, während Thomas ihr sanft übers Haar strich. Gabi und Ralf hatten sich in die andere Ecke des Aufenthaltsraums verzogen. Sie wollten die beiden jetzt nicht stören. Gabi hatte Ralf kurz erzählt, was passiert war und auch er war geschockt darüber.

Wenig später kam Michael in den Aufenthaltsraum. Er wollte seinen Kollegen jetzt von Ebelsieders Vergangenheit erzählen. Sie hatten ein Recht darauf es zu erfahren und irgendwie fand er, dass Ebelsieder das Recht darauf hatte, dass die anderen sein Motiv kannten, dass sie wussten, dass er im Prinzip nicht psychisch krank war sondern tablettensüchtig auf Grund von tragischen Geschehnissen in seiner Familie.

Er setzte sich auf einen Sessel in die Runde und sah sie mit schwerem Blick an. "Hi.", sagte er dann. Gabi, Ralf, Thomas und Biggi verstanden nicht ganz. Michael atmete durch. "Ich muss euch etwas erzählen. Ich denke einfach, dass ihr das wissen solltet. Es sollte ein wenig Klarheit bringen. Er wandte sich an Biggi und Thomas. "Heute am Frühstückstisch - da hab ich euch nicht alles erzählt. Nicht alles über Ebelsieder." Schon allein der Klang seines Namens machte es Biggi unmöglich, weiterhin entspannt auf dem Sofa zu sitzen. Sofort wurde sie unruhig und nervös, die anderen bemerkten das. Thomas legte den Arm um sie und zog sie noch näher an sich. Schließlich setzten sich nun auch Ralf und Gabi zu den beiden auf das Sofa. Gabi strich Biggi liebevoll über die Hand. Sie tat ihr so Leid. Michael begann. "Kommissar Billmann hat mir einiges über Ebelsieders Hintergründe erzählt, von denen wir alle nicht die geringste Ahnung hatten. Ich selbst war sehr überrascht. Er hat sich nie etwas anmerken lassen. Tatsache ist auf jeden Fall, dass er schon über mehrere Jahre hinweg tablettensüchtig war. Er hatte es immer irgendwie unter Kontrolle, jedoch geriet sein Konsum vor mehreren Wochen aus den Fugen. Kurz bevor ..." Er sprach nicht weiter, und blickte nur zu Boden. Die anderen wussten schließlich alle, was er meinte. Er fuhr fort. "Billmann hat herausgefunden, dass Ebelsieder durch ein tragisches Ereignis von diversen Antidepressiva, zum Teil sehr schweren, abhängig wurde. Er hat an einem einzigen Tag durch einen Autounfall seine schwangere Frau und seine dreijährige Tochter verloren." Die anderen blickten auf. Damit hätten sie wirklich nicht gerechnet, genau wie es Michael auch ergangen war und wie er es vorausgesehen hatte. "Was?", fragte Gabi tonlos. "Ja. So ist es. Weshalb ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt nun die ganze Situation eskaliert ist, ist ungewiss. Aber Billmann hat auch etwas anderes erwähnt. Und ich denke, Biggi, ich ... ich sollte dir etwas zeigen. Ich habe es vorhin ganz hinten in Ebelsieders Schreibtisch gefunden. Nicht mal der Polizei ist es damals untergekommen." Er zog etwas aus seiner Tasche und reichte es nun Biggi, die die ganze Zeit starr auf dem Sofa gesessen war und erstmal verstehen musste, was sie gerade erfahren hatte. Von dem Mann, der ihr die schlimmste Nacht ihres Lebens beschert hatte. Sie blickte auf das, was Michael in der Hand hielt und kurz blieb ihr vor Schreck der Atem aus. Es war ein Foto. Mit dem Bild einer Frau. Im ersten Moment hätte Biggi gedacht, das wäre sie. Unverkennbar. Doch bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass es sich gar nicht um sie selbst handelte. "Das ist ... Ebelsieders Frau.", sagte Michael leise. Auch Thomas starrte nun das Bild an. Die Ähnlichkeit zwischen der Frau auf dem Foto und Biggi war wirklich verblüffend. Zitternd hielt Biggi es in der Hand und ließ den Blick nicht davon. Langsam begann sie zu verstehen. Alle begannen zu verstehen. Nicht das, was Ebelsieder in besagter Nacht, die Biggi niemals würde vergessen können, angerichtet hatte. Aber sie begannen die Hintergründe zu verstehen. Sie hatten endlich einen Einblick in die eigentlich unnahbarste Person, die ihnen je begegnet war. Doch auch all das flaute nicht im geringstem die Wut ab, die sie alle gegen Ebelsieder hegten. All die Umstände änderten nichts daran, was er Biggi angetan hatte. Deshalb wurden die Erinnerungen an die schreckliche Nacht in der Scheune nicht weniger Furcht erregend, nicht weniger qualvoll für sie. Aber sie konnten es nun zumindest irgendwie verstehen. Und natürlich empfanden sie Mitleid für ihn. Allerdings für die Person in Ebelsieder, die ihre Familie verloren hatte und anschließend aus lauter Verzweiflung und Ausweglosigkeit den scheinbaren Ausweg der Tabletten eingeschlagen hatte. Nicht etwa für die Person, die aus ihm geworden war und die all die Tränen begründet hatte, die vor mehreren Wochen geflossen waren. Sie befanden sich im Zwiespalt. Denn Ebelsieder war nun mal nur eine Person. Er hatte im gewissen Sinn aus zweien bestanden - der verzweifelten und hilflosen zum einen, und der außer Kontrolle geratenen und unberechenbar gefährlichen zum anderen. Das war zur Zeit der Tabletten gewesen. Nun allerdings hatte sich all dies im Laufe seiner Kur zu einer einzigen Person zurückgewandelt.

Das gesamte Team hatte keine Ahnung, wie sie damit nun umgehen sollten. Sie waren ratlos. Und Biggi - Biggi war völlig verwirrt. Das war alles sehr viel auf einmal gewesen. Erst die Sache vor mehreren Wochen, dann das Geschehnis gestern Abend, nun das. Sie konnte mit alldem auf einmal nicht mehr umgehen, fühlte sich nicht dazu fähig.

Niemand sagte etwas. Doch plötzlich stand sie auf, mitten in das Schweigen hinein, und sagte flüchtig: "Entschuldigt - ich ... ich muss an die frische Luft." daraufhin eilte sie fluchtartig nach draußen, während ihr die anderen nachsahen. Auch Thomas hatte sich noch nicht ganz fassen können. Doch nun, als Biggi bereits nach draußen verschwunden war und die anderen ihr hilflos nachsahen, erhob er sich und stürmte ihr nach. Er fand sie am Fluss ... das erste Mal nach all der Zeit. Obgleich dieser heute ein mächtiges Rauschen von sich gab...

Langsam trat er von hinten an sie heran und setzte sich dann neben sie. Sie schwiegen beide und sahen in das rauschende Wasser der Salzach. Plötzlich sah Biggi auf zu Thomas und auch er sah sie an. „Ich...ich pack das einfach nicht mehr…“, sagte sie leise und ihre stiegen Tränen in die Augen. Thomas nahm sie sofort liebevoll in den Arm und zog sie ganz nah an sich. „Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll.“, meinte Biggi dann leise. „Das ist einfach alles zu viel für mich.“ Immer mehr Tränen liefen ihr nun über die Wangen und sie vergrub ihr Gesicht in Thomas’ Overall. „Aber Biggi, das erwartet doch auch niemand von dir. Niemand kann von dir erwarten, dass du nach dem, was Ebelsieder getan hat, damit normal umgehen kannst. So etwas braucht Zeit…“ Biggi blickte auf und sah ihm in die Augen. Thomas näherte sich mit seiner Hand langsam ihrem Gesicht und wischte ihr dann zärtlich die Tränen weg. „Ach Thomas…“, sagte sie leise und schmiegte sich dann noch enger an ihn. Er legte seine Arme beschützend um sie und hielt sie ganz fest. So saßen sie da, niemand sagte ein Wort - minutenlang. Biggi tat es unheimlich gut Thomas’ Nähe zu spüren. Das gab ihr wieder neue Kraft, Kraft die Ereignisse zu verarbeiten.

Gabi sah aus dem Fenster nach draußen und beobachtete Thomas und Biggi. „Ich bin echt froh, dass sie Thomas hat, ich glaube ohne ihn würde sie das alles nicht durchstehen.“, sagte sie zu Michael, der neben sie getreten war. Er nickte. „Ja,. Du hast Recht. Mit Thomas hat sie wirklich Glück.“, erwiderte er. Dann setzten sie sich beide wieder zu Ralf und Peter an den Tisch. „Das mit Ebelsieder ist wirklich heftig.“, meinte Gabi dann und sprach damit das aus, was sie alle im Stillen dachten. „Und wir hatten alle absolut kein Ahnung davon, was mit seiner Familie passiert war.“, setzte Ralf nachdenklich hinzu. Sie mussten das alles erst einmal verarbeiten. Biggi und Thomas waren inzwischen aufgestanden und gingen Arm in Arm wieder zurück in Richtung Hangar. Biggi hatte sich wieder etwas beruhigt und wirkte nun wieder ziemlich gefasst. Thomas hatte ja Recht, es brauchte Zeit die Geschehnisse zu verarbeiten und es war wohl normal, dass es im Moment für sie alles noch zu viel war und sie damit nicht klarkam. Doch sie hatte Thomas und sie wusste, dass er ihr immer helfen würde und er immer für sie da war. Das gab ihr unendlich viel Kraft. Und sie wusste, sie würde es schaffen, die Geschehnisse zu verarbeiten. Nicht heute, aber nach einiger Zeit.

Am Ende der Schicht des B Teams machten Gabi und Ralf sich gleich auf den Weg nachhause. Er wollte, dass Gabi sich noch ein wenig Ruhe gönnte und hatte ihr deshalb vorgeschlagen, dass er ihnen etwas kochen könnte und sie sich danach ein Video anschauen könnten. Gabi war das ganz recht, denn nach den nervenaufreibenden Erkenntnissen des heutigen Morgens, wollte sie am liebsten ihre Ruhe haben und nicht mehr weggehen. Sie zog es vor zuhause auf dem Sofa zu liegen und sich von Ralf verwöhnen zu lassen.

„Was wollen wir eigentlich heute Abend machen. Fahren wir nach deiner Schicht zu mir oder zu dir?“, fragte Biggi Thomas. Sie saßen gerade mit Michael und Peter zusammen im Aufenthaltsraum und warteten das Schichtende des A Teams ab. „Ganz wie du möchtest.“, erwiderte Thomas und überließ Biggi somit die Entscheidung. Auch wenn es Samstag war und sie am nächsten Tag frei hatten, zog Biggi es vor einen ruhigen Abend zuhause zu verbringen. Sie wollte allein sein mit Thomas und es sich mit ihm zusammen so richtig schön machen. „Also an mir soll es nicht liegen, ich bin heute Abend nicht zuhause und Dirk auch nichts“, mischte Michael, der ahnte, dass Thomas und Biggi den Abend zu zweit verbringen wollten, sich ein. „Oh, dann müssen wir das wohl ausnutzen.“, gab Biggi grinsend zurück. Thomas nickte ebenfalls grinsend. „Wenn du das sagst…“ „Ich fahre dann noch kurz in meine Wohnung und hole noch ein paar Sachen. Aber zum Ende deiner Schicht bin ich wieder hier und hole dich ab, ok?“ Thomas nickte und gab Biggi dann seinen Autoschlüssel. Sie gaben sich einen langen Abschiedskuss und Biggi meinte danach: „Ich freu mich auf nachher.“ „Ich mich auch.“, erwiderte Thomas lächelnd und gab ihr dann noch einen Kuss. Biggi verabschiedete sich noch von Peter und Michael und verließ dann endgültig den Aufenthaltsraum. Es war gegen vier Uhr am Nachmittag und da es Dezember war, war es bereits fast dunkel. Außerdem hatte es wie in den letzten Tagen schon öfter, zu schneien begonnen. Biggi ging zu Thomas’ Auto, schloss die Tür auf und sah dann noch einmal zum Aufenthaltsraum. Thomas sah ebenfalls gerade zu ihr und so winkten sie sich noch einmal. Schließlich stieg Biggi ein und fuhr los. Als sie das Basisgelände verlassen hatte, wurde sie nach einiger Zeit von einem Taxi überholt. Sie zuckte zusammen. Plötzlich war alles wieder da. Der gestrige Abend. Sie hatte die Szene wieder vor Augen, wie sie Ebelsieder in dem Taxi gesehen hatte. Sie bekam Panik, fuhr schneller, in der Angst sie könnte wieder von einem Taxi überholt werden und dieses Mal könnte Ebelsieder darin sitzen. Sie hatte die ganze Zeit Angst ihn irgendwo zu erblicken. Von der Basis war sie bereits mehr als 5 Kilometer entfernt, also konnte er hier sein – überall. Vielleicht würde er sich auch gar nicht an den vorgeschriebenen Abstand halten. Biggi lief ein kalter Schauer den Rücken herunter bei dem Gedanken daran, dass er ihr bei sich zuhause auflauern könnte. Sie hatte eine unheimliche Angst.

Als sie ihre Wohnung erreicht hatte, stellte sie das Auto so nah wie möglich am Eingang ab und legte die Strecke zwischen Auto und Eingangstür im Laufschritt zurück. Als sie die Tür erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um, um sich zu versichern, dass dort wirklich niemand war. Dann lief sie die Treppe hoch, schloss blitzschnell ihre Wohnungstür auf und stürzte in die Wohnung. Hinter sich schloss sie die Tür sofort wieder und schloss einmal um. Dann lief sie hektisch von Raum zu Raum, schaltete überall das Licht an und vergewisserte sich, dass hier niemand war. Schließlich ließ sie sich aufs Bett sinken. Sie atmete ganz langsam wieder normal und beruhigte sich weder ein wenig. So konnte es nicht weitergehen. Sie hatte schon Angst davor auf die Straße zu gehen, wie sie Ebelsieder dort irgendwo treffen könnte. Ja, sogar in bzw. vor ihrer eigenen Wohnung musste sie Angst haben. Sie fasste sich wieder, stand auf und packte dann schnell die Sachen, die sie mit zu Thomas nehmen wollte, zusammen. Sie wollte so schnell wie möglich zu ihm und nicht mehr alleine sein.

Nachdem sie alles in ihrer Tasche verstaut hatte, ging sie durch die ganze Wohnung, schaltete überall das Licht wieder aus und trat dann nach draußen ins Treppenhaus. Sofort war da wieder die Angst, Ebelsieder könnte hier irgendwo in der Gegend herumlaufen und sie könnten sich begegnen. Mit schnellen Schritten ging sie zum Auto, stieg ein und fuhr dann mit ziemlich hoher Geschwindigkeit zurück zur Basis. Auch  während der Fahrt sah sie sich ständig zu allen Seiten um und fühlte sich beobachtet. Beobachtet von ihm – Ebelsieder.

Gabriele lag zur gleichen Zeit im Wohnzimmer auf dem Sofa und hatte begonnen ein Buch zu lesen, dass sie sich vor einigen Tagen gekauft hatte. Sie war jedoch irgendwie nicht richtig bei der Sache und kam daher nur sehr langsam voran. Immer wieder musste sie sich dabei ertappen, dass sie mit den Gedanken ganz woanders als bei dem Buch war. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um ihr Baby und somit zwangsweise auch um Rene. Es machte sie wahninnig, dass sie sich niemandem anvertrauen konnte, niemandem ihre Probleme erzählen konnte. Sie war ganz allein und musste selbst damit fertig werden. Wie gern hätte sie Ralf alles gesagt, doch sie wusste, dass dann alles aus wäre. Biggi könnte sie es erzählen. Sie dachte schon die ganze Zeit darüber nach. Zwar war es riskant, wenn noch jemand davon wusste, doch Gabi konnte Biggi voll und ganz vertrauen und wusste, dass es von ihr niemand erfahren würde. Das Problem war nur, dass Gabi sich im Moment schon genug um Biggi sorgte wegen der Sache mit Ebelsieders. Da wollte sie ihre Freundin jetzt nicht mit noch mehr Problemen belasten, als sie sowieso schon hatte. Wenn es Biggi wieder besser ging und ein wenig Gras über die Sache gewachsen sein würde, dann könnte sie Biggi vielleicht davon erzählen. Gabi hoffte so sehr, dass das bald der Fall sein würde. Sie hielt das einfach nicht mehr aus und ihre Probleme schienen sie aufzufressen. In jeder freien Minute dachte sie nur daran, sie konnte einfach nicht mehr richtig glücklich sein und hatte immer den Gedanken an Rene und das Baby im Hinterkopf. Wie sollte sie Ralf nur erklären dass sie schwanger war? Von einem anderen Mann. Nein, das durfte sie ihm nicht sagen, er musste denken, dass er der Vater wäre. Gabi grübelte hin und her. Sie würde es ihm bald sagen müssen, denn es würde nicht mehr lange dauern, bis er es sowieso sehen würde, dass sie schwanger war.

Ralf war währenddessen in der Küche schwer damit beschäftig ein leckeres Essen auf den Tisch zu zaubern. Das gelang ihm dann schließlich besser, als er es erwartet hatte. Er hatte liebevoll den Tisch gedeckt und den Topf mit der Suppe, die er gekocht hatte, bereits dazu gestellt. „Gabi, das Essen ist fertig.“, rief er ins Wohnzimmer und riss Gabriele damit aus den Gedanken. „Ich komme.“, antwortete sie und erhob sich schließlich vom Sofa.

Sie sah sofort, dass Ralf sich wirklich viel Mühe gegeben hatte und bedankte sich bei ihm mit einem Kuss. Dann begannen sie zu essen.

Biggi hatte gerade die Basis erreicht. Sie sprang sofort aus dem Auto und kam in den Aufenthaltsraum gestürzt, wo Thomas, Peter und Michael um den Tisch herumsaßen. Sie war noch total außer Atem. „Biggi, was ist denn los?“, fragte Thomas sofort und ging zu ihr. Biggi ließ sich daraufhin in seine Arme fallen und meinte leise. „Bitte lass mich nie wieder los.“ Thomas streichelte ihr liebevoll über den Rücken und ging dann langsam mit ihr im Arm in die Umkleide. Er wollte jetzt mit ihr alleine sein und erst einmal wissen, was los war. Sie setzten sich auf die Bank, wobei Thomas Biggi jedoch nicht losließ und sie die ganze Zeit im Arm hatte. „Nun erzählst du mir erstmal ganz in Ruhe, was passiert ist, hm?“, meinte er lieb. „Es… es war so schrecklich.“, begann Biggi leise. „Ich habe die ganze Zeit geglaubt, er würde mich verfolgen.“ Thomas wusste natürlich sofort, er mit „er“ gemeint war. Oh nein, auch das noch. Anscheinend blieb Biggi wirklich nichts erspart. Thomas versetzten Biggis Worte einen Stich ins Herz. Warum? Warum musste es immer sie treffen? Biggi hatte doch schon so viel wegen der Sache mit Ebelsieder durchgemacht. Warum konnte dieser ganze Albtraum nicht endlich vorbei sein? Er fühlte sich so hilflos. Wenn er doch nur irgendetwas tun könnte. Mehr tun, als sie einfach nur in den Arm zu nehmen, sie trösten und für sie da zu sein. „Ich kann nicht mal mehr alleine auf die Straße gehen ohne Angst haben zu müssen ihm irgendwo zu begegnen. Nicht einmal in meiner eigenen Wohnung habe ich mich sicher gefühlt.“, erzählte Biggi weiter. Thomas schluckte. So konnte es nicht weitergehen, er musste irgendwas tun. „Meinst du es würde helfen, wenn du zu Michael, Dirk und mir in die Villa ziehen würdest, ich meine so ganz…“, fragte er Biggi dann plötzlich. Sie sah ihn überrascht an, damit hatte sie nun überhaupt nicht gerechnet. Dann huschte jedoch ein kleines Lächeln über ihr Gesicht und sie nickte heftig. „Danke, Thomas…“, meinte sie leise. „Hey, das ist doch selbstverständlich.“, erwiderte er, „Und außerdem…was meinst du wie schön es wird, wenn wir beide zusammenziehen, hm?“ Biggi nickte. „Wenn ich dich nicht hätte…“, meinte sie leise. „Du hast mich aber und egal was passiert, Biggi, ich werde immer, immer für dich da sein.“, versicherte Thomas ihr daraufhin. „Ich weiß und das macht mich überglücklich.“, antwortete Biggi ihm und sah ihm tief in die Augen. Thomas lächelte sie an und strich ihr zärtlich mit der Hand über die Wange. Dann näherten sie langsam ihre Gesichter einander und begannen sich zu küssen. Es war ein unendlich zärtlicher Kuss und danach ließ Biggi sich glücklich in Thomas’ Arme sinken. „Ich liebe dich.“, sagte sie leise und legte ihre Arme um seinen Hals. „Ich dich auch - mehr als alles andere auf der Welt.“ Erneut küssten sie sich, lange, sehr lange, bis sie schließlich langsam aufstanden und zurück zu Michael und Peter gingen, die im Aufenthaltsraum gerade begonnen hatten Karten zu spielen. Sie waren erleichtert darüber, dass es Biggi anscheinend wieder gut ging, auch wenn sie nicht wussten, was vorhin mit ihr los gewesen war.

Thomas und Biggi setzten sich zu Michael und Peter an den Tisch und sie spielten zu viert Poker. Biggi hatte eine richtige Glückssträhne und gewann jedes Mal. „Du zauberst dir doch nicht etwa immer die passenden Karten aus dem Ärmel, oder?“, fragte Peter sie, nachdem sie erneut gewonnen hatte, grinsend. Biggi lachte. „Klar, ich habe ein ganzes Depot in meinem Pullover.“, antwortete sie lachend. Sie musste den ganzen Rest der Schicht des A Teams gar nicht mehr an Ebelsieder denken und wirkte richtig fröhlich. Thomas war total glücklich darüber. Vielleicht war dieser Albtraum ja wirklich bald zu Ende. Und wenn Biggi und er dann endlich zusammenziehen würden….Vielleicht würden sie es ja schaffen bis Weihnachten schon fertig zu sein mit dem Umzug. Gut eine Woche hatten sie immerhin noch. Thomas fiel ein, dass er Michael noch gar nicht darüber informiert hatte. „Michael, du hättest doch nichts dagegen, wenn Biggi zu uns ziehen würde, oder?“, fragte Thomas ihn. Michael sah ihn zunächst einmal überrascht an. Damit hatte er jetzt überhaupt nicht gerechnet. Biggi und Thomas sahen ihn erwartungsvoll an und als Michael seine Sprache wieder gefunden hatte, meinte er „Nein, natürlich nicht. Ich freu mich doch für euch.“ Er grinste Biggi und Thomas an und fragte dann an Biggi gerichtet: „Ab wann willst du denn unseren Männerhaushalt auf den Kopf stellen?“ Sie grinste. „Am liebsten sofort. Aber eigentlich tu ich das doch jetzt schon, oder?“ Thomas nickte. „Und wie.“, meinte er lachend, worauf Biggi ihn zu kitzeln begann. „Ok, ok, ich nehme alles zurück.“, ergab sich Thomas schließlich und nahm Biggi, die neben ihm saß, in den Arm. „Also ich würde es schön finden, wenn ich Weihnachten schon bei euch wohnen würde.“, meinte Biggi dann. Sie freute sich schon total darauf und fragte sich, warum sie und Thomas nicht schon früher auf die Idee gekommen waren ganz zusammenzuziehen. „Oh, das ist ja schon in nicht einmal zwei Wochen.“, stellte Peter erstaunt fest. „Da müsst ihr euch aber beeilen.“ „Na ja, wir haben ja fleißige Helfer…“, antwortete Thomas und sah Peter und Michael auffordernd an. „Ok, ok, ich bin dabei. Ich helfe euch beim Umzugskartons schleppen.“, gab  Peter sich schließlich geschlagen und auch Michael willigte ein.

Nach der Schicht, gingen Michael, Thomas und Peter sich umziehen, während Biggi im Aufenthaltsraum wartete. Sie freute sich schon total darauf zu Thomas in die Villa zu ziehen und konnte es kaum noch abwarten. Da sie morgen frei hatten, würden sie dann schon einmal in ihre Wohnung fahren können und die ersten Sachen zusammenpacken.

Als Michael, Peter und Thomas schließlich wieder aus der Umkleide kamen gingen sie alle zusammen nach draußen und machten die Basis dicht. Es schneite immer noch, was die vorweihnachtliche Atmosphäre noch verstärkte. Michael, Thomas und Biggi verabschiedeten sich von Peter, der durch den Schnee zu seinem Wohncopter ging. Er hatte es ja nicht weit. Thomas stieg auf den Fahrersitz und Biggi setzte sich neben ihn. Michael nahm hinten Platz und so fuhren sie los. Jetzt, wo Biggi nicht alleine war, achtete sie gar nicht mehr auf Taxis, in denen sie Ebelsieder erkennen könnte oder ähnliches. Wenn sie ihn Thomas’ Gegenwart war, fühlte sie sich immer total sicher und geborgen. Er blickte immer wieder zu ihr rüber und war froh darüber, dass es Biggi anscheinend besser ging und sie den schlimmen Nachmittag vergessen hatte.

Als sie an der Villa ankamen und ausstiegen, schneite es immer noch. Es hörte gar nicht mehr auf. „Irgendwie hätte ich jetzt richtig Lust auf eine Schneeballschlacht.“, meinte Thomas grinsend. „Kannst du haben.“, erwiderte Biggi frech und ehe Thomas sich versehen hatte, hatte er auch schone einen Schneeball von ihr abbekommen. „Na warte, du…“, rief er lachend und formte ebenfalls einen Schneeball in seinen Händen. Michael verzog sich derweilen schnell ins Haus, um nicht auch noch etwas abzubekommen. Thomas jagte Biggi durch den ganzen Garten und immer wieder bewarfen sie sich mit Schneebällen. Sie waren beide schon von oben bis unten nass, doch sie hatten einen riesigen Spaß an der Schneeballschlacht. Wie kleine Kinder tobten sie im Schnee und konnten davon gar nicht genug bekommen. Schließlich jagte Thomas Biggi, die ihm gerade eine geballte Ladung Schnee in den Nacken gesteckt hatte, ums Haus. Nach drei Runden ließ Biggi sich schließlich erschöpft in den Schnee fallen. „Gnade, ich gebe auf.“, meinte sie lachend. Keine drei Sekunden später lag Thomas auch schon auf ihr. „Was bekomme ich denn dafür?“, fragte er sie grinsend. „Hm, ich wüsste da schon etwas…“, entgegnete Biggi und blickte ihm tief in die Augen. „Hört sich viel versprechend an.“, meinte Thomas. Er neigte sein Gesicht ganz nah zu ihr und ihre Lippen verschmolzen in einem zärtlichen Kuss. Lange lagen sie so dort und küssten sich, bis es ihnen dann schließlich doch zu kalt wurde. Immerhin waren sie durchgenässt bis auf die Haut und es herrschten Minusgrade draußen. Thomas stand langsam auf, reichte Biggi dann seine Hand und zog sie hoch. Dann gingen sie Arm in Arm zur Haustür. „Wie die kleinen Kinder.“, meinte Michael nur kopfschütteln, als er Thomas und Biggi, die beide vor Nässe fast trieften und vor Kälte zitterten, erblickte. Die beiden zuckten nur unschuldig mit den Schultern und entledigten sich dann ihrer nassen Sachen. Nachdem sie sich umgezogen hatten und wieder trockene Sachen anhatten, kuschelten sie sich zusammen aufs Sofa und deckten sich mit einer Wolldecke zu um sich wieder aufzuwärmen. Michael kam mit einem Tablett mit zwei Tassen heißem Tee ins Wohnzimmer. „Ich denke, das könnt ihr jetzt gebrauchen.“, sagte er grinsend. Thomas und Biggi nickten dankbar. Nachdem sie beide einen Schluck Tee genommen hatten, kuschelten sie sich wieder unter die Decke und ganz eng aneinander. „Komm her, mein Liebling.“, sagte Thomas leise und lächelte Biggi dabei an, während sie noch ein paar Millimeter dichter an ihn heranrutschte, bis es wirklich nicht mehr näher möglich war.

Gabi und Ralf hatten sich ebenfalls auf ihr Sofa gekuschelt. Sie sahen sich ein Video an, dass Ralf aus der Videothek ausgeliehen hatte. Gabi war jedoch gar nicht richtig bei der Sache und hatte die Handlung kaum mitbekommen. Erneut war sie in Gedanken versunken. Nein, so konnte es wirklich nicht weitergehen, sie konnte sich noch auf kaum etwas konzentrieren, immer wieder drängten sich die Gedanken an Rene und an ihr Baby in den Vordergrund. Sie ließen sich einfach nicht verdrängen, sosehr sie es auch versichte. Sie musste einfach mit irgendwem darüber reden, sich mit irgendwem anvertrauen. Nach langem hin und hergrübeln kam sie schließlich zu einem Entschluss. Sie konnte einfach nicht anders, sie musste es Biggi sagen. Biggi war ihre beste Freundin und ihr konnte sie vertrauen – egal um was es ging. Gleich morgen früh würde sie sie anrufen und sie bitten sich mit ihr zu treffen. Schließlich war morgen Sonntag und sie hatten keine Schicht. Bis Montag würde sie es nicht mehr aushalten. Der Gedanke daran, dass sie es Biggi erzählen würde lenkte sie wieder ein wenig ab. Sie kuschelte sich ganz eng an Ralf und schloss die Augen. Biggi würde sicher wissen, was zu tun war. Sie hatten sich bis jetzt immer gegenseitig helfen können. Das machte Gabi wieder ein wenig Mut, gab ihr neue Hoffnung, dass alles gut werden würde.

Michael war nachdem Abendessen zu Dirks Schule gefahren, da er zum Elternabend musste. Da Dirk heute bei einem Freund übernachtete hatten Thomas und Biggi das Haus nun für sich. Sie hatten es sich auf dem Sofa so richtig gemütlich gemacht und blieben auch nachdem sie sich wieder richtig schön aufgewärmt hatten dort liegen. Es war gerade so gemütlich und sie hatten beide absolut keine Lust aufzustehen.

Als Michael spät abends zurückkam und einen Blick ins Wohnzimmer warf stellte er fest, dass Thomas und Biggi wieder einmal auf dem Sofa eingeschlafen waren. Das war in den letzten Wochen schon häufiger vorgekommen. Kopfschüttelnd schaltete Michael das Licht aus und ging dann nach oben in sein Schlafzimmer.

Am nächsten Morgen wurde er durch das Klingeln des Telefons unsanft geweckt. Verschlafen griff er nach zu seinem Nachttisch, wo das Telefon stand. „Lüdwitz?“, murmelte er. „Hallo Michael, hier ist Gabriele. Kann ich mal bitte mit Biggi sprechen?“, meldete Gabi sich am anderen Ende. Nachdem in Biggis Wohnung niemand abgenommen hatte, war ihr klar, dass sie bei Thomas sein musste. Michael sah auf die Uhr: Halb acht. Es musste anscheinend wirklich etwas wichtiges sein, ansonsten hätte Gabi nicht Sonntagmorgen um halb acht angerufen. „Ok, ich geh und weck sie für dich.“, meinte Michael gähnen und quälte sich aus dem Bett. Währenddessen ärgerte sich Gabi selbst darüber so früh angerufen zu haben. Daran, dass Biggi noch nicht auf sein könnte, hatte sie gar nicht gedacht. Es war ihr so wichtig gewesen, sie endlich anzurufen, dass sie darauf gar nicht geachtet hatte.

Michael war inzwischen die Treppe heruntergeschlurft und betrat nun das Wohnzimmer. Er ging zum Sofa und rüttelte Biggi, die in Thomas’ Armen lag und wie erwartet noch schlief, leicht an der Schulter. Biggi bewegte sich ein paar Zentimeter, murmelte irgendetwas im Schlaf und schlief dann weiter. Michael versuchte es noch einmal, doch dieses Mal hatte er mehr Glück. Biggi rieb sich verschlafen die Augen. „Was ist denn los?“, fragte sie müde, als sie Michael erblickte. „Telefon für dich, Gabi.“, erklärte er ihr und drücke ihr den Hörer in die Hand. „Ja? Gabi?“,  sagte Biggi leise. „Hallo Biggi, tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob wir uns nicht heute treffen wollen und zusammeneinen Kaffee trinken gehen wollen?“ Biggi wollte schon zusagen, als ihr einfiel, dass Thomas und sie heute schon einmal in ihre Wohnung fahren und de ersten Sachen zusammenpacken wollten. „Heute ist das schlecht, Thomas und ich wollen nachher gleich in meine Wohnung und schon ein paar Sachen zusammenpacken.“, meinte Biggi. „Wieso Sachen zusammenpacken?“, fragte Gabi irritiert und im gleichen Moment war Biggi eingefallen, dass Gabi davon ja noch gar nichts wusste. „Thomas und ich wir wollen zusammen ziehen.“, erzählte sie ihrer Freundin überglücklich.

Gabi freute sich wirklich sehr für Biggi, doch noch größer als diese Freude war die Enttäuschung, dass Biggi heute keine Zeit für sie hatte. Hätte sie gewusst, was Gabi ihr erzählen wollte, hätte sie sich sicherlich anders entschieden und sich mit ihr getroffen. Doch Biggi konnte es natürlich nicht ahnen. Woher auch? „Vielleicht können wir das ja am Montag nach der Schicht nachholen.“, schlug sie vor. „Ja, vielleicht. Ich wollte nur was mit dir bereden.“, meinte Gabi nur. „Was wichtiges?“, fragte Biggi nach. „Nein…nein, ist schon ok, es war sowieso nicht so wichtig.“, log Gabi und verabschiedete sich dann.

Biggi hatte sich bemüht möglichst leise zu sprechen, um Thomas nicht zu wecken, doch er war trotzdem aufgewacht. „Hey du bist schon wach?“, fragte er sie erstaunt, nachdem sie aufgelegt hatte. „Ja, Gabi hat schon angerufen, sie wollte sich heute mit mir treffen.“, erzählte Biggi ihm. „Um diese Uhrzeit?“, fragte Thomas verwundert. Biggi zuckte mit den Schultern und kuschelte sich wieder ganz nah zu ihm unter die Decke. „Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass wir schon wieder hier unten eingeschlafen sind?“, fragte Biggi dann wenig später. Thomas grinste unschuldig. „So lange du neben mir liegst, kann ich überall gut schlafen.“, erwiderte er dann. Biggi lächelte. „Geht mir genauso.“, gab sie dann zurück und begann ihn zu küssen.

Gabi hatte sich nachdem Telefonat mit Biggi verzweifelt aufs Sofa sinken lassen. Nun musste sie ihr Geheimnis, dieses schreckliche Geheimnis, noch einen weitern Tag mit sich herum tragen. Dabei war jede einzige Minute schon eine Qual. Sie seufzte leise und sah dann aus dem Fenster. Dort entdeckte sie, dass Ralf gerade vom Brötchen holen zurückkam. Sie stand auf, ging in den Flur und empfing ihn schon an der Tür mit einem Kuss. Sie hatte bevor sie mit Biggi telefoniert hatte bereits den Frühstücktisch gedeckt und nun konnten sie und Ralf gemeinsam ein gemütliches Frühstück verbringen.

Ralf bemerkte beim Frühstück, dass Gabi mit ihren Gedanken ganz wo anders war. Er sprach sie jedoch nicht darauf an. In letzter Zeit hatte er sich schon fast daran gewöhnt, dass sie ständig abwesend wirkte, mal mehr und mal weniger. Er machte sich zwar schon ein wenig Sorgen, doch er hatte sie bereits mehrmals nach dem Grund gefragt, aber von Gabi immer nur zu hören bekommen, dass alles in Ordnung sei. Da er sie nicht nerven wollte, hatte er es dann gelassen weiter nachzufragen. ‚Wahrscheinlich ist das nur so eine Phase’, dachte er, oder hoffte es zumindest. Wie sehr er sich doch irrte.

Als Gabi und Ralf gerade fertig mit frühstücken waren, klingelte das Telefon. Ralf ging ran. „Staller?“ „Hier ist Angela Kollmann, könnte ich bitte eine Tochter sprechen?“, vernahm er die Stimme von Gabrieles Mutter am anderen Ende der Leitung. Damit hatte er jetzt überhaupt nicht gerechnet, immerhin hatten Gabi und ihre Mutter kaum mehr miteinander geredet, seit Gabi bei ihr ausgezogen war. „Ja, natürlich, einen Moment.“, antwortete Ralf nach einigen Sekunden und ging dann mit dem Hörer in der Hand zu Gabi in die Küche. „Deine Mutter.“, informierte er sie, während er ihr den Hörer gab und sie fragend ansah. Gabi war ebenso überrascht. Ihre Mutter hatte es ihr sehr übel genommen, dass sie einfach so zu Ralf gezogen war. „Ja?“, fragte Gabi unsicher in den Hörer. „Hallo Püppi, ich bin’s. Hast du nicht Lust heute Nachmittag zum Kaffee trinken vorbei zu kommen, dann können wir vielleicht noch mal über alles reden, was in en letzten Monaten passiert ist zwischen uns.“ Gabi traute ihren Ohren nicht. Ihre Mutter hatte wirklich den ersten Schritt getan um eine Versöhnung herbeizuführen? Das passte eigentlich gar nicht zu ihr, doch Gabi freute sich trotzdem darüber und sagte deshalb zu.

„Was wollte deine Mutter denn?“, fragte Ralf, als Gabi aufgelegt hatte. „Sie hat mich heute Nachmittag zum Kaffee eingeladen.“, erzählte Gabi ihm. Ralf machte ein enttäuschtes Gesicht, viel lieber hätte er den Nachmittag zusammen mit Gabi verbracht. „Wollten wir nicht etwas zusammen machen?“, fragte er und sah sie traurig an. „Ach Ralf….“, meinte Gabi leise. „Ich würde dich ja wirklich gern mitnehmen, aber ich habe meine Mutter seit über zwei Monaten nicht mehr gesehen, ich möchte erst einmal allein mit ihr reden. Versteh das bitte.“ Gabi ging zu ihm und nahm ihn liebevoll in den Arm. Ralf nickte. Er verstand sie schon, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er den Nachmittag gern mit ihr zusammen verbracht hätte.

Biggi und Thomas waren inzwischen auch aufgestanden und saßen nun gemeinsam mit Dirk und Michael in der Küche und frühstückten. Thomas und Biggi wollten gleich nach dem Frühstück zu Biggis Wohnung fahren um möglichst viel zu schaffen. „Ich freu mich so sehr, endlich hier zu wohnen, hoffentlich schaffen wir es bis Weihnachten.“, meinte Biggi glücklich. „Bestimmt“, erwiderte Thomas, „Wenn Michael und Peter uns beim Umräumen helfen und Ralf, Gabi und Max können wir ja auch noch fragen.“ „Ja, gute Idee.“, stimmte Biggi ihm zu. „Aber mal ne andere Frage, was machen wir eigentlich Weihnachten?“ mischte Michael sich dann ein. Thomas, Biggi und Dirk sahen ihn ratlos an. Darüber hatte noch keiner so richtig nachgedacht. „Was haltet ihr denn davon, wenn wir wie im vergangenen Jahr alle gemeinsam auf der Basis feiern und zusätzlich noch Vera, Lisa, Laura und Margarethe einladen, damit die Kinder Weihnachten mit beiden Elternteilen verbringen können?“, schlug Biggi vor. Michael und Thomas nickten. „Das wird sicherlich lustig.“, stimmte Dirk mit ein. Er erinnerte sich noch genau ans letzte Jahr, als er zusammen mit Lisa und Laura eine riesige Schneeballschlacht veranstaltet hatten, wobei sie aus Versehen den Lieferanten vom Partyservice, der gerade das Essen brachte abgeworfen hatten. „Ok, dann können wir ja morgen die anderen Fragen, ob sie auch wieder dabei sind.“, schlug Thomas vor. Er stellte sich das schon richtig schön vor wieder mit allen gemeinsam auf der Basis zu feiern. Doch dieses Jahr würde es bestimmt noch schöner werden, als die Jahr zuvor, denn jetzt waren Biggi und er endlich zusammen. Thomas schmunzelte bei dem Gedanken. Ja, es würde richtig schön werden, das wusste er jetzt schon.

Nach dem Frühstück hatte Michael sich dazu bereit erklärt, den Abwasch zu erledigen, sodass Biggi und Thomas gleich los konnten. Sie fuhren mit Thomas’ Auto zu Biggis Wohnung. Auf der Strecke kam Thomas jedoch eine wunderbare Idee. „was hältst du davon, wenn wir Lisa und Laura abholen und die beiden fragen, ob sie uns helfen wollen. Sie freuen sich bestimmt. Biggi war sofort ganz begeistert und so fuhr Thomas den kleinen Umweg an dem Reinhaus, in dem Vera mit den Kindern wohnte, vorbei. Er stellte das Auto vor dem Haus ab und ging dann mit Biggi zusammen auf den Eingang zu. Biggi klingelte und wenige Sekunden später wurde auch schon von Laura die Tür aufgerissen. „Papa? Biggi?“, fragte sie erstaunt. Dann fiel sie ihrem Vater jedoch glücklich um den Hals. Sie hatte absolut nicht damit gerechnet, dass er und Biggi vorbeikommen würden. Eben so wenig wie Lisa, die jetzt auch in der Tür aufgetaucht war. Die beiden Mädchen waren gerade erst aufgestanden und hatten noch ihr Schlafzeug an. Auch Vera, die gerade dabei war Frühstück zu machen, war jetzt aus der Küche gekommen. „Hallo Thomas, hallo Biggi. Kommt doch rein.“, begrüßte sie die beiden, die von den Mädchen bereits in den Flur gezerrt worden waren. „Wir wollten eigentlich Lisa und Laura fragen, ob sie Lust haben uns zu helfen Sachen aus Biggis Wohnung zusammenzupacken.“, meinte Thomas. Lisa und Laura nickten sofort heftig und sahen ihre Mutter dann bittend an. „Ok, aber erst geht ihr euch anziehen.“, antwortete sie, worauf die beiden Mädchen sofort in ihr Zimmer verschwanden. „Ich koche gerade Kaffee, wenn ihr möchtet, kann ich für euch eine Tasse mitkochen.“, bot Vera Biggi und Thomas an, „Bis die Mädels fertig sind, dauert es ja sowieso noch eine Weile.“ Thomas und Biggi nahmen das Angebot dankbar an und folgten Vera in die Küche. Dort saß auch Hubert, Veras Lebensgefährte, und las gerade Zeitung. Sie setzten sich alle an den großen Tisch und unterhielten sich ein wenig. Seit Thomas und Vera die Sache mit ihren Töchtern geklärt hatten, kamen sie wieder besser miteinander klar und stritten nur noch sehr selten. Oft sahen sie sich allerdings auch nicht, immer nur dann, wenn Thomas die Mädchen abholte oder sie zurückbrachte. „Und ihr wollt jetzt zusammenziehen?“, fragte Vera dann nach einer Weile. Thomas und Biggi nickten und lächelten einander glücklich an. „Ja, wir hoffen, dass wir bis Weihnachten fertig sind.“, erzählte Thomas. Er freute sich schon unheimlich darauf, wenn Biggi endlich zu ihm ziehen würde. Vera freute sich für die beiden, nur Hubert saß teilnahmslos daneben. Er hatte Thomas noch nie richtig gemocht, was allerdings weniger an Thomas lag sondern viel mehr an Lisa und Laura. Es war für Hubert nicht immer leicht sich anhören zu müssen, dass Thomas ein viel besserer Vater sei und er ihn niemals ersetzen könne. Vera hatte am Anfang noch versucht Lisa und Laura davon abzubringen, doch schließlich hatte sie sich damit abgefunden, dass die beiden wohl niemals jemand anderen als Thomas akzeptieren würden. „Apropos Weihnachten, wir wollten wieder alle gemeinsam auf der Basis feiern, ich hoffe doch ihr seid dabei?“, fragte Thomas. Vera nickte nach einem kurzen Blickwechsel mit Hubert. Bis jetzt hatte sie noch nichts anderes vor und außerdem wusste sie, was für eine riesige Freude sie ihren beiden Töchtern damit machen würde.

Endlich waren die beiden Mädchen fertig und sie konnten los. Nachdem sich Biggi und Thomas von Vera und Hubert verabschiedet hatten, gingen sie mit Lisa und Laura zum Auto und fuhren zu Biggis Wohnung. Lisa und Laura, die nicht dabei gewesen waren, als Biggi und Thomas Vera erzählt hatten, dass sie zusammen ziehen wollten, fragten schließlich, warum Biggi denn ihre Sachen zusammenpacken wollte. „Ich ziehe zu Thomas in die Villa.“, erzählte sie den beiden. „Das wurde ja auch langsam Zeit.“, meinte Lisa daraufhin grinsend. „Was soll das denn heißen?“, fragte Thomas seine Tochter. „Ach nichts.“, meinte sie nur schnell und lenkte die Unterhaltung dann auf ein anderes Thema. Biggi und Thomas blickten sich fragend an, mussten dann aber grinsen. Sie waren froh, dass Lisa und Laura die Nachricht so gut aufgenommen hatten und nicht etwa etwas dagegen einzuwenden hatten, dass Biggi zu Thomas zog.

Als sie in Biggis Wohnung angekommen waren und sich die Jacken ausgezogen hatten, gingen sie erst einmal ins Wohnzimmer. „Ok, womit wollen wir denn anfangen?“, fragte Thomas und sah Biggi erwartungsvoll an. „Hm, ich denke am besten mit dem Schlafzimmer und dem Bad, das ist am wichtigsten. Eine Küche habt ihr ja immerhin auch.“, antwortete sie grinsend. „Ok, Mädels, dann an die Arbeit.“, meinte Thomas auffordernd, worauf sie sich alle ins Schlafzimmer begaben. Lisa und Laura hatten auf Thomas’ Anweisung begonnen Biggis Kommode leer zu räumen und den Inhalt in zwei große Umzugskartons, die auf dem Flur standen, zu verteilen. Thomas war währenddessen dabei das Regal, welches ebenfalls in Biggis Schlafzimmer stand auszuräumen. Biggi hatte inzwischen damit begonnen das Bad auszuräumen und alles in eine große Reisetasche zu packen.

Als Thomas mit dem Regal fertig war, schlich er sich leise ins Bad, wo Biggi gerade dabei war den kleinen Spiegelschrank über ihrem Waschbecken auszuräumen. Sie erschrak sich ein wenig, als Thomas sie plötzlich von hinten umarmte, drehte sich dann jedoch in seinen Armen um und legte ihre Arme um seinen Hals. „Ich bin da im Schlafzimmer noch auf ein Problem gestoßen.“, meinte Thomas grinsend.“ „Und das wäre?“  „Welches Bett wollen wir dann eigentlich nehmen, deins oder meins?“, fragte er Biggi. Sie musste lachen. „Was schlägst du denn vor?“ „Hm, was hältst du davon, wenn wir dein Bett ins Schlafzimmer stellen, weil es breiter ist und mein Bett stellen wir ins Gästezimmer. Die alte Liege, die dort steht, ist sowieso unzumutbar für unsere Gäste.“ „Hört sich gut an….“, meinte Biggi lächelnd und neigte dann ihren Kopf ganz nah zu ihm um ihn zu küssen. Thomas erwiderte es glücklich und schließlich ließen sie sich küssend auf den Rand der Badewanne sinken. „Das wird so schön werden, wenn wir endlich zusammen wohnen.“, sagte Biggi dann, als sie nach einer ganzen Weile wieder voneinander abgelassen hatten. Thomas nickte. „Es wird wunderschön werden.“ Er sah ihr tief in die Augen und zog sie ganz nah an sich. Dann küssen sie sich wieder, lange, solange, bis Lisa ins Bad platze. „Das ist ja wieder typisch, die Kinder müssen arbeiten, während sich die Erwachsenen vergnügen.“, meinte sie grinsend. Thomas und Biggi, die sie vorher noch nicht bemerkt hatten, erschraken total, mussten dann aber auch lachen. „Tja, von anklopfen haben meine lieben Kinder auch noch nie etwas gehört, was?“, meinte Thomas grinsend und sah dabei zu Lisa, die noch immer in der Tür stand. „Hm, von wem sie das wohl nur wieder haben….“, meinte Biggi amüsiert. „Na warte…“, rief Thomas und begann sie zu kitzeln. Lisa verzog sich währenddessen wieder unbemerkt zu ihrer Schwester ins Schlafzimmer. „Oh, bitte aufhören.“, rief Biggi lachend, während Thomas sie immer noch kitzelte. „Aber nur wenn du mich sofort küsst.“ Biggi lächelte ihn verliebt an. „Nichts lieber als das…“, antwortete sie. Dann legte Thomas liebevoll seine Arme um sie, zog sie ganz nah zu sich und sie küssten sich.

Am Nachmittag machte Gabi sich auf den Weg zu ihrer Muter. „Hey, Ralf, jetzt mach nicht so ein Gesicht, ich bin spätestens in 3 Stunden zurück, ok?“, meinte Gabi und gab Ralf noch einen Abschiedskuss. Er nickte. „Aber drei Stunden sind immer noch drei Stunden zu lange…“ Gabi musste grinsen. „Oh, du armer. Das nächste Mal darfst du auch mitkommen.“ Dann drehte sie sich noch einmal lächelnd zu ihm um und verließ dann die Wohnung.

In der Gegend, in der das Haus ihrer Mutter lag, war sie, seitdem sie dort ausgezogen war nicht mehr gewesen. Es war die beste Gegend von Traunstein, wo nur sehr reiche Leute wohnten, zu denen Angela Kollmann schließlich auch zählte. Vor dem Haus ihrer Mutter stellte Gabi ihr Auto ab. Se atmete noch einmal tief durch und schritt dann souverän auf den Eingang zu. Angela hatte sie bereits durch das Wohnzimmerfenster kommen sehen und öffnete ihr die Tür. „Püppi, schön, dass du wieder da bist.“, begrüßte sie ihre Tochter. „Hallo Mutter“, erwiderte Gabi nur. Sie ging zusammen mit ihrer Mutter ins Haus, zog sich die Jacke aus und ließ sich dann von Angela ins Wohnzimmer führen, wo der Tisch bereits gedeckt war. „Wie geht es dir denn so?“, fragte Angela. Gabi zuckte zusammen. Was sollte sie auf diese Frage antworten? Sie konnte ihrer Mutter unmöglich die Wahrheit sagen. „Mir…mir geht’s gut.“, log sie schnell. Wenn Angela erfahren würde, was wirklich los war mit Gabi… Gabriele versuchte so normal wie möglich zu wirken, damit sie nichts bemerkte. „Du siehst irgendwie gestresst aus.“, fragte Angela nach einiger Zeit nach. Gabi sah sie entgeistert an. „Nein, bin ich aber nicht.“, antwortete sie dann aber sofort. „Vielleicht solltest du doch erst mal wieder zu mir zieh…“ „Mutter, bitte hör auf damit.“, unterbrach Gabi sie. Sie wollte nicht schon wieder streiten. „Ist ja schon ok, ich habe es verstanden, dass du keine Lust hast noch weiterhin bei deiner alten, kranken Mutter zu wohnen, die dir sowieso nur eine Last ist.“ Gabriele sah ihre Mutter vorwurfsvoll an. Mit dieser Methode hatte sie es schon ein paar Mal geschafft Gabi dazu zu bewegen bei ihr wohnen zu bleiben. Diesmal würde sie es jedoch nicht schaffen. Gabi hätte jetzt erneut etwas entgegnen könne, doch sie ließ es. Sie wollte einfach keinen Streit mit ihrer Muter, im Moment hatte sie wirklich andere Sorgen, da brauchte sie das nicht auch nicht. Da Angela jedoch immer wieder daraufhin drängte, dass sie so alleine wäre in dem großen haus und, dass Gabi wieder zu ihr ziehen solle, hielt Gabriele es für besser, sich bereits nach einer guten Stunde wieder zu verabschieden. „Es tut mir Leid, Mutter, Ralf wartet auf mich. Vielleicht können wir uns ja in nächster Zeit irgendwann mal wieder treffen.“, meinte Gabi zum Abschied. Angela nickte nur traurig. Gabi war ihr ein und alles und e verletzte sie sehr, dass sie seit einigen Wochen ihre Zeit viel lieber mit diesem Ralf verbrachte, als mit ihr. Aber sie konnte wohl nichts daran ändern.

Vom Fenster aus sah sie ihrer Tochter noch lange nach, auch als das Auto schon lange hinter der Kurve verschwunden war.

„So, und nun gehen wir zum Italiener Pizza essen, was haltet ihr davon?“, fragte Thomas seine Töchter, als sie beschlossen in Biggis Wohnung für heute Abend Schluss zu machen. „Oh ja.“, riefen die Mädchen gleichzeitig, schnappten sich dann schon einmal den Autoschlüssel und liefen vor nach draußen zum Auto. Thomas und Biggi sahen ihnen kopfschüttelnd nach. „Die beiden sind echt niedlich.“, meinte Biggi. Thomas nickte. „Aber du noch viel mehr…“, fügte er dann hinzu und lächelte sie verliebt an. Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss, zog ihn dann jedoch hinter sich her aus der Wohnung, weil sie die Kinder nicht so lange warten lassen wollten. Lisa und Laura hatten es sich im Auto schon bequem gemacht und als Thomas und Biggi eingestiegen waren, konnte es gleich losgehen. Thomas fuhr zum Lieblingsitaliener von Lisa und Laura. Dort setzten sie sich an einen gemütlichen Tisch am Fenster und bestellten ihre Pizzen und Getränke. Biggi hatte sich ein wenig an Thomas gelehnt, während Lisa und Laura auf der anderen Seite des Tisches herumalberten. Sie hatten noch jede Menge Spaß zusammen und Thomas und Biggi versprachen den Mädchen, dass sie bald wieder etwas zusammen unternehmen würden. „Ich fürchte, wir müssen euch jetzt wieder zuhause abliefern, sonst wird eure Mutter sauer.“, meinte Thomas nachdem sie aufgegessen hatten etwas wehmütig. Auch Lisa und Laura wären gern noch mit zu Thomas und Biggi nachhause gekommen, doch auch sie wollten natürlich nicht, dass Vera und Thomas sich wieder streiten würden.

Als Gabi nachhause kam, wartete Ralf schon sehnsüchtig auf sie. „Und wie war’s?“, fragte er sie, nachdem er sie in die Arme geschlossen hatte. „Wir verstehen uns jetzt wieder besser, zum Glück.“, erzählte Gabi ihm. „Allerdings ist meine Mutter immer noch nicht sehr einsichtig geworden, was unsere Beziehung angeht. Sie hat es, glaube ich, immer noch nicht eingesehen, dass ich endgütig ausgezogen bin und nicht zu ihr zurückgekommen bin.“ Ralf machte ein mitleidiges Gesicht. „Ach, lassen wir uns den Abend deshalb nicht vermiesen.“, schloss Gabi dann das Thema ab. Sie hatte keine Lust weiter darüber zu reden. Sie und Angela hatten sich wieder vertragen – wenn auch nur, weil Gabi nachgegeben hatte um nicht zu streiten – und das war das wichtigste. Sie wollte das Kriegsbeil endlich begraben. Sie musste sich ja nicht super mit ihrer Mutter verstehen, aber immerhin so gut, dass sie normal miteinander reden konnte, ohne dass danach eine der beiden beleidigt war und nicht mehr mit der anderen sprach.

Thomas und Biggi hatten Lisa und Laura vor dem Reihenhaus von Vera abgesetzt und sich von ihnen verschiedet. Danach fuhren sie nachhause. „Mann, jetzt bin ich aber echt geschafft.“, sagte Biggi, als sie aus dem Auto stiegen. „Ich finde wir haben uns auch wirklich eine Pause verdient, nachdem wir heute den ganzen Tag gearbeitet haben.“, stimmte Thomas ihr zu und nahm sie in den Arm. Biggi nickte glücklich. „Aber dafür sind wir schon richtig weit gekommen. Ich hatte nicht gedacht, dass wir so schnell sein würden.“ „Ja, und mit Glück kannst du dann das nächste Wochenende schon ganz hier.“, setzte Thomas hinzu und lächelte sie überglücklich an. „Das wird soooo schön werden.“, sagte Biggi schwärmend und begann dann ihn zu küssen.

Michael saß im Wohnzimmer und hatte die beiden schon erwartet. „Und seid ihr gut vorangekommen?“, erkundigte er sich. „Ja, wir haben viel mehr geschafft als wir gedachte haben, ich denke, am nächsten Wochenende wohnt Biggi schon bei uns.“, erzählte Thomas glücklich. Biggi nickte, sie konnte es wirklich kaum mehr abwarten. „Wenn ihr noch etwas essen wollt, in der Küche ist noch ein kleiner Rest.“, bot Michael ihnen an. Biggi winkte ab. „Also ich bin so müde, ich will nur noch ins Bett, und du Thomas?“ „Dann muss ich wohl mitkommen, ich kann dich ja nicht alleine lassen. Gute Nacht, Michael.“, erwiderte er grinsend. „Gute Nacht“, Michael sah den beiden kopfschüttelnd hinterher, als sie die Treppe hochgingen.

Biggi ließ sich sofort auf Thomas’ Bett fallen. „Hey, du willst doch wohl nicht etwa so schlafen gehen?“, fragte Thomas lächelnd, als er umgezogen aus dem Bad kam und Biggi noch immer auf dem Bett lag und sich noch nicht umgezogen hatte. „Ach, ich glaube ich bin zu müde, um mich umzuziehen. Aber du könntest mir ja helfen…“, erwiderte sie grinsend.

Thomas ging zu ihr und ließ sich dann neben ihr aufs Bett sinken. „Okay…“, sagte er dann leise und drehte sich zu ihr, sodass er ganz eng neben ihr lag. Zärtlich streifte er ihr den Pullover über den Kopf und zog ihr langsam die Hose aus. Danach zog er ihr ganz langsam das T Shirt, das sie unter dem Pullover trug, über den Kopf und sah ihr dabei tief in die Augen. Dann neigte er sich ganz nah zu ihr und sie fingen an sich zu küssen. Biggi legte ihre Arme um seinen Hals und zog ihn ganz nah zu sich. „Ich liebe dich.“, flüsterte sie.“ „Und ich dich erst.“, gab Thomas ebenfalls flüsternd zurück und küsste sie wieder. Schließlich verkrochen sie sich unter die warme Bettdecke und kuschelten sich ganz dich aneinander. „Gute Nacht, mein Liebling.“, meinte Thomas leise. „Gute Nacht.“, antwortete Biggi und drückte ihm noch einen letzten Kuss auf den Mund, bevor sie in seinen Armen einschlief. Auch Thomas schloss wenig später die Augen, der Tag war wirklich ziemlich anstrengend gewesen.

Um sieben klingelte Gabrieles Wecker. Verschlafen blinzelte sie und machte ihn aus. Doch es nützte ja nichts, sie und Ralf hatten Dienst und mussten aufstehen. Ralf erhob sich als erster langsam aus dem Bett. Dann ging er auf die andere Seite zu Gabi und zog sie langsam hoch. „Schatz, du musst aufstehen.“, meinte er sanft und lächelte sie an. „Kann heute nicht Sonntag sein?“, fragte Gabi müde. „Sonntag war gestern und wir haben heute die erste Schicht.“, erwiderte Ralf ebenfalls betrübt. Es nützte alles nichts, schließlich standen er und Gabriele auf und gingen gemeinsam ins Bad. Während Ralf unter der Dusche stand, sah Gabi in den Spiegel. Wenn man etwas genauer hinsah, dann konnte man bereits erkennen, dass sie schwanger war. Schnell zog sie ihr Nachthemd wieder über ihren Bauch. Wieder stellte sie sich die Frage, wie und wann sie es Ralf erzählen sollte. Sie seufzte leise, sodass Ralf es jedoch nicht hören konnte und dachte dann daran, dass sie heute mit Biggi reden wollte. Sie hoffte, dass ihre Freundin eine Lösung parat haben würde, dass sie ihr irgendwie helfen könnte, zumindest wusste sie, dass mit Biggi über alles reden konnte und sich ihr anvertrauen konnte. Das war schon einmal eine große Erleichterung.

Als Ralf fertig geduscht hatte, ging er in die Küche und machte schon mal Frühstück für sich und Gabi, während sie unter die Dusche stieg. Sie grübelte immer noch darüber nach, ob sie es Biggi wirklich erzählen sollte. Klar, sie war ihre beste Freundin und sie konnte ihr immer alles erzählen, aber wie würde Biggi darauf reagieren? Und wenn sie sich aus Versehen verplappern würde? Ihr Geheimnis durfte unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen. Dann wäre es alles vorbei. Es hing so viel davon ab, ihr Job, ihr Ruf und – ihre Beziehung zu Ralf. Sie hatte das schließlich alles nur für ihn getan. Ralf riss sie plötzlich aus den Gedanken. Er war wieder ins Bad gekommen. „Schatz, bist du unter der Dusche eingeschlafen?“ Gabi erschrak. Sie hatte total die Zeit vergessen. Jetzt musste sie sich wirklich beeilen. Für ein gemütliches Frühstück zusammen mit Ralf bleib leider keine Zeit mehr. Gabi konnte nur mehr schnell die Scheibe Brot, die Ralf ihr liebvoll geschmiert hatte, essen und dann mussten sie auch schon los. Sie waren eh schon spät dran, doch Ralf fuhr etwas schneller, sodass sie noch gerade zum Schichtanfang auf der Basis eintrafen. Thomas’ Auto stand ebenfalls schon auf dem Parkplatz, da er mit Biggi zusammen gekommen war. Die beiden hatten sich gemeinsam auf das Sofa im Aufenthaltsraum gekuschelt. Sie waren noch ziemlich müde und waren ebenfalls kaum aus dem Bett gekommen. „Guten Morgen!“, begrüßte Ralf seine beiden Kollegen fröhlich. Thomas und Biggi schreckten hoch, sie waren beide kurz eingenickt. „Mann, musst du uns so erschrecken?“, fragte Biggi müde. „Bin schon wieder weg.“, entschuldigte Ralf sich grinsend und verschwand in der Umkleide, während sich Biggi und Thomas sich wieder hinlegten und die Augen schlossen. Thomas war ziemlich schnell wieder ein wenig eingeschlafen und Biggi lag mit geschlossenen Augen in seinen Armen. Sie versuchte sich nicht zu bewegen, um ihn nicht zu wecken. Sie dachte sich, wie schön es doch wäre, wenn die Frühschicht immer so ruhig sein würde und sie immer hier mit Thomas zusammen auf dem Sofa liegen können. Dabei musste sie lächeln.

Gabi, die sich an den Tisch gesetzt hatte und gerade in dem Moment zu Biggi und Thomas herübersah, bemerkte daran, dass Biggi nicht wirklich schlief. Sie zögerte noch einen Moment, stand dann jedoch auf und ging langsam zu Biggi. „Hey, Biggi“, flüsterte sie. Biggi schlug die Augen auf und sah, dass Gabi genau vor ihr hockte. „Was gibt’s denn?“, wollte sie noch ein wenig verschlafen wissen. „Ich, ich muss mit dir reden…“, begann Gabi zögerlich. Biggi sah in ihre Augen und konnte dort wieder eindeutig diese Verzweiflung erkennen. Diese Verzweiflung, die sich schon seit einigen Wochen, ja seit dem Abend, an dem Gabi damals total aufgelöst in Biggis Wohnung gekommen war, in ihren Augen widerspiegelte. Sofort war Biggi hellwach. Sie spürte sofort, dass es etwas sehr wichtiges sein musste, worüber Gabi mit ihr reden wollte. Sie sah zu Thomas, er schlief noch immer. Biggi wollte ihn nicht wecken, doch andererseits wollte sie jetzt unbedingt mit Gabi reden. Vielleicht würde sie nun endlich erfahren, was schon seit einigen Wochen mit ihrer besten Freundin los war. Schließlich entschied sie sich, sich ganz langsam und vorsichtig aus Thomas’ Umarmung zu befreien und aufzustehen. Sie musste jetzt einfach wissen, worüber Gabi mit ihr reden wollte. Biggi war extrem vorsichtig beim Aufstehen, doch es nütze nichts, Thomas wachte trotzdem auf und rieb sich verschlafen die Augen. „Ich bin gleich wieder da, mein Schatz.“, versicherte Biggi ihm und gab ihm einen sanften Kuss. Thomas nickte leicht und schloss dann wieder die Augen.

Gabi und Biggi verzogen sich in die Frauenumkleide, wo sie ungestört waren. Dort setzten sie sich auf die Bank und Biggi sah Gabi auffordernd an. „Ach Biggi, ich…ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll….“, meinte sie leise und ihr lief eine Träne dabei über die Wange. „Hey, Gabi, was ist denn los? Sag’s mir doch….“, meinte Biggi lieb und legte ihren Arm um Gabi. „Biggi…ich…ich…ich bin schwanger.“, brachte Gabi schließlich unter Tränen hervor. Biggi starrte sie ungläubig an. Sie hatte wirklich mit allem gerechnet, aber damit nicht. „Aber, Gabi, das ist doch etwas schönes….“, meinte sie dann. Sie verstand nicht, warum Gabi sich nicht darüber freute, sondern anscheinend todunglücklich deshalb war. Gabi sah sie an und Biggi erkannte sie wieder ganz deutlich, die Verzweiflung, dieser verzweifelte, hilfesuchende Blick. ‚Ach Biggi…Wenn du nur wüsstest…’, dachte Gabi sich und ihr liefen wieder Tränen über die Wangen. Doch Biggi wusste nicht. Sie wusste nichts über die Erpressung von Rene, nichts von der Tatsache, dass Gabi sich nicht sicher war, wer der Vater ihres Kindes war, nichts davon, dass Ralf noch nichts von allem wusste.

„Freust du dich denn nicht?“, fragte Biggi dann vorsichtig. Gabi schüttelte den Kopf. „Ralf…er weiß noch gar nichts davon und ich weiß einfach nicht, wie ich es ihm sagen soll. Was ist, wenn er sich nicht darüber freut….“, schluchzte Gabi und bereute im gleichen Moment schon wieder, was sie gesagt hatte. Nun hatte sie sich doch wieder rausgeredet. Sie hatte sich doch vorgenommen Biggi alles zu erzählen. Doch sie konnte einfach nicht. Was wäre, wenn Biggi aus Versehen irgendwem davon erzählen würde? Sie wollte sich einfach ganz sicher sein, dass wirklich niemand davon erfuhr. Es hing einfach zu viel davon ab, ihr ganzes Leben… „Ich bin mir sicher Ralf freut sich. Ich kenne ihn doch, er mag Kinder.“, versuchte Biggi ihre Freundin zu überzeugen. Sie konnte ja nicht ahnen, dass der Grund, weshalb Gabi Ralf ihre Schwangerschaft verschwieg, ein ganz anderer, viel schlimmerer, war. „Du wirst sehen, er wird sich riesig freuen und danach wirst du dich fragen, warum du es ihm nicht gleich gesagt hast.“ Gabi nickte nur zögernd. Hätte sie Biggi doch nur alles erzählt. So konnte sie ihr wenig helfen, da Biggi davon ausging, dass Ralf der Vater sei und alles ok wäre. ‚Wie schön das doch wäre.’, dachte Gabi sich. Doch so war es leider nicht. Biggi bemerkte schnell, dass Gabi nicht wirklich überzeugt davon war und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass da noch mehr war. Es kam ihr schon merkwürdig vor, dass die Schwangerschaft der einzige Grund dafür sein sollte, dass Gabi sich in den letzten Wochen so verändert hatte. Warum machte sie die Schwangerschaft so fertig? Oder gab es dort wirklich noch etwas anders, von dem Biggi nichts wusste? „Willst…willst du mir vielleicht noch etwas erzählen?“, fragte sie dann vorsichtig nach. Gabi sah sie mit tränengefüllten Augen an. Sie zögerte. Das wäre die Gelegenheit, die Chance, Biggi alles zu erzählen. Sie wollte gerade ansetzten, als sie sich jedoch im letzten Moment dagegen entschied. Sie hatte einfach immer wieder Ralf vor Augen und wie er darauf reagieren würde, wenn er die gesamte Wahrheit erfahren würde.

Ralf war inzwischen fertig mit Umziehen und hatte sich in den Aufenthaltsraum gesetzt. Da Thomas noch immer auf dem Sofa vor sich hin döste und er daher niemanden zum unterhalten hatte, sah er gelangweilt aus dem Fenster nach draußen, wo es wieder einmal schneite. Da Biggi nicht mehr bei Thomas lag, konnte er sich denken, dass Gabi mit ihr zusammen weggegangen war. Sicherlich wollten die beiden ungestört sein. Ralf wusste ja, dass er bei Frauengesprächen nichts zu suchen hatte und Biggi und Gabi nun einmal ein paar Geheimnisse hatten, die ihn nichts angingen. Das machte ihm jedoch nichts aus und er akzeptierte es.

Wenig später wachte Thomas dann wieder auf. Er hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte und wie lange Biggi bereits nicht mehr neben ihm lag. Er musste lächeln, als er den kleinen Stoffbären, Biggis Glücksbringer, neben sich entdeckte, den sie ihm, als sie mit Gabi in die Umkleide gegangen war, als kleinen Ersatz zum Kuscheln hingelegt hatte. „Na, du Schlafmütze, auch wieder unter den Lebenden.“, meinte Ralf grinsend. Thomas nickte, er fühlte sich jetzt richtig fit, da er beinahe zwei Stunden geschlafen hatte. „Gabi hat dich anscheinend auch alleine gelassen.“, stellte er dann fest, als er bemerkte, dass sie genau wie Biggi nicht mehr im Aufenthaltsraum war. „Ja, genau wie Biggi dich. Jetzt sind wir alleine gelassenen Männer unter uns“, erwiderte Ralf. „Naja, wenigstens hat Biggi mir etwas hier gelassen.“, meinte Thomas darauf, während er lächelnd den kleinen Bären, den er noch immer in den Händen hielt, ansah. Ralf schmunzelte. „Ja, ja, was willst du nur machen, wenn du Biggi mal für eine Woche lang nicht siehst?“ "Ich hab keine Ahnung. Kann ich mir im Moment gar nicht vorstellen.", entgegnete Thomas lächelnd. "Du dir etwa bei Gabi?" Ralf schüttelte den Kopf. Sie mussten beide grinsen. "Was die Liebe nur alles anrichtet.", meinte Thomas und Ralf konnte ihm nur zustimmen. "Was machen die beiden eigentlich?", fragte Thomas dann. "Ich schätze mal, Frauengespräche führen. Da haben wir nichts verloren." "Allerdings." Sie griffen nach der Fernbedienung und schalteten den Fernseher an.

Währenddessen saßen Gabi und Biggi immer noch auf der Bank in der Umkleidekabine.

"Und es gibt wirklich nichts, was du mir noch sagen möchtest?", fragte Biggi vorsichtig und griff nach Gabis Hand. Ihr Gespür ließ sie einfach nicht mehr in Ruhe. Sie und Gabi waren schon seit einer Ewigkeit beste Freundinnen, inzwischen konnte sie Gabi von den Augen ablesen, ob alles in Ordnung war oder nicht. Genauso war es umgekehrt. Und wenn sie Gabi in diesem Moment in die Augen sah, las sie etwas völlig anderes als das, was Gabi ihr gerade gesagt hatte. Da las sie mehr. Doch was sollte sie tun? Sie konnte sie doch nicht zwingen. Und außerdem, vielleicht täuschte sie sich ja auch? Vielleicht war es wirklich nur die Tatsache, dass Gabi Angst davor hatte, Ralf von ihrer Schwangerschaft zu erzählen? Sie hoffte es, glaubte es aber nicht ganz. Gabi schüttelte den Kopf. "Nein, wirklich nichts.", sagte sie, blickte Biggi dabei aber nicht in die Augen. Biggi nickte. Dann nahm sie Gabi ganz fest in die Arme und sagte leise: "Aber du weißt, dass ich immer für dich da bin. Wenn du mir doch noch etwas sagen willst, dann sag mir Bescheid. Ok?" Gabi nickte. Dann versuchte sie, zu lächeln. "Was meinst du, wann soll ich es Ralf erzählen?" Biggi blickte auf ihren Bauch. "Heey, jetzt wo ich es weiß ... du bist ja schon richtig rundlich. Mach es, bevor er es merkt.", sagte sie und lächelte. "Ach, ich freu mich so für dich. Und glaub mir, Ralf wird außer sich sein vor Freude!" ,Tja, wenn du wüsstest...', dachte Gabi bei sich, nickte aber. Ralf würde wohl bestimmt außer sich sein, aber genauso würde er außer sich sein, wenn er irgendwann von dem Geheimnis erfahren würde. Nein, er durfte es nicht. Nie. Das wäre das Ende. "Gehen wir wieder rüber zu den anderen?", fragte Gabi dann. "Ja, die werden bestimmt schon ganz einsam sein.", grinste Biggi. So standen sie also auf und begaben sich wieder zurück in den Aufenthaltsraum, wo Thomas und Ralf allein vor der Glotze saßen. Als Thomas Biggi in der Tür erblickte, breitete er die Arme aus, worauf Biggi zum Sofa eilte und sich hineinfallen ließ. Auch Ralf küsste Gabi erfreut. "Mensch seht ihr alleingelassen aus.", bemerkte Biggi dann grinsend. "Nun ja, das waren wir ja auch.", sagte Thomas mit einem beleidigten Unterton. Dann aber zog er Biggi sanft an sich und verpasste ihr einen zärtlichen Kuss. Auch Gabi ließ sich nun zu Ralf aufs Sofa sinken und kuschelte sich in seine Arme. Wenn es doch nur Rene nicht geben könnte. Als sie in Ralfs wunderschöne Augen sah, als er sie verliebt anblickte, dachte sie an das Kind, das gerade in ihrem Bauch heranwuchs. Wäre es doch von Ralf ... vielleicht war es das ja auch. Sie wünschte sich nichts sehnlicher. "Ach ja, wir wollten euch ja was fragen.", begann dann plötzlich Thomas. "Wegen Weihnachten. Was haltet ihr davon, wenn wir dieses Jahr wieder gemeinsam auf der Basis feiern und dann noch zusätzlich die Familienmitglieder einladen?" "Hey, gute Idee. Da sind wir natürlich dabei, oder, Gabi?" "Ja, klar. Das wird bestimmt schön." Gabi erinnerte sich an das vergangene Jahr, als sie auf der Basis Weihnachten gefeiert hatten. Es war wirklich schön gewesen. Sie überlegte, ob sie ihre Mutter auch einladen sollte. Wenn sie es nicht tun würde, würde Angela Kollmann das Weihnachtsfest wohl alleine verbringen müssen. Das wollte Gabi natürlich nicht, doch andererseits fand sie es auch nicht gerade passend, ihre Mutter auf die Basis mitzunehmen.

Wenig später betraten Michael und Peter die Basis. Die Schicht des B Teams war zu Ende. Als Peter in den Aufenthaltsraum kann, wurde er gleich gefragt, was er von einem gemeinsamen Weihnachtsfest hielt. Er stimmte ebenfalls sofort zu, denn seit der Trennung von Barbara war er oft ein wenig einsam und wusste nun auch nicht, mit wem er sonst zusammen Weihnachten feiern könnte.

Die Tage bis kurz vor Heiligabend vergingen wie im Flug. Thomas und Biggi waren nach der Schicht die ganze Zeit damit beschäftigt Biggis Sachen aus ihrer Wohnung in die Villa zu transportieren. Michael, Peter, Gabi und Ralf halfen auch ab und zu und so kamen sie recht schnell voran.

Schließlich war es der 23. Dezember, ein Tag vor Weihnachten. Thomas und Biggi wollten den Umzug heute endgütig über die Bühne bringen, damit sie das Weihnachtsfest richtig genießen konnten, ohne Stress und Hektik. Ralf wollte noch die letzten Weihnachtsgeschenke besorgen und hatte sich deshalb mit Peter zusammen in den Weihnahnachtstrubel in der Stadt begeben. Gabi wollte ihn eigentlich begleiten, hatte sich dann allerdings anders entschlossen, weil Biggi sie um Hilfe gebeten hatte. Deshalb wollte sie jetzt genau wie Michael Biggi und Thomas beim Umzug helfen.

Michael, Thomas und Biggi waren schon seit morgens um halb acht in Biggis Wohnung. Thomas und Biggi packten dort alles in Kartons und verluden diese ins Auto, während Michael die Sachen zur Villa fuhr und dort wieder auslud. Gegen halb zehn traf dann auch Gabi ein. Die Tür stand offen, deshalb ging sie einfach in die Wohnung. „Hallo?“, fragte sie vorsichtig. „Hey, hallo Gabi.“, rief Biggi und steckte fröhlich den Kopf aus dem Wohnzimmer. „Schön, dass du da bist.“, begrüßte sie ihre Freundin und umarmte sie. „Hey das ist doch selbst verständlich, wenn du noch Hilfe brauchst.“, erwiderte Gabi. „Ich hoffe wir werden heute wirklich fertig.“, meinte Biggi. „Ach, natürlich, das schaffen wir schon und zur Not beordern wir Ralf und Peter noch hier her, wenn die mit ihren Weihnachtseinkäufen fertig sind.“ Biggi nickte. „Ok, dann wieder an die Arbeit.“ „Was soll ich denn machen? Hast du gerade irgendwas speziell für mich?“, wollte Gabi wissen. Biggi überlegte. „Ja, du könntest die Küchentöpfe verpacken, Umzugskartons stehen im Schlafzimmer.“, fiel ihr dann aber ein. „Ok, dann werde ich mich mal gleich an die Arbeit machen.“, beschloss Gabi. Sie stellte ihre Handtasche im Flur ab und begab sich dann in die Küche, wo Thomas gerade einen Schrank auseinander baute. „Hallo Thomas!“, begrüßte sie ihn. „Oh, hallo Gabi, schön, dass du Zeit hast. Wir können wirklich jede Hand gebrauchen.“, meinte er.

Biggi hatte im Wohnzimmer die restlichen Sachen zusammengepackt und kam nun auch in die Küche, wo noch am meisten zu tun war. „Brauchst du Hilfe, Schatz?“, fragte sie Thomas ein wenig besorgt, denn er wirkte irgendwie ziemlich hilflos unter den dicken Brettern des Küchenschrankes, die er gerade stützen musste, damit nicht alles umfiel. „Es geht schon.“, antwortete er schließlich, als er die Bretter schließlich zur Seite gestellt hatte. Dann ging er zu Biggi und legte seine Arme um sie. „Wir sind doch schon richtig weit gekommen, meinst du nicht?“ Sie nickte. „Ja, aber es liegt auch noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns.“ Sie gab Thomas einen zärtlichen Kuss, dann machten sich die beiden wieder an die Arbeit. Gabi hatte die gesamten Töpfe in einem Karton verstaut und wollte diesen nun gerade anheben, um ihn aus der Wohnung nach unten zum Auto zu tragen. Als Biggi das bemerkte, ging sie zu Gabi und meinte: „Hey, lass mich das lieber machen, der ist ziemlich schwer.“ Gabi sah sie einen Moment lang fragend an, dann war ihr allerdings klar, was Biggi damit meinte. Schwangere durften schließlich nichts Schweres heben. Auch Thomas hatte es mitbekommen und sah Biggi und Gabi nun fragend an. Biggi biss sich auf die Lippe. Das hätte sie nicht sagen sollen. Gabi wollte doch nicht, dass jemand erfuhr, dass sie schwanger war. Zumindest nicht so, wenn wollte sie es den anderen selbst sagen, irgendwann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war. Bevor Thomas jedoch irgendwelche Fragen stellen konnte, reagierte Gabi blitzschnell und meinte: „Stimmt, du hast Recht, dass ist nicht gut für meinen Rücken, wo ich doch so schnell Probleme bekomme, wenn ich zu schwer hebe.“ Thomas gab sich tatsächlich damit zufrieden und fragte nicht weiter nach. Zwar hatte er vorher nichts von Gabis angeblichen Rückenproblemen gewusst, doch er machte sich keine weiteren Gedanken darüber. So trug Biggi den Karton nach unten zum Auto. Gabi seufzte leise. Das war knapp. Wahrscheinlich war es doch besser gewesen, dass sie die Sache mit Rene für sich behalten hatte. Zwar wusste sie, das Biggi das nicht absichtlich gemacht hatte, aber es konnte verdammt schnell passieren, dass sie sich verplappern könnte. Und das wäre das Ende. Wenn Ralf wüsste, dass Gabi mit Rene geschlafen hatte, ja sogar vielleicht von ihm schwanger war und dass sie schuld an Christines Tod war.

Andererseits hatte es Gabi unheimlich gut getan mit Biggi über ihre Schwangerschaft zu reden. Zwar verstand Biggi noch immer nicht, warum Gabis nicht endlich Ralf erzählen wollte, doch trotzdem hatte Gabi zumindest jemanden, mit dem sie über das Baby reden konnte. Doch als sie sah, dass Thomas offensichtlich nicht weiter über Biggis Bemerkung nachdachte und bereits wieder vertieft in die Arbeit war, atmete Gabi auf und macht sich daran, die nächsten Töpfe in Kartons zu packen. Als Biggi wieder hochkam, warf sie Gabi einen entschuldigenden Blick zu, doch sie nickte ihr lächelnd zu, worauf Biggi erleichtert war. Langsam gleichte die Wohnung einer Abstellkammer. Überall auf dem Boden lagen Kartons herum, doch an den Wänden stand bereits nichts mehr. "Ich schätze, wir werden heute wirklich fertig, mein Schatz.", sagte Thomas und umarmte Biggi erfreut. Sie schmiegte sich an ihn und seufzte glücklich. "Ich freu mich ja schon so ..." "Ich mich auch." Michael und Gabi lächelten den beiden zu. "Jetzt wird aber weitergearbeitet, rumkuscheln könnt ihr dann, wenn Biggi endgültig umgezogen ist!", feuerte Michael sie dann aber an. "Da werden wir dann nur mehr kuscheln...", flüsterte Thomas Biggi grinsend ins Ohr, bevor sie sich schweren Herzens wieder der Arbeit zuwandten.

Der Tag verging wie im Nu. Schließlich war es soweit, das letzte Mal den Wagen voll zu packen und die letzte Ladung Kartons zu Michaels und Thomas' Villa zu bringen. Die Wohnung war jetzt bis auf vereinzelte rumliegende Dinge komplett leer. Biggi setzte sich auf den letzten großen Karton und atmete durch. "Mann, das war vielleicht ne Arbeit. Ich wüsste nicht, wie ich das ohne euch geschafft hätte, Leute. Danke." "Schon ok. Ist doch klar dass wir helfen.", entgegneten die anderen einstimmig. Biggi musste lächeln. Sie konnte sich wirklich unheimlich glücklich schätzen in ihrem Leben. Sie hatte den wunderbarsten Mann, den sie sich nur vorstellen konnte, und sie hatte die besten Freunde, die man sich vorstellen konnte. Und obendrein den allerschönsten Beruf, den es nur gab auf der Welt. Inzwischen allerdings bräuchte sie den Heli gar nicht mehr, um zu fliegen. Sie schwebte schon längst auf Wolke sieben. Plötzlich legten sich zwei Arme von hinten um sie, Thomas' Gesicht schmiegte sich sanft an das ihre, bis sie sich schließlich umdrehte und ihn zärtlich küsste. Er erwiderte es voller Leidenschaft, sie konnten gar nicht mehr voneinander lassen. "Also bitte, jetzt sind wir so kurz vorm Feierabend, ihr werdet doch jetzt nicht schlapp machen." "Wir machen nicht schlapp!", protestierte Biggi empört. "Jetzt geht's doch erst richtig los ...", fügte Thomas verschwörerisch hinzu und grinste. Michael schüttelte nur den Kopf, zog dann den Karton unter ihnen mit einem Ruck weg, worauf sie schreiend auf dem Boden landeten. Doch bevor sie es Michael heimzahlen konnten, war dieser auch schon nach draußen verschwunden.

Während Thomas und Biggi nun noch mal durch alle Räume gingen und kontrollierten, ob alles mitgenommen wurde, suchte Gabi die kleinen Sachen auf dem Boden zusammen und steckte sie in eine große Tüte. Als Biggi so durch all die leeren Räume trat und auf die Jahre in dieser Wohnung zurückblickte, wurde sie nun doch ein wenig melancholisch ... "Schön war's hier ...", sagte sie leise seufzend. "Aber jetzt wird's noch viel schöner.", fügte sie hinzu. Daraufhin umarmte Thomas sie und verpasste ihr einen zärtlichen Kuss. "Und zwar mit Sicherheit.", sagte er dann. "Komm, ich glaube, es wird Zeit." "Du hast ja Recht.", sagte Biggi. In Gedanken verabschiedete sie sich von ihrer Wohnung, und trat nun in Thomas' Arm als letztes hinaus in das Stiegenhaus. Von unten rief Michael: "Jetzt beeilt euch mal! Wir sind startbereit!" Biggi schloss die Tür mit dem Schlüssel ab und steckte ihn ein. Irgendwann demnächst würde sie ihn dem Vermieter geben.

Michael atmete auf, als Thomas und Biggi endlich unten ankamen. Sie verabschiedeten sich noch schnell von Gabi, die nun zu Ralf fahren wollte. "Danke noch mal für deine Hilfe. Du bist ein Schatz.", bedankte sich Biggi bei ihr. "Hey, ist doch klar. Ich wünsch euch einen wunderschönen Abend, macht es euch gemütlich." "Danke, werden wir.", sagte Biggi lächelnd. "Und ihr auch... Tschüss!" Sie umarmten sich noch mal, und schließlich stiegen Biggi und Thomas zu Michael ins Auto, während auch Gabi davonbrauste.

Die Fahrt zur Villa war nur kurz, und gemeinsam schafften sie es auch im Rekordtempo, die Kartons ins Haus zu bringen. "Was haltet ihr von nem kleinen Willkommenstrunk? Die letzten Sachen können wir auch später auspacken.", schlug Michael vor. Biggi und Thomas willigten gerne ein. Bestimmt würde das Leben hier im Haus nun noch mehr bereichert sein. "Endlich ist es nicht mehr so monoton hier, die Geschlechter beginnen, sich zu verteilen.", meinte Michael grinsend. "Stimmt. Hm...wie wär's mit noch ner weiblichen Person hier im Haushalt?", überlegte Thomas und sah Biggi an. "Tja, wer? Die müsste wohl erst gezeugt werden.", entgegnete Biggi. "Ich hab nichts dagegen...", meinte Thomas darauf und grinste übers ganze Gesicht. Biggi tat es ihm nach. "Daran hab ich zwar jetzt nicht gedacht, aber wir können gern dran arbeiten." Sie küssten sich mit verschwörten Blicken. "Lasst das erstmal mit den Kindern. Da müsst ihr dann nämlich auch mal was anderes tun als den ganzen Tag rumzuturteln.", meinte Michael darauf. Sie mussten lachen. Es wurde noch ein schöner Abend, sie unterhielten sich gut und sprachen bereits voller Vorfreude über das morgige Fest. Irgendwann meinte Biggi jedoch: "Tut mir Leid, ihr Lieben, aber ich würd mich ganz gern mal schnell frisch machen." "Was für eine hervorragende Idee. Soll ich dir helfen?", fragte Thomas grinsend. Biggi räusperte sich verlegen. Michael schüttelte nur den Kopf und stand lächelnd auf, worauf er begann, den Tisch abzuräumen. "Na dann eben ab nach oben, Liebling...", meinte Biggi grinsend und so verschwanden sie händchenhaltend nach oben ins Badezimmer.

Dort angekommen, kam Thomas eine Idee. "Was hältst du von einem schönen, schaumigen heißen Bad?" "Was ich dazu sage? Das würde mich sogar in kaltem Wasser heiß machen...", entgegnete Biggi und legte ihre Arme um seinen Hals. Sie versanken in innige Küsse, die immer leidenschaftlicher wurden. Immer noch eng umschlungen drehte Thomas mit einer Hand den Wasserhahn über der Badewanne auf. Küssend ließen sie sich auf den Wannenrand sinken, Biggi fasste nach der Flasche mit Badeschaum und schüttete fast den gesamten Inhalt ins Wasser. Dann fasst Thomas ihr zärtlich unter das T-Shirt und begann schließlich, es ihr auszuziehen - dasselbe machte  Biggi schließlich mit seiner Hose. Es dauerte nicht lange, bis sie schließlich gar nichts mehr anhatten, doch sie hörten nicht auf, sich zu küssen. Schließlich setzte Biggi als erstes einen Fuß in die inzwischen volle Wanne, worauf sie sich in das heiße, schaumige Wasser sinken ließ und Thomas schließlich mit einem Ruck zu sich nach unten zog. Sie mussten beide grinsen, denn sie füllten soviel Volumen der Wanne aus, dass sie bereits überschwappte. Noch dazu waren ihre Bewegungen nicht gerade die kontrolliertesten. Als sie schließlich für kurze Zeit voneinander abließen, legte sich Thomas nach hinten in die Wanne und zog Biggi ganz nah an sich. Sie schmiegte sich an ihn und küsste ihn auf die Wange. "Ist das schön...", seufzte sie leise. "Das müssen wir jetzt öfter machen." "Unbedingt.", sagte Thomas darauf. Wieder küssten sie sich. Dann nahm Thomas das Duschgel, drückte sich ein wenig davon auf die Hand und begann dann, Biggi zärtlich einzuseifen.

Als er fertig war, machte Biggi dasselbe bei ihm, bis sie schließlich beide von oben bis unten eingeseift waren. Dann kuschelte Biggi sich wieder an Thomas. Sie schloss mit einem Lächeln im Gesicht die Augen und meinte dann: „Ach, so könnte ich ewig liegen bleiben.“ „Ich auch.“, stimmte Thomas ihr zu, „Aber ich fürchte, dann wird das Wasser kalt.“, setzte er grinsend hinzu. „Solange ich dich bei mir hab.“, entgegnete Biggi, worauf Thomas sie zärtlich küsste. Sie verweilten noch eine ganze Zeit so, bis das Wasser schließlich wirklich zu kalt wurde. Thomas stieg aus der Wanne, direkt in die große Pfütze, die das übergeschwappte Wasser gebildet hatte. Dann reichte er Biggi die Hand und zog sie zu sich. Biggi ließ sich in seine Arme fallen und Thomas griff mit einer Hand nach einem großen Badelaken, worin er sich und Biggi einwickelte. Dann tapsten sie durch die Wasserpfütze auf dem Boden in Richtung Schlafzimmer. Sie hatten Biggis Bett dort bereits aufgebaut und Thomas’ Bett ins Gästezimmer verfrachtet, da Biggis größer war. Noch immer im Badelaken eingewickelt ließen sie sich aufs Bett fallen. „Hm, das ist viel weicher, als meins.“, meinte Thomas. Biggi grinste. „Ich finde wir sollten es einweihen….“, schlug sie dann vor und blickte ihn verschwörerisch an. Thomas nickte. „Gute Idee.“ Er beugte sich über Biggi und begann sie zu küssen, was Biggi erwiderte. Schließlich verkrochen sie sich küssend unter die warme Bettdecke. „Meintest du das mit dem Nachwuchs eigentlich ernst?“, fragte Biggi Thomas nach einer Weile. „Wer weiß?“, erwiderte er grinsend und küsste sie wieder. Biggi zog ihn noch näher zu sich. „Ich liebe dich.“, flüsterte sie ihm dann zwischen zwei Küssen ins Ohr. Als Antwort bekam sie nur einen langen Kuss, den sie glücklich erwiderte. Sie küssten sich immer leidenschaftlicher und schließlich schliefen sie miteinander. Es war besonders schön und intensiv und sie küssten und berührten sich immer wieder zärtlich. „Ich bin so glücklich.“, meinte Biggi, als sie danach in Thomas’ Armen lag. „Ich auch und rate mal, wer dafür verantwortlich ist?“, erwiderte Thomas und gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Hm, wer kann das nur sein?“, fragte Biggi grinsend. Thomas begann daraufhin sie zu kitzeln. „Na, immer noch keine Ahnung?“, fragte er Biggi grinsend, als sie sich schließlich ergeben hatte und Thomas auf ihr lag. Biggi schüttelte unschuldig lächelnd den Kopf. „Dann muss ich deiner Erinnerung wohl ein bisschen nachhelfen…“, sagte Thomas daraufhin. Dann neigte er sein Gesicht ganz nah an ihrs und begann sie zu küssen. Biggi erwiderte seinen Kuss und nachdem sie wieder voneinander abließen, sagte sie leise: „Ich glaube ich erinnere mich wieder.“, wobei sie ihn verliebt anlächelte und ihn dann wieder küsste.

Als Gabi von Biggis Umzug nachhause gekommen war, war Ralf bereits von der Einkaufstour mit Peter zurückgekehrt. „Hallo, Schatz. Und alles bekommen?“, begrüßte sie ihn fröhlich. Ralf kam in den Flur, schloss sie in seine Arme und begrüßte sie mit einem langen Kuss. „Ja, es ging ganz schnell, wir waren schon gegen fünf wieder zurück. Jetzt kann Weihnachten gern kommen.“, antwortete er grinsend. Dann hob er Gabi hoch und trug sie ins Wohnzimmer, wo er sich mit ihr zusammen aufs Sofa fallen ließ. „Und wie war dein Tag?“, wollte er dann von ihr wissen. Gabi lächelte matt. „Ganz schön…“, antwortete sie dann zögerlich. Sie musste wieder an die Situation denken, als Thomas fast bemerkt hatte, dass sie schwanger war. Diese Situation führte ihr sofort wieder vor Augen, dass sie es Ralf endlich sagen musste. Er würde es sowieso bald merken, lange würde sie ihren langsam runder werdenden Bauch nicht mehr verstecken können. Sie überlegte hin und her, wie sie es ihm sagen sollte, doch sie kam einfach zu keiner Lösung. Eins allerdings war von vorne herein klar, sie würde ihm nur soviel sagen, dass sie schwanger war, kein Wort mehr. Der Rest musste für immer ihr Geheimnis bleiben und es durfte nie wieder ein Wort darüber verloren werden. Ralf hatte bemerkt, dass Gabi in Gedanken versunken war. „Hey, Schatz, was hast du denn?“, fragte er sie lieb. Gabi schreckte ein wenig auf. „Was?... ähm nichts, alles in Ordnung.“, beruhigte sie ihn sofort und zwang sich zu einem Lächeln. So gut es ging versuchte sie sich damit abzulenken, indem sie an etwas Schönes dachte. An den morgigen Tag, an Weihnachten, das fest auf der Basis. Dabei fiel ihr ein, das sie ihrer Mutter noch gar nicht bescheid gegeben hatte. Nach langem hin und herüberlegen, hatte sie sich schließlich dazu durchgerungen sie doch auf die Basis einzuladen, weil sie nicht wollte, dass sie das Weihnachtsfest allein verbringen musste. „Ich muss noch schnell meine Mutter anrufen, wegen morgen. Wann soll sie denn überhaupt da sein?“, fragte Gabi. „Ich glaube Michael meinte gegen fünf. Am besten wir holen sie ab, dann kommt sie sicher hin und wieder zurück.“, schlug Ralf vor. Gabi nickte. „Wird wohl das beste sein.“, wobei ihr immer noch nicht so ganz wohl bei dem Gedanken daran war, dass ihre Mutter mit auf der Basis feiern würde. Sie passte irgendwie überhaupt nicht zu den anderen Gästen. ‚Na ja, wird schon schief gehen.’, dachte Gabi sich und wählte dann langsam die Nummer ihrer Mutter. „Angela Kollmann?“, vernahm sie wenig später ihre Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hallo, ich bin’s Gabriele…“ „Oh, Püppi, schön., dass du anrufst.“ „Ich wollte dich fragen, ob du morgen mit uns auf der Basis feiern möchtest. Ich dachte…“ „Aber ich dachte wir beide verbringen Weihnachten zusammen bei mir zuhause.“, unterbrach Angela ihre Tochter sofort. „Weihnachten ist doch ein Familienfest.“ „Siehst du und deshalb laden wir ja auch alle Familienmitglieder auf die Basis ein, damit die Familien zusammen feiern können. Aber du musst ja nicht kommen wann du nicht willst. Eins kann ich dir allerdings jetzt schon sagen, ich werde dort feiern – mit Ralf zusammen. Du kannst es dir ja überlegen.“ „Aber willst du nicht doch hier bei mir…“ „Nein, Mutter.“, fiel Gabi ihr sofort ins Wort. Sie hatte sich schon so oft von Angela überreden lassen, diesmal würde ihr das nicht gelingen. Sie wollte auf der Basis Weihnachten feiern, mit Ralf und ihren Freunden. „Und?“, fragte Ralf mit fragendem Blick, nachdem Gabi aufgelegt hatte. Sie seufzte. „Sie hat versucht mich zu überreden bei ihr zuhause zu feiern, aber ich hab ihr klar und deutlich gesagt, dass das nicht in Frage kommt. Ich habe ihr gesagt, dass sie es sich überlegen soll, ob sie mit uns feiern will, und ansonsten kann ich ihr auch nicht helfen.“ Gabi versuchte stark sein, während sie das sagte, doch sie konnte nichts dagegen tun, dass ihre Augen feucht wurden. Warum musste ihre Mutter nur immer so stur sein? Sie wollte doch einfach nur mit ihren Freunden zusammen auf der Basis feiern und mit ihr! Doch Angela wollte sie wie immer ganz für sich beanspruchen. „Hey, komm her.“, meinte Ralf lieb und nahm sie in den Arm. „Lass dich davon nicht fertig machen. Du wirst sehen, deine Mutter wird es einsehen und dann feiern wir alle gemeinsam auf der Basis.“ Gabi sah ihn zunächst zweifelnd an, wischte sich dann jedoch die Tränen aus den Augen und nickte zuversichtlich. „Du hast ja Recht.“ Sie küsste ihn zum Dank, was Ralf glücklich erwiderte. „Und jetzt machen wir uns einen richtig schönen Abend, hm?“, meinte er dann. Gabi nickte. „Ja, das machen wir.“, erwiderte sie und begann ihn zu küssen.

Biggi war in Thomas’ Armen eingeschlafen. Der Umzug war wirklich anstrengend gewesen. Thomas lächelte bei ihrem Anblick und zog dann die Decke noch ein Stück höher, damit es Biggi nicht zu kalt wurde. Dann gab er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, bevor auch er erschöpft, aber mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht, die Augen schloss und einschlief.

Ralf hatte Gabi inzwischen ins Schlafzimmer getragen und sich gemeinsam mit ihr aufs Bett fallen lassen. Sie küssten sich immer leidenschaftlicher und begannen sich gegenseitig auszuziehen. Schließlich schliefen sie miteinander. Es war auch für Gabi unheimlich schön und es war das erste Mal nach der Sache mit Rene, dass sie dabei nicht an ihn und diese schreckliche Nacht denken musste. Diese Nacht hatte sie überall hinverfolgt, sie hatte alles immer wieder vor Augen, konnte es nicht vergessen, obgleich sie sich nichts sehnlicher wünschte. Danach lagen sie und Ralf sich glücklich in den Armen. „Ich liebe dich.“, sagte er leise und sah ihr dabei in die Augen. „Ich dich auch.“, erwiderte Gabi und küsste ihn zärtlich. In diesem Moment war sie richtig glücklich. Sie dachte weder an das Gespräch mit ihrer Mutter, noch an die quälende Frage, wer der Vater ihres ungeborenen Kindes war.

Michael hatte den Abend damit verbracht die letzten Weihnachtsgeschenke zu verpacken. Dirk hatte ihm dabei geholfen und danach hatten sie noch ein Gesellschaftsspiel im Wohnzimmer gespielt. Nachdem Michael einen Sohn um zehn ins Bett geschickt hatte, folgte er ihm eine Stunde später. Sie waren alle sehr müde vom Umzug. Immerhin hatten sie den ganzen Tag von morgens bis abends geschuftet. Aber wenigstens war jetzt alles geschafft und Biggi wohnte endlich in der Villa. Als Michael jedoch das Bad betrat, traf ihn fast der Schlag, als er die riesige Pfütze auf dem Boden entdeckte. Kopfschüttelnd holte er den Feudel und machte alles wieder trocken. Manchmal kam er sich wirklich vor wie das unbezahlte Hausmädchen. Bevor er ins Bett ging, warf er noch einen Blick in Dirks Zimmer und lächelte dann zufrieden, als er sah, dass sein Sohn friedlich in seinem Bett lag und schlief. Dann schaltete er das Licht aus und begab sich in sein Schlafzimmer, wo auch er schnell einschlief.

Am nächsten Morgen mussten alle schon ziemlich früh aufstehen, denn es gab noch viel zu tun. Sie hatten abgemacht, dass Thomas und Michael zusammen den Weihnachtsbaum für die Basis holen sollten. Biggi und Gabi wollten sich zur gleichen Zeit in der Villa treffen und das Essen für abends vorbereiten, während sich Ralf, Peter und Max auf der Basis treffen wollten um dort alles herzurichten. Gegen Mittag wollten sie sich dann alle dort treffen und die restlichen Vorbereitungen treffen.

Michael wachte schon ziemlich früh auf. Verschlafen blickte er auf den Wecker auf seinem Nachttisch, es war erst halb sieben, er hatte noch eine Stunde, bis er aufstehen musste. Also drehte er sich um und versuchte wieder einzuschlafen. Als ihm das jedoch nicht gelang, beschloss er schließlich schon einmal aufzustehen und Frühstück für sich und die anderen zu machen. Er zog sich seinen Morgenmantel über und schlurfte dann die Treppe hinunter in die Küche, wo er begann Frühstück zu machen. Als alles fertig war und der Tisch gedeckt war, zündete er schließlich noch die vier Kerzen auf dem Adventskranz an und betrachtete dann zufrieden den Frühstückstisch.

Es war bereits viertel nach sieben und er beschloss schon einmal Biggi und Thomas zu wecken, da er genau wusste, dass die beiden sowieso wieder nicht aus dem Bett kommen würden. Er schlich leise durch den Flur, um Dirk, der noch länger schlafen durfte, nicht zu wecken und betrat dann leise die Tür zum Schlafzimmer von Thomas und Biggi. Michael schmunzelte. Die beiden lagen eng aneinander gekuschelt unter der Bettdecke und schliefen noch tief und fest. „Aufstehen.“, rief Michael fröhlich. Das brachte auch sofort die erhoffte Wirkung. Thomas rieb sich verschlafen die Augen und sah ungläubig zu Michael. „Was ist denn los? Ist etwas passiert?“, fragte er leise. „Ihr sollt aufstehen, das ist los.“, meinte Michael grinsend und begann damit, Thomas die Bettdecke wegzuziehen. Er wusste, dass das die einzig wirksame Methode war um ihn aus dem Bett zu bekommen. „Hey, du weckst Biggi noch auf.“, mahnte Thomas ihn und sah zu Biggi, die noch immer friedlich schlafend in seinen Armen lag. „Sie soll jetzt auch aufstehen, also wenn ich sie nicht wecken soll, dann weck du sie. Wir haben noch viel vor heute.“, erwiderte Michael. „Jaja…“, murmelte Thomas nur verschlafen und drehte sich dann wieder zu Biggi. „Hey Süße, aufwachen….“, sagte er ganz leise und strich ihr sanft über die Wange. Biggi rührte sich ein wenig, doch sie wachte nicht auf, sondern kuschelte sich im Schlaf nur noch enger an Thomas. Er schmunzelte. „Hey….Biggi… du musst jetzt aufwachen, wir müssen aufstehen.“, sagte er und gab ihr dann einen ganz sanften Kuss. Dieser Versuch zeigte schließlich Wirkung und Biggi öffnete langsam die Augen. „Was ist denn los? Müssen wir schon aufstehen?“, fragte sie verschlafen, während sie die Bettdecke etwas höher zog und sich noch dichter an Thomas schmiegte. „Michael war eben hier und wollte uns aus dem Bett scheuchen.“, erklärte Thomas ihr. „Aber eine Viertelstunde haben wir noch…“, setzte er dann hinzu. Biggi lächelte. „Ich finde diese Viertelstunde sollten wir nutzen.“ „Allerdings“, stimmte Thomas ihr zu und begann sie zu küssen.

Auch Ralf und Gabi waren bereits aufgewacht, lagen noch im Bett und kuschelten ein wenig miteinander. Sie hatten absolut keine Lust aufzustehen, doch irgendwann blieb ihnen dann doch nichts über, weil Gabi sich um neun mit Biggi in der Villa treffen wollte und vorher schnell die Zutaten, die sie brauchten, einkaufen wollte. Während Gabi ins Bad ging, machte Ralf frühstück für sich und Gabi. Er gab sich extra viel Mühe und als er den Tisch fertig gedeckt hatte, zündete er noch ein kleines Teelicht an. Während er auf Gabi wartete, sah er verträumt aus dem Fenster. Es hatte begonnen ein wenig zu schneien. ‚Was für eine schöne Weihnachtsatmosphäre.’, dachte er sich lächelnd. Er freute sich wie ein kleines Kind. Was ihn allerdings am glücklichsten machte, war, dass es ihm so vorkam, als wenn Gabi in den letzten Tagen viel fröhlicher gewesen wäre als sonst. Ja, wenn er es recht bedachte, genauso wie früher. Er hatte sich schon daran gewöhnt und fast damit abgefunden, dass sie sich seit einigen Monaten ziemlich verändert hatte – was auch immer der Grund dafür sein mochte. Er hatte wirklich keine Ahnung und Gabi hatte es ihm auch nie erzählt, wenn es denn einen wirklichen Grund gab. Ralf hoffte immer noch, dass das nur eine Phase von ihr war.

Endlich kam Gabi aus dem Bad. Sie war leise hinter Ralf getreten und umarmte ihn nun. Er drehte sich um und sie küssten sich. „Oh, du hast Frühstück gemacht?“, fragte sie dann überrascht. Ralf nickte „Nur für dich!“ Gabi lächelte dankbar und gab ihm einen Kuss. Dann setzten sie sich an den Tisch und frühstückten.

Thomas und Biggi hatten sich schließlich nach einer halben Stunde auch aus dem warmen Bett gequält. Zwar wären sie noch liebend gern ewig liegen geblieben, doch auf den heutigen Tag freuten sie sich ebenfalls total. Es würde sicherlich ein schönes Fest werden immerhin war es das erste Weihnachtsfest, seitdem sie zusammengekommen waren und Weihnachten war schließlich das Fest der Liebe. Sie gingen Arm in Arm ins Bad, wo sie erst einmal eine ausgiebige Dusche nahmen. Danach gingen sie dann zusammen nach unten in die Küche, wo Dirk und Michael bereits beim Frühstücken saßen. „Guten Morgen“, begrüßte Biggi die beiden fröhlich. Sie war richtig gut gelaunt. „Morgen. Und ausgeschlafen?“, fragte Michael und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Thomas verzog das Gesicht. „Wenn du uns hättest schlafen lassen, wären wir jetzt vielleicht ausgeschlafen, aber so?“, fragte er und gähnte dann herzhaft. „Oh, mein armer Schatz.“, meinte Biggi daraufhin und tröstete ihn mit einem Kuss, den Thomas glücklich erwiderte. Dann setzten sie sich zu Michael und Dirk an den Tisch. „Oh, sogar Brötchen.“, staunte Thomas, als Michael ihm und Biggi den Korb mit den frischen Brötchen reichte. „Ja, ich war eben noch schnell beim Becker.“, verkündete Dirk stolz. Biggi lächelte, sie war richtig froh jetzt hier zu wohnen. So konnte sich schon fast gar nicht mehr vorstellen nicht mit Thomas zusammen zu wohnen, obwohl sie gerade mal einen Tag in der Villa wohnte. Und mit Dirk und Michael kam sie auch sehr gut zurecht.

Nach dem Frühstück wollten Michael und Thomas gleich losfahren um den Tannenbaum zu holen. „Und kommt mir mit einem schönen Baum wieder, nicht mit so einem krummen und kahlen.“, meinte Biggi grinsend. „Keine Angst, mein Schatz, für dich suche ich den schönsten aus.“, erwiderte Thomas und lächelte sie verliebt an. „Davon bin ich überzeugt.“, antwortete Biggi und gab ihm einen langen Kuss. Michael wurde langsam ungeduldig. „Wenn du nicht langsam kommst, dann bekommen wir gar keinen Baum mehr ab, Thomas.“ „Ja ja ja, ich komme ja schon.“, meinte Thomas. „Also Liebling, bis heute Mittag.“, wandte er sich an Biggi und gab ihr noch einen Abschiedskuss. Dann folgte er endgültig Michael nach draußen zum Auto.

Biggi machte sich als die beide weg waren daran die Küche ein wenig aufzuräumen, denn sie und Gabi wollten hier das Buffet für den Abend zubereiten und außerdem noch ein paar Weihnachtsplätzchen für die Feier backen. Dirk half Biggi und wischte de Tisch ab, so waren sie ziemlich schnell fertig und die Küche war sauberer als vorher. „Das wurde aber auch Zeit, dass hier mal ein bisschen aufgeräumt wurde.“, meinte Dirk dann grinsend. Auch Biggi musste schmunzeln. Es war wirklich Zeit, dass mal jemand Ordnung in den ehemaligen Männerhaushalt brachte.

Wenig später sah Biggi durchs Fenster auch schon Gabis Auto vor de Haus parken und wenig später kam mit einem großen Einkaufskorb in der Hand auf die Haustür zu. Biggi öffnete und umarmte sie fröhlich. „Hey, schön dich zu sehen.“, meinte Gabi, „Sind Thomas und Michael schon weg?“ Biggi nickte. „Ja, wir haben das Haus für uns, nur Dirk ist noch hier.“ „Na dann werden wir uns mal an die Arbeit machen.“, meinte Gabi und ging mit Biggi zusammen in die Küche. Dort stellte sie den großen Einkaufskorb auf dem Tisch ab und sie begannen, das Buffet vorzubereiten.

Zur gleichen Zeit war Ralf gerade auf der Basis angekommen, wo er sich mit Max und Peter treffen wollte. Die beiden waren bereits da und schon dabei den Aufenthaltsraum herzurichten. Sie hatten bereits einen großen Tisch in der Mitte des Raums aufgestellt und genügend Stühle ringsherum. „Morgen, Ralf“, begrüßten sie ihren Kollegen fröhlich. „Morgen“, erwiderte Ralf ebenfalls bestens gelaunt. „Du bist verdächtig gut aufgelegt heute, ist irgendwas passiert?“, wunderte Peter, dem Ralfs gute Laune sofort aufgefallen war, sich. Ralf zuckte mit den Schultern. „Darf man nicht mal gute Laune haben?“ „Natürlich darf man das, war ja nur ne Frage.“ „Nun, diskutieren könnt ihr später, lasst uns weitermachen, damit wir das wichtigste fertig haben, wenn Thomas und Michael mit dem Baum kommen.“, mischte Max sich nun ein. Ralf und Peter nickten und so machten sich die drei an die Arbeit. Sie wollten noch die Ecke mit dem Sofa gemütlich herrichten, sodass sie sich nach dem Essen bei bedarf dort hinsetzen konnten. Zudem musste noch eine Ecke für den Tannenbaum frei geräumt werden.

Thomas und Michael waren in der Stadt angekommen, um den Baum zu besorgen. Zunächst gingen sie zum Tannenbaumstand am Markt. Doch schnell mussten sie feststellen, dass die Bäume hier schon so gut wie ausverkauft waren und die wenigen Exemplare, die es noch gab, waren entweder total krumm oder hatten kaum noch Nadeln. „Mit so was brauche ich Biggi gar nicht anzukommen.“, meinte Thomas grinsend und zeigte auf einen Baum, der bereits von einer Seite kahl war. Michael schüttelte den Kopf. „Ich fürchte hier werden wir nichts, komm, lass uns zum nächsten Stand fahren.“ Thomas nickte und so gingen er und Michael wieder zum Auto und fuhren zum Tannenbaumstand am Bahnhof. Hier jedoch sah es noch schlechter aus. Der Verkäufer hatte noch ganze zwei Bäume. Der eine war so groß, dass er dreimal in die Basis gepasst hätte und der andere hatte kaum noch Nadeln. „Jetzt fällt mir nur noch der Stand neben Karstadt ein.“, meinte Michael nachdenklich. Thomas nickte. „Einen anderen weiß ich jetzt auch nicht.“ „Hoffen wir, dass wir dort einen Baum bekommen. Ich habe dir ja gleich gesagt, wir hätten schon vor ein paar Tagen losfahren sollen, aber du wolltest es ja alles am letzten Tag erledigen.“, meinte Michael ein wenig vorwurfsvoll. „Und wenn nicht, dann fahren wir halt in den Wald und suchen uns dort einen aus, da ist die Auswahl wenigstens groß genug.“, antwortete Thomas grinsend, während sie zurück zum Auto gingen.

Währenddessen liefen die Vorbereitungen für das Buffet in der Küche der Villa Lüdwitz/Wächter/Schwerin auf Hochtouren. Gabi und Biggi kamen ziemlich schnell voran und nebenbei unterhielten sie sich und hatten sie jede Menge Spaß. Sie freuten sich beide schon sehr auf den Abend. „Weißt du eigentlich schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?“, fragte Biggi Gabi nach einer Weile. „Nein, ich will mich überraschen lassen.“, antwortete diese und zwang sich zu einem Lächeln. Dabei war ihr bei jedem Gedanken an ihr Kind absolut nicht zum Lächeln zumute. Biggi freute sich riesig für Gabi, fast mehr als sie selbst. Sie selbst zweifelte immer noch daran, ob sie es Ralf jetzt sagen sollte oder nicht. Das hieß, sie wusste ja, dass sie es ihm sagen musste, nur wann? Das war große die Frage. Wann und wie sollte sie es ihm beibringen? Sie wusste es einfach nicht. Bei diesem Gedanken, war ihre gute Laune wie weggeblasen und sie sah nachdenklich durch das Küchenfenster den Schneeflocken zu. Biggi fiel Gabis Verhalten natürlich auf und sie fragte sich, ob sie etwas Falsches gesagt hatte. „Was schenkst du eigentlich Ralf zu Weihnachten?“, fragte Biggi sie dann, um auf ein anderes Thema zu kommen. Gabi lächelte nur. „Etwas seeehr, seeehr Schönes.“, antwortete sie dann geheimnisvoll. „Na komm schon, dann verrate ich dir auch, was Thomas von mir bekommt.“, meinte Biggi. „Ok“, Gabi verschwand kurz in den Flur, wo ihre Tasche hing. Dann kam sie mit einer kleinen Schachtel in der Hand wieder und gab diese Biggi. Biggi öffnete sie ganz vorsichtig und es kam eine ziemlich teure Uhr zum Vorscheinen. „Oh, die ist wirklich schön. Bestimmt freut Ralf sich darüber.“, sagte sie dann. Gabi nickte und packte die Schachtel dann wieder weg. „Nun will ich aber auch wissen, was du Thomas schenkst.“ "Na gut.", meinte Biggi und lächelte. Dann zog sie aus einem Versteck im Schrank eine kleine Schachtel hervor, die ganz nach einem Juwelierladen aussah. "Oh, na da bin ich mal gespannt.", meinte Gabi neugierig. Als Biggi die Schachtel öffnete, staunte sie nicht schlecht. Dann musste sie lachen. In der Schachtel befand sich eine wunderschöne, goldene Kette, an der ein kleiner auseinander gebrochener Helicopter hing, der in ein halbes Herz eingeschlossen war. "Die andere Hälfte hab ich.", grinste Biggi. "Wie findest du es?" "Er wird sich bestimmt unheimlich freuen. Das ist ein super Geschenk, echt. Aber wo bitteschön gibt's so was zu kaufen?" "Nirgends. Hab ich extra anfertigen lassen. Dann hat er seine beiden Lieben vereint und ist immer mit mir verbunden." Biggi kam ins Träumen. "Ich hoffe ja so sehr, dass es ihm gefällt. Er ist so ... so wunderbar ... dann will ich ihm auch ein wunderbares Geschenk machen." "Das hat er doch schon. Seit ihr beide zusammen seid, ist er doch nicht wieder zu erkennen. Ich glaube, du machst ihm zum glücklichsten Menschen der Welt." "Meinst du?" "Ja, ganz bestimmt.", meinte Gabi und lächelte. "Ich weiß übrigens auch, wie du Ralf zum glücklichsten Menschen der Welt machen könntest, falls er's nicht schon längst ist." Gabi sah sie fragend an. "Sag's ihm endlich! Er wird sich sooo sehr freuen, da bin ich mir sicher.", redete Biggi ihr zu. "Ich weiß ja.", entgegnete Gabi. "Aber dazu brauche ich den richtigen Zeitpunkt. Vielleicht tu ich's heute Abend." "Ja, das ist eine gute Idee.", meinte Biggi und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. Dann wandten sie sich wieder der Arbeit zu, schließlich verging die Zeit sehr schnell und sie hatten noch eine Menge zu tun.

Thomas und Michael waren inzwischen bereits im Getummel des Karstädter Weihnachtsmarktes verschwunden. Doch Baum fanden sie keinen. Als sie bei einer Frau, die heiße Kastanien verkaufte, nachfragten, erzählte diese ihnen, dass die Verkäufer bereits gestern den letzten Weihnachtsbaum verkauft hatten. "Na klasse.", stöhnten Michael und Thomas auf. "Was machen wir jetzt?" "Na wie du schon sagst, in den Wald mit uns." "Na gut." Zum Trost kauften sie sich vorher allerdings noch eine Tüte Kastanien, die sie während der Fahrt zum Wald genüsslich verdrückten. "Das tut gut.", meinte Michael und grinste wieder ein wenig. "Im Wald wird wenigstens nichts ausverkauft sein. Oh nein, aber wir brauchen noch ne Axt!", fiel Thomas dann ein. "Die müssen wir von zuhause holen, im Auto hab ich nix nützliches." Also bogen sie in die Straße Richtung Villa ein und kamen nach zehn Minuten dort an. Als sie an der Tür klingelten, schloss Biggi ihnen mit einem freudig-erwartungsvollen Blick auf. "Da seid ihr ja! Habt ihr einen schönen Baum gefunden?" "Äh, naja, fast.", entgegnete Thomas verlegen. "Wir müssen ihn erst noch schlagen...", fügte Michael hinzu. "Ach so ist das. Und wie ich sehe, habt ihr euch wohl schon am Weihnachtsmarkt vergnügt, ich rieche noch die Kastanien aus der Tüte in deiner Tasche.", meinte Biggi ein wenig vorwurfsvoll, aber grinsend. "Soll ich dir einen warmen Kastanien Kuss geben?", fragte Thomas dann. "Mal sehen, ob ich mich so schnell versöhnen lasse." "Aber du musst es mich versuchen lassen.", sagte Thomas bittend. Dann fasste er Biggi um die Hüften, zog sie an sich und küsste sie besonders zärtlich. Die beiden machten Michael nicht den Anschein, in naher Zukunft mit dem Küssen aufzuhören, und so verschwand er inzwischen in die Küche zu Gabi, wo er auch sie über die Pleite aufklärte. "Ich geh jetzt mal schnell runter die Axt holen, die ist im Keller. Mann, duftet das herrlich.", fügte er dann hinzu und steckte seine Nase in eine der Schüsseln mit Keksteig. "Du kannst ja gern mithelfen. Dann können Biggi und Thomas inzwischen den Baum schlagen." "Hm ... ist eigentlich keine schlechte Idee. Aber wie ich die beiden kenne, werden sie wegen all der Romantik im verschneiten Wald wohl nichts anders tun als rumturteln, und wir können den Baum vergessen. Sieh sie dir mal an, stehen da draußen in der Kälte und tun nichts als küssen." Gabi musste grinsen. "Ach, hab Vertrauen zu ihnen. Schließlich ist es ja auch ihr Baum." "Hast Recht. Und ehrlich gesagt hab ich eh keine Lust mehr, da draußen in der Kälte rumzustapfen. Biggi! Thomas!" "Ja?" "Was haltet ihr davon, wenn ihr beide in den Wald geht und den Baum schlagt? Ich würde gern beim Keksebacken helfen!" "Oh, was für eine wunderbare Idee", flüsterte Thomas leise Biggi ins Ohr. "Gerne!", riefen die beiden dann. Schließlich verschwand Thomas im Keller und holte die Axt, während Michael sich am Backofen aufwärmte und heimlich von den heißen Keksen auf dem Küchentisch stibitzte. "Ihr Männer seid wie kleine Kinder.", sagte Gabi dann vorwurfsvoll, als sie es bemerkte, musste aber grinsen.

Thomas und Biggi brachen so schnell wie möglich auf in den Wald. Arm in Arm stapften sie durch den Schnee. Diesmal mussten sie nicht das Auto nehmen, da der Wald direkt hinter der Villa lag. Die Schneeflocken fielen dick und flockig auf sie herab, und die beiden kuschelten sich ganz eng aneinander. "Ist das nicht wunderbar romantisch?", fragte Thomas sie leise. Biggi nickte lächelnd und sah ihn mit einem tiefen Blick an. Dann blieben sie stehen, Thomas ließ die Axt aus der anderen Hand fallen und schloss sie in seine Arme, worauf sie sich innig und immer leidenschaftlicher küssten...

Michael und Gabi hatten währenddessen bereits alle Bleche mit Plätzchen im Ofen und saßen nun in der Küche auf der gemütlichen Eckbank. „Und wie geht es dir eigentlich so?“, fragte Michael irgendwann, denn es war schon einige Zeit her, dass er und Gabi sich zusammen unterhalten hatten, zumindest außer dem täglichen „Guten Morgen“ und „Schönen Feierabend“ auf der Basis. Gabi sah ihn an und versuchte sich zu einem lächeln zu zwingen. „Bei mir ist alles ok.“, meinte sie dann und versuchte überzeugt zu merken. Michael bemerkte den merkwürdigen Unterton in ihrer Stimmer. „Du und Ralf, ihr seid ja auch echt ein Traumpaar.“, meinte er dann. Gabi nickte nur. Sie wollte einfach nicht mehr an die Sache mit dem Baby denken, doch es ließ sich einfach nicht aus ihren Gedanken verdrängen, so sehr sie sich auch bemühte. Michael war ihr Verhalten natürlich nicht entgangen. „Ist wirklich alles in Ordnung.“ „Ja doch.“ „Na dann….“ „Oh, ich glaube die Kekse müssen jetzt aus dem Ofen.“, lenkte Gabi daraufhin schnell vom Thema ab. So machten sie und Michael sich daran, die Bleche aus dem Ofen zu holen und die Kekse dann zum Abkühlen auf dem Küchentisch auszubreiten.

Biggi und Thomas lagen währenddessen im Schnee und küssten sich. Sie waren bereits von oben bis unten voll mit Schnee, was sie jedoch nicht im Geringsten störte. Sie wälzten sich glücklich im Schnee hin und her und immer neue, dicke Schneeflocken fielen auf sie herab. „Ich glaube dieses Jahr wird Weihnachten so schön wie noch nie.“, meinte Thomas irgendwann. Biggi konnte ihm nur zustimmen. „Jaaa, wunderschön.“ Wieder küssten sie sich überglücklich und sahen sich verliebt in die Augen. „Komm, die anderen wundern sich sicherlich schon, wo wir so lange bleiben.“, sagte Thomas dann irgendwann jedoch, denn es war bereits eine ganze Stunde vergangen und er und Biggi waren gerade mal bis zum Waldrand, wenige hundert Meter vom Haus entfernt gekommen. „Na gut, du hast ja Recht. Jetzt suchen wir uns den schönsten Baum aus.“, antwortete Biggi und ließ sich von Thomas hochziehen. Arm in Arm stapften sie im tiefen Schnee durch die verschneite Waldlandschaft. Es war außer ihnen kein Mensch unterwegs und sie hinterließen die ersten Fußspuren im Neuschnee. Sie kamen immer tiefer in den verschneiten Wald. „Hey, der gefällt mir.“, meinte Biggi plötzlich und blieb vor einer etwa zwei Meter hohen Tanne stehen. „Du hast Recht, der ist genau passend für uns.“, stimmte Thomas ihr zu und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. „Ok, dann…“, Biggi stockte. „Was ist denn?“, fragte Thomas und sah sie verwundert an. „Thomas, wo ist denn eigentlich die Axt?“ Nun fiel es auch Thomas auf. Sie mussten die Axt im Schnee am Waldrand liegen lassen haben. Sie sahen sich an und mussten dann beide anfangen zu lachen. "Wo bist du nur immer mit deinen Gedanken?", fragte Biggi ihn dann. "Tja, da frag noch lange ...", sagte Thomas und schüttelte den Kopf. Dann meinte er: "Soll ich's dir sagen?" "Hmm ... ja, bitte, ich hab überhaupt keine Ahnung." "Na warte...", knurrte Thomas, dann stürzte er sich auf sie, und gemeinsam fielen sie wieder in den Schnee. Dann umfasste Thomas zärtlich Biggis Kopf und küsste sie leidenschaftlich. Sie wollten gar nicht mehr aufhören. "Ich liebe dich so ...", flüsterte Thomas leise, worauf er sie sofort wieder stürmisch küsste. Durch ihr Erwidern war eine Entgegnung Biggis gar nicht nötig - wusste er doch, dass sie ihn genauso unendlich liebte. Sie lagen so lange im Schnee, dass sich die Schneedecke um sie herum bereits um einige Zentimeter erhöhte. Irgendwann mussten sie schließlich einsehen, dass heute ein wichtiger Tag war und nicht nur sie selbst auf einen Weihnachtsbaum angewiesen waren - leider. So standen sie also langsam und schwerfällig auf, allerdings nicht, bevor sie sich noch einmal küssten. "Komm, dann holen wir eben schnell die Axt.", forderte Biggi ihn dann auf, worauf sie sich aneinandergekuschelt auf den Weg zurück machten. Der Schnee allerdings machte ihnen zu schaffen. Sie hatten so viel Zeit mit küssen verbracht, dass die Axt bereits längst zugeschneit worden war. Doch zum Glück konnte man unübersehbar die Wölbung im Schnee erkennen, in der sie zuvor ebenfalls küssend gelegen hatten. Nicht weit davon steckte auch die Axt im Schnee. Thomas packte sie gekonnt wie ein Holfäller seinerzeit auf die Schulter, worauf Biggi schmunzeln musste. "Ihr Männer müsst doch wirklich immer irgendwie angeben." "Was bitte? Ich hab überhaupt nicht angegeben. Aber wenn du sie lieber tragen willst, bitte. Sie ist sehr schwer. Da sollte lieber ein Muskelpaket wie ich seine Kräfte austragen." Biggi begann zu lachen. Thomas wurde rot. "Na gut, das war jetzt ein wenig angegeben. Aber die Wahrheit." "Jaaa, klar.", nickte Biggi bekräftigend. "Dem Gott sei Dank, dass du auch richtig oft ein süßer Kuschelbär sein kannst...", meinte sie darauf lächelnd. "Nicht so süß wie du.", konterte Thomas und drückte sie an sich.

Langsam mussten sie sich beeilen, um nicht auch noch in die Dämmerung zu geraten, die schon bald einsetzen würde. Schließlich hatten sie auch noch eine ganze Menge vor. Bald waren sie wieder bei der Tanne angekommen, die sie sich zuvor ausgesucht hatten. "Du bleibst am besten hier stehen.", sagte Thomas zu Biggi, als sie noch ein ganzes Stück von dem Baum entfernt waren. Er wollte schließlich nicht, dass ihr etwas passierte. Dann schritt er zum Baumstamm und bewies endgültig seine Holzfällerqualitäten. Profimäßig schnitt er den Baum unten am Stamm ein, worauf er ihn befestigte und schließlich mit einem gekonnten Einschlag abhackte. Die Tanne fiel weich wie eine Wolke in den Schnee. Biggi applaudierte ihm begeistert. "Ich bewundere dich, Meister." "Danke danke ... ich hab allerdings auch meine Preisanforderungen. Denkt Ihr, ich mache das umsonst, Eure Hoheit?" "Niemals! Lasst mich Euch den Preis zukommen lassen." Daraufhin brachen sie beide in Lachen aus, Biggi stürmte in Thomas’ Arme, worauf sie ihm einen wohlverdienten, zärtlichen Kuss verpasste. "So, nun aber schnell. Sonst lassen uns die beiden gar nicht mehr rein." "Na und wenn schon. Ich hab den Baum, und ich hab dich. Was will man mehr?", antwortete Thomas darauf. "Wir bauen uns eine Höhle aus dem Schnee und feiern dann dort gemeinsam. Mit dem Baum." "Ach wär das schön...", seufzte Biggi. Doch nun hatten sie schließlich ein Fest mit allen Freunden geplant. Bestimmt würde das auch wunderschön werden.

Max, Peter und Ralf hatten den Aufenthaltsraum währenddessen bereits fertig hergerichtet und warteten ungeduldig auf die anderen. Sie hatten es sich auf Sofa gesetzt und beobachteten nun durchs Fenster die vielen Schneeflocken, die vom Himmel fielen. „Wo bleiben die anderen denn, wir wollten uns doch alle hier treffen, bevor Vera, Margarethe und die anderen kommen oder habe ich da was falsch verstanden?“, fragte Ralf ungeduldig. Max und Peter zuckten mit den Schultern. „Eigentlich schon… wir können ja mal anrufen und fragen, wo sie bleiben.“, schlug Peter dann vor. Die anderen waren einverstanden und so ging Peter zum Telefon und wählte die Nummer von Michael, Thomas und Biggi. „Lüdwitz?“, meldete sich Michael wenige Sekunden am anderen Ende. „Hallo Michael…“ „Ach du bist es Peter.“ „Wir wollten nur mal nachfragen, wo ihr bleibt, Ralf, Max und ich warten schon und in spätestens einer Stunde werden Vera, Margarethe, Lisa, Laura und Gabrieles Mutter hier sein.“ „Das solltest du besser Thomas und Biggi fragen…“, erwiderte Michael. „Aber wieso, ich dachte du und Thomas ihr wolltet den Tannenbaum besorgen und Biggi und Gabi sollten sich doch um das Essen kümmern, oder?“, fragte Peter verwirrt. „Wo sind Thomas und Biggi denn?“ „Nun ja, es kam zu einem kurzfristigen Rollentausch und die beiden sind jetzt im Wald und holen den Baum, während ich hier mit Gabi in der Villa bin. Das Essen haben wir schon fertig und wir warten nur noch auf Biggi und Thomas.“, erklärte Michael. „Ah verstehe. Dann hoffen wir mal, dass die beiden bald zurückkommen. Bis nachher.“ „Ja, bis nachher, tschüss.“

„Und?“, wollte Ralf dann von Peter wissen. „Biggi und Thomas sind zusammen in den Wald gegangen um den Baum zu holen und sie sind noch nicht zurück. Gabi und Michael warten jetzt in der Villa auf die beiden und dann kommen sie alle gemeinsam her.“ „Oh, na da können wir wohl nicht so schnell mit ihnen rechnen.“, befürchtete Max. „Wieso?“, wollte Peter wissen. „Na ja, wenn ich mir so vorstelle, wie Thomas und Biggi im verschneiten Wald spazieren gehen… Du kennst die beiden doch, da haben sie alles andere im Kopf, nur nicht unseren Baum.“, meinte Max grinsend. Ralf nickte ebenfalls in böser Vorahnung. „na ja, da können wir nur hoffen, dass wir heute überhaupt noch einen Baum bekommen.

Michael und Gabi hatten sich inzwischen schon umgezogen und waren startbereit. Nun saßen sie beide am Küchentisch und sahen aus dem Fenster, von welchem man einen Blick in den Wald hatte. „Hab ich ja gleich gesagt, es war keine gute Idee, die beiden in den Wald zuschicken. Ich kann mir genau vorstellen, was sie gerade machen…“, meinte Michael ungeduldig. „Ach, sie werden gleich kommen, da bin ich mir sicher.“, versuchte Gabi ihn zu beruhigen. „Und wenn nicht, dann kommen wir halt ein wenig später. Ralf, Peter und Max sind ja auf der Basis und können sich um die Gäste kümmern.“

Thomas und Biggi waren währenddessen schwer damit beschäftigt die Tanne zur Villa zu bekommen. Sie waren ganz schön tief in den Wald gekommen und es war ein ziemlich weiter Weg, weiter als sie gedacht hatten. „Ich hätte nie gedacht, dass so ein Baum so schwer ist.“, beklagte sich Biggi. „Komm, wir haben es gleich geschafft.“, erwiderte Thomas, denn sie hatten den Waldrand bereits erreicht. „Aber eigentlich hast du ja recht, wir haben uns eine kleine Pause verdient.“, setzte er dann hinzu und so legten sie die Tanne vorsichtig ab. „Puh, das ist echt anstrengend.“, meinte Biggi. Thomas nahm sie darauf liebevoll in den Arm und zog sie ganz nah an sich. „Dafür haben wir dann den allerschönsten Baum überhaupt, alleine schon deshalb, weil du ihn ausgesucht hast.“ Biggi lächelte, neigte ihr Gesicht an das seine und begann ihn dann zu küssen. Aus der kleinen Pause würde dann doch eine etwas längere Pause. Sie hatten sich Arm in Arm auf einen Stapel Baumstämme am Wegrand sinken lassen und küssten sich. Am liebsten wären sie dort ewig sitzen geblieben, doch irgendwann fiel Thomas’ Blick erschrocken auf die Uhr. „Oh, Margarethe und Vera mit den Kindern und Gabis Mutter…. Sie sollten in einer Viertelstunde auf der Basis sein. Und wir haben den Baum noch nicht mal zuhause.“ Auch Biggi erschrak. Sie mussten sich nun wirklich beeilen. Nachdem sie Thomas noch einen letzten Kuss auf den Mund gedrückt hatte, standen sie auf und machten sich wieder an die Arbeit.

Tatsächlich hatten sie nach zehn Minuten die Villa erreicht und kamen auf die Haustür zu. Michael und Gabi, die die beiden schon aus dem Küchenfenster beobachtet hatten, kamen bereits aus der Tür. „Na, endlich, wir dachten schon, wir müssen ohne euch feiern.“, meinte Michael. „Dafür haben wir die schönste Tanne des ganzen Waldes mitgebracht.“, entgegnete Biggi und deutete auf den Baum. Thomas nickte stolz und lächelte dabei Biggi an. „Gut, dann geht ihr euch am besten schnell umziehen, während Gabi und ich die Tanne versuchen ins Auto zu bekommen.“, schlug Michael vor und schob Thomas und Biggi ins Haus.

Die beiden verschwanden schnell in ihr Schlafzimmer, wo sie sich umzogen. Biggi stand vor dem Kleiderschrank. „Ich weiß gar nicht, was ich anziehen soll.“, meinte sie nachdenklich. Thomas trat hinter sie, legte seine Arme um sie und sah ihr über die Schulter. „Was hältst du denn davon?“, fragte er dann und zeigte auf einen Rock und ein Oberteil. Genau diese Sachen hatte Biggi an dem Abend getragen, an dem sie zusammengekommen waren. Biggi grinste, als sie sah, welche Sachen Thomas gewählt hatte. Auch sie erinnerte sich an den Abend vor ein paar Monaten. Wie hätte sie diesen Abend auch jemals vergessen können? „Gute Wahl, mein Schatz.“, sagte sie dann lächelnd und gab ihm einen Kuss.

Michael und Gabi hatten währenddessen Mühe die Tanne zu verstauen. Schließlich schafften es die beiden jedoch den Baum in Michaels Jeep zu verfrachten. Zwar mussten sie die Rücksitze umklappen und der Kofferraum ging nicht mehr zu, doch mit einigen Sicherheitsseilen konnten sie die Tanne sichern, sodass sie sie zur Basis transportieren konnten. Auch Dirk war inzwischen fertig und nach draußen gekommen. Nur Biggi und Thomas fehlten noch.

Nachdem Biggi und Thomas es dann endlich auch geschafft hatten sich umzuziehen, gingen sie nach unten. „Du siehst bezaubernd aus…“, flüsterte Thomas Biggi dann plötzlich ins Ohr, als sie unten im Flur standen. Biggi drehte sich zu ihm um, legte ihre Arme um seinen Hals und blickte ihm verliebt in die Augen, worauf Thomas begann sie zärtlich zu küssen. Biggi erwiderte es glücklich, nach einer Weile meinte sie dann jedoch betrübt: „Komm, wir sind eh schon spät dran.“ „Leider.“, gab Thomas nicht weniger betrübt zurück. So gingen sie Arm in Arm ins Wohnzimmer und holten ihre Geschenke für die anderen. Biggi packte alles in eine große Tasche  und verschwand, dann schon einmal im Flur, um sich ihre Jacke anzuziehen. Währenddessen ließ Thomas noch unbemerkt ein Päckchen, das er aus einem anderen Schrank holte, in seiner Tasche verschwinden. Es war für Biggi. „Beeil dich Liebling, Michael, Dirk und Gabi warten schon.“, vernahm er dann auch schon ihre Stimme aus dem Flur und eilte zu ihr. „Ich musste nur noch etwas erledigen.“, entschuldigte Thomas sich und grinste Biggi geheimnisvoll an. „Soso…“, meinte sie daraufhin ebenfalls grinsend und verließ dann Arm in Arm mit Thomas das Haus.

„Da seid ihr ja endlich.“, empfing Gabi die beiden erleichtert, denn sie waren schon viel zu spät dran. Michael saß bereits zusammen mit Dirk in seinem Auto und hatte den Motor angelassen. Sie mussten jedoch mit zwei Autos fahren, weil der Baum die Rücksitzbank von Michaels Jeep versperrte. So fuhr Dirk mit seinem Vater mit und Gabi, Thomas und Biggi fuhren zusammen mit Thomas’ Auto hinterher.

Zur gleichen Zeit herrschte Aufregung auf der Basis. Peter, Ralf und Max sahen aus dem Fenster wie ein Auto auf den Parkplatz fuhr und Vera, und Hubert zusammen mit Lisa und Laura ausstiegen. „Oh nein, die sind schon da, und etwas sagen wir ihnen jetzt?“ fragte Ralf. „Wir müssen sie irgendwie hinhalten, bis die anderen mit dem Baum kommen.“, antwortete Peter, doch ihm fiel auch nichts ein, wie sie das schaffen könnten.

Schon stürmten Lisa und Laura in den Aufenthaltsraum. Schnell erkannten sie, dass ihr Vater noch nicht da war. Die beiden warfen Max, Peter und Ralf einen fragenden Blick zu, doch bevor die drei eine Erklärung zustande bringen konnten, waren auch schon Vera und Hubert in den Aufenthaltsraum gekommen. „Fröhliche Weihnachten!“, begrüßten sie die anderen und setzten sich dann zu Peter, Max und Ralf an den Tisch. „Sind die anderen noch gar nicht hier?“, fragte Vera dann. „Nein, es gab einige Probleme mit dem Baum, aber sie werden jeden Moment hier sein.“, erklärte Max schließlich. "Welche Probleme denn? Haben sie wieder mal im allerletzten Moment an den Baum gedacht?" "Du sagst es.", sagte Max. "Sie sind unverbesserlich. Und zudem waren es Biggi und Thomas, die den Baum geschlagen haben. Ich bin ja schon erleichtert, dass sie nicht überhaupt vergessen haben was sie dort im Wald zu tun haben...", fügte er hinzu und grinste. "Also ich hoffe, sie kommen nun bald. Zuhause hätten wir nämlich schon längst mit der Bescherung begonnen. Es muss doch alles seine Ordnung haben. Und so was will ein Rettungsteam sein.", sagte Hubert verärgert. Vera stieß ihn an die Schulter. "Lass das! Es ist Weihnachten, Hubert." Sie fand es ebenso ein wenig belustigend, dass ihr lieber Ex-Gatte mal wieder alles ein wenig in Unordnung gebracht hatte. Hubert hingegen verärgerte sie. Ja, sie liebte ihn, aber er war so verdammt korrekt und penibel, und das in einer ausgeprägtesten Form, die ihr oft auf die Nerven ging, und den Kindern sowieso. Er versuchte, ihnen ein Vater zu sein, indem er sie streng in ihre Schranken verwies und andauernd versuchte, ihre Erziehung zu übernehmen. Von Zuneigung und lieblichen Vatergefühlen hielt er überhaupt nichts. Dies alles hatte sie von Thomas nie gekannt. Er war ein toller Mann, in jeder Hinsicht, und ein wunderbarer Vater. Doch hatte sie eben nicht verwunden, dass er die Familie oft hinter die Fliegerei gestellt hatte. Sie sah vollkommen ein, dass Biggi wohl die perfekte Frau für Thomas war. Und sie war ja auch glücklich mit Hubert, sie empfand nicht das geringste Gefühl von Eifersucht dem verliebten Paar gegenüber, auch wenn es ein wenig seltsam und gewöhnungsbedürftig war, wie Thomas andauernd eine andere Frau küsste und zärtlich berührte.

Doch ehe sie lange über all das nachdenken konnte, fegte auch schon der Sturm des restlichen Teams herein. Michael, Thomas, Biggi, Gabi und Dirk schüttelten sich im Vorraum vom Schnee ab und riefen dann im Chor "Frohe Weihnachten!" in den Aufenthaltsraum. Lisa und Laura stürmten in die Arme ihres Vaters, und auch Ralf kam stürmisch auf Gabi zu, umarmte sie innig und küsste sie. "Ich hab dich vermisst...", sagte er leise und strahlte sie an. Bei seinem Anblick musste Gabi einfach zurückstrahlen. Sie liebte ihn so sehr, und oft passierte es ihr, dass sie beim Blick in seine Augen alles, wirklich alles um sich herum vergessen konnte. Als er ihre glücklichen Augen sah, nahm er sie sogleich noch mal in die Arme. Dann schritten sie eng aneinandergekuschelt zum Sofa und setzten sich hin. "So, ich hoffe ihr habt alle gute Laune - denn wir haben auch genug mitgebracht.", rief Michael in die große Runde. Dann meinte er: "Peter, Max, könntet ihr mir helfen den Baum aus dem Auto zu holen?" Die beiden kamen sofort mit ihm mit, schließlich wollten sie an diesem Abend auch noch ein Weihnachten erleben. Die Kinder holten inzwischen den Schmuck aus den Schachteln und begannen bereits aufgeregt über ihre Geschenke zu diskutieren. Vera hörte ihnen schmunzelnd zu. Erleichtert bemerkte sie, dass sie alle bis jetzt erwähnten Geschenke gekauft und liebevoll eingepackt hatte.

Inzwischen trugen Michael, Peter und Max den zwei Meter hohen Baum in den Aufenthaltsraum. "Ihr seid so verrückt - ich bin ja mal gespannt ob wir da noch eine anständige Spitze drauf bekommen." "Aber bestimmt, Max. Sie ist vielleicht ein wenig groß, aber die schönste Tanne der Welt.", rief Thomas belustigt vom Sofa herüber, während er Biggi, die sich an ihn gekuschelt hatte, zärtlich im Nacken küsste und nebenbei beobachtete, wie Max, Michael und Peter mit dem Baum einen Gegenstand nach dem anderen von den Tischen streiften. "Meinst du nicht, sie ist wirklich ein wenig zu groß?", fragte Biggi ihn. "Ach nein ... ein Weihnachtsbaum kann nie groß genug sein. Hätten wir vielleicht einen kleineren nehmen sollen, der dafür hässlich ist? So was kann ich doch nicht neben dir ansehen. Er muss zu dir passen, denn du bist auch wunderschön.", sagte Thomas trotzig. Biggi musste lächeln. Dann legte sie zärtlich ihre Hand um seinen Hals und begann, ihn zu küssen. Thomas erwiderte es leidenschaftlich, und ehe sie sich versahen, nahmen sie die Umwelt um sich gar nicht mehr wahr, und ließen sich ganz aufs Sofa sinken, wo sie sich stürmisch weiter küssten. Schließlich wurden alle anderen auf sie aufmerksam. "Aber hallo! Ihr habt vielleicht vergessen, dass noch Kinder im Raum sind!", holte Michael sie lautstark wieder auf den Boden zurück. Die beiden erschraken, und liefen rot an wie Tomaten. "Oh ... das ist uns jetzt aber peinlich.", stammelte Thomas verlegen, worauf die anderen in Lachen ausfielen - alle, bis auf Hubert. Wenn der nicht noch die Stimmung verderben würde an diesem Abend ... Doch daran dachte jetzt keiner. Sie waren alle viel zu fröhlich, um irgendwie zu bemerken, dass es unter ihnen ein schwarzes Schaf gab.

Wenig später hatten Lisa und Laura den ganzen Weihnachtsbaum von oben bis unten mit bunten Kugeln und Lametta geschmückt. Nur bei den oberen Zweigen mussten Thomas und Peter ihnen helfen. Gabi und Biggi waren währenddessen aufgestanden und waren nun damit beschäftigt in der kleinen Küche das Buffet herzurichten. Sie hatten so viel Essen vorbereitet, dass es ihnen daran sicherlich nicht mangeln würde. Alleine von den vielen Weihnachtsplätzchen, deren Duft durch den ganzen Aufenthaltsraum zog, hätte man alle satt bekommen können.

Michael saß auf dem Sofa und unterhielt sich gerade mit Vera und Hubert, wobei Hubert fast die ganze Zeit schwieg und Lisa und Laura missbilligend beobachtete, wie sie anscheinend viel Spaß dabei hatten, mit ihrem Vater zusammen den Weihnachtsbaum zu schmücken. Er selbst konnte Thomas nicht leiden. Neben der Tatsache, dass Veras Ex-Mann seiner Meinung nach ein riesiger Chaot war,  verärgerte es ihn, dass Lisa und Laura ihren Vater über alles liebten und ihn selbst nicht akzeptierten. Wie auch? Hubert versuchte schließlich immer nur sie mit strengen Regeln zu Ordnung zu rufen und sie zu seiner Meinung nach wohl erzogenen Mädchen zu machen.

Nach einer Weile konnte Michael durch das Fenster erkennen, dass ein Taxi vor der Basis vorfuhr und eine Person ausstieg. Wer es war, sah er allerdings nicht, da es bereits dunkel war. „Ich glaube langsam werden wir vollzählig.“, meinte er und stand dann auf um zur Tür zu gehen. Er rechnete fest damit, dass es Margarethe war, seine Ex-Frau und Dirks Mutter. Doch als er an der Tür stand und die Frau, die soeben den Taxifahrer bezahlt hatte, auf ihn zu kam, erkannte er, dass es nicht wie erwartet seine Ex-Frau war, sondern Angela Kollmann. Er wunderte sich ein wenig. Hatten Ralf und Gabi sie nicht von zuhause abholen wollen? Allerdings blieb ihm keine weitere Zeit darüber nachzudenken, denn Angela begrüßte ihn schon mit einem „Frohe Weihnachten“. „Frohe Weihnachten, schön, dass Sie gekommen sind.“, erwiderte Michael und führte sie nach drinnen.

Nachdem Angela in dem kleinen Vorraum ihren Mantel abgelegt hatte, kam sie in den Aufenthaltsraum. Der erste, den sie dort erblickte, war Ralf, der zusammen mit Peter am Tisch saß. Alle Blicke richteten sich auf Angela. „Guten Abend, ich bin Angela Kollmann, die Mutter von Gabriele.“, stellte sie sich vor und ging dann zu jedem einzelnen und gab ihm die Hand. Nur Gabi und Biggi hatten von Angelas Ankunft noch nichts mitbekommen, da sie noch immer in der Küche beschäftigt waren. Thomas stand auf und ging zu den beiden in die Küche. „Gabi, deine Mutter ist da.“, erzählte er. Gabi sah ihn überrascht an. „Mein Mutter?“ Gabi hatte nicht damit gerechnet, dass Angela sich wirklich dazu durchringen würde auf der Basis mit zufeiern, nicht nach dem letzten Telefongespräch. Doch sie freute sich umso mehr, vielleicht war das ja schon mal ein Anfang, dass ihre Mutter ihre Kollegen besser kennen lernte.

Gabi ging sofort in den Aufenthaltsraum. Als Angela sie sah, kam sie auf sie zu und die beiden umarmten sich. „Frohe Weihnachten, Püppi“, sagte Angela fröhlich. „Frohe Weinachten, Mutter. Aber du hättest doch was sagen könne, Ralf und ich hätten dich auch abgeholt.“, meinte Gabi. „Ach, das ist schon ok, mit dem Taxi bin ich ja gut hergekommen.“, entgegnete Angela lächelnd. Gabi war wirklich erstaunt über die plötzliche Sinneswandlung ihrer Mutter, doch sie war total glücklich darüber. Vielleicht würde Angela ja wirklich langsam akzeptieren, dass sie mit Ralf zusammen war und ihr eigenes Leben führen wollte. Wie sehr wünschte Gabi sich das, das sie und ihre Mutter endlich wieder normal miteinander reden können würden, genau wie früher.

Thomas war inzwischen hinter Biggi getreten und umarmte sie von hinten. „Das sieht aber lecker aus.“,  meinte er dann und sah auf das Essen. „Finger weg.“, ermahnte Biggi ihn, als er nach einem Keks greifen wollte. „Och, sei nicht so hart, nur einmal vorkosten….“, bettelte Thomas, doch Biggi blieb hart. „Nein, erst nachher.“, antwortete sie grinsend und stellte sich vor die Schüsseln mit den Plätzchen. „Na gut, dann gibt es eben als Vorspeise…dich.“, antwortete Thomas ebenfalls grinsend, während er Biggi zärtlich in die Arme schloss und begann sie zu küssen. Biggi erwiderte es glücklich und meinte dann nach einer Weile lächelnd: „Hm, daran könnte ich mich gewöhnen, vielleicht sollte ich mir überlegen, gar nicht mehr zu kochen.“ „Na warte, du!“, meinte Thomas lachend. Er hob Biggi hoch und setzte sie auf die Küchenanrichte. „Und was nun?“, fragte Biggi grinsend. „Nun lass ich dich nicht mehr runter.“, antwortete Thomas und begann Biggi dann zu kitzeln. „Oh, das ist fies…“, meinte sie lachend und ließ sich dann in seine Arme sinken. Thomas legte seine Arme ganz fest um sie und zog sie ganz nah an sich, worauf sie sich zärtlich küssten.

Nachdem Angela sich allen vorgestellt hatte, hatte sie sich an den Tisch gesetzt, wo auch Ralf und Peter saßen. Auch Gabi hatte sich dazugesellt und nun unterhielten sie sich. Ganz entgegen Gabis Erwartungen verstand sich Angela sehr gut mit den anderen, zumindest versuchte sie sich anzupassen. Und gegenüber Ralf verhielt sie sich auch ausgesprochen freundlich. Gabriele mochte es gar nicht glauben. Selbst als sie sich auf Ralfs Schoss setzte und er sie liebevoll in die Arme nahm, blieb ihre Mutter ganz ruhig, als ob das etwas ganz normales für sie wäre.

Wenig später traf auch Margarethe auf der Basis ein. Sie arbeitete immer noch als Ärztin in einem Krankenhaus und hatte zuvor noch Schichtdienst gehabt. Daher kam sie etwas später. „Schön, dich zu sehen.“, begrüßte Michael seine Ex-Frau, die er seit ein paar Wochen schon nicht mehr gesehen hatte. „Hallo Michael.“, erwiderte sie daraufhin und begrüßte dann auch die anderen. „Mama!“, rief Dirk sofort, als er sie sah, und rannte ihr in die Arme. „Hey mein Großer.“, meinte Margarethe und schloss ihn in die Arme. Michael lächelte, er wusste, dass Dirk seine Mutter oft vermisste. Doch er wusste auch, dass eine Scheidung immer auf die Kosten der Kinder ging. Das war nun mal nicht zu vermeiden. Für Lisa und Laura war es schließlich das gleiche. Sie würden niemals jemand anderen akzeptieren als Thomas und schon gar nicht Hubert.

Nachdem sich Margarethe zu Vera aufs Sofa gesetzt hatte, wollte Michael dann das Buffet eröffnen. Als er gerade beginnen wollte, bemerkte er jedoch, dass Thomas und Biggi fehlten. „Hast du Thomas und Biggi gesehen?“, fragte er Peter. Der schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, wo die schon wieder sind….“ „Schau mal in der Küche nach…“, meinte Gabi, die Michaels Frage ebenfalls mitbekommen hatte, weil sie neben Peter saß, grinsend. Michael verstand und öffnete dann langsam die Tür zur Küche. Wie erwartet fand er Thomas und Biggi dort vor. Die beiden standen eng umschlungen in der hintersten Ecke der Küche und waren in innige Küsse versunken. Durch ein lautes Räuspern machte Michael auf sich aufmerksam. Erschrocken fuhren Thomas und Biggi auseinander. Sie hatten schon mit Lisa, Laura oder Dirk gerechnet, und waren erleichtert, als sie sahen, dass es nur Michael war, der in der Tür stand. So schloss Thomas Biggi wieder in die Arme und sie schmiegte sich wieder an ihn. „Was gibt es denn?“, fragte sie ihn dabei. „Na ja, ich wollte eigentlich das Buffet jetzt eröffnen.“, erklärte Michael ihnen. „Oh, ähm…ja…dann sollten wir wohl jetzt besser auch in den Aufenthaltsraum kommen, oder?“, meinte Thomas ein wenig verlegen. Michael nickte und so folgten Thomas und Biggi ihm in den Aufenthaltsraum und setzten sich zu den anderen.

Michael stand auf und alle Blicke richteten sich auf ihn. „Nun ja, ich freue mich, dass ihr alle gekommen seid und wir hier alle gemeinsam das Weihnachtsfest verbringen können. Aber es gibt zwei Dinge, die ich überhaupt nicht leiden kann und das sind lange Reden und kaltes Essen. Also hiermit ist das Buffet eröffnet.“ Alle klatschten und begaben sich dann nacheinander zum Buffet in die Küche. Nachdem jeder etwas auf dem Teller hatte, setzten sie sich dann alle an den großen Tisch und aßen. Gabi saß gegenüber von Ralf und sah ihn die ganze Zeit an. Sie war immer noch sehr am zweifeln, ob sie ihm heute Abend wirklich sagen sollte, dass sie schwanger war. Was war, wenn er überhaupt keine Kinder wollte? Sie hatten zumindest noch nie über das Thema Kinder gesprochen. Die Zweifel wuchsen immer mehr, doch andererseits wusste Gabi, dass sie es ihm unmöglich länger verheimlichen konnte.

Nach dem Essen sollte dann endlich die Bescherung beginnen. Lisa, Laura und Dirk waren schon total aufgeregt und konnten es gar nicht mehr abwarten. Dirk stürzte sich sofort auf das große Paket, das er von seiner Mutter bekommen hatte. Nach wenigen Sekunden zauberte er eine neue Stereoanlage hervor. So eine hatte er sich schon lange gewünscht. „Danke Mama.“, meinte er glücklich und umarmte sie. Dann machte er sich daran, das Päckchen zu öffnen, das er von seinem Vater bekommen hatte. Lisa und Laura waren ebenfalls dabei ihre Geschenke zu öffnen. Biggi und Thomas beobachteten vom Sofa aus gespannt die Reaktion, auf die Geschenke, die sieden beiden geschenkt hatten, ein Puppenhaus mit Einrichtung für Laura und ein neuer Rucksack und eine CD für Lisa. Die beiden Mädchen freuten sich total und kamen glücklich auf Thomas und Biggi zu. Dann fielen sie ihnen um den Hals und bedankten sich, was Hubert argwöhnisch beobachtete. Das Buch über griechische Geschichte, das er ihnen geschenkt hatte, hatten Lisa und Laura unbeachtet an den Rand gelegt.

Thomas und Biggi freuten sich total darüber, dass sie Lisa und Laura so eine große Freude gemacht hatten und beobachteten lächelnd, wie die beiden, genau wie Dirk, die restlichen Geschenke auspackten. „Sie sind wirklich niedlich.“, sagte Biggi lächelnd zu Thomas. Er nickte. „Ja, und ich glaube sie haben dich richtig gern.“, meinte er. „Meinst du wirklich?“, fragte Biggi überrascht. Thomas nickte überzeugt. „Das merkt man doch sofort. Vielleicht haben die beiden das ja von mir.“, antwortete er lächelnd. Biggi lächelte zurück und blickte ihm verliebt in die Augen. „Ich hab da eine Idee…“, meinte sie dann leise. Thomas sah sie fragend an, doch Biggi nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her aus dem Aufenthaltsraum raus. Die anderen waren so mit dem Geschenk-Auspacken beschäftigt oder. so in ihre Unterhaltungen vertieft, dass sie das heimliche Verschwinden der beiden überhaupt nicht mitbekamen.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Thomas Biggi als sie sich ihre Jacken angezogen hatten und vor der Basis standen. „Jetzt….“, begann Biggi und lächelte geheimnisvoll, „Jetzt wird Weihnachten erst richtig schön.“ Thomas legte seine Arme um sie, zog sie an sich und küsste sie zärtlich. Dann zog Biggi ihn hinter sich her. Ihr Weg führt einmal halb um die Basis herum, bis zum Hintereingangs des Hangars. Durch die Hintertür betraten sie den Hangar, wo die BK auf der Plattform stand. „Was für eine wunderbare Idee.“, meinte Thomas begeistert, der ahnte, was Biggi vorhatte. Biggi nickte und lächelte ihn verliebt an. Dann öffnete sie die Schiebetür des Helicopters. Thomas stieg in den Heli, reichte ihr die Hände und zog sie dann zu sich. Biggi ließ sich in seine Arme sinken und stupste ihn dann nach hinten, sodass er auf der Trage landete und Biggi auf ihm lag. Thomas umfasste ihren Hals und zog sie dann so nah zu sich, bis sich ihre Lippen berührten und in einem zärtlichen Kuss verschmolzen.

Zur selben Zeit verließen auch Gabi und Ralf gemeinsam den Aufenthaltsraum um kurz frische Luft zuschnappen. Es schneite und die dicken, weißen Flocken fielen auf die beiden herab. Die gingen Arm in Arm um das Basiegebäude herum. Hinter dem Hangar blieb Gabi plötzlich stehen und hielt Ralf am Ärmel fest. Er blieb ebenfalls stehen und blickte sie überrascht an. „Was ist denn?“ Gabi blickte ihm in die Augen und schwieg einen Moment lang. „Ralf, ich muss dir etwas sagen.“, begann sie dann stockend. Ralf rechnete mit dem Schlimmsten. Gabriele hörte sich so traurig an. Was war nur los? Es hatte doch hoffentlich nichts mit ihm zu tun? „Ist…ist irgendwas passiert?“, fragte er vorsichtig. Gabi wusste nicht, wie sie es ihm sagen sollte. Sie suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. „Ralf, ich bin im dritten Monat schwanger.“, sagte sie dann jedoch gefasst und ohne zu zögern. Sie beobachtete ihn dabei genau und wartete auf seine Reaktion. Ralf war zunächst einmal sprachlos. Damit hatte er nun überhaupt nicht gerechnet, das musste er erst einmal verdauen. Gabi hielt es schließlich nicht mehr länger aus ihm in die Augen zu sehen und sah auf den Boden. Ob es doch ein Fehler gewesen war, es ihm zu sagen? Schließlich fand Ralf seine Sprache wieder. „Aber das ist ja wunderbar.“, rief er glücklich und schloss Gabi in die Arme. Sie nickte nur stumm. Wenigstens freute er sich über das Kind. Außerdem war es jetzt endlich raus und sie musste es nicht mehr vor Ralf verheimlichen. Nur gab es da ja leider noch eine andere Sache, die sie vor ihm verheimlichen musste: Die Nacht mit Rene. Gabi schloss die Augen und ließ sich einfach nur von Ralf festhalten. „Ich bin so glücklich…“, flüsterte er ihr ins Ohr und küsste sie dann. „Ich auch.“, gab Gabi zurück. Sie versuchte den Gedanken an Rene zu verdrängen und nur daran zu denken, dass sie und Ralf zusammen mit dem Baby eine richtige Familie werden würden.

Thomas und Biggi hatten es sich auf der Trage im Helicopter gemütlich gemacht. Sie hatten sich ganz dicht nebeneinander gekuschelt und warfen sich ständig verliebte Blicke zu oder küssten sich. „Ich hab noch eine kleine Überraschung für dich.“, fiel Biggi nach einer Weile ein. Thomas sah sie erwartungsvoll an und im nächsten Moment hatte Biggi auch schon ein kleines, in rotem Geschenkpapier verpacktes Päcken aus ihrer Tasche gezogen. „Für mich?“, fragte Thomas lächelnd. Biggi nickte heftig und wies ihn dann an, es zu öffnen. Thomas öffnete das Päckchen ganz vorsichtig, wobei er Biggi immer wieder verliebte Blicke zuwarf. Schließlich zog er die Kette mit dem kleinen Helicopter Anhänger hervor, die Biggi für ihn ausgesucht hatte. „Die andere Hälfte davon habe ich.“, meinte Biggi lächelnd, während Thomas sie sprachlos ansah. „Sie ist wunderschön.“, sagte er dann strahlend und zog Biggi ganz nah zu sich, worauf sie sich innig küssten. „Ich habe noch nie so ein schönes Geschenk bekommen.“, meinte Thomas danach und schloss Biggi noch fester in die Arme. Sie freute sich unheimlich, dass Thomas ihr Geschenk gefiel. „Ich habe da auch noch etwas Kleines für dich….“, sagte er dann geheimnisvoll und gab Biggi ebenfalls ein kleines Päckchen in die Hand. „Danke“, sie strahlte ihn an. „Na los, mach es auf.“ Biggi öffnete es und zog dann eine kleine Schachtel hervor, die den Aufdruck eines Juwelierladens trug. Als sie diese ebenfalls öffnete, kam ein wunderschöner Ring zum Vorscheinen. Biggi nahm ihn heraus und entdeckte, dass in dem Ring ihrer und Thomas’ Name eingraviert waren, sowie das Datum, an dem sie zusammengekommen waren. „Oh Thomas…“, Biggi war total gerührt. „Ist das...so was wie ein Verlobungsring?“ Thomas strahlte sie an und nickte dann, worauf Biggi ihm um den Hals fiel und sie sich stürmisch küssten. „Du machst mich zum glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt.“, flüsterte Biggi ihm ins Ohr. „Und du mich erst…“, antwortete Thomas darauf und wieder küssten sie sich.

Nachdem Ralf und Gabi sich eine ganze Zeit lang umarmt und geküsst hatten, gingen sie weiter um die Basis herum, bis sie wieder am Eingang waren. Dor nahm Ralf Gabi nochmals ganz fest in die Arme. „Wollen wir es den anderen erzählen?“, fragte er sie dann. „Wenn du es möchtest….“, antwortete sie. Sie selbst hätte die Tatsache, dass sie schwanger lieber noch verheimlicht, doch sie wusste auch, dass die anderen es sowieso bald merken würden. „Okay. Dann sagen wir es ihnen. Ich freu mich so wahnsinnig.“, meinte Ralf daraufhin. ‚Biggi hatte doch recht gehabt.’, dachte Gabi sich. Sie hatte Ralf zum glücklichsten Menschen gemacht. Wenn es da nur nicht diesen Harken geben würde. Den Harken, dass die Schwangerschaft alleine noch nicht die ganze Wahrheit war. „Ralf… ich liebe dich und egal, was passiert, ich werde dich immer lieben…“, sagte Gabi dann plötzlich. Ralf sah sie ein wenig komisch an. Er hatte das Gefühl, dass Gabi ihm irgendwas zu sagen hatte. „Ich liebe dich auch.“, sagte er dann jedoch und küsste sie zärtlich. Dann gingen sie zusammen wieder in den Aufenthaltsraum. Dort spielten Lisa, Laura und Dirk auf dem Boden unter dem Weihnachtsbaum mit den Geschenken, während Vera, Hubert, Michael und Max in der Sofaecke saßen und sich unterhielten. Gabis Muter, Michaels Ex-Frau und Peter saßen am Tisch und waren ebenfalls in ein Gespräch vertieft.

„Gabi und ich müssen euch etwas erzählen.“, meinte Ralf freudestrahlend als er mit Gabi im Arm, den Aufenthaltsraum betrat. Alle Blicke richteten sich erwartungsvoll auf das Paar, das ein wenig verlegen in die Runde blickte. „Also…Gabi ist schwanger.“, verkündigte Ralf dann stolz und auch Gabi zwang sich zu einem Lächelnd. Die anderen sahen die beiden erstaunt an. „Dann herzlichen Glückwunsch.“, meinte Peter als erster, stand auf und umarmte die beiden. Michael, Max, Margarethe und Vera taten es ihm nach. Nur Hubert und Angela hielten sich zurück. Hubert hatte den ganzen Abend kaum ein Wort verloren. Er fühlte sich sowieso nicht wohl in diesem Kreis. Allein Vera zu Liebe war er mitgekommen, ansonsten hielt ihn nichts auf der Basis. Er hatte keine Lust mehr zu beobachten, wie gut sich Thomas, den er nicht ausstehen konnte, mit seinen Töchtern verstand. Ebenso wenig fand er es angenehm hierunter all den Leuten zu sitzen, die er gar nicht kannte.

Angela war hingegen entsetzt über die Nachricht, die sie gerade vom Lebensgefährten ihrer Tochter erfahren hatte. Gabi war also schwanger. Von diesem Ralf. Das ging wirklich zu weit. Den ganzen Abend hatte Angela sich angepasst, sich versöhnlich gezeigt. Sie wollte den Streit mit ihrer Tochter endlich beenden und zwar endgültig, deshalb war sie heute Abend überhaupt hierher gekommen. Insgeheim jedoch hatte sie immer noch gehofft, dass Gabi noch vernünftig werden würde und einsehen würde, dass dieser Ralf der falsche Mann für sie war. Ein Sanitäter, was hatte der ihrer Tochter schon zu bieten, ihrer Gabi. Und empfing Gabriele ein Kind von ihm. Angela konnte es nicht fassen. Durch dieses Kind würden sie immer verbunden sein, es war zu spät. Angela wusste nicht, was sie tun sollte. Sie war so wütend und enttäuscht zugleich.

Gabi erkannte genau, dass sich ihre Mutter kein bisschen darüber freute Oma zu werden, das sah sie schon an ihrem Gesichtsausdruck. Doch so etwas hatte sie schon erwartet, zumal sie wusste, dass Angela Ralf nicht leiden konnte. Für sie war er ein Nichtsnutz, der ihre Tochter nicht verdient hatte. Gabi wollte sich jedoch jetzt nicht mit ihrer Mutter streiten, es war schließlich Weihnachten. Sie würden später reden.

Gut eine halbe Stunde später, als sich die Stimmung unter den anderen wieder ein wenig beruhigt hatte, betraten Thomas und Biggi Arm in Arm den Aufenthaltsraum. Beide strahlten übers ganze Gesicht. „Hey, wo ward ihr eigentlich die ganze Zeit, ihr habt wirklich was verpasst.“, begrüßte Michael die beiden. „Wir waren nur kurz frische Luft schnappen.“, antwortete Biggi und lächelte unschuldigst. „Und was haben wir verpasst?“, wollte Thomas dann wissen und blickte fragend in die Runde. Peter blickte demonstrativ zu Gabi und Ralf, die es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatten. Als Biggi Ralfs strahlendes Gesucht sah, konnte sie sich bereits denken, dass Gabi ihm nun endlich von der Schwangerschaft erzählt hatte. „Ich werde Vater, Gabriele ist schwanger.“, verkündete Ralf Biggi und Thomas wenige Sekunden später. „Hey, dann herzlichen Glückwunsch“, meinte Thomas und umarmte Ralf und Gabi. Biggi tat es ihm nach. „Ich freu mich ja so für euch.“, sagte sie dann. Sie freute sich wirklich unheimlich für Gabi. Vielleicht würde sie in Zukunft wieder besser gelaunt sein, denn in den letzten Wochen hatte sie schon ziemlich oft einen äußerst betrübten Eindruck gemacht. Biggi konnte ja nicht ahnen, dass die Schwangerschaft und die Nacht, in der es dazu gekommen war, die Gründe dafür waren.

In einem unbemerkten Moment zog Biggi Gabriele wenig später kurz mit in die Küche. „Und, wie hat Ralf reagiert? So wie es aussieht freut er sich ja wirklich riesig auf euer Baby.“, meinte Biggi. Gabi brachte nur ein schwaches Nicken zustande. „Ja, er freut sich sehr.“ „Und du freust dich doch auch oder?“, fragte Biggi dann ein wenig verunsichert, weil Gabi nicht gerade einen fröhlichen Eindruck machte. „Ja, natürlich freue ich mich auch auf das Baby.“, antwortete Gabi zögerlich und sah dabei zu Boden. Sie konnte Biggi einfach nicht dabei in die Augen sehen, wenn sie sie anlog. Das war in der letzten Zeit zweifelsfrei zur Häufigkeit geworden, ebenso häufig belog sie Ralf. So konnte es doch wirklich nicht weiter gehen, aber was sollte sie tun? Sie konnte ihnen schließlich unmöglich die Wahrheit erzählen, vor allem nicht Ralf. „Ist wirklich alles ok?“, riss Biggi sie aus den Gedanken. Gabi nickte. „Ich hatte nur wieder bisschen Stress mit meiner Mutter, sie ist natürlich nicht gerade begeistert davon, dass ich schwanger von Ralf bin.“, log Gabi. Konflikte mit ihrer Mutter nahm sie oft als Ausrede dafür, wenn sie wieder einmal schlecht drauf war und an die schreckliche Nacht mit Rene denken musste. „Aber nun mal zu dir….“, begann Gabi dann und sah Biggi an. „Du strahlst die ganze Zeit schon bis über beide Ohren…“ Biggi lächelte unschuldig. „Thomas hat mir einen Verlobungsring geschenkt.“, erzählte sie ihrer Freundin dann überglücklich, während sie ihr den Ring zeigte. Gabi umarmte Biggi. „Ich freu mich total für dich.“, sagte sie dann. „Ich bin auch total glücklich.“, erwiderte Biggi strahlend. Man konnte ihr ihr Glück wirklich ansehen. „Komm, Ralf und Thomas wundern sich bestimmt schon, wo wir bleiben.“, meinte Biggi dann und so gingen sie und Gabi wieder zurück in den Aufenthaltsraum. Ralf hatte Gabi schon vermisst, sich dann jedoch schon denken können, dass sie mit Biggi kurz nach draußen gegangen war, da diese ebenfalls verschwunden war. Als sie zusammen mit Biggi aus der Küche trat, kam Ralf sofort auf Gabi zu und schloss sie in die Arme. Biggi ging währenddessen zu Thomas, der mit seinen Töchtern gerade auf dem Sofa herumalberte. Biggi schmunzelte bei diesem Anblick. Sie fand, dass Thomas wirklich ein super Vater war, auch wenn er seine Töchter in letzter Zeit nicht sehr oft gesehen hatte. Lisa und Laura liebten ihren Vater über alles und er sie ebenso. Nach einer Weile bemerkte Thomas Biggi, die neben dem Sofa stand und den dreien lächelnd zusah. Er streckte seine Hand nach ihr aus und zog sie dann zu sich, sodass sie genau auf seinem Schoß landete. Er schloss sie glücklich in die Arme und gab ihr dann einen zärtlichen Kuss. Lisa und Laura grinsten sich mit einem viel sagenden Blick an und gingen dann unauffällig vom Sofa hinüber zum Tisch, wo ihre Mutter saß.

„Das ist das schönste Weihnachten in meinem Leben.“, flüsterte Thomas Biggi leise ins Ohr. „Und meins erst…“, gab sie ebenfalls flüsternd zurück und küsste ihn daraufhin wieder. Hubert beobachtete die beiden missbilligend. „Wollen wir nicht langsam mal nachhause fahren? Die Kinder sind doch sicherlich schon müde…“, schlug er Vera dann vor. Lisa und Laura, die alles mitbekommen hatten, antworteten jedoch sofort für ihre Mutter. „Nein, wir sind noch gar nicht müde und außerdem wollen wir noch bleiben.“ "Du hast sie gehört. Tut mir Leid, Liebling, aber Weihnachten kann ich ihnen nun wirklich nicht verderben.", sagte Vera mit einem leicht vorwurfsvollen Blick zu Hubert. Die Mädchen jubelten, und widmeten sich überaus beruhigt wieder ihren Geschenken. "Darüber reden wir noch.", raunte Hubert Vera zu. "Was ist denn schon wieder? Hätte ich sie etwa an der Hand nehmen und mitzerren sollen, nur weil du missmutig bist?" "Ich bin nicht missmutig, aber ich habe es satt, vor ihnen von dir bloßgestellt zu werden. Es sieht so aus, als wolle ich ihnen das Fest verderben." "Das willst du zwar nicht, aber sei mal ehrlich, denkst du auch nur in irgendeinem Sinne daran, was sie wollen und was nicht? Du bist doch nur schlecht gelaunt, weil dir die Gesellschaft nicht passt und du eifersüchtig auf Thomas bist. Seinen wir doch mal ehrlich." Hubert schnaubte. Er wusste nichts darauf zu sagen. Na klar hatte Vera Rrecht. Er war eifersüchtig, und er konnte all ihre Freunde und ganz besonders ihren Ex-Mann nicht ausstehen. Aber jetzt war er auch auf sie böse. Er erhob sich, und schritt mit einem gemurmelten "Muss mal auf die Toilette"  aus dem Aufenthaltsraum. Vera seufzte. Sie sah hinüber zu Thomas und Biggi, die von alldem nichts mitgekriegt hatten. Sie lagen sich immer noch in den Armen, während sie gemeinsam an den beiden Enden eines äußerst kleinen Weihnachtskekses knabberten. Schließlich versanken sie in einem Kuss.

Doch nach einer Weile fiel Thomas auf, dass Hubert plötzlich nicht mehr da war. "Wo ist Hubert denn hin? Er ist doch nicht etwa schon gegangen, oder?" Vera schüttelte den Kopf. "Er ist nur auf die Toilette. Vor einer viertel Stunde." "Oh." Thomas wusste nicht, was er darauf sagen sollte. "Sag mal ... es gefällt ihm hier bei uns nicht sonderlich, oder?", fragte er dann aber vorsichtig. Vera meinte: "Ich weiß es nicht. Er hat immer seine Launen. Aber ich denke mal, er ist eifersüchtig auf dich. Die Mädchen vergöttern dich, und für ihn haben sie nicht mal einen schiefen Blick." "Verstehe." Er sah hinüber zu seinen beiden Mädchen, die begeistert an ihrem neuen Memory-Spiel spielten, und als sie ihn bemerkten, schenkten sie ihm ein fröhliches und erfülltes Lächeln. "Es muss hart für ihn sein.", meinte Thomas dann. "Aber er macht es ihnen auch nicht grade leicht, ihn gern zu haben." "Gewiss nicht", sagte Vera darauf. "Ich werde mal nach ihm sehen." Dann stand sie auf und begab sich nach draußen.

Währenddessen nahm sich Thomas noch ein Keks aus der Dose. Zwar betrübte es ihn ein wenig, dass Hubert seiner Familie das Leben schwer machte, doch wollte er sich durch ihn nicht den Abend verderben lassen. Er strich Biggi zärtlich über das Gesicht, und ließ sie schließlich von dem kleinen Weihnachtsbaum abbeißen. Dann kostete auch er, bis sie den Rest schließlich wieder gemeinsam verspeisten. Biggi, die bis jetzt seitlich an ihm gelegen hatte, drehte sich nun um, sodass sie auf ihm lag. Als er ihren verführerischen Blick sah, musste er grinsen und fragte: "Was hast du denn schon wieder vor?" "Wirst du schon sehen.", sagte Biggi leise, nahm dann die Decke, die am Ende des Sofas lag, und stülpte sie über ihre Köpfe. Darunter versanken sie schließlich in stürmisch-wilde Küsse, und fast hätten sie ganz vergessen, dass sie sich nicht zuhause in ihrem Schlafzimmer befanden...

Vera hatte währenddessen die Toilette erreicht. Sie fand Hubert sofort. Er stand im Flur an die Wand gelehnt und starrte durch eines der Fenster nach draußen in den Schnee. „Hey, komm Liebling….“, meinte Vera versöhnlich und sah Hubert bittend an. Er sah ihr kurz in die Augen, wendete seinen Blick dann jedoch wieder von ihr ab und starrte weiter nach draußen.

„Ach komm….“, versuchte Vera erneut Hubert zu besänftigen. Sie nahm seine Hand und versuchte ihn mitzuziehen, doch er riss sich los und meinte giftig: „Lass mich!“ Vera sah ihn traurig an. ‚Dann eben nicht.’, dachte sie sich, wobei sie jedoch die Tränen unterrücken musste. Sie hatte sich so auf Weihnachten gefreut und drohte Hubert alles kaputt zu machen. Sie drehte sich um und wollte gerade zurückgehen in den Aufenthaltsraum, als sie Huberts enttäusche Stimme vernahm. „Geh doch zurück zu Thomas, wenn er so toll ist… Lisa und Laura lieben ihn und  für mich ist da kein Platz.“ Schockiert über diese Worte drehte Vera sich wieder zu Hubert um und sah ihn an. „Du weißt genau, dass das mit mir und Thomas schon lange vorbei ist, aber er ist nun einmal der Vater meiner Kinder und du kannst es ihnen wohl nicht übel nehmen, dass sie ihren Vater lieben oder? Ich aber liebe Thomas nicht mehr….sondern dich, aber das willst du ja anscheinend nicht verstehen.“ Mit diesen Worten drehte Vera sich wieder abrupt um und ging mit schnellen Schritt an zurück zu den anderen, während Hubert ihr verstört nachsah. Er hatte wirklich genug für heute. Wütend nahm er sich seine Jacke vom Harken und eilte dann nach draußen zum Auto. Wenige Sekunden später konnten die anderen vom Aufenthaltsraum aus beobachten, wie er mit einem ziemlich hohen Tempo und quietschenden Reifen vom Parkplatz raste. Selbst Thomas und Biggi waren erschrocken wieder unter der Decke hervor gekrochen. „War das nicht Hubert?“, fragte Gabi, die mit Ralf zusammen am Tisch saß, verwundert und sah dabei Vera an. Sie nickte betrübt. Hubert hatte ihr Weihnachten wirklich gründlich verdorben. Dabei hatte sie doch nur mit ihm und den Kindern zusammen ein fröhliches Fest verbringen wollen. „Und wie kommt ihr nun nachhause?“, fragte Thomas dann. „Zur Not werden wir uns wohl ein Taxi nehmen müssen.“, antwortete Vera ratlos. „Kommt gar nicht in Frage, wir können doch mitnehmen, ist ja kaum ein Umweg.“, entgegnete Biggi nach einem Blickwechsel mit Thomas. Vera nickte dankbar. Sie wollte versuchenden Rest des Abends trotzdem noch zu genießen, auch wenn es schwer fiel. Vielleicht würde Hubert sich ja bald wieder beruhigen.

Nach einer Weile wollten Gabi und Ralf sich langsam verabschieden, da Gabi bereits ziemlich müde war. Immerhin war es auch schon 22 Uhr. „Gabi und ich werden uns dann langsam mal auf den Heimweg machen.“, meinte Ralf.  Die anderen nickten, auch sie wollten bald aufbrechen. Biggi verabschiedete sich noch von Gabi. „Macht euch noch einen schönen Abend.“ „Ihr euch auch.“, antwortete Gabi grinsend. „Ich freu mich wirklich so für dich, ihr werdet bestimmt eine total glückliche Familie.“, sagte Biggi dann. Gabi nickte nur leicht. Sie hoffte so sehr, dass Biggi damit Recht haben würde. Sie verabschiedete sich genau wie Ralf noch von den anderen, bevor sie zum Parkplatz gingen. Die beiden hatten Angela zwar angeboten sie mitzunehmen, doch sie hatte es bevorzugt sich ein Taxi zu nehmen, welches auch wenig später kam. Sie hatte es immer noch nicht richtig begreifen können, dass Gabi schwanger war. Darüber musste sie erst einmal eine Nacht schlafen.

Kurz nachdem Gabi und Ralf die Basis verlassen hatten, klingelte dort das Telefon. Max ging ran, da er genau daneben saß. „Basis Medicopter 117?“ Alle Blicke hatten sich auf den Mechaniker gerichtet, da niemand wusste, wer jetzt hier auf der Basis anrufen könnte. Immerhin hatte Rosenheim Bereitschaft. „Was??? Aber sie können doch nicht….“, Max’ Gesichtsausdruck wurde immer empörter. Schließlich legte er wüten auf. „Was ist denn los?“, fragte Peter verständnislos. „Ihr müsst los, Jungs, wir haben einen Einsatz, Rosenheim ist überlastet, jetzt müssen wir doch mit ran.“ „Was? Das kann doch nicht wahr sein?“, stöhnte Thomas auf, ebenso wie Michael. Doch sie wussten, dass es nichts half, hier ging es schließlich um Menschenleben. „Hoffentlich sind wir bald zurück.“, fluchte Thomas nur noch und lief dann hinter Michael und Peter her zum Helicopter. Die anderen sahen ihnen noch nach, wie sie abhoben. Solange bis das kleine rote Licht am Himmel schließlich in den Sternen untergegangen war. „Nicht mal einen freien Abend gönnen sie uns.“, meinte Biggi betrübt. Die anderen konnten ihr nur zustimmen. Schon die letzten beiden Jahre hatten sie an Wehnachten Bereitschaft gehabt und nun, selbst wo Rosenheim dieses Jahr an der Reihe war, blieben sie nicht verschont.

Das A Team hatte inzwischen den Einsatzort erreicht. En Auto war bei der Glätte von der Straße abgekommen und hatte sich auf der danebenliegenden Wiese überschlagen. Thomas landete den Heli gekonnt ein paar Meter vom Unfallfahrzeug entfernt und Michel und Peter liefen mit der Ausrüstung zu dem Verunglückten. Der Mann war bewusstlos und in seinem Auto eingeklemmt. Also Peter und Michael jedoch sein Gesicht erkannten, erschraken sie. „Hubert?“, fragte Peter leise. Michael nickte. „Scheint so.“ „Thomas, die Trage!“, rief er dem Piloten dann zu. Wenige Sekunden später stand Thomas mit der Trage unterm Arm hinter ihnen. Auch er erkannte Hubert jetzt. „Oh mein Gott, Hubert.“, brachte er nur hervor. „Thomas, er ist eingeklemmt, wir müssen ihn irgendwie aus dem Wrack befreien.“, erklärte Michael, der versuchte einen klaren Kopf zu bewahren. Peter und Thomas nickten. Nachdem sie es geschafft hatten, die Beifahrertür zu öffnen, konnte Michael bis zu Hubert vordringen. Nach einiger Zeit schaffte er es schließlich den immer noch Bewusstlosen aus dem Wrack zu bergen. Sie legten ihn auf die Trage und Michael begann ihn zu untersuchen. „Oberarmfraktur rechts, Verdacht auf Serenrippenfrakturrechts, wahrscheinlich schwere Gehirnerschütterung.“, stellte er fest und verlangte dann von Peter ein Kreislaufmedikament sowie ein Narkotikum. Nachdem Peter Hubert die beiden Mittel verabreicht hatte, schloss Michael ihn noch ans EKG an. „Die Werte sehen gut aus, ab mit uns, den Rest machen wir im Heli.“ Thomas war schon vorgelaufen und hatte die Turbinen gestartet, sodass er gleich als Michael und Peter Hubert eingeladen hatten, abheben konnte. Munich Tower, this is Medicopter 117, good evening“ „Good evening Medicopter 117, what is your request?” „We’d like to cross your control zone from east to west, destination Zentralklinikum Murnau.” „Roger Medicopter 117, proceed as requested.” Wenige Minuten später hatten sie die Klinik erreicht und übergaben Huberte einem Ärzteteam. Michael lief noch mit rein, um die Ärzte über Hubers vermutliche Verletzungen aufzuklären. Thomas funkte derweilen die Basis an, wo Max inzwischen das Funkgerät eingeschaltet hatte. „Medicopter 117 an Basis.“ „Basis hört.“, antwortete Biggi, die sofort als sie Thomas’ Stimme gehört hatte zum Funkgerät gesprintet war. „Biggi, wir sind jetzt im Zentralklinikum, wir hatten gerade Hubert an Bord. Er hatte einen Autounfall.“, erzählte Thomas. „Was????“, fragte Biggi geschockt. Auch Vera hatte alles mitgehört und war nun leichenblass geworden. Max war zu ihr gegangen und hatte sie tröstend in den Arm genommen. „Ok, Thomas, wir kommen sofort.“ „Gut, dann bis gleich, aber fahr nicht so schnell.“ „Versprochen“

Biggi, Vera, Lisa und Laura liefen zum Parkplatz und fuhren zur Klinik, während Margarethe, Max und Dirk noch auf der Basis bleiben. Margarethe hatte sich bereit erklärt, dass Dirk heute bei ihr übernachten konnte. Sie wollten sich auch langsam auf den Heimweg machen, da es nicht  absehbar war, wann die andern wiederkommen würden wenn sie überhaupt noch wiederkommen würden. Max machte schließlich die Basis dicht und wollte dann nachkommen in die Klinik.

Biggi, Vera, Lisa und Laura hatten das Klinikum währenddessen fast ereicht. Vera liefen die ganze Zeit Tränen übers Gesicht, obgleich sie versuchte vor ihren Töchtern stark zu sein. Als Biggi auf dem Parkplatz hielt, kamen Peter und Thomas schon auf das Auto zugelaufen. Michael war noch immer im Behandlungsraum bei Hubert. „Thomas, Peter, was ist mit Hubert?“, rief Vera aufgeregt. Hätte sie doch bloß nicht mit ihm gestritten, dachte sie sich. Sie betete, dass Hubert nur leicht verletzt war. „Wir wissen noch nichts genaues, er wird noch untersucht.“, antwortete Peter der völlig aufgelösten Vera. Dann nahm er ihr erst einmal die Kinder ab, während Thomas und Biggi versuchten sie zu trösten. Sie gingen zu den Behandlungsräumen, wo man ihnen allerdings immer noch nichts Neues sagen konnte, nur, dass Hubert noch untersucht wurde. Peter hatte Vera, die vollkommenfertig war nun in den Arm genommen und war mit ihr ein Stück den Flur entlang gegangen,, während Thomas, Biggi, Lisa und Laura noch immer vor der Tür zum Behandlungsraum warteten. Thomas hatte Biggi in den Arm genommen und sie hatte sich an ihn geschmiegt. Alle hofften, dass Hubert noch einmal glimpflich davonkommen würde. Den Weihnachtsabend hatten sie sich anders vorgestellt….

Nach einer weiteren halben Stunde Ungewissheit, trat schließlich Michael aus dem Behandlungsraum. Vera rannte sofort auf ihn zu. „Michael, was ist mit Hubert???“, fragte sie total aufgelöst. Michael legte beruhigen seinen Arm um ihre Schultern. „Er hat noch mal Glück gehabt, seine Verletzungen sind nicht lebensbedrohlich. Er hat sich den Arm gebrochen und einige Rippen. Außerdem hat er eine Gehirnerschütterung, aber das wird schon wieder.“ Vera atmete auf, die Erleichterung war ihr deutlich anzusehen. „Danke. Darf ich zu ihm?“ Michael nickte. „Sie bringen ihn jetzt auf sein Zimmer, dann kannst du zu ihm.“

Auch Biggi und Thomas waren sichtlich erleichtert, dass alles noch einmal halbwegs glimpflich ausgegangen war und lagen sich glücklich in den Armen.

Wenige Auenblicke später wurde Huberts Bett aus dem Behandlungsraum geschoben. Er war bereits wider bei Bewusstsein und Vera stürmte sofort auf ihn zu. „Hubert, Gott sei Dank, ich hatte solche Angst um dich!“ Hubert sah zu ihr auf. „Ich muss mich entschuldigen, Vera, es tut mir Leid, dass ich einfach so gegangen bin, du hattest ja Recht…“, sagte er leise. Vera fasste nach seiner Hand und drückte sie, dann folgte sie den Schwestern, die sein Bett schoben. „Die beiden wollen jetzt sicherlich allein sein.“, sagte Thomas. Biggi und Michael stimmten ihm zu. „Es wird wohl das Beste sein, wenn die Mädchen heute bei uns übernachten.“, schlug Biggi dann vor. Lisa und Laura stimmten begeistert zu. „Bitte, Papi…“, bettelten sie ihren Vater an. Thomas nickte und nahm seine beiden Töchter in den Arm. „Kommt, wir fahren nachhause.“ So gingen Thomas, Biggi, Michael, Peter, Lisa und Laura nach draußen. Da sie den Heli noch zur Basis fliegen mussten, beschloss Biggi mit Lisa und Laura zusammen schon einmal nachhause zu fahren, während das A Team den Helicopter zurückflog zur Basis. „Ich beeile mich auch.“, versprach Thomas Biggi und verabschiedete sich mit einem Kuss von ihr. Sie und die beiden Mädchen winkten Thomas, Michael und Peter noch hinterher, bevor sie ins Auto einstiegen. Wenig später hob auch der rot-gelbe Helicopter vom Landeplatz ab und flog in Richtung Basis.

Max war gerade dabei alles dicht zu machen, als Thomas den Helicopter auf der Plattform landete. Er hatte nicht damit gerechnet, dass das Team schon zurückkommen würde. „Und, wie sieht’s aus?“, erkundigte er sich sofort bei Peter, der als erstes in den Hangar trat. „Alles in Ordnung, Hubert ist noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen.“ Auch Max war erleichtert. „Ich kann den Kerl ja ehrlich gesagt nicht leiden, aber irgendwie bin ich trotzdem total froh, dass alles gut ausgegangen ist.“, gab er dann zu. Thomas grinste. „Geht mir genauso, Max.“ Dann verschwanden Thomas, Michael und Peter im Aufenthaltsraum um noch ein paar Sachen zusammenzupacken, da die anderen in der Aufregung nichts mitgenommen hatten.

„Nun beeil dich, Michael, Biggi wartet sicherlich schon.“, rief Thomas, der bereits am Eingang stand ungeduldig. Michael packte noch die letzten Sachen zusammen und folgte seinem Freund schließlich nach draußen. „Immer mit der Ruhe, Biggi wird schon ein paar Minuten ohne dich auskommen.“ Dafür erntete er von Thomas einen schrägen Blick. Dann jedoch stiegen sie in Michaels Jeep ein und fuhren zur Villa.

Für Lisa und Laura war der Tag sehr aufregend und auch anstrengend gewesen. Sie waren beide schon total müde. Biggi hatte ihnen das Gästezimmer hergerichtet und die Mädchen hatten sich bereits in die Betten gekuschelt. Sie wollten noch warten bis ihr Vater zurückkommen würde. Solange hatte Biggi sich zu ihnen gesetzt und erzählte ihnen eine Gute-Nacht-Geschichte. Lisa und Laura hatten Biggi richtig gern, in den letzten Wochen war sie für die beiden schon fast wie eine zweite Mutter geworden.

Gabi und Ralf hatten von der ganzen Aufregung um Hubert gar nichts mitbekommen. Sie hatten es sich zuhause in ihrem Schlafzimmer gemütlich gemacht. Gabi hatte sich an Ralf gekuschelt und die Augen geschlossen. Ralf strich ihr zärtlich über den Rücken und fragte dann: „Woran denkst du, Schatz?“ Gabi schreckte hoch. „Ähm…an unser Baby….“, sagte sie dann. Ralf lächelte sie an, er war so glücklich. Auch er dachte die ganze Zeit daran, dass er Vater werden würde. Er freute sich unheimlich auf das Baby. Zwar dachte auch Gabriele die ganze Zeit an das Kind, jedoch viel mehr daran, wer nun der Vater war und wer nicht. Dieser Gedanke verfolgte sie nun schon seit Wochen, seit sie erfahren hatte, dass sie schwanger war und er ließ sie einfach nicht mehr los.

Nach einer zehnminütigen Fahrt erreichten Thomas und Michael schließlich die Villa. Als sie feststellten, dass Biggi, Lisa und Laura weder in der Küche, noch im Wohnzimmer waren, dachte Thomas sicht bereits, dass sie schon oben im Gästezimmer waren. Er ging die Treppe hoch und öffnete dann langsam die Tür. „Papi!“, riefen Lisa und Laura gleichzeitig als sie ihn erblickten. „Wir haben nur noch auf dich gewartet, damit du uns Gute Nacht sagen kannst.“, meinte Lisa dann. Thomas ging zu ihr und Laura und sagte den beiden Gute Nacht. Dann gingen er und Biggi Arm in Arm zur Tür. „Gute Nacht ihr beiden.“, sagte Biggi noch und schaltete dann das Licht aus. Wenige Minuten später schliefen Lisa und Laura erschöpft ein.

Thomas und Biggi gingen einige Meter weiter in ihr Schlafzimmer, wo sie sich Arm in Arm aufs Bett sinken ließen. „Das war ein Tag.“, meinte Thomas erschöpft. „Wieso war? Er ist doch noch nicht zu Ende…“, entgegnete Biggi und lächelte ihn geheimnisvoll an. „Du hast Recht….“, stimmte Thomas ihr zu, während er sich langsam auf sie drehte und sie sich zu küssen begannen.

Wenig später wurden sie jedoch durch ein Klopfen an der Tür gestört. „Ja?“, rief Thomas, nachdem er und Biggi voneinander abgelassen hatten. Die Türklinke wurde zaghaft heruntergedrückt und Laura erschien im Schlafzimmer. „Laura, du schläfst ja gar nicht, was ist denn los?“, fragte Thomas besorgt, während Laura langsam auf das Bett zuging. „Ich muss mal...“, meinte sie dann leise. „Aber das ist doch nicht schlimm, du weißt doch, wo die Toilette ist.“, antwortete Thomas. Laura blickte auf den Boden. „Aber ich hab Angst im Dunkeln….“ „Na komm, ich komme mit.“, bot Thomas ihr an und nahm sie auf den Arm. Laura nickte dankbar. Biggi sah den beiden lächelnd nach. Sie fand, dass Lisa und Laura wirklich Glück hatten einen Vater wie Thomas zu haben. Doch sie selbst hatte schließlich nicht weniger Glück. Sie hatte mit ihm den Mann ihrer Träume gefunden.

Gabi war inzwischen in Ralfs Armen eingeschlafen. Sie war ziemlich erschöpft und durch die ständigen Gedanken an das Baby konnte sie sich nicht wirklich entspannen. Zudem musste sie an das Gespräch mit ihrer Mutter denken, das ihr noch bevorstehen würde. Wenn Angela überhaupt noch mit ihr reden würde. Gabi kannte ihre Mutter nur zu gut und sie wusste genau, dass sie es nicht akzeptieren konnte, dass ihre Tochter von Ralf, einem einfachen Sanitäter, schwanger war. Als Ralf bemerkt, dass Gabi bereits schlief, deckte er sie fürsorglich zu und legte sich dann vorsichtig, ohne sie zu wecken, wieder neben sie, wo auch er nach wenigen Augenblicken einschlief.

Als Thomas Laura wieder ins Bett gebracht hatte und gewartet hatte, bis sie wieder eingeschlafen war, ging er zurück ins Schlafzimmer. Er sah, dass Biggi am Fenster stand und hinaussah in den Himmel, der sternenklar war. Er trat langsam hinter sie und umarmte sie dann von hinten, während er sie zärtlich im Nacken küsste. Biggi legte ihre Hände auf seine Arme und schmiegte sich an ihn. So blieben sie eine Weile am Fenster stehen und sahen in den sternenklaren Nachthimmel. Plötzlich konnte man sehen, wie eine hell leuchtende Sternschnuppe vom Himmel fiel. „Sieh mal, wie schön.“, meinte Biggi lächelnd und zeigte auf die Sternschnuppe. Thomas nickte. „Jetzt darfst du dir etwas wünschen.“ Biggi drehte sich in seinen Armen um, sah ihm tief in die Augen und lächelte ihn verliebt an. „Ich wünsche mir ein Kind von dir.“, flüsterte sie ihm dann leise ins Ohr. Thomas schloss sie noch fester in die Arme und lächelte sie überglücklich an. "Das würdest du sogar ohne Sternschnuppe von mir kriegen ...", sagte er leise in ihr Ohr. "Ja, aber mit geht's vielleicht schneller..." Thomas lächelte. "Ganz allein schafft sie es aber nicht ... ich glaube, wir müssen der Sternschnuppe ein wenig unter die Arme greifen." Er strich ihr zärtlich um den Bauch. "Na wenn's unbedingt sein muss...", sagte Biggi in genervtem Ton. "Was??", Thomas war entsetzt. Biggi grinste, drehte sich in seinen Armen, küsste ihn dann zärtlich auf den Mund und sagte: "Ich meinte natürlich ... nichts lieber als das ..." "Na dann an die Arbeit...", entgegnete Thomas nun ebenfalls grinsend. Dann hob er sie mit einem Ruck hoch, trug sie zum Bett und ließ sich mit ihr zusammen darauf fallen. Während sie sich küssten, öffnete Biggi seine Hose und zog sie ihm langsam aus. Dasselbe tat er mit ihrer Bluse. Während er sie mit einer Hand zärtlich streichelte, öffnete er mit der anderen die Knöpfe. Auch die restliche Kleidung trugen sie nicht mehr lange, und schließlich krabbelten sie kichernd unter die Bettdecke. Thomas legte sich auf sie und küsste sie am ganzen Körper. Sie schloss die Augen dabei und ließ sich von ihm verwöhnen, bis sie das Spiel umkehrten. Schließlich versanken sie wieder in innige Küsse. "Ich liebe dich soooo sehr...", flüstert Thomas leise zwischen zwei Küssen. "Und ich dich erst...lass es uns mit einem Kind besiegeln." "Hoffentlich wird es so schön wie du.", entgegnete Thomas und küsste sie wieder. Leidenschaftlich fuhren sie damit fort, bis sie sich schließlich ineinander vereinten und miteinander schliefen. Es dauerte besonders lang, war aber unglaublich schön und intensiv. Anschließend lagen sie sich in den Armen und lächelten sich an, mit dem seltsamen Gefühl, plötzlich nicht mehr so zweisam wie zuvor zu sein ... mit einem glücklichen Lächeln fielen beide in einen tiefen Schlaf.

Währenddessen saß Vera an Huberts Bett in der Klinik und dachte an vieles, nur nicht an Schlaf. Sie wollte all die Bosheiten und Unverständnisse ein für allemal klären, sie konnte so nicht weitermachen. Sie liebte ihn doch. Aber er hatte sich so verändert. All das lag vermutlich daran, dass er keine Akzeptanz und schon gar keine Liebe bei Lisa und Laura fand. Ja, sie musste auch mit ihnen reden. Aber sie hatten nur zu natürlich auf Huberts Verhalten reagiert, Vorwürfe konnte sie ihnen keine machen. Kaum war Hubert zu ihnen gezogen, hatte er versucht, ihnen Vorschriften zu machen und eine Autoritätsperson zu mimen, die er eigentlich gar nicht war. Er war nun mal kühl und korrekt, doch er konnte auch ganz anders, wenn er wollte. Sie wusste es nur zu gut, sonst hätte sie sich niemals in ihn verliebt. Vielleicht hatte er einfach eine falsche Vorstellung vom gemeinsamen Zusammenleben mit Kindern. Er hatte nie selbst Kinder gehabt. Bei Kinder dachte er an Erziehung, Bildung und Respekt, nicht aber an Liebe und Zuneigung. Das musste sich ändern. Vera war sich nämlich sicher, dass er im Innersten seines Herzens ein liebevoller Vater sein könnte. Sie würde morgen mit ihm reden, und anschließend würde sie die Mädchen herholen. Nachdem sie noch eine halbe Stunde an seinem Bett gesessen hatte und nach einem Blick auf die Uhr erschrocken zur Kenntnis genommen hatte, dass sich bereits die Morgenstunden näherten, machte sie sich auf und fuhr mit dem Taxi nachhause, um zumindest noch ein paar Stunden Schlaf zu ergattern.

Am nächsten Morgen wurden Biggi und Thomas vom Zwitschern der Vögel geweckt. Fast zur selben Zeit öffneten sie die Augen. Sie lagen sich immer noch im Arm, und nach einem kurzen Blickaustausch wussten beide, dass jeder am liebsten die nächtlichen Tätigkeiten von gestern Abend wiederholen würde. Doch sie kamen gerade mal zu einem zärtlichen Guten-Morgen-Kuss, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Lisa und Laura hereinstürmten. Sie sprangen zu ihnen aufs Bett und riefen: "Aufstehen, aufstehen!! Wir wollen frühstücken!!" Thomas und Biggi stöhnten auf und meinten: "Was ist denn mit Michael?? Wir sind doch noch so müde..." "Michael ist schon unten, aber er hat gesagt, er macht nur Frühstück wenn ihr beiden die Brötchen holt!" "Na das ist mal wieder typisch...", meinte Thomas. "Ach komm, sei nicht so, er macht wirklich schon so viel Arbeit für uns.", sagte Biggi. "Ja, du hast ja Recht. Na dann gehen wir halt zum Bäcker. Hauptsache ich bin mit dir zusammen ...", meinte Thomas lächelnd und küsste sie zärtlich. Lisa und Laura ahmten sie kichernd nach.  "Na wartet ihr ...!!!", rief Thomas, stürmte aus dem Bett und ihnen nach. "Thomas!!!", rief Biggi ihm nach. Erst jetzt bemerkte Thomas, dass er ja gar nichts anhatte und versteckte sich schnell wieder unter der Bettdecke. Lisa und Laura verschwanden lachend hinter der Ecke. Auch Biggi musste miteinstimmen. "Jetzt komm nicht du auch noch damit.", sagte Thomas beleidigt. "Hey, jetzt sei nicht sauer. Dann kriegst du auch was von mir." "Aha, was denn?", fragte er schmollend. Sie beantwortete seine Frage mit einem zärtlichen Kuss. "Immer noch böse?", fragte sie dann. "Nein.", antwortete er grinsend. "Na komm, wir müssen jetzt echt raus, sonst wird Michael böse.", sagte sie dann. Sie kämpften sich aus dem Bett, suchten ihre Sachen zusammen, zogen sich die Bademäntel über und verschwanden ins Bad. Dort machten sie sich im Schnelltempo fertig und flitzten dann nach unten in die Küche. Inzwischen hatten sie auch Hunger bekommen. "Da seid ihr ja endlich.", empfing sie Michael, der bereits den Tisch gedeckt hatte. Hier sind 10 Euro, das dürfte reichen. Aber nehmt reichlich Brötchen mit, ok? Und ein paar Croissants." "Zu Befehl.", meinten die beiden und zogen sich ihre Jacken über. Dann schritten sie Arm in Arm nach draußen und setzten sich ins Auto. Der Weg zum Bäcker war nicht weit, fünf Minuten später parkten sie bereits vor der geöffneten Tür, aus der ihnen ein herrlicher Duft nach frischen Brötchen entgegenströmte. "Oh lecker...", sagte Biggi schwärmend, als sie ausstieg. Thomas ging um das Auto herum, nahm sie in die Arme und küsste sie zärtlich. "Nicht so lecker wie du...", sagte er dann lächelnd. Sie erwiderte seinen Kuss, dann lehnte sie sich an seine Schulter und so standen sie eine ganze Weile sich umarmend da. Es tat so gut, die Nähe eines so geliebten Menschen zu spüren. Sie genossen es unheimlich, und nach mehreren Minuten küsste Thomas sie zärtlich auf die Wange, worauf sie ihn glücklich anlächelte. Schließlich spazierten sie dann Arm in Arm durch die Tür. Sie suchten sich die besten Brötchen und die knusprigsten Croissants aus. Ganz hinten in der Ecke entdeckte Thomas dann plötzlich ein gebackenes Herz mit Schokofüllung. Er ließ auch das einpacken, und meinte dann zu Biggi: "Das ist für dich. Weil du noch viel süßer als all die Schokoladefüllung der Welt bist." Biggi musste lächeln und küsste ihn. "Wie lieb von dir. Aber wir essen es gemeinsam. Dann schmeckt's bestimmt noch besser." Thomas war einverstanden und bezahlte schließlich. Das Geld reichte haargenau aus, das Restgeld überließ Thomas der Bäckerin. Glücklich spazierten sie zurück zum Auto.

Auch Gabi und Ralf waren inzwischen aufgestanden. Ralf richtete ein liebevolles Frühstück her, während Gabi noch im Bad war und duschte. Als Ralf gerade den Kaffee aufsetzten wollte, klingelte das Telefon. „Staller?“, meldete er sich noch ein wenig verschlafen. „Hallo, hier ist Angela Kollmann. Ich möchte meine Tochter sprechen.“ „Ich fürchte das ist nicht möglich.“ „Was soll das heißen, das ist nicht möglich?“, fragte Angela aufgeregt. „Na ja, sie stet gerade unter der Dusche, aber ich kann ihr ausrichten, dass sie angerufen haben.“ „Ja, tun sie das bitte.“, meinte Angela schnippisch und legte dann ohne ein weiteres Wort auf. Kopfschüttelnd legte auch Ralf den Hörer wieder auf. Er würde wahrscheinlich nie verstehen, warum Gabis Mutter so viel gegen ihn hatte. Er hatte ihr doch nie etwas getan.

Als Gabi zehn Minuten später aus dem Bad kam, berichtete er ihr gleich von dem Vorfall. „Deine Mutter hat angerufen.“ Gabi verdrehte die Augen. „Ich weiß genau, was sie von mir will. Sie will hundertprozentig auf mich einreden wegen dem Baby.“ Ralf nickte. Er ahnte dasselbe. „Ich werde sie später zurückrufen, erst einmal brauche ich ein schönes Frühstück.“, beschloss Gabi dann und bedankte sich mit einem Kuss bei Ralf, der das Frühstück bereits fertig hatte.

Thomas und Biggi waren währenddessen wieder zuhause angekommen, wo Michael, Lisa und Laura schon ungeduldig auf die Brötchen warteten. Als Thomas und Biggi den Flur betraten, rannten die Mädchen sofort auf die beiden zu und rissen Thomas die Tüte aus der Hand. „Ne, ne, ne, kein Benehmen mehr, die Kinder von heute.“, grinste Thomas kopfschüttelnd, während er und Biggi sich die Jacken auszogen. Dann betraten sie Arm in Arm die Küche, wo Michael saß und seine Zeitung saß. Lisa und Laura hatten die Brötchen und Croissants bereits in den Brötchenkorb gelegt, als sie das Herz mit der Schokofüllung entdeckten. Schon stritten die beiden Mädchen darum, wer es essen durfte. Thomas, der darauf sofort aufmerksam wurde, schlichtete den Streit. „Das Herz ist für Biggi.“, erklärte er seinen Töchtern dann,  „Dafür haben wir für euch Schokocroissants mitgebracht.“ Damit gaben sich die Mädchen zufrieden. Sie liebten Schokocroissants – was Thomas genau wusste- doch zuhause bekamen sie nie welche, da Hubert meistens Brötchen holte.

Michael, Thomas, Biggi, Lisa und Laura frühstückten gemütlich zusammen. Michael las nebenbei seine Zeitung, während Thomas und Biggi sich genüsslich das Herz mit der Schokofüllung teilten. Plötzlich klingelte es an der Haustür. Lisa und Laura sprangen sofort auf und liefen zur Tür, währen Thomas, Biggi und Michael den beiden grinsend nachsahen. Lisa war als erstes an der Haustür angekommen und riss sie sofort auf. Vor der Tür stand Vera. Sie wollte ihre Töchter abholen. „Hallo Mama….“, brachten Lisa und Laura erstaunt hervor. „Hallo, ihr beiden. Ich wollte euch abholen und dann fahren wir Hubert im Krankenhaus besuchen, ok?“ Lisa und Laura sahen nicht gerade begeistert aus. „Können wir nicht lieber bei Papa, Biggi und Michael blieben?“, fragten sie enttäuscht. Vera zögerte, doch sie wollte, dass Hubert und die Mädchen sich jetzt endlich mal aussprachen. „Nein, ich habe noch was mit euch zu besprechen….“ Lisa und Laura sahen ihre Mutter enttäuscht an. „Komm doch erstmal rein, wir frühstücken gerade….“, sagte Laura dann um noch ein wenig in der Villa bleiben zu können. Noch bevor Vera antworten konnte, nahmen Lisa und Laura sie an der Hand und zogen sie mit in die Küche.

„Oh, guten Morgen Vera.“, begrüßten Biggi, Thomas und Michael sie. „Morgen, ich wollte eigentlich nur Lisa und Laura abholen….“, meinte Vera. „Setzt dich doch, wir haben noch frischen Kaffee.“, bot Biggi ihr an und nach flehenden Blicken von ihren Töchtern ließ Vera sich schließlich überreden.

Gabi und Ralf hatten inzwischen fertig gefrühstückt. Während Ralf das Geschirr abräumte, war Gabi ins Wohnzimmer gegangen um ihre Mutter zurückzurufen. Sie wollte das jetzt endlich hinter sich bringen. Mit zitternden Händen wählte sie die Nummer, die sie auswendig konnte. Nachdem es dreimal geklingelt hatte, meldete sich Angela Kollmann am anderen Ende. „Ja, Kollmann, hallo?“, melde sie sich, obgleich sie bereits auf dem Display erkannte, dass es Gabi war, die sie anrief. „Hallo Mutter, ich bin’s.“, begrüßte Gabi sie knapp. „Ach Püppi, schön, dass du anrufst, ich habe vorhin schon mal angerufen…“ „Ja, ich weiß, Ralf hat es mir erzählt. Was gibt es denn?“ Angela zögerte, brachte dann jedoch das zur Sprache, was sie bedrückte. „Ach Püppi, das mit dem Kind, willst du dir das nicht noch einmal überlegen?“ Gabi reagierte geschockt. „Was gibt es denn da noch zu überlegen? Ralf und ich lieben uns und wir werden dieses Kind bekommen, ob du nun willst oder nicht..“ „Dieser Ralf, der ist doch nichts für dich. Was hat der dir schon zu bieten? Der kann doch eine Familie gar nicht ernähren mit seinem niedrigen Gehalt, das er bei seinem Job bekommt.“ „Hör auf Mutter, hör auf. Ich weiß sehr gut selbst, was für mich das Beste ist und Ralf ist das Beste, was mir seid langem passiert ist und das Baby ist die Krönung davon.“, log Gabi, denn sie wusste ja nicht einmal, ob das Kind von Ralf war. Angela reichte es, sie schnaubte vor Wut. „Ja, du hast Recht, es ist deine Entscheidung,  was für dich das Beste ist. Das Kind oder ich!“ „Willst du mich erpressen?“, schrie Gabriele schon beinahe, sie war unheimlich wütend, nun trieb ihre Mutter es wirklich zu weit. „Wenn du es so willst, bitte, dann entscheide ich mich für mein Baby.“, mit diesen Worten knallte sie den Hörer auf. Sie stützte den Kopf in die Hände und ließ sich zurück aufs Sofa sinken. Wie sehr hatte sie sich gefreut, dass ihre Mutter Weihnachten gekommen war und sie sich scheinbar damit abgefunden hatte, dass Gabi mit Ralf zusammen war. Und nun das. Angela würde sich wohl niemals damit abfinden, dachte Gabi sich. In dem Moment klingelte das Telefon und riss sie aus den Gedanken. Es war Angela, das sah sie schon auf dem Display leuchten. Sie hatte gleich nachdem Gabi aufgelegt hatte, ihre Nummer gewählt und sie zurückgerufen. Gabi war nun völlig am Ende mit den Nerven. Sie nahm den Hörer ab und schrie dann: „Lass mich endlich in Ruhe und ruf hier nie wieder an.“, in den Hörer und legte dann wieder auf. Ralf, der alles gehört hatte, kam sofort ins Wohnzimmer gestürmt, wo Gabi total fertig auf dem Sofa saß. Er nahm sie liebevoll in den Arm und zog sie hoch. „Meine Mutter hat von mir tatsächlich verlangt, dass ich unser Kind abtreibe.“, sagte Gabi dann wütend, wobei ihre Betonung auf “unser“ lag. Auch Ralf war verärgert über Angelas verhalten, er war richtig wütend auf sie. In den letzten Tagen war Gabi endlich wieder ein wenig fröhlicher gewesen als die Wochen zuvor und nun musste wieder irgendein Problem auftauchen. Ralf konnte ja nicht ahnen, dass der Streit mit ihrer Mutter für Gabi das weitaus geringere Problem war. Viel größer waren diese ständigen, quälenden Erinnerungen an die Nacht mit Rene und die Frage, wer der Vater ihres Kindes war. ‚Ach Ralf, wenn du nur wüsstest…’, dachte sie und kuschelte sich in seine Arme. Doch die Wahrheit konnte sie ihm nicht sagen – niemals.

Nachdem Vera nun bereits die dritte Kaffeetasse ausgetrunken hatte, konnte sie Lisa und Laura endlich dazu bewegen, ihre Sachen von oben aus dem Gästezimmer zu holen und sich von ihrem Vater, Biggi und Michael zu verabschieden.

„Also, danke noch mal, dass Lisa und Laura bei euch übernachten konnten.“, bedankte Vera sich dann noch bei Thomas und Biggi. Biggi winkte ab. „Das war doch selbstverständlich. Die beiden können jederzeit gern zu uns kommen.“ Thomas stimmte ihr zu. „Wir freuen uns doch Lisa und Laura auch mal etwas länger bei uns zu haben.“ Vera lächelte. „Die beiden sind ja auch total gerne hier.“ Dann kamen auch Lisa und Laura schon wieder samt Gepäck. „Tschüss Papa, tschüss Biggi.“, verabschiedeten die Mädchen sich und umarmten Biggi und Thomas noch einmal. Dann sagten sie auch Michael tschüss und folgten ihrer Mutter schließlich nach draußen. Biggi sah ihnen noch lange nach, bis Michael sie schließlich aus ihren Gedanken riss. „Hey Biggi, was ist denn los?“ „Was? Ähm, nichts. Ich habe nur gerade daran gedacht, wie es wohl wäre, wenn man eigene Kinder hätte.“, meinte Biggi lächelnd. Sie und Thomas warfen sich verschwörerische Blicke zu und mussten dann grinsen.

Da das Team das Glück hatte, dass Rosenheim über Weihnachten Dienst schieben musste, hatten sie eine ganze Woche frei. Erst Sylvester mussten sie dafür wieder Arbeiten. Dann hatte Rosenheim zum Ausgleich frei. Jeder genoss die freien Tage auf seine Weise. Gabi und Ralf genossen es endlich wieder richtig viel Zeit füreinander zu haben und unternahmen eine ganze Menge Sachen, die sich schon länger vorgenommen hatten. Ralf war überglücklich über Gabis Schwangerschaft und ein wenig seiner guten Laune färbte auf Gabi ab, obgleich sie auch in diesen unbeschwerten Stunden Rene nicht aus ihren Gedanken verdrängen konnte. Sie versuchte einfach die Zeit mit Ralf zu genießen, so gut es ihr möglich war und sich abzulenken. Thomas und Biggi verbrachten ihre Freizeit ähnlich. Sie genossen es total endlich mal richtig viel Zeit füreinander zu haben und unternahmen außerdem viel mit Lisa und Laura, die sich darüber riesig freuten. Peter hatte sich nach seiner Trennung von Barbara das erste Mal wieder mit ihr getroffen, nachdem sie ihn angerufen und um Verzeihung gebeten hatte. Zwar musste er erst einmal über die vergangenen Dinge nachdenken, doch ein Neuanfang mit Barbara war für ihn jetzt plötzlich in greifbare Nähe gerückt. Vor zwei Wochen noch hätte er sich das niemals erträumt. Doch er war total glücklich darüber, weil er sie tief in seinem Innersten immer noch liebte. Michael war der einzige der seine Ferien nicht richtig genießen konnte. Auf der Basis war in den letzten Wochen jede Menge Papierkram liegen geblieben, der schon lange hätte fertig sein müssen. Einige Protokolle für die Rettungsleitstelle oder die Medicpoterzentrale hätten schon vor über einem Monat abgeschickt werden müssen und zum Teil war sogar schon eine Mahnung gekommen. So musste Michael diese ganze Arbeit wohl oder übel in seinen freien Tagen nachholen. Die anderen hatten ihm zwar ihre Hilfe angeboten, doch sie kannten sich mit dem ganzen Papierkram noch viel weniger aus als er selbst.

Am Sylvestermorgen hatte das B Team die erste Schicht. Ungewohnt früh, um 7.00 Uhr klingelte an diesem Morgen Biggis Wecker. Verschlafen tastete sie den ganzen Nachttisch ab, bis sie den Wecker schließlich in der Hand hatte und ihn ausschaltete. Gähnend ließ sie sich wieder zurück ins Kissen sinken und kuschelte sich wieder an Thomas, der ebenfalls gerade durch das Klingeln des Weckers wach geworden war. „Schon so spät?“, fragte er verschlafen, während er Biggi noch fester in die Arme schloss. Biggi nickte gequält. „Können wir nicht noch eine Woche frei haben?“ „Ach, das wäre zu schön um wahr zu sein.“, stimmte Thomas ihr zu, während er begann ihren Nacken zu küssen. Biggi drehte sich in seinen Armen um und sie begannen sich richtig zu küssen. Thomas zog die Decke über ihre Köpfe und sie verkrochen sich darunter. Biggi hatte nicht die geringste Lust aufzustehen, dazu war es viel zu gemütlich. Sie kuschelte sich ganz nah an Thomas und schloss dann wieder die Augen. Thomas, der ebenfalls noch total müde war, war wenige Minuten später ebenfalls wieder eingeschlafen. Daran, dass Biggi in nicht einmal einer Stunde auf der Basis sein musste hatte keiner gedacht.

Auch bei Gabi und Ralf hatte der Wecker inzwischen geklingelt. Sie hatten beide absolut keine Lust sich zu erheben und ins Bad zu gehen, doch nachdem sie noch ein wenig gekuschelt hatten, quälten sie sich schließlich aus dem Bett. Sie nahmen beide gemeinsam erst einmal eine ausgiebige Dusche um wach zu werden. Ralf streichelte dabei zärtlich über Gabis Bauch, der immer rundlicher wurde. Er freute sich unheimlich darauf Vater zu werden und konnte es kaum noch abwarten. Nur eine Sache bedrückte ihn noch immer. Dass Gabi oft so abwesend und traurig wirkte. Zwar hatte er sich schon fast dran gewöhnt, doch dann dachte er wieder an früher zurück und erinnerte sich ganz genau, dass sie diese Phasen damals noch nicht gehabt hatte. Das war erst so gewesen, seitdem Christine tot war. Wie oft hatte er schon versucht mit Gabi darüber zu reden, doch sie blockte immer wieder ab und leugnete die Tatsache, dass sie sich verändert hatte. Ralf seufzte leise, so leise, dass Gabi es durch das Plätschern des Wassers nicht hören konnte. Dann drehte er die Dusche ab und begann sie zärtlich einzuseifen.

Ziemlich genau eine Dreiviertelstunde nachdem Biggis Wecker geklingelt hatte, betrat Michael das Schlafzimmer. Erschrocken erkannte er, dass Thomas und Biggi noch immer im Bett lagen. Sie hatten sich ganz eng aneinander gekuschelt und schliefen tief und fest. Michael selbst musste ebenfalls zur ersten Schicht auf der Basis sein, da er noch einige Aufgaben als Stützpunktleiter zu regeln hatte. Zum Jahreswechsel standen immer einige Änderungen an, die jedes Mal viel Arbeit bedeuteten. Er hatte das Frühstück bereits fertig und sich gewundert, warum Thomas und Biggi nicht kamen. „Biggi, aufstehen, du musst in 10 Minuten auf der Basis sein.“, rief er. Biggi und Thomas schreckten hoch und verstanden erstmal gar nicht, was los war. Solange bis Biggi sich verschlafen die Augen rieb und dann auf den Wecker starrte. 7:50 Uhr. Sofort stand sie senkrecht im Bett. „Oh Gott, Thomas, wir haben total verschlafen.“, brachte sie noch hervor, dann war sie auch schon im Bad verschwunden. „Ich fahre dann schon mal vor zur Basis, hab noch einiges zu erledigen.“, verabschiedete Michael sich dann von Thomas, der ihm nur verschlafen nachsah. Eigentlich wäre es jetzt auch für Biggi Zeit gewesen zur Basis aufzubrechen, doch sie stand gerade erst unter der Dusche. Thomas hatte sich auch langsam aus dem Bett gequält. Eigentlich hatte er mit Biggi auf die Basis kommen wollen, doch bis er geduscht hätte und fertig wäre, wäre viel zu viel Zeit vergangen. So mussten sie sich wohl oder übel damit begnügen, dass Biggi schnell zur Basis fuhr und Thomas später nachkam. Biggi war sowieso schon viel zu spät dran. Sie hoffte, dass kein Einsatz kommen würde, in der Zeit, in der sie weg war. „Bis nachher, mein Liebling.“, verabschiedete sich Biggi von Thomas und gab ihm noch einen Abschiedskuss. „Ja, bis nachher. Ich werde mich beeilen.“, versicherte Thomas ihr. „Und Biggi….fahr nicht so schnell.“, rief er ihr dann noch besorgt hinterher. Sie drehte sich noch einmal um. „Keine Angst, ich pass schon auf, Schatz.“, versprach sie ihm und warf ihm dann noch ein Küsschen zu, bevor sie sich den Helm aufsetzte, auf ihr Motorrad stieg und in Richtung Basis davonfuhr.

Michael saß währenddessen schon in seinem Büro. Es war gerade Schichtbeginn, doch auch Ralf und Gabi waren noch nicht da. Als Michael wenig später ein Auto auf dem Parkplatz hörte, dachte er, dass es die beiden wären, doch als er kurz von seinen Akten aufsah und aus dem Fenster blickte, erkannte er, dass ein schwarzer BMW auf dem Parkplatz hielt und ein Mann ausstieg. Michael hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen und wunderte sich, wer das sein könnte. Da noch niemand sonst auf der Basis war, ging Michael aus seinem Büro in den Vorraum, den der Mann auch schon wenig später durch die Eingangstür betrat. „Hallo, mein Name ist Lüdwitz, ich bin der Stützpunktleiter, was kann ich für Sie tun?“, fragte Michael freundlich. „Guten Tag, Gunner E. Höppler Junior. Ich komme von der Medicopterzentrale.“ Michael musterte den Mann. Er hoffte, dass es keine Probleme mit den Berichten, mit denen er noch im Verzug war, gab. Er ahnte ja nicht, dass es noch ein viel größeres Problem geben würde.

In dem Moment betraten Gabi und Ralf die Basis. Sie hatten sich beim Frühstück etwas zu viel Zeit gelassen und waren deshalb zehn Minuten zu spät. „Morgen.“, begrüßte Ralf Michael fröhlich. „Morgen.“, erwiderte Michael und begrüßte seine beiden Kollegen. „Ja, ähm, das sind Dr. Gabi Kollmann, Notärztin und Ralf Staller, unser Sanitäter. Sie fliegen im B Team.“, stellte Michael Höppler seine Kollegen vor. „Und das ist Herr Höppler von Medicopter.“ „Hallo.“, meinten Gabi und Ralf nur verschwanden dann schnell in der Umkleide, da sie ja bereits Schicht hatten. „Dann hat das A Team also gerade Dienst?“, fragte Höppler. Michael schüttelte verlegen den Kopf. „Nein, heute hat das B Team Frühschicht. Die beiden hatten anscheinend nur verschlafen. Das kann ja mal vorkommen, oder?“ „Jaja, natürlich.“, erwiderte Höppler nur, doch man merkte an seiner Stimme, dass er das nicht so sah. „Und wo ist der Pilot?“, fragte er dann. Michael hatte die ganze Zeit gehofft, dass diese Frage nicht kommen würde. „Ich habe nämlich mit ihnen allen etwas zu besprechen.“, fuhr Höppler fort. „Nun also, Frau Schwerin, die Pilotin… sie wird wohl gleichkommen.“, meinte Michael verlegen. Gerade heute waren Biggi, Gabi und Ralf zu spät. Das musste ja so kommen, dachte Michael sich. Höppler blickte ihn verständnislos an. „Ich gehe doch recht in der Annahme, dass die Frühschicht seit einer Viertelstunde begonnen hat oder?“ Michael nickte nur. „Was machen Sie bitteschön, wenn jetzt ein Einsatz kommt. Es kann hier doch nicht jeder kommen und gehen, wann er will.“ Michael wollte gerade etwas erwidern, ließ das dann allerdings doch lieber bleiben.

Einen Augenblick später konnte er auch schon hören, wie Biggi ihr Moorrad auf dem Parkplatz parkte. „Sehen Sie, Herr Höppler, da ist Frau Schwerin schon.“, meinte Michael, als Biggi die Basis betrat. Sie war noch total aus der Puste und ihr Haar war ziemlich durcheinander gewirbelt. Man sah ihr schnell an, dass sie wohl ziemlich verschlafen hatte. Sie verschwand dann auch sofort in der Frauenumkleide, wo Gabi gerade fertig mit Umziehen war. Jedoch nicht bevor sich Höppler ihr vorgestellt hatte und ihr angedroht hatte, dass das ein Nachspiel haben würde. „Biggi, da bist du ja endlich.“, meinte Gabi, „Wir haben hohen Besuch.“ „Das habe ich auch schon bemerkt.“, antwortete Biggi, „Unser hoher Besuch hat mir gerade angedroht, dass es ein Nachspiel haben werden wird, dass ich 15 Minuten zu spät bin.“, erzählte sie verärgert. „Habt ihr mal wieder verschlafen?“, fragte Gabi ihre Freundin. Biggi lächelte unschuldig, nickte dann aber. „Ralf und ich waren auch ein wenig zu spät, ich hoffe, das gibt jetzt keinen Ärger, wer weiß, was das für ein hohes Tier ist und was der hier will.“, hoffte Gabi. Biggi nickte. Das war jetzt wirklich das letzte, was sie gebrauchen konnten. Es war schon schlimm genug, dass sie an Sylvester überhaupt Dienst hatten.

Michael war derweilen mit Herrn Höppler in das Stützpunktleiterbüro gegangen und hat er versucht ihn mit einem Kaffee zu besänftigen, was allerdings auch nicht viel brachte. „Herr Dr. Lüdwitz, ich habe einige ernste Dinge mit Ihren und Ihrem Team zu besprechen. In den drei Monaten, in denen Sie sich jetzt schon selbst verwalten, haben Sie mehrere tausend Euro minus gemacht. Zudem sind einige wichtige Berichte und Protokolle längst überfällig. Daher hat die Zentrale von Medicopter beschlossen, dass wir den Stützpunkt nicht weiterhin unter Ihrer Selbstverwaltung belassen können. Sie werden ab nächster Woche wieder einen Stützpunktleiter bekommen, der diese Aufgabe übernehmen wird, da Sie anscheinend ja – wenn ich das jetzt mal so ausdrücken darf – neben Ihrem sicherlich sehr zeitaufwendigen Job dazu nicht in der Lage sind.“ Michael starrte Höppler an. „Das ist nicht Ihr Ernst, oder?“, fragte er dann noch einmal nach. „Das ist mein voller Ernst, Herr Dr. Lüdwitz und wir haben auch schon einen Kandidaten für die Stelle in Aussicht. Sie sind anscheinend ja nicht einmal dazu in der Lage dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter pünktlich zum Dienst erschienen, aber das wird sich hier in Zukunft ändern, das verspreche ich Ihnen. Schönen Tag noch.“, mit diesen Worten stand Höppler auf, reichte Michael die Hand und verließ dann wieder die Basis. Michael ließ sich in seinen Bürostuhl sinken. Das hatte gerade noch gefehlt, ein neuer Vorgesetzter. Das Arbeitsklima auf der Basis war in der Zeit, seit Michael Stützpunktleiter war, so gut gewesen wie noch nie zuvor. Er hatte Verständnis dafür, wenn seine Kollegen die Berichte nicht zum Abgabetag fertig hatten, da er selbst genau wusste, wie wenig Zeit  man bei so einem Job nebenbei nur für den Papierkram hatte. Nun würde sich das sicherlich wieder ändern und sie würden irgend so einen Bürohengst vorgesetzt bekommen, der diese Pflichten ganz genau nahm, genauso wie es damals mit Ebelsieder gewesen war.

Gabi, Biggi und Ralf hatten sich inzwischen im Aufenthaltsraum auf den Sofas niedergelassen, als Michael reinkam. "Oh Mann ... also wenn das der Start ins neue Jahr sein soll, dann Prost Mahlzeit. Es war doch so schön so allein, ohne irgendwelche nervenden Vorgesetzten." Erschöpft ließ er sich zu den anderen aufs Sofa sinken. "Jetzt bin ich richtig demotiviert, dabei wollte ich doch heute die ganzen Akten in Angriff nehmen." "Nimm's nicht so schwer, Michael. Wir lassen uns schließlich nicht unterkriegen.", meinte Gabi aufmunternd. Ralf stimmte ihr zu. Nur Biggi saß ein wenig nachdenklich da und sagte nichts. Sie hatte wieder an Ebelsieder denken müssen. Während die anderen noch ein wenig weiterdiskutierten, stand sie schließlich auf und ging in die Küche. Erst jetzt fiel Michael auf, dass sie noch gar nichts zu diesem Thema gesagt hatte. Vielleicht hätte er besser doch nicht das Thema auf den Stützpunktleiter bringen sollen. Schließlich war es unumwindbar mit Ebelsieder verbunden. Er bereute es und begab sich zu Biggi in die Küche, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei. "Möchtest du auch Kaffee?", fragte Biggi ihn, als er reinkam. "Äh ja, danke. Biggi ich ... ich wollte nicht ..." Biggi unterbrach ihn. "Ist schon gut, Michael. Ich muss doch langsam lernen, damit umzugehen, ich kann diesen Kerl nicht immer verdrängen. Mach dir keine Gedanken." Michael nickte, zwar nicht ganz überzeugt, aber was sollte er denn sagen.

Schließlich half er ihr mit dem Geschirr und deckte im Aufenthaltsraum den Tisch. Nach wenigen Minuten war der Kaffee fertig und sie setzten sich alle zusammen zum Frühstück, zu dem heute ausschließlich keiner gekommen war. Das Thema Vorgesetzter legten sie beiseite und plauderten heiter darüber, ob Ralfs und Gabis Baby wohl mehr ihm oder ihr ähnlich sehen würde. "Also es kann sich wirklich glücklich schätzen, wenn es nicht deine Nase hat, Ralf.", lachte Michael, und Biggi stimmte mit ein. Ralf grinste verlegen, schmollte dann aber ein wenig und sah Michael beleidigt an. Er erwartete Trost und die Widerlegung dieser Feststellung von Gabi, doch das bekam er nicht. Gabi, deren Inneres sich wieder einmal vor Verzweiflung zusammengezogen hatte bei dem Gedanken daran, dass Ralf vielleicht gar nicht der Vater ihres Kindes war, hatte sich stumm in ihre Kaffeetasse vertieft. Auch wenn sie es oft noch so gut schaffte, die Glückliche und freudig Erwartende zu spielen, irgendwann wurde es auch mal zuviel für sie und sie schaffte es nicht. Klar, sie hatte es schon einigermaßen überwunden, es geschafft, oft wieder richtig glücklich zu sein und sich an diese Situation der Ungewissheit gewöhnt, die auch noch einige Zeit andauernd würde. Doch bei einer Diskussion, in der es darum ging, wem denn ihr Baby ähnlich sehen würde, konnte sie nur an dieses schreckliche Gesicht von Rene denken, das ihr den Atem zuschnürte. Gerettet aus dieser Situation wurde sie schließlich durch den ersten Alarm. Alle fuhren vor Schreck hoch, es war schon so lange her, seit sie das letzte Mal dieses ohrenbetäubende Geräusch gehört hatten. Biggi, Ralf und Gabi sprangen auf, verabschiedeten sich schnell von Michael und rannten in den Hangar.

Biggi zog den Helicopter mit einem Gewaltstart in die Höhe und flog dann die angegebenen Koordinaten an. Ein Junge hatte bei der Explosion eines Feuerwerkskörpers schwere Verbrennungen an den Händen erlitten. Nachdem Biggi den Heli auf einer Wiese neben der Unfallstelle gelandet hatte, schnappten sich Ralf und Gabi sofort die Ausrüstung und liefen zu dem verletzten Kind, das bereits von einer ganzen Traube von Passanten und Angehörigen umringt war. Biggi schaltete währenddessen langsam die Turbine aus und ging zum hinteren Teil des Medicopters um die Trage zu holen.

Ralf und Gabi hatten dem Jungen ein Schmerzmittel verabreicht und etwas gegen den Schock. Dann versorgten sie die Brandwunden. Es schneite ziemlich heftig und Biggi kämpfte sich durch den Schnee mit der Trage unterm Arm zu Gabi und Ralf, die das Kind bereits transportbereit hatten. ‚Na der Tag fängt ja gut an.’, dachte sie sich, als sie den kleinen Jungen so hilflos im Schnee liegen sah. Schnell hoben Ralf und Gabi ihn auf die Trage gelegt und brachten ihn in den Heli. Biggi war schon vorgelaufen und hatte die Turbinen gestartet. Als nach Gabi und Ralf dann auch die Mutter das Jungen, die mitfliegen wollte, eingestiegen war, hob sie ab.

Währenddessen waren auch Thomas und Peter auf der Basis eingetroffen. Peter hatte einen ganzen Karton mit Feuerwerk mitgebracht. „Was soll das denn werden?“, fragte Michael und Thomas irritiert, als der Sanitäter den Aufenthaltsraum betrat., „Na ja, ich dachte mir, wenn wir zu Sylvester schon nicht frei haben und hier auf der Basis feiern müssen, dann können wir es uns ja wenigstens so schön wie möglich machen und trotzdem ein bisschen feiern.“ „Da hast du allerdings Recht.“, stimmte Michael ihm zu, während er den Karton öffnete und nachsah, was Peter alles mitgebracht hatte. Er zog ein riesiges Paket Luftschlangen hervor und warf es dann Thomas zu, der auf dem Sofa saß. „Hey, was soll das denn?“, fragte er erschrocken. „Du kannst ja schon mal mit dem Schmücken beginnen, du hast ja gerade nichts zu tun, oder?“, antwortete Michael grinsend und sah dann wieder in den Karton. „Mann, das muss ja ne Menge gekostet haben.“, stellte er fest, als er schließlich das gesamte Feuerwerk betrachtet hatte. Peter schüttelte den Kopf und erklärte dann stolz, dass ein alter Kumpel von ihm in einer Feuerwerksfabrik arbeitete und er die Sachen umsonst bekommen hatte.

Inzwischen hatte die B Crew den Jungen im Zentralklinikum abgeliefert und war bereits zurück auf der Basis. „Hoffentlich kommen heute Abend nicht allzu viele Einsätze, damit wir auch noch ein bisschen etwas von Sylvester haben.“, meinte Ralf und grinste Gabi dabei verschwörerisch an. Biggi grinste ebenfalls. „Ja, aber so wie ich unser Glück mal wieder kenne….“, befürchtete sie. Gabi und Ralf nickten zustimmend. Doch sie waren alle froh, dass sie zumindest über Weihnachten eine Woche freigehabt hatten. Nun waren sie erholt und es machte ihnen nicht allzu viel aus an Sylvester Schicht zu haben.

Peter, Thomas und Michael hatten währenddessen bereits den ganzen Aufenthaltsraum mit Luftschlangen und Girlanden geschmückt. „Meint ihr nicht, ihr übertreibt es ein bisschen?“, zweifelte Max, als er den Aufenthaltsraum unter all den Luftschlangen sah. Michael, Thomas und Peter sahen sich unschuldig an und zuckten mit den Schultern. „Peter hat das Zeug umsonst bekommen, so was muss doch nutzen.“, meinte Thomas dann grinsend. Wenige Sekunden später vernahm er bereits das Rotorengeräusch der BK vernehmen und eilte nach draußen zur Landeplattform, wo Biggi bereits zur Landung ansetzte. Michael und Peter gingen zum Fenster, schoben mit den Fingern einen Spalt zwischen die Jalousien und beobachteten, wie Biggi aus dem Heli stieg und Thomas direkt in die Arme lief. Max schüttelte nur grinsend den Kopf und verschwand wieder in den Hangar.

Biggi begrüßte Thomas erst einmal mit einem langen Kuss. „Schön, dass du endlich wieder da bist, ich hab schon auf dich gewartet….“, meinte er dann. „Jetzt bin ich ja da.“, meinte Biggi lächelnd und drückte ihm dann noch einen Kuss auf den Mund. Dann gingen sie Arm in Arm Richtung Hangar. „Und, war der Einsatz schlimm?“, erkundigte Thomas sich. „Nein, aber das Opfer war noch ein Kind….“, erzählte Biggi ihm. Thomas nickte verständnisvoll, Unfälle mit Kindern waren immer am schlimmsten. Er zog Biggi noch dichter zu sich, während sie sich noch enger an ihn kuschelte.

Gabi und Ralf hatten den geschmückten Aufenthaltsraum bereits betreten. „Oh mein Gott, was ist denn hier passiert?“, wunderte Gabi sich und ließ Michael und Peter zusammenzucken. Die beiden hingen immer noch vor dem Fenster und hatten Gabi und Ralf gar nicht bemerkt. Verlegen drehte sie sich um, doch Gabi und Ralf hatten die Situation natürlich sofort durchschaut. Kopfschüttelnd verschwanden sie in der Küche um nachzusehen, ob noch Kaffee dort war.

Die restliche Schicht des B Teams verlief ruhig und es gab keine weiteren Einsätze. Auch nach ihrer Schicht blieb die B Crew noch auf der Basis, um die kleine Sylvesterfeier, die am Abend stattfinden sollte, ein wenig vorzubereiten. Da sie durch die Schicht nicht so viel Zeit hatten, hatten sie dieses Mal das Essen nicht selbst gemacht, sondern einen Partyservice bestellt.

Während Gabi und Biggi den Aufenthaltsraum noch ein wenig aufräumten und herrichteten, hatten sich Peter, Ralf, Thomas und Michael in den Hangar verzogen und lieferten sich dort ein Duell am Kicker. Michael und Thomas spielten gegen Ralf und Peter. Die Sanitäter waren jedoch haushoch am verlieren, da Peter andauernd Eigentore schoss.

„Das sind wieder Typisch unsere Männer, haben nur Fußball im Kopf.“, meinte Gabi grinsend zu Biggi. Diese nickte ebenfalls grinsend. „Tja, so sind sie eben…“

Als die beiden fertig waren und alles hergerichtet hatten, gingen sie ebenfalls in den Hangar, um zu sehen, was die anderen machten. „Und, wie läuft das Spiel?“, erkundigte Gabi sich. „Na, wie wohl, mit Peter im Team?“, gab Ralf zurück, worauf er von Peter einen Stoß in die Rippen bekam. „Oh, du Armer.“, lachte Gabi und ging zum Getränkeautomaten, wo sie sich genau wie Biggi eine Cola holte. Biggi ging zu Thomas und legte von hinten ihre Arme um ihn. „Kommst du kurz mit raus ein bisschen frische Luft schnappen?“, fragte sie ihn und lächelte ihn an. „Natürlich, mein Schatz.“, antwortete Thomas und wendete sich vom Kicker ab, hin zu Biggi. Peter und Michael sahen sich an und verdrehten die Augen. „Maaaax!!! Kannst du für Thomas übernehmen?“ Schon kam Max aus der anderen Ecke des Hangars herbei geeilt und übernahm für Thomas, der nun mit Biggi beschäftigt war. Sie standen Arm in Arm einige Meter vom Kicker entfernt und sahen sich verliebt in die Augen, wobei sie sich immer wieder küssten. Dann gingen sie langsam nach draußen, direkt zu ihrem Lieblingsplatz an der Salzach. Es hatte aufgehört zu schneien, doch die ganze Basis war mit einer dicken, bläulich schimmernden Schneedecke überzogen und die Salzach war zugefroren. „Ist es nicht schön hier?“, schwärmte Biggi, die sich in Thomas’ Arme gekuschelte hatte. Er nickte, schloss sie noch fester in die Arme und küsste sie dann zärtlich. „Und mit dir ist es am schönsten.“ Biggi lächelte und küsste ihn daraufhin wieder. So standen sie eine ganze Weile da, umarmten sich und sahen auf die glitzernde Eisdecke auf der Salzach.

Auch Ralf hatte sich inzwischen vom Kicker gelöst und war mit Gabi zusammen in den Aufenthaltsraum gegangen. Dort legten sich die beiden zusammen aufs Sofa. Gabi kuschelte sich an Ralf und schloss die Augen, während er ihr zärtlich mit der Hand über den bauch strich. „Ich freu mich ja schon so sehr auf unseren Nachwuchs.“, meinte er lächelnd. Sie freute sich ja auch, doch die Frage, wer nun der Vater war, würde sie wohl niemals loslassen. Im Gegenteil es kam ihr fast so vor, als würde es immer schlimmer werden. Immer wenn sie Ralf ansah, dann dachte sie an das Kind und daran, dass sie ihn die ganze Zeit belog und es möglicherweise nicht von ihm war. Wie sollte es nur weitergehen? Sie hatte es so satt ihn zu belügen. Sie liebte ihn doch über alles. Ebenso hatte sie es satt Biggi zu belügen. Doch sie hatte ja keine andere Wahl, sonst würde alles herauskommen und das wäre das Ende. An manchen Tagen war sie so verzweifelt, dass sie absolut keinen Ausweg mehr sah und heute war einer dieser Tage.

So verging der Tag und der Jahreswechsel rückte immer näher. Gegen 20 Uhr traf der Party Service auf der Basis ein. Sie hatten sich ein kleines Buffet bestellt. Mit hungrigen Augen standen sie schon im Aufenthaltsraum versammelt und empfingen den Angestellten des Partyservice. "Na Sie sehen aber wirklich hungrig aus.", bemerkte dieser, worauf sie verlegen grinsten. Besonders Peters Magen knurrte schon bedenklich laut. Hatte er doch extra für den Abend seit heute morgen nichts mehr gegessen. Thomas zog Biggi von hinten an sich und flüsterte ihr dann ins Ohr. "Ich bin auch hungrig. Aber hungrig nach dir..." "Echt? Findest du nicht, ein gutes Sandwich wäre knuspriger?", fragte sie ihn daraufhin lächelnd. "Nein. Ganz bestimmt nicht." Dann drehte Biggi sich um und sie küssten sich zärtlich. Während sie in ihren Küssen versanken, hörten sie gar nicht mehr die freudigen Stimmen der anderen. "Oh, sieht das lecker aus! Mann, Biggi und Thomas, hört doch mal auf rumzuknutschen.", forderte Peter sie dann auf. Wieder mal erschraken sie ziemlich, als er ihre Namen rief. Schließlich begutachteten auch sie positiv überrascht die Arbeit der Partyleute. Der Lieferant erhielt reichlich Trinkgeld und verabschiedete sich mit guten Neujahrswünschen. "Na dann lasst uns mal zulangen, ihr Lieben.", meinte Michael und rieb sich die Hände. So schoben sie den kleinen Tisch, auf dem das Buffet angerichtet war, hinüber zu den Sofas und machten es sich dort in einer schönen Runde gemütlich. Biggi saß auf Thomas' Schoß und er fütterte sie mit Lachs-Brötchen. Bald begannen sie wieder, gemeinsam an einem Brötchen zu essen und alberten herum - schließlich hielten die anderen es nicht mehr aus und warfen mit Kissen nach ihnen. Klarerweise blieb das nicht ohne Folgen, und sie starteten eine wilde Kissenschlacht. Niemand blieb verschont, und sie hatten eine Menge Spaß. "Mann, dass eine Schicht so unterhaltsam sein kann...", lachte Peter kurz bevor er wieder ein Kissen direkt ins Gesicht geschleudert bekam.

Nach einer halben Stunde waren sie alle vollkommen erschöpft und ließen sich fix und fertig in die Sofas sinken. Ralf fragte Gabi besorgt: "Geht's dir gut?" Aus lauter Euphorie wegen der Kissenschlacht hatte er ganz darauf vergessen, dass Gabi sich schließlich ein wenig schonen musste aufgrund der Schwangerschaft. "Klar, Schatz. Super.", lächelte sie glücklich und küsste ihn. Er freute sich total darüber, und vor allem, weil Gabi wieder einmal ein richtiges Strahlen in den Augen hatte. Er erwiderte den Kuss zärtlich und sie kuschelte sich an ihn.

Nach einer Weile zog Thomas, der ebenfalls ausgelaugt neben Biggi auf dem Sofa gelegen war, Biggi einfach hoch, nahm sie an der Hand und ging mit ihr nach draußen. "Was hast du denn jetzt schon wieder vor?" "Ich hab noch nicht gegessen.", antwortete er ihr grinsend. "Du bist unersättlich.", sagt Biggi darauf nur und musste lachen. "Aber von so ner Art von Mahlzeit könnte ich auch nie genug bekommen...", fügte sie hinzu und kuschelte sich an ihn. Langsam schritten sie in den Hangar. "Brrr, ist das kalt.", sagte Biggi, als sie in der großen Halle standen, die natürlich kaum beheizt wurde, auch nicht im Winter. Thomas zog sofort seine Jacke aus und legte sie ihr um. Dann zog er aus einem Schrank eine dicke, große Wolldecke hervor und die beiden kuschelten sich gemeinsam hinein. So schritten sie dann Arm in Arm hinaus in die Nacht. Vor ihnen am Landeplatz stand der Heli, die Schneeflocken glitzerten lieblich am Lack. Die beiden blieben stehen, und ihre Lippen näherten sich einander, bis sie schließlich in innige Küsse versanken. Die dicken Schneeflocken fielen sanft auf sie hernieder, bis sie dann die Decke über ihre Köpfe zogen und sich an der Schiebetür des Helis anlehnten. Sie küssten sich immer leidenschaftlicher, und sahen sich dabei, soweit sie in der Dunkelheit überhaupt etwas sehen konnten, tief in die Augen. Thomas strich Biggi mit der Hand liebevoll über das Haar und flüsterte: "Ich liebe dich über alles." Biggi sah ihn an, lächelte, und antwortete ihm dann mit einem innigen Kuss.

Währenddessen ruhten sich die anderen ein wenig im Aufenthaltsraum aus, da sie ziemlich erschöpft von der Kissenschlacht waren. „Mann, Mann, mit euch erlebt man wirklich was…“, stöhnte Michael grinsend. „Hey, wer hat das erste Kissen geworfen?“, fragte Ralf ebenfalls grinsend und alle Blicke richteten sich auf Michael. Die fröhliche Stimmung wurde jedoch jäh unterbrochen. „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, Großbrand in einer Fabrikhalle in der Nähe von Rosenheim. Beide Teams werden gefordert. GPS Koordinaten über Funk.“ „Ich hab’s geahnt, das konnte ja nicht gut gehen, irgendwann musste ja noch ein Einsatz kommen.“, meinte Gabi, nachdem es den ganzen Abend ruhig gewesen war. „Und dann auch noch dann, wenn wir eigentlich gar keine Schicht haben.“, setzte Ralf hinzu, während sie sich ihre Jacken vom Harken nahmen und die Notfallausrüstung zusammen suchten.

Biggi und Thomas waren ebenfalls durch den Notruf aufgeschreckt. „Immer, wenn es am schönsten ist…“, meinte Biggi traurig. Thomas stimmte ihr betrübt nickend zu. „Willst du fliegen, oder soll ich?“, fragte er Biggi dann. Sie lächelte ihn an und antwortete: „Na wenn du schon so fragst…. ich.“ Thomas grinste, mit dieser Antwort hatte er gerechnet. Er hielt Biggi die Tür auf der Pilotenseite auf. „Nach Ihnen….“ „Danke.“, erwiderte Biggi lächelnd und drückte ihm noch einen letzten Kuss auf den Mund. Dann kamen auch schon Gabi, Michael, Ralf und Peter aus dem Hangar gerannt und Thomas schwang sich auf den Copilotensitz. Biggi zog den Helicopter mit einem Gewaltstart in die Höhe und meldete sie dann beim Tower an. Munich Tower, this is Medicopter one one seven, good evening.“ „Good evening, Medicopter one one seven, go ahead.” „We’d like to cross your control zone from east to west, destination Rosenheim.” „Roger Medicopter one one seven, you’re clear to proceed.”

„Großbrand in einer Fabrikhalle, was uns dort wohl wieder erwartet.”, befürchtete Michael. Sie alle hatten so sehr gehofft, dass es in der Sylvesternacht keinen Einsatz geben würde und sie in Ruhe feiern könnten, doch sie wusste selbst, wie unwahrscheinlich es gewesen wäre.. gerade Sylvester ereigneten sich viele Unfälle.

„Das sieht ja übel aus.“, bemerkte Gabi, als Biggi im Landeanflug war und sie die Halle aus dem Seitenfenster erkennen konnte. Das Gebäude war anscheinend explodiert und überall schlugen noch Flammen hervor. Zudem zogen dicke Rauchschwarten durch die Luft. Die Feuerwehr kämpfte verzweifelt gegen die Flammen, doch da in der Fabrikhalle Chemikalien gelagert waren, die den Brand beschleunigten, hatten sie gegen das Feuer kaum eine Chance.

Biggi landete den Helicopter mit einem Sicherheitsabstand von einigen Metern auf einem großen Parkplatz, der extra für die Landung des Medicopters frei geräumt worden war.

Nachdem Biggi gelandet war, eilten Michael, Peter, Gabi und Ralf sofort zum Einsatzleiter der Feuerwehr um sich über die aktuelle Lage zu informieren. „Kollmann, ich bin die Notärztin, wo sind die Verletzen?“, erkundigte Gabi sich. „Eine Gruppe von Jugendlichen hat mit Feuerwerkskörpern in der Werkhalle experimentiert, dann ist hier alles in die Luft geflogen, dort sich hoch giftige Chemikalien gelagert. Einige Fässer sind schon explodiert und die übrigen können jeden Moment in die Luft gehen. Zwei der vier Jugendlichen haben wir schon verletzt bergen können, die anderen beiden sind noch im Gebäude, aber sie haben kaum eine Chance. Dort drinnen gibt es kaum noch Sauerstoff, wenn sie nicht schon verbrannt sind dann werden sie ersticken.“ „Oh Gott.“, war Gabis einzige Reaktion. Sie mussten doch irgendwas tun könne. „Wir werden die beiden da rausholen.“, sagte Michael, der alles mit angehört hatte, dann entschlossen. „Das ist Wahnsinn, die restlichen Fässer können jede Sekunde in die Luft gehen, dann kann das ganze Gebäude einstürzen. Glauben sie mir, wie haben schon alles versucht, was in unserer Macht steht.“, wollte der Einsatzleiter ihn davon abbringen.

Inzwischen waren ach Thomas und Biggi hinzugekommen. „Dort sind noch zwei Jugendliche drinnen.“, informierte Gabi die beiden mit bebender Stimme. Biggi sah sie entsetzt an. „Die beiden haben kaum noch eine Chance, die Luft dort drinnen hat so gut wie keinen Sauerstoff mehr und die Chemikalien, die in der Halle gelagert waren, können jederzeit in de Luft gehen und das Gebäude zum Einsturz bringen.“ Auch Thomas und Biggi waren entsetzt, doch was sollten sie tun?

Ralf und Peter kümmerten sich währenddessen um die beiden anderen Jugendlichen, die von der Feuerwehr bereits aus der Halle geholt worden waren. Sie hatten erhebliche Verbrennungen und eine Rauchvergiftung, doch zum Glück waren ihre Verletzungen nicht lebensgefährlich.

Thomas, Biggi, Michael und Gabi überlegten fieberhaft, wie sie zu den beiden anderen Jugendlichen gelangen konnten. Die Unterstützung der Feuerwehr hatten sie nicht, das hatten sie inzwischen bereits akzeptiert. Doch niemand würde sie davon abbringen können, die beiden zu retten. Oder zumindest einen Versuch zu starten, sie zu retten. Auch wenn sie dabei ihr eigenes Leben riskieren würden...

Schließlich kamen sie zu einem Entschluss. Sie würden den Heli über das Dach des Gebäudes lenken, das inzwischen ohnehin bereits vollkommen löchrig war. So konnte sich Michael trotz allen Risikos zu den beiden abseilen und versuchen, sie schnellstmöglich nach oben zu bergen, was immer noch sicherer war, als es durch den Eingang zu versuchen. Biggi und Gabi sollten inzwischen unten bleiben, obgleich sie unbedingt mitfliegen wollten. Doch Thomas und Michael schafften es mit viel Mühe, sie davon abzubringen. "Das ist viel zu gefährlich. Stellt euch vor, das Gebäude explodiert und ich kann den Heli nicht rechtzeitig abschweifen. Wenn schon, dann sollten wenigstens nur wir beide draufgehen.", versuchte Thomas, sie zu überzeugen. "Aber wir sind ein Team! Das kommt gar nicht in Frage, wir fliegen mit." "Es reicht, wenn zwei dort oben sind. Und ihr könnt inzwischen unten nach dem rechten sehen.

Entweder ihr bleibt hier, oder wir blasen die ganze Aktion ab.", wurde Michael dann forsch. Er wusste, dass seine beiden Kolleginnen einen großen Sturkopf hatten, doch das konnte er als Noch-Stützpunktleiter nicht verantworten. Er konnte ja nicht mal sein eigenes Risiko verantworten. Also warteten Biggi und Gabi vor dem Eingang des Gebäudes und sahen den beiden wehmütig nach. Biggi hatte unheimliche Angst um Thomas, natürlich auch um

Michael. Wenn das Gebäude jetzt explodieren würde ... das wäre eine Katastrophe. Sie versuchten beide, nicht an so etwas zu denken und verfolgten angespannt das Szenario in der Luft mit. Thomas und Michael befanden sich jetzt über dem Dach, und Michael ließ sich nun langsam abseilen. Er hatte sich eine Sauerstoffmaske umgelegt, da er schließlich dort unten kaum atmen können würde. Er hatte Glück. Direkt unter ihm war das Glasdach der Fabrikhalle eingebrochen und er hatte ein relativ großes Loch zum durchschlüpfen. Es war überall Rauch, und je weiter er nach unten gelangte, desto besser erkannte er die roten und grünen Fässer, die auf dem Boden verstreut lagen. "Alles ok, Michael?", fragte Thomas. "Ja, noch alles ok.", antwortete Michael durch den Funk, wobei ihm allerdings äußerst mulmig zumute war. Thomas bemerkte das sofort an seiner Stimme. "Michael?" "Ja" "Wir schaffen das schon. Du musst einfach dran glauben. Es wird nicht explodieren. In einer Stunde sitzen wir schon wieder in der Basis und schlagen uns die Bäuche voll." "Dein Wort in Gottes Ohr.", sagte Michael darauf nur, doch er war in diesem Moment sehr dankbar, dass er Thomas bei

sich hatte. Einige Sekunden später war er bereits unten angelangt. Durch den Rauch konnte er nicht viel erkennen, und leider war die Halle gigantisch groß. Er nahm sich die Maske ab, und so laut er konnte, rief er: "HALLO? KANN MICH JEMAND HÖREN??" Er sah nach unten. Der Boden kam ihm unheimlich vor. Er schien ziemlich morsch zu sein, teilweise war er durch lose Bretter ausgebessert. Er war froh, am Seil zu hängen, denn der Haltbarkeit dieses

Bodens traute er gar nicht. Was wohl darunter war?? Das Gebäude musste wirklich uralt sein. Nochmals rief er: "HAAALLO!!!" Plötzlich hörte er etwas. Ja, dort hinten! Er hörte eine Stimme, zwar recht weit entfernt, aber eindeutig mussten es die beiden Jugendlichen sein. "Thomas, gib Seil! Ich glaube, ich hab sie gefunden!" "Alles klar!" Michael hakte sich nicht aus, dazu war ihm der Boden zu undicht. So schnell er konnte, eilte er mit vorsichtigen Schritten in die Richtung, aus der die Stimme kam. Bald war er dort angelangt. Die beiden Jungs, er schätzte sie auf zwischen 14 und 16, befanden sich in einer Ecke. Einer lag auf dem Boden und war über und über versäht mit Brandwunden, er schien bewusstlos und schwer verletzt zu sein. Der andere kniete schwankend, aufgrund des Sauerstoffmangels, bei ihm und

sah Michael voller Panik aus Angst um seinen Freund in die Augen. "Hab keine Angst, ich bin Notarzt, wir werden deinem Freund helfen und euch sicher da rausbringen. Bleib nur ganz ruhig, ok?" Er nickte nur. Michael übergab ihm eine kleine Sauerstoffflasche und wies ihn an, tief durchzuatmen. Dann testete er so schnell es ging die Vitalfunktionen des Schwerverletzten, und stellte erleichtert fest, dass er am Leben war. Doch das konnte nicht mehr lange andauern. Er stand bereits an der Schwelle zwischen Leben und Tod, und Michael wusste, dass er nicht überleben würde, käme er nicht sofort in eine Klinik. Sein Freund sah Michael fragend an. Er nickte ihm zu. "Ist nicht so schlimm. Das kriegen wir schon hin." Dann nahm er den ersten Gurt und begann, ihn vorsichtig dem Verletzten, der jünger war als der andere, umzulegen. Es war ziemlich kompliziert, da er in der Dunkelheit kaum etwas sah. Er hatte komplett vergessen, die Helmlampe mitzunehmen. Das einzige, was ihm ein klein wenig Licht spendete, waren die Helicopterscheinwerfer von oben. Und noch dazu musste er enorm aufpassen, den Jungen nicht noch schwerer zu verletzen. Aus Versehen nahm er den Rettungsgurt einmal verkehrt herum. "Scheiße!", ärgerte er sich. Sie hatten nicht mehr viel Zeit. Endlich hatte er den Gurt richtig rum angelegt und befestigte den Haken am Seil. Da

passierte es. Der ältere Junge, der total unter Schock stand, war ein paar Schritte nach hinten gegangen, ohne dass Michael es bemerkt hatte. Plötzlich brach er in den Boden ein. Michael konnte gar nichts tun. Er sah nur noch, wie der Junge durch den losen Boden nach unten fiel und irgendwo unten landete. Er konnte es nicht fassen. Was sollte er jetzt nur tun??? Er bewegte sich vorsichtig an den Rand das Einsturzloches und rief nach unten: "Kannst du mich hören? Bist du ok?" Der Junge war zum Glück nicht sehr hart gelandet, und so war er trotz einigen leichten Verletzungen bei Bewusstsein. Er stammelte ängstlich ein leises "Ja" nach oben. "Bitte retten Sie meinen Freund." Michael rang mit sich. Es war nahezu unmöglich, in dieser Situation noch klare Gedanken zu fassen. Doch er musste es tun. Würde er jetzt versuchen, auch den anderen Jungen noch zu bergen, würde sein Freund mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sterben. Möglicherweise ging durch den Zeitverlust dann auch noch das Gebäude in die Luft, und so würde er nicht nur die beiden Jungs, sondern auch Thomas mit sich in den Tod ziehen.

Würde er jetzt allerdings mit dem verletzten Jungen nach oben und ins Krankenhaus fliegen, und währenddessen der Feuerwehr die Bergung des Freundes überlassen, hätten sie noch am ehesten Chancen. Also entschloss er sich dazu. "Ok. Du bleibst genau da, wo du bist. Die Feuerwehr wird dich rausholen. Und wir retten inzwischen deinen Freund." Er sah nach unten, konnte den Jungen aber immer noch nicht erblicken, es war einfach viel zu dunkel. Er wusste nicht mal, wie weit unten er sich befand, geschweige denn, wo er sich dort überhaupt befand. Nachdem er dem Jungen ein letztes Zeichen gegeben hatte, nahm er den Verletzten zu sich und funkte an Thomas. "Thomas, wir sitzen leider in der Scheiße. Einer der Jungs ist eingestürzt, wir müssen die Feuerwehr überzeugen, ihn zu bergen. Sein Freund muss sofort in die Klinik geflogen werden, sonst hat er keine Chance. Zieh mich hoch." "Ok. Biggi und Gabi, habt ihr mitgehört?" Die beiden hatten sehr wohl mitgehört und alles verfolgt. "Ja", antwortete Biggi, die wie Gabi ziemlich erschüttert war. "Kümmert ihr euch darum, dass die Feuerwehr ihn doch birgt? Sie muss einfach, sind wir denn nun Lebensretter, oder nicht?" "Wir versuchen, sie zu überzeugen." "Ok. Aber keine Touren im Alleingang, ist das klar? Ihr überlasst das der Feuerwehr! Versprich es mir, Biggi.", forderte Thomas von den beiden. Biggi konnte nicht darauf antworten. Was, wenn die Feuerwehr nicht mit sich reden lassen würde? Sie warf Gabi einen Blick zu. Dann sprach sie in den Funk: "Wir werden die Feuerwehr überzeugen." Thomas gab sich mit dieser Antwort, die sein Versprechen überging, nicht zufrieden. Doch er hatte keine Gelegenheit mehr, noch etwas zu sagen, da Michael

bereits oben angekommen war und er sich alle Mühe geben musste, das Seil neben der Fliegerei noch richtig zu bedienen. Als Michael endlich drinnen war und die Tür geschlossen hatte, flog Thomas in hohem Bogen in Richtung Klinikum. "Biggi?", fragte er dann nochmals. Biggi hörte es noch, doch bevor sie irgendetwas antworten konnte, brach der Funk ab. "Mist!", ärgerte sich Thomas. Dann flüsterte er leise: "Bitte pass auf dich auf, mein Schatz." Er fühlte sich überhaupt nicht wohl. Doch er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er wünschte sich jetzt nur zu Biggi und hoffte, dass sie wirklich in einer Stunde wieder auf der Basis sitzen würden und gemütlich ins neue Jahr feiern könnten. Es war nämlich bereits kurz vor 23 Uhr. Inzwischen gaben sich Gabi und Biggi unten alle Mühe, die Feuerwehr zu

überreden. "Können Sie das etwa mit Ihrem Gewissen vereinbaren?? Wollen Sie wirklich das Leben eines jungen Menschen so verantwortungslos aufgeben??" "Wir sind hier nicht die Verantwortungslosen. Wir haben Regeln zu befolgen, genau wie Sie, wenn ich Sie erinnern darf. Diese Aktion vorhin war ja schon lebensmüde. Ein Wunder, dass Ihre Kollegen nicht mit den beiden Jungs allesamt draufgegangen sind!" "Sie sehen, es gibt Wunder. Bitte, geben Sie

dem Jungen doch eine Chance." "Es tut mir leid. Nein." Der Feuerwehrkommandant ließ nicht mehr mit sich reden. Das Risiko war ihm zu hoch. Er hatte schon zuviel erlebt, um sich zu so einem Wagnis durchzuringen. Trotz all der Hochachtung vor dem viel gerühmten

Medicopter-Team. Diese Nummer war ihm zu hoch. Gabi und Biggi nickten. Sie wussten, was sie zu tun hatten. "Na gut. Dann bitten wir Sie, uns wenigstens ihre Ausrüstung zu überlassen. Ein Seil, Sauerstoff und ein paar Haken, mehr brauchen wir nicht.", sagte Biggi forsch zu dem Kommandanten. "Wieso nur ein Seil, Biggi?", fragte Gabi ihre Freundin. "Weil du nicht mit nach unten kommen wirst. Du setzt zwei Leben aufs Spiel, ich nur eins. Das lasse ich nicht zu." "Jetzt fängst du auch noch damit an. Du hättest Thomas ein Versprechen geben sollen. Das hast du auch nicht getan. Jetzt darfst du von mir nicht verlangen, dich dort unten

allein zu lassen. Entweder wir beide, oder keine." Gabi sah Biggi mit einem Blick an, der keinen Widerspruch zuließ. Und so gern Biggi ihre Freundin auch davor bewahrt hätte, ihr Leben und das ihres Kindes dermaßen aufs Spiel zu setzen, sie hatte keine Chance. Also korrigierte sie ihre Bitte an den Kommandanten. "Zwei Seile und zwei Sauerstoffflaschen, bitte." An Gabi gewandt meinte sie: "Sturschädel." "Gleichfalls.", meinte Gabi darauf.

Der Feuerwehrmann schüttelte nur den Kopf. Dann übergab er den beiden das Gewünschte und machte sich mit seinen Männern daran, die Löschwerkzeuge bereitzustellen, für den Fall dass das Gebäude in den nächste Minuten explodieren würde.

Gabi und Biggi machten sich auf zum Eingang der Halle. Auf Ralfs und Peters Unterstützung konnten sie leider auch nicht setzen. Die beiden waren schon einige Zeit lang zuvor mit anderen Rettungsmannschaften und den beiden anderen Verletzten in Spezialkliniken gefahren. Sie waren nun auf sich allein gestellt. Vor dem Eingang legten sie sich die Sauerstoffmasken um und kämpften sich schließlich durch den Rauch in die Halle. Überall lag Gerümpel und der Boden war übersäht mit abgestürzten Dachbalken, die

brannten. Bald fiel ihnen auf, dass der Boden tatsächlich vollkommen weich war. Sie sahen sich an und nahmen sich dann an der Hand. "Irgendwo dort hinten muss es gewesen sein", sagte Gabi dann hustend. Biggi nickte, und so machten sie sich auf den Weg. Immer wieder erblickten sie einige der großen, grünen und roten Tonnen, auf denen ein Totenkopf abgebildet war. Nach einer Weile hielten sie schließlich an. Sie befanden sich vor dem Einsturzloch. Vorsichtig beugten sie sich nach unten und versuchten, etwas zu erkennen. Der Junge, der zusammengekauert unten am Boden saß und vor Angst am ganzen Körper zitterte, blickte nach oben und rief: "Hallo? Ich bin hier unten! Bitte holt mich raus!" "Ja, klar werden wir dich rausholen. Wir sind gleich bei dir, ok?", antworteten Gabi und Biggi. Sie befestigten die Seile an einer Stange, die an der Wand befestigt zwar und ziemlich stabil aussah. Sie

hatten ohnehin keine andere Wahl. Um sich gegenseitig zu sichern, war keine Ausrüstung und auch nicht die nötige Zeit vorhanden. Also stiegen sie nun gemeinsam ab und kletterten am Seil langsam nach unten. "Mann, ist das tief.", meinte Biggi. Es war bald so dunkel, dass sie nicht mal mehr die Hand vor Augen sahen. Irgendwann gelangten sie schließlich nach unten, wo sie sogleich von dem Jungen empfangen wurden, der total in Panik war. "Es wird alles gut, du bist bald in Sicherheit.", versuchten sie, ihn zu beruhigen. "Bist du verletzt?" Er schüttelte den Kopf. Wenigstens einen Vorteil hatte der weiche Boden, und er hatte wirklich nur ein paar Schrammen davongetragen. "Meinst du, du schaffst es, an dem Seil nach oben zu

klettern?", fragten sie ihn. "Ja, das kann ich.", antwortete er. "Na wenigstens etwas bringen sie euch heute in der Schule bei.", meinte Biggi darauf und Gabi musste trotz der schrecklichen Lage, in der sie sich befanden, grinsen. Sie beschlossen, dass Biggi den Jungen von unten sichern würde und Gabi mit ihm zusammen nach oben klettern würde. Also befestigten

sie ihn an Biggis Seil. Langsam kletterte der Junge dann am Seil nach oben. Er hatte zudem auch noch einige Haltemöglichkeiten durch einige Balken, die sich kreuz und quer durch den Untergrund zogen. Biggi sah von unten zu, wie sie immer weiter nach oben gelangten. Schließlich kamen sie oben an. "Klasse!", rief Biggi erleichtert nach oben. Gabi machte den Jungen eilig vom Seil los und wies ihn dann an, so schnell er konnte Richtung Ausgang zu

rennen, dabei aber auf den Boden aufzupassen. Er rannte sogleich los, während Gabi Biggi nun das Seil nach unten warf. Diese machte sich wieder daran fest und begann den Aufstieg nach oben. Es war fast problemlos, doch sie hatten sich zu früh gefreut. Kurz bevor Biggi oben angelangt war und Gabi ihr die Hand reichen konnte, gab die Stange, an der die Seile befestigt waren, plötzlich nach. Biggi drohte, abzustürzen, und konnte sich gerade noch an einem Balken unterhalb des Bodens festhalten. Unter ihr war alles schwarz, und sie hatte kaum mehr Kraft, sich zu halten. "Biggi!!!!", rief Gabi panisch. "Biggi, bitte. Halt durch!!" Sie beugte sich so weit sie konnte über den Boden und versuchte, mit der Hand Biggi zu erfassen. "Gabi, pass auf!! Du stürzt ab!!", rief diese. "Ja und du???", brüllte Gabi voller

Angst zurück. Noch ein paar Zentimeter, dann könnte sie Biggi erfassen. "Nein, Gabi! Lass es, es hat keinen Sinn! Rette dich und das Baby, ich komme hier schon raus!" "Ich lasse dich nicht im Stich!!!", brüllte Gabi zurück, und ihre Augen füllten sich wie Biggis mit Tränen. Schließlich schaffte sie es, sie fasste Biggis Gurt an der Hand. Doch es sollte nicht so sein. Sie hatten keine Chance. Die Stange löste sich plötzlich mit einem lauten Ruck komplett aus ihrer Verankerung, und so ging auch Gabis Sicherung endgültig verloren. Den Bruchteil einer Sekunde später stürzten sie gemeinsam in die Tiefe. "Aaaaaaaaah!" Dann herrschte Stille.

Nachdem Michael und Thomas den verletzen Jungen in der Klinik abgeliefert hatten, trafen sie dort auf Ralf, der einen der beiden anderen Verletzten zusammen mit anderen Rettungskräften hierher gebracht hatte. Zusammen eilten sie nun zurück zum Heliport. Thomas hatte ein mehr als ungutes Gefühl. Irgendetwas sagte ihm, dass sie sich beeilen mussten, dass etwas nicht in Ordnung war. Auch Ralf war nicht wohl bei dem Gedanken daran, dass Gabi und Biggi allein am Einsatzort geblieben waren, er wusste schließlich genau, wie stur die beiden waren und dass sie, falls die Feuerwehr sich weigern würde den Jungen zu retten, auf eigene Faust etwas unternehmen würden.

Währenddessen kam Biggi langsam zu sich. Ihr Kopf schmerzte und um sie herum war alles dunkel, sodass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Es dauerte einige Sekunden bis sie sich erinnerte, was passiert war. Sie und Gabi waren abgestürzt. Biggi sah nach oben. Einige Meter über ihnen erkannte sie das Loch im Fußboden der alten Halle. Dort oben schlugen bereits die Flammen über die Öffnung und der Rauch wurde immer dichter. Langsam zog er auch durch das Loch nach unten. ‚Gabi!’, schoss es ihr dann plötzlich in den Kopf, ‚Was war mit Gabi?’ Biggi richtete sich vorsichtig auf und tastete dann den Boden um sich herum ab. Schließlich fühlte sie etwas neben sich, einen Arm – Gabis Arm. Biggi beugte sich sofort über ihre Freundin. Schnell musste sie feststellen, dass Gabi bewusstlos war. Zudem bemerkte sie, dass Gabi ihre Sauerstoffflasche bei dem Absturz verloren haben musste. Biggi nahm sich sofort die Sauerstoffmaske ab und gab sie ihrer Freundin. Erst als sie es wirklich nicht mehr aushielt, nahm sie sich selbst wieder für einige Sekunden die Maske und holte tief Luft. Dann versuchte sie Gabi zu wecken. Sie rüttelte sie an der Schulter, doch Gabi zeigte keine Reaktion. Biggi wusste nicht was sie tun sollte. Sie hatten keine Chance auch nur irgendwie hier raus zu kommen, zumindest nicht alleine. Das Loch, durch das sie gefallen waren, befand sich mindestens 5 Meter über ihnen und der Rauch wurde auch immer dichter. Zudem machte sie sich schreckliche Sorgen um Gabi und ihr ungeborenes Kind.

Nach einer Flugzeit von knapp zehn Minuten landete Thomas die BK wieder am Einsatzort. Aus der Luft hatten sie Gabi und Biggi nirgendwo erkennen können, was ihn noch nervöser machte. Er hoffte, dass sie sie nur wegen der Dunkelheit nicht entdeckt hatten, doch sein Gefühl sagte ihm, dass er sich täuschte – und es sollte Recht behalten.

Nachdem Thomas die Turbinen runter gefahren hatte, eilten er, Ralf und Michael sofort auf den Einsatzleiter der Feuerwehr zu, um sich nach Biggi und Gabriele zu erkundigen. „Wo sind unsere beiden Kolleginnen?“, fragte Ralf mit einem Anflug von Panik in der Stimme. „Wir haben versucht die beiden aufzuhalten, aber sie waren nicht von ihrem Vorhaben abzubringen.“, antwortete der Einsatzleiter. „Was??? Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, dass die beiden da rein gegangen sind?“, rief Thomas entsetzt. „Wir konnten sie nicht aufhalten. Wir haben alles versucht.“ „Wie lange sind die beiden dort schon drinnen?“, wollte Michel wissen. „Etwa eine Viertelstunde. Die Blicke von Thomas, Ralf und Michael richteten sich auf die brennende Halle, von der immer wieder einzelne Teile abfielen und in sch zusammenbrachen. „Oh Gott…“, flüsterte Thomas nur geschockt. Allen war klar, dass Gabi und Biggi schon lange wieder hätten zurück sein müssen. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass sie so lange brauchten um den Jungen zu finden und ins Freie zu transportieren. Auch die letzte Hoffnung wurde zerstört, als Michael den verletzten Jungen, den er noch aus der Halle kannte, auf einer Trage liegen sah, die gerade in einen Rettungswagen geschoben wurde. „Wie lange ist der Junge schon draußen?“, fragte er den Einsatzleiter sofort. „Etwa seit zehn Minuten. Ihre beiden Kolleginnen haben ihn aus dem Loch geholt und ihn dann angewiesen schnell ins Freie zu gehen. Die beiden sind allerdings noch nicht wieder raus gekommen.“, antwortete er mit einem mitleidigen Blick. Offensichtlich rechnete er nicht damit, dass Gabi und Biggi noch am Leben waren. „Und da haben sie nichts besseres zu tun, als hier herum zu stehen?“, schrie Thomas ihn an. Er war ebenso wie Ralf völlig fertig mit den Nerven. „Ich kann unmöglich das Leben meiner Leute aufs Spiel setzten, nur weil ihre beiden Kolleginnen so leichtsinnig waren und sich gegen unsre Anweisungen….“, versuchte der Einsatzleiter sich noch zu rechfertigen. Doch Michael, Thomas und Ralf hörten ihm bereits gar nicht mehr zu. Der einzige Gedanke war, wie sie Biggi und Gabi aus der brennenden Halle bekommen konnten. Mit dem Helicopter würden sie nicht weit kommen, denn die Halle war inzwischen so brüchig, dass der Rotorwind sie endgültig zu Einsturz bringen würde. Sie hatten also nur eine Chance, sie mussten den gleichen Weg gehen, den Biggi und Gabi gegangen waren.

Biggi versuchte währenddessen immer wieder verzweifelt Gabi zu wecken, doch sie schaffte es nicht. Sie betete, dass ihre Freundin keine schlimmen Verletzungen hatte und auch dem Baby nichts passiert war. Doch wenn sie hier nicht lebend rauskommen würden, würde ihnen das auch nicht mehr helfen. Biggi wusste, dass jede Minute zählte. Wenn die Halle über ihnen einstürzen würde, würde es Stunden dauern, bis man sie finden würde, zudem würde der Schacht, in dem sie sich befanden, wahrscheinlich mit zugeschüttet werden. Biggi sah auf ihre Sauerstoffflasche. Sie hatten noch für eine halbe Stunde Luft, geteilt durch zwei machte also eine Viertelstunde. Sie musste es irgendwie schaffen Hilfe zu holen, die anderen waren ihre letzte Chance. ‚Natürlich, warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen?’, fiel es ihr plötzlich ein. Sie griff in ihre Tasche. Dort hatte sie noch ihr Walkie. Hoffentlich war es bei dem Absturz nicht beschädigt worden. Sie nahm einen tiefen Atemzug aus der Sauerstoffmaske, die sie dann wieder Gabi gab und drückte schließlich auf die Sprechtaste ihres Walkies. Sie betete, dass es noch funktionierte und die anderen sie hören konnten. Immerhin war sie einige Meter unter der Erde. Ralf, und Thomas hatten sich gerade dazu entschlossen mit der Ausrüstung der Feuerwehr in die Halle zu gehen, obgleich sie wirklich jede Sekunde zusammenstürzen konnte. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt noch stand. Michael wusste, dass er die beiden nicht aufhalten konnte, also versuchte er es gar nicht erst. Als Ralf und Thomas sich etwa drei Meter vom Eingang entfernt befanden, erreichte sie der Funkspruch von Biggi. „Hallo, kann mich irgendjemand hören?“ Thomas nahm sofort sein Walkie aus der Tasche. „Biggi, Gott sei Dank. Was ist los? Wo seid ihr?“, fragte er aufgeregt, aber andererseits erleichtert, dass Biggi noch am Leben war. Biggi hustete, sie bekam kaum noch Luft und nahm sich für ein paar Sekunden die Sauerstoffmaske. Dann antwortete sie ihm. „Thomas, wir sind abgestürzt, dort wo auch der Junge durch den Boden gestürzt ist. Gabi ist bewusstlos, ich weiß nicht, was mit ihr ist.“ Ralf lief bei diesen Worten ein Schauer über den Rücken. Was war mit Gabi? „Wir holen euch da raus, Biggi. Bleib ganz ruhig. Ralf und ich gehen jetzt rein.“ „Nein!!“, protestierte Biggi sofort, „Hier ist überall Feuer und die Balken stürzen von der Decke, das ist viel zu gefährlich.“ Sie wollte auf keinen Fall, dass Thomas sich in Gefahr brachte. „Biggi, ihr müsst da schnellstens raus, die Halle kann jeden Moment einstürzen. Wir gehen jetzt rein.“, antwortete Thomas entschlossen und betrat dann mit Ralf zusammen die Halle. Sie hatten sich von den Feuerwehrleuten jeder eine große Taschenlampe geben lassen, um in dem ganzen Rauch besser sehen zu können. Michael verfolgte die ganze Aktion von außen und betete, dass er seine Kollegen bald heil wieder sehen würde.

Biggi und Gabi zu finden erwies sich jedoch als nicht so einfach, wie Thomas und Ralf es sich erhofft hatten. Die Stelle an der der Junge abgestürzt war und wo sich nun auch Gabi und Biggi befanden, kannten nur die vier Jungen, die sich jetzt alle bereits im Krankenhaus oder auf dem Weg dahin befanden – und Michael. Da Michael allerdings übers Dach gekommen war, konnte er ihnen auch nicht weiterhelfen. Es war als würde man eine Nadel im Heuhaufen suchen. Die Halle war riesig und der Rauch wurde immer dicker. Zudem war es extrem heiß, da überall brennende Balken herumlagen. Ralf und Thomas mussten verdammt aufpassen, dass sie nicht von herunterfallenden Dachbalken getroffen wurden und gleichzeitig aufpassen, dass nicht auch noch sie selbst in den morschen Bodenbrettern einbrachen. „Biggi, wir sind jetzt in der Halle. Weißt du noch, wo ihr in etwa lang gegangen seid?“, fragte Thomas sie. Biggi dachte kurz nach. „Ich glaube zuerst nach links und dann immer weiter in die Mitte, in die Halle hinein.“ „Ok, halt durch mein Liebling, wir holen euch da raus, wir sind gleich da.“ „Biggi, wie geht es Gabi?“, fragte Ralf dann durch sein Walkie. „Ich weiß es nicht, sie ist immer noch bewusstlos. Außerdem hat sie ihre Sauerstoffmaske verloren und wir müssen uns meine nun teilen.“ Dass sie nur nicht für eine halbe Stunde Sauerstoff hatten, den sie sich zudem noch teilen mussten, verschwieg Biggi lieber, sie wollte nicht, dass sich Ralf und Thomas noch mehr Sorgen machten. Dass die Zeit knapp war, wussten sie sowieso, immerhin schwebten die beiden selbst in höchster Lebensgefahr, da die Halle wirklich nur noch von einigen wenigen Trägern gehalten wurde.

Biggi dachte wieder an das Versprechen, dass sie Thomas hatte geben sollen. Er hatte doch Recht gehabt, es war leichtsinnig gewesen, in die Halle zu gehen, doch hatten sie eine andere Wahl gehabt? Sonst hätte der kleine Junge hier gelegen.

Ralf und Thomas hatten die Stelle, an der Biggi und Gabriele abgestürzt waren, fast erreicht. Biggi sah plötzlich an die Decke. Sie meinte durch das Loch den fahlen Schein einer Taschenlampe erkannt zu haben. Gerade als sie Ralf und Thomas sagen wollte, dass sie möglicherweise ganz in der Nähe waren, gab es einen lauten Knall. Einer der großen Dachbalken, der bereit in Flammen stand hatte genau über dem Einsturzloch sich von der Decke gelöst. Dem Aufprall hielt der an dieser Stelle besonders morsche Boden nicht stand und so gab er nach und der Balken fiel in den Schacht, in dem Biggi und Gabi sich befanden. Nur etwa fünf Meter von ihnen entfernt kam er auf dem Boden auf und steckte in wenigen Sekunden die ganze Umgebung in Brand. Biggi erschrak. Sie mussten hier weg, schnell, sonst wäre es zu spät. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus, doch durch den Schein der Flammen konnte sie jetzt zumindest ein wenig erkennen, was sich um sie herum befand. Sie unternahm einen letzten verzweifelten Versuch Gabi zu wecken. Sie rüttelte sie immer wieder an der Schulter und flehte sie an endlich aufzuwachen. Ralf und Thomas hatten alles über Funk mitbekommen. Auch den herunterfallenden Balken hatten sie gesehen, jedoch konnten sie natürlich nicht ahnen, dass er genau in den Schacht gefallen war. „Biggi, was ist los bei euch?“, fragte Thomas besorgt. Biggi hatte jedoch keine Zeit ihm zu antworten, sie und Gabi mussten hier schnellstens weg. Am anderen Ende des Schachtes hatte sie einen kleinen Tunnel entdeckt, der etwa einen Durchmesser von knapp einem Quadratmeter hatte. Gerade so, dass sie dort zusammen durchpassen würden.

Als Biggi die Hoffnung schon aufgegeben hatte, schlug Gabi tatsächlich die Augen auf. Sie hatte im ersten Moment keine Ahnung, was passiert war. „Gabi, Gott sie Dank.“, rief Biggi erleichtert. „Wir sind abgestürzt?“, fragte Gabi leise. Sie schien starke Schmerzen zu haben. Biggi nickte. „Aber Ralf und Thomas werden uns hier rausholen, ganz bestimmt.“, versicherte Biggi ihr und versuchte möglichst zuversichtlich zu klingen. Gabi nickte nur. „Bist du ok?“, fragte sie Biggi dann besorgt. Diese nickte. „Ja, mir ist nichts passiert. Aber was jetzt viel wichtiger ist, Gabi, kannst du aufstehen? Wir müssen hier weg.“ Nun erblickte auch Gabi erschrocken, die Feuerwand, die immer näher auf sie zukam. Sie versuchte sich aufzurichten, doch ein stechender Schmerz in der linken Seite, ließ sie wieder zurück auf den Boden sinken. Sie vermutete, dass sie sich eine oder mehrere Rippen gebrochen hatte. Biggi blickte sie erschrocken an, dann jedoch reagierte sie schnell und stützte Gabi vorsichtig. So gelang es ihnen schließlich sich vorsichtig aufzurichten und den kleinen Tunnel zu erreichen. Der Rauch war inzwischen so dicht geworden, dass sie ohne Sauerstoffmaske überhaupt nicht mehr atmen konnten und sie nach jedem Atemzug hin und herreichen mussten. Erschöpft krochen sie den kleinen Tunnel entlang und ließen sich, als sie etwa 20 Meter von dem Schacht in den sie heruntergestürzt waren entfernt waren, erschöpft auf den Boden sinken. Biggi griff jedoch sofort zum Funkgerät. „Thomas…Thomas…“ Biggi hustete und Gabi gab ihr sofort den Sauerstoff. „Gabi ist jetzt wieder wach, sie hat sich wahrscheinlich einige Rippen gebrochen, aber sonst ist sie auch ok. Zu uns ist eben ein Balken in den Schacht gestürzt, wir sind jetzt in einen kleinen Tunnel gekrochen, irgendwo hier unten….“ Thomas und Ralf sahen sich an. Ihre Augen waren angsterfüllt. Ralf griff nun ebenfalls nach seinem Walkie. „Wir haben den Balken gesehen, wir wissen jetzt, wo ihr abgestürzt sein und sind gleich an der Stelle angekommen.“, versuchte er Gabi und Biggi zu beruhigen. Er und Thomas hatten die Absturzstelle nun fast erreicht, doch sie wussten nicht, wie sie zu Biggi und Gabi vordringen sollten. Es stand alles in Flammen und näher als zehn Meter kamen sie an den Schacht unmöglich heran. „Könnt ihr noch irgendeinen anderen Ausgang dort unten erkennen?“, fragte Ralf mit zitternder Stimme. Gabi und Biggi verneinten dies. „Nein, hier ist nichts zu sehen. Es ist alles so dunkel…“, sagte Gabi verzweifelte. Dann gab es am anderen Ende der Halle eine Explosion und einen Bruchteil einer Sekunde später krachte mit einem Ohrenbetäubenden Knall die halbe Halle zusammen, genau vor Ralfs und Thomas’ Augen. Sie waren etwa nur 5 Meter entfernt von der Grenze zwischen eingestürzter und noch stehender Halle. Der Schacht, in den Biggi und Gabi gestürzt waren, war nun vollständig von Dachbalken und Schutt zugeschüttet.

Michael blieb draußen fast das Herz stehen. Wo waren Ralf und Thomas? Hatten sie Gabi und Biggi gefunden? Waren sie oder Gabi und Biggi etwa in dem Teil der Halle, der gerade zusammengefallen war?

Die Feuerwehr begann sofort mit den Löscharbeiten, doch sie hatten das Feuer nach wie vor nicht unter Kontrolle.

Thomas und Ralf standen währenddessen total geschockt da und trauten sich nicht zu bewegen. Wie gebannt starrten sie auf die Stelle, wo vor wenigen Sekunden noch das Loch, durch das Gabi und Biggi gestürzt waren, zu sehen gewesen war. Nun jedoch sah man nur noch einen riesigen Schutthaufen und jede Menge Staub und Rauch. „Biggiiiiii!!!“, schrie Thomas panisch ins Funkgerät, doch am anderen Ende war nur noch ein Rauschen zu hören. „Biggi, bitte antworte mir!“ Keine Antwort. Thomas sank zu Boden. "Nein, das darf doch alles nicht wahr sein!!!" Ralf ging es nicht besser. Er war total geschockt. Nun waren sie so nahe an den beiden drangewesen, waren beinahe direkt vor dem Loch gestanden, und nun? Ein riesiger Schutthaufen, Rauch, Qualm, Feuer - aber nicht mehr das geringste Lebenszeichen von Biggi oder Gabi. Hoffentlich waren sie wenigstens in dem kleinen Tunnel noch in Sicherheit. "Biggi, BITTE, antworte doch!!! BIGGI!!!" Keine Antwort. "Was sollen wir jetzt machen?", fragte Thomas Ralf verzweifelt. Aus dem Walkie war nur noch ein monotones Rauschen zu hören. Ralf kam nicht dazu, seine Ratlosigkeit kundzutun, denn plötzlich stand Michael vor ihnen. Er hustete und keuchte, da der Rauch fast unerträglich war. "Schnell, ihr müsst hier raus, wir werden einen anderen Weg finden, zu den beiden zu gelangen. Wenn ihr hier oben auch noch verschüttet werdet, haben die beiden keine Chance mehr!" Sie mussten einsehen, dass er Recht hatte. Er machte sich ebenso schreckliche Sorgen um Biggi und Gabi, doch zumindest war er noch um einiges besser in der Lage, klare Gedanken zu fassen. Also eilten sie, so schnell sie konnten, aus der Halle, die tatsächlich wenige Sekunden später unter einem ohrenbetäubenden Lärm und einer derartigen Rauchentwicklung, dass man nur mehr schwarz sah, in sich zusammenbrach. Die Feuerwehrmänner stürmten alle brüllend zur Seite, Thomas, Ralf und Michael warfen sich auf den Boden. Doch nicht nur über der Erdoberfläche stürzten all die Teile des Gebäudes in sich ein - auch Biggi und Gabi bekamen davon zu spüren. Waren sie vom Einsturz der einen Gebäudehälfte noch verschont geblieben, so wurden sie nun umso mehr in Mitleidenschaft gezogen. Erst hörten sie nur den Lärm, der immer näher und näher kam. Sie saßen immer noch in ihrem Tunnel, und wagten es nicht, ein Wort zu sagen. Plötzlich stürzte ein Mauerteil nach dem anderen von oben auf den Tunnel herab, der nicht stabil genug war, um der Belastung standzuhalten. Der ohnehin enge Tunnel wurde vollkommen eingedrückt, bis zu etwa einem Drittel seines Normalausmaßes. Das Gerümpel riss Löcher in seine Oberfläche und erreichte auch Gabi und Biggi, die machtlos unter dem Schutt begraben wurden. Anschließend herrschte abermals Stille. Das einzige Geräusch, das zu hören war, waren Thomas' und Ralfs verzweifelte Rufe nach ihnen, die aus dem Walkie ertönten. "Gabi, Biggi, so antwortet doch!!!"

Sie waren am Boden zerstört. Hilflos standen sie vor dem eingestürzten Fabrikgelände und sahen zu, wie die Feuerwehrmänner versuchten, das Feuer und den Rauch zu bändigen. Sie wussten, sie mussten sich dringend etwas einfallen lassen. Doch ohne irgendeinen Hinweis?? Immer wieder funkten sie an Biggi und Gabi. Doch keine Antwort. Das Rauschen zog sich hin wie die endlose Verzweiflung in ihren Herzen.

Michael hatte währenddessen dem Einsatzleiter der Feuerwehr mit einer Anklage gedroht, ehe er nicht nachdachte, ob es irgendwo noch Pläne der Fabrik geben könnte. Er packte ihn am Kragen und fauchte ihm ins Gesicht: "Jetzt hören Sie mal gut zu. Unsere beiden Kolleginnen sind dort unten verschüttet, sie können jeden Moment ersticken. Und Sie haben nichts besseres zu tun, als nur an Ihren eigenen Vorteil zu denken und Ihre Männer herumzukommandieren??? Was sind Sie eigentlich für ein Mensch?? Denken Sie gefälligst nach!" "Erst lassen Sie mich runter!" Michael tat es widerwillig. Dann fuhr der Einsatzleiter fort. "Irgendwo hinten im ehemaligen Kontrollhaus muss noch ein Plan liegen. Da ist auch der Untergrund aufgezeichnet."

Biggi und Gabi schlugen beinahe im selben Moment die Augen auf. Sie sahen so gut wie nichts, das einzige, was sie bemerkten, waren die vertrauten Stimmen von Thomas und Ralf aus dem Walkie, das irgendwo lag. Ebenso spürten sie um sich all das Gerümpel und den Schutt und konnten sich kaum einen Zentimeter bewegen - direkt über sowie unter ihnen waren nur die eingedrückten Reste des Tunnels. Sie realisierten klar, dass sie jederzeit zerquetscht werden könnten, sobald sich der Tunnel weiter verformen würde. "Gabi ... bist du okay?", fragte Biggi mit zitternder Stimme in Gabis Richtung, die ein wenig weiter weg von ihr lag. Die Antwort war ein leises "Denke schon. Und du?" "Gott sei Dank. Ich auch.", meinte Biggi darauf. Plötzlich begann sie zu keuchen und zu husten, die Luft hatte sich inzwischen noch mehr verschlechtert, und Biggi drohte, zu ersticken. Gabi, die das Sauerstoffgerät hatte, lag ein wenig hinter ihr und versuchte mit allen Kräften, nach vor zu Biggi zu gelangen. Ihre Rippen schmerzten unheimlich, doch sie durfte nicht aufgeben. Schließlich schaffte sie es, nach vorne zu Biggi zu gelangen und hielt ihr die Sauerstoffmaske im allerletzten Moment an den Mund. Biggi brauchte eine Weile, bis sie wieder richtig atmen konnte, und ließ sich anschließend mit dem Kopf auf den Boden sinken. "Gabi ...", fing sie leise an. "Spar dir die Luft, du wirst sie noch brauchen.", meinte Gabi darauf. "Nein, im Ernst ... so geht das nicht. Sie werden uns niemals in acht Minuten hier rausholen. Wir haben nur noch Sauerstoff für 16 Minuten." Sie hustete, sprach aber weiter. "Du wirst den Sauerstoff nehmen. Es ist die einzige Chance, dass wenigstens eine überlebt. Bitte, tu mir den Gefallen. Du musst jetzt an dein Baby denken." Es kostete ihr eine enorme Anstrengung, das zu sagen, doch trotz der Atemnot sagte sie es in einer ungeheuren Bestimmtheit. Gabis Augen füllten sich mit Tränen. Sie fasste nach Biggis Hand. "Nein. Das werde ich niemals zulassen." "Doch!" Auch Biggis Augen wurden tränennass. "Ich würde mein Baby niemals lieben können, wenn ich wüsste, dass du seinetwegen gestorben bist. Niemals. Vergiss es, Biggi." Sie rang nach Atem. "Aber welchen Sinn hätte es, wenn wir beide sterben, obwohl eine von uns eine Chance haben könnte? Bitte, Gabi!" "Nein!!! Das ist mein letztes Wort." Sie blickten sich an, und fielen sich daraufhin heulend in die Arme. Soweit das im Liegen und zwischen all dem Gerümpel funktionierte. Doch Biggi wusste genau, was sie wollte und was sie vorhatte. Gabi und ihr Kind mussten gerettet werden. Sie war fest dazu entschlossen. Während sie sich in den Armen lagen und weinten, sagte Biggi dann plötzlich leise: "Gabi ... es war wunderschön, dich zur Freundin zu haben. Es tut mir leid." Gabi blickte gerade fragend auf, als sie plötzlich einen gekonnten Schlag in den Bauch bekam und in Bewusstlosigkeit fiel.

Biggi löste sich langsam aus der Umarmung. Ihr Gesicht triefte vor Tränen. Sie nahm die Sauerstoffmaske, setzte sie Gabi auf und suchte dann nach dem Walkie. Schließlich gab es da noch jemanden, von dem sie Abschied nehmen musste.

Als Ralf, Thomas und Michael gerade die Pläne des Gebäudes bekommen hatten und versuchten aus den Zeichnungen etwas erkennen zu können, erklang plötzlich Biggis Stimme durch das Funkgerät zu ihnen vor. „Thomas, Thomas… kannst du mich hören?“, fragte sie leise. Thomas griff sofort nach seinem Walkie, „Ja, Biggi ich höre dich.“, er war unendlich froh ihre Stimme zu hören. „Was ist los bei euch da unten?“ Biggi hustete, dann antwortete sie ihm langsam. „Hier ist alles zugeschüttet worden, wir haben kaum noch Polatz uns zu bewegen. Der Sauerstoff… er reicht nicht für beide….“ „Was soll das heißen?“, fragte Thomas entsetzt und sah Ralf und Michael an, die beide ebenso gut wie er selbst wussten, was Biggi damit sagen wollte. Doch wollte und konnte er das nicht akzeptieren, niemals! Tränen stiegen in seine Augen. „Biggi, hör mir zu. Bitte, tu das nicht. Du darfst nicht aufgeben. Bitte Biggi!!!“ Doch Biggi war entschlossen. „Thomas, es, es tut mir Leid, dass ich dein Versprechen nicht einhalten konnte. Ich…ich werde dich immer lieben.“ Thomas konnte seine Tränen nun nicht mehr zurückhalten und sie rannen unaufhaltsam über seine Wangen. Das Funkgerät hielt er dabei fest umklammert. Er konnte es einfach nicht begreifen, das durfte nicht wahr sein. „Bitte Thomas, ich will das so, rettet Gabi und das Baby…. Bitte…bitte vergiss mich nicht. Ich habe noch nie einen Menschen so sehr geliebt wie dich, Thomas, ich liebe dich über alles!“, waren Biggis letzte Worte. Dann nahm sie das Walkie und warf es mit größter Mühe einige Meter weit weg. „Biggi!!! Nein!!! Das lasse ich nicht zu, hörst du? Du wirst nicht sterben!! Niemals!“ Am anderen Ende der Leitung war nur ein monotones Rauschen zu hören. „Biggi, antworte mir!“, schrie Thomas in sein Walkie, doch es meldete sich niemand mehr am anderen Ende der Leitung. Biggi hatte seine Worte durch das Walkie deutlich gehört und ihr rannen Tränen über die Wangen. In Gedanken verabschiedete sie sich von allem und wartete darauf bewusstlos zu werden. Doch es dauerte, es ging nicht so schnell, da eine kleine Menge Restsauerstoff noch immer in der Luft vorhanden war.

Thomas war unterdessen völlig verzweifelt. Das durfte einfach nicht wahr sein. „Nein, nein, nein, das kann doch nicht sein. Da muss irgendwie Luft rein!“, schrie er, „Wir müssen sie da irgendwie rausholen!!“ Thomas war bereit alles zu riskieren. Was hatte sein Leben noch für einen Sinn ohne Biggi? Sie war das wichtigste für ihn und wenn er sie verlieren würde… Er versuchte diesen Gedanken zu verdrängen, doch wie hätte er es schaffen können in dieser Situation? Hatte er sie nicht vielleicht schon verloren? Es musste doch einfach noch eine Chance geben, er musste Biggi da rausholen, bevor es endgültig zu spät war und wenn es das Letzte sein würde, was er in seinem Leben tun würde.

Doch die Zeit war mehr als knapp, unaufhaltsam bewegte sich der Sekundenzeiger auf Thomas' Uhr weiter nach vorn. Während Thomas bewegungslos auf der Stelle stand, das Walkie anstarrte und einfach nicht begreifen konnte, welche Worte er eben von seiner geliebten Biggi gehört hatte, suchten Ralf und Michael fieberhaft nach einem Tunnel in dem riesigen, alten Plan der Fabrik. "Es muss doch irgendwo einen Hinweis geben!", ärgerte sich Michael. Auch seine Nerven ertrugen die Anspannung nicht mehr, soviel er auch aushielt, das ertrug nicht einmal er. Eben hatte Biggi ihren Selbstmord angekündigt, um Gabi und ihr Baby zu retten. Sie durften nicht zulassen, dass tatsächlich eine der beiden dort unten ihr Leben lassen musste. Das hatten sie einfach nicht verdient. Nicht nach all den Leben, die sie schon gemeinsam gerettet hatten.

Thomas vergoss Tränen der größten Verzweiflung. Immer wieder rief er nach Biggi, doch es kam keine Antwort. Biggi war unten im Tunnel inzwischen immer weniger bei Bewusstsein. Es würde ein qualvoller Tod werden, das wusste sie. Doch sie tat es für Gabi. Und für das Kind. Während sie komplett geschwächt auf dem Tunnelboden lag und es mit viel Mühe schaffte, noch die Augen offen zu halten, hörte sie immer wieder die verzweifelte Stimme von Thomas. Verzweiflung war kein Ausdruck. Die Gefühle, die Thomas in diesem Moment

durchlebte, waren unbeschreiblich. "Bitte, Biggi ... tu mir das nicht an ...", heulte er ins Walkie. Tränen über Tränen rannen über Biggis Gesicht, "Thomas", flüsterte sie leise, bevor sie langsam die Augen schloss.

Zur selben Zeit entdeckten Michael und Ralf endlich den grünen Zweig des verwirrenden Plans. "Hier, ich hab's!!! Da ist eine Öffnung, das muss einfach die des Tunnels sein, sie beginnt in dem Schacht, in den der Junge gestürzt ist! Aber wo endet sie ..." Fieberhaft suchte Michael nach dem anderen Ende des Tunnels. Es waren unheimliche viele Zeichen auf dem Plan, von denen man eines kaum vom anderen unterscheiden konnte. Doch schließlich fand er es. "Seht mal, hier gibt's es eine ganze Menge Öffnungen, die zum anderen Ende des Tunnels führen ... sie beginnen ... genau hier! Man muss über einen Abstieg dorthin gelangen, der genau unterhalb des Kontrollraumes liegt. Also, worauf warten wir noch???" Thomas blickte erschrocken auf. Es gab ... es gab tatsächlich eine Chance??? Während er es erst richtig zu begreifen versuchte, stürmte er den anderen beiden nach, in den Kontrollraum. Dort blickten sie sich außer Puste um und suchten verzweifelt nach einem Abstieg. "Hier, da ist eine Öffnung im Boden!", rief Ralf dann plötzlich. Michael meinte zu Thomas: "Sag Biggi, dass sie nicht aufgeben soll! Wir sind bald bei ihnen, es kann nicht mehr lange dauern. Nun sag es ihr schon!" Thomas nahm sofort das Walkie, und rief: "Biggi, hörst du mich?? Biggi,

bitte, du musst mir zuhören. Wir sind gleich bei euch, du musst durchhalten, ok? Gib nicht auf, wir werden es schaffen, bitte!!!"

Biggi war beinahe in Bewusstlosigkeit gefallen, doch diese Nachricht hörte sie noch. 'Nicht aufgeben', dachte sie sich. 'Nicht aufgeben ...' Doch das alles ging nur mehr wie ein Schein vor sich. Sie war nicht einmal mehr dazu fähig, die Augen zu öffnen, geschweige denn, irgendetwas anderes zu machen. Sie versuchte, noch einmal aufzublicken, scheiterte jedoch. Ein erneuter Anfall von Atemnot überkam sie, worauf sie schließlich endgültig in eine tiefe Bewusstlosigkeit fiel.

"Sie antwortet nicht mehr ... bestimmt ist sie schon ...", stammelte Thomas unter Tränen. "An so was darfst du gar nicht denken! Jetzt komm, wir werden es schaffen!" Michael zerrte Thomas mit sich, und so schnell sie konnten stiegen sie den engen Abstieg aus dem Kontrollraum nach unten. Der Abstieg schien kaum ein Ende zu nehmen, es war vollkommen dunkel, doch wenigstens hatte Michael diesmal an eine Taschenlampe gedacht. Als sie unten ankamen, spürten sie bereits deutlich den stechenden Rauch. Michael leuchtete den Schacht aus. "Dort drüben müssen die Öffnungen sein. Die führen uns zum Tunnel." Als sie einige Sekunden später davor standen, meinte er: "Wir haben nur ein Problem. Auf dem Plan ist nicht verzeichnet, welcher Tunnel uns dorthin führt, wo Biggi und Gabi sind." "Was?????", riefen Thomas und Ralf entsetzt. "Heißt das, wir müssen alles abklappern?" Michael nickte. "Wir sind ja zu dritt. Ralf, du gehst hier lang, ich werde diesen Tunnel nehmen, und du, Thomas, den nächsten. Wir halten Kontakt über Funk." Eine Sekunde später stürmten sie bereits los.

Zur selben Zeit öffnete Gabi die Augen. Um sie herum war es dunkel und sie sah kaum etwas. Was war passiert? Sie erinnerte sich nur noch an Biggis Wort. Biggi, wollte ihr den letzten Sauerstoff geben… Oh Gott, wo war Biggi? Gabi riss sofort die Augen auf und sah sich hastig um. Schnell entdeckte sie Biggi fast neben ihr. Gabi musste entsetzt feststellen, dass ihre Freundin bereits das Bewusstsein verloren hatte. Sofort riss sie sich die Sauerstoffmaske vom Gesicht und legte sie Biggi um. Nach einigen Sekunden jedoch musste sie selbst wieder kurz Luft holen. „Warum musstest du nur so stur sein?“, fragte sie Biggi verzweifelt, obgleich diese sie nicht hören konnte. Gabi tastete nach Biggis Puls, der bereits durch den Sauerstoffmangel schwächer als normal war. Gabi hoffte nur, dass sie noch nicht allzu lange ohne Sauerstoff war. „Komm schon, Biggi, halt durch.“, flüsterte sie mit einem Anflug von Panik in der Stimme. Sie selbst nahm nur noch, wenn sie es gar nicht mehr anders aushielt, einen Atemzug aus der Sauerstoffmaske und überlies den restlichen Sauerstoff Biggi. Durch das Walkie, das nun einige Meter von ihnen entfernt – für Gabi unerreichbar- lag, drangen die Stimmen von Michael, Thomas und Ralf zu ihnen. Gabi betete, dass sie sie bald finden würden. Lange würden sie es nicht mehr ausreichen. Der Sauerstoff war fast komplett aufgebraucht und würde nur noch für wenige Minuten ausreichen.

Ralf, Michael und Thomas kämpften sich währenddessen mit größter Mühe so schnell sie konnten durch die engen Tunnelschächte. Sie wussten, dass einer davon zu Gabi und Biggi führte, nur welcher? Je weiter sie in die tiefe vordrangen, desto dichter wurde der Rauch. Nur Dank der Taschenlampen konnten se noch etwas sehen. Doch die Röhren schienen endlos lang zu sein. Immer wieder versuchten sie mit Hilfe der Taschenlampen das Ende der Röhre zu erkenne doch vergebens.

Immer wieder hörte Gabi die Rufe ihrer Kollegen durch das Walkie. Wo war es denn? Es lag irgendwo dort hinten. Sie musste es schaffen, es zu erlangen. Vielleicht würden Ralf, Thomas und Michael sie dann eher finden. Doch sie war selbst geschwächt und ihre Schmerzen in der Seite hatten kein bisschen nachgelassen. Sie sah zu Biggi. Sie lag vollkommen leblos da. Und das alles wegen ihr. Immer wieder tastete sie zitternd nach Biggis Puls, der immer schwächer wurde. "Bitte, Biggi, du darfst mich jetzt nicht im Stich lassen! Jetzt gebe ich den Ton an, ok? Du verdammter Sturkopf." Liebevoll streichelte sie über die Hand ihrer Freundin. Plötzlich hörte sie wieder Ralf, ihren Ralf, dessen Stimme aus dem Walkie kam. "Ralf...", flüsterte sie. "Ralf ... bitte hol uns hier raus ..." Sie musste einfach an das Walkie heran. Sie musste es  schaffen. Sie nahm noch einmal einen kräftigen Atemzug aus der Sauerstoffmaske, bevor sie sie wieder Biggi anlegte und schob sich mit einem Ruck nach vorne. Es war nicht nur die Enge des Tunnels, die es ihr nicht mal erlaubte, den Kopf weiter als zwei Dezimeter  anzuheben, sondern auch all die Mauerteile, die durch die Decke gebrochen waren und ihr nun den Weg versperrten. Mit ungeheurer Mühe schob sie sie zur Seite, bis sie den Stimmen immer näher kam. Endlich hatte sie es geschafft. Sie fasste nach dem Walkie, und ließ sich erschöpft sinken. Doch dann rappelte sie sich wieder zusammen, um so schnell wie möglich zurück zum Sauerstoff zu gelangen, dessen Mangel sie bereits nahezu zum Ersticken brachte. Als sie bei Biggi angelangt war, nahm sie gierig einen Zug aus der Maske, bevor sie sie sofort

wieder Biggi anlegte. Dann widmete sie sich dem Walkie. Wo war nur diese verdammte Sprechtaste?? All die Angst und Panik hatten sie so sehr erfüllt, dass sie sich nicht mehr an die Bedienung des Walkie's erinnerte. Doch schließlich fand sie die Sprechtaste doch. Thomas, Ralf und Michael hatten sich gerade irgendwo in einer Kurve der vielen Tunnel zusammengetroffen, als Gabis Stimme ihnen plötzlich die Sprache verschlug. "Hier ist Gabi! Kann mich jemand hören?" Zitternd rissen sie die Walkies an sich. Ralf antwortete: "Gabi, Schatz, endlich - wo seid ihr??? Und was ist mit Biggi?" Gabi musste husten, bevor sie sprechen konnte. "Wir sind immer noch in diesem Tunnel, der ist total eingedrückt. Biggi ... sie ..." "Was ist mit Biggi???", fragte Thomas entsetzt. Er malte sich das Schlimmste aus. Biggi bereits tot ... seine Biggi …. sie hatte ihn verlassen ... "Sie lebt noch, aber ist bewusstlos und ihr Puls ist total schwach. Sie ... sie muss mich bewusstlos geschlagen haben, und hat mir dann den Sauerstoff angelegt ... Ich hab solche Angst. Bitte kommt, schnell!" "Wie lange habt ihr noch Sauerstoff?", fragte Michael. "Vier Minuten. Geteilt durch zwei ..." "Macht zwei.", sprach Michael tonlos weiter. "Gabi, kannst du uns irgendeinen Hinweis geben?"

Gabi überlegte fieberhaft, doch ihr fiel einfach nichts ein, sie wusste ja selbst nicht, wo genau sie und Biggi sich befanden. Die einzige Möglichkeit wäre es zu schreien so laut sie konnte, doch sie wusste, dass das nicht in Frage kam, da die Anstrengung zu viel Sauerstoff verbrauchen würde. Doch dann kam ihr plötzlich doch noch die vielleicht rettende Idee. „Michael… Michael, ich könnte euch vielleicht ein Klopfzeichen geben, damit ihr uns schnell finden könnt.“ Michael, Ralf und Thomas stimmten zu. „Bitte, beeilt euch…“, sagte Gabi noch verzweifelt, bevor sie begann einen großen Ziegelstein, gegen einen anderen Stein zu schlagen.

„Hey, hört ihr das?“, rief Ralf plötzlich, als sie leise Gabis Klopfen vernahmen, „Das ist Gabi.“ Er, Thomas und Michael versuchten die Geräusche zu orten, was sich jedoch als schwierig erwies, da sie widerhallten und von überall zu kommen schienen. Zumindest hörte es sich so an. Nach wenigen Metern waren sie erneut an einer Gabelung angelangt, bei der sich die Röhre, in der sie sich befanden, in vier andere Röhren teilte. „Los, wir teilen uns wieder auf.“, rief Thomas und stieg sogleich in die erste Röhre. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn, er wusste genau, dass es zu spät wäre, wenn sie Biggi und Gabi nicht in den nächsten zwei bis drei Minuten finden würden. Er hatte das Gefühl, dass die Klopfgeräusche immer näher kamen, doch sicher war er sich nicht. Während er immer wieder versuchte etwas am Ende des Schachts zu erkennen, sah er wieder und wieder nervös auf die Uhr. Auch Michael und Ralf ging es so, doch sie wollten die Hoffnung einfach nicht aufgeben. Sie mussten Biggi und Gabi einfach finden, bevor es zu spät wäre.

Plötzlich sah Thomas etwas, das sich im Lichtkegel seiner Taschenlampe bewegte. Er konnte es nicht glauben. Waren dort am Ende des Tunnels wirklich Gabi und Biggi? War er auf dem richtigen Weg? So schnell er konnte bewegte er sich vorwärts und tatsächlich wurde das Klopfen immer lauter. Nun war er sich ganz sicher, er erkannte ein Stück eines roten Overalls. „Michael, Ralf, hierher, ich glaube, ich habe sie gefunden.“, rief er sofort ins Funkgerät. Auch bei Gabi war die Nachricht angekommen. Sie atmete erleichtert auf und hoffte zugleich, dass Thomas wirklich auf dem richtigen Weg war. Doch schon wenige Sekunden später konnte sie ihn erkennen. „Thomas!“, rief sie erleichtert.

Thomas konnte es noch gar nicht ganz fassen, er hatte Gabi und Biggi tatsächlich gefunden. Sofort eilte er zu Biggi, die noch immer bewusstlos neben Gabi lag. Er nahm sich seine Sauerstoffmaske ab und legte sie ihr um. Dann zog er sie behutsam an sich und griff nach seinem Walkie. „Ralf, Michael, wo bleibt ihr denn?“, fragte er nervös. Er machte sich noch immer die größten Sorgen um Biggi. Es beunruhigte ihn sehr, dass sie noch immer bewusstlos war. „Bist du ok?“, fragte er Gabi dann. Diese nickte. Thomas wandte sich wieder Biggi zu. „Hey, du musst jetzt durchhalten, wir haben es bis hierhin geschafft und wir werden es auch weiter schaffen, ok?“ Liebevoll strich er ihr mit der Hand durch die Haare und hatte dabei Mühe seine Tränen zu unterdrücken.

Dann hörte er endlich die Stimmen von Michael und Ralf und nur einige Sekunden später waren sie neben ihm. Ralf schloss Gabi in die Arme und gab ihr sofort etwas von seinem Sauerstoff. Ihm fiel ein riesiger Stein vom Herzen, als er sah, dass es ihr anscheinend einigermaßen gut ging. Michael kümmerte sich währenddessen um Biggi. Glücklicherweise hatte er seine Notarzttasche dabei. Er legte ihr eine Infusion und kontrollierte ihren Kreislauf. Thomas sah ihn erwartungsvoll an. „Und, was ist mit ihr?“, fragte er voller Sorge. „Wir wissen nicht, wie lange sie ohne Sauerstoff war, aber ihre Kreislaufwerte sind wieder im Normalbereich, ich denke, sie wird in den nächsten Minuten wieder zu sich kommen.“, beruhigte Michael ihn. „Aber erstmal müssen wir schnellstens raus hier.“  Thomas hatte Biggi immer noch im Arm und bewegte sich dann mit ihr zusammen ganz langsam Millimeter für Millimeter aus dem engen, zusammengestürzten Schacht heraus, bis sie schließlich wieder in der Röhre angekommen waren, durch die er, Michael und Peter gekommen waren. Hier war wieder mehr Platz, da dieser Schacht nicht eingestürzt war. Michael und Peter halfen schließlich Gabi ebenfalls in den Hauptschacht. Durch die Schmerzen, die ihre gebrochenen Rippen verursachten, konnte sie sich kaum noch bewegen.

Der Weg nach Oben war nicht einfach, denn zum Teil waren die Schächte sehr eng und Thomas, Michael und Ralf mussten es schaffen dort mit Biggi und Gabi zusammen durchzukommen. Nach etwa zehn Minuten konnten sie endlich einen schwachen Lichtschimmer am Ende des Schachts erkennen und wenig später hatten sie den Kontrollraum erreicht. Alle atmeten erleichtert auf. Hier oben konnten sie sich nun endlich richtig um Biggi und Gabi kümmern.

Thomas sah Biggi besorgt an. „Michael, warum wacht sie denn nicht auf?“, fragte er total besorgt. Michael holte seine kleine Taschenlampe aus der Tasche seines Overalls und leuchtete Biggi damit in die Augen. Dann klopfte er ihr leicht auf die Wange. „Biggi? Biggi, hörst du mich?“ Biggi zeigte zunächst keine Reaktion und Thomas wurde immer unruhiger. Doch schließlich bewegte sie ganz leicht den Kopf und öffnete dann ganz langsam die Augen. Ralf und Gabi fielen sich in die Arme, ebenso wie Thomas und Michael. Sie hatten es tatsächlich geschafft.

Biggi verstand im ersten Augenblick gar nichts. Sie wusste weder, wo sie war, noch was passiert war. Langsam ließ sie ihren Blick zur Seite schweifen und erkannte, dass sich Thomas und Michael sowie Ralf und Gabi neben ihr erleichtert in den Armen lagen. Nun erinnerte sie sich wieder. Natürlich, die brennende Lagerhalle! Sie hatte Gabi den letzten Sauerstoff gegeben. Thomas, Michael und Ralf mussten es tatsächlich rechtzeitig geschafft haben, sie zu finden…. Thomas beugte sich wieder zu ihr. „Thomas“, sagte sie leise und brachte ein kleines Lächeln hervor. Sie wollte sich schon aufrichten, aber Thomas hielt sie sanft an der Schulter zurück. „Bleib liegen. Streng dich nicht an.“ „Es geht schon.“, beruhigte Biggi ihn und setzte sich ein wenig auf. „Biggi, ich bin so froh, ich hatte solche Angst um dich.“, sagte Thomas und blickte Biggi besorgt an. Dann schloss er sie ganz fest in die Arme. „Tut mir Leid.“, meinte Biggi, wobei sie ihm in die Augen sah. Thomas strich ihr zärtlich durchs Haar. „Mein kleiner Sturkopf.“, meinte er und schüttelte lächelnd den Kopf, „Dich kann man auch nie alleine lassen.“ Biggi lächelte unschuldig. Sie setzte sich die Sauerstoffmaske ab und küsste ihn dann zärtlich.

Während Thomas und Biggi sich verliebte Blicke zu warfen und sich küssten, untersuchte Michael Gabi und stellte fest, dass auch sie noch einmal Glück gehabt hatte. Außer den gebrochenen Rippen war alles in Ordnung. „OK, dann denke ich, ist es das Beste, wenn wir Biggi und Gabi jetzt ins Krankenhaus bringen.“, meinte Michael zu Ralf. Dieser nickte. Biggi und Thomas waren jedoch so miteinander beschäftigt, dass sie Michaels Wort überhaupt nicht mitbekommen hatten. Ralf räusperte sich schließlich, woraufhin sie erschrocken aufsahen. „Ich schlage vor, wir fliegen jetzt ins Krankenhaus, oder wolltet ihr hier übernachten?“, fragte Ralf grinsend. „Ins Krankenhaus?“, Biggi verzog das Gesicht. „Ja, keine Widerrede, du musst dich zumindest einmal gründlich durchchecken lassen.“, meinte Thomas. Michael nickte. „Na gut…“, gab Biggi sich geschlagen. „Aber nur, damit du dir keine Sorgen mehr machen musst.“, setzte sie dann an Thomas gerichtet hinzu.  

„Dann hole ich jetzt mal die Trage.“, meinte Michael und wollte gerade zum Heli laufen. „Es geht schon so….“, meinten Biggi und Gabi zur selben Zeit. Sie sahen sich an und mussten lachen. „Jaja, unverbesserlich.“, stöhnte Michael, musste aber auch grinsen. Alle waren unheimlich erleichtert, dass es Gabi und Biggi bereits wieder so gut ging. Thomas half Biggi vorsichtig hoch. „Geht’s?“, fragte er besorgt. Ihm steckte die Angst um Biggi noch immer in den Knochen. "Ja, klar." Er stützte sie fürsorglich und so gingen sie langsam zum Heli.

Ralf war ebenso besorgt um Gabi und konnte noch gar nicht glauben, dass alles so gut ausgegangen war. Zusammen mit Gabi nahm er hinten auf der Bank Platz, wo sie sich glücklich an ihn kuschelte. Liebevoll streichelte er über ihren Bauch und fragte: "Und mit dir? Auch alles in Ordnung?" "Ich denke schon", antwortete Gabi lächelnd für ihr Kind. "Ralf junior...", schwärmte Ralf flüsternd in Gabis Ohr. "Ne ne ne, also das ist noch überhaupt nicht gesagt. Vielleicht wird es ja ein Mädchen." "Umso besser, wenn sie so schön wird wie du. Also Raffaela junior..." Gabi musste lachen. Dabei verspürte sie zwar Schmerzen, doch die Liebe zu Ralf ließ jeden Schmerz im Schatten stehen. Zärtlich küssten sie sich.

Thomas und Biggi konnten sich kaum voneinander trennen. Er wollte zwar unbedingt, dass sie sich während des Fluges auf die Trage legte und sich dort ausruhte, doch sie blieb stur und wollte sich zu ihm ins Cockpit setzen. Widerwillig half er ihr hoch, verpasste ihr mit einem grimmigen Blick einen Kuss und setzte sich schließlich in den Pilotensitz. Als alle Türen geschlossen waren, hoben sie ab. Nach einer Weile fragte Biggi: "Sauer?" Thomas schmollte. "Hey, ich hab dich was gefragt." "Ich weiß." "Na, und?" "Ja, ich bin sauer. Und ich werde es auch bleiben, wenn du mir nicht in den nächsten fünf Sekunden einen Kuss gibst." Sie grinsten beide. Dann beugte sie sich zueinander und küssten sich zärtlich, was der Flugqualität sehr zusetzte. Es machte einen heftigen Ruck, weil Thomas nicht auf den Pitch achtete, da seine Hand sich in Biggis Gesicht befand. "Hey, Thomas!! Spinnst du?", beklagte sich Michael. "Ups, 'tschuldigung...", meinte Thomas verlegen und widmete sich wieder dem Flug. Dieser dauerte nicht lange und sie befanden sich bereits wenige Minuten später am  Dachlandeplatz der Marienklinik. Als sie ausgestiegen waren, wurden sie dort sofort von einem Ärzteteam empfangen, das eigentlich nicht damit gerechnet hatte, sie würden ihre beiden Kolleginnen noch finden, geschweige denn in einem derart guten Zustand.

"So, und ihr beide lasst euch jetzt mal gründlich durchchecken.", meinte Michael zu Gabi und Biggi. "Ach nein", beschwerten sich die beiden, doch diesmal kamen sie nicht aus. "Also wirklich Gabi, schon allein wegen dem Baby.", redete Ralf auf Gabi ein. "Jaja, schon gut, wir gehen ja schon.", meinte diese und so machten sie sich gemeinsam auf in das Gebäude.

Währenddessen stellte sich der Oberarzt der Station vor, sein Name war Dr. Mangold und er schien ihnen äußerst sympathisch. Als sie vor den Untersuchungsräumen ankamen, konnten sich Biggi und Thomas mal wieder nicht trennen. "Stellt euch doch nicht so an, ihr seht euch ja bald wieder.", meinte Michael. "Kann ich denn nicht mitkommen?", fragte Thomas. Schließlich hatte er sie gerade erst wieder gefunden, für eine Zeit lang war sie in seinen Gedanken tot gewesen, und da sollte er sie schon wieder hergeben?? Ralf ging es genauso. "Na gut, dann kommen Sie eben mit rein. Herr Staller, Frau Kollmann, um Sie wird sich mein Kollege kümmern. Und Sie kommen dann bitte mit mir", bat er Thomas und Biggi. Dankend folgten sie ihm. Im Schockraum musste Biggi zahlreiche Untersuchungen über sich ergehen lassen, die ihr teilweise vollkommen unnötig erschienen. Zum Glück hatte sie Thomas bei sich, ansonsten hätte sie gar nicht gewusst, was sie überhaupt hier sollte. Schließlich musste sie sogar noch eine weitere Infusion ertragen. Nach langer Zeit kündigte Dr. Mangold dann noch eine  letzte Untersuchung an, ein Ultraschallbild, da ihm etwas nicht ganz in Ordnung erschien. "Bitte drücken Sie sich präziser aus, weshalb denn noch ein Ultraschall?", fragte Biggi, die langsam wirklich genervt war. "Komm, Schatz, es ist ja bald vorbei, ist doch gut, wenn sie sicher gehen. Schließlich würde ich mir sonst Sorgen machen." "Na gut, dann aber wirklich nur für dich.", willigte Biggi ein. Wobei sie sich allerdings wirklich nicht vorstellen konnte, was nicht in Ordnung sein sollte. Doch nun ließ sie auch diese Untersuchung über sich ergehen. Als der Arzt mit dem Schallkopf ihren Bauchraum untersuchte, stockte er plötzlich. Thomas wurde sofort unruhig. "Stimmt was nicht?", fragte er ihn besorgt. Doch der Arzt antwortete nicht. Konzentriert blickte er auf den Bildschirm. "Nun sagen Sie schon, ist etwas nicht in Ordnung?" Daraufhin sah Dr. Mangold auf. "Hm ... ja, so könnte man es  sagen." Damit gab sich Thomas natürlich nicht zufrieden. Auch Biggi horchte auf. "Es ist in dem Sinne etwas nicht in Ordnung, dass dieses Untersuchungsergebnis nicht der Norm entspricht. Aber es fehlt Ihnen nichts." Thomas und Biggi atmeten auf. Der Arzt sprach weiter. "Eher im Gegenteil. Ich denke, ich darf Ihnen gratulieren. Sie werden Eltern!"  "Was?????" Biggi und Thomas konnten es nicht glauben. "Nein . das kann nicht wahr sein - ich werde Vater???" Thomas konnte sein Glück nicht fassen. Ein Kind ... ein Baby, ein Produkt ihrer Liebe ... er und Biggi, sie würden Eltern werden! "Ein kleiner Pilot ...", flüsterte er und Tränen stiegen ihm in die Augen. Biggi ging es nicht anders. Überglücklich fielen sie sich in die Arme. Sie drückten einander so fest an sich, dass nicht mal mehr ein Blatt Papier dazwischen Platz gehabt hätte. Kurz danach versanken sie in einen unheimlich leidenschaftlichen Kuss. Der Arzt ließ sie erstmal ihre Freude genießen. Doch schließlich musste er sie auch noch ein wenig aufklären. "Es ist noch ganz, ganz klein. Wollen Sie mal sehen?" "Oh ja, natürlich!", stimmten sie begeistert zu. Also ließ er das Band nochmals rücklaufen und zeigte ihnen dann einen ganz, ganz kleinen weißen Punkt in der Mitte des Bildschirms. "Es dürfte ungefähr eine Woche alt sein. Sie haben also noch viel Zeit, sich auf Ihr neues Leben vorzubereiten.", erklärte er ihnen. "Und durch den Sauerstoffmangel hat es keinen Schaden genommen, oder?", fragte Thomas beunruhigt. "Nein, ganz bestimmt nicht. Sonst würden wir es gar nicht mehr sehen. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen." Daraufhin fielen sie sich abermals in die Arme. "Hm ... lass mich mal nachdenken - eine Woche?", sagte Thomas dann ganz leise. "Dann weiß ich Bescheid. Die Sternschnuppe hat ihre Aufgabe erfüllt.", fügte er lächelnd hinzu. Die Nacht damals zu Weihnachten hatte es wirklich in sich gehabt. Biggi zog Thomas zu sich auf die Liege, und sie verfielen wieder in innige Küsse. Der Arzt lächelte und meinte: "Tja, ich glaube, meine Arbeit ist getan." Leise verzog er sich nach draußen. Thomas und Biggi bemerkten es gar nicht. Sie konnten nur an sich und die Krönung ihrer Liebe zueinander denken...

Gabis Untersuchung dauerte noch länger als Biggis, da die Ärzte auch noch einige Tests wegen dem Baby machten, um wirklich ganz sicher gehen zu können, dass alles in Ordnung war. Beim Röntgen stellte sich heraus, dass sie sich glücklicherweise nur zwei Rippen angebrochen hatte. Der behandelte Arzt legte ihr einen Stützverband an. „Wie gesagt, Sie wissen ja selbst, Frau Kollegen, es ist ziemlich schmerzhaft, aber nicht schlimm.“ Gabi nickte. Sie war unheimlichfroh, dass alles noch einmal so glimpflich ausgegangen war. „Am liebsten würde ich Sie ja noch eine Nacht zur Beobachtung hier behalten.“, meinte der Arzt dann schließlich. Doch Gabi wehrte sofort ab. „Ich kann schon ganz gut alleine auf mich aufpassen.“ Ralf sah sie ein wenig besorgt an, stimmte ihr dann jedoch zu. „Ich pass schon auf, dass sie sich schont.“

Michael saß vor den Behandlungsräumen und wartete ungeduldig. Die Untersuchungen dauerten wirklich ziemlich lange. Er hoffte, dass Biggi und Gabi wirklich ok waren, und die Ärzte nicht doch noch etwas finden würden. Er sah auf die Uhr, es war bereits kurz vor Mitternacht. ‚Sylvester auf einem Krankenhausflur, das hatte er auch noch nicht erlebt.’, dachte er sich schmunzelnd. Doch die Hauptsache war, dass alles noch einmal glimpflich ausgegangen war.

„Komm, ich will endlich raus aus dieser Klinik.“, meinte Biggi nach einer Weile zu Thomas. Er nickte verständnisvoll. „Bei den ganzen Untersuchungen, die sie mit dir veranstaltet haben… Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass alles in bester Ordnung ist.“ Biggi nickte lächelnd und ließ sich dann von Thomas hochziehen. Dann verließen sie Arm in Arm den Behandlungsraum und gingen auf Michael zu. „Euren strahlenden Gesichtern nach würde ich jetzt sagen, dass alles in Ordnung ist, oder?“ Biggi nickte überglücklich. „In bester Ordnung, besser denn je….“, sagte sie geheimnisvoll. Michael blickte die beiden fragend an. „Sollen wir es ihm sagen?“, fragte Thomas Biggi leise. Sie nickte. Im Moment war sie so glücklich, dass sie am liebste die ganze Welt umarmen würde und jeden an ihrem Glück teilhaben lassen wollte. Michael sah die beiden nun erwartungsvoll an. „Ich werde noch einmal Vater.“, erzählte Thomas dann stolz. Nun bekam Michael große Augen. „Du bist schwanger, Biggi?“ Sie nickte überglücklich. „Seit etwa einer Woche.“, fügte sie dann hinzu. Michael freute sich total für die beiden und umarmte sie erst einmal. „Ich freu mich wirklich für euch.“, meinte er, „Das muss eigentlich gefeiert werden…“

In dem Moment traten Gabi und Ralf Arm in Arm aus dem anderen Behandlungsraum. „Hey, feiert ihr schon ohne uns?“, fragte Gabi gespielt empört. Daraufhin wurde sie von derart freudigen Gesichtern angestrahlt, dass sie nachfragte: "Äh - gibt's da was, das wir wissen sollten?" Biggi nickte. "Allerdings." Grinsend blickte sie Thomas an, und meinte dann zu Gabi: "Ich hab jetzt nämlich auch so nen kleinen Kumpanen da drin." Gabi konnte es nicht fassen. "Was?? Ehrlich?? Du bist schwanger?? Oh ich freu mich ja so für euch!!!" Jubelnd umarmte sie die beiden, und Ralf schloss sich sofort an. "Das ist ja wunderbar, wir beide gemeinsam schwanger. Das müssen wir echt feiern! Wie wird wohl in einem Jahr unsere Basis aussehen ..." "Max wird zumindest viel damit zu tun haben, statt Werkzeug Windeln und Schnuller wegzuräumen.", meinte Michael grinsend.

Plötzlich meinte Ralf: "Hey, seht mal auf die Uhr, noch zwei Minuten! Wie wär's, wenn wir uns einfach ins Klinikcafé setzen und dort ins neue Jahr rutschen? Bei der Gelegenheit wird dann unsere Fruchtbarkeit gefeiert.", schlug er vor. Die anderen stimmten alle begeistert ein. Also begaben sie sich so schnell wie möglich in das untere Stockwerk, wo sich das Café befand, das zum Glück geöffnet hatte - schließlich wollten die vielen Patienten, die schon halbwegs auf den Beinen waren, auch irgendwo feiern. Sie suchten sich einen gemütlichen, runden Nischenplatz aus und konnten gerade noch rechtzeitig Champagner bestellen. Kurz nachdem sie ihre Gläser bekommen hatten, ging der Countdown auch schon los. Das gesamte Café rief einstimmig: "10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 - Happy new year!!!" Biggi, Thomas, Michael, Gabi und Ralf fielen sich glücklich in die Arme. Nur Peter fehlte. Sie vermissten ihn auch, aber er war wohl immer noch in der Spezialklinik beschäftigt, die ziemlich weit von der Marienklinik entfernt war. Sie hofften alle, dass er bald zurückkommen würde. Fröhlich plauderten sie noch bei weiteren Gläsern Champagner, nur die Frauen durften nicht so viel trinken, worüber sie sich natürlich ordnungsgemäß beschwerten. Sie schmiedeten gemeinsam Zukunftspläne, und Gabi und Biggi machten sich bereits lachend darüber lustig, wie ihnen wohl Umstandkleider stehen würden. "Also es sieht bestimmt nicht so schön aus wie der Overall...", meinte Biggi traurig. Klar, ihren Beruf würde sie für einige Zeit an den Nagel hängen müssen. Das war das einzige, aber auch schlimmste, worüber sie traurig war. Doch Thomas tröstete sie. "Wir wechseln uns einfach ab mit dem Babysitten, schließlich will ich ein guter Vater sein, und dann kannst du auch immer wieder fliegen." Damit gab sich Biggi vorerst zufrieden. Trotzdem war es ein Jammer, dass Männer nicht schwanger werden konnten.

Nach einer Weile beschloss Biggi, sich kurz auf der Toilette frisch zu machen. "Bin gleich wieder da.", meinte sie und erhob sich. Sie hatte viel Mühe, sich durch all die feiernden Personen durchzuschlängeln, und wunderte sich dabei, dass diese nicht bereits zurück in ihren Betten waren. Als sie endlich draußen war, ging sie mit schnellen Schritten durch den einsamen Flur, schließlich wollte sie gleich wieder zurück sein. Als sie um eine Ecke ging, prallte sie plötzlich an etwas ab. Sie war mit einem Mann zusammengestoßen. Sie dachte sich, wohl doch etwas zuviel getrunken zu haben, und sah schmunzelnd nach oben in das Gesicht ihres Gegenübers. Dann erstarrte sie. Ihr Gegenüber war nicht irgendjemand. Mit eisernem Blick fixierte sie die Augen des Mannes, der ihr gegenüber stand, und trat beinahe stolpernd ein paar Schritte zurück. Dann blieb sie stehen. "Frau Schwerin, ich ..." Als er auf sie zugehen wollte, trat sie weitere Schritte zurück. "So rennen Sie doch nicht weg ... ich kann Sie ja verstehen, aber sollten wir nicht zumindest einmal die Gelegenheit ergreifen, über alles zu reden?" Biggi schüttelte ungläubig den Kopf. "Sie wollen mit mir reden. Nach allem

was passiert ist?" Frank Ebelsieder nickte. Er sah zugegebenermaßen wirklich schrecklich aus, fand Biggi. Augenringe, ein müder Blick und deprimierte Augen. Sie musste daran denken, wie unglaublich glücklich sie heute war. Über ihr zweites Leben, über das Baby ... und dann musste sie an dieses Foto denken. Das Foto, das sie sich vor längerer Zeit angesehen hatte. Das Foto, das Ebelsieders Frau zeigte, die ihr so ungemein ähnlich sah. Sie musste an die Gründe denken, die Ebelsieder zu all dem verleitet hatten, was er ihr damals in jener Nacht angetan hatte. Sie würde es nie vergessen können, zu schrecklich war es gewesen - aber andererseits musste sie auch eine Lösung finden, im Rest ihres Lebens Ebelsieder auch nur irgendwie normal in die Augen blicken zu können. Warum nicht jetzt die Gelegenheit ergreifen? Jetzt, wo sie so glücklich war, und einem offensichtlich völlig unglücklichen

Menschen gegenüber stand.

Also lehnte sie sich an die Wand, versuchte, bei seinem Anblick ruhig durchzuatmen, und fragte leise: "Na, und ... worüber wollen Sie mit mir reden?" "Darüber, wie Leid mir alles tut." Er wollte einen Schritt auf sie zutreten. Als sie jedoch erschrocken zurückwich, unterließ er es. "Ich werde es mir nie verzeihen können. Ich weiß nicht, was damals in mich gefahren ist. Es mögen wohl die Tabletten gewesen sein. Aber das ändert nichts an meinem Verhalten und ich akzeptiere auch, dass Sie mir ebenso niemals werden verzeihen können."  Daraufhin herrschte erstmal Stille. All die Szenen dieser Nacht damals huschten wieder durch Biggis Gesicht. Sie hatte sie alle so verdrängt. Sie machten ihr unglaubliche Angst. Und jetzt, wo sie daran dachte, und diese Person ausgerechnet vor ihr stand, hätte sie ihn am liebsten aus dem Fenster gestürzt, genau wie er sie damals in die Salzach hatte fallen lassen.

Während sie so voreinander standen, dachte sich Thomas inzwischen bereits, wo Biggi nur so lange blieb. Er entschloss sich, ihr nachzugehen. Seit der Aktion heute hatte er nicht vor, sie länger als zwei Minuten aus den Augen zu lassen. "Ich komme gleich zurück - ich geh nur nach Biggi sehen.", entschuldigte er sich schnell bei den anderen. "Oh nein, wird das nun also noch schlimmer als bis heute ...", seufzte Michael. Aber er konnte seinen Freund ja verstehen. Schmunzelnd widmete er sich wieder dem anregenden Gespräch zwischen ihm, Gabi und Ralf.

Inzwischen eilte Thomas nach draußen auf den Flur. Es dauerte nicht lange, bis er dieselbe Ecke kreuzte, die auch schon Biggi eingeschlagen hatte. Und was ihn dort erwartete, raubte ihm für kurze Zeit den Atem. Vor ihm stand sein Todesfeind - Frank Ebelsieder. Biggi stand immer noch in einer gesunden Distanz vor ihm, und er blickte nun erschrocken Thomas an. Thomas wollte auf ihn losstürmen, womöglich hätte er ihn bis auf die Knochen verprügelt, doch Biggi hielt ihn zurück. "Nein, Thomas, bitte! Lass ihn." Sie hielt ihn, so gut sie konnte, an den Schultern fest und verbrauchte dabei eine ganze Menge ihrer Kräfte. Doch sie stemmte sich gegen ihn und ließ sich schließlich in seine Arme fallen. Als er es schließlich aufgab, da er immerhin Biggi nicht wehtun wollte, legte er fest und beschützend seine Arme um sie. Voller Hass starrte er Ebelsieder in die Augen, der nicht recht wusste, was er tun sollte. "Was wollen Sie? Ausgerechnet Sie! Gäbe es irgendeinen Grund, Biggi noch weiter zu belästigen??? Mir fällt keiner ein, der nicht damit enden würde, dass ich Ihnen den Hals umdrehe!!" "Thomas, hör auf, bitte! Er ... er hat mir nur gesagt, wie Leid es ihm tut.", erzählte Biggi ihm, worauf sie in Tränen ausbrach und sich hilfesuchend an ihn schmiegte. Daraufhin drückte er sie noch fester an sich. "Ach, erwarten Sie etwa, dass sie Ihnen verzeiht??", fragte er daraufhin Herrn Ebelsieder. "Ich ... nein. Das könnte ich nicht. Und ich weiß auch, dass sie mir nicht verzeihen kann. Aber ich wollte sie wissen lassen, dass es mir unendlich Leid tut." "Warum zum Teufel fällt ihnen nicht früher ein, dass es Ihnen Leid tun könnte, wenn Sie ihr so etwas antun würden??? Warum jetzt??? Warum zu spät???" Thomas konnte sich wirklich kaum mehr halten. Ebelsieder senkte den Kopf. Darauf hatte er keine Antwort. Manchmal war es nun mal zu spät im Leben. Das konnte er nicht ändern, auch wenn er es noch so gern wollte.

Er verstand natürlich Thomas' Reaktion. Keine andere hatte er erwartet. Und während der langen Zeit in der Anstalt hatte er auch genug Zeit gehabt, um zu akzeptieren, dass Biggi zu Thomas gehörte und er sie über alles liebte. Er wagte es nicht, in seine Augen zu blicken. Die Ader an Thomas' Stirn war vor Wut angeschwollen, und er musste sich extrem zusammenreißen, um nicht etwas Unüberlegtes zu tun. Er unterließ es Biggi zuliebe. Diese klammerte sich wie ein kleines Kind an ihn, und er hatte beschützend und stark die Arme um sie gelegt. "Thomas?", bat sie ihn dann leise. "Ja?" "Bitte ... können wir gehen und später mit ihm über alles sprechen? Ich halte das jetzt nicht mehr aus." Thomas nickte. Er konnte es sich zwar schwer vorstellen, mit Ebelsieder wie ein normaler Mensch reden zu können, aber wenn Biggi es wollte, würde er es zumindest versuchen. "In welchem Zimmer sind Sie?", fragte er ihn bissig, ohne ihm in die Augen zu sehen. "311.", entgegnete Ebelsieder leise. Thomas nickte nur, dann drehte er sich mit Biggi im Arm um, worauf sie langsam hinter der Ecke verschwanden. Ebelsieder blickte ihnen noch nach, verschwand dann aber schleichend in die entgegengesetzte Richtung und begab sich in sein Zimmer. Als Biggi und Thomas sich erstmal weit genug entfernt hatten, fragte Thomas sie vorsichtig: "Alles in Ordnung?" Biggi nickte tapfer. Sie musste jetzt stark sein, das wusste sie. Und da sie auch wusste, dass es unmöglich so weitergehen konnte wie es war, beschloss sie, noch in dieser Nacht mit Ebelsieder zu reden. Man konnte nichts aus der Welt schaffen. Aber man konnte den Boden ebnen, auf dem man sich befand, um anschließend besser weiterleben zu können. Es hatte keinen Sinn, die ganze Zeit Angst zu haben vor der nächsten Begegnung. Sie musste sich nun daran gewöhnen, sein Gesicht immer und immer wieder vor Augen zu haben - ob ihr Innerstes das nun wollte oder nicht. Thomas umarmte sie liebevoll. Das tat unheimlich gut, und sie fühlte sich gleich viel besser und vor allem sicherer. Nachdem sie eine Weile so dagestanden waren, begaben sie sich langsam zurück ins Café. Dort wurden sie freudig wieder am Tisch empfangen. Michael fragte grinsend: "Na? War deine Sorge begründet?" Doch als er in ihre Gesichter sah, verging ihm das Grinsen. Erschrocken fragte er: "Was ist passiert?" Thomas und Biggi setzten sich. Dann begann Thomas, zu erzählen: "Ja, sie war begründet. Ebelsieder ist hier." "Was???", fragten die anderen entsetzt. "Ja, er ist hier, fragt mich nicht, warum. Er hat sich bei Biggi entschuldigt." "Ach, entschuldigt hat er sich. Hat er schon mal nachgefragt, ob sich so was entschuldigen lässt?", fragte Michael, der ebenso wie Gabi und Ralf sofort sauer wurde beim Gedanken an diesen Psychopathen, trotz aller Rechtfertigungen. "Er meinte, er könne mich nicht um Verzeihung bitten, aber ich soll wissen, wie leid es ihm tut.", erzählte Biggi leise. Immer noch hielt sie sich an Thomas fest. "Ich sollte mich wohl mit ihm aussprechen." Die anderen wussten nicht, was sie sagen sollten. Sie fanden nur, dass sich Biggi unglaublich tapfer hielt. "Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.", meinte Thomas skeptisch. "Naja, Thomas, wenn man es recht überlegt. So muss sie immer Angst vor ihm haben. Angst, ihm begegnen zu können. Vielleicht wäre es wirklich besser, mit ihm zu sprechen.", überlegte Michael. "Aber wozu soll das führen?", entgegnete Thomas. "Stell dir vor, er wird wieder auf unsere Basis zurückversetzt. Irgendeinen Weg muss es geben, mit ihm klarzukommen.", meinte Michael. "Ne, wenn der zurück zu unserer Basis kommt, dann gehe ich mit Biggi.", sagte Thomas entschlossen. "Darf ich vielleicht auch mal was sagen?", fragte Biggi dann. "Michael hat Recht. Ich kann es nicht verhindern, wenn er zurückkommt, und wir können auch nicht unsere Wurzeln hier verlassen. Ich werde mit ihm reden." "Bist du dir wirklich sicher?", fragte Thomas. "Ja."

Biggi war fest entschlossen das jetzt hinter sich zu bringen. Was konnte sie schließlich verlieren? Sie musste es endlich klären. Michael hatte wirklich Recht, sie konnte nicht ewig vor der Vergangenheit fliehen, sondern musste sich ihr stellen. Nur so würde sie in Zukunft ohne die Angst vor Ebelsieder leben können. „Sollen wir mitkommen?“, fragte Gabi ihre Freundin besorgt. Biggi sah sie dankbar an und nickte dann. Ganz alleine würde sie Ebelsieder bestimmt nicht gegenübertreten. Sie wusste zwar, dass sie sich irgendwann daran gewöhnen müsste, immerhin könnte sie ihn immer überall treffen, doch noch war sie nicht dazu bereit. Sie atmete einmal tief durch. „Bitte…ich möchte es jetzt hinter mich bringen.“, sagte sie dann leise, aber entschlossen. Thomas war noch immer nicht überzeug, dass dies der richtige Weg war und sah sie zweifelnd an. Biggi bemerkte das natürlich. Sie sah ihn bittend an und schließlich zog Thomas sie noch näher zu sich und sie standen gemeinsam langsam auf.

Während sie schweigend den Weg zu Ebelsieders Zimmer zurücklegten, sahen die anderen immer wieder besorgt zu Biggi. Sie tat ihnen total Leid, doch sie wussten, dass sie ihr nicht helfen konnten. Das konnte höchstens eine Aussprache mit Ebelsieder.

Schließlich waren sie vor Ebelsieders Zimmer angekommen. Biggi atmete noch einmal tief durch. Dann löste sie sich langsam aus Thomas’ Umarmung, trat einen Schritt vor und klopfte leise an. „Herein!“, vernahmen sie die Stimme Ebelsieders von drinnen. Biggi zögerte. Noch konnte sie einen Rückzieher machen. Wollte sie ihm wirklich gegenübertreten? Einen Moment lang dachten die anderen, sie würde es sich anders überlegen und umkehren, dann jedoch drückte sie entschlossen die Klinke herunter und öffnete die Tür.

Sie trat ein paar Schritte auf Ebelsieder zu, der hinter dem Bett am Fenster stand und die Crew ansah. Thomas war direkt hinter Biggi getreten. Er musste sich beherrschen um Ebelsieder wie einem normalen Menschen gegenüber zu treten und seine Wut zu unterdrücken. Das war alles andere als leicht, doch Biggi zu Liebe schaffte er es schließlich einigermaßen.

Gabi, Michael und Ralf erschraken bei Ebelsieders Anblick. Sie hatten ihn seit seiner Verhaftung nicht mehr gesehen. Damals, als er noch ihr Chef gewesen war, hatten alle Respekt vor ihm gehabt, doch nun wirkte er beinahe hilflos, so wie er der Crew gegenüberstand. Er sah blass aus und mitgenommen. Er hatte dunkle Augenringe und hatte abgenommen. Man konnte fast ein wenig Mitleid mit ihm haben, doch dann mussten die anderen wieder daran denken, was er Biggi angetan hatte. Das konnte er niemals wieder gut machen. Ja, sie kannten zwar seine Motive und das, was mit seiner Familie passiert war, tat ihnen schrecklich Leid, doch es gab nichts auf der ganzen Welt, dass sein Verhalten rechfertigen konnte. Zwar tat es Ebelsieder Leid und er bereute alles, doch jetzt war es zu spät.

„Danke…danke, dass Sie gekommen sind, Frau Schwerin.“, sagte Ebelsieder leise. Biggi sah ihn an, doch sie konnte ihm nicht in die Augen blicken. Sie zweifelte daran, dass sie dies jemals wieder können würde. Thomas nahm sie beschützend in den Arm und Biggi lehnte sich dankbar an ihn. „Ich weiß, dass Sie mir niemals verzeihen können, Sie alle, aber besonders natürlich Sie, Frau Schwerin. Und ich weiß auch, dass ich meinen Fehler nie wieder gut machen kann, aber ich möchte noch einmal ausdrücken, wie Leid es mir tut.“ Biggi schluckte. „Das erwähnten Sie bereits.“, sagte sie dann. „Ich hoffe, dass es Ihnen irgendwann einmal möglich sein wird, mich wie einen ganz normalen Menschen zu behandeln, auch wenn ich weiß, dass das lange dauern wird. Doch gerade jetzt, ist es doch wichtig, dass wir damit umgehen können uns gegenüber zu treten.“, fuhr Ebelsieder fort. „Gerade jetzt? Was meinen Sie mit gerade jetzt?“, fragte Gabi irritiert. Ebelsieder blickte die Crew fragend an. „Sie wissen es noch gar nicht?“ „Was wissen wir nicht?“, fragte Thomas sofort nach, er ahnte nichts gutes. Ebelsieder zögerte… Hatte man das Team wirklich nicht informiert? Er konnte sich das nicht vorstellen… „Ich werde ab nächster Woche wieder die Stützpunktleitung auf ihrer Basis übernehmen….“, erklärte er dann. „Sie werden was?????“, Thomas konnte es nicht glauben. „Thomas…bitte…“, versuchte Biggi ihn zu beruhigen, obwohl es ihr ja selbst nicht besser ging. Ebelsieder würde zurückkommen? Sie würde ihm jeden Tag unter die Augen treten müssen, immer wieder würde sie an diese schreckliche Nacht vor einigen Monaten erinnert werden. „Das ist doch nicht Ihr ernst? Wie können Sie Biggi das antun?“, fragte Thomas Ebelsieder entsetzt und wütend zugleich. Ebelsieder sah auf den Boden, er konnte ihm nicht in die Augen sehen. „Meine Therapeuten und auch die Bewehrungshelfer waren der Meinung, dass ich nach Abschluss er Therapie so schnell wie möglich in meine gewohnte Umgebung zurückkehren soll und versuchen soll mein altes Leben wieder aufzunehmen. Ich befinde mich in dieser Klinik zur abschließenden Untersuchung und werde morgen früh entlassen. Sie können mir glauben, ich hatte in den letzten Monaten in der Psychiatrie genug Zeit über alles nachzudenken. Ich weiß, was für einen riesigen Fehler ich gemacht habe. Ich werde es nie wieder gut machen können, aber trotzdem muss das Leben doch irgendwie weitergehen.“ „Ja, das Leben muss weitergehen, aber warum unbedingt auf unserer Basis???“, Biggi war den Tränen nahe, sie konnte es einfach nicht glauben. Thomas hielt sie ganz fest, er wusste, dass sie ihn jetzt brauchte. „Herr Ebelsieder, meinen Sie wirklich, dass das so eine gute Idee ist?“, zweifelte Gabi nun auch. Ebelsieder nickte. „Wir müssen doch alle irgendwie lernen mit der Situation klarzukommen und ich bin mir sicher, dass das der einzige Weg ist. Wenn ich wieder anfangen werde auf der Basis zu arbeiten, werden wir uns täglich über den Weg laufen und hoffentlich langsam wieder daran gewöhnen. Ich weiß, dass das schwer für Sie ist, besonders für Sie, Frau Schwerin, aber für mich ist  es auch nicht leicht, das können sie mir glauben, auch wenn es für Sie natürlich um einiges schlimmer sein muss. Ich kann wirklich nur immer wieder betonen, wie Leid mir das alles tut.“ Biggi hielt es nun nicht mehr aus. Sie blickte Ebelsieder an, dann löste sie sich aus Thomas’ Umarmung und verließ fluchtartig das Zimmer. Thomas eilte ihr sofort nach. Draußen auf dem Gang ließ Biggi sich schluchzend in seine Arme sinken. „Bitte, bitte sag mir, dass das nicht wahr ist.“, flehte sie ihn an. Thomas schloss sie ganz fest in die Arme und streichelte sie beruhigend. „Wir werden das schon schaffen, gemeinsam…hm? Und Gabi, Ralf, Michael und Peter sind ja auch noch da.“, versuchte er Biggi zu beruhigen, obgleich er selbst alles andere als ruhig war. Doch sie brauchte ihn jetzt und er musste für sie da sein. Biggi beruhigte sich tatsächlich langsam wieder. Sie hatte ihr Gesicht in Thomas’ Overall vergraben und sah nun langsam zu ihm auf. Er wischte ihr mit seiner Hand zärtlich die Tränen weg und legte dann wieder beschützend seine Arme um sie. Biggi schmiegte sich ganz nah an ihn und so blieben sie eine ganze Weile dort auf dem Gang stehen.

Gabi, Ralf und Michael standen währenddessen noch immer Ebelsieder gegenüber. Niemand sagte ein Wort. Sie alle wussten, dass Biggi in nächster Zeit sehr stark sein musste. Zweifelsfrei würde es selbst ihnen bei weitem nicht leicht fallen, Ebelsieder wieder als Vorgesetzten zu haben, wie musste es dann erst Biggi ergehen?

„Thomas?“, meinte Biggi nach einer Weile und sah ihn an. „Ja?“ „Bitte, lass uns nachhause fahren…“ „Natürlich.“ Da sie mit dem Heli gekommen waren, mussten sie allerdings vorher erst einmal zur Basis fliegen. Es fehlten nur noch Gabi, Michael und Ralf. Thomas überlegte, wie er den ihnen Bescheid geben konnte, ohne dass Biggi Ebelsieder wieder unter die Augen treten müsste. Natürlich könnte er alleine gehen, aber er wollte Biggi jetzt nicht alleine lassen. Dann hatte er jedoch doch noch die rettende Idee. Sie hatten schließlich ihre Walkies dabei. Thomas griff in die Tasche seines Overalls und zog sein Funkgerät hervor. „Gabi, Ralf, Michael, könnt ihr bitte kommen, wir wollen jetzt nachhause…“, bat Thomas sie. Seine Stimme aus dem Funkgerät durchbrach das Schweigen in Ebelsieders Krankenzimmer. „Ähm, also wir müssen dann…“, meinte Ralf schließlich. „Tschüss, Herr Ebelsieder.“, verabschiedete Michael sich, ebenso wie Gabi und Ralf. „Tschüss.“, brachte Ebelsieder nur monoton hervor und sah Gabi, Michael und Ralf noch nach. Dann wandte er sich um und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Er musste erst einmal über den heutigen Abend nachdenken.

„Da seid ihr ja endlich.“, meinte Thomas schon fast ein wenig vorwurfsvoll, als Gabi, Ralf und Michael endlich aus Ebelsieders Zimmer traten. Nun konnten sie endlich den Heimflug antreten. Thomas hatte Biggi ganz fest in den Arm genommen und ging mit ihr hinter den anderen her. Schweigend legten sie den Weg zum Dachlandeplatz zurück. Das war ein Start ins neue Jahr gewesen, sie hatten sich den Verlauf des Abends alle anders vorgestellt. „Ich halte es nicht für gut, dass Ebelsieder zu uns zurückkommen will.“, durchbrach Gabi schließlich das Schweigen, als sie fast am Heli angekommen waren. Thomas stimmte ihr vollkommen zu und auch Ralf und Michael zweifelten an Ebelsieders Theorie, dass sie es so alle schneller vergessen würden. Es würde sicherlich schrecklich für Biggi werden, ihm jeden Tag unter die Augen treten zu müssen. Sie tat den anderen furchtbar Leid. Doch sie wussten, dass sie nicht mehr tun konnten, als immer für sie da zu sein.

Schließlich ergriff Biggi das Wort. „Vielleicht ist es ja wirklich nicht das Schlechteste. Ich kann nicht ewig davor fliehen.“, meinte sie tapfer, musste sich jedoch bemühen, dass ihr nicht wieder die Tränen hochkamen. „Komm, Schatz, wir sollten jetzt wirklich nachhause fliegen….“, sagte Thomas und half ihr vorsichtig beim Einsteigen.

Gabi, Ralf und Michael stiegen hinten ein und sofort nachdem sie die Türen geschlossen hatten, hob Thomas ab. Gabi und Ralf hatten sich hinten auf die Bank gesetzt. Sie hatte sich an seine Schulter gelehnt und war kurz davor ein wenig einzuschlafen. Immerhin war es schon weit nach Mitternacht. Glücklicherweise hatten sie Neujahr frei und mussten erst am 2. Januar wieder arbeiten.

Als Thomas auf der Basis zur Landung ansetzte, sahen sie, dass im Aufenthaltsraum noch Licht brannte. Scheinbar waren Max oder Peter noch auf der Basis. Ralf und Gabi gingen Arm in Arm zum Aufenthaltsraum, Michael folgte ihnen. Thomas half Biggi, die ebenso wie Gabi völlig erschöpft war, aus dem Heli und ging dann auch mit ihr zusammen den anderen hinterher.

Gabi und Ralf mussten grinsen, as sie den Aufenthaltsraum betraten. Dort saßen Peter und Max auf dem Sofa und waren eingeschlafen. „Was ist denn los?“, fragte Michael. „Psssst!“, deutete Gabi ihm an ruhig zu sein und zeigte auf Max und Peter. „Scheinbar haben die beiden auf uns gewartet.“ Ralf und Gabi gingen auf das Sofa zu und rüttelten Peter schließlich leicht am Arm. Eine Sekunden später murmelte er irgendetwas im Schlaf, schlug dann jedoch verschlafen die Augen auf. „Frohes neues Jahr, Peter.“, meinte Ralf grinsend. Peter verstand zunächst gar nichts, bis er schließlich bemerkte, dass Max neben ihm lag und schlief. Sie hatten noch auf die anderen gewartet und mussten wohl eingeschlafen sein. Peter rieb sich die Augen und weckte dann auch Max. Dieser blickte ebenso verschlafen um sich und sah verlegen lächelnd in die Gesichter von Michael, Thomas, Biggi, Gabi und Ralf, die sich nun alle um das Sofa versammelt hatten. „Oh…ähm…wie müssen wohl eingeschlafen sein….“

„Und alles gut gegangen?“, wollte Peter dann wissen, denn in den Gesichtern der anderen konnte er sowohl Freude als auch Erschöpfung und Verzweiflung ablesen. Es war schließlich auch viel geschehen an diesem Abend. Zunächst die Freude darüber, dass Biggi und Gabi dem Tod gerade noch einmal von der Schippe gesprungen waren, dann die Nachricht, dass Biggi schwanger war und schließlich die Begegnung mit Ebelsieder und die Tatsache, dass er auf die Basis zurückkehren wollte.

„Ich glaube Ralf, Michael und Gabi können euch alles erzählen, seid uns nicht böse, aber wir fahren jetzt lieber nachhause.“, meinte Thomas und sah Biggi besorgt an. Die anderen nickten verständnisvoll und so verließen Thomas und Biggi, nachdem sie sich von ihren Kollegen verabschiedet hatten, die Basis.

Thomas öffnete Biggi sorgsam die Beifahrertür, ließ sie einsteigen, und setzte sich schließlich auf den Fahrersitz. Die Fahrt verlief großteils schweigend. Immer wieder blickte Thomas besorgt zu Biggi. "Alles in Ordnung, mein Schatz?" Biggi nickte und brachte ein Lächeln hervor, das Thomas unendlich erleichterte. Jedoch waren sie beide sehr müde und froh, eine Viertel Stunde später an der Villa angelangt zu sein. Arm in Arm stiegen sie die Treppen hoch. Schließlich ließen sie sich erschöpft auf das Bett fallen, zogen sich dort die nötigsten Sachen aus und kuschelten sich in die Bettdecke. Thomas zog Biggi ganz nah an sich, und sie schmiegte sich an seine Brust. "Biggi?", sagte er dann leise. Sie blickte fragend zu ihm auf. "Gemeinsam werden wir das schon schaffen. Du wirst nie allein sein, das verspreche ich dir." "Was würde ich nur ohne dich tun? Ich liebe dich, Thomas." "Ich dich auch, mein Liebling. Ohne dich wär das Leben nicht lebenswert." "Meinst du wirklich?" "Na klar. Aber vielleicht sollte ich besser sagen: ohne euch." Sie lächelten beide. Biggi lehnte sich ein wenig über ihn und küsste ihn zärtlich. Er erwiderte es innig und liebevoll. Doch nach einer Weile konnten sie die Augen nicht mehr offen halten. Schließlich fielen sie eng aneinandergekuschelt und nun doch mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen in einen tiefen Schlaf. Auch Michael traf kurz darauf in der Villa ein - wie seine Kollegen fiel er nur erschöpft ins Bett und unterließ es überhaupt ganz, sich umzuziehen.

Als am Morgen die ersten Vögel zwitscherten, schlief im Hause Lüdwitz/Wächter/Schwerin noch alles tief und fest. Erst als gegen Mittag die Sonne direkt in Biggis und Thomas' Augen schien, wachten sie langsam auf. Thomas strich Biggi zärtlich durch das Haar. "Na mein Schatz, auch schon wach?" "Ja ... aber ist es nicht noch viel zu früh zum aufstehen?", beschwerte sie sich. "Naja, mein Wecker ist da anderer Meinung. Es ist halb eins." "Nachts?" "Nein, mittags." "Oh", wunderte sich Biggi. Dann richtete sie sich über ihm auf und meinte: "Aber es ist trotzdem noch zu früh zum Aufstehen." "Da bin ich ganz deiner Meinung.", meinte Thomas grinsend, während sich ihre Lippen einander näherten. Dann verfielen sie in einen unheimlich zärtlichen Guten-Morgen-Kuss, der einige Minuten andauerte ...

Schließlich verkrochen sie sich unter die Bettdecke und küssten sich dort wild weiter. Als es dort unten zu stickig wurde, holten sie erschöpft wieder draußen Luft und Biggi ließ sich seufzend in seine Arme sinken. "Sag mir, dass es noch lang dauert, bis er wiederkommt.", sagte sie dann plötzlich leise. Thomas wusste nicht, was er antworten sollte. "Es ... es dauert noch ein paar Tage." "Lange Tage." "Ja, lange Tage.", bestärkte er, neigte sich über sie und strich ihr liebevoll über die Wange. "Das schaffen wir schon. Bestimmt. Und wenn nicht - dann gehen wir einfach. Dann kaufen wir uns irgendwo ne Hütte und gründen dort unsere Familie. Ich baue ne Pilotenschule, wo unser Sohn fliegen lernen kann, und ich betätige mich als Landwirt. Was hältst du davon?" Biggi musste lachen. Thomas hatte es mal wieder perfekt geschafft, sie aufzuheitern. Sie küsste ihn dankbar auf die Stirn. "Woher bist du dir so sicher, dass es ein Junge wird?", fragte sie ihn dann, während sie zärtlich über seinen Nacken strich. "Hm ... tja ... sollte es nicht so sein? Erst der Stammhalter, dann die Tochter?" "Stammhalter?" "Ja. Er wird den Namen Wächter weiter tragen, wenn wir mal alt und grau sind und von hier gehen." "Aber ein paar Jährchen dürfen wir schon noch hier bleiben, oder?", bat sie ihn grinsend. "Na klar, aber nur ein paar. Wieso denkst du eigentlich, dass es kein Junge wird?" "Das denke ich ja nicht, nur fände ich es genauso schön wenn es ein Mädchen wird." "Aber das geht doch gar nicht." "Wieso?" "Weil du einzigartig bist. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, dass die Welt Platz für noch einen so wunderschönen Menschen wie dich hat.", meinte Thomas. Daraufhin musste sie lächeln, und abermals küssten sie sich zärtlich. "Wie würden wir ihn denn nennen, wenn es ein Junge wird?" "Thomas." "Nein, einer reicht." Thomas blickte sie vorwurfsvoll an. "Ich meine, du solltest eben auch einzigartig bleiben.", verbesserte sich Biggi grinsend. "Was hältst du dann von .... hmm .... mir fällt keiner ein außer Thomas." "Sehr phantasiereich.", entgegnete Biggi. "Ich fürchte, er wird namenlos bleiben." "Na na na, wir haben schließlich noch fast neun Monate Zeit." "Ach ja, richtig."  "Aber das dauert noch soo lang.", beschwerte er sich. "Tja, musst dich halt inzwischen mit mir zufrieden geben.", meinte Biggi. "Na wenn es unbedingt sein muss.", meinte Thomas grinsend und kitzelte sie. "Aufhören!! Aah, Thomas, bitte!", lachte sie, bis er schließlich gnädig wurde und von ihr abließ. Biggi kuschelte sich wieder an ihn und Thomas legte zärtlich seine Arme um sie. „Wie gut, dass wir heute frei haben, da können wir den ganzen Tag im Bett liegen bleiben, wenn wir wollen.“, sagte er schon fast schwärmend. Biggi lächelte. „Langsam bekomme ich aber schon ein wenig Hunger.“ „Hast Recht, ich auch.“, stimmte Thomas ihr zu, „Was hältst du davon, wenn ich uns schnell ein schönes Frühstück zaubere, das wir dann im Bett essen können?“ „Klingt seeeeehr gut.“, antwortete Biggi und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. „Aber bleib nicht allzu lange weg.“, setzte sie dann noch lächelnd hinzu, bevor Thomas langsam aus dem Bett kroch und sich seinen Bademantel überzog. „Das würde ich doch gar nicht aushalten.“, beruhigte er sie und verließ dann, nachdem er Biggi noch einen letzten Kuss gegeben hatte, das Schlafzimmer.

Auch Gabi und Ralf waren noch nicht aufgestanden. Der gestrige Tag war immerhin sehr anstrengend gewesen und so waren auch sie überaus froh den heutigen Tag frei zu haben. Gabi lag mit ihrem Kopf auf Ralfs Schulter und er strich sanft durch ihr Haar. Doch Gabi bemerkte, dass er irgendwie abwesend war, dass ihn etwas bedrückte. „Was ist los mit dir Schatz? Du bist so nachdenklich heute….“, fragte sie ihn schließlich. Ralf sah sie an. „Mir geht der gestrige Tag einfach nicht aus dem Kopf. Als du verschüttet warst, ich…ich hatte so schreckliche Angst. Gabi, du wärst um ein Haar dran gewesen, verstehst du? Du hättest tot sein können, ich kann da s nicht so leicht wegstecken.“ Gabi legte ihre Arme um ihn und schmiegte sich an ihn. „Ich weiß.“, meinte sie leise. „Aber mach die keine Sorgen, Ralf. Mir geht es doch wieder gut. Es ist unser Job Leben zu retten auch wenn wir unser eigenes Leben manchmal dabei riskieren. Ich arbeite nun schon seit fünf Jahren bei Medicopter. Am Anfang ging es mir genauso, aber man gewöhnt sich daran und lernt damit zu leben. Ich stand schon manches Mal kurz davor alles hinzuschmeißen und aufzuhören. Aber ich liebe meinen Job und es ist unsere Aufgabe anderen Menschen zu helfen.“ „Du hast ja Recht, aber ich… mir wird schon bei dem Gedanken daran, dass dir irgendetwas zustoßen könnte, total schlecht.“ „Mir geht es doch genauso, aber ich verspreche dir, dass ich in Zukunft versuchen werde mehr aufzupassen, ja?“ Ralf gab sich damit zufrieden, er zog Gabi zu sich, sodass sie auf ihm lag und begann dann sie zu küssen. Gabi erwiderte es glücklich und begann dann langsam Ralf seine Schlafsachen auszuziehen. Er tat das gleiche mit ihrem Nachthemd. Sie küssten sich immer stürmischer und leidenschaftlicher, bis sie schließlich miteinander schliefen. Es war für beide unheimlich schön und Gabi dachte in letzter Zeit immer weniger an die Sache mit Rene. Nur wenn sie über da Baby redeten, holte sie noch immer diese schlimme Nacht vor ein paar Monaten wieder ein. Den Schatten der Vergangenheit würde sie wohl nie ganz loswerden können. Sie seufzte leise als sie etwas später in Ralfs Armen lag, jedoch so leise, dass er es nicht hören konnte. Er sollte sich keine Sorgen machen und erst recht keine Verdacht schöpfen.

Thomas war inzwischen unten in der Küche angelangt. Michael schlief noch tief und fest und Dirk hatte Sylvester bei einem Freund gefeiert, da sein Vater ja Dienst gehabt hatte. So war noch alles still im Hause Lüdwitz/Wächter/Schwerin. Thomas musste feststellen, dass im Kühlschrank ziemliche Ebbe herrschte. Dann kam ihm jedoch eine wunderbare Idee. Er ging leise in den Keller und zauberte aus der Gefriertruhe noch einen ganzen Beutel mit Aufbackbrötchen hervor. Er nahm gleich die ganze Tüte mit nach oben und legte die Brötchen in den Backofen. In den zehn Minuten, die sie zum Backen brauchten, kochte er leckeren Früchtetee und stellte schon einmal das Geschirr, die Butter und die Marmelade auf das Tablett. Als dann endlich die Brötchen fertig waren, nahm er ein paar aus dem Ofen und legte sie in den kleinen Brötchenkorb, der ebenfalls schon auf dem Tablett stand. Die restlichen Brötchen ließ er in der Küche stehen, Michael würde sich sicherlich freuen, wenn er aufstehen würde.

Gerade als Thomas mit dem Tabltett wieder nach oben gehen wurde, hörte er etwas im Flur und wenig später entdeckte er Dirk, der gerade nachhause gekommen war. „Sag bloß, ihr liegt noch im Bett?“, meinte dieser grinsend. „Frohes neues Jahr erstmal. Und um deine Frage zu beantworten, ja wir liegen noch im Bett, es ist gestern ein bisschen später geworden.“, erklärte Thomas ihm. „Papa auch?“, wollte Dirk dann noch wissen. „Ja, dein Vater schläft noch.“

Als Thomas nach oben verschwunden war, nutzte Dirk die Gelegenheit und verzog sich ins Wohnzimmer. Dort machte er es sich vorm Fernseher gemütlich. Er wusste genau, dass sein Vater es nicht gern sah, wenn er stundenlang fernsah, aber solange er noch schlief, würde er schließlich nichts mitbekommen.

Thomas öffnete währenddessen gerade langsam die Schlafzimmertür. Er lächelte bei Biggis Anblick. Sie hatte sich unter die Decke gekuschelt und war wieder eingeschlafen. Thomas stellte das Tablett mit den duftenden, frischen Brötchen auf dem Nachttisch ab und setzte sich dann langsam zu ihr auf die Bettkante.

Er strich ihr ganz sanft mit der Hand übers Haar, bis Biggi schließlich aufwachte. „Tut mir leid, dass ich dich wecken muss, aber die Brötchen werden sonst kalt.“, meinte Thomas lächelnd. „Oh, ich muss wohl eingeschlafen sein…“, bemerkte Biggi. „Wahrscheinlich hast du zu lange gebraucht.“, setzte sie dann grinsend hinzu. „Na warte….“, meinte Thomas ebenfalls grinsend, stürzte sich auf sie und kitzelte sie von oben bis unten durch. „Bitte, Thomas, aufhören, ich nehme alles zurück….“, rief Biggi lachend. Schließlich ließ Thomas von ihr ab. Biggi kam erst jetzt dazu das Tablett mit dem liebevoll hergerichteten Frühstück zu bestaunen. „Oh, Thomas….“, sie war total gerührt. Dann zog sie ihn wieder zu sich ins Bett und küsste ihn zärtlich. Schließlich nahm Thomas ein Brötchen vom Tablett und begann Biggi, die in seinen Armen lag, damit zu füttern. „Mmh, das war wirklich eine super Idee mit den Brötchen.“, meinte Biggi begeistert. Thomas küsste sie daraufhin zärtlich und Biggi ließ ihn von ihrem Brötchen abbeißen.

Auch Gabi und Ralf waren inzwischen aufgestanden. Sie waren in Schlafsachen in die Küche gegangen und bereiteten beide das Frühstück vor. Immerhin hatten sie viel Zeit und mussten sich absolut nicht beeilen. Sie genossen es, alles an diesem Morgen ganz langsam anzugehen. Als sie schließlich den Tisch gedeckt hatten und der Kaffee fertig gekocht war, fingen sie an zu frühstücken. „Mit dir ist das Leben soooo schön….“, schwärmte Gabi und warf Ralf einen verliebten Blick zu. Er beugte sich über den Tisch und küsste sie. „Mit euch auch.“, antwortete er. Gabi lächelte, sie war total glücklich darüber, dass Ralf ich so sehr auf das baby freute. Sie hoffte nur, dass wirklich niemals herauskommen würde, dass er vielleicht gar nicht der Vater war.

„Ich glaube ich brauche jetzt erstmal eine ausgiebige Dusche.“, meinte Gabriele nachdem Frühstück. Ralf grinste sie an. „Ich habe da eine bessere Idee. Was hältst du davon, wenn wir baden?“, schlug er vor. „Oh ja.“, stimmte Gabi sofort zu und so verschwanden sie Arm in Arm ins Bad.

Auch Michael war inzwischen aufgewacht. Gähnend blickte er auf seien Wecker, es war fast drei Uhr nachmittags, er hatte ziemlich verschlafen. Aber bei dem anstrengenden Tag, den er hinter sich hatte, war das auch verständlich. Er rieb sich die Augen und stieg dann langsam aus dem Bett. Als er auf den Flur heraus trat, blieb er stehen und lauschte, es war alles still. Leise schlich er zum Schlafzimmer von Thomas’ und Biggi und öffnete die Tür einen Spalt, um nachzusehen, ob sie noch schliefen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück, hatten Thomas und Biggi sich wieder ganz zurück ins Bett gelegt und miteinander gekuschelt und so waren sie schließlich wieder eingeschlafen. Michael grinste, das Tablett auf dem Nachttisch hatte er nicht übersehen. Er schloss die Tür leise wieder und ging zwei Türen weiter zu Zimmer von Dirk, um nachzusehen, ob sein Sohn bereits von dem Freund, bei dem Sylvester verbracht hatte, wiedergekommen war. Doch Dirks Zimmer war leer. So schlurfte Michael die Treppe runter. Auch er hatte inzwischen Hunger bekommen.

Als er in die Küche kam, kam ihm bereit der Duft der frischen Brötchen entgegen. Er freute sich, dass Thomas und Biggi anscheinend an ihn gedacht hatten und gleich mehr Brötchen ausgebacken hatten. Als Michael sich gerade in Brötchen fertig geschmiert hatte und sich an den Tischsetzen wollte, hörte erein Geräusch aus dem Wohnzimmer. Er legte das Brötchen zurück auf den Teller und begab sich ins Wohnzimmer, um nachzusehen. Dort fand er seien Sohn zusammen mit einer Chipstüte auf dem Sofa vor dem Fernseher. Dirk hatte die Schritte gehört und drehte sich erschrocken um. „Papa….“, meinte er überrascht. Er sah Michael forschend an und wartete auf die Reaktion seines Vaters. Schließlich wusste er, dass Michael es nicht gern hatte, wenn er so viel fernsah. Doch Michael schien gar nicht sauer zu sein. „Du bist schon zurück?“, fragte er nur. Dirk nickte. „Schon seit über einer Stunde, aber du hast noch geschlafen.“, antwortete er. „Aber erstmal Frohes Neues Jahr, Papa.“ „Wünsche dich dir auch.“, erwiderte Michael und umarmte seinen Sohn. „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte er Dirk dann. „Ja, schon, aber gegen ein zweites Frühstück habe ich nichts einzuwenden. Außerdem ist es ja schon Nachmittag“, antwortete Dirk grinsend. Und so schaltete er den Fernseher aus und die beiden begaben sich in die Küche, wo sie gemütlich frühstücken.

Gabi und Ralf waren inzwischen in die Badewanne gestiegen, de sie mit heißem Wasser gefüllt hatten. Gabi ließ sich von Ralf einseifen und schloss dabei die Augen. Ralf strich ihr zärtlich um den Bauch. „Ich freu mich schon sooo sehr darauf, wenn wir endlich zu dritt sind.“, meinte erschon fast schwärmend. „Das sind wir doch schon.“, antwortete Gabi grinsend und sah zur Tür, denn gerade hatte Gonzo begonnen von draußen an der Badezimmertür zu kratzen.“ „Oh, ich fürchte er will Gassi gehen….“, meinte Ralf verlegen, denn er war heute noch nicht mit Gonzo spazieren gewesen. So blieb Gabi und Ralf schließlich nichts andere übrig, als sich aus der Wanne zu erheben. Ralf wickelte Gabi in ein großes Handtusch und nahm sich dann selbst auch eins.

Als sie sich angezogen hatten, traten sie Arm in Arm in den Flur, wo Gonzo bereits mit einer Leine im Maul saß und wartete. „Ist ja gut, Gonzo, wir gesehen gleich Gassi.“, versuchte Gabi den Hund zu beruhigen. Ralf und Gabriele zogen sich ihre Winterjacken an und gingen dann mit Gonzo zusammen nach draußen. Das Wetter war herrlichen. Im Gegensatz zu den letzten Tagen herrschte strahlender Sonnenschein, der die Schneedecke der letzten Tage langsam zum schmelzen brachte. Ralf legte seinen Arm um Gabi und die beiden beschlossen mit Gonzo in den nahe gelegenen Park zu gehen. Dieses Wetter bot den perfekten Rahmen für einen romantischen Winterspaziergang und Gonzo freute sich sowieso über jede Minute, die er im Freien verbringen konnte.

Biggi und Thomas schliefen währenddessen immer noch. Es dauerte lange, bis Biggi schließlich wieder die Augen aufschlug. Es war so kuschelig im warmen Bett und in Thomas' Armen, und so bewegte sie sich nicht und genoss einfach nur den Augenblick und seine Gegenwart. Ewig könnte sie so liegen bleiben, dachte sie sich. Sie spürte Thomas' langsamen, ruhigen Atem, und schmiegte sich noch enger an seine Brust. Einige Minuten lang lauschte sie nur seinem Herzschlag und sah ihn dabei an - sie liebte ihn so sehr. Lange verblieben sie so, bis Thomas schließlich auch aufwachte. Als er die Augen aufschlug, erblickte er Biggis lächelndes Gesicht über sich. "Wie lange beobachtest du mich denn schon?", fragte er verschlafen. "Hm, hab nicht auf die Uhr gesehen, aber lange. Und ich könnte es noch ein Jahr lang tun, so schön ist das." Biggi musste grinsen und legte sich wieder mit dem Kopf auf ihn. "Ich hab dich soooo lieb ...", flüsterte sie leise und kuschelte ihr Gesicht an seines. "Nicht mehr?", fragte Thomas empört zurück. "Doch. Ich liebe dich über alles." "Na umso besser - dann gleichen wir uns ja super aus..." Biggi blickte auf, Thomas näherte sich ihrem Gesicht und sie verfielen in einen langen und innigen Kuss.

Ralf und Gabi waren inzwischen im Park angekommen. Das Wetter war wirklich herrlich und Gonzo, der hier im Park ohne Leine laufen durfte, vergnügte sich in den Schneeresten. „Wir sollten viel öfter frei haben.“, stellte Ralf fest. „Da hast du wohl Recht.“, stimmte Gabi ihm zu und drückte ihm einen kleinen Kuss auf den Mund. „Aber wenn unser Nachwuchs erst da ist, dann habe ich jeden Tag frei.“, stellte sie dann fest. Ralf grinste. „Ach wenn es doch endlich so weit wäre.“, meinte er und strich Gabi über den Bauch, der schon ein wenig rundlich war.

Nachdem sie einmal durch den ganzen Park spaziert waren, der nicht gerade klein war, kam Gabi eine wunderbare Idee. „Was hältst du davon, wenn wir noch mal kurz bei Michael, Thomas und Biggi vorbeischauen, ist ja nicht weit von hier.“ Ralf nickte. „Du willst nach Biggi sehen, wegen gestern, oder?“, fragte er dann. Gabi lächelte. „Du hast mich durchschaut. Ich mach mir eben Sorgen, wegen der Sache mit Ebelsieder, es wird sicherlich nicht leicht für sie werden.“ Ralf nickte. „Das wird es gewiss nicht, aber sie wird es schaffen. Sie hat Thomas, sie hat Michael, Peter, Max… und sie hat uns. Sie weiß, dass ihre Freunde immer für sie da sind.“ Gabi nickte und gab ihm einen Kuss. Sie hoffte so sehr, dass er Recht hatte.

Eine halbe Stunde später waren sie an der Villa angekommen. Michael erwartete sie bereits an der Tür, denn Gonzos Bellen war nicht zu überhören gewesen. Auch Thomas und Biggi hatten es mitbekommen.  „Was war das denn für ein Hund?“, fragte Biggi überrascht. „Klang nach Gonzo.“, meinte Thomas, jedoch eher als Scherz, da ihm gerade nur Gonzo einfiel. „Haha, wie soll der denn hierher kommen?“, fragte Biggi grinsend, da Gabi und Ralf ja nicht geklingelt hatten. Thomas zuckte mit den Schultern. Dann zog er Biggi ganz nah zu sich und sie begannen sich zu küssen. Schließlich zog Thomas die Bettdecke über ihre Köpfe und sie verkrochen sich darunter.

„Ralf, Gabi, kommt doch rein.“, meinte Michael freundlich. Er war ziemlich überrascht über den Besuch der beiden. „Ist Biggi zuhause?“, wollte Gabi dann wissen, nachdem sie ihre Jacken ausgezogen hatten. „Ja…schon…“, zögerte Michael. „Aber?“ „Na ja, Thomas und sie liegen noch im Bett.“ Michael konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, ebenso wie Gabi und Ralf.

„Ich kann ja mal schauen, ob sie inzwischen schon aufgestanden sind, oder zumindest schon aufgewacht.“, schlug Michael vor. Gabi und Ralf nickten. So stand Michael auf und begab sich nach oben. Vor dem Schlafzimmer von Thomas und Biggi blieb er stehen. Da er ein Kichern von Biggi hörte, wusste er, dass sie und Thomas schon wach sein mussten. Er klopfte leise an und öffnete dann langsam die Tür. Thomas und Biggi hatten ihn jedoch noch nicht bemerkt, da sein Klopfen zu leise gewesen war. Sie hatten sich unter die Decke verkrochen und küssten sich. Erst als Michael sich nach einer ganzen Weile räusperte, steckten sie erschrocken ihr Köpfe unter der Decke hervor. „Ähm… bist du schon lange hier?“, fragte Thomas ein wenig verlegen. Michael grinste nur. „Gabi und Ralf sind unten und wollten euch eigentlich besuchen. Deshalb wollte ich nachsehen, ob ihr schon aus dem Bett gekrochen seid.“, meinte er dann anstatt auf Thomas’ Frage zu antworten. „Wir kommen gleich runter.“, meinte Biggi dann nach einem kurzen Blickwechsel mit Thomas. Michael gab sich mit dieser Antwort zufrieden und ging wieder nach unten, wo es Ralf und Gabi sich bereits im Wohnzimmer bequem gemacht hatten. „Und?“, fragte Gabi und sah ihn auffordernd an. „Unsere beiden Turteltäubchen kommen gleich.“, antwortete Michael grinsend. „Möchtet ihr etwas trinken?“, fragte er Gabi und Ralf dann. „Einen Kaffee könnte ich jetzt schon vertragen und du Gabi?“, wollte Ralf wissen. Gabi nickte. Zwar war das Wetter wirklich schön gewesen, jedoch immer noch ein wenig kalt, sodass die beiden ziemlich durchgefroren waren. Gonzo ging es scheinbar genauso, dann er hatte es sich bereits vor dem Kamin gemütlich gemacht.

Noch bevor Michael mit dem frisch gekochten Kaffee zurück ins Wohnzimmer gekommen war, erschienen Thomas und Biggi in ihren Bademänteln in der Tür. „Hallo Gabi, hallo Ralf…“ „Hallo, ich hoffe, wir stören nicht…“, meinte Gabi ein wenig verlegen. Biggi lächelte. „Schon in Ordnung, irgendwann mussten wir ja eh aufstehen.” Gabi war froh, dass es Biggi anscheinend ziemlich gut ging, zumindest war ihr von den gestrigen Ereignissen im Moment nichts mehr anzumerken.

Thomas und Biggi setzten sich zu Ralf und Gabi an den Wohnzimmertisch und wenig später kam auch Michael wieder und brachte frisch gekochten Kaffee mit. „Na, habt ihr’s heute doch noch aus dem Bett geschafft?“, fragte er Biggi und Thomas grinsend. „Hey, ich war früher auf als du und habe Frühstück gemacht.“, protestierte Thomas. „Jaja, schon ok…“, gab Michael sich geschlagen und setzte sich zu den anderen. „Seit du auch hier wohnst scheint hier ja alles noch mehr drunter und drüber zu gehen, als vorher….“, meinte Ralf grinsend an Biggi gerichtet. Sie sah ihn gespielt empört an, musste dann aber auch lachen. „Aber dafür hat sie frischen Wind in unsere Männer WG gebracht.“, entgegnete Thomas und gab seiner Biggi einen langen Kuss. „Sag mal Michael, wie hältst du das eigentlich den ganzen Tag aus mit den beiden?“, fragte Ralf dann grinsend. Michael zuckte ebenfalls grinsend mit den Schultern. „Du weißt ja, Unkraut vergeht nicht.“, meinte er dann, während er Biggi und Thomas ansah, die langsam wieder voneinander abließen. „So schlimm sind wir nun auch nicht.“, protestierte Biggi. „Aber fast.“, erwiderte Michael und alle mussten lachen.

So verging der Nachmittag wie im Flug und schnell war es Abend geworden. Die fünf hatten sich noch nett unterhalten, doch schließlich war es für Gabi und Ralf an der Zeit sich zu verabschieden. „Bis morgen dann.“, meinte Biggi zu Ralf. „Und du schone dich noch ein wenig.“, setzte sie dann an Gabi gerichtet hinzu, denn wegen ihren gebrochenen Rippen war sie noch krankgeschrieben. „Mache ich, aber dir würde das auch ganz gut tun.“ „Wo sie Recht hat, hat sie Recht.“, stimmte Thomas Gabi zu. „Hey, ich bin schwanger und nicht krank.“, protestierte Biggi. „Aber ein bisschen Ruhe würde dir trotzdem gut tun nach dem gestrigen Tag.“, entgegnete Thomas. „Ok, ok, ich gebe mich geschlagen.“, meinte Biggi lächelnd und ließ sich von ihm in die Arme nehmen. „Also bis morgen dann.“, meinte Ralf, nahm Gonzo an die Leine und verließ dann mit ihm und Gabriele zusammen endgültig die Villa. Michael, Thomas und Biggi sahen ihnen noch nach, bis sie hinter der Ecke verschwunden waren und schlossen dann die Haustür.

Gabi und Ralf hatten einen noch etwa zwanzigminütigen Fußmarsch vor sich, doch das Wetter war immer noch herrlich, auch wenn es bereits dunkel war. Die Luft war mild und es wehte kein Windzug. So konnten sie den kleinen Abendspaziergang richtig genießen.

Als sie zuhause angekommen waren, nahm Ralf Gonzo die Leine ab, während Gabi den Schlüssel aus ihrer Tasche kramte und die Tür aufschloss. Als sie einen Schrott in den Flur trat fiel ihr sofort ein weißer Umschlag auf, der auf dem Boden lag. Verwundert hob sie ihn auf. Immerhin war es Feiertag und wenn dann warf der Postbote die Briefe unten in den Briefkasten, aber nicht in den kleinen Türschlitz an der Wohnungstür. „Von wem ist denn der?“, fragte Ralf sofort, als er den Umschlag in Gabis Hand sah. Sie zuckte nur mit den Schultern. Es stand kein Absender drauf. Nur in einer ziemlich unleserlichen Schrift: „An Dr. Gabriele Kollmann“ „Sicher nichts wichtiges.“, meinte Gabi und legte den Umschlag auf den Flurschrank. Sie und Ralf zogen sich die Jacke aus und gingen dann ins Wohnzimmer, an den Umschlag dachten sie nicht mehr. Im Wohnzimmer ließen sie sich ins kuschelige Sofa sinken. "Was meinst du, sollen wir uns ein schönes Video angucken?", fragte Ralf, während er Gabi

zärtlich über ihr Haar strich. "Oh ja, gute Idee. Aber einen Liebesfilm." "Passend zu uns", ergänzte Ralf ihren Vorschlag. Sie lächelten beide und küssten sich. Dann stand Ralf auf, um nach einem schönen Video zu suchen, das er bald fand, und holte dann noch eine warme Wolldecke. Gemeinsam kuschelten sie sich darunter aneinander und genossen den Film Arm in Arm. Er war wirklich wunderschön und romantisch. Nach einer Stunde etwa musste Gabi mal auf die Toilette. "Oh, ausgerechnet jetzt? Aber beeil dich.", war Ralf enttäuscht, als sie aufstand. "Na klar.", lächelte Gabi und eilte aus dem Wohnzimmer. Als sie auf dem Weg ins Badezimmer war, kam sie am Flurschrank vorbei und erblickte im Augenwinkel den Brief, den sie zuvor dorthin gelegt hatte. Irgendwie hatte sie ein mulmiges Gefühl bei seinem Anblick, das sie sich allerdings nicht erklären konnte. Sie schüttelte nur zu sich selbst den Kopf und trat ins Badezimmer. Als sie fertig war und bei der Rückkehr ins Wohnzimmer wieder am Brief vorbeikam, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. Sie musste einfach wissen, was dort drin stand, sonst hätte sie keine ruhige Minute mehr. Bestimmt machte sie sich ohnehin nur unnötig Gedanken und was war was total Unwichtiges. Also nahm sie schnell den Brieföffner und riss ihn auf. Ein schlampig zusammengefalteter Zettel kam zum Vorschein. Als sie ihn auseinanderfaltete und die kurze Nachricht las, die sich auf ihm befand, hielt sie vor Schreck die Luft an. Blässe stieg in ihr Gesicht, sie konnte nicht mehr atmen - hilflos klammerte sie sich am Schrank fest. Die Nachricht war von Rene. Sie lautete:

Wenn du nicht möchtest, dass ich unser kleines Geheimnis von damals ausplaudere, dann kümmere dich schnell darum, dir 10 000 Euro in bar zu besorgen - es ist wichtig. Ich melde mich. Kein Wort zu irgendjemandem. Rene

Eine Weile stand sie nur so da uns starrte den Brief an. Sie konnte es einfach nicht fassen. Endlich war sie wieder richtig glücklich geworden mit Ralf, zumindest fast, wenn sie von dem Zweifel der Vaterschaft ihres Kindes absah. Aber sie hatte zumindest das Leben wieder genießen können, hatte Tage verbringen können, an denen sie nicht an Rene dachte. Doch plötzlich war das alles wieder vorbei. Er holte sie ein. Die Vergangenheit holte sie ein. Und sie konnte nichts tun. Rene würde sie um alles bringen können, er könnte sie endlos erpressen - das wurde ihr erst jetzt so richtig klar. Es gab keinen Ausweg. Sie musste das Geld besorgen. Ansonsten würde Ralf erfahren, wer damals für den Tod seiner Jugendliebe verantwortlich gewesen war. Das durfte einfach nicht passieren.

Plötzlich wurde sie durch Ralfs Rufe aus den Gedanken gerissen. Aus dem Wohnzimmer fragte er sie: "Wo bleibst du denn, Schatz? Komm, ohne dich macht der Film doch keinen Spaß!" "Ich komme gleich!", rief Gabi zurück. Dann eilte sie auf wackeligen Knien zurück ins Badezimmer. Sie konnte dieser Nervenbelastung nicht standhalten. Und besonders ihr Kind würde es nicht können. Also griff sie zu ihrem Arzneitäschchen und holte sich ein starkes Valium heraus. Nur das eine Mal, das nahm sie sich fest vor. Morgen würde sie es auch ohne Beruhigungsmittel schaffen müssen, aber jetzt konnte sie einfach nicht zurück zu Ralf und sich an ihn kuscheln, als wäre nichts passiert. Also nahm sie sich eine Tablette und schluckte sie mit einem Glas Wasser. Sie zeigte sofort ihre Wirkung und Gabi konnte regelrecht beobachten, wie das Zittern ihrer Hände einer ausgeglichenen Ruhe wich. So ging sie - im wahrsten Sinne des Wortes - beruhigt zurück zu Ralf und kuschelte sich an ihn. Er hatte schon sehnlichst auf sie gewartet und nahm sie liebevoll in die Arme. "Da bist du ja wieder, mein Schatz.", sagte er zärtlich. "Es ist doch alles ok, oder? Mit dem Baby?" "Na klar. Aber wenn man zu zweit ist, braucht man eben für alles ein wenig länger, verstehst du?" Ralf nickte lächelnd. Gabi war ungeheuer froh über das Valium. So konnte sie sich nun mehr oder minder ausgeglichen wieder zu Ralf setzen und an ihn gekuschelt weiter die Handlung des Films verfolgen, obgleich ihre Gedanken natürlich immer wieder abschweiften. Als der Film zu Ende war und das Liebespaar sich schließlich innig küsste, drehte auch Ralf zärtlich Gabis Kopf zu sich und küsste sie leidenschaftlich. Sie erwiderte es natürlich, selbst wenn ihr nicht gerade nach Leidenschaft war. Sie fühlte sich plötzlich ziemlich schlapp und müde. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr meinte sie: "Lass uns schlafen gehen, hm? Es ist schon spät. Und du musst morgen früh auf." "Hast ja Recht. Aber mit dir ist wirklich alles ok, oder?" "Ja klar, was soll denn sein?", fragte sie ihn halb belustigt, halb genervt. "Schon gut, ich frag ja nur. Auf jeden Fall ist es gut, dass du dich morgen noch schonst. Ich werde ganz leise sein morgens, damit du ausschlafen kannst." Gabi hob die Augenbrauen. "Verzeih, ich meine natürlich, damit ihr ausschlafen könnt.", besserte er sich grinsend aus. Arm in Arm begaben sie sich dann ins Schlafzimmer. Eine halbe Stunde später waren sie bereits beide eingeschlafen - Ralf glücklich und zufrieden, Gabi seelisch ausgelaugt und erschöpft. Doch die Tabletten wirkten wie Engelskräfte. Noch konnte sie sich nicht vorstellen, wie sie morgen ohne sie auskommen sollte. Aber das musste sie. Das war ihr auch klar. Noch.

Nachdem Biggi und Thomas noch einen wunderschönen, kuschelig-romantischen Abend verbracht hatten, lagen auch sie nun eng umschlungen im Bett und blickten sich an, als wären sie frisch verliebte Teenager. "Wenn ich nur deine Augen sehen könnte, würde ich dich für ein Reh halten, das im Wald rumspaziert.", meinte Thomas leise. Biggi musste lächeln. "Hörst du das?" "Was?", fragte er. "Na den Wald. Er rauscht so schön. Ich sehe richtig vor mir, wie der Wind durch die Tannen saust. Und schau mal, wie schön der Mond leuchtet." Thomas nickte. "Was hältst du von nem kleinen Mondscheinspaziergang?", fragte er dann plötzlich. "Was, jetzt? Mitten in der Nacht?", fragte Biggi. "Na klar." Sie war sofort begeistert. "Das ist eine wunderbare Idee!" "Na dann komm, mein Engel." Er nahm sie liebevoll an der Hand und zog sie mit sich raus aus der Bettdecke. Dann holten sie sich schnell die nötigsten Sachen aus dem Schrank, jedoch keine Jacken. Eine große, warme Wolldecke hielten sie für viel romantischer. Leise öffneten sie die Tür. Draußen auf dem Flur war längst niemand mehr, alles schlief – bis auf die beiden. So leise sie konnten, schlichen sie auf Zehenspitzen die Treppe nach unten und traten schließlich zur Haustür raus. Dort empfing sie eine kleine, aber heftige Windböe. "Brrr, ist das kalt.", meinte Biggi. "Du hast ja mich.", meinte Thomas lieb, wickelte die Wolldecke ganz eng um sie beide und kuschelte Biggi an sich. "Besser?" "Viel besser. Du bist meine Heizung." "Wie schön zu wissen.", meinte Thomas lächelnd. "Die Heizung meines Herzens." "Und du bist das Lagerfeuer in meinem.", meinte er darauf, bevor sie sich zärtlich küssten. Langsam schritten sie dann in die Nacht hinaus, stets eng aneinandergeschmiegt, bis sie schließlich immer weiter in den Wald hineinkamen. Als sie mittendrin standen und durch die Spitzen der wunderschönen, alten Tannenbäume den Mond erblicken konnten, blieben sie stehen. Wieder zischte ihnen ein kräftiger Wind um die Ohren, worauf die Bäume wild zu rauschen begannen. "Ohne dich würd ich mich nie hier raustrauen.", sagte Biggi. Dann drückte sie sich so fest sie konnte an ihn. Er war ein wunderbarer Beschützer und genoss es, seine Liebste im Arm zu halten. Er küsste sie unheimlich zärtlich auf das Haar und hielt sie fest. "Euch wird niemals was passieren, das verspreche ich euch. Ich bin immer für euch da.", sagte er leise. Biggi neigte sich nach oben zu seinem Ohr und flüsterte: "Ich liebe dich bis zum Mond hoch. Und ich werde nie ... nie damit aufhören." Kurz blickten sie sich an, dann konnten sie nicht anders und verfielen voller Hingabe in einen unheimlich innigen und leidenschaftlichen Kuss. Der Wind umwehte ihre Köpfe, doch sie spürten nichts, einfach nichts - nichts außer ihrer Liebe zueinander. Die kleine Familie, die mitten in der Dunkelheit stand, sich küsste und dabei doch ein derartiges Licht ausstrahlte, als wäre sie ein Teil der Sonne. Lange, sehr lange ließen sie nicht voneinander ab. Zu schön war der Augenblick, der nur ihnen beiden gehörte, und bei dem sie von nichts weiter als den Sternen im Himmel beobachtet und vom Licht des Mondes beleuchtet wurden.

Schließlich kuschelten sie sich ganz eng aneinander und ganz tief unter die Decke und blickten in den Sternehimmel „Ich liebe dich über alles.“, flüsterte Thomas. Biggi antwortete ihm mit einem langen Kuss. Am liebsten wäre sie ewig hier im Wald geblieben ganz alleine nur mit Thomas. Doch irgendwann wurden sie beide ziemlich müde und beschlossen zurückzugehen. Immerhin hatten sie morgen Dienst. Das würde ein anstrengender Tag werden. Bis zum Klingeln des Weckers blieben ihnen gerade einmal vier Stunden. Doch der Mondscheinspaziergang war es auf jeden Fall wert gewesen, da waren sie sich beide einig. Eng umschlungen gingen sie langsam zurück zur Villa. Dort angekommen fielen sie sofort erschöpft, aber überglücklich in ihre Betten. „Das müssen wir unbedingt mal wieder machen.“, schwärmte Biggi. Thomas stimmte ihr zu. „Aber dann in einer Nacht, nach der du nicht am nächsten Morgen die Frühschicht hast.“, setzte er dann noch lächelnd hinzu, während er ihr zärtlich durchs Haar strich. Biggi nickte. „Aber Frühschicht hin oder her, ich könnte das jede Nacht machen, so einen romantischen Mondscheinspatzergang, nur mit dir als mein Beschützer...“, meinte sie dann jedoch und küsste ihn zärtlich. Sie kuschelten noch ein wenig miteinander, doch schon nach wenigen Minuten waren sie beide eingeschlafen.

Am nächsten Morgen klingelte Ralfs Wecker um halb sieben. ‚Viel zu früh’, dachte er sich. Er schaltete den Wecker sofort wieder aus, damit Gabi, die bis jetzt noch schlief, nicht auch noch aufwachte. Sie wirkte ziemlich erschöpft am Abend und so wollte Ralf sie unbedingt schlafen lassen. Er schlich sich leise aus dem Schlafzimmer und nahm dann erstmal eine heiße Dusche.

Währenddessen öffnete Gabi verschlafen die Augen. Sie tastete mit der Hand nach Ralf, bemerkte jedoch schnell, dass er nicht mehr neben ihr lag. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es bereits sieben Uhr war. Ralf war also schon seit einer halben Stunde auf. Gabi ließ sich erschöpft zurück ins Kissen sinken und schloss die Augen wieder. Sofort waren ihre Gedanken wieder bei Rene. Was sollte sie nur tun? Er hatte sie in der Hand, er hatte ihr ganzes Leben in der Hand. Er würde sie bis in die Ewigkeit erpressen können. Nein, so konnte es einfach nicht weitergehen. Doch wie dann? Gabi musste auf seine Erpressung eingehen, das war ihr klar, sonst wäre alles verloren. Sie sah absolut keinen Ausweg mehr.

Plötzlich hörte sie, wie Ralf die Schlafzimmertür öffnete. Schnell schloss sie die Augen und stellte sich schlafend. Er sollte sich keine Sorgen machen, denn das würde er zweifelsfrei tun, wenn er Gabi in dieser niedergeschlagenen Stimmung erleben würde. Einige Sekunden später stand er auch schon vor Gabis Bett und gab ihr einen sanften Abschiedskuss auf die Stirn. Dann verschwand er wieder und schloss leise hinter sich die Tür. Er zog sich eilig seine Jacke über, weil er schon spät dran war und verließ dann die Wohnung. Auf dem Weg zur Basis fuhr er noch schnell beim Bäcker vorbei und holte eine Tüte Brötchen. Er hatte es nicht mehr geschafft zuhause noch zu frühstücken und seine Kollegen würden sich mit Sicherheit auch über ein zweites Frühstück freuen.

Zehn Minuten nach Schichtbeginn erreichte er dann endlich die Basis. „Ich weiß, ich bin ein bisschen zu spä…“, begrüßte Ralf seine Kollegen, als er den Aufenthaltsraum betrat, wurde jedoch von Michael, der ihm entgegenkam, sofort unterbrochen. Er deutete mit dem Finger aufs Sofa, wo Thomas und Biggi sch eng aneinander gekuschelt hatten und schliefen. „Du weckst unsere beiden Turteltäubchen noch.“, meinte Michael. „Was die beiden letzte Nacht wohl gemacht haben…?“, fragte Ralf sich und grinste verschwörerisch. „Ich will es lieber gar nicht wissen….“, entgegnete Michael. Er verschwand in der Küche, während Ralf sich an den Tisch setzte. Wenig später kam Michael mit einer Kanne frisch gekochtem Kaffee und zwei Tassen wieder. Ralf hatte inzwischen bereits die frisch duftenden Brötchen in den Brötchenkorb gelegt. „So ein zweites Frühstück ist echt das einzige Angenehme daran, Frühschicht zu haben.“, seufzte Michael und biss dann in sein Marmeladenbrötchen. Er dachte lieber gar nicht daran, dass er neben Gabis Schicht natürlich auch noch seine eigene fliegen musste. „Da hast du wohl Recht.“, stimmte Ralf ihm zu.

„Wie geht’s Gabi?“, erkundigte Michael sich nach einer Weile. „Ich denke ganz gut.“, antwortete Ralf ihm, „Hoffe ich zumindest. Gestern Abend war jedenfalls noch alles ok und heute Morgen hat sie noch geschlafen, als ich los musste.“ „Sie und Biggi haben wirklich noch mal riesiges Glück gehabt in der Fabrikhalle.“ Ralf nickte. „Wenn ich nur daran denke, dass Gabi etwas ernstes zugestoßen wäre.“ „Kann ich verstehen, manchmal ist es wirklich nicht leicht in unserem Job.“, stimmte Michael ihm zu. Ralf wurde immer noch ganz schlecht bei dem Gedanken daran, dass Gabi hätte etwas passieren können. Es war nun mal verdammt schwer Berufliches und Privates zu trennen und zuhause oder in der Freizeit die Einsätze zu vergessen. Aber das gehörte nun mal auch zu ihrem Beruf. "Auf jeden Fall ist es gut, dass sie sich noch ein wenig schont. Schon allein wegen des Babys." Michael nickte. "Wie lange will sie eigentlich überhaupt noch arbeiten?" "Hm ... das weiß ich gar nicht. Zu lang sollte es jedenfalls nicht sein, dafür ist unser Beruf einfach zu gefährlich und das Risiko zu hoch.", meinte Ralf. "Wir werden ohnehin dann in ein paar Monaten fast nur noch von Ersatzleuten umgeben sein - schließlich sind die beiden auch bald zu dritt.", meinte Michael und nickte grinsend zu Thomas und Biggi rüber. Sie schliefen immer noch tief und fest. Doch dem wurde jäh ein Ende gesetzt - plötzlich heulte der Alarm auf. "Schwerer Verkehrsunfall auf der B17 Richtung Nürnberg. GPS-Koordinaten per Funk. Over and Out.", tönte es aus dem Lautsprecher. Biggi und Thomas schreckten hoch. "Wie? Was? Einsatz?", fragte Biggi verschlafen. "Ach Mann, dabei haben wir so gut geschlafen.", jammerte Thomas. Biggi zog sich schnell das Overall-Oberteil über und drückte Thomas einen schnellen Kuss auf den Mund. "Pass auf euch auf, mein Schatz!", sagte Thomas ihr noch, bevor sie hinter Ralf und Michael nach draußen verschwand. Aus dem Flur rief sie ihm noch zu: "Ich vermisse dich jetzt schon!" Thomas musste gequält lächeln. "Na und ich dich erst.", meinte er leise zu sich selbst. Biggi hob inzwischen mit Karacho ab.

Der Einsatzort befand sich mehrere Kilometer entfernt, und der Flug dauerte fast zwanzig Minuten. Biggi holte alles aus dem Heli heraus, was er an Speed hergab. "Mensch Biggi, seit

du zu zweit bist, bist du ja noch schneller geworden.", bemerkte Michael bewundernd. "Tja, was so ein kleiner Pilot alles ausmachen kann.", meinte sie grinsend darauf. "Außerdem willst du ja auch bald wieder bei Thomas sein, stimmt's?", hackte Ralf grinsend nach. "Also Ralf, wirklich. Ausnahmsweise geht's mir mal nicht um Thomas.", verteidigte sie sich, musste dann aber kleinlaut hinzufügen: "Nicht nur um Thomas." Als sie am Unfallort ankamen, erblickten sie zahlreiche Löschfahrzeuge, Rettungswägen und Polizeiautos. Nachdem Biggi gelandet war, stürmten gleich ein paar Sanitäter mit einer Trage herbei. "Der Patient muss dringend in eine Spezialklinik für Verbrennungen. Er saß in seinem Auto, als es explodierte.", klärte ein Kollege Michael auf. "Verstehe. Sonst noch jemand?" "Nein, er ist der einzige, die anderen sind bereits versorgt." Ralf und Michael nahmen den Patienten an Bord und schlossen ihn an alle nötigen Geräte an. Er sah wirklich schlimm aus. Es war kein gesunder Teil mehr an seiner Haut zu erkennen, und Michael bezweifelte stark, ob er einen derartigen Grad an Verbrennungen überhaupt überleben würde. Einen Versuch war es zumindest wert. So schnell sie konnte, flog Biggi die Spezialklinik in München an und erreichte sie in einer Rekordzeit von sechs Minuten. Michael wünschte dem Patienten insgeheim viel Glück, als er auf dem Dachlandeplatz abtransportiert wurde. Anschließend hob Biggi die Maschine sogleich zum Rückflug heimwärts ab. Thomas wartete bereits vor dem Hangar, als sie landeten. Als Biggi ausstieg, breitete er die Arme aus, und sie stürmte auf ihn zu, worauf sie sich glücklich seufzend an ihn schmiegte. Michael und Ralf schüttelten nur lächelnd den Kopf. Das Wetter war alles andere als hervorragend, und langsam begann es, immer stärker zu regnen. Biggi und Thomas wollten sich am liebsten gar nicht mehr loslassen, also blieben sie im Regen stehen. "Oh nein, warum regnet es denn jetzt ...?", fragte Biggi enttäuscht. "Wir können es ja trotzdem gemütlich haben.", meinte Thomas darauf. Biggi blickte ihn fragend an. Dann nahm er sie an der Hand und führte sie hinter den Hangar, wo das Wrack stand. Biggi verstand noch immer nicht, was er vorhatte. Thomas zog schließlich den Schlüssel zum Wrack hervor. „Aber das ist doch…“, meinte Biggi „Der Schüssel zum Wrack.“, vervollständigte Thomas ihren Satz und zog sie mit zu dem alten Helicopter. „Peter hat einen Zahnarzttermin und wird noch lange nicht zurück sein.“, erklärte Thomas dann und klappte die Treppe herunter. „Und wenn er etwas dagegen hat?“, fragte Biggi zögernd. „Er muss es ja nicht mitbekommen.“, erwiderte Thomas. „Stimmt.“, meinte Biggi grinsend und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Dann stieg sie die kleine Treppe hinauf in Peters Wohnung. Thomas folgte ihr und sie ließen sich natürlich gleich aufs Bett fallen. "Mir kommt da eine wunderbare Idee ...", meinte Thomas leise, während er Biggi zärtlich küsste. "Ach ja? Mir auch ... aber du darfst nicht vergessen, wir sind nicht allein." "Oh - hab ich ganz vergessen. Ist das schlimm?" "Naja, wir wollen unser Kind ja nicht verderben ..." "Du meinst, wir sollen jetzt neun Monate warten oder wie??", fragte Thomas entsetzt. Biggi zuckte mit den Schultern. Mit Kinderkriegen hatte sie schließlich noch keine Erfahrung. Dann fiel Thomas etwas ein. "Eigentlich sollte es ja noch gar keine Sinnesorgane haben, oder? Schließlich ist es nicht mal zwei Wochen alt." "Stimmt!", gab Biggi ihm Recht. Sie mussten beide lächeln, worauf sie in einem zärtlichen Kuss versanken...

Sie dachten gar nicht daran, dass Biggi eigentlich Schicht hatte. Michael und Peter hatten es sich inzwischen im Aufenthaltsraum gemütlich gemacht und tranken frischen Kaffee. Draußen regnete es in Strömen und die beiden waren froh, dass sie gerade keinen Einsatz hatten.

Gabriele war inzwischen aufgestanden. Ihre Gedanken waren immer noch bei dem Brief, wo auch sonst. Ihre Lage war aussichtslos, oder woher sollte sie das Geld bekommen? So viel würde sie niemals auftreiben können und schon gar nicht in kurzer Zeit. Die einzige Möglichkeit wäre… nein, das konnte sie doch nicht machen…oder? Es wäre die einzige Möglichkeit… sie könnte ihre Mutter fragen. Zwar glaubte sie nicht daran, dass Angela ihr nach ihrem letzten Streit, bei dem Gabi ihr an den Kopf geworfen hatte, dass sie sie nie wieder anrufen solle, etwas leihen würde, aber mehr als versuchen konnte sie es schließlich nicht. Sie hatte keine andere Wahl, sie musste es versuchen. Nun brauchte sie nur noch einen guten Grund, die Wahrheit konnte sie ihrer Mutter schließlich schlecht erzählen.

Langsam ging sie ins Bad und ließ die Dusche an. Sie zog sich das Nachthemd aus und ließ sich dann das heiße Wasser über den Kopf laufen. Für einen Moment schloss sie die Augen, doch dann öffnete sie gleich wieder. Sie hatte wieder Rene vor Augen gehabt. Würde das denn niemals aufhören? Ihre Knie zitterten und sie musste sich an der Wand abstützen. Und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie es nicht schaffte. Sie würde es nicht schaffen ohne ein Beruhigungsmittel. Nervös stellte sie die Dusche ab, wickelte sich ein Handtuch um und stolperte auf den Medikamentenschrank zu. Schnell hielt sie das kleine Döschen, aus dem sie sich auch am vergangenen Abend bedient hatte, in der Hand. Und wenige Augenblicke später hatte sie zwei weitere Beruhigungstabletten genommen. Niemand durfte schließlich etwas merken. Sie würde gleich Angela anrufen und wenn sie das Geld bekommen würde, vielleicht wäre sie Rene dann ja wirklich für immer so los. Sie hoffte es so sehr. Der Gedanke, dass er sie endlos erpressen könnte, machte ihr Angst, schreckliche Angst. Wenn sie doch irgendwas tun könnte. Doch das konnte sie nicht. Die Vergangenheit hatte sie eingeholt und sie war machtlos dagegen. Erschöpft ging sie zurück ins Schlafzimmer und ließ sich dort aufs Bett sinken. Langsam bahnte sich eine Träne ihren Weg über Gabis Wange. Sie wischte sie jedoch weg und griff dann schnell und entschlossen zum Telefon, das auf ihrem Nachttisch lag.

Inzwischen rückte auf der Basis der Schichtwechsel immer näher. Thomas und Biggi waren noch immer in Peters Wohncopter und hatten es sich dort auf dem Bett gemütlich gemacht. Biggi hatte sich auf den Bauch gelegt und Thomas massierte ihr den Rücken. Biggi genoss es sehr und hatte die Augen geschlossen. „Ich könnte für immer hier liegen bleiben.“, meinte sie lächelnd. Thomas wollte ihr gerade antworten, dass es ihm genauso ginge, doch dann erblickte er erschrocken, wie Peters Auto auf den Parkplatz fuhr, er ausstieg und auf das Wrack zukam. „Ähm, also… ich fürchte das wird nichts.“, meinte Thomas verlegen. Biggi blickte ihn fragend an. Thomas deutete auf Peter. Nun erkannte auch Biggi ihn, er hatte das Wrack bereits fast erreicht. „Du meintest doch, Peter kommt so schnell nicht wieder.“, meinte Biggi grinsend. Das war typisch ihr Thomas. Ihr war klar, dass Thomas die Aktion vorher nicht mit Peter abgesprochen hatte. Schnell zog Thomas Biggi mit unter die Bettdecke und zog die Decke dann so hoch, dass auch ihre Köpfe darunter versteckt waren. „Meinst du, Peter merkt was?“, fragte Biggi leise, während sie sich an Thomas kuschelte. Er konnte jedoch nicht mehr antworten, da Peter in diesem Moment die Tür öffnete. Thomas und Biggi trauten sich kaum zu atmen und bewegten sich keinen Millimeter.

Da die Schicht des A Team seit wenigen Minuten begonnen hatte, wollte Peter nur noch schnell die Einkäufe in seinen Helicopter bringen. Er hatte es so eilig, da er auch noch nicht umgezogen war, dass er gar nicht auf das Bett achtete. Sonst hätte er mit hundertprozentiger Sicherheit  gesehen, dass dort jemand lag. Doch so verschwand er, ohne sich noch weiter umzusehen, wieder ins Basisgebäude. Biggi und Thomas atmeten auf. Erst als sie ganz sicher waren, dass Peter wieder weg war, krochen sie wieder unter der Bettdecke hervor. „Dass so was immer uns passieren muss.“, meinte Thomas verwundert. Biggi grinste. „Na, wer hat denn gesagt, Peter sei weg…“ Thomas lächelte unschuldig und zog Biggi zu sich, um sie zu küssen. Dann erhoben sie sich jedoch langsam und richteten Peters Bett wieder ordentlich her. Sie wollten es schließlich vermeiden, dass er jetzt noch einmal wiederkommen und sie doch noch entdecken würde, oder an den Spuren, die sie hinterließen, merken würde, dass sie dort gewesen waren. Nachdem alles wieder halbwegs ordentlich war, warfen sie einen prüfenden Blick hinüber zum Basiseingang und als nichts zu sehen war, stiegen sie eilig aus dem Wohncopter. „Mann, mit dir erlebt man wirklich immer Abenteuer...“, meinte Biggi dann lachend. Thomas zuckte unschuldig mit den Schultern. „Dafür hatten wir es doch wirklich gemütlich.“ „Da hast du Recht.“, stimmte Biggi ihm zu. Sie blieben stehen und sie legte die Arme um seinen Hals. „Ich liebe dich so sehr.“, sagte sie leise. Thomas legte nun auch seine Arme um sie. Ihre Lippen näherten sich langsam, bis sie schließlich in einem leidenschaftlichen Kuss verschmolzen.

Peter und Michael waren ans Fenster getreten und beobachteten die Szene. Dass Thomas und Biggi gerade aus dem Wrack gekommen waren, hatten sie jedoch nicht gesehen. „Wo ward ihr denn die ganze Zeit?“, fragte Michael neugierig, als die beiden kurze Zeit später Arm in Arm in den Aufenthaltsraum kamen. Biggi und Thomas grinsten sich nur an und zuckten dann mit den Schultern.

Gabriele hatte inzwischen die Nummer ihrer Muter gewählt und wartete darauf, dass am anderen Ende jemand abnahm. Sie musste nur einige Sekunden warten, bis ihre Mutter sich mit „Angela Kollmann, hallo?“ meldete. „Hallo Mutter, ich bin es Gabi….“, sagte sie zögerlich. Angela hatte damit absolut nicht gerechnet. Im Grunde war sie auch noch ziemlich sauer auf Gabi wegen dem letzten Streit. Die Reaktion ihrer Tochter hatte sie sehr verletzt. Sie wollte ihr doch nur helfen und Gabi dazu bringen endlich einzusehen, dass Ralf – davon war Angela fest überzeugt – nicht der richtige Mann für sie war. Doch Angela hatte niemanden mehr außer ihrer Tochter. Gabi war ihr ein und alles und so brachte sie es einfach nicht übers Herz, ihr weiterhin böse zu sein, auch wenn es ihr andererseits wieder schwer fiel. Sie wollte zunächst wissen, weshalb Gabriele anrief. „Püppi, das ist aber eine Überraschung.“, stellte sie fest. Gabi schluckte. „Ich…ich wollte mich entschuldigen, ich meinte das neulich nicht so.“ „Schon ok.“, sagte Angela nur trocken, obwohl sie es alles andere als ok fand, doch sie wollte ja eigentlich, dass sie und Gabi sich wieder vertrugen und wollte dem jetzt nicht im Weg stehen. „Mutter, der Grund, warum ich eigentlich anrufe ist…“, Gabi brach im Satz ab und begann zu schluchzen. „Püppi, was ist denn los?“, fragte Angela besorgt. „Ich…ich brauche 10000 Euro.“ „Aber, Gabriele, wofür brauchst du soviel Geld?“, fragte ihre Mutter nun ernst und zugleich entsetzt. Gabi hatte es satt zu lügen, sie konnte einfach nicht mehr. „Ich…ich werde erpresst.“, erzählte sie unter Tränen. „Mir ist ein Kunstfehler unterlaufen und jemand hat es gesehen. Er droht mich jetzt auffliegen zu lassen, dann bin ich meinen Job los und bekomme ein Gerichtverfahren wegen fahrlässiger Tötung obendrauf.“ Die Geschichte um Ralf und Christine verschwieg sie jedoch, ebenso wie die Nacht mit Rene. Das durfte wirklich niemand erfahren, niemand. „Oh mein Gott. Du musst zur Polizei gehen.“, meinte Angela geschockt. Sie musste erst einmal verdauen, was Gabi ihr erzählt hatte. „Nein Mutter, versteh mich doch, das kann nicht nicht, dann bin ich meinen Job los.“ Angela musste einsehen, dass Gabi damit wohl Recht hatte. „Püppi, du weißt doch, Geld war noch nie ein Problem und das wird es jetzt auch nicht sein. Ich werde gleich nachher zur Bank gehen und dir das Geld besorgen. Wir kriegen das schon wieder hin“, versprach Angela und versuchte aufbauend zu klingen. „Danke.“, meinte Gabi erleichtert, auch wenn sie wusste, dass sie Rene wahrscheinlich noch lange nicht los war. „Und Mutter… bitte erzähle es niemandem, versprochen? Sobald es jemand weiß, wird es früher oder später auch die Öffentlichkeit wissen und dann ich erledigt.“ Angela versprach es. „Natürlich, ich werde mir jetzt gleich ein Taxi bestellen und losfahren, um die 10000 Euro besorgen. Danach rufe ich noch mal an, wenn ich wieder zuhause bin, dann kannst du vorbeikommen.“ „Danke. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne dich machen würde, Mutter.“, antwortete Gabi. Dann verabschiedeten sie sich. Nachdem Gabi aufgelegt hatte seufzte sie erleichtert. Zwar das Problem noch lange nicht gelöst, doch sie war der Lösung zumindest schon ein ganzes Stück näher. Ja, es gab jetzt wieder so etwas wie einen Ausweg, auch wenn dieser Ausweg noch sehr unsicher war, er war da.

Thomas und Biggi hatten beschlossen nach draußen zu gehen und gemeinsam den Helicopter zu checken, da sie dies eigentlich schon vor dem letzten Einsatz hätten tun müssen. Es hatte wieder ein wenig angefangen zu regnen. „Das war ja wieder klar, kaum müssen wir den Heli checken, da muss es wieder beginnen zu regnen.“, stellte Biggi fest. Thomas nickte, aber sie hatten nun mal keine Wahl, wenn ein Einsatz kam, musste der Heli fertig gecheckt sein. Thomas nahm sich seine Jacke zum Ständer und zog sie sich über. Auch Biggi wollte sich ihre Jacke nehmen, doch sie hing nicht dort. „Hat jemand meine Pilotenjacke gesehen?“, fragte sie verwundert in die Runde, doch Peter und Michael verneinten dies und Biggi musste gleich wieder die Kommentare der beiden über sich ergehen lassen. „Woher sollen wir denn wissen, wo du deine Sachen verstreut hast?“, fragte Michael. „Vielleicht hat Thomas sie ja versteckt, um dich zu ärgern.“, sagte Peter dann grinsend, während Biggi schließlich zusammen mit Thomas aber ohne ihre Jacke nach draußen verschwand. Thomas nahm sie ein wenig mit unter seine Jacke, doch es half nicht viel. Als sie am Heli angekommen waren, war Biggis Overall bereits ziemlich nass. Thomas zog sich seine Jacke aus und legte sie ihr fürsorglich um. „Danke.“, meinte Biggi und bedankte sich mit einem Lächeln bei ihm. Dann begannen sie den Heli zu checken.

Michael brütete gerade über seinen Berichten, während Peter eben in seinem Helicopter verschwunden war, um sich ebenfalls Berichte, die er noch dort gelagert hatte, zu holen. Wenn Ebelsieder als neuer Chef kommen würde, wollten sie versuchen die Defizite der letzten Wochen wenigstens zum Teil wieder aufzuholen.

Ralf war nach seiner Schicht sofort nachhause gefahren, er wollte unbedingt zu Gabi. Irgendwie machte er sich Sorgen, er wusste selbst nicht warum. Heute Morgen war zwar noch alles in Ordnung gewesen – dachte er zumindest – doch er wollte trotzdem schnell nachhause. Als er die Wohnungstür aufschloss, kam Gabi ihm bereits entgegen und ließ sich in seine Arme sinken, sie war so froh, dass er da war. „Alles ok?“, fragte er sofort. Gabriele nickte sofort heftig. Ralf sollte unter keinen Umständen etwas bemerkten. „Ich habe mich mit meiner Mutter versöhnt, sie hat mich vorhin angerufen und heute Nachmittag wollen wir uns in der Stadt treffen und einkaufen gehen.“, log sie dann. Sie brauchte schließlich eine Ausrede dafür, dass sie am Nachmittag noch einmal wegfahren würde. „Oh, ich freu mich so.“, meinte Ralf glücklich und küsste sie. Er ging schließlich davon aus, dass die ständigen Streitereien mit ihrer Mutter der Grund dafür waren, dass es Gabi in den letzten Monaten nicht so gut ging. Dass etwas komplett anderes dahinter steckte, ahnte er nicht im Geringsten.

Thomas und Biggi hatten den Helicopter fertig gecheckt. Inzwischen waren sie beide nass von oben bis unten und gingen nun langsam zurück zum Eingang. „Jetzt nehmen wir erstmal eine schöne, heiße Dusche, ja?“, schlug Thomas vor. Biggi nickte begeistert. Sie waren wirklich nass bis auf die Haut und das war jetzt genau das Richtige. Als sie gerade im Vorflur zum Aufenthaltsraum waren und Biggi sich die nasse Jacke von Thomas auszog, um sie zum Trocknen zu hängen, betrat Peter mit seinen Berichten ebenfalls gerade wieder die Basis. Er grinste übers ganze Gesicht und alle sahen ihn fragend an. „Tja Biggi, ich weiß jetzt, wo deine Jacke war…“, begann er und hielt Biggi ihre Pilotenjacke unter die Nase. „Und ich denke, ich weiß jetzt auch, wo die beiden die ganze Zeit waren….“, setzte er hinzu und blickte erst Michael und dann Thomas und Biggi triumphierend an. Die beiden sahen nur verlegen auf den Boden. Ihnen war sofort klar, wo Peter die Jacke gefunden hatte. Dass ihnen das nicht aufgefallen war…

„Wieso, wo waren die beiden denn und wo war Biggis Jacke?“, wollte Michael, der es noch nicht verstanden hatte, nun wissen.

„Ich glaube, unsere beiden Turteltäubchen haben sich in meinem Heli eingenistet.“, erklärte Peter ihm, während er einen kopfschüttelnden Blick an Thomas und Biggi wandte, die immer noch verlegen dastanden und nicht wussten, was sie sagen sollten. Die Situation war ihnen ziemlich unangenehm. „Ähm…ich…ich glaube, wir gehen dann mal duschen.“, meinte Thomas schließlich. Er nahm Biggis Hand und zog sie schnell hinter sich her in die Herrenumkleidekabine, wo sie erst einmal aufatmeten „Oh Mann, nächstes Mal müssen wir aber echt ein bisschen mehr aufpassen.“, meinte Biggi, als sich die beiden von dem ersten Schock erholte hatten. „Am besten wir suchen uns gleich ein anderes Plätzchen, dieses kennen die anderen ja jetzt schon, das ist doch langweilig.“, schlug Thomas grinsend vor. „Du bist echt unmöglich.“, meinte Biggi kopfschüttelnd, während sie lachen musste. „Aber deshalb liebe ich dich ja so sehr.“, fügte sie dann lächelnd hinzu, während sie ihm mit der Hand sanft durchs Haar strich. Sie drehte schließlich mit der anderen Hand den Schlüssel in der Tür herum und zog Thomas dann mit nach hinten zu den Duschen. Dort zog sie ihn mit unter die Dusche und drückte dann auf den Duschhahn. Ihre Sachen waren vorher sowieso schon nass gewesen und so machte es keinen Unterschied mehr, ob sie sie vorher auszogen oder nicht. Thomas legte seine Arme um Biggi und sie begannen sich zärtlich zu küssen, während sie sich langsam gegenseitig die Overalls auszogen.

„Du solltest dir ein Sicherheitsschloss für deinen Helicopter kaufen.“, schlug Michael Peter grinsend vor. Die Eindringlinge im Wohncopter waren jetzt das Gesprächsthema Nummer  Eins. Auch Max, der inzwischen in den Aufenthaltsraum gekommen war, war sofort eingeweiht worden. „Oder am besten gleich einen Bewegungsmelder.“, gab auch er seinen Senf dazu. Sie konnten sich alle kaum noch halten vor lachen. „Den beiden war die Sache aber glaube ich echt unangenehm.“, mutmaßte Peter dann nach einer Weile. Michael nickte. „Das geschieht ihnen recht. Den Blick der beiden hättest du wirklich sehen müssen, Max.“ Max lächelte nur. „Ach lasst die beiden doch, Hauptsache sie sind glücklich miteinander.“

"Hast ja Recht, Max ... und in ihrem Glück lassen sie sich ja zum Glück auch nicht stören", meinte Michael grinsend. Man hörte nämlich sogar durch die Wand das laute Pritscheln des Wassers und das Lachen der beiden Verliebten unter der Dusche. Sie schüttelten nur schmunzelnd die Köpfe. Biggi und Thomas hatten sich inzwischen gegenseitig gründlich eingeseift und genossen nun sich umarmend den warmen Wasserstrahl der Dusche ... Thomas nahm noch ein wenig Duschgel und schmierte dann zärtlich Biggis Bauch damit ein. "Auch er sollte immer schön sauber sein ...", meinte er lächelnd. "Du spinnst", sagte Biggi darauf nur lachend. "Und im Übrigen find ich's nicht sehr nett, dass du eine mögliche Sie als Er bezeichnest.", meinte sie vorwurfsvoll. "Wär's dir etwa lieber, wenn ich Es sage?" "Nein, auch nicht ... was machen wir denn da?" "Hm ... wir könnten es alle geraden Kalendertage Sie, und alle ungeraden Er nennen.", fiel Thomas ein. Biggi nickte vergnügt. "Gute Idee." "Ne, ne Notlösung.", meinte Thomas darauf. "Und was ist heute für ein Tag?" "7." "Oh, gemein.", ärgerte sich Biggi. "Ach komm, soo schlimm sind wir Männer ja auch nicht, oder?" Biggi schüttelte lächelnd den Kopf. Thomas küsste sie zärtlich. "Das könnt ihr besonders gut...", meinte Biggi dann, worauf sie sich in seine Arme schließen ließ und sie sich weiter innig küssten. Plötzlich spürte Biggi eine ganz leichte Bewegung in ihrem Bauch. "Hey, er beschwert sich schon.", meinte sie leise zu Thomas. "Echt? Oh süß ... aber er sollte doch besser ein Nickerchen halten, wenn Mami und Papi beschäftigt sind." "Streng, streng...", grinste Biggi. "So ein kleiner Racker braucht Regeln." "Na ich bin ja mal gespannt ob du dich auch an die hältst, wenn er erstmal da ist. Vermutlich wirst du dann das liebe Vorbild Papi sein und ich darf die Erziehung übernehmen." "Toll, machst du das?", fragte Thomas erfreut. Sie mussten beide lächeln. "Scherzkeks" "Mach dich nicht lustig über mich, Mami." "Ich hör nur auf, wenn du mich gleich küsst, Papilein." Das ließ sich Thomas nicht zweimal sagen ...

Gabi hatte sich zuhause inzwischen fertig gemacht, um zu ihrer Mutter zu fahren. Sie würde sich bestimmt bald telefonisch melden, um Gabi Bescheid zu geben. Ralf unterstützte Gabi ein wenig dabei, ihre Sachen zusammenzusuchen. "Kauf was Schönes ein, ok?", meinte er, während er Gabi zärtlich in die Arme nahm. "Was hättest du denn gern?" "Ich stelle keine Forderungen, mach du dir lieber mal einen schönen Nachmittag und kauf für dich was Schönes. Aber du könntest für heute Abend ein schönes Video ausleihen, hm?" "Mach ich. Gute Idee.", meinte Gabi und bemühte sich um ein Lächeln. "Für wann seid ihr denn verabredet?" "Ähm ... meine Mutter meldet sich, sobald sie fertig ist. Müsste gleich sein." Ach so, verstehe." Wie auf Befehl klingelte plötzlich das Telefon im Flur. "Das wird sie sein.", meinte Gabi ein wenig nervös. Ralf nickte nur und sah zu, wie Gabi in den Flur eilte." "Hallo Mutter ... danke ... gut, dann fahr ich jetzt los. Ich ... ich freu mich schon." Schon hatte Gabi wieder aufgelegt. "Ich fahr dann jetzt, ok?" "Hast du auch alles?", fragte Ralf nach. "Wo ist denn deine Handtasche? Und Geld wirst du ja auch brauchen?", wunderte er sich laut darüber, dass Gabi nichts als ihre Jacke dabei hatte. "Ach ja, klar. Wo bin ich nur mit meinen Gedanken?", fragte Gabi. "Na hoffentlich bei mir.", meinte Ralf misstrauisch. "Klar. Nur bei dir.", versicherte Gabi ihm, nahm ihn noch mal ihn den Arm und küsste ihn zum Abschied. Ralf erwiderte es erfreut. "Viel Spaß euch beiden.", wünschte er ihr noch auf den Weg. Als Gabi schon die Wohnung verlassen wollte, kam sie doch noch mal zurück und eilte ins Badezimmer. "Ich muss mal.", meinte sie und schaffte es, unschuldig zu grinsen. Ralf schüttelte lächelnd den Kopf. Wird wohl immer so sein bei Schwangeren, dachte er sich und machte sich deshalb auch keine weiteren Sorgen über das ungewöhnliche Benehmen seiner Gabi. Im Badezimmer ging Gabi nicht auf die Toilette. Sie öffnete mit zitternden Händen das Döschen mit den Valium-Tabletten, nahm eine, schluckte sie, und packte den Rest in ihre Handtasche. Dann atmete sie tief durch, zog an der Toilette die Spülung und trat wieder aus dem Badezimmer. Dort küssten sich die beiden noch mal, worauf Gabi endgültig die Wohnung verließ. "Bis bald!", winkte sie Ralf noch von der Treppe aus zu.

Er sah ihr noch nach bis sie verschwunden war und schloss dann wieder die Tür. Lächelnd ging er dann zurück ins Wohnzimmer. Er war sehr erleichtert darüber, dass Gabi sich mit ihrer Mutter anscheinend wieder besser verstand. Vielleicht würde sich dieses merkwürdige Verhalten, das er an ihr schon seit einigen Monaten beobachtet hatte, nun endlich verschwinden. Vielleicht würde sie nicht mehr nur für den Augenblick glücklich wirken und nicht ständig so abwesen wirken. Ralf ließ sich seufzend aufs Sofa sinken. Er liebte sie über alles und wünschte sich nichts sehnlicher, als das Gabriele endlich wieder glücklich werden würde, genauso wie vor einigen Monaten noch. Er fragte sich die ganze Zeit über schon, warum sie sich seitdem so verändert hatte, doch er hatte noch keine Erklärung gefunden. Irgendwie spürte er, dass sie etwas bedrückte, doch da sie nicht mit ihm darüber reden wollte und es leugnete, konnte er nur vermuten, dass es sich wieder um Streitereien mit Angela handelte.

Gabriele hatte sich inzwischen auf den Weg zu ihrer Mutter gemacht. Ihre Nervosität wich langsam einer ausgeglichenen Ruhe, die durch Tabletten hervorgerufen wurde. Gabi wusste nicht mehr, wie sie ohne sie die nächsten Tag überstehen sollte. Wenn das alles wieder vorbei wäre, dann würde sie damit aufhören. Ja, dann wäre alles wieder gut. Sie seufzte leise, doch eh sie sich versah, war sie bereits vor der Villa ihrer Mutter angekommen.

Angela hatte ihre Tochter bereits aus dem großen Wohnzimmerfenster beobachtet und lief ihr nun entgegen. Gabi fiel ihr erst einmal in die Arme. „Kind, was machst du nur für Sachen?“, fragte Angela besorgt. Gabi antwortete nicht. Sie hoffte nur eins, dass alles gut gehen würde und Rene sie endlich in Ruhe lassen würde – für immer. Schließlich gingen sie und Angela langsam ins Haus. Angela holte einen Umschlag aus dem Schrank und drückte ihn Gabi in die Hand. „Hat der Erpresser sich dann schon gemeldet?“, fragte sie dann. Gabi schüttelte den Kopf. Diese Warterei und Ungewissheit machte sie fast krank. Ohne die Tabletten hätte sie das sicherlich nicht überstanden, dachte sie sich. „Aber ich denke, er wird sich bald wieder melden.“, antwortete sie betrübt. Einerseits wollte sie, dass alles endlich vorbei war, andererseits hatte sie Angst vor einem erneuten Zusammentreffen mit Rene. Was würde er dieses Mal noch von ihr verlangen? Würde er sich wirklich mit dem Geld zufrieden stellen?

„Am liebsten würde ich solchen Schweinen den Hals umdrehen.“, erwiderte Angela nach einigen Augenblicken. Doch sie wusste, dass sie das nicht tun konnte, sie hatte Gabriele schließlich versprochen, mit niemandem darüber zu reden, da Rene mit ihr alles machen konnte, er konnte sie bis in die Ewigkeit erpressen. Schon bei dem Gedanken daran lief Gabi ein kalter Schauer den Rücken herunter. „Ich… ich muss jetzt los.“, meinte sie dann leise. „Vielen Dank noch mal, ich weiß echt nicht, was ich ohne dich tun sollte.“ Angela schloss ihre Tochter in die Arme. „Du weißt, doch, dass du immer zu mir kommen kannst, Püppie, egal um was es geht.“ „Ja, ich weiß.“, antwortete Gabi und nickte dankbar. Dann verabschiedeten sie sich endgültig und Gabriele fuhr zurück nachhause.

Inzwischen war die Schicht des A Teams zu Ende. Während Peter bereits in seinem Wohncopter verschwunden war, da er sich später noch mit Barbara treffen wollte, waren die anderen noch auf der Basis. Biggi und Thomas wollten jedoch auch gerade aufbrechen. Nur Michael wollte noch duschen. „Machst du dann hier alles dicht?“, fragte Thomas ihn. Michael nickte. „Ja, mach ich, nun verschwindet schon endlich, ihr beiden.“, antwortete er grinsend. „Danke.“, kam es von Thomas und Biggi im Chor zurück. Dann verließen sie Arm in Arm die Basis und machten sich auf den Nachhauseweg.

Ralf wunderte sich, dass er bereits eine Stunde nachdem Gabi die Wohnung verlassen hatte, hörte, wie sich der Schlüssel um Schloss umdrehte und die Wohnungstür aufging. Er ging gleich in den Flur um seine Liebste zu begrüßen. „Du bist schon wieder da, Schatz?“, fragte er erstaunt, nachdem sie sich einen innigen Begrüßungskuss gegeben hatten. „ja, meiner Mutter ging es nicht so gut, daher sind wir nicht so lange in der Stadt geblieben.“, los sie. „Hast du denn wenigstens was schönes gekauft?“, fragte Ralf dann. Gabi schüttelte betrübt den Kopf. ‚Was schönes gekauft?’, dachte sie bei sich ‚Schön wäre es gewesen.’ Leise seufzte sie, jedoch so, dass Ralf es nicht hören konnte. Sie setzten sich ins Wohnzimmer aufs Sofa. „Hoffentlich geht es deiner Mutter bad wieder besser.“ , meinte Ralf. Gabi nickte. Sie hatte diese Lügerei so was von satt. ‚Ach Ralf, wenn du nur wüsstest, wenn ich dir doch endlich alles sagen könnte.’, dachte sie sich. Dabei stiegen ihr Tränen in die Augen. Ihr wurde wieder einmal bewusst, dass ihre Beziehung zu Ralf auf immer mehr Lügen aufgebaut war. Sie wollte ihn doch nicht belügen, dafür liebte sie ihn viel zu sehr, aber hatte sie eine andere Wahl?

Biggi und Thomas waren inzwischen zuhause angekommen. Sie wollten sich einen richtig gemütlichen Abend machen, wobei sie jedoch nicht zu spät schlafen gehen wollten, da sie die Auswirkungen der vergangenen Nacht noch spürten und beide ziemlich müde waren. Nachdem sie sich schnell etwas zu essen gekocht hatten, verzogen sie sich nach oben in ihr Schlafzimmer, wo sie noch ein wenig fernsehen wollten. Sie kuschelten sich unter die Bettdecke und sahen sich dann einen Film an. Da der Film jedoch nicht sehr gut war, fingen sie bald an sich zu küssen. Irgendwann beschlossen sie dann jedoch ins Bett zu gehen. Thomas schaltete den Fernseher aus und ging dann ins Bad. Biggi lag noch immer auf dem Bett. Sie dachte nach. Morgen würde Ebelsieder wiederkommen, es würde sein erster Arbeitstag auf der Basis sein, sie würde ihn dann jeden Tag sehen. Am liebsten wäre es ihr gewesen, der nächste Morgen würde nicht kommen, doch sie wusste, dass das unmöglich war. Sie musste irgendwie mit der Situation klar kommen. Vielleicht würde sie es ja wirklich schaffen, Ebelsieder wieder unter die Augen treten zu können, wie einem ganz normalen Menschen. Doch das brauchte Zeit, das wusste sie selbst. Seufzend schloss sie die Augen. Als sie schon beinahe eingeschlafen war, kam Thomas wieder. Er setzte sich auf die Bettkante und küsste sie leicht auf die Stirn. Biggi öffnete die Augen wieder und lächelte ihn an. „Tut mir Leid, ich wollte dich nicht wecken.“, entschuldigte Thomas sich. „Hast du nicht.“, sagte Biggi. Sie zog ihn zu sich und küsste ihn zärtlich. Schließlich stand sie dann jedoch auf und ging auch noch schnell ins Bad.

Als Thomas und Biggi wenig später aneinander gekuschelt im Bett lagen und Thomas schon fast eingeschlafen war, fragte Biggi plötzlich: „Wann kommt er morgen eigentlich?“ Thomas hätte beinahe nachgefragt, wen sie denn mit „er“ meine, doch es fiel ihm sofort wieder ein. Wie konnte er es auch vergessen, natürlich, Ebelsieder. Thomas hatte es nicht vergessen, dass er wieder auf die Basis kommen würde, nein, er hatte es höchstens verdrängt. Noch immer hielt er es für nicht gut. Er hatte keine Ahnung, wie Biggi damit umgehen würde. „Ich weiß es nicht.“, antwortete er leise und schloss sie dabei noch fester in die Arme. „Aber du wirst nicht allein sein, Biggi, das verspreche ich dir. Und gemeinsam werden wir das schon irgendwie schaffen, hm?“, versprach Thomas ihr und versuchte aufbauend zu klingen. In Wirklichkeit, hatte er jedoch selbst keine Ahnung, wie der morgige Tag und alle weiteren Tage, an denen Biggi Ebelsieder zweifelsfrei unter die Augen treten müssen würde, verlaufen würden. Doch seine Worte machten Biggi Hoffnung und sie gaben ihr das Gefühl, niemals allein zu sein. Das gab ihr unheimlich viel Kraft. „Ja, ich weiß.“, antwortete sie dankbar und gab ihm einen kleinen Kuss auf den Mund, bevor sie schließlich beide, mit den Gedanken bei der morgigen Begegnung mit Ebelsieder, einschliefen.

Gabi lag zur gleichen Zeit noch wach. Ralf war neben ihr schon lange eingeschlafen. Doch Gabi konnte nicht schlafen, obwohl sie wieder einige Beruhigungsmittel genommen hatte. Sie hatte das Gefühl die Dosis erhöhen zu müssen, damit sie überhaupt noch eine ausreichende Wirkung hatten. Wie sehr hoffte sie, dass das alles bald vorbei wäre. Doch Rene hatte sich den ganzen Tag nicht bei ihr gemeldet. Sie sah zu Ralf, der seinen Arm um sie gelegt hatte und friedlich schlief. Sanft strich sie ihm mit der Hand über die Wange, ohne ihn jedoch zu wecken. Sie tat das alles nur für ihn, denn sie wusste, dass sie ohne ihn nicht mehr leben konnte. Sie hatte noch niemals einen Menschen so sehr geliebt wie ihn. Seufzend drehte sie sich auf die Seite in der Hoffnung dann besser schlafen zu können. Doch dies war nicht der Fall und so lag sie noch die halbe Nacht wach und wälzte sich unruhig im Bett hin und her.

Erst in den frühen Morgenstunden fiel sie in einen unruhigen Schlaf. Am nächsten Morgen hatte das B Team die erste Schicht und so wurden Gabi und Ralf um sieben geweckt. Ralf tastete nach dem Wecker auf deinem Nachttisch und stellte ihn aus, doch er wusste, dass alles nichts nützte und er aufstehen musste. So setzte er sich gähnend auf. „Morgen mein Schatz.“, meinte er verschlafen, als Gabi sich auch irgendwann aufrichtete. „Morgen.“, gab sie nur leise zurück. Sie war todmüde und ausgelaugt. Zudem war ihr ein wenig übel was sie sofort wieder an die Schwangerschaft und somit auch an Renes mögliche Vaterschaft erinnerte. Ralf gab ihr einen Guten Morgen Kuss und verschwand dann schon einmal in der Küche, da meistens Gabriele zuerst in Bad ging. Das tat sie dann auch sofort und ihr erster Gang führte sie zum Medikamentenschrank. Nachdem sie sich dort bedient hatte, fühlte sie sich gleich viel besser und ausgeglichener. So fühlte sie sich fit den Tag zu überstehen. Sie war sich fast sicher, dass Rene sich heute melden würden. Sie hatte es irgendwie im Gefühl. Gerade als sie unter die Dusche steigen wollte, hörte sie, wie das Telefon im Flur klingelte und Ralf wenige Sekunden später abnahm. „Staller?“, meldete er sich. „Guten Tag, hier ist Martin Weide, könnte ich bitte Frau Dr. Kollmann sprechen?“ „Ja, natürlich. Einen Moment bitte“, antwortet Ralf ein wenig irritiert. Diesen Namen hatte er noch nie zuvor gehört. Er ging zu Gabi ins Bad um ihr Bescheid zu sagen. „Schatz, Telefon für dich, ein Herr Weide.“ Während er das sagte, sah Ralf Gabi mit einem fragenden Blick an. Auch Gabi erinnerte sich nicht den Namen Weide schon einmal gehört zu haben. Doch sie hatte auch keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn schon war sie im Flur beim Telefon angekommen. „Kollmann, hallo?“ „Ich bin es, Rene.“, zischte eine tiefe Männerstimme ihr ins Ohr. Gabi vergaß vor Schreck fast zu atmen. Sie blickte sich sofort erschrocken um, um sicher zu gehen, dass Ralf nicht mithören konnte. Doch wenige Sekunden später vernahm sie auch schon das Plätschern der Dusche aus dem Bad. „Was willst du?“, fragte Gabriele leise in den Hörer. „Was ich will? Mein Geld natürlich. Ich hoffe für dich, dass du die Kohle besorgt hast. Sonst…“, Rene lachte spöttisch. „Ja, ich habe das Geld.“, antwortete Gabi eingeschüchtert. „Guuuut, sehr gut. Dann nimmst du das Geld und kommst damit zum Stadtpark, heute Abend um 20 Uhr. Und nimm dein Handy mit.“ Gabi wollte noch etwas sagen, doch schon hatte Rene aufgelegt und es war nur noch ein Tuten in der Leitung zu hören. Gabi legte ebenfalls auf und ließ sich dann erst einmal an der Wand zu Boden sinken. Ihre Knie zitterten und sie wusste, dass Ralf sie so nicht sehen durfte. Sie brachte ihr Valium, doch das war im bad und dort war Ralf. Dann kam ihr die rettende Idee, sie hatte noch Das Döschen in ihrer Handtasche, das sie nach dem Treffen mit ihrer Mutter nicht ausgepackt hatte. Hastig griff sie nach der Handtasche, die neben ihr auf dem Schrank lag und zog das Döschen heraus. Nach drei Beruhigungstabletten, fühlte sie sich schon viel besser. Die Angst war immer noch da, doch man merkte ihr jetzt nichts mehr an. Sie ging langsam in die Küche um weiter Frühstück zu machen. Schließlich sollte Ralf nichts bemerkten. Und vielleicht – sie wünschte sich in diesem Augenblick nichts mehr als das – wäre heute Abend endlich alles übergestanden und Rene würde sie in Ruhe lassen.

Biggi und Thomas saßen gerade beim Frühstück. „Möchtest du noch eine Tasse Tee?“, fragte Thomas Biggi. Doch sie sah gedankenverloren aus dem Fenster und bekam dies gar nicht mit. „Hey, Biggi, was ist denn los?“, fragte Thomas besorgt. „Äh, was?“, fragte Biggi erschrocken. „Ich wollte wissen, woran du gerade denkst.“, meinte Thomas und lächelte sie sanft an. „Ach, an nichts.“, meinte Biggi und versuchte möglichst beiläufig zu klingen. Doch Thomas konnte sich schon denken, woran Biggi dachte. Dafür kannte er sie viel zu gut. „Du denkst an Ebelsieder, oder?“ Biggi sah ihn an und nickte schließlich leicht. Sie dachte schon den ganzen Morgen an die bevorstehende Begegnung mit ihm. Thomas fasste nach ihrer Hand und nahm sie in seine. „Biggi, du weißt, egal, was passiert, ich werde immer für dich da sein.“, versprach er ihr. „Ich weiß und ich bin dir unheimlich dankbar dafür.“, antwortete Biggi und bemühte sich um ein Lächeln, was ihr dann schließlich auch gelang. „So gefällst du mir schon viel besser.“, meinte Thomas zufrieden. „Und nun denk nicht mehr an ihn, ja?“ Biggi nickte und gab ihm zum Dank einen Kuss.

„Wer war denn das vorhin am Telefon?“, wollte Ralf von Gabi wissen, als sie beim Frühstück saßen. „Das ähm… das war nur ein alter Bekannter.“ „Du hast mir nie von ihm erzählt.“ „Ja, das ist auch schon lange her, aber er ist gerade zufällig in der Gegend und hat mich gefragt, ob wir uns heute Abend nicht treffen wollen.“ „Und hast du zugesagt?“ Gabi nickte zögerlich. Immerhin hatte sie jetzt schon mal eine Ausrede, weshalb sie am Abend noch mal weg musste. Sie hasste es so sehr, Ralf andauernd zu belügen, doch einen anderen Weg sah sie nicht. „Ja, wir treffen uns bei dem neuen Italiener am Stadtpark, der letzten Monat eröffnet hat.“ „Du hättest ihn ja auch zu uns einladen können.“, meinte Ralf, der nicht gerade begeistert von der Idee war, dass Gabi sich mit einem anderen Mann traf. Andererseits wusste er aber auch, dass er ihr vertrauen konnte und es anscheinend wohl wirklich nur ein alter Bekannter war, den sie lange Zeit nicht mehr gesehen hatte. „Das Restaurant hat er vorgeschlagen.“, redete Gabi sich schnell raus. „Oh, wir müssen los.“, lenkte sie dann schnell vom Thema ab. Sie waren aber wirklich schon spät dran und so räumte Ralf noch schnell das Frühstücksgeschirr weg und verließ dann mit Gabi die Wohnung. Über den Abend redeten sie nicht mehr.

Als sie auf der Basis ankamen, war dort noch niemand, aber zum Schichtbeginn waren es auch noch 10 Minuten. So verschwanden Ralf und Gabi in der Umkleide, damit sie pünktlich fertig waren. Thomas und Biggi trafen wenig später auf der Basis ein. Biggi hatte die erste Schicht, aber Thomas war mitgekommnen. Nie im Leben hätte er sie heute alleine die Basis betreten lassen. Schon als sie auf den Parkplatz fuhren, bemerkte erleichtert, dass noch kein anderes Auto als das von Ralf dort stand. Ebelsieder war also noch nicht da. Biggi wirkte jedoch erstaunlich ruhig, als sie die Basis betraten und auch noch, als sie wenig später zusammen mit Gabi und Ralf im Aufenthaltsraum saßen und sich unterhielten. Thomas kam es fast so vor, als hätte er mehr Angst vor der Begegnung mit Ebelsieder als Biggi. Doch er wusste auch, dass sie sich unheimlich bemühte irgendwie mit der Situation klarzukommen und erstaunlich tapfer war, obgleich es nicht einfach war. Das Fenster, aus dem sie den Parkplatz sehen konnte, hatte Biggi jedoch immer im Visier.

Etwa zwei Stunden später rollte dann ein dunkler BMW auf den Hof und Mann in einem dunklen Anzug stieg aus. Es war zweifelsfrei kein anderer als Frank Ebelsieder. Biggi zuckte zusammen. Nun war der Augenblick gekommen, Ebelsieder war wieder auf der Basis. Nervös griff sie nach Thomas’ Hand, der sie daraufhin beschützend in den Arm nahm.

Ebelsieder betrat langsam den Flur und wenig später den Aufenthaltsraum. Einige Sekunden lang stand er den anderen, die an dem runden Tisch saßen, schweigend gegenüber. Er wirkte blass und dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab. Sie hatten schon im Krankenhaus bemerkt, als er ihnen verkündet hatte, dass er neuen Stützpunktleiter werden würde, dass er wirklich am Boden war. „Hallo allerseits.“, sagte er dann zögerlich, wobei er es vermied in die Richtung von Thomas und Biggi zu sehen. „Hallo.“, begrüßte Ralf den neuen oder besser gesagt alten Stützpunktleiter dann, „Sie wissen ja, wo ihr Büro ist.“, setzte Thomas trocken hinzu. Ebelsieder nickte. „Ja, das weiß ich, aber vorher wollte ich sie noch um eine Sache bitten. Ich kann ihnen nicht oft genug sagen, wie Leid mir all das tut, was geschehen ist. Ich kann es nicht rückgängig machen, auch wenn ich mir nichts mehr wünschte als das. Und ich weiß auch, dass die nächsten Wochen wahrscheinlich nicht einfach werden für uns alle, aber lassen sie uns das Beste aus der Situation machen. Ich hoffe wirklich sehr, dass wir die Ereignisse irgendwann vergessen können und hier auf der Basis wieder die Tagesordnung einkehrt.“ ‚Tagesordnung einkehrt?’, fragte Thomas sich zweifelnd. Die Tagesordnung war bereits längst wiedereingekehrt, bis zu dem Tag, an dem sie erfahren hatten, dass Ebelsieder der neue Basischef werden würde. Wenn er ihn ansah, verspürte er wieder diese enorme Wut, die er auf Ebelsieder hatte. Er würde ihm nie verzeihen können, was er seiner Biggi angetan hatte.

Biggi sah Ebelsieder an, doch in die Augen sehen konnte sie ihm nicht. Nein, sie würde es nie vergessen können.  Vielleicht konnte sie damit leben, aber es zu vergessen, das war unmöglich. Man sagte zwar immer, dass die Zeit alle Wunden heile, doch es dauerte. „Ich werde mich dann mal in mein Büro begeben.“, sagte Ebelsieder dann leise und drehte sich um. „Warten sie, ich zeige ihnen, wo sich die ganzen Akten befinden.“, meinte Ralf und folgte ihm. „Danke, Staller.“, sagte Ebelsieder und es kam ihm so vor, als ob der erste Schritt getan war. Zwar würde es dauern, bis sich alle an die Situation gewöhnt hatten, doch anscheinend stand die Crew ihm nicht ganz so ablehnend gegenüber wie er es erwartete hatte. Zumindest war das sein erster Eindruck und es würde sich in den nächsten Tagen zeigen, ob er sich bestätigte.

Ralf zeigte Ebelsieder, wo sich die neusten Berichte und Akten befanden, denn in der Zeit, in der sie die Basis in Selbstverwaltung geleitet hatten, hatten sie einiges umgeräumt. Zudem blieb immer viel Papierkram liegen und sehr geordnet waren die Sachen nicht. „Wird wohl Zeit, dass sich hier mal wieder jemand um den Papierkram kümmert.“, stellte Ebelsieder schnell fest. Ralf nickte, auch wenn er das nicht so gern zugab. Ebelsieder hatte ja Recht, man hatte ihnen schließlich nicht umsonst wieder einen Stützpunktleiter vor die Nase gesetzt.

Gabi, Biggi und Thomas saßen immer noch im Aufenthaltsraum und keiner sagte ein Wort. „Alles ok?“, fragte Thomas Biggi schließlich besorgt. Sie nickte leicht. „Irgendwann muss ich mich wohl daran gewöhnen, ihm wieder ständig begegnen zu können.“, meinte sie leise aber entschlossen. Gabi nickte. Biggi tat ihr furchtbar leid, doch sie bewunderte ihre Freundin, wie sie mit der Situation umging. „Biggi, wenn ich noch irgendwas für dich tun kann….“ „Danke, Gabi, ist schon ok.“, antwortete Biggi. „Will jemand einen Kaffee?“, fragte sie dann, um nicht mehr über Ebelsieder reden zu müssen. Thomas und Gabi nickten und so löste Biggi sich langsam aus Thomas’ Umarmung und verschwand in der Küche.

Gabi begann wieder an Rene denken zu müssen. Wie sollte sie den heutigen Abend nur überstehen? Andererseits, wenn er überstanden wäre, vielleicht wäre dann alles überstanden – fast alles. Die Frage nach der Vaterschaft ihres Kindes würde trotzdem bestehen bleiben. Bei dem Gedanken daran, merkte Gabi wieder, wie die Unruhe in ihr aufstieg und sie ein wenig zu zittern begann. „Ich bin gleich wieder da.“, meinte sie schnell, damit keiner etwas bemerkte. Dann stand sie auf und ging mit schnellen Schritten zur Umkleide, wobei sie immer nervöser wurde. Vor der Tür wäre sie fast mit Ralf zusammengestoßen, der gerade aus Ebelsieders Büro getreten war. „Hoppla, wo willst du denn so schnell hin?“, fragte er Gabi lächelnd. „Auf die Toilette.“, sagte sie schnell, wobei sie hoffte, dass er nicht bemerkte, wie sehr ihre Knie zitterten.

Doch sie hatte Glück und Ralf hatte in der Eile nichts bemerkt. Nichts ahnend ging er zu Thomas und Biggi, die gerade mit einer Kanne Kaffee aus der Küche trat, in den Aufenthaltsraum. „Möchtest du auch eine Tasse?“, fragte Biggi Ralf, während dieser sich zu Thomas an den Tisch setzte. Er nickte dankbar und so holte Biggi drei Tassen und setzte sich dann auch dazu. Sie mussten sich alle ganz langsam wieder daran gewöhnen, dass Ebelsieder wieder auf der Basis war, besonders Biggi. Schließlich war er jetzt wieder ihr Vorgesetzter und sie musste wohl oder übel mit ihm reden, wenn es um wichtige Angelegenheiten ging, darum würde sie nicht herumkommen.

Gabi hatte sich inzwischen in der Umkleide auf die Bank sinken lassen. Gerade hatte sie sich wieder an ihrem Beruhigungsmittel bedient. Sie spürte genau, wie es zu wirken begann. Das Zittern ließ nach und sie wurde von Minute zu Minute ruhiger. Sie wusste wirklich nicht mehr, was sie ohne ihr Valium tun sollte. Als sie sich wieder ein wenig besser fühlte, griff sie noch einmal zu ihrem Tablettendöschen und nahm die letzte Pille, die sie noch hatte. Zur Vorbeugung sozusagen, damit ihr das nicht wieder passieren würde, nicht hier auf der Basis, nicht im Dienst. Plötzlich fiel ihr auf, dass sie sich dringend neue Beruhigungstabletten besorgen musste. Wie sollte sie sonst den heutigen Abend, das treffen mit Rene, durch stehen? Das war unmöglich. Schon der Gedanke daran machte ihr schreckliche Angst. Sie stand langsam auf, trat aus der Umkleide und nahm sich dann unauffällig den Notfallrucksack. Dann schloss sie sich zusammen mit dem Rucksack in der Umkleide ein und nahm sich ein kleines Päckchen Valium heraus. Normalerweise hätte sie sich einfach ein Rezept geschrieben und wäre zur Apotheke gegangen, für sie als Ärztin war das schließlich kein Problem. Doch heute würde sie es nicht mehr schaffen zur Apotheke zu kommen, das war ihr klar. ‚Nur dieses eine Mal’, sagte sie sich und schloss dann den Rucksack schnell wieder. Ihr war klar, dass es auf die Dauer auffliegen würde, wenn sie sich einfach an den Medikamenten bediente.

Schließlich ging sie langsam zurück zu den anderen und setzte sich zu ihnen an den Tisch. Sie ließ sich nichts anmerken, was ihr durch die Beruhigungsmittel um einiges erleichtert wurde.

So verging die Schicht und Ebelsieder verließ nicht einmal sein Büro. Er hielt es für besser das Team langsam wieder an seine Anwesenheit zu gewöhnen und der erste Schritt, ein gewaltiger Schritt, war heute bereits getan.

Als die Schicht zu Ende war, machte sich alle sofort auf den Weg nachhause. Alle außer Ebelsieder. Der blieb noch lange in seinem Büro sitzen. Auch er musste das erst einmal alles realisieren, dass er jetzt wieder auf der Basis arbeitete. Dass es beinahe so war wie früher. Aber nur beinahe, denn er wusste, dass Biggi ihm niemals verzeihen können wurde und Thomas auch nicht. Er konnte sie jedoch verstehen und er verlangte es auch nicht. Das konnte er nicht. Aber er hoffte, dass sie nach einiger Zeit vielleicht wieder normal miteinander reden konnten.

Thomas und Biggi waren sofort nachhause gefahren, sie hatten sich nicht einmal mehr auf der Basis umgezogen. Sie wollten nur noch eins, nachhause, ihre Ruhe haben und weg von Ebelsieder. Das war alles ein bisschen viel gewesen. Biggi atmete erst einmal tief durch, als sie endlich neben Thomas im Auto saß und sie die Basis verließen. „Alles in Ordnung?“, fragte Thomas sie fürsorglich. Biggi nickte. „Ja, schon ok. Ich muss mich wohl daran gewöhnen….“, sie sprach nicht weiter. „Hey, Biggi, wir schaffen das, zusammen haben wir doch bis jetzt alles geschafft.“, versuchte Thomas sie aufzuheitern, während er ihr sanft mit der Hand über den Arm strich. Biggi nickte. „Du hast ja Recht.“, meinte sie nachdenklich, „Ich sollte mich von ihm nicht unterkriegen lassen.“ Thomas lächelte sie an. „Siehst du, so gefällst du mir schon viel besser. Wir schaffen das Biggi, du weißt doch, egal, was passiert, ich werde immer zu dir halten.“ Biggi lächelte ihn verliebt an, dann gab sie ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, schließlich musste Thomas sich auch noch auf den Verkehr konzentrieren.

Gabi und Ralf waren inzwischen zuhause angekommen. „Wann musst du denn los?“, fragte er Gabi traurig, nachdem sie es sich gerade auf dem Sofa gemütlich machen wollten. Gabi sah erschrocken auf die Uhr, sie hatte gar nicht auf die Zeit geachtet. Doch sie konnte aufatmen, es war erst Viertel vor sieben, sie hatte noch eine Stunde. Doch diese Stunde wurde für sie zur Qual. Immer wieder musste sie an die bevorstehende Begegnung mit Ebelsieder denken, die Zeit mit Ralf konnte sie gar nicht richtig genießen. Er jedoch genoss jede Minute, in der er noch mit ihr zusammen sein konnte. Während Gabi gedankenverloren aus dem Fenster sah, begann er zärtlich ihren Nacken zu küssen. Schließlich drehte sie sich zu ihm und sie begannen sich richtig zu küssen. Gerade als Ralfs Hand und Gabis Shirt fassen wollte hielt sie ihn fest. „Bitte Ralf, es geht jetzt nicht, ich muss los.“ Er sah sie traurig an. Wie gern hätte er diesen Abend mit ihr zusammen verbracht. „Aber komm nicht zu spät wieder, ja?“, meinte er. Gabi merkte, wie traurig er klang. Sie gab ihm noch einen Kuss und meinte dann: „Bestimmt nicht. Und Ralf… wir holen das alles nach, das verspreche ich dir.“ Somit zauberte sie doch wieder ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. „Ich liebe dich, mehr als alles auf der Welt.“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich dich auch.“, gab sie ebenfalls flüsternd zurück, bevor sie sich endgültig aus seiner Umarmung löste und schweren Herzens aufstand. Nun musste sie sich wirklich beeilen, um nicht zu spät zu kommen. Sie begann schon wieder unruhig zu werden, obgleich sie bereits einige ihrer Tabletten eingenommen hatte. Alleine der Gedanke, an das, was ihr heute Abend bevor stand, machte sie verrückt. Sie drückte Ralf noch schnell einen letzten Kuss auf den Mund, nahm dann ihre Jacke und ihre Handtasche, in der sie den Umschlag mit dem Geld bereits verstaut hatte, und verließ rasch die Wohnung.

Als Thomas und Biggi an der Villa angekommen waren, setzten sie sich erstmal ins Wohnzimmer. Sie waren froh wieder unter sich zu sein. „Soll ich uns etwas schönes kochen?“, fragte Biggi dann. Thomas nickte begeistert. „Aber nur wenn ich dir dabei helfen darf.“, meinte er grinsend. Biggi nickte lächelnd. Sie stand auf, reichte ihm die Hand und zog ihn dann mit sich in die Küche. Sie beschlossen sich eine Tomatensuppe zu kochen, da das nicht so lange dauerte und sie auch noch etwas von dem freien Abend haben wollten. Während Biggi vor dem Herd stand und die Suppe umrührte, war Thomas hinter sie getreten und legte jetzt seine Arme um ihren Bauch und sah ihr über die Schulter. „Hm, sieht das lecker aus.“ Biggi lächelte, während Thomas begann sie zärtlich im Nacken zu küssen. „Ich liebe dich so sehr.“, sagte er leise. Biggi legte den Kochlöffel beiseite und drehte sich in seinen Armen um. „Ich dich auch und ich bin total glücklich.“ Thomas küsste sie daraufhin zärtlich. Sie freuten sich beide schon wahnsinnig auf ihr Baby, es würde die Krönung ihrer Liebe zueinander und würde ihr Glück vollkommen machen.

Als sie die Suppe fertig gekocht hatten, setzten sie sich zum Essen gemütlich ins Wohnzimmer. „Mh, das schmeckt wirklich lecker.“, lobte Thomas Biggi. Sie lächelte. „Ich muss ja schon mal über, schließlich soll unser Kind ja auch immer genießbare Mahlzeiten bekommen.“ Thomas musste grinsen. „Ich fürchte, dann wirst du immer kochen müssen, Schatz.“, meinte er zum Spaß. „Na, das könnte dir so passen.“, erwiderte Biggi ebenfalls grinsend, „Ich glaube eher, du musst in nächster Zeit öfter kochen, du weißt ja, Übung macht den Meister.“ „Hey…“, protestierte Thomas und kitzelte Biggi ein wenig, worauf sie lachen musste. „Aber für dich würde ich alles tun.“, meinte er dann. „Alles?“, fragte Biggi und sah ihn mit verführerischem Blick an. „Alles!“, bestätigte Thomas, während er sie zu sich zog und sie begannen sich zu küssen.

Gabi  war unterdessen bereits auf dem Weg zum Schlosspark. Je näher sie kam, je mehr zweifelte sie, ob sie wirklich das Richtige tat. Trotz der ganzen Beruhigungsmittel, die sie heute bereits eingenommen hatte, war sie alles andere als ruhig. Sie hatte größte Mühe sich auf den Verkehr zu konzentrieren, um nicht auch noch einen Unfall zu bauen. Nach einer zehnminütigen Fahrt hatte sie dann jedoch den Stadtpark sicher erreicht. Sie stellte ihr Auto in einer kleinen Nebenstraße, die direkt an den Park grenzte, ab. Bevor sie ausstieg atmete sie noch einmal tief durch und vergewisserte sich noch einmal, dass sie auch wirklich den Umschlag in ihre Tasche gesteckt hatte. Dann öffnete se langsam die Tür und stieg aus. Nachdem sie den wagen abgeschlossne hatte, blickte sie sich suchend um. Die Angst in ihr wurde immer größer, drohte sie zu übermahnen. Sie wollte nur noch weg, nachhause zu Ralf. Wenn sie nur dran dachte, dass sie gleich Rene treffen würde. Rene, sie hasste diesen Menschen so sehr, wie kaum einen anderen. Er war der gefühlloseste, rücksichtsloseste und angsteinflößendste Mann, den sie kannte. Doch hatte sie eine andere Wahl gehabt, als ihm heute hier zu begegnen? Sie kaum auf die Antwort nein. Für weitere Gedanken blieb ihr jedoch keine Zeit, denn sie hörte ein Geräusch hinter sich und als sie sich abrupt umdrehte, erkannte sie, dass Rene direkt hinter ihr stand. Er hatte bereits auf sie gewartet und sie die ganze Zeit beobachtet. „Hallo Gabriele.“, begrüßte er sie bemüht freundlich und grinste sie dabei hinterhältig an. „Machen wir es kurz.“, meinte Gabi bloß trocken, wobei sie in ihre Tasche griff und den Umschlag hervor zog. Sie wirkte sicher, doch das war sie bei weitem nicht. „Wer sagt denn, dass ich es schnell hinter mich bringen möchte…“  meinte Rene dann plötzlich und strich ihr über die Schulter. Gabi wich zurück. Sie wusste keinen Ausweg mehr. Was war wenn Rene… wenn er wieder mehr als nur Geld von ihr wollte. Das würde sie nicht ertragen, nicht noch einmal. Diese eine Nacht hatte schon soviel Unglück angerichtet. Sie war schwanger geworden und wusste nicht von wem, ihre Beziehung zu Ralf war auf die Probe gestellt worden und vor allem, und das war das Schlimmste für Gabi, dass ihr ganzes Leben fast nur noch auf Lügen aufbaute. Sie bekam Panik. Schnell drückte sie Rene den Umschlag in die Hand, dann drehte sie sich plötzlich um und rannte so schnell sie konnte. Nach wenigen Augenblicken hatte sie ihren Wagen erreicht. Blitzschnell zog sie den Schlüssel aus der Tasche, schloss auf und brauste wenige Sekunden später davon. Rene blieb nur verdutzt zurück. Er hätte sie sowieso nicht aufhalten können, zumindest nicht mit Gewalt, doch er wusste, dass er sie bis in alle Ewigkeiten erpressen würde. Zwar war er ziemlich verärgert über Gabis Verhalten, doch im Moment hatte er, was er wollte, das Geld.

Gabi war noch immer vollkommen in Panik. Sie hatte sich absolut nicht unter Kontrolle. Ihre Hände zitterten und ihr Herz schlug wie wild. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie dachte nur noch eins, sie musste weg, weg von Rene. Es grenzte beinahe an ein Wunder, dass sie in ihrem Zustand keinen Unfall baute. Sie hätte so niemals mehr Auto fahren dürfen, nicht in dieser Verfassung.

Thomas und Biggi hingegen erlebten noch einen wundervoll romantischen Abend, wobei sie nicht einen Gedanken an Ebelsieder verschwendeten. Als sie schließlich gegen Mitternacht nebeneinander im Bett lagen, kuschelte Biggi sich ganz nah an Thomas. „Ich bin so froh, dass ich dich hab.“, sagte sie leise. Thomas legte seine Arme noch fester um sie und meinte dann: „Ich auch, und ich lasse dich nie mehr los.“ Biggi drückte ihm noch einen Kuss auf den Mund und schloss dann zufrieden die Augen. Bereits wenige Auenblicke später war sie eingeschlafen. Thomas zog noch einmal fürsorglich die Bettdecke etwas höher, dann schlief auch er ein, wobei er Biggi die ganze Zeit im Arm hatte.

Als Gabriele schließlich ihr Auto vor dem Haus parkte, hätte sie fast die Mülltonne, die neben dem Parkplatz stand, umgefahren. Sie zitterte am ganzen Körper und auch das Beruhigungsmittel, wovon sie sich auf der Fahrt wieder bedient hatte, zeigte kaum noch Wirkung. Sie hoffte nur, dass es jetzt endlich vorbei sein würde – für immer – und Rene endlich seinen Willen hatte. So konnte es nicht weitergehen, das war ihr klar. Wenn er sie nicht in Ruhe lassen würde, wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sie wollte doch einfach nur ihre Ruhe und mit Ralf zusammen glücklich werden. Warum war das nur alles so schwer? Bevor sie auf diese Frage eine Antwort finden konnte, hatte sie auch schon die Wohnungstür erreicht und drehte den Schlüssel im Schloss um. Ralf erwartete sie bereits freudig. „Schön, dass du wieder da bist.“, begrüßte er sie und nahm sie in den Arm. Gabi lehnte sich dankbar an ihn und schloss für einen Moment die Augen. Sie war so unendlich froh wieder bei ihm zu sein und weg von Rene. „Ich hatte dir doch versprochen, nicht zu lange wegzubleiben.“, meinte sie dann und zwang sich zu einem Lächeln. Mit Ralf zusammen ließ sie sich aufs Sofa sinken. Sie musste sich erstmal von diesem schrecklichen Abend erholen. Sie wollte Rene doch einfach nur vergessen, einfach vergessen, was geschehen war in dieser Nacht vor einigen Monaten.

Ralf strich ihr zärtlich um den Bauch. „Ich freue mich schon so sehr darauf, wenn wir endlich zu dritt sind.“, sagte er und gab ihr einen sanften Kuss. Gabi nickte nur. Immer wenn sie an das Baby dachte, dachte sie auch an Rene. Sie liebte ihr Kind, schließlich war es ihr Kind, ihr eigenes Kind, doch richtig freuen konnte sie sich durch den Gedanken an Rene nicht.

„Wollen wir uns noch einen Film ansehen?“, fragte Ralf sie nach einer Weile. „Nein, lass uns schlafen gehen, ich bin müde.“, antwortete Gabi. Ralf stimmte ihr zu. „War ja auch ein anstrengender Tag heute.“ Er bezog dies auf die Tatsache, dass Ebelsieder wieder auf der Basis war. Natürlich konnte er nicht ahnen, dass seine Gabi in Wirklichkeit etwas ganz anders noch viel mehr bedrückte und nicht nur seit gestern, nein, schon seit Tagen, Wochen, Monaten.

So vergingen einige Wochen, in denen Rene sich nicht einmal bei Gabriele meldete. So konnte sie die ganze Geschichte langsam wieder vergessen. Nein, nicht vergessen, verdrängen, vergessen würde sie sie wahrscheinlich niemals. Anvertraut hatte sie sich jedoch noch immer niemandem und so waren es die anderen schon fast gewöhnt, dass es Gabi öfters mal nicht so gut ging oder sie in Gedanken versunken war. Meistens schoben sie es auf die Schwangerschaft, immerhin war Gabriele nun schon im 6. Monat.

Auf der Basis hingegen war langsam wieder der Alltag eingekehrt und man hatte sich daran gewöhnt, dass Ebelsieder wieder da war. Biggi und Thomas gingen ihm , um nicht ständig an dieses schreckliche Ereignis erinnert zu werden, meistens aus dem Weg, was er allerdings vollkommen verstehen konnte, so gab es kaum Probleme. Die andern Kollegen waren sogar schon wieder so weit, dass sie Ebelsieder wieder fast ganz normal behandelten, wie vor jenem Tag der alles verändert hatte.

An einem Montagmorgen hatte das B Team die erste Schicht. Ralf und Gabi waren an diesem Morgen die Ersten auf der Basis. In der Basis war noch alles dunkel, doch man merkte, dass es bereits Frühlingsanfang war, denn draußen war es schon fast ganz hell und es war erst halb acht. Nachdem sie sich umgezogen hatten, setzten die beiden sich in den Aufenthaltsraum an den Tisch. Sie hatten beide noch einen ganzen Stapel Berichte liegen und waren deshalb schon eine halbe Stunde vor Schichtbeginn gekommen. Seit Ebelsieder wieder auf der Basis war, herrschte Ordnung was den Papierkram anging und es kam selten vor, dass jemand mit den Berichten einen Tag hinterher hing.

Nach einiger Zeit merkte Gabriele jedoch, dass sie sich kaum noch konzentrieren konnte und immer nervöser wurde. Sie wusste, dass es wieder Zeit war – Zeit für ihre Tabletten. Sie nahm diese Beruhigungsmittel noch immer. Ohne sie konnte sie nicht mehr ruhig schlafen und spätestens nach 3 Stunden ohne sie wurde sie so unruhig, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. ‚Es sind doch nur leichte Beruhigungstabletten.’, redete sie sich immer wieder ein, sie wollte es verdrängen, wollte es sich nicht eingestehen, dass sie so einfach nicht mehr ohne die Tabletten auskam. So öffnete sie langsam ihren Spind und nahm sich mit zitternden Händen die Schachtel mit den Tabletten heraus. Sie wusste, dass außer Ralf niemand auf der Basis war und dieser über seinen Berichten hockte, daher war sie ungestört und konnte sich beruhigt an ihrem Valium bedienen. Gerade als sie die Tabletten in der Hand hielt und sich eine herausdrücken wollte, kam Biggi in die Umkleide gestürzt. Sie hatte wieder einmal verschlafen und hatte es nun ziemlich eilig. „Ich weiß, ich bin zu spät, wir haben mal wieder verschla…“, plötzlich stockte sie in mitten ihrer Erklärung. Ihr Blick war auf Gabi gefallen, die sie total erschrocken ansah, und darauf, was ihre Freundin in der Hand hielt. Gabi steckte die Schachtel mit den Tabletten blitzschnell in die Tasche ihres Overalls, doch Biggi hatte längs erkannt, was sie in der Hand gehalten hatte. „Gabi, was nimmst du da für ein Zeug?“, fragte sie ihre beste Freundin erschrocken. „Nichts“, antworte Gabi wie aus der Pistole geschossen. „Ich hab’s doch gesehen.“, erwiderte Biggi und sah sie auffordernd an. „Gabi, bitte, ich dachte, wir können über alles reden.“, versuchte Biggi es noch einmal, als Gabi keine Anstalten machte ihr zu antworten. „Also gut, es ist nur ein harmloses Mittel gegen Kopfschmerzen.“, log Gabi. „Und warum versteckst du es dann vor mir?“, bohrte Biggi weiter nach, die sich mit dieser Antwort nicht ganz zufrieden geben wollte. „Weil ich gewusst habe, dass du so reagieren würdest. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Mir geht es wirklich gut.“ Biggi war sich immer noch nicht ganz sicher, ob sie Gabi das glauben sollte oder nicht. Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass ihre beste Freundin sie anlog, doch ihr Gefühl sagte ihr, dass etwas nicht stimmte und Gabriele nicht ganz die Wahrheit sagte. Biggi wollte jetzt jedoch nicht weiter nachfragen, weil sie wusste, dass es eh nichts bringen würde. Wenn, dann musste Gabi es ihr von alleine erzählen, mehr als nachfragen konnte sie nicht. Doch Sorgen machen tat sie sich jetzt erst recht. Was war nur los mit Gabi in letzter Zeit? Sie hatte einfache keine Erklärung dafür.

Gabi schloss ihren Spind wieder und verzog sich dann schnell wieder zu den anderen in den Aufenthaltsraum, sie wollte vermeiden, dass sie mit Biggi noch weiter über die Tabletten reden musste. ‚So ein Mist’ dachte sie sich, warum musste Biggi auch gerade in diesem Moment die Umkleide betreten?

Als Biggi sich fertig umgezogen hatte, ging sie zu Gabi und Ralf in den Aufenthaltsraum, wobei sie Gabi einen prüfenden Blick zuwandte. Sie wollte jetzt endlich wissen, was mit ihrer besten Freundin los war. Sie waren jetzt schon so lange die besten Freundinnen, die man sich vorstellen konnte, sie erzählten sich immer alles. Biggi war klar, dass es etwas wirklich schlimmes sein musste, falls Gabi ihr etwas verschwieg. Welchen Grund hätte Gabriele sonst gehabt sie anzulügen? Allerdings wollte Biggi Gabi jetzt auch nicht darauf ansprechen, schon gar nicht vor Ralf. Vielleicht irrte sie sich ja auch und Gabi hatte sie nicht angelogen. Sie hoffte dies zumindest. Nachdenklich verließ sie den Aufenthaltsraum und setzte sich nach draußen an den Fluss. Dies war eigentlich immer ihr Lieblingsplatz zum Nachdenken gewesen, hier war sie ungestört und hatte ihre Ruhe. Doch nach dem schrecklichen Zwischenfall mit Ebelsieder war es das erste Mal, dass sie wieder hier alleine im Gras saß und in das plätschernde Wasser blickte. Die Vögel zwitscherten und die ersten Blumen sprossen zwischen dem hohen Gras der Wiese hervor. Biggi lauschte dem Rauschen des Wassers – ein Geräusch, das sie unheimlich liebte. Sie dachte inzwischen nicht mehr an Ebelsieder, wenn sie die Salzach sah und auch das Wasserrauschen brachte sie nicht mehr mit ihm in Verbindung. Immerhin war das alles auch schon ein halbes Jahr her und sie kam langsam darüber hinweg, immer ein bisschen mehr, von Tag zu Tag.

„Weißt du, was mit Biggi los ist?“, fragte Ralf Gabi nach einer Weile. Gabi zuckte mit den Schultern. „Sie sah vorhin so nachdenklich aus und hat kaum ein Wort geredet.“, stellte Ralf fest. „Also in der Umkleide war sie noch ganz normal, so wie immer.“, log Gabi, „Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie verschlafen hat und noch ziemlich müde ist. Wäre ja nicht das erste Mal.“ „Wahrscheinlich hast du Recht.“, stimmte Ralf ihr zu. Er hatte jetzt auch keine Lust, weiter darüber nachzudenken. Wenn wirklich etwas wäre, dann würde er es schon erfahren. So machte er sich wieder an die Arbeit, damit der Stapel mit den Berichten endlich kleiner wurde. Ebelsieder war inzwischen auch schon auf der Basis eingetroffen, hatte sich aber sofort in sein Büro verzogen.

So verlief die Schicht und sie hatten nicht einen einzigen Einsatz, worüber alle sehr froh waren. Gabi hatte sich bereits kurz vor Schichtende umgezogen, da sie Biggi nicht wieder in der Umkleide begegnen wollte. Sie hoffte, dass ihre Freundin den kleinen Zwischenfall von heute Morgen vergessen hatte und sie nicht wieder darauf ansprechen würde.

Wenig später betraten Thomas und Michael zusammen die Basis. „Hey, Ralf.“, begrüßten die beiden ihren Kollegen, der noch immer im Aufenthaltsraum saß. „Weißt du, wo Biggi ist?“, fragte Thomas den Sanitäter, nachdem er sie weder im Aufenthaltsraum, noch in der Küche oder im Hangar gefunden hatte. „Schau mal draußen nach, sie ist die ganze Zeit über hier nicht mehr aufgetauscht, nachdem sie zu Schichtbeginn nach draußen verschwunden ist.“ „Danke.“, meinte Thomas noch, bevor er draußen seine Suche nach Biggi fortsetzte. Er musste jedoch nicht lange suchen, bis er sie fand. Sie saß noch immer an ihrer Lieblingsstelle am Fluss, ließ sich den leichten Wind durchs Haar wehen und sah gedankenverloren ins Wasser. Thomas trat langsam hinter sie und fragte dann leise: „Hey, Biggi, was machst du denn hier so alleine?“ Biggi wurde aus den Gedanken gerissen und drehte sich erschrocken um. Als sie jedoch Thomas erblickte, wich ihr erschrockener Blick einem Lächeln. „Ich wollte nachdenken.“, erzählte sie ihm, während Thomas sich neben sie ins Gras setze. „Ich mache mir Sorgen um Gabi, irgendetwas stimmt nicht mit ihr.“, begann Biggi zu erzählen. Thomas legte seinen Arm um sie und zog sie sanft an sich. Biggi ließ sich dankbar in seine Arme sinken. „Hast du sie schon darauf angesprochen?“, wollte Thomas dann von ihr wissen. „Nein, sie weicht mir immer aus. Aber ich spüre es einfach, dass etwas nicht in Ordnung ist.“ Thomas nickte verständnisvoll. Eine Lösung für das Problem wusste er allerdings auch nicht. „Das wird schon wieder, ich bin mir sicher.“, versuchte er Biggi aufzumuntern und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. „Hoffentlich hast du Recht.“, meinte sie nachdenklich. „Na klar.“, erwiderte Thomas lächelnd. Biggi sah ihn dankbar an, dann näherte sie ihr Gesicht ganz nah an seins und begann ihn zärtlich zu küssen.

Gabi hatte es hingegen eilig nachhause zu kommen. Als sie fertig war mit Umziehen, überredete sie Ralf sofort zu fahren, denn er wollte eigentlich noch seine Berichte fertig bearbeiten. Doch als Gabi ihm sein Lieblinsgericht versprach, konnte er nicht nein sagen. So verließen die beiden die Basis und machten sich auf den Weg nachhause.

Biggi und Thomas saßen noch einige Zeit Arm in Arm an der Salzach und sahen ins Wasser. Biggi hatte sich ganz tief in Thomas’ Arme gekuschelt und war fast wieder ein wenig eingeschlafen. In seinen Armen fühlte sie sich so sicher und geborgen und alle Probleme waren so weit weg. Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre sie ewig so dort sitzen geblieben, in seinen Armen. Doch es ging leider nicht nach ihr, die Alarmsirene zeigte kein Erbarmen. „Medicopter 117 an Rettungsleitstelle, zwei vermisste Bergsteiger in der Nähe von Berchtesgaden, GPS Koordinaten folgen.“ Thomas und Biggi stöhnten auf, doch schließlich stand Thomas, nachdem er Biggi noch einen Kuss auf den Mund gedrückt hatte, widerwillig auf und folgte Peter und Michael, die bereits mit der Ausrüstung aus der Basis kamen, zum Helicopter. Biggi sah ihnen noch so lange nach, bis der Helicopter nur noch als winziger Punkt am Himmel zu sehen war und schließlich hinter den Bergen verschwand. Dann stand sie auf und begab sich langsam ins Gebäude, um sich umzuziehen.

Da Gabi und Ralf schon weg waren und auch Ebelsieder bereits Feierabend gemacht hatte, da er noch zu einer Tagung musste, war Biggi nun ganz alleine auf der Basis. Sie wollte jedoch noch warten, bis Thomas von dem Einsatz zurückkam.

Als sie dann in der Umkleide stand und gerade ihren Spind öffnete wollte, fiel ihr Blick auf den Spind daneben, Gabis Spind. Sie zögerte einen Augenblick, doch dann öffnete sie langsam Gabrieles Spind. Sie wusste noch genau, wohin ihre Freundin die Schachtel mit den Tabletten gesteckt hatte, in die rechte Tasche ihrer Notarztjacke. Biggi öffnete diese vorsichtig und tatsächlich, Gabriele hatte die Tabletten nicht mitgenommen. Inzwischen hatte sie schon an mehreren Orten welche gelagert, damit sie sie immer griffbereit hatte.

„Antidepressiva“, las Biggi auf der Packung. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, warum nahm Gabriele Antidepressiva? Sie konnte sich das absolut nicht erklären und vor allem wollte sie jetzt endlich wissen, was los war. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum ihre beste Freundin nicht mit ihr reden wollte. Es war offensichtlich, dass sie etwas großes auf dem Herzen haben musste, nur, was? Es musste wirklich schrecklich sein, sonst hätte sich Gabi Biggi anvertraut. Ob sie es Ralf erzählt hatte? Nein, das glaubte Biggi auch nicht. 'Ich muss mit ihr darüber reden, und ich werde nicht locker lassen, ehe sie es mir sagt!', beschloss Biggi insgeheim. Doch Thomas durfte sie nichts davon verraten, auch wenn es ihr noch so schwer fiel, aber offenbar hatte Gabi ein Problem, das sie vor jedem geheim zu halten versuchte. 'Am besten fahre ich nachher zu ihr ...', dachte Biggi, legte die Tabletten wieder zurück in den Spind und begann, sich umzuziehen. Sie konnte an nichts anderes denken als an Gabriele. Sie war total verwirrt. Was konnte nur los sein? Sie fand einfach keine Erklärung. Gabi hätte doch allen Grund, glücklich zu sein. Ihre Beziehung zu Ralf verlief wunderbar, sie würde bereits in drei Monaten ein Kind zur Welt bringen, eine kleine eigene Familie haben - was konnte es da geben, das sie dazu zwang, diese Tabletten zu nehmen?? Während Biggi so in Gedanken versunken war, merkte sie gar nicht, wie Thomas leise in die Umkleide schlich, hinter sie trat und sie dann zärtlich von hinten umarmte. Erst erschrak Biggi, doch dann musste sie erleichtert lächeln und ließ sich froh in seine Arme sinken. Er hielt sie fest und flüsterte: "Ich hab dich vermisst, mein Liebling. Und den kleinen Racker auch." Daraufhin ließ er seine Hand zärtlich unter Biggis T-Shirt gleiten und streichelte liebevoll über ihren Bauch. "Ich dich auch.", antwortete Biggi leise und schmiegte sich an ihn. "Du warst ja schon wieder so in Gedanken.", meinte Thomas dann, während er sie weiter an sich drückte. "Das tut dir nicht gut, du musst jetzt an dich denken und dich entspannen." Thomas sorgte sich sehr um seine Biggi. Doch er kannte sie ja, ehe sie nicht von den Sorgen um ihre Freunde befreit war, konnte sie sich nie entspannen, egal, um was es ging. Und natürlich machte auch er sich Sorgen um Gabi. "Ich glaube, ich werde nachher mit ihr reden. Ich muss es einfach versuchen." Von den Tabletten erwähnte sie nichts. "Mach das, aber bitte pass auf dich auf." Biggi nickte. Dann drehte sie sich in seinen Armen um und küsste ihn. Er bemerkte, dass es ein trauriger Kuss war. Liebevoll strich er ihr über die Haare und nahm sie dann noch mal ganz fest in die Arme. Dann fiel ihm etwas ein. "Wie wär's, wenn wir uns heute nen schönen Film ansehen? Love Story ist doch schon lange her. Was meinst du?" "Gerne, gute Idee.", meinte Biggi und lächelte. "Wir machen es uns so richtig schön, ok?", meinte Thomas. Biggi nickte und küsste ihn noch mal zum Abschied, dann verließ sie schließlich die Basis, um zu Gabi zu fahren.

Als sie nach einer Viertel Stunde Autofahrt angekommen war und an der Tür klingelte, machte Ralf auf. "Hi Biggi!", begrüßte er sie verwundert. "Hi Ralf! Ähm ... seid ihr gerade beschäftigt?" "Hm, nein, wir haben grade geduscht und alles. Möchtest du reinkommen?" "Tja ... eigentlich wollte ich Gabi bitte, ob sie ein wenig mit mir spazieren gehen würde. Ich müsste mit ihr sprechen, ich ... hab da ein Problem." "Ach so ist das, Frauengespräch.", grinste Ralf. Dann rief er nach Gabi. Diese kam mit einem Badetuch bekleidet zur Tür. Nachdem sie sich zur Begrüßung umarmt hatten, fragte Biggi sie, ob sie Zeit für sie hätte. Schon allein ihr Blick sagte Gabi, was sie vorhatte. Als Biggi ihre Freundin erwartungsvoll ansah, blickte Gabi betreten nach unten. Sie haste diese Situation. Sie hasste all das hier. Sie hasste diese Lügen, sie hasste Rene, sie hasste die Vergangenheit ... sie hasste ihr Leben. Sie konnte nicht mehr zurück. Niemand durfte es erfahren. Ohne den Blick vom Fußabstreifer zu wenden, meinte sie leise: "Oh Biggi, tut mir wirklich Leid, aber mir ist ziemlich übel ... du weißt ja, die Schwangerschaft." Biggi schluckte. Sie hatte es fast befürchtet. "Ach so ... na klar, das verstehe ich. Vielleicht klappt es ja ein anderes Mal. Gute Besserung." Dann nahm sie Gabis Hand und sah ihr tief und eindringlich in die Augen. Gabi wusste genau, was dieser Blick zu bedeuten hatte. Er sagte mehr als tausend Worte. Er war der Notruf einer Freundin, die im Innersten spürte, dass all das hier ein böses Ende haben würde, würde Gabi nicht zuvor selbst ein Ende setzen. Aber Biggi konnte nichts tun. Nichts als jeden Tag wieder herkommen und nach einem Spaziergang fragen. Nachdem sie sich von Ralf und Gabi verabschiedet hatte, schritt sie betreten die Treppen nach unten. Plötzlich spürte sie ein schmerzhaftes Ziehen im Bauch und hielt sich erschrocken die Hand darauf. Die Sorgen? Hatte Thomas Recht?  Wahrscheinlich war es wirklich gut, jetzt mal einen Abend zu entspannen, nur mit ihm vor dem Fernseher. Sie nahm sich fest vor, ihm nichts davon zu erzählen, bestimmt war dieses Ziehen völlig normal. Sie fuhr nicht mehr zurück zur Basis, sondern beschloss, das Wohnzimmer für den Abend ein wenig gemütlich zu machen. Schließlich war es schon recht spät und Thomas würde bald kommen. Sie bereitete ein schönes, kleines, kaltes Abendbuffet und stellte Weingläser bereit. Anschließend holte sie eine kuschelige, große Wolldecke für das Sofa und deckte den Sofatisch, anschließend zündete sie ein paar Kerzen an. Kaum hatte sie den Leuchter über dem Kamin entflammt, hörte sie auch schon Thomas durch die Haustür kommen. Michael war noch ein wenig auf der Basis geblieben, um Berichte zu machen. "Da bist du ja!", freute sich Biggi, als sie Thomas kommen sah und umarmte ihn innig. Er erwiderte es ebenso erfreut und küsste sie anschließend zärtlich. Als sie mit viel Mühe wieder voneinander ablassen konnten, fragte er: "Na, war das Gespräch mit Gabi erfolgreich?" Biggi seufzte bedrückt. "Nein, es kam gar nicht dazu. Ihr ging es plötzlich nicht so gut." Es tat so weh, von der besten Freundin belogen zu werden und es auch noch genau zu wissen. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken, der Abend heute würde sie ablenken, das hoffte sie zumindest. Sie schmiegte sich an ihren Thomas und wollte ihn am liebsten gar nicht mehr loslassen. Er lächelte und streichelte ihr liebevoll über den Rücken. "Hey, das wird schon alles wieder. Ganz bestimmt. Und jetzt machen wir uns mal nen schönen Abend, hm?" Biggi nickte und schaffte ein Lächeln. Als Thomas das Wohnzimmer betrat, war er begeistert, wie schön Biggi alles hergerichtet hatte. Er nahm sie schwungvoll auf die Arme und ließ sich mit ihr aufs Sofa sinken. Dann wickelte er sie in die Wolldecke ein und sie kuschelte sich an seine Brust. Während sie den Film starteten, begannen sie, sich gegenseitig vom Abendessen zu füttern, was ihnen großen Spaß machte, weil wie immer viel danebenging. Thomas freute es sehr, seine Biggi wieder kichern zu sehen, so wie sie es auch tat, wenn sie nicht gerade bedrückt war.

Je näher der Film seinem tragischen Ende rückte, desto enger kuschelten sie sich aneinander. Biggi ergriff  Thomas' Hand unter der Decke, als die herzschmerzende Musik ertönte, die den Tod der Hauptdarstellerin ankündigte. Mit Tränen in den Augen hielten sie sich aneinander fest und trauten sich kaum auf den Bildschirm zu blicken. Aber zum Glück hatten sie ja einander und dadurch viele andere Möglichkeiten. Biggi legte sich langsam auf Thomas, wobei sie sich an seine Brust kuschelte und irgendwann begann, ihm seine Hose aufzuknöpfen. Thomas grinste. "Wir sollten uns wohl öfter so traurige Filme ansehen. Wenn's bei denen aus ist, geht's bei uns erst richtig los ...", meinte er, während er ihr zärtlich um die Hüften fasste. Immer wieder küssten sie sich unter der Wolldecke, während sie sich gegenseitig ein Kleidungsstück nach dem anderen auszogen und irgendwann gar nichts mehr

anhatten. "Etwas möchte ich noch klarstellen ... " Thomas räusperte sich. "Als Vater muss ich fragen, ob das Kind bereits schläft?" "Tief und fest ... was würdest du tun, wenn nicht?", fragte Biggi ihn lächelnd. "Na das wird ich dir gleich zeigen.", antwortete er bestimmt, worauf sie in einen unendlich innigen Kuss verfielen und schließlich miteinander schliefen. Als sie gerade mitten in ihrer Beschäftigung unter der Wolldecke waren, schloss Michael leise die Haustür auf. Er war sich sicher, die beiden würden bereits schlafen und wollte sie deshalb nicht wecken. Aber bevor er sich selbst zu Bett legte, wollte er sich nach dem anstrengenden Tag noch einen Schluck Wein im Wohnzimmer gönnen. So öffnete er also leise die Tür, legte seine Jacke auf einen Sessel und widmete sich dem Schrank mit den Getränken. Ihm fiel überhaupt nicht auf, dass er nicht allein im Raum war, denn es war völlig dunkel und auch der Fernseher war aus. Er kam auch nicht auf die Idee, das Licht anzumachen, er hatte keine Lust auf grelle Beleuchtung. Er wusste auch genau, wo er zuletzt die geöffnete Flasche Pino Blanc

hingestellt hatte, nahm sie sich und setzte sich auf das Sofa, das gegenüber des Sofas lag, wo sich Thomas und Biggi gerade ihrer Liebe hingaben. Erst als er sich hingesetzt hatte und der schwache Mondschein durch das Fenster auf das gegenüberliegende Sofa fiel, bekam er plötzlich das Gefühl, da bewege sich etwas. Erschrocken stand er wieder auf. Nun hörte er Geräusche, ganz leise, und schließlich sogar jemanden flüstern. "War da nicht grade was, Thomas?" "Nein, bestimmt nicht. Wir sind hier ganz allein." Daraufhin räusperte sich Michael. "Wenn ich dich korrigieren darf, Thomas. Ihr seid nicht ganz allein." Da schreckten die beiden plötzlich hoch, genauso wie Michael erschrocken war. Er musste aber schmunzeln. Als sie aus der Decke hervorguckten, fiel ihm nichts besseres ein, als ihnen ein Glas Wein anzubieten. "Ist ein echt guter Tropfen. Tut mir echt Leid, aber ich war mir sicher, ihr schläft schon." Thomas meinte grinsend: "Tut uns Leid, dass wir so leise waren, sonst wärst du vorgewarnt gewesen. Aber gegen ein Glas Wein hätten wir doch nix einzuwenden, oder, Schatz?" "Ne, aber bitte ohne Licht.", meinte Biggi in Anbetracht der Tatsache, dass sie schließlich nur von der Decke verhüllt wurden. Also schenkte Michael im Mondschein ein und sie stießen zu dritt auf ihre Freundschaft an, was ohnehin mal wieder fällig geworden war. So machten sie sich eine gemütliche und auch lustige halbe Stunde, bis Michael sich schließlich erhob. Die Flasche war leer und er müde. "Ich denke, ich werde mich dann mal ins Bett begeben. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag. Und ihr ... naja, ihr solltet euch auch nicht mehr zu sehr überanstrengen.", meinte er frech, worauf Thomas und Biggi ein Kissen nach ihm warfen. "Schon gut, schon gut ...", wehrte Michael sich lachend. "Gute Nacht euch beiden!" "Gute Nacht, schlaf gut!", verabschiedeten sie sich. Dann waren Thomas und Biggi wieder allein. Langsam verkrochen sie sich wieder ganz unter die Decke, und Thomas legte sich auf sie. "Wo sind wir noch mal stehen geblieben?", fragte er sie leise, während er sie zärtlich am Hals küsste  und streichelte.  "Dort, wo wir aufgehört haben.", meinte Biggi grinsend. "Ahaa, dann glaube ich, weiß ich es noch recht genau ..." Wenige Sekunden später setzten sie ihre nächtlichen Aktivitäten fort, worauf sie anschließend in einen tiefen und erholsamen Schlaf fielen, Arm in Arm.

Auch Ralf schlief bereits, nur Gabi noch nicht. Sie lag noch lange wach und dachte darüber nach, was Biggi jetzt denken würde. Warum war sie auch nur so unvorsichtig gewesen. Sie hoffte nur, dass Biggi den Vorfall in der Umkleide schnell vergessen und sie nicht mehr drauf ansprechen würde. Doch andererseits wusste sie, dass es unmöglich war, sie kannte Biggi, sie würde so lange nachfragen und forschen, bis sie die Wahrheit herausgefundne hatte, doch genau das wollte Gabi um jeden preis verhindern. Wie gern hätte sie ihrer besten Freundin alles erzählt, doch sie war in den letzte Monaten jedes Mal zum dem Ergebnis gekommen, dass dies viel zu riskant war. Was wäre, wenn Ralf etwas mitbekam? Irgendwann schlief Gabi dann doch völlig übermüdet ein.

Als sie am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich total mies. Sie drehte sich um zu Ralf, doch er schlief noch. Dein Blick auf den Wecker verriet ihr, dass es erst halb sechs war. Also drehte sie sich wieder um, zog sich die Decke ganz weit hoch und versuchte wieder einzuschlafen. Sie war total müde, doch es gelang ihr nicht. Da war wieder diese Unruhe. Schließlich stand Gabriele auf und war wenige Augenblicke später auch schon im Bad und bediente sich an ihrem Beruhigungsmittel. Sie atmete tief durch und konnte geradezu spüren, wie es langsam ihre Wirkung tat. Sie hatte eine ganze Menge genommen, denn geringe Mengen, zeigten bei ihr kaum mehr Wirkung. So ging sie dann zurück zu Ralf und kuschelte sich wieder zu ihm ins Bett, wo sie wenige Augenblicke später einschlief.

Das A Team hatte an diesem Morgen die erste Schicht und Biggi hatte beschlossen gleich mit zur Basis zu kommen. Gleich nach dem Frühstück machten sie, Thomas und Michael sich auf den Weg, da sie es mal wieder nicht geschafft hatten rechtzeitig aus den Federn zu kommen und sowieso schon zu spät waren. Thomas und Biggi waren mit Thomas’ Auto gefahren und Michael mit seinem Jeep, da Thomas Biggis Schicht auch noch auf der Basis verbringen wollte, während Michael am Nachmittag etwas mit Dirk unternehmen wollte.

Als sie die Basis erreichten, wurden sie schon von Peter, der grinsend im Eingang stand, erwartet. „Na, sind wir mal wieder zu spät?“, fragte er triumphierend. „Also ich bin zu früh.“, konterte Biggi, deren Schicht erst in einigen Stunden begann, daraufhin. „Siehst du Peter, und wenn man die Zeit, die Michael und ich zu spät sind, gegen die Zeit, die Biggi zu früh ist, verrechnet, gleicht sich das locker wieder aus.“, fügte Thomas noch hinzu und schob sich dann zusammen mit Biggi und Michael an Peter vorbei in die Basis. Peter folgte ihnen nur kopfschüttelnd.

Thomas und Michael verschwanden in der Umkleide und auch Biggi beschloss sich schon einmal umzuziehen. Als sie gerade ihren Overall aus dem Spind holte, fiel ihr Blick wieder auf Gabrieles Spind. Er stand noch einen Spalt offen. Biggi zögerte, doch dann öffnete sie ihn langsam und holte wieder die kleine Schachtel aus Gabis Jackentasche. Sie konnte es einfach immer noch nicht glauben. Was war nur passiert? Gabi hatte doch wirklich allen Grund glücklich zu sein. Sie hatte einen wunderbaren Job, wunderbare Freunde, sie hatte Ralf und sie würde bald ein Baby von ihm bekommen. Biggi konnte sich das einfach nicht erklären. Sie zog einen kleinen Block aus ihrer Tasche und notierte sich dann den Namen der Tabletten. Oxazepam. Den Namen hatte sie noch nie zuvor gehört oder gelesen. Sie beschloss, herauszufinden, wann dieses Medikament verordnet wurde und vor allem, ob es gefährlich war. Vielleicht sogar für das Baby? Allein der Gedanke ließ ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Doch dann beruhigte sie sich wieder mit dem festen Gedanken daran, dass Gabi als Ärztin ja wusste, welche Schäden ein Medikament anrichten konnte und auf ihr Baby bestimmt Rücksicht nahm. Zumindest hoffte sie das sehr. Aber auf sich selbst? Daran glaubte sie nicht mehr. Wo könnte sie sich über das Medikament informieren? Am besten bei Michael. Ohne natürlich irgendeinen Zusammenhang zu nennen. Zwar tat es ihr weh, ihren Freunden etwas zu verschweigen, aber offenbar machte Gabi sich selbst größte Mühe damit, es bei ihrem Geheimnis zu belassen, selbst vor Biggi. Nun musste sie das wohl auch tun.

Als sie sich fertig umgezogen hatte, fand sie Michael zu ihrer Erleichterung bereits allein im Aufenthaltsraum vor. Thomas brauchte immer ein wenig länger zum umziehen. Michael bot ihr an, einen Kaffee zu machen, und sie bejahte gerne. Als er begann, in der kleinen Küche zu werkeln, folgte sie ihm. "Du, Michael, ich muss dich was fragen." "Schieß los.", meinte der darauf. "Wofür werden eigentlich Oxazepam-Tabletten verschrieben?" Michael horchte beim Namen des Medikaments auf und blickte sie an. "Weshalb möchtest du denn das wissen?" Biggi neigte den Kopf. Mist, sie hätte sich eine Antwort überlegen müssen, bevor sie ihn fragte. Schließlich hatte sie mit dieser Reaktion rechnen müssen. "Ähm, nur so. Interessiert mich, ich hab von denen irgendwo mal gehört." Michael zweifelte stark an der Wahrheit dieser Aussage, umso mehr verwunderte es ihn, dass Biggi ihm offensichtlich etwas verschwieg. "Naja, also Oxazepam ist ein starkes Benzodiazepin, ein Beruhigungsmittel, das bei schweren Angstzuständen und auch Depressionen verschrieben wird. Ich verwende es aber äußerst ungern, da die Patienten nach kürzester Zeit davon abhängig werden und es außerdem zu beträchtlichen Nachfolgeerscheinungen und Nebenwirkungen führen kann." Biggi nickte langsam. Die Antwort traf sie hart. Nach kürzester Zeit abhängig. Beträchtliche Nachfolgeerscheinungen. Nebenwirkungen. Und das nahm ihre Gabi. Es wäre zu auffällig, jetzt zu fragen, ob Schwangere dieses Medikament nehmen dürfen. Innerlich überlegte sie auf Hochtouren, wie sie das Thema auf Umwegen anspielen könnte. Doch Michael war schneller, schließlich lebte er nicht hinter dem Mond. "Übrigens, für Personen im Ausnahmezustand kann das Mittel schnell gefährlich werden, ich spreche von chronischen Krankheiten, oder auch von ... Schwangerschaften..." Er blickte ihr fest in die Augen. Natürlich dachte er sich seinen Teil dabei, nachdem Biggi ihn so etwas Ungewöhnliches gefragt hatte. Der Verdacht lag nahe, dass das Medikament in irgendeiner Weise mit ihr selbst zu tun hatte. Nahm sie es etwa ein??? Er wagte es nicht auszudenken, aber ebenso wenig wagte er, sie zu fragen. Sie wusste genau, dass sie sich ihm immer anvertrauen konnte, doch sie hatte es nicht getan. Das würde schon seine Gründe haben. Aber noch während sie sich gegenüberstanden, beschloss Michael insgeheim, so schnell wie möglich Thomas Bescheid zu sagen. Er machte sich viel zu große Sorgen um den wahren Grund für Biggis Frage, als dass er das für sich behalten könnte. Bevor er noch etwas zu Biggi sagen konnte, meinte diese: "Danke, Michael.", lächelte und war bereits nach draußen verschwunden. Nachdenklich blieb Michael allein in der Küche zurück.

Doch lange hatte er nicht Zeit zum Nachdenken, denn im nächsten Moment trat Thomas in den Aufenthaltsraum. "Oh, Kaffee? Klasse, mir bitte auch ne Tasse.", bat er Michael, angetan vom herrlichen Aroma des Kaffees, das den Raum bereits zu erfüllen begann. "Kein Problem.", murmelte Michael zurück. "Wo ist denn eigentlich Biggi? Etwa noch beim Umziehen?", fragte Thomas dann verwundert. "Äh, nein, vorhin war sie noch da. Ist wohl ein wenig an die frische Luft gegangen." "Oh, dann seh ich mal nach.", meinte Thomas und verschwand. Entgegen seiner Erwartung war Biggi aber nicht an den Fluss gegangen. Sie hatte gewusst, dass sie dort nicht lange allein bleiben würde. Aber jetzt wollte sie es so, sie musste nachdenken. Und dabei konnte ihr Thomas nicht helfen. Klar war für sie, dass sie so schnell wie möglich Gabi von diesen Tabletten abbringen musste. Nur, wie? Ihre beste Freundin war unnahbar. Ja, sie konnte jeden Tag versuchen, mit ihr ein Gespräch zu beginnen, würde jeden Tag erneut abgewiesen werden, und irgendwann würde es dann zu spät sein. Wenn es das nicht bereits war. Sie zerbrach sich den Kopf, während sie so einsam im Hangar auf dem Rollbrett des Helis saß und in die Luft starrte. In den Händen hielt sie immer noch den kleinen Zettel mit dem Namen der Tabletten, den sie zuvor notiert hatte.

Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich, erschrak und verstecke hektisch den Zettel in einer Tasche ihres Overalls. Hoffentlich hatte Thomas es nicht bemerkt. Er hatte es nicht bemerkt. Viel zu sehr freute er sich darüber, dass er Biggi endlich gefunden hatte und war wie jeden Tag von Neuem von ihrer Schönheit fasziniert. Schnurstracks ging er auf sie zu und nahm sie in die Arme. Ihre Lippen näherten sich einander und küssten sich zärtlich. Doch Thomas entging nicht, dass Biggi anders küsste als sonst. Ungewohnt. Ganz anders als am Abend zuvor. "Ist was mit dir?", fragte er besorgt. Biggi schüttelte den Kopf und zauberte ein Lächeln hervor. "Nein, wieso?" "Ach, es schien mir nur so.", meinte Thomas darauf. Dann nahm er sie fest in die Arme und drückte sie an sich. Natürlich fühlte er, dass mit seiner Biggi etwas nicht in Ordnung war. Sie bedeutete für ihn die Welt, und dementsprechend war es für ihn wie ein kleiner Weltuntergang, wenn sie etwas bedrückte. Doch er fand keine Gelegenheit mehr dazu, sie zu fragen - denn gerade als sie so dastanden und sich umarmten, ging der Alarm los:  "Bäuerin mit Herzinfarkt auf einer Alm in Kelchsau. GPS-Koordinaten per Funk. Over and out." Thomas stöhnte genervt auf. Ausgerechnet jetzt. "Ach komm, ärgere dich nicht, das bringt doch nichts.", meinte Biggi zu ihm. "Ja, schon, aber wenn wir's grade so schön haben.", antwortete Thomas fast ein wenig wütend. Aber es nützt ja nichts - er drückte ihr noch einen zärtlichen Kuss auf den Mund, nahm dann seine Pilotenjacke und sauste mit Michael und Peter zum Heli. Kurz darauf hoben sie mit einem Karacho ab. Biggi winkte ihnen noch kurz zu, verschwand dann aber hinter der Hangartür. Als sie so durch den Flur in Richtung Aufenthaltsraum ging, fiel ihr auf, dass sie nun offensichtlich ganz allein mit Ebelsieder auf der Basis war. Draußen stand sein Auto. Zwar hatte sie sich schon längst an seine Anwesenheit gewöhnt, doch durch irgendwelche Zufälle hatte es sich bisher immer schön so ergeben, dass er nie der einzige war, der sich mit ihr auf der Basis befand. Nun war das also auch mal soweit. Sie begab sich eilig in den Aufenthaltsraum und ließ sich dort aufs Sofa sinken. Sie schaltete den Fernseher ein, achtete jedoch nicht auf das Programm, da sie nach kürzester Zeit wieder in den Gedanken an Gabi versunken war. Was konnte sie nur tun? Sie musste es einfach versuchen, mit ihr darüber zu reden, und diesmal würde sie sich nicht so leicht abschütteln lassen. Schließlich war Gabi ja nicht jeden Tag übel. Sie machte sich die größten Sorgen. Was war nur aus ihrer besten Freundin geworden? Was trieb sie derart in Verzweiflung, dass sie sich gezwungen fühlte, diese verdammten Tabletten einzunehmen? Die sogar dem Baby schaden konnten? Sie verstand es einfach nicht.

Als sie so dasaß und nachdachte, öffnete sich plötzlich die Aufenthaltsraumtür und Ebelsieder trat mit einem Stapel Papier in den Raum. Als er jedoch bemerkte, dass Biggi sich darin befand, wäre er am liebsten wieder umgekehrt. "Ach ... guten Tag, Frau Schwerin.", meinte er ein wenig verlegen. "Guten Tag.", antwortete Biggi. "Ich ... ich bringe nur die Formulare für die Einsatzberichte. Ist es in Ordnung, wenn ich sie in das Regal hier lege?" "Ja, da sind sie immer.", meinte Biggi. Ebelsieder nickte und legte dann den Stapel in das Regal.

Anschließend ging er jedoch nicht sofort zurück in sein Büro. Er blieb auf der Stelle stehen. Biggi blickte ihn erwartungsvoll an, vermied jedoch den Blick in seine Augen, die ihr immer noch ein wenig Angst machten. Ansonsten jedoch fühlte sie sich überraschend gleichmütig, obgleich sie gerade mit dem ehemals schlimmsten Feind ihres Lebens allein war. "Wie geht es Ihnen denn, Frau Schwerin?", traute Ebelsieder sich dann, zu fragen. Sie spürte, dass diese Frage ihn einige Überwindung gekostet haben musste und er seine Vergangenheit dabei partout nicht vergaß. Sie versuchte, ihm freundlich zu antworten. "Danke, es geht ganz gut. Ist zurzeit ja auch nicht so stressig. Und Ihnen?" Ebelsieder nickte dankend und meinte: "Seit ich wieder hier bin, geht es mir viel besser. Wenn da nur nicht diese Sache wäre, die ewig zwischen uns stehen wird in diesem Arbeitsklima." Er machte eine Pause. "Auf jeden Fall bin ich Ihnen allen sehr dankbar, dass sie mich so gut hier aufgenommen haben.", setzte er hinzu. "Tja, Sie sind der Chef.", meinte Biggi und schaffte es sogar, ein wenig zu lächeln. Dann gab sie sich selbst einen Ruck und fragte: "Wir haben hier noch frischen Kaffee. Möchten Sie eine Tasse?" Ebelsieder war sichtlich überrascht über das unerwartete Angebot, nahm jedoch sofort dankend an. Also erhob sich Biggi und begab sich in die Küche, aus welcher sie nach kurzer Zeit mit zwei Tassen Kaffee zurückkam. Sie stellte sie auf den kleinen Sofatisch und deutete ihm, sich hinzusetzen. Ebelsieder bedankte sich und setzte sich ihr gegenüber. Eine Weile schwiegen sie wieder. Biggi hielt konstant den Blick nach unten, sah dann jedoch ein wenig auf, als er sie fragte: "Wie geht es Ihnen denn mit der Schwangerschaft?" "Bis jetzt hatte ich keinerlei Beschwerden. Ich hoffe, es bleibt so. Andere Frauen könnten da schon viel mehr berichten.", meinte sie. "Ja, ich weiß. Das ist wirklich ein Glück. Wenn ich da an ...", Er hielt plötzlich inne und blickte starr auf seine Kaffeetasse. Biggi wartete ein wenig, doch als er keine Anstalten machte, weiter zu sprechen, fragte sie: "Wenn sie an was ...?" Ebelsieder musste schlucken, bevor er weiter sprechen konnte. Seine Augen wurden feucht, als er weiter sprach, und er traute sich nicht Biggi anzusehen. "Wenn ich an meine ... meine Frau denke. Sie hatte oft an Übelkeit zu leiden, damals, als..." Er konnte nicht weiter sprechen. Er sah Biggi an, seine Augen waren voller Tränen, und plötzlich trafen sich ihre Blicke. Erst schreckte Biggi zurück, dann sahen sie sich eine ganze Zeit lang nur in die Augen, und auch Biggi stiegen die Tränen hoch. "Das mit Ihrer Frau ... das tut mir sehr Leid.", sagte sie leise. "Und mir tut es Leid, was ich Ihnen angetan habe. Nur wegen ihr. Sie müssen wissen ... Sie sind haargenau wie sie. Ihr Aussehen, Ihre Stimme, Ihr Lachen ... in Ihnen lebt sie wieder auf. Ich würde alles geben dafür, dass es nicht so wäre. Und jetzt, wo Sie schwanger sind ..." Sie verloren sich nicht aus den Augen. Erst hatten Biggi seine Augen große Angst gemacht, doch nun ... nun saß sie nur mehr vor einem gebrochenen Mann, dem die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben stand. Und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Als er nicht aufhörte zu weinen, tat Biggi das, was sie sich wohl in ihrem ganzen Leben niemals zugetraut hätte. Sie stand auf, ging zu Ebelsieder, setzte sich zu ihm und nahm ihn in die Arme. Wie auf Kommando hörte er auf, zu zittern, und erwiderte ihre Umarmung ganz langsam und zaghaft. Niemand wusste, was er sagen sollte. Doch es gab in dieser Situation auch keine Worte. Der Kaffee wurde kalt, doch in den Herzen der beiden wurde es ganz langsam ein wenig warm. Biggi spürte, wie die ganze Angst, die ganze Wut in ihr hochstieg und sich langsam aber sicher in Luft auflöste. Sie hatte keine Angst mehr vor diesem Mann. Es gab keinen Grund dafür. Es würde nie wieder einen geben ... Zwar war dies erst der Beginn eines neuen Anfangs, doch die Mauer voller Erinnerungen, Angst, Wehmut und Trauer zwischen ihnen hatten sie endlich durchbrochen. Sie umarmten sich wie zwei normale Menschen.

Nach vielen Minuten, in denen sie erst einmal begreifen mussten, was geschehen war,

lösten sie sich ganz langsam gleichzeitig aus der Umarmung. Ebelsieder, dessen Augen genauso tränengerötet wie Biggis waren, streckte ihr die Hand entgegen und meinte: "Ich heiße Frank." Biggi nahm seine Hand, schüttelte sie und sagte: "Biggi. Nett, Sie kennen zu lernen. Sind wir uns schon einmal begegnet?" Sie blickten sich tief in die Augen, und dann meinte Ebelsieder: "Nicht, dass ich wüsste."

Zur gleichen Zeit war das A Team gerade am Einsatzort gelandet. Während Thomas die Turbinen herunterfuhr, waren Michael und Peter schon zu der Bäuerin ins Haus geeilt. Die Frau war in der Diele zusammengebrochen und gab kein Lebenszeichen mehr von sich. Michael und Peter begannen sofort mit der Wiederbelebung. Als Thomas mit der Trage unter dem Arm das Haus betrat, überblickte er die Lage sofort und schob den Bauer, der mit sorgenvollem Blick alles mit ansah, nach draußen. Sicherlich stand der Mann unter Schock und für seine Frau konnte er im Moment sowieso nichts tun, das wusste Thomas genau.

Nach einigen Minuten hatten es Michael und Peter geschafft die Frau ins Leben zurückzuholen. Erleichtert atmeten sie auf, auch wenn sie wussten, dass es noch nicht überstanden war. „Thomas, die Trage.“, wies Peter den Piloten an, der wenige Sekunden später mit der Trage wieder den Raum betrat. Als sie die Frau in den Helicopter verladen hatten, wischte Michael sich erst einmal den Schweiß von der Stirn. Er dachte wieder an Biggi und die Frage nach diesen Tabletten. Er machte sich wirklich ernsthafte Sorgen und wartete auf einen Moment, in dem er Thomas ungestört darauf ansprechen konnte. Als sie, nachdem sie die Frau in der Klinik abgeliefert hatten, wieder die Basis anflogen, sah er jedoch schon aus einiger Entfernung, dass Biggi draußen vor dem Hangar stand und offensichtlich auf Thomas wartete. „Sieht aus, als ob du schon sehnsüchtig erwartete wirst, Thomas.“,  meinte Peter, als er Biggi entdeckte. Thomas lächelte und setzte den Helicopter im gleichen Augenblick auf die Landeplattform auf.

Biggi ging auf den Helicopter zu und öffnete die Tür auf der Pilotenseite. Thomas beugte sich zu ihr heraus und gab ihr einen Kuss, bevor er ausstieg und sie Arm in Arm in den Hangar gingen. Peter und Michael folgten ihnen mit der Ausrüstung.

Der Rest der Schicht des A Teams verlief ruhig. Sie saßen alle zusammen gemütlich im Aufenthaltsraum und unterhielten sich. Michael hoffte noch immer auf eine Gelegenheit mit Thomas alleine zu sprechen, doch diese schien sich nicht zu bieten. Er wollte ihn jetzt auch auf keinen Fall darauf ansprechen, dass er mit ihm alleine reden müsste, denn ihm war klar, dass Biggi dann sofort durchschauen würde, worum es ging.

Gegen Ende der Schicht verabschiedete Peter sich von den anderen. Er hatte noch etwas vor an diesem Abend. „Schönen Feierabend noch, bis morgen.“ „Warum hast du es denn so eilig heute?“, fragte Thomas neugierig und sah Peter dabei auffordernd an. „Na ja, ähm, ich habe noch etwas vor.“ „Was denn?“, fragte Michael darauf sofort grinsend. „Nicht so neugierig.“, erwiderte Peter nur ebenfalls grinsend und verschwand dann in seinem Wohnhelicopter.

„Komm, Thomas, wir gehen uns auch umziehen.“, meinte Michael auffordernd, als Peter weg war. Er witterte die Chance in der Umkleide mit Thomas reden zu können. Zwar hätte er lieber in Ruhe mit ihm geredet, doch er wusste, dass er dazu heute wohl kaum noch eine Gelegenheit bekommen würde. Zuhause würde Biggi höchstwahrscheinlich immer dabei sein und Dirk war ja auch noch da. Thomas wollte gerade vom Sofa aufstehen um sich umziehen zu gehen, als Biggi ihn leicht am Ärmel festhielt. „Wollen wir nicht gleich nachhause fahren und du ziehst dich dort um?“, fragte sie ihn. „Wenn es dir so lieber ist, klar.“ Biggi nickte und Thomas reichte ihr die Hand, zog sie vom Sofa hoch und nahm sie dann in den Arm. Sie wollte nach diesem anstrengenden Tag einfach nur noch nachhause und war froh, dass sie jetzt endlich Feierabend hatten. „Bis nachher“, verabschiedeten sie und Thomas sich noch von Michael, der bereits in der Tür der Umkleide stand, und verließen dann Arm in Arm die Basis.

Michael fluchte innerlich, begab sich dann jedoch in die Umkleide, um sich umzuziehen.

Ralf und Gabi saßen währenddessen zuhause in ihrem Wohnzimmer und hatten es sich so richtig gemütlich gemacht. „Geht es dir heute wieder besser?“, fragte Ralf nach einiger Zeit nach, da er mitbekommen hatte, dass Gabi Biggi am Vortag abgesagt hatte, weil es ihr nicht gut ging. Sie nickte sofort heftig und meinte schnell: „Ja, es ist alles ok, mir war gestern Nachmittag nur ein wenig übel, das ist normal bei einer Schwangerschaft, mach dir keine Gedanken.“ Dabei strich sie ihm sanft durchs Haar. Sie wollte nicht, dass er sich Sorgen machte. Ralf nickte beruhigt und küsste sie dann zärtlich. Er liebte sie ja so sehr, ein Leben ohne sie konnte er sich absolut nicht mehr vorstellen. Zärtlich strich er ihr über den Bauch, der schon deutlich runder als gewöhnlich geworden war. „Ich freu mich so, wenn unser Baby endlich da ist.“, sagte er lächelnd und küsste Gabi abermals. Diese jedoch wurde bei dem Wort unumgänglich an Rene erinnert. Diese Ungewissheit war schrecklich, war es denn wirklich das Kind von ihr und Ralf? Sie hoffte es so sehr. Nun, wo sie und Ralf wieder so glücklich zusammen waren, musste es einfach so sein. Wenn nur diese Zweifel nicht wären. Ansonsten hatte Gabi allen Grund glücklich zu sein. Sie und Ralf waren ein Traumpaar, sie wohnten zusammen, mit ihrer Mutter hatte es auch lange keinen Ärger mehr gegeben, Rene hatte sich seit Wochen nicht mehr gemeldet und sie erwartete ein Kind. Nur dieser Gedanke an die Vaterschaft ihres ungeborenen Kindes und an diese Nacht vor einem halben Jahr überschattete ihr Glück. Am liebsten hätte sie diese Nacht einfach aus ihrem Leben ausgelöscht, doch das war unmöglich. Sie musste irgendwie versuchen mit den Erinnerungen umzugehen und mit ihnen zu leben.

In diesem Moment allerdings dachte sie nicht mehr an Rene, denn Ralf küsste sie die ganze Zeit und fuhr schließlich mit seiner Hand unter ihr T-Shirt, bis er es ihr schließlich auszog. Daraufhin folgte ein mehr von Küssen und Zärtlichkeiten und Ralf nach Gabriele schließlich auf den Arm und trug sie ins Schlafzimmer. Dort ließ er sich mit ihr im Arm aufs Bett fallen und küsste sie weiter.

Inzwischen war Michael an der Villa angekommen. Biggi und Thomas saßen im Wohnzimmer. Thomas hatte den Kamin angezündet und die beiden hatten sich auf das Sofa direkt davor gekuschelt. Biggi hatte Thomas die Sache mit Ebelsieder erzählt und auch er war unheimlich froh, dass dieser ganze Alptraum nun scheinbar endgültig vorbei war. Glücklich küsste er seine Biggi, die dies ebenso glücklich erwiderte. Dann jedoch musste sie wieder an Gabi denken und das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde zu einem sorgenvollen Blick. Ihr ließ das keine Ruhe, nicht bevor sie wusste, was mit ihrer Freundin los war.

„Du denkst an Gabi, oder?“, fragte Thomas nach. Er hatte Biggis bedrückte Miene sofort bemerkt. Biggi nickte leicht. „Mir lässt das einfach keine Ruhe.“, gab sie zu. Thomas nickte, er wusste, dass Biggi und Gabi, seit sie sich kannten, die besten Freundinnen waren und sich normalerweise alles erzählten. Wie gerne würde er ihr helfen, doch ihm war klar, dass wenn Gabi über ihr Problem nicht mit Biggi reden wollte, sie darüber mit niemandem reden wollte, schon gar nicht mit ihm. Thomas seufzte leise und nahm Biggi dann noch fester in den Arm. Mehr konnte er jetzt nicht tun, er fühlte sich hilflos, genauso hilflos wie Biggi es war, solange Gabi ihr nicht von ihrem Problem erzählen wollte.

Nachdem Michael zusammen mit seinem Sohn Abendbrot gegessen hatte, gesellte er sich zu Thomas und Biggi ins Wohnzimmer und die drei unterhielten sich noch eine Weile. „Ich bin müde.“, meinte Biggi jedoch nach einiger Zeit und gähnte. „Ich glaube, ich sollte besser schlafen gehen.“ Sie wusste, dass sie am nächsten Morgen wieder die Frühschicht hatte. Michael hingegen witterte erneut eine Chance endlich mit Thomas alleine reden zu können. „Du hast Recht. Ich komme mit.“, meinte dieser jedoch im selben Augenblick. „Gute Nacht, Michael.“ „Gute Nacht“. Michael blickte den beiden noch nach, wie sie gemeinsam nach oben verschwanden. Seufzend ließ er sich dann zurück ins Sofa sinken. Nahm Biggi wirklich diese Tabletten? Er hatte absolut keine Ahnung aus welchem Grund sie Beruhigungstabletten nehmen sollte. Und gerade das machte ihm Sorgen, er konnte sich das absolut nicht erklären, was war nur los? Gleich morgen würde er mit Thomas reden, das hatte er sich fest vorgenommen, und wenn er die anderen dafür wegschicken musste, er musste es seinem besten Freund einfach sagen. Schließlich kannte Michael als Arzt genau die Nebenwirkungen dieser Tabletten, die vor allem für Schwangere gefährlich waren.

Biggi und Thomas lagen bereits im Bett, sie kuschelten noch ein wenig miteinander, bevor sie schließlich erschöpft einschliefen. Biggi dachte dabei immer noch über das merkwürdige Verhalten ihrer Freundin und darüber, in welchen Zusammenhang es mit den Tabletten stehen könnte, nach.

Als Michael wenig später auch nach oben ging und schließlich im Bad vor dem Spiegel stand und sich die Zähne putzte, fiel sei Blick plötzlich auf das kleine Medikamentenschränkchen an der Wand. Er trat leise auf den Flur hinaus und lauschte an der Tür von Biggis und Thomas’ Schlafzimmer. Es war nichts zu hören. Michael öffnete die Tür einen Spalt und vergewisserte sich so, dass die beiden tatsächlich aneinandergekuschelt im Bett lagen und tief und fest schliefen. Zufrieden schloss er die Tür wieder und kehrte zurück ins Badezimmer, wo er sogleich den Medikamentenschrank öffnete. Er durchsuchte ihn ganz genau, öffnete jede Packung, um sicher zu gehen, dass der Inhalt nicht ein anderer war als angegeben. Doch Oxazepam fand er dort nicht, nicht einmal ein anderes Beruhigungsmittel. Nur Medikamente gegen Erkältung, gegen Kopfschmerzen, zum Desinfizieren von Verletzungen, gegen Magenbeschwerden und vieles mehr. Einerseits war er beruhigt, da alles danach aussah, dass Biggi dieses Zeug nicht nahm, doch andererseits konnte er sich ganz sicher auch nicht sein. Er traute ihr das eigentlich absolut nicht zu, doch warum hatte sie ihn dann nach diesen Tabletten gefragt? Es passte einfach alles nicht zusammen. Während Michael grübelnd vor dem Medikamentenschrank stand, hatte er total die Zeit vergessen. Es war bereits nach Mitternacht und als er dies mit einem erschrockenen Blick auf seine Uhr bemerkte, beschloss auch er ins Bett zu gehen. Auf eine Lösung würde er heute Nacht wohl sowieso nicht mehr kommen.

Am nächsten Morgen meinte es der Zufall gut mit ihm. Als er sich bereits unten in der Küche befand und das Frühstück für alle vorbereitete, kam plötzlich auch Thomas die Treppen runter. Allein. "Guten Morgen. Wo ist denn Biggi?", fragte er seinen Freund erstaunt. Normalerweise kamen die beiden nämlich immer Arm in Arm die Treppen runter, wenn es morgens Frühstück gab. "Sie wollte sich noch duschen.", meinte Thomas und roch an den Brötchen. "Frisch vom Bäcker.", sagte Michael stolz. "Oh, du bist echt spitze.", freute sich Thomas, die Brötchen rochen nämlich wirklich herrlich. Das war die Gelegenheit, dachte Michael bei sich. Bestimmt würde es nicht mehr so schnell so kommen, dass er mit Thomas allein war. "Du Thomas, ich muss mit dir reden." "Aha ... das klingt ja richtig ernst. Schieß los.", meinte Thomas locker, griff sich einen Apfel aus der Früchteschüssel und setzte sich neben ihn auf einen Stuhl. "Es ist auch ernst. Ich hoffe nur, es ist ein falscher Verdacht, den ich da habe." "Was denn?" "Weißt du, ob Biggi irgendwelche Tabletten nimmt?" Thomas horchte auf. "Biggi Tabletten? Nicht dass ich wüsste. Sie hätte doch keinen Grund, oder?" "Naja, das denke ich eben auch. Aber neulich kam sie plötzlich und fragte mich nach einer speziellen Sorte Beruhigungstabletten, Oxazepam, ein schweres Anti- Depressivum. Es kann sehr schädlich für Schwangere sein." Thomas wusste nicht, was er sagen sollte. Er war geschockt. Seine Biggi nahm Beruhigungstabletten? Warum denn bitte??? "Aber ... weshalb ... wieso?", fragte er Michael völlig verdattert. "Ich weiß es eben auch nicht. Ich kann nur hoffen, dass sie das aus irgendeinem anderen Grund gefragt hat. Nur, es fällt mir kein anderer ein. Auf jeden Fall hab ich ihr gesagt, dass sie für Schwangere schädlich sein können. Aber ich dachte mir, am besten sprichst du sie mal darauf an." "Das werd ich auch tun. Am besten jetzt gleich." Thomas war schrecklich besorgt. Was konnte das nur bedeuten? Warum nahm Biggi Tabletten? Diese Frage hämmerte immer wieder auf ihn ein. Er stand auf und eilte die Treppen nach oben. Vor der Badezimmertür blieb er stehen. Dahinter hörte er Wassergeplätscher. Er öffnete leise die Tür und meinte: "Hallo mein Schatz! Ich bin's." Biggi antwortete nicht, sie machte nur die Tür der Duschkabine auf und begrüßte ihren Liebsten mit einem Kuss. Da sie sowieso gerade fertig geduscht hatte, stieg sie nun aus der Kabine und ließ sich von Thomas in ein großes Handtuch einwickeln. Er trocknete sie zärtlich ab, dann wollte er sie endlich auf diese Tabletten ansprechen. „Biggi, ich muss mit dir reden.“, begann er zögerlich. Er wusste gar nicht, wie er anfangen sollte. Biggi horchte auf. An Thomas’ Stimme erkannte sie sofort, dass es um etwas Ernstes ging. „Du weißt doch, dass wir uns immer alles sagen.“ Biggi nickte. „Na klar.“ „Und wenn wir irgendwelche Probleme haben, sagen wir es uns auch.“, fuhr Thomas fort. „Thomas, was soll das? Ich verstehe nicht, was du meinst. Natürlich haben wir uns bis jetzt immer alles gesagt.“ Thomas legte den Arm um sie und zog sie so zu sich, dass er ihr genau in die Augen blicken konnte. „Aber ich frage mich, ob du mir in letzter Zeit alles gesagt hast.“ Biggi blickte ihn nur fragend und unverständlich an. „Biggi, nimmst du Tabletten?“ Biggi überlegte kurz und fragte sich, wie er plötzlich auf diesen Gedanken kam. Wieso sollte sie Tabletten nehmen? Sie fragte sich die ganze Zeit, wie sie Gabi von ihren Tabletten los bringen konnte, aber wieso wurde sie auf einmal selbst verdächtigt? „Nein, ganz bestimmt nicht. Zumindest keine, von denen du nichts weißt.“ „Ehrlich?“ Thomas war total erleichtert, traute dem aber doch noch nicht so ganz. Wie auch sonst die Frage an Michael? „Ja, ganz ehrlich. Glaubst du mir etwa nicht?“, fragte Biggi ihn in einem traurigen Ton. Darauf nahm Thomas sie ganz fest in die Arme und meinte leise: „Doch, klar. Es ist nur so … ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, verstehst du das nicht?“ „Doch, das verstehe ich. Weil es mir genauso geht.“ Sie trat einen kleinen Schritt zurück und blickte ihm in die Augen. „Ich liebe dich.“, sagte sie und küsste ihn dann zärtlich, während sie ihm liebevoll um den Nacken strich. Sie küssten sich lange und innig, bis sie langsam wieder voneinander abließen. Dann fragte Biggi ihn zögernd: „Was hätten das denn überhaupt für Tabletten sein sollen? Du fragst mich doch nicht einfach so.“ „Beruhigungstabletten, gegen Depressionen.“ Biggi horchte auf. Na klar. Jetzt wusste sie, woher Thomas das hatte. „Hast du das von Michael?“ Thomas nickte. „Erraten. Er hat sich Sorgen um dich gemacht und mich darauf angesprochen. Bitte sei nicht sauer auf ihn.“ „Ne, wieso? Ich verstehe es ja. Aber auf jeden Fall braucht ihr beide euch nicht die geringsten Gedanken machen, dass ich so ein Zeugs nehme. Ok, Liebling?“ „Ja.“, antwortete Thomas und lächelte sie verliebt an.

Etwa zur selben Zeit öffnete Gabi in ihrem Bett gerade die Augen. Das Baby hatte sie geweckt. Es strampelte heftig und ließ seiner Mutter keinen Schlaf mehr. Gabi lag die ganze Zeit mit offenen Augen im Bett und wartete, bis es endlich aufhören würde. Sie konnte es nicht mehr ertragen, mit jedem Zeichen, mit dem sich das Baby bemerkbar machte, musste sie an Rene denken. Wenn sie doch wenigstens Gewissheit hätte. Wie gern hätte sie einen Vaterschaftstest gemacht, doch ihr war klar, dass sie dazu entweder Ralf alles erzählen musste, oder aber sie musste Rene wieder sehen. Beides schien ihr unmöglich.

Sie sah hinüber zu Ralf, der ein wenig seinen Arm um sie gelegt hatte. Er schlief noch tief und fest. Es war schließlich auch noch früh und das B Team hatte erst die zweite Schicht. Sie selbst konnte jedoch nicht mehr einschlafen. Daher beschloss sie schon einmal aufzustehen und für Ralf und sich ein schönes Frühstück herzurichten. Das würde sie hoffentlich auf andere Gedanken bringen.

Als sie jedoch aus der Schlafzimmertür kam und den Flur betrat, fiel ihr sofort etwas ins Auge. Es war ein kleiner, roter Umschlag, der auf dem Boden vor der Haustür lag. Jemand musste ihn durch den Briefschlitz gesteckt haben. Sie wunderte sich, da der Postbote gewöhnlich noch nicht so früh am Morgen kam. Ehe sie allerdings weiter darüber nachgedacht hatte, hielt sie den Umschlag schon in der Hand und suchte nach dem Absender. Es stand keiner drauf. Nur ihr Name stand auf der Rückseite. Gabis Hände begannen zu zittern. Sie hatte schon einmal einen Umschlag ohne Absender bekommen, damals war er von… Rene gewesen. Gabriele zitterte am ganzen Körper, sie musste sich an der Kommode abstützen, denn ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben. Mit dem Umschlag in der Hand schleppte sie sich ins Badezimmer und ließ sich dort auf den Rand der Badewanne sinken. Sie griff hastig nach den Tabletten und nahm gleich 6 Stück davon ein. Sie wusste, dass es zu viele waren, doch das war ihr jetzt egal, sie brauchte das jetzt, sie konnte einfach nicht mehr anders. Die Tabletten hatten sie voll und ganz im Griff. Doch niemals hätte Gabi sich eingestanden, dass sie längst abhängig von ihnen war. Nein, sie doch nicht, sie war doch Ärztin, sie kannte die Gefahren solcher Tabletten.

Als sie meinte sich wieder ein wenig beruhigt zu haben, griff sie nach der kleinen Schere, die sie immer im Bad liegen hatte und öffnete ihn mit noch immer zitternden Händen. Heraus zog sie einen zusammengefalteten Zettel. Nachdem sie ihn auseinander gefaltet hatte, begann sie zu lesen:

 

Hallo meine liebste Gabriele,

Schade, dass wir uns so lange nicht mehr gesehen haben, ich habe solche Sehnsucht nach dir und ich bin mir sicher, dass es dir genauso geht. Daher habe ich für uns am Freitagabend ein Hotelzimmer reserviert. Erinnerst du dich noch an die Hochzeitssuite? Wir werden sicherlich viel Spaß haben. Ich erwarte dich um 20 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Hotel. Solltest du etwas Wichtigeres vorhaben, sehe ich mich leider gezwungen sowohl Ralf als auch der Polizei von unserem kleinen Geheimnis zu erzählen. Ich denke nicht, dass das in deinem Interesse ist.

Bis Freitag,

Rene

 

Gabriele konnte es nicht fassen. Sie begann wieder zu zittern und Tränen rannen ihr über das Gesicht. In dieser Situation hätte wahrscheinlich auch das stärkste Beruhigungsmittel der Welt nicht helfen können. Sie wusste genau, was Rene von ihr wollte. Dasselbe wie in der Nacht vor etwa einem halben Jahr. Und was würde er machen, wenn er sehen würde, dass sie schwanger war? Man sah es bereits ziemlich deutlich, es war kaum zu übersehen, immerhin war sie ja auch schon fast im siebten Monat. Gabi schluchzte und schluchzte, sie wusste absolut nicht, was sie tun sollte. Nur eins war klar, sie konnte am Freitagabend unmöglich in dieses Hotel fahren. Noch einmal würde sie diese ganze Qual nicht durchstehen, niemals. Inzwischen war ihr alles egal. Sie sah keinen Ausweg mehr, sie hasste ihr Leben. Wenn Ralf nicht wäre und ihre Freunde, dann hätte sie wahrscheinlich schon viel früher einen folgenschweren Entschluss gefasst.

 

Zur gleichen Zeit saßen Thomas, Biggi und Michael gemeinsam in der Küche der Villa und frühstückten gemütlich. Ausnahmsweise waren sie früh genug aufgestanden, sodass sie genug Zeit hatten und nicht zu hetzen brauchten. „Sag mal Biggi, warum hast du Michael eigentlich nach den Tabletten gefragt, wenn du sie nicht nimmst?“, fragte Thomas dann plötzlich. Diese Frage hatte ihn schon die ganze Zeit beschäftigt. Biggi sah ihn an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Wenn sie ihn jetzt anlügen würde und es herauskommen würde, dann würde er ihr höchstwahrscheinlich auch nicht mehr glauben, dass sie diese Tabletten nicht nahm. „Thomas…ich…ich kann euch das nicht sagen.“, druckste sie herum. Auch Michael sah Biggi nun fragend an. „Biggi, warum kannst du es uns nicht sagen?“, Thomas verstand nun gar nichts mehr und wieder begann er sich Sorgen zu machen. Biggi konnte dies genau an seinem Gesicht ablesen. „Thomas…ich… ich kann nicht… bitte…du musst mir vertrauen.“ „Das tu ich Biggi, das weißt du. Aber welches Geheimnis kann so schlimm sein, dass du es mir verschweigen musst?“, er klang wirklich verzweifelt und Biggi merkte, dass er sich große Sorgen machte. Wenn sie nur daran dachte, wie sehr Gabi sich in dem letzten halben Jahr verändert hatte, stiegen ihr wieder Tränen in die Augen. Sie wusste doch selbst nicht, was los war und tat alles, um dies herauszufinden – bis jetzt erfolglos. Langsam rannen ihr die Tränen über die Wangen. Thomas nahm sie sofort liebevoll in den Arm und Biggi weinte ein wenig an seiner Schulter. Sie konnte jetzt einfach nicht länger schweigen. Es war alles viel zu schrecklich und sie hatte es lange genug in sich hineingefressen. Sie musste jetzt einfach mit jemandem reden und mit wem, wenn nicht mit Thomas? Michael saß nur stumm daneben und wusste ebenso wenig wie Thomas, was los war.

Schließlich begann Biggi langsam alles zu erzählen, was sie wusste. „Ich nehme dieses Zeug nicht, aber… Gabi.“ „Was???“, Michael konnte es nicht glauben, seine Kollegin, die Ärztin war und zudem noch schwanger, nahm diese Tabletten? Sie musste doch wissen, was das für Folgen haben konnte. „Biggi, bist du dir sicher?“, fragte er nach. Auch Thomas konnte es nicht glauben. Biggi nickte niedergeschlagen. „Ich habe gesehen, wie sie sie genommen hat. Sie meinte, es seien nur Kopfschmerztabletten, absolut harmlos. Weil sie aber versucht hat, die Tabletten vor mir zu verstecken, bin ich misstrauisch geworden und habe in ihrem Spind nachgesehen, als sie bereits weg war. Deshalb habe ich dich auch nach dem Namen gefragt, Michael. Ich habe ihn mir von der Tablettenschachtel in Gabis Jackentasche abgeschrieben.“ Thomas und Michael hatten Biggis Schilderung stumm angehört und wussten absolut nicht mehr, was sie sagen sollten. Sie waren nur noch geschockt und konnten sich das alles nicht erklären. „Warum nur?“,. fragte Michael dann. Biggi zuckte mit den Schultern. „Das habe ich die ganze Zeit versucht herauszufinden, aber Gabi blockt total ab. Ich erkenne sie kaum wieder, sie hat sich so verändert.“, Biggi war wieder den Tränen nahe und Thomas versuchte sie so gut es ging zu beruhigen. Doch er war selbst total geschockt. „Weißt du, wie lange sie diese Tabletten schon nimmt?“, wollte Michael dann von Biggi wissen. Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe es ja erst vor kurzem bemerkt…. Ich weiß einfach nicht warum... sie hat sich so sehr verändert und alles… seit... seit diesem einen Tag, an dem sie bei mir in der Wohnung war. Sie war damals total fertig, wollte mir aber nicht sagen, was los war und hat mir später versichert, dass es ihr gut gehe und sie nur Streit mit ihrer Mutter gehabt hätte.“ „Wann war das, Biggi?“, fragte Michael weiter. Er machte sich große Sorgen um Gabriele, als Arzt wusste er genau, wie schnell man von diesen Tabletten abhängig wurde. „Vor einem halben Jahr etwa.“, antwortete Biggi leise. „Oh Gott.“, entfuhr es Michael nur. Ihm war klar, dass, falls Gabi dieses Mittel wirklich schon seit einem halben Jahr nahm, es kaum Hoffnungen gab, dass ihr Baby dadurch noch nicht geschädigt war. „Und wann hast du diese Tabletten das erste Mal gesehen?“ „Das war erst vor kurzem. Vor ein paar Tagen vielleicht. Seitdem hab ich immer versucht, sie darauf anzusprechen, aber jedes Mal ist sie mir ausgewichen oder hat abgeblockt. Ich weiß, dass es was schlimmes sein muss. Niemals sonst würde sie mich belügen.“ Schluchzend verbarg sie ihr Gesicht in Thomas’ Armen. Dann blickte sie wieder auf und meinte mit tränengeröteten Augen: „Wir müssen unbedingt etwas tun. Wer weiß, zu was sie fähig ist, wenn sie so verzweifelt ist, dass sie diese Tabletten nötig hat.“ „Du hast Recht. Wir müssen etwas unternehmen. Fragt sich nur, was. Wenn sie bei dir schon die ganze Zeit abgeblockt hat, hab ich keine Ahnung, wie wir zu dritt etwas schaffen sollen.“ Thomas musste dem leider nur zustimmen. „Was ist eigentlich mit Ralf? Weiß der auch nicht davon?“ „Nein, bestimmt nicht.“, meinte Biggi.

Während Michael, Thomas und Biggi schweigend auf Hochtouren darüber nachdachten, was sie tun konnten, wusste eine andere schon längst, was sie unternehmen würde. Gabi. Sie hatte auf dem kühlen, glatten Fliesenboden in ihrem Badzimmer einen schweren Entschluss gefasst. Einen Entschluss, der über ihr Leben entscheiden würde. Ein letzter Entschluss. Danach würde sie nie wieder Probleme, nie wieder Sorgen haben. Sie müsste vor niemandem Angst haben, würde nie wieder Tabletten nötig haben oder irgendetwas fürchten müssen. Das hörte sich an wie ein Traum, war aber trotzdem plötzlich ganz nahe für sie. Auf einmal wurde sie ganz ruhig. Sie zitterte nicht mehr, stand wie in Trance auf und öffnete die Badezimmertür. Dann blickte sie kurz ins Schlafzimmer und versicherte sich, dass Ralf noch tief und fest schlief. Anschließend schlich sie in die Küche und setzte sich mit einem Blatt Papier und einem Stift an den Tisch. Ganz langsam und ruhig begann sie, zu schreiben. Es würde das letzte Mal sein, dass sie einen Stift in den Händen hielt.

 

Lieber Ralf!

Bevor du diesen Brief liest, möchte ich, dass du weißt, wie Leid mir alles tut. Ich bitte dich um Verzeihung. Aus ganzem Herzen. Ich weiß, dass es dir schwer fallen wird, mir all das zu verzeihen, was du gleich in diesem Brief lesen wirst. Aber du sollst wissen, dass ich alles um unserer Liebe willen und für nichts anderes getan habe.

Ich denke, es ist an der Zeit, endlich den Vorhang zur Seite zu schieben und dir all das zu erzählen, was mich im letzten halben Jahr beschäftigt hat. So oft hast du mich gefragt, was mich bedrückt. Und so oft habe ich dich belogen. So oft hast du mir über den Bauch gestrichen und mir gesagt, wie sehr du dich auf dein Kind freust. Jedes Mal hätte ich die Pflicht gehabt, dir zu sagen, was ich damals immer gedacht habe. Ich hätte die Pflicht gehabt, dir die Wahrheit zu sagen. Das habe ich aber nicht. Und deshalb tue ich es jetzt. Ein letztes Mal. Erinnerst du dich an Christine? Ich erinnere mich sehr gut an sie. Ja, du wirst dich wundern, ich kenne sie persönlich. Sie war deine Jugendliebe. Und meine Schuld war es, dass sie nach einem Autounfall verstorben ist, während du mit einer Amnesie  im Krankenhaus lagst. Ich war damals so verantwortungslos und habe mir von Rene assistieren lassen. Er hat mir das falsche Mittel gegeben und ich habe es deiner großen Liebe gespritzt. Ich wollte es nicht, glaub mir. Dass ich es dir damals nicht gebeichtet habe, lag an meiner unendlichen Angst, dich zu verlieren. Ich liebte dich doch. Wie sollte ich dir sagen, dass ich deine Jugendliebe getötet habe? Dass ich das niemals tun könnte, wusste auch Rene. Einige Zeit nach diesem Ereignis begann er, mich zu erpressen. Eines Nachts musste ich dann in einem Hotel in Traunstein mit ihm schlafen, um mich davor zu bewahren, dass du alles erfährst und ich angezeigt werde. Ralf, diese Nacht ist fast genau sechs Monate her. So alt ist das Baby, das in meinem Bauch heranwächst. Und da ich nur mehr ehrlich zu dir sein werde, werde ich auch nie mehr sagen, dass es unser Baby ist. Ich weiß nicht, wer sein Vater ist, obgleich ich alles dafür tun würde, dass dieses Kind deines ist.

Ich war damals noch so naiv zu glauben, dass Rene nach dieser Nacht seinen Willen haben und mich in Ruhe lassen würde. Doch ich hatte mich getäuscht. Der Alptraum war noch lange nicht zu Ende. Er hat mich weiterhin erpresst und mich gezwungen, ihm hohe Geldbeträge zu zahlen. Als er sich dann einige Zeit lang nicht mehr gemeldet hatte, hatte ich wirklich Hoffnung, dass es vorbei wäre, dass alles wieder so sein würde wie früher und ich mit dir zusammen wieder glücklich werden würde. Doch ich sollte mich wieder einmal täuschen. Der Brief, den ich eben gerade von Rene erhalten habe, hat mir bewusst gemacht, dass dieser Alptraum niemals ein Ende nehmen wird. Deshalb werde ich ihm ein Ende setzten. Es fällt mir nicht leicht, vor allem von dir Abschied zu nehmen, doch es gibt keinen anderen Weg. Wenn ich nicht auf Renes Forderungen eingehen werde, dann wird er mir das Leben zur Hölle machen, wenn er das nicht jetzt schon geschafft hat. Seine Bedingungen erfüllen kann ich allerdings noch weniger. Er hat von mir verlangt, noch einmal eine Nacht mit ihm zu verbringen. Diese Qual würde ich nie wieder noch einmal ertragen können.

Ralf, bitte glaub mir, ich habe das alles, alles nur für dich getan. Ich wollte dich nicht belügen, doch ich habe keinen anderen Ausweg gesehen. Und als ich dann damit angefangen hatte, wurde es immer schlimmer und das Lügennetz wurde immer dichter. Es tat jedes Mal so verdammt weh dich anlügen zu müssen, oder auch Biggi und die anderen, aber ich habe einfach keinen anderen Ausweg gesehen. Und das tu ich auch jetzt nicht. Wo es keinen Ausweg gibt, da kann man auch keinen finden, daher habe ich diesen Entschluss gefasst, dich heute für immer zu verlassen. Es fällt mir unheimlich schwer, denn ich liebe dich über alles Ralf. Ohne dich hätte ich die letzten Monate niemals durchgestanden und du warst der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich habe noch nie einen Mann so sehr geliebt wie dich. Auch wenn ich bald nicht mehr bei dir sein kann, denke immer daran, tief in deinem Herzen bin ich immer bei dir. Bitte trauere nicht zu sehr um mich, auch wenn es schwer fällt. Dort, wo ich dann bin, werde ich mit Sicherheit glücklicher sein, als hier. Es war meine Entscheidung, ich kann so einfach nicht weiterleben. Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen. Und Ralf, nichts von dem allen war deine Schuld, du kannst nichts dafür, mach dir bitte keine Vorwürfe. Das wäre das letzte, was ich mir wünschen würde.

Sag bitte auch den anderen, vor allem Biggi, wie Leid mir alles tut und dass sie die besten Freunde sind, die ich jemals hatte. Ich werde euch alle, besonders dich, schrecklich vermissen, doch denkt immer daran, wo auch immer ihr seid, was auch immer ihr tut, ich werde immer bei euch sein, tief in euren Herzen.

Nun ist es Zeit, endgültig Abschied zu nehmen. Bitte vergiss mich nicht ganz, Ralf.

In ewiger Liebe,

 Deine Gabriele

 

Nachdem Gabriele diese Zeilen geschrieben hatte, faltete sie den Zettel sorgsam zusammen und legte ihn auf den Küchentisch. Irgendwie tat es gut, endlich alles aufschreiben zu können, was sie das ganze letzte halbe Jahr bedrückt hatte. All das hatte sie nie jemandem erzählen dürfen, sie hatte es geschluckt, ewig geschluckt, bis es nun mal keinen Platz mehr gab. Und so war es heute. Es war kein Platz mehr in ihrem Herzen für eine weitere Nacht mit Rene. Daran würde sie umkommen. Da suchte sie sich schon selbst aus, wo und wie sie all dem ein Ende setzen würde. Und das wusste sie schon längst. Ganz langsam stand sie auf und ging auf das Schlafzimmer zu. So leise wie sie nur konnte drückte sie die Türklinke herunter und erblickte sogleich Ralf im Bett, wie er immer noch tief und fest schlief. Ganz vorsichtig setzte sie sich an den Bettrand und sah ihn an. Sie liebte ihn so sehr. Sie war dankbar für die Monate ihres Lebens, die sie mit ihm verbringen konnte und glücklich sein durfte. Ja, die hatte es tatsächlich auch gegeben. Ganz langsam vergoss sie bittere Tränen über seinem Anblick. Ganz, ganz sanft strich sie mit der zitternden Hand über sein Gesicht und flüsterte kaum hörbar: „Ich werde dich immer lieben, Ralf. Egal, wo ich bin. Ich liebe dich. Leb wohl, mein Schatz.“ Dann wollte sie gerade aufstehen, als sie es sich doch noch einmal anders überlegte und sich noch einmal zu ihm hinunterbeugte. Dann gab sie ihm einen ganz leichten, zärtlichen Kuss auf den Mund und verblieb eine Weile in dieser Stellung. Er wachte nicht auf. Ihr Glück. Ihr Schicksal. Schließlich stand sie endgültig auf und verließ mit einem allerletzten Blick zurück das Schlafzimmer. Sie schickte Ralf noch einen Kussmund zu und schloss dann ganz leise die Tür hinter sich. Im Flur zog sie sich eine Jacke über und machte ihr Haare zurecht. Dann zog sie ein Foto aus der Kommode, das zu ihren absoluten Lieblingsfotos zählte. Es bildete das gesamte Team vor dem Heli ab, mit ihr und Ralf Arm in Arm. Es war während der wenigen Tage entstanden, in denen sie einfach nur glücklich sein durfte. Mit Ralf, mit ihren Freunden, mit ihrer Arbeit. Doch nun durfte sie in diesem Leben nicht mehr glücklich sein. Also musste sie es in einem anderen werden. Sie steckte das Foto in ihre Jackentasche, nahm den Autoschlüssel von der Kommode, trat noch einmal kurz ins Badezimmer, um sich die Tablettenpackung zu holen und verließ schließlich die Wohnung.

Währenddessen saßen Biggi, Thomas und Michael immer noch nachdenklich in der Küche und dachten an Gabi, Wie konnte man ihr nur helfen? Was konnte man tun? Irgendetwas musste geschehen, das war klar. Irgendwann, nach einiger Zeit, wurden sie durch das laute Schrillen des Telefons aus den Gedanken gerissen. Michael stöhnte genervt auf. „Ne, bitte nicht jetzt, wir haben andere Probleme!“, beschwerte er sich lautstark. Doch das Klingeln wollte und wollte nicht aufhören. „Das gibt’s ja nicht.“, meinte Michael und stand schließlich doch auf. Thomas und Biggi, die immer noch Arm in Arm aneinandergekuschelt waren, konnten Sekunden später nur einen fürchterlichen Aufschrei hören. „Was??? Da ist ein Scherz, oder???“ Sie erschraken total. So panisch und entsetzt hatten sie Michaels Stimme noch nie zuvor gehört. Seine nächsten Worte jedoch gaben ihnen den Rest. „Ralf, ganz ruhig. Wir müssen jetzt klare Gedanken fassen.“ … „Ja, ja, ich weiß. Versuch jetzt mal, tief durchzuatmen und denk nach …“ … „Ralf, hör mir zu!! Wir können nur etwas tun, wenn wir wissen, ob wir irgendwelche Anhaltspunkte haben. Hat sie irgendetwas geschrieben, wo sie hin will, was sie vorhat?“ … „Wie? Also nein? Gibt es sonst irgendwelche Anzeichen? Ralf, hör zu, wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren!! Sonst haben wir Gabi verloren!“ … „Ok, wir fahren sofort los.“ Michael knallte den Hörer auf. „Was ist passiert?“, fragte Biggi ihn sofort ängstlich. Sie rechnete mit dem Schlimmsten. „Gabriele ist verschwunden, sie hat Ralf einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem sie ihren Selbstmord angekündigt hat.“, erzählte Michael ihr. Er konnte es immer noch nicht glauben. „Oh Gott…“, stammelte Biggi nur noch und klammerte sich an Thomas, der sie fest in den Arm nahm. „Ralf kommt zur Basis, mit dem Heli haben wir noch immer die besten Chancen, sie zu finden.“, erklärte Michael den beiden dann ganz schnell. Sie nickten nur und rannten ihm dann auch schon hinterher zu seinem Jeep. Thomas und Biggi waren kaum eingestiegen, als Michael auch schon mit quietschenden Reifen vom Hof fuhr. „Oh Gott, warum nur?“, fragte Biggi verzweifelt. Sie hatte Tränen in den Augen und wusste absolut nicht, was sie tun sollte. Gerade hatte sie Michael und Thomas von Gabis Problem mit den Tabletten erzählt, gerade hatten sie darüber nachgedacht, wie sie ihr helfen konnten, doch nun hatten sich die Ereignisse plötzlich überschlagen. Sie betete, dass sie Gabriele rechtzeitig finden würden und sie machte sich schreckliche Vorwürfe. Wenn sie doch härter gewesen wäre und weiter nachgefragt hätte. Sie hatte doch schon lange bemerkt, dass mit ihrer besten Freundin etwas nicht stimmte. Aber nein, sie hatte sich immer abschütteln und mit Ausreden zufrieden stellen lassen. Wie naiv war sie eigentlich gewesen? Sie machte sich schreckliche Vorwürfe und weder Thomas noch sonst irgendwer konnte sie in diesem Moment trösten.

Nach 5 Minuten, die ihnen vorkamen wie eine Ewigkeit, hatten sie mit quietschenden Reifen den Parkplatz der Basis erreicht. Es war noch niemand hier so früh am Morgen, doch wenige Augenblicke später fuhr ein Taxi auf den Parkplatz und Ralf stieg aus. Er war so fertig, dass er es unter keinen Umständen geschafft hätte, selbst Auto zu fahren. Tränen rannen über seine Wangen und verkrampft hielt er den Abschiedsbrief, den seine Gabriele ihm geschrieben hatte, in den Händen. Michael, Thomas und Biggi kamen sofort auf ihn zu. Ralf ließ sich verzweifelt von Michael in den Arm nehmen. „Ist das der Brief?“, fragte Biggi dann, als sie den Zettel in Ralfs Hand sah. Er nickte schwach und reichte ihn ihr schließlich. Biggi faltete ihn langsam auseinander und begann zu lesen. Je weiter sie las, je mehr sie erfuhr, von dem, was wirklich mit Gabriele passiert war, desto verzweifelter wurde sie. Tränen stiegen ihr in die Augen. Gabi tat ihr so Leid, was hatte Rene ihr nur angetan, dieses Schwein. Biggi konnte es nicht fassen und sie hatte nichts bemerkt, sie alle hatten nichts bemerkt. Wie verzweifelt musste ihre Freundin gewesen sein?

Sie durften jetzt jedoch keine Zeit verlieren und so liefen sie zum Helicopter, der Gott sei Dank vom Vorabend noch draußen vor dem Hangar auf der Landeplattform stand. Biggi wollte gerade auf den Pilotensitz klettern, als Thomas sie sanft am Arm zurück hielt. „Lass mich fliegen.“, meinte er und sah sie besorgt an. Biggi war total fertig. Sie nickte dankbar und stieg dann auf den Copilotensitz. Michael, Peter und Ralf stiegen hinten ein. Michael hatte Mühe den aufgebrachten Ralf ein wenig zu beruhigen, obgleich es ihm es selbst auch nicht besser ging. Sie machten sich alle schreckliche Sorgen um Gabi. Würde es ihnen gelingen, ihre Kollegin rechtzeitig zu finden? Sie wussten, dass ihnen die Zeit davonlief und ihnen war klar, dass sie ohne einen Anhaltspunkt, was sie vorhatte, kaum eine Chance hatten, sie zu finden. Thomas startete den Heli, hatte aber nicht die geringste Ahnung, in welche Richtung er abheben sollte. „Jetzt sagt schon was … wohin? Wir müssen doch irgendwie einen Anhaltspunkt finden!“ Die anderen dachten verzweifelt nach. Doch selbst wenn nicht dieser ungeheuere Druck über ihren Köpfen gelastet hätte, sie hätten nichts gefunden. Wie auch? Niemand wusste, was Gabi vorhatte. Niemand hatte auch nur die geringste Ahnung. „Na gut. Dann fliege ich jetzt zu eurer Wohnung, Ralf. Von dort aus überlegen wir uns dann, in welche Richtung sie gefahren sein kann, ok?“ Die anderen nickten nur. Irgendwo mussten sie ja mit der Suche beginnen, und das mit der Wohnung schien noch die beste Idee zu sein. Während des Fluges wurde kein einziges Wort gewechselt. Keiner wusste, was er sagen sollte, und es hatte auch niemand die Kraft dazu. Michael hielt Ralf hinten im Heli die ganze Zeit im Arm und versuchte, ihn zu beruhigen. Ralf zitterte am ganzen Körper und wurde immer wieder von Heulkrämpfen geplagt. Biggi ging es nicht viel besser. Aber sie versuchte sich zusammenzureißen. „So, jetzt sind wir gleich da.“, meinte Thomas schließlich kurz vor der Straße, in der Ralf und Gabi wohnten. Aber was nun? Plötzlich ertönte aus dem Mikro eine Nachricht von der Rettungsleitstelle, die bereits vom Suchflug benachrichtigt worden war. „Rettungsleitstelle an Medicopter 117. In Bad Reichenhall hat ein Passant beobachtet, wie eine Frau über das Geländer einer Brücke geklettert ist. Vielleicht kann euch das weiterhelfen?“ Das gesamte Team horchte auf. Das Herz schlug ihnen bis zum Hals. „Medicopter 117 an Rettungsleitstelle. Haben verstanden, danke. Um welche Brücke handelt es sich?“ „Die Brücke heißt Steinwegbrücke und befindet sich in einer Schlucht an einem Wanderweg. Genauere Informationen sind leider nicht bekannt.“ „Ich kenne die Brücke!“, rief Thomas den anderen zu, die vor Aufregung kaum mehr atmen konnten. „Danke, Rettungsleitstelle. Over and out.“ Zu den anderen meinte er dann: „Wir könnten es in zwei Minuten schaffen, die Brücke ist nicht weit von hier!“ “Na dann los, Thomas.”, sagte Michael darauf, doch das hätte er Thomas nicht extra zu sagen brauchen. Mit der Geschwindigkeit des Helis machte Thomas jedem Hurrikan Konkurrenz. Mit riskanten Manövern ließ er seine Mühle durch üppiges und scharfes Gestein flitzen. Sie kamen Gabi immer näher. Doch würden sie rechtzeitig bei ihr sein? Würden sie ihr noch helfen können? Diese schrecklichen Fragen hämmerten immer wieder auf sie alle ein. Nach eineinhalb Minuten, die dem Team wie eineinhalb Stunden vorkamen, hatten sie schließlich die Brücke erreicht., Ralf konnte die Frau, sie am Geländer stand und jeden Moment herunter zu springen drohte, sofort erkennen. Es war keine geringere als Gabriele, seine Gabriele. Um sie herum hatte sich bereits eine Traube von Menschen gebildet und auch die Polizei war bereits eingetroffen. Keiner wagte es sich jedoch näher als 20 Meter an die Notärztin, die nur wenige Millimeter von dem Abgrund trennten, heranzutreten.

Genau in diesem Moment bemerkte auch Gabi den Helicopter. „Nein, geht weg, bitte, ihr könnt mir nicht helfen, dieses mal nicht.“, flüsterte sie unter Tränen. Sie war vollkommen verzweifelt und meinte es wirklich ernst. Sie würde springen und niemand würde sie davon abhalten. Ihre Hände zitterten und durch die ganzen Tränen in ihren Augen, konnte sie kaum noch etwas erkennen. Die BK 117 jedoch, die immer näher kam und schließlich fast über ihr in der Luft stand, hörte sie ganz genau.

Thomas hatte den Außenlautsprecher eingeschaltet, sodass Gabriele hören konnte, was die anderen über Funk sagten. „Gabi, hier ist Ralf. Bitte, tu das nicht. Als ich deinen Brief gelesen habe, wusste ich wirklich nicht mehr, was ich tun sollte. Es tut mir alles so schrecklich Leid, dass ich nicht schon vorher bemerkt habe, was los war und wie verzweifelt du warst. Gabriele, egal, was passiert, ich liebe dich und daran wird sich nichts ändern, auch die Sache mit Rene nicht. Ich weiß, dass du nichts dafür konntest und vor allem, dass du das alles nur für uns und unsere Liebe getan hast….“ Ralf war vollkommen am Ende und brach nun endgültig in Tränen aus. Dort unten, nur wenige Meter von ihm entfernt stand seine Gabriele, seine Gabriele, die ihr gemeinsames Kind im Bauch trug, und wollte sich das Leben nehmen. Zwar wusste Ralf nicht, ob es überhaupt ihr gemeinsames Kind war, doch für ihn stand fest, dass das an seiner Liebe zu Gabi niemals etwas ändern würde.

Nun ergriff Biggi das Wort. Nachdem sie sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte, sprach sie leise, aber deutlich in ihr Helmmikro. „Gabi, bitte, tu das nicht. Du hast doch gehört, was Ralf gesagt hat, es wird alles wieder gut. Wir sind doch ein Team, gemeinsam schaffen wir das schon, du wirst sehen. Wirf dein Leben nicht einfach weg und denk an dein Kind. Bis jetzt haben wir doch immer alles wieder hinbekommen. Weißt du noch die Sache mit Ebelsieder? Oder als Ralf sein Gedächtnis verloren hat? Oder erinnerst du dich noch an Sylvester, als wir in der alten Fabrikhalle verschüttet waren? Gabi, bitte, du darfst nicht einfach aufgeben. Zusammen bekommen wir das alles wieder hin, das verspreche ich dir.“ Wieder und wieder wischte Biggi sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie war ebenso wie Ralf vollkommen verzweifelt. Auch Thomas und Michael ging es nicht besser. Ralfs und Biggis Worte schienen auf Gabi nicht die geringste Wirkung zu tun, zumindest machte sie keine Anstallten auch nur einen Millimeter von dem Abgrund, der sich vor ihr breit machte, zurückzutreten. Eher im Gegenteil, sie wollte es jetzt zu Ende bringen, noch immer war sie fest entschlossen und niemand würde sie davon abhalten können. Auch wenn Ralf ihr hundert Mal sagen würde, dass er sie verstehen würde und ihr verzeihen würde. Das waren doch alles nur leere Versprechen, damit sie nicht springen würde. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er ihr all das verzeihen konnte, was sie ihm angetan hatte. Wie oft hatte sie ihn angelogen? Viel zu oft, als dass sie es jemals wieder gut machen konnte.

„Lass mich runter.“, meinte Ralf dann entschlossen. Die anderen zweifelten, ob das eine gute Idee wäre, wenn Ralf sich zu Gabi ablassen würde. Was, wenn sie dann springen würde? „Bitte, lasst es mich versuchen, ich muss mit ihr reden.“, bat Ralf noch einmal unter Tränen. Die anderen stimmten schließlich zu. Einen Versuch war es wert. „Ok, Michael, lass ihn ab.“, wies Thomas seinen Kollegen an, als Ralf bereits am Seil hing. Michael ließ den Sanitäter langsam ab. Gabriele sah Ralf auf sich zu kommen, er war nur noch wenige Meter von ihr entfernt. „Nein Ralf, geh weg, bitte, du kannst mir nicht helfen, niemand kann mir helfen.“, schriee sie an. Doch Ralf wollte nicht so einfach aufgeben. Er war nun auf gleicher Höhe mit ihr und hing etwa zwei Meter von ihr entfernt über der Schlucht. „Gabi, hör mir zu. Ich liebe dich und ich weiß genau, dass alles Renes Schuld war. Du kannst doch nichts dafür. Bitte, gib uns noch eine Chance und spring nicht.“ Gabi sah in Ralfs Augen, in denen sich nur eins spiegelte: Verzweiflung. Tränen rannen im über die Wangen und Gabi sah, dass diese Tränen echt waren. Meinte er es wirklich ernst? Er würde ihr verzeihen? Es würde alles wieder gut werden? Sie konnte es noch immer nicht wirklich glauben.

Die anderen beobachteten die Szene oben aus dem Helicopter. „Hoffentlich hört sie auf ihn.“, flüsterte Biggi. Sie hatte schreckliche Angst, dass Gabi wirklich springen würde. Wie verzweifelt musste sie sein, dass es überhaupt soweit gekommen war?

Gabi rang mit sich. Sollte sie wirklich springen. Noch vor wenigen Augenblicken war sie sich absolut sicher gewesen, doch nun, als sie Ralf vor sich sah, der sie mit Tränen in den Augen anflehte es nicht zu tun, zweifelte sie plötzlich. Gab es wirklich noch eine Chance dass alles wieder gut und sie mit Ralf zusammen wieder glücklich werden würde? „Gabi, bitte, mach keinen Unsinn. Steig wieder üb er das Geländer.“, flehte Ralf sie erneut an. Gabriele erkante die Angst in seinen Augen. Ganz langsam trat sie einen Schritt zurück, bis sie direkt am Geländer stand. Thomas, Biggi und Michael, die von oben alles beobachteten, atmeten auf. „Ich glaube, Ralf hat es geschafft.“, meinte Biggi erleichtert, die jede Bewegung von Gabi haargenau mitverfolgt hatte. „Hoffentlich“, meinte Michael. Auch er sah besorgt nach unten. Gabriele wollte sich gerade umdrehen und mit der Hand am Geländer festhalten, als sie plötzlich ausrutschte und den Halt verlor. Ralf hatte nicht einmal mehr Zeit um zu schreien, es ging alles viel zu schnell. Gabi hatte keine Chance, sie stürzte und konnte sich nur noch mit einer Hand an einigen Sträuchern am Rand der Schult festklammern. Würde sie loslassen, würde sie in die Schlucht stürzen. Es war tief, sehr tief, wer dort herunter fallen würde, würde mit Sicherheit nicht überleben. Das war es doch, was sie bis vor wenigen Sekunden noch wollte, sterben. Aber nun, gerade hatte Ralf sie vom Gegenteil überzeugen können, ihr versichert, dass alles wieder gut werden würde. Sie klammerte sich fest, so sehr sie konnte, doch langsam verließen sie ihre Kräfte.

Die anderen waren unterdessen wie gelähmt vor Schreck. Doch Ralf fasste sich schließlich wieder, es ging hier um Gabis Leben. „Thomas, bring mich zu ihr!“, schrie er in sein Helmmikro. Der Pilot reagierte sofort und schwenkte den Heli, sodass Ralf in Gabis Richtung pendelte. Da der Wind jedoch relativ strak zwar, konnte Thomas den Heli nicht so ruhig halten, dass Ralf Gabi erreichte. „Ich muss dich hinpendeln.“, erkläre er dem Sanitäter. Dieser war total fertig und wusste nicht mehr was er tun sollte. Er musste die Nerven behalten, das wusste er, doch es gab im Moment weitaus einfachere Dinge als das. Seine Gabi hin dort zwischen Leben und Tod und konnte jeden Moment abstürzen. Als er sie fast erreicht hatte und wieder zu ihr pendelte, schrie er: „Gabi, gib mir seine Hand!“ Sie zögerte ein wenig, streckte dann jedoch leicht den Arm raus. Wenige Sekunden später hatte Ralf sie erreicht und umklammerte ihr Handgelenk. Durch den Schwung, mit dem er wieder zurückgerissen wurde, konnte Gabi sich endgültig nicht mehr halten und rutschte ein Stück nach unten. Doch kurz bevor sie ganz in die Schlucht stürzte, wurde sie von Ralf gehalten. Er umklammerte ihre Hand so fest er konnte, doch lange würde er sie so nicht halten können, das war klar. Thomas zog die beiden sofort ein wenig hoch und brachte sie dann weg von dem Abgrund über sicheren Boden. Im Helicopter hatten alle die Luft angehalten, doch nun konnten sie erleichtert aufatmen.

Der Schreck stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Nicht mal hundert dramatische Einsätze zusammen hätten an das heranreichen können, was ihnen jetzt gerade den Atem geraubt hatte. Thomas setzte Ralf und Gabi vorsichtig im Gras ab, er spürte, wie seine Hände immer noch vor Aufregung zitterten.

Als sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten, blickte Ralf Gabi in die Augen, worauf sie beide in Tränen ausbrachen und sich in die Arme fielen. Ralf drückte sie so fest er nur konnte an sich. Beinahe hätte er sie verloren. Um Haaresbreite. Er konnte das alles, was gerade passiert war, immer noch nicht fassen - den anderen ging es genauso. Sie hatten sich während des Fluges bereits dem Gedanken angenähert, dass Gabi wohl schon längst gesprungen sei - aber das Schicksal wollte es anders. Gabi weinte an Ralfs Schulter und klammerte sich an ihn. Sie war vollkommen aufgelöst, und Ralf ließ sich vorsichtig mit ihr zu Boden sinken. Dort streichelte und beruhigte er sie weiter und hielt sie einfach nur fest. "Es wird alles gut, mein Liebes.", flüsterte er, während ihm eine Träne nach der anderen übers Gesicht floss. "Gemeinsam schaffen wir das. Wir werden es diesem Schwein zeigen, wir lassen ihn nicht so einfach davonkommen. Und das Kind ..." Er schluckte. "Das Kind wird mein Kind sein, Gefühle sind es doch, die zählen - und nichts anderes. Kein Kind wird mehr von seinem Vater geliebt werden als dieses hier, glaub mir." Gabi blickte auf, ihre Augen sowie ihre Wangen waren total gerötet, sie sah ihm in die Augen und meinte: "Ach Ralf ... meinst du das alles wirklich ernst?" "Na klar.", antwortete Ralf ihr. "Ich liebe dich so unglaublich, daran wird sich nie etwas ändern. Du hast unsere Liebe wohl nicht für so stark gehalten, als du diesen Blödsinn da beschlossen hast.", sagte er dann. "Es wäre ein Fehler gewesen, oder?", fragte Gabi ihn. Darauf sagte er nichts, er nahm sie nur ganz fest in die Arme und küsste sie auf die Stirn. "Ich liebe dich, Ralf.", flüsterte Gabi dann, während sie sich an seine Brust schmiegte. Daraufhin hielten sie sich nur noch fester. Mehrere Minuten saßen sie so da, während sich die anderen vorsichtig im Hintergrund hielten. Gabi und Ralf sollten erstmal allein miteinander sein. Bis Gabi schließlich fragte: "Wo sind denn die anderen?" Ralf lächelte. "Die stehen alle dort hinten am Heli und warten. Soll ich sie rufen?" Gabi nickte. Und so rief Ralf Biggi, Thomas, Michael und Peter, dass sie herkommen sollten. Biggi, die sich in der Zwischenzeit an Thomas gekuschelt hatte, um sich ein wenig zu beruhigen, rannte als erste auf sie zu. "Biggi!", sagte Gabi leise, und lächelte sogar schon wieder. Dann schlossen sich die Freundinnen in die Arme. "Biggi ... es tut mir alles so Leid ... dass ich dich so belogen habe.", entschuldigte Gabi sich leise, und man konnte spüren, wie sehr sie all das bereute. "Das muss dir nicht Leid tun ... ich verstehe es doch. Jetzt wird alles wieder gut, glaub mir.", meinte Biggi nur darauf und drückte sie noch mal ganz doll. Dann kamen schließlich auch Michael, Thomas und Peter und drückten Gabi an sich. "Du kannst dir gar nicht vorstellen, was du uns für einen Schrecken eingejagt hast. Mach das bloß nie wieder.", ermahnte Michael sie. "Bestimmt nicht. Nicht wahr, Schatz?", richtete Ralf seine Frage an Gabi. Diese schüttelte nur den Kopf. "Was sollten wir denn auch ohne dich machen? Wir sind ein Team. Und das bleiben wir auch. Gemeinsam schaffen wir alles und das kann sich jeder hier für die Zukunft merken.", sagte Thomas schließlich an alle gerichtet und sie konnten ihm nur Recht geben. Sie konnten stolz darauf sein, Teil eines so dicken, unzerstörbaren Freundschaftsstricks zu sein.

Schließlich gingen sie alle zurück zum Helicopter und flogen zur Basis zurück. Ebelsieder, der bereits von dem Einsatz erfahren hatte, hatte anordnen lassen, dass die Basis heute geschlossen blieb. Sie mussten schließlich alle erstmal verdauen, was heute geschehen war.

Als sie auf der Basis angekommen waren, wurden sie schon von Max erwartete, der Gabi auch erstmal in die Arme schloss. „Was machst du nur für Sachen?“, fragte er sie kopfschüttelnd. Er hatte ebenso wie die anderen schreckliche Angst um die Notärztin gehabt. Sie setzten sich alle zusammen in den Aufenthaltsraum und Michael kochte ihnen erst einmal einen starken Kaffee. Den brauchten sie jetzt wirklich. Gabi hatte sich mit Ralf zusammen aufs Sofa gesetzt und sich in seine Arme gekuschelt, sie war so froh, dass dieser Alptraum nun endlich vorbei war und sie ihre Freunde und Ralf nicht mehr belügen musste. Die letzten Monate waren für sie einfach nur Horror gewesen. Doch nun glaubte sie Ralfs Versprechen, dass alles wieder gut werden würde. Sie hoffte so sehr, dass er Recht hatte. Nachdem sie alle ihre Tasse Kaffee in der Hand hielten, begann Gabi schließlich langsam zu erzählen. Sie erzählte ihnen alles, einfach alles. Von Christines Tod an bis zum heutigen Morgen. Es tat unheimlich gut, darüber zu reden und sie wusste, dass sie dies schon viel früher hätte tun sollen.

Die anderen waren sichtlich geschockt, als sie die ganze Geschichte mit allen Details erfuhren. Rene war wirklich so ein mieses Schwein, sie konnten es immer noch nicht fassen, was er Gabi angetan hatte. Das Schlimmste jedoch war, dass er nicht mal eine gerechte Strafe für all das bekommen würde. Dem Team war bewusst, dass, sollten sie ihn anzeigen, er Gabriele anzeigen würde und sie ihren Job verlieren würde und möglicherweise sogar noch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden würde. Das würde niemandem weiterhelfen. Ralfs Wut auf Rene war jedoch unbeschreiblich. Würde er ihn noch einmal wieder sehen, würde er ihn wahrscheinlich halb tot prügeln. Sie alle mussten die Ereignisse erst einmal verarbeiten, vor allem Ralf und Gabi. Doch Gabriele war im Moment vor allem froh, dass sie dieses Geheimnis endlich allen erzählt hatte und sie wusste, dass sie nicht alleine war und ihre Freunde immer für sie da waren. Das gab ihr wieder Kraft. Doch die größte Kraft gab ihr Ralf, der sie die ganze Zeit im Arm hielt und ihr immer wieder versicherte, dass alles wieder gut werden würde.

So verging der Nachmittag und gegen Abend beschlossen Ralf und Gabi schließlich nachhause zu fahren. Michael hatte sich bereit erklärt, am nächsten Tag Gabis Schicht zu übernehmen, sodass sie sich noch ein wenig erholen konnte. Zum Abschied umarmte Biggi ihre Freundin noch einmal. „Versprich mir, dass du so einen Blödsinn nie wieder tust.“, forderte sie noch einmal von Gabi. Diese nickte. „Ich verspreche es dir. Biggi, es tut mir so Leid, ich wusste einfach keinen Ausweg mehr.“ „Hey, schon gut.“, beruhigte Biggi sie und drückte sie noch einmal fest an sich. Sie hatte so schreckliche Angst um ihre beste Freundin gehabt.

Dann verabschiedeten Ralf und Gabi sich endgültig und auch der Rest des Teams machte sich auf den Heimweg. „Das war vielleicht ein Tag.“, meinte Michael zu Thomas und Biggi, als sie im Auto saßen. Da konnten die beiden ihm nur zustimmen. „Wenigstens ist der ganze Alptraum endlich vorbei.“, meinte Biggi erleichtert, auch wenn sie das, was sie heute alles erfahren hatte, am liebsten ungeschehen machen würde. „Zum Glück hat Gabi Ralf, er wird sich um sie kümmern.“, fügte Thomas hinzu. Ja, das würde er mit Sicherheit tun, er hatte sich so schreckliche Sorgen um seine Gabi gemacht und war unendlich froh, dass alles noch einmal so glimpflich ausgegangen war.

Ralf und Gabi waren inzwischen zuhause angekommen. Ralf öffnete Gabi die Autotür und legte ihr liebevoll den Arm um die Schulter, bevor sie zusammen hochgingen. Nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte, schob er Gabi sanft ins Wohnzimmer und setzte sie aufs Sofa. "So, und jetzt hast du dir erstmal nen ganz heißen Tee verdient." Gabi nickte nur dankbar, blickte sich im Wohnzimmer um und meinte dann leise: "Mann, und ich dachte, ich sehe das

alles nie wieder ..." Ralf wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, und setzte sich schließlich zu ihr aufs Sofa. Dann nahm er sie ganz fest in den Arm. "Es ist vorbei, Gabi. Es ist alles vorbei. Rene wird dir nie wieder was tun. Ab jetzt regelt alles die Polizei, und die Sache mit dem Medikament schaffen wir auch noch. In so eine Lage wie heute wirst du nie wieder kommen, hörst du?" Gabi schluckte ein paar Tränen. "Und wenn doch?", flüsterte sie. "Dann kommst du gefälligst zu mir und erzählst mir alles. Glaub mir, dann ist alles viel leichter. Wir werden uns ab jetzt jedes kleine Problem erzählen, ok?" "Okay.", sagte sie leise und nickte. "Fangen wir doch gleich mal an. Heute war der schlimmste Tag meines Lebens.", sagte Ralf. "Meiner auch.", flüsterte sie. "Aber jetzt ist er doch wieder richtig schön, meinst du nicht?" "Doch ..." "Eben weil wir ihn gemeinsam bewältigt haben. Und das lass uns ab jetzt immer tun." "Du hast Recht.", stimmte sie ihm zu. "Ralf?" "Ja?" "Ich liebe dich." "Ich dich doch auch." Und wieder umarmten sie sich, bevor sie in einen innigen Kuss verfielen.

Anschließend begab sich Ralf in die Küche und bereitete mit viel Mühe einen leckeren Früchtetee. Als er ihn in die Tasse leerte, legte er noch ein paar herzförmige Kekschen dazu und servierte ihn Gabi. "So, der wird dir gut tun.", meinte er lächelnd. Gabi nahm ihn dankbar und trank gleich ein paar Schlucke. "Was würde ich nur ohne dich machen?", fragte sie ihn dann. "Frag lieber, was ich ohne dich machen würde. Ich kann's mir echt nicht ausmalen, dabei war ich so nah dran ...", sagte er mit einer traurigen Stimme. "Ich weiß.", flüsterte Gabi. "Und es tut mir Leid." "Hey, ist ja schon gut. Ab jetzt wird uns nichts mehr trennen, das schafft niemand." Sie nickte zustimmend. Nach einer Weile meinte sie dann: "Ich bin so müde ... meinst du, wir können gleich ins Bett gehen?" "Aber natürlich. Ich bin auch fertig.", sagte Ralf erschöpft und so zog er Gabi sanft nach oben und führte sie an der Hand ins Schlafzimmer. Neben der Badezimmertür jedoch ließ sie seine Hand los und trat ins Bad. Dort nahm sie ihre Tabletten aus dem Kosmetiktäschchen und warf sie, nachdem sie die Packung in mehrere Teile gerissen hatte, in den Mülleimer. Ralf lächelte und nahm sie in den Arm. "Ich bin so stolz auf dich." "Ach Quatsch. Ich schäme mich dafür, dass ich das Zeug jemals genommen hab." "Du brauchst dich für nichts zu schämen. Schämen sollte sich jemand anderer. Aber komm, lass uns nicht daran denken. Wir machen uns jetzt eine schöne Nacht.", meinte er und so gingen sie zusammen ins Schlafzimmer, wo sie sich nur das Nötigste auszogen und dann müde in die Betten sanken. Ralf legte gleich den Arm um Gabi, und sie kuschelte sich dankbar an ihn. Gerade konnten sie noch sagen, wie sehr und ewig sie sich liebten, bevor sie mit einem wohligen Seufzen ins Land der Träume fielen...

Biggi und Thomas ging es nicht anders. Während Ralf und Gabi noch am Einschlafen waren, schliefen sie bereits tief und fest in ihrem Bett. Biggi hatte sich an Thomas' Brust geschmiegt und man konnte ein leichtes Lächeln in ihrem Gesicht erkennen. Zuvor waren sie noch ein wenig mit Michael im Wohnzimmer gesessen und hatten auf den Tag ein Glas Wein getrunken. Nun allerdings lagen sie alle erschöpft in ihren Betten.

Als Ralf am nächsten Morgen aufwachte, spürte er immer noch Gabi in seinen Armen, wie sie tief und fest schlief. Er lächelte und löste seine Umarmung ganz vorsichtig. Dann schlich er auf Zehenspitzen aus dem Schlafzimmer in die Küche. Dort bereitete er ein leckeres Frühstück vor. Überall auf dem Tablett, das mit zwei Tassen Kaffee, knusprigen Brötchen und Marmelade gefüllt war, lagen Herzkekschen verstreut. In die Mitte zwischen die beiden Kaffeetassen stellte er ein kleines, rotes Schild, auf dem in Großbuchstaben "Ich liebe dich" stand. So schlich er wieder zurück ins Schlafzimmer und stellte das Tablett auf Gabis Nachtkästchen. Sie rührte sich immer noch nicht. So legte Ralf sich wieder neben sie ins Bett und beobachtete sie eine Weile lächelnd. Wie froh er doch war, sie wiederzuhaben. Am liebsten würde er sie die ganze Zeit küssen und umarmen. So sehr hatte er sich am vergangenen Tag an den Gedanken gewöhnen müssen, sie nie wieder zu sehen, sie nie wieder küssen oder berühren zu können. Und dieser Schock stand noch immer in seinen Knochen. Doch ebenso bereitete er ihm ein unbeschreibliches Glücksgefühl bei ihrem Anblick. Nach einer halben Stunde etwa erkannte er eine Regung in Gabis Gesicht, kurz darauf schlug sie die Augen auf. "Guten Morgen, mein Schatz.", sagte er leise und lächelte sie lieb an. Dann gab er ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund, worauf sie sogleich wacher wurde und ihn immer leidenschaftlicher erwiderte. Schließlich ließen sie langsam voneinander ab und sie meinte glücklich: "Guten Morgen." Dann erblickte sie das Tablett auf dem Nachttisch. „Oh Ralf…“, sie war total gerührt und wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Und immer unbegreiflicher wurde es ihr, dass sie diesen Mann gestern beinahe verlassen wollte, für immer. Glücklich lächelte sie ihn an und zog ihn dann wieder zu sich herunter, um ihn zu küssen. In diesem Moment war sie überglücklich und hätte am liebsten die Zeit einfach angehalten.

Doch die Uhr hatte kein Erbarmen mit ihnen. Zwar blieb ihnen noch eine halbe Stunde, die sie für ein ausgiebiges Frühstück im Bett nutzten, doch dann musste Ralf wirklich los zur Basis. Gabi war froh, dass Michael ihre Schicht übernahm, so konnte sie sich noch ein wenig ausruhen und in Ruhe über alles nachdenken. Ralf verabschiedete sich noch mit einem langen Kuss von ihr, den Gabi glücklich erwiderte. Sie war so erleichtert, dass Ralf ihr verziehen hatte und sie ihn endlich nicht mehr belügen musste. So glücklich wie an diesem Morgen war sie lange nicht mehr gewesen.

So vergingen die nächsten zwei Wochen. Gabi und Ralf genossen jede freie Minute miteinander und waren überglücklich. Gabriele hatte es fast geschafft von den Tabletten loszukommen, was sie nur durch Ralfs Hilfe und die ihrer Freunde geschafft hatte. Und sie hatte einen eisernen Willen, sie wollte einfach nur, dass alles so wurde wie früher. Das hatte sie auch beinahe geschafft und sie war sich sicher, dass sie es auch noch bis zum Ziel schaffen würde.

An diesem Morgen hatte das B Team die Frühschicht. Thomas war bereits mit Biggi zur Basis gekommen und die beiden hatten sich nach draußen an den Fluss verzogen. Gabi und Ralf hatten es sich währenddessen auf dem Sofa im Aufenthaltsraum gemütlich gemacht und genossen die Ruhe. Noch hatte es keinen Einsatz gegeben und die vier hatten die Zeit genutzt, um zunächst ausgiebig gemeinsam zu frühstücken.

Biggi lag in Thomas’ Armen und er strich ihr leicht um den Bauch. Man konnte, wenn man genauer hinsah, schon deutlich erkennen, dass sie schwanger war. Immerhin war Biggi nun auch schon im fünften Monat. Sie freuten sich beide schon wahnsinnig auf ihr gemeinsames Baby, die Krönung ihrer Liebe. „Ich freu mich schon so sehr darauf, wenn wir endlich zu dritt sind.“, meinte Biggi und lächelte Thomas verliebt an. Er tat es ihr nach und neigte sich dann über sie, um sie zu küssen. Biggi erwiderte es glücklich. Sie schwebte auf Wolke sieben. Jetzt, wo sie sich um Gabriele keine Sorgen mehr zu machen brauchte, konnte sie ihr Glück mit Thomas beinahe noch mehr genießen als zuvor.

Gabi und Ralf hingegen unterhielten sich darüber, wann Gabriele aufhören würde zu arbeiten. Der errechnete Geburtstermin war in ziemlich genau zwei Monaten. Und länger als zwei Wochen würde sie auf keinen Fall mehr arbeiten können, sie wollte ihr Baby natürlich auf keinen Fall gefährden. Sie betete die ganze Zeit schon, dass das Baby durch die Tabletten wirklich keinen Schaden genommen hatte. Zwar hatten die Untersuchungen beim Frauenarzt nichts auffälliges ergeben, doch trotzdem machte sie sich noch ab und an Vorwürfe deshalb.
Ralf wäre es am liebsten gewesen, wenn Gabi sofort aufgehört hätte zu arbeiten, am liebsten schon vor einigen Wochen, doch schließlich konnten sie sich auf die Mitte einigen und Gabriele beschloss, noch eine Woche zu arbeiten., mit Ebelsieder hatte sie bereits abgesprochen, dass sie in diesem Monat in den Mutterschutz gehen würde, nun wollte sie ihm den genauen Termin mitteilen. Sie wollte gerade aufstehen und in das Büro das Stützpunktleiters gehen, als der Alarm ertönte: „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, schwerer Verkehrsunfall auf der A 23 in der Nähe von Rosenheim, genaue GPS Koordinaten folgen per Funk.“ Gabi änderte sie Richtung und lief mit Ralf zusammen zum Helicopter. Auch Thomas und Biggi waren durch den Notruf aufgeschreckt worden. Biggi drückte ihrem Liebsten noch einen letzten Kuss auf den Mund, stand auf und wollte dann gerade losrennen, als Thomas sie jedoch noch einmal sanft am Ärmel festhielt. „Pass auf dich auf, ja?“, meinte er und sah ihr dabei in die Augen. Biggi nickte. „Keine Angst, mache ich doch immer, Schatz.“, beruhigte sie ihn und beugte sich dann noch einmal zu ihm runter und drückte ihm noch einen kleinen Kuss auf den Mund, dann musste sie sich jedoch endgültig zum Heli begeben, wo Ralf und Gabi schon warteten. Thomas sah ihr noch hinterher, er wusste nicht, warum, aber irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl. Als der Helicopter jedoch nur noch als ein winziger Punkt am Horizont zu sehen war, begab er sich schließlich in den Aufenthaltsraum und nahm sich noch eine Tasse von dem Kaffee, der noch von ihrem gemeinsamen Frühstück übergeblieben war.

Gabi, Ralf und Biggi hatten währenddessen den Unfallort, der nicht weit von der Basis entfernt war, fast erreicht. Biggi hatte die Unfallstelle bereits erblickt und auch ein Feld, dass nur wenige Meter davon entfernt lag und perfekt als Landeplatz dienen konnte. „Na dann werden wir mal runtergehen und uns anschauen, was dort schon wieder passiert ist.“, meinte die Pilotin. Ralf nickte grinsend. „Bald werden wir wahrscheinlich sowieso schon von alleine abstürzen, dann musst du nicht mehr landen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu schwer werden, immerhin sind wir jetzt zu fünft und nicht mehr zu dritt im Team.“ Er machte immer mal wieder Scherze darüber, dass seine beiden Kolleginnen schwanger waren. Gabi und Biggi warfen ihm nur einen schrägen Blick zu, dann setzte Biggi den Heli auch schon  mit einem leichten Ruck auf dem Feld auf. "Wie wär's, wenn sie uns dann auch gleich doppelt bezahlen?", schlug Biggi vor, worauf die anderen grinsend nickten und die Türen öffneten. Sie erkannten sofort, dass es einen gehörigen Crash gegeben haben musste, bei dem mindestens zwei Autos ineinander kollidiert waren. Ein Polizist, der mit einigen Kollegen bereits vor Ort war, klärte Gabi über die Verletzten auf, worauf sie und Ralf sich sogleich an die Arbeit machten. Die Polizisten bemühten sich inzwischen, den Verkehr auf der Autobahn zu regeln und die Fahrer auf der einzigen noch freien Bahn, die direkt zwischen Heli und den Verletzten lag, gut weiterzuleiten. Am Unfallort traf Gabi auf einen jungen, gut aussehenden Herren in Anzug und Krawatte. "Sind Sie die Ärztin?", sprach er Gabi an, worauf diese nickte, sich aber weiter mit der verletzten Frau beschäftigte, die sie vor sich hatte. "Ich bin Anwalt, das ist meine Mandantin. Vielleicht ist es wichtig für Sie zu wissen, dass sie Diabetikerin ist." "Oh, danke für die Information. Ich werde mich drum kümmern." Der Anwalt nickte und bot dann seine Hilfe an, welche sie jedoch nicht brauchten. Biggi kam inzwischen mit der Trage an und legte sie zwischen Ralf und Gabi. "Kann ich was helfen?" "Ne, geht schon, Biggi." Biggi nickte und blickte sich dann um. Plötzlich sah sie einen Mann neben sich stehen, dessen Rasierwasser sie bis zu sich herüber riechen konnte. Es war äußerst angenehm, doch sie beachtete es nicht weiter. "Guten Tag.", begrüßte sie der Mann schließlich mit einem charmanten Lächeln. "Guten Tag.", antwortete Biggi freundlich. "Sind Sie ... wirklich die Pilotin?", fragte er sie ungläubig, nachdem er das Leuchtschild auf ihrem Rücken gelesen hatte. "Ja, was dagegen?" "Ne, überhaupt nicht. Ich kann es mir nur nicht so gut vorstellen ..." "Na dann geben Sie sich Mühe." "Es muss wirklich ein Vergnügen sein, von so einer hübschen Pilotin geflogen zu werden, wenn man Patient ist.", meinte er dann. "Glauben Sie mir, viele würden lieber so unverletzt daneben stehen wie Sie und nicht da drin auf der Trage liegen." "Gut, da mögen Sie Recht haben.", gestand er ihr ein. "Aber trotzdem würde ich es liebend gern mal ausprobieren." "Sie wollen sich doch nicht etwa verletzen?", fragte Biggi ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. "Nein, aber vielleicht ... ergibt sich ja mal nach Feierabend die Gelegenheit, Ihnen Gesellschaft zu leisten." "Nach Feierabend leistet mir mein Freund bereits Gesellschaft, aber vielen Dank für das Angebot.", sagte Biggi lächelnd zurück. "Schade ...", meinte der Anwalt traurig. "Aber wäre auch ein Wunder gewesen, hätte nicht jemand vorher entdeckt, wie bezaubernd Sie sind ..." Zu einer Antwort kam Biggi nicht mehr, denn Gabi bat sie, ihr dringend das EKG aus dem Heli zu holen. Biggi nickte und rannte schnell über die Straße zum Heli. Dabei hatte sie Glück, dass gerade kein Auto über die Spur fuhr, die ja voll befahrbar war. Allerdings ließ sich der Zufall nicht zweimal veräppeln. Als Biggi mit dem EKG in der Hand gerade von der anderen Seite wieder zurück über die Straße laufen wollte, bemerkte sie nicht den schwarzen Audi, der in einem Höllentempo auf sie zugerast kam. Statt ihr bemerkte es allerdings ein anderer, und zwar der Anwalt. Dieser überlegte gar nicht lange, sondern stürzte sich, sobald er Biggi auf die Straße rennen sah, in ihre Richtung. Er warf sich mit voller Wucht auf sie und konnte sie gerade noch auf den Straßenrand schubsen, bevor er selbst unter den Reifen des Autos begraben wurde. Es gab einen höllischen Krach, kurz darauf einen kurzen Knall. Dann war alles ruhig.

„BIGGIII!!!!“, schrieen Ralf und Gabi dann gleichzeitig, nachdem sie in den ersten Sekunden vor Schreck wie gelähmt gewesen waren. Nur wenige Sekunden später waren sie auch schon bei ihrer Kollegin angekommen, die auf dem Standstreifen der Autobahn lag. Am Ellenbogen war ihr Overall zerrissen und darunter kam eine blutende Schürfwunde zum Vorschein, aber sonst war ihr zum Glück nichts passiert. „Biggi, bist du ok?“, fragte Gabi ihre Freundin sofort, während sie sich zu ihr runter kniete. Biggi nickte nur leicht. Ihr steckte der Schock noch gewaltig in den Knochen. Sie richtete sich leicht auf und Gabi half ihr aufzustehen. „Was ist mit dem Mann, der mich gerettet hat?“, fragte sie dann jedoch sofort.

Der Anwalt war unter dem Wagen eingeklemmt worden. Ralf und einige Feuerwehrmänner waren bereits dabei, ihn zu versorgen und auch Gabi eilte ihnen zu Hilfe. „Ralf, wie sieht es aus?“, fragte sie den Sanitäter sofort. „Vermutlich offene Unterschenkelfraktur links, Oberarmfraktur rechts, innere Verletzungen können wir nicht ausschließen.“ Biggi war inzwischen auch näher herangetreten. Sie konnte noch immer nicht glauben, was passiert war. Dieser fremde Mann hatte ihr das Leben gerettet und nun lag er hier, schwer verletzt – durch ihre Schuld. Wenn sie doch nur geschaut hätte, ob ein Auto kam. Sie machte sich schreckliche Vorwürfe.

Der Anwalt war zwar bei Bewusstsein, doch er hatte schreckliche Schmerzen. Gabriele hatte ihm schon eine hohe Dosis Schmerzmittel verabreicht, doch mehr konnte sie ihm nicht geben, weil dies die Atmung sonst zu sehr beeinträchtigen würde. Während die Feuerwehr dabei war, ihn unter dem Auto zu befreien, erblickte er dann Biggi, die direkt neben Gabriele und Ralf stand und alles besorgt mitverfolgte. „Jetzt werden Sie mich doch fliegen müssen.“, meinte er zu ihr und lächelte gequält. „Biggi kniete sich zu ihm herunter. „Ich verrate Ihnen etwas, ich hätte Sie auch so mitgenommen.“, versicherte sie ihm und zwang sich dann ebenfalls zu einem Lächeln, zudem ihr alles andere als zumute war. Ihr war klar, dass eigentlich sie jetzt hätte dort liegen müssen und nicht er. Wenn sie doch nur aufgepasst hätte... Sie war total in Gedanken, als der Anwalt plötzlich nach ihrer Hand fasste und sie drückte. Biggi erkannte an seinem Gesicht, dass er schreckliche Schmerzen haben musste und das alles wegen ihr. Oh nein! Sie erwiderte seinen Händedruck und versuchte ihn zu beruhigen: „Es wird alles wieder gut, Sie werden sehen. Und wenn Sie hier raus sind, dann werde ich Sie auch ihm Krankenhaus besuchen kommen.“, versprach sie ihm. „Darauf verlasse ich mich.“, antwortete er ihr. „Ich heiße übrigens Axel, Axel Wertheim.“, fügte er dann hinzu und bemühte sich um ein kleines Lächeln, was ihm unter den starken Schmerzen jedoch nicht so wirklich gelingen wollte. „Biggi Schwerin. Sie werden sehen Axel, es kommt alles wieder in Ordnung“, stellte auch Biggi sich vor und versuchte ihn weiterhin zu beruhigen, während sie ihm beruhigend übers Haar strich.

„Ok, Biggi, wir können ihn jetzt rausziehen und dann ab mit uns.“, wies Gabi ihre Kollegin an. Biggi verstand und eilte schon einmal vor zum Helicopter. Ralf und Gabi betteten Axel mit Hilfe eines Feuerwehrmanns auf die Trage und folgten Biggi dann. Die anderen Verletzten, darunter auch Wertheims Mandantin, wurden von Rettungswägen in verschiedene Krankenhäuser gebracht.

Als Gabi und Ralf mit der Trage den Medicopter erreicht hatten, hatte Biggi die Turbinen bereits hochgefahren und konnte sofort starten. Dann meldete sie sich bei der Marienklinik an.

Glücklicherweise schien Wertheim keine inneren Verletzungen zu haben, zumindest blieb sein Zustand den ganzen Flug über stabil und sie konnten ihn sicher in der Klinik abliefern. Gabriele ging noch mit rein, währen Ralf und Biggi am Heli warteten. Biggi hatte sich an die Seitentür gelehnt und war in Gedankenversunken. Sie hatte immer noch dieses Auto vor Augen, wie es auf sie zugerast gekommen war, und dann dieser ohrenbetäubende Knall. Ralf riss sie aus den Gedanken. „Alles in Ordnung?“, fragte er seine Kollegin besorgt. Biggi nickte schwach. „Ralf, wenn der Typ nicht gewesen wäre, vielleicht wäre ich jetzt tot.“, meinte sie nachdenklich. Der Sanitäter nickte nur betroffen. „Aber er wird wieder, Biggi. Mach dir keine Sorgen, hm?“ „Aber nicht er, sondern ich hätte jetzt dort drinnen liegen müssen, verstehst du? Es war doch alles meine Schuld“ „Aber er ist auf die Straße gesprungen… Biggi, mach dir keine Vorwürfe, das hilft keinem etwas. Denk lieber an dich und dein Baby.“, versuchte Ralf sie zu trösten. Biggi nickte schließlich, er hatte ja Recht. Sie strich mit der Hand über ihren Bauch. Wie erleichtert war sie, dass ihrem Baby nichts passiert war. Nicht auszudenken, das hätte sie sich niemals verzeihen können. Es war schon schlimm genug, was mit Axel passiert war. Wegen ihr lag er jetzt schwer verletzt hier in der Klinik. Wie konnte sie das nur wieder gutmachen?“

Zeit, um weiter darüber nachzudenken, hatte sie jedoch nicht, denn Gabi kam zurück. „Sie werden sein Bein  jetzt operieren, aber er wird es schaffen. Wenn es keine Komplikationen gibt, wovon ich ausgehe, dann wird er wieder ganz gesund. Und ich denke, heute Abend kannst du ihn vielleicht schon besuchen und dich bei ihm bedanken.“ Biggi atmete erleichtert auf, wenigstens etwas. „Ist wirklich alles in Ordnung?“, wollte Gabi noch einmal von Biggi wissen. „Ja, mach dir keine Sorgen, mir geht’s gut.“ „Ich hätte ein besseres Gefühl, wenn du dich kurz untersuchen lassen würdest.“, meinte Gabi schließlich. Sie machte sich Sorgen, da ihre Freundin schließlich schwanger war und man in so einem Fall jedes Risiko ausschließen sollte. Biggi sah in das besorgte Gesicht ihrer Freundin und willigte dann schließlich ein. Sie stand sowieso noch immer so unter Schock, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Zudem war es schließlich auch in ihrem Interesse, abzuchecken, dass dem Baby wirklich nichts passiert war. So begleiteten Gabi und Ralf sie noch bis zum Untersuchungsraum, wo sie dann von einem Arzt in Empfang genommen wurde. Er führte einige Routineuntersuchungen bei ihr durch und untersuchte schließlich noch mit dem Ultraschallgerät das Baby. „Und?“, fragte Biggi ein wenig ängstlich, wobei sie den Arzt erwartungsvoll ansah. „Ich kann Sie beruhigen, Frau Schwerin. Sie haben Glück gehabt, es ist wirklich alles in bester Ordnung. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. „Danke.“, sagte Biggi erleichtert. Sie wollte gerade von der Behandlungsliege aufstehen und zurück zu Gabi und Ralf gehen, die auf dem Flur warteten, als der Arzt sie jedoch zurückhielt. Er bestand darauf, noch ihre Wunde am Ellenbogen zu versorgen, und so ließ Biggi auch dies noch über sich ergehen. Er desinfizierte die Wunde mit Jod und wickelte Biggi dann noch einen kleinen Verband darum. „So, nun können Sie aber wirklich gehen.“, meinte er dann lächelnd. „Danke.“, antwortete Biggi und erhob sich dann von der Liege. Ralf und Gabi erwarteten sie bereits. „Und?“, fragten sie sofort nach. „Alles in Ordnung.“, meinte Biggi bloß. Sie hatte sich noch immer nicht ganz von dem Schock erholt. Auch Gabi und Ralf waren erleichtert über die gute Nachricht, und so machten sich die drei auf den Weg zurück zur Basis.

Dort waren Michael und Peter auch bereits eingetroffen. Das A Team hatte es sich im Aufenthaltsraum gemütlich gemacht und Peter und Michael hatten Thomas dazu überredet, mit ihnen ein Runde Poker zu spielen. So konnte er sich wenigsten von dem Gedanken ablenken, dass etwas passieren können. Dies ungute Gefühl hatte er schon die ganze Zeit gehabt. Davon erzählt hatte er den anderen jedoch nicht, wahrscheinlich war er mal wieder nur viel zu besorgt, dachte er sich.

Als die drei die Rotorgeräusche der BK, die bereits im Landeanflug war, hören konnten, stand er auf und begab sich nach draußen zur Landeplattform, um seine Biggi zu begrüßen. Als sie aus dem Cockpit stieg, bemerkte er jedoch sofort, dass irgendwas nicht in Ordnung war. „Hey Biggi, was ist denn los?“, fragte er sie besorgt, während er sie in die Arme schloss. Biggi schmiegte sich nur an ihn und antwortete nicht. Dann entdeckte Thomas den Verband an ihrem Ellenbogen. Nun machte er sich noch mehr Sorgen. Was war nur passiert? Hatte ihn sein Gefühl doch nicht getäuscht? "Hey, Süße, was ist denn passiert?", fragte er sie vorsichtig, aber unendlich besorgt. Er blickte ihr liebevoll in die Augen und strich ihr zärtlich über den Kopf. Doch Biggi antwortete nicht, sie versuchte nur vergebens, die Tränen zurückzuhalten und ließ sich wieder in seine Arme sinken. Er drückte sie fest an sich, blickte aber zugleich Gabi und Ralf mit einem fragenden Blick an. Sie traten hinter die beiden und Gabi erzählte Thomas, was passiert war. "Biggi wäre bei dem Einsatz vorhin fast von einem Auto überfahren worden, auf der Autobahn. Aber ein Mann hat sich auf sie geworfen und sie gerettet, er ist allerdings schwer verletzt." "Es ist alles meine Schuld.", schluchzte Biggi. "Nein, das darfst du dir nicht einreden, Biggi. Er wird doch wieder. Ich verspreche es dir.", redete Gabi auf ihre Freundin ein. Thomas machte sich die größten Sorgen um sie. Es lief ihm kalt den Rücken runter bei der Vorstellung, dass Biggi beinahe überfahren worden wäre. Er drückte sie so fest er konnte an sich. Er war so unendlich froh, dass ihr nichts passiert war. Allein der Gedanke daran, dass Biggi jetzt schwer verletzt oder gar ... tot sein könnte ... er schickte tausend Dankesreden an den Himmel, er war einfach nur unglaublich dankbar. Aber er konnte nicht mit ansehen, wie verzweifelt seine Biggi nun war. "Biggi ... hey, mein Schatz... du hattest bestimmt keine Schuld daran. Er wird doch wieder gesund.", tröstete er sie leise. "Hoffentlich.", flüsterte Biggi nur, während sie sich noch fester an ihn schmiegte. "Komm, wir gehen rein. Hier ist es viel zu kalt." Liebevoll zog er sie mit sich Richtung Hangartür. Im Aufenthaltsraum erzählten Ralf und Gabi erstmal auch den anderen, was

passiert war. Die waren natürlich ebenso geschockt und unheimlich froh, dass Biggi fast unverletzt war. Während Thomas sich mit ihr aufs Sofa setzte und sie sich an ihn kuschelte, ging Michael in die Küche, um seinen Kollegen auf den Schock erstmal eine Tasse heißen Tee zu machen. Den würden sie jetzt bestimmt gebrauchen, vor allem Biggi. "Was meinst du, Gabi, wann kann man diesen Mann denn besuchen?", fragte Thomas dann. "Ich denke, schon heute Abend, wenn alles gut geht. Und davon gehe ich aus. Er heißt übrigens Axel Wertheim oder so, er ist Anwalt." "Na, dann gehen wir heute zu ihm und ich kann mich auch gleich bei ihm bedanken. Schließlich hat er die wichtigste Person in meinem Leben gerettet.", meinte Thomas leise zu Biggi. Biggi nickte. Aber dann meinte sie: "Ich weiß aber nicht, ob es so gut ist, wenn du dabei bist. Er hat nämlich versucht, mich anzumachen, bevor es passiert ist. Vermutlich wird er noch kränker, wenn er dich neben mir sieht." "Verstehe.", sagte Thomas und versuchte, möglichst unberührt zu klingen. In Wahrheit natürlich raste die Eifersucht in ihm, doch er wusste ja, dass er Biggi in jeder Hinsicht vertrauen konnte. "Dann fahre ich dich eben nur hin und warte draußen." Biggi nickte dankbar. "So, hier sind drei Tassen heißer Tee für euch. Hab mir extra viel Mühe gegeben.", meinte Michael und überreichte den dreien die Tassen. Dann fragte er Biggi: "Hast du dich in der Klinik eigentlich noch mal durchchecken lassen?" "Ja. Ist alles in Ordnung. Mit dem Baby auch." Michael nickte erleichtert. Thomas strich ihr liebevoll über den Bauch. "Na, kleiner Mann?" „Hey, woher weißt du denn, dass es ein er wird?“, fragte Biggi und tat empört. Thomas lächelte. „Du weißt doch, an den ungeraden Tagen nennen wir unser Baby „er“ und an den geraden Tagen „sie“. Und heute ist der fünfzehnte.“ „Na gut, da hast du Recht.“, gab Biggi ebenfalls lächelnd zu und küsste ihn dann zärtlich. Sie war so froh, nach diesem nervenaufreibenden Einsatz jetzt wieder hier bei Thomas zu sein. So konnte sie ganz langsam den Schock vergessen. Sie hoffte nur, dass dieser Axel wirklich wieder ganz gesund werden würde.

So verging auch die Schicht des A Teams. Biggi war die ganze Zeit über auf der Basis gewesen und glücklicherweise hatte das A Team keinen Einsatz bekommen, sodass Thomas die ganze Zeit bei ihr sein konnte.

Nach seiner Schicht zog er sich jedoch eilig um, denn er wollte Biggi schließlich noch in die Klinik zu diesem Anwalt fahren, damit sie sich bei ihm bedanken konnte. Nachdem sie sich von Peter und Michael verabschiedet hatten, führen sie dann auch auf direktem Weg in die Marienklinik, da die Besuchszeit bald zu Ende sein würde.

Als sie dort angekommen waren, erkundigten sie sich zunächst an der Information. „Ich würde gern wissen, auf welchen Zimmer Herr Axel Wertheim liegt.“, meinte Biggi zu der Dienst habenden Schwester. Sie nickte und teilte ihr dann nach einem Blick in den Computer mit, dass Axel Wertheim auf Zimmer 308 im dritten Stock liegen würde. So machten Thomas und Biggi sich auf zum Fahrstuhl und fuhren in den dritten Stock. Sie mussten nicht lange suchen, bis sie Zimmer 308 gefunden hatten, es lag fast genau gegenüber von dem Aufzug. Als sie schließlich vor der Tür stand, ließ Biggi sich noch einmal in Thomas’ Arme sinken und er drückte sie fest an sich. Dann löste sie sich schließlich langsam aus seiner Umarmung, meinte leise: „Ich bin gleich zurück.“, und betat dann langsam das Krankenzimmer. Thomas sah ihr hinterher. Er hatte ein ungutes Gefühl – schon wieder. Das letzte Mal hatte sein Gefühl Recht behalten, aber dieses Mal? Er wusste, dass er Biggi vertrauen konnte und sie ihn genauso sehr liebte wie er sie, doch trotzdem sagte ihm irgendetwas tief in seinem Inneren, dass es einen Grund zur Beunruhigung gab.

Biggi hatte die Tür des Zimmers gerade von innen geschlossen und trat nun auf das Bett am Fenster, das einzige der drei Betten, das belegt war, zu. Dort lag er, Axel Wertheim, der Mann, der sich für sie vor das Auto geworfen hatte, der ihr dass Leben gerettet hatte. Biggi stand schon fast vor ihm und Axel blickte sie lächelnd an. „Was für ein netter Besuch.“, meinte er. „Ich wollte mich bei Ihnen bedanken, wenn Sie nicht gewesen wären…“, sagte Biggi leise. „Schon ok, ich war doch da. Und für so eine charmante junge Frau wie Sie tu ich das noch gern.“, versuchte er ihr dann zu schmeicheln. Biggi sah ihn nur an. Sie wollte hier weg. Irgendwie war ihr dieser Axel beinahe ein wenig unheimlich. Sein Interesse an ihr war unübersehbar, obgleich sie ihm doch schon einmal versichert hatte, dass sie bereits vergeben war. Natürlich, sie war ihm unheimlich dankbar und wollte ihn nicht verletzten, aber Hoffnungen machen wollte sie ihm auch nicht. Anstatt auf sein Kompliment einzugehen, fragte sie daher lieber, wie es ihm denn jetzt ginge. „Wissen Sie, seit Sie hier sind, geht es mir schon wieder viel besser und ich habe gar keine Schmerzen mehr, ich glaube, Sie müssen mich jetzt öfter besuchen kommen.“, antwortete er darauf jedoch. Biggi wusste wieder nicht, was sie sagen sollte. Als sie eine Weile nichts erwiderte, meinte er: "Das tun Sie doch, oder? Bitte, ich bitte Sie so sehr drum. Nur so ertrage ich die Zeit hier zwischen diesen Weißkitteln." Biggi nickte zögernd. Schließlich hatte sie keine andere Wahl. Dieser Mann hatte ihr das Leben gerettet. Nun war sie an der Reihe, Dankbarkeit zu zeigen. "Wirklich? Versprochen?", fragte Axel und die Freude in seiner Stimme war nicht zu überhören. "Ja ... aber ... ich weiß nicht, wie oft ich dazu Zeit habe. Ich werde mich bemühen." "Danke! Sie sind ein Engel ... gut, dass ich Sie gerettet habe. Ich hab nicht den geringsten Moment gezögert, über die Straße zu springen ..." Wieder wusste Biggi nicht, was sie erwidern sollte. Doch Axel übernahm weiter die Sprecherrolle. "Bitte, Biggi - ich darf doch Biggi sagen? - bitte, geben Sie mir einen Kuss." "Ich habe einen Freund, Axel. Und daran wird sich nichts ändern. Bitte akzeptieren Sie das.", wurde Biggi wieder etwas lauter. Wenn es um Thomas ging, kannte sie kein Pardon. Niemandem, niemandem würde sie auch nur den kleinsten Kuss geben, wenn er nicht Thomas Wächter hieß und die Liebe ihres Lebens war. "Na gut. Ich gebe mir zumindest Mühe. Aber versprechen kann ich es nicht.", meinte Axel lächelnd. Er würde sie schon noch bekommen. Da war er sich sicher. Nicht umsonst konnte er auf kaum einen Prozess zurückblicken, in dem er nicht als Sieger hervorgegangen war. Und genauso wie er seine Erfolge im Job durchsetzte, tat er es auch in Privatangelegenheiten, solange er zurückdenken konnte. "Ich ... ich muss dann leider gehen. Tut mir Leid.", meinte Biggi entschuldigend. "Aber Sie kommen doch wieder, oder?" Sie nickte.

Doch dann hielt sie nichts mehr in diesem Raum. Fluchtartig drehte sie sich um, winkte ihm noch kurz und verließ dann das Zimmer. Als sie die Tür wieder geschlossen hatte, blickte sie sich sofort nach Thomas um. Lange musste sie auch nicht suchen, er kam bereits auf sie zu. Sie ließ sich in seine offenen Arme sinken und schmiegte sich an ihn. "Alles ok, mein Schatz?", fragte Thomas besorgt. "Ja.", sagte sie nur leise. "Aber ich bin so froh, wieder bei dir zu sein.", fügte sie hinzu und küsste ihn dann innig. Das ließ er sich natürlich gern gefallen und erwiderte den Kuss voller Hingabe. Als sie ganz langsam wieder voneinander abließen, bat ihn Biggi: "Komm, bitte, lass uns gehen." "Aber klar doch.", meinte Thomas, legte seinen Arm um sie und schließlich gingen sie gemeinsam Richtung Aufzug.

Zuhause machten sie sich noch einen gemütlichen Abend, gingen jedoch früh ins Bett, da sie beide müde waren. "Ich bin so unendlich froh, dass euch beiden nichts passiert ist.", flüsterte Thomas Biggi in Ohr, als sie aneinandergekuschelt im Bett lagen. Liebevoll streichelte er ihren Bauch und küsste sie auf die Wange. "Ich wüsste nicht, was ich ohne euch tun würde." Biggi drehte ihr Gesicht zu ihm und küsste ihn zärtlich. "Ich liebe dich, Thomas", sagte sie danach leise und küsste ihn abermals. "Ich dich auch. Gute Nacht, mein Liebling." "Gute Nacht." So fielen sie Arm in Arm in einen tiefen Schlaf.

Als Gabi und Ralf am nächsten Tag zu ihrer Schicht erschienen, waren alle anderen bereits auf der Basis versammelt. Das A Team hatte die Frühschicht gehabt und Biggi war mit zu Thomas’ Schicht gekommen. Die beiden hatten sich in das hohe Gras vor dem Hangar gelegt und ließen sich die Sonne ins Gesicht schienen. Es war ein unheimlich schöner und warmer Tag und man merkte, dass der Sommer langsam begann. Biggi hatte sich in Thomas’ Arme gekuschelt und war in Gedanken versunken. Sie dachte an Axel, an den Mann, der jetzt wegen ihr im Krankenhaus lag. Sie wusste wirklich nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Klar war, dass es für sie niemals einen anderen Mann als Thomas geben würde. Doch Axel hatte ihr das Leben gerettet, sie wollte ihn auf keinen Fall verletzen. Leise seufzte sie und blickte Thomas dann in die Augen. Er erwiderte ihren tiefen Blick und näherte dann sein Gesicht ihrem, bis sich ihre Lippen schließlich zärtlich berührten und sie sich küssten. Biggi legte ihre Arme um seinen Hals und so verblieben sie eine ganze Zeit. Als sie dann langsam wieder voneinander abließen, sahen sie sich abermals tief in die Augen. „Ich liebe dich!“, sagte Biggi dann leise. „Ich dich auch.“, erwiderte Thomas und ihre Lippen verschmolzen erneut in einem langen, zärtlichen Kuss. „Ich hab eine Idee, was hältst du davon, wenn wir heute Abend irgendetwas schönes unternehmen?“, meinte Thomas dann nach einiger Zeit. Biggi lächelte ihn verliebt an. „Ich finde, das ist die beste Idee dieses Tages. Was hältst du davon, wenn wir gleich nach der Schicht schnell nachhause fahren, uns umziehen und dann zu dem kleinen Restaurant am Waldsee fahren. Dann können wir danach noch einen kleinen Spaziergang machen.“, schlug Biggi vor. Thomas war sofort begeistert. „Oh ja, das wird schön.“ Wieder küssten sich die beiden. Biggi genoss es unheimlich und sie dachte überhaupt nicht mehr an Axel und war nur unheimlich froh, dass sie und Thomas so glücklich zusammen waren.

Zur selben Zeit befand Gabi sich in Ebelsieders Büro. Sie war, gleich nachdem sie sich fertig umgezogen hatte, zum Basischef gegangen, um den Antrag für ihren Mutterschutz zu stellen. „Nun ist es also so weit?“, fragte Ebelsieder lächelnd. Gabi nickte. Ihr Bauch war bereits so rund, dass der Einsatzoverall ihr nicht mehr richtig passte und sie sich in den vergangenen Tagen immer einen von Ralfs, die ein paar Nummern größer waren, leihen musste. Die Formalitäten waren schnell erledigt, denn Ebelsieder hatte bereits alles vorbereitet gehabt. „Dann wünsche ich ihnen noch alles, alles Gute für Sie und ihr Baby.“, meinte er danach noch. Gabi bedankte sich. Dann übergab Ebelsieder ihr noch ein kleines Päckchen. „Eine kleine Aufmerksamkeit der Stützpunktleitung. Ich dachte mir, Sie und Herr Staller könnten das vielleicht gebrauchen.“ „Danke, aber das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen…“, sagte Gabi überrascht, öffnete dann jedoch das keine Päckchen. Zum Vorschein kamen ein paar kleine, hellblaue Babyschühchen. „Oh, vielen Dank, Herr Ebelsieder, die können wir sicherlich gut gebrauchen.“, bedankte die Notärztin sich. Der Basischef lächelte. Inzwischen war das Verhältnis zwischen ihm und dem Team fast wieder genauso gut, wie vor diesem schrecklichen Ereignis in der alten Scheune, vielleicht sogar noch besser.

Thomas hatte beschlossen schon einmal nachhause zu fahren, da seine Schicht bereits zu Ende war und er sich schon einmal frisch machen wollte für den Abend. Biggi und er hatten abgemacht, dass er sie nach seiner Schicht auf der Basis abholen würde. So begleitete sie ihn noch zu seinem Auto. „Ich freu mich schon so auf heute Abend.“, meinte sie schon fast schwärmend. „Ich mich doch auch.“, erwiderte Thomas ebenso glücklich und gab ihr einen langen Kuss zum Abschied. Dann setzte er sich, nachdem er ihr noch einen sehnsüchtigen Blick zugeworfen hatte, in sein Auto und fuhr los. Biggi winkte ihm noch und sah ihm nach, bis das Auto hinter der Kurve verschwunden war. Dann ging sie rein in den Aufenthaltsraum, wo Ralf und Gabi saßen. Peter und Michael waren ebenfalls schon gegangen.

„Hey, was ist denn mit dir los? Du stahlst ja wie ein Honigkuchenpferd.“, fragte Ralf Biggi. Die Pilotin zuckte nur unschuldig mit den Schultern und setzte sich dann zu den beiden an den Tisch. „Na, wenn das nicht mal wieder an Thomas liegt.“, vermutete Gabi lächelnd. „Ja, ja, du hast mal wieder Recht.“, antwortete Biggi ihr ebenfalls lächelnd. Im Moment war sie wieder einmal so glücklich, dass sie die ganze Welt umarmen könnte.

„Ich war gerade bei Ebelsieder, ab nächsten Montag gehe ich in den Mutterschutz.“, erzählte Gabi ihrer Freundin dann. „Jetzt schon?“, fragte Biggi ein wenig überrascht, obgleich ihr eigentlich klar war, dass es wirklich langsam Zeit war für Gabi. Sie wollte nur einfach nicht, dass Gabi die Basis verließ und sie irgendeine Vertretung vor die Nase gesetzt bekamen. Gabi war ihre beste Freundin und Biggi konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals wieder eine solche Kollegin bekommen würde. Bis jetzt hatte sie mit Ersatzleuten eher schlechte Erfahrungen machen müssen. Doch es ließ sich nun einmal nicht ändern und Biggi tröstete sich mit dem Gedanken, dass Gabi ja wieder anfangen würde zu arbeiten und dass sie es ja nur für ihr Baby tat. Zudem würde auch sie selbst nicht mehr allzu lange arbeiten können, zwei bis drei Monate noch, höchstens. „Armer Ralf, bald wirst du dich mit zwei neuen Kollegen rumschlagen müssen.“, stellte sie dann fest. Ralf zuckte mit den Schultern. Zwar gefiel ihm der Gedanken nicht besonders, doch die Hauptsache war, dass er uns Gabi glücklich waren und das waren sie, sehr sogar. Zudem konnte schließlich niemand wissen, ob die neuen Kollegen nicht vielleicht total nett sein würden.

Die Schicht blieb relativ ruhig und so unterhielten sie sich noch etwas über Gabis Baby. Gabi und Ralf genossen ihr Glück total und freuten sich schon wahnsinnig. Nach der ganzen Geschichte mit Rene, hatten sie es ja auch wirklich verdient und Biggi gönnte es ihnen total. Sie war mit Thomas ja auch total glücklich. Die drei alberten noch eine ganze Weile herum, bis sie irgendwann durch das Klingeln des Telefons unterbrochen wurden. Da Gabriele am dichtesten am Telefon saß, stand sie auf und nahm ab. „Basis Medicopter 117, Kollmann, guten Tag?“ „Guten Tag, hier ist Dr. Axel Wertheim, der Anwalt, den Sie gestern gerettet haben. Ist Biggi zu sprechen?“ „Ja, warten Sie einen Moment.“, meinte Gabi freundlich und winkte Biggi zu sich. „Dein Anwalt.“, meinte sie grinsend und drückte ihrer Freundin den Hörer in die Hand. Doch das Lachen aus Biggis Gesicht war schlagartig verschwunden, als sie hörte, wer sie dort sprechen wollte. „Hallo?“, fragte Biggi zaghaft. „Hallo, Biggi, ich bin’s, Axel.“ „Hallo“, meinte Biggi nur monoton. „Ich wollte fragen, ob du mich heute Abend nach deiner Schicht wieder besuchen kommst. Es ist tötend langweilig hier zwischen den ganzen Weißkitteln und ich könnte eine kleine Aufheiterung gut gebrauchen.“ Biggi rang mit sich. Sie wollte diesen Axel nicht sehen, sie wollte doch mit Thomas einen schönen Abend verbringen. Aber er hatte ihr das Leben gerettet, wegen ihr lag er jetzt im Krankenhaus, sie war Schuld. Wie konnte sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren, mit Thomas einen schönen Abend zu genießen, während Axel, der sein Leben für sie riskiert hatte, im Krankenhaus lag und vermutlich starke Schmerzen ertragen musste? „Ich werde sehen, was sich machen lässt, aber versprechen kann ich es nicht.“, meinte sie schließlich zögernd. Axel gab sich mit dieser Antwort jedoch nicht zufrieden. „Bitte Biggi, du bist die einzige Person, die mich in dieser Situation aufheitern kann. Ich halte das hier nicht aus.“, versuchte er sie doch zu einer verbindlichen Zusage zu überzeugen. Biggi wusste absolut nicht, was sie tun sollte. Sie hatte sich doch so auf den Abend mit Thomas gefreut und sie wusste, dass Thomas sich genauso sehr darauf freute. Aber hatte sie eigentlich eine andere Wahl als Axel zu besuchen? Also gut.“, gab sie sich schließlich geschlagen, obgleich sie mit dieser Entscheidung absolut unglücklich war. Vor allem, wie sollte sie das Thomas erklären? Sie verabschiedete sich von Axel und beendete dann das Gespräch. Gabi sah ihre Freundin fragend an, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. „Alles in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig nach, denn Biggis gute Laune war einer betrübten Miene gewichen. „Gar nichts ist in Ordnung.“, antwortete diese daraufhin nur. Gabi sah sie fragend an. „Hey Biggi, was ist denn los?“ „Axel hat mich überredet heute Abend zu ihm zu kommen und ihn zu besuchen, aber Thomas und ich wollten heute den Abend zusammen verbringen und nun weiß ich nicht, was ich machen soll.“, erklärte Biggi ihr verzweifelt. Gabi musste einsehen, dass das wirklich eine schwere Situation war. „Und was ist, wenn du erst kurz zu Axel in die Klinik fährst und den Rest des Abends mit Thomas verbringst?“, schlug sie dann einen Kompromiss vor. Biggi dachte darüber nach. Die Idee war eigentlich gar nicht so schlecht. Trotzdem blieb das Problem, wie sie das Thomas beibringen sollte. Sie hoffte, dass er sie verstehen würde. Axel hatte ihr immerhin das Leben gerettet und sie stand tief in ihrer Schuld. Wie hätte sie seine Bitte da ablehnen können. „Hm, dann fragt sich nur noch, wie ich das Thomas erkläre.“, meinte Biggi. Gabi nickte. „Ich bin mir sicher, er hat Verständnis dafür.“ „Du hast ja Recht.“, stimmte Biggi ihrer Freundin schließlich zu. Sie konnte sich eigentlich auch nichts anderes vorstellen, als dass Thomas Verständnis zeigen würde.

Bereits zehn Minuten vor dem Schichtende des B Teams fuhr Thomas mit seinem Auto auf den Parkplatz vor der Basis. „Ich glaube, da erwartet dich bereits jemand.“, meinte Ralf grinsend zu Biggi, da er zufällig gerade aus dem Fenster gesehen hatte. Biggi sah nun auch nach draußen und erkannte, dass Thomas gerade ausgestiegen war und nun auf den Eingang der Basis zukam. Sofort ließ sie den Kugelschreiber und die Einsatzberichte auf den Tisch fallen und lief ihm entgegen. Sie begrüßten sich erst einmal stürmisch mit einem langen Kuss und gingen dann Arm in Arm in den Aufenthaltraum. Gabi und Ralf saßen, wie Biggi bis vor wenigen Augenblicken auch, am Tisch und füllten Berichte aus. Ein Blick auf die Uhr sagte Thomas, dass die Schicht des B Teams in wenigen Minuten zu Ende war. „Na, dann können wir ja gleich los.“, meinte er voller Vorfreude zu Biggi und strahlte sie an. Biggi nickte nur. „Ja, ähm…ich werde mich dann schon mal umziehen gehen.“, meinte sie schnell, löste sich aus seiner Umarmung und verschwand in der Umkleide. Innerlich verfluchte sie sich selbst, sie hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, Thomas zu sagen, dass sie noch Axel einen Besuch abstatten wollte. Ihr war klar, dass er davon nicht begeistert sein würde, doch sagen musste sie es ihm so oder so. Sie trödelte beim Umziehen ziemlich und ließ sich extra viel Zeit, um sich noch einmal genau die Worte zu Recht zu legen.

Thomas wunderte sich ein wenig, da Biggi sich normalerweise immer sehr beeilte, wenn sie noch etwas vorhatten. Als sie nach zehn Minuten noch immer in der Umkleide war, beschloss er schließlich nachzusehen. Er öffnete langsam die Tür zur Frauenumkleide und trat dann ein. Biggi stand bereits fertig umgezogen vor dem Spiegel und trug sich gerade Lippenstift auf. „Hey, ich habe mir schon Sorgen gemacht, wo du so lange bleibst.“, meine Thomas, während er auf sie zutrat und sie von hinten umarmte. Biggi musste lächeln. „Ich muss mich doch noch schön machen für dich.“, erwiderte sie ihm. „Für mich bist du immer unwiderstehlich.“, antwortete Thomas ihr daraufhin lächelnd und küsste sie im Nacken. Biggi legte den Lippenstift auf den Tisch, drehte sich in seinen Armen um und küsste ihn leidenschaftlich. Sie war so froh, dass er da war – und sie wollte nicht zu Axel. Sie empfand für diesen Mann nicht das kleinste Gefühl, nein, alle ihre Gefühle gehörten einzig und allein einem einzigen Mann – Thomas. Wenn da nur nicht diese Schuldgefühle gegenüber Axel wären. Ihm hatte sie schließlich ihr Leben zu verdanken. Ewig würde sie sich Vorwürfe machen, wenn sie ihm seine Tat nicht zumindest ein wenig zurück vergelten würde, indem sie sich nach seinen Wünschen richtete. Hilflos überlegte sie hin und her, wie sie es Thomas sagen sollte. Dieser bemerkte ihren Blick und fragte besorgt: "Was ist denn los mit dir? Du hast doch was?" Biggi nickte langsam. "Ja. Ich muss dir was sagen." "Was denn? Geht es dir nicht gut?" Thomas fiel aus allen Wolken bei Biggis ernstem Gesicht, zu groß war die Sorgen dass mit dem wichtigsten Mensch in seinem Leben etwas nicht in Ordnung sein könnte. "Doch. Zumindest bis vor ner halben Stunde ging's mir noch blendend. Ich hab mich doch so auf unseren gemeinsamen Abend gefreut." Thomas lächelte aufmunternd. "Und dem steht auch nichts im Wege, Süße." Liebevoll streichelte er über ihr Haar. "Doch.", sagte Biggi darauf knapp. Verwundert und fragend blickte Thomas sie an. Biggi sprach weiter: "Ich hab Axel

nachgegeben, ihn heute Abend noch mal zu besuchen. Er hat vorhin hier angerufen. Ich ... ich konnte einfach nicht anders ... ich stehe doch in seiner Schuld." Traurig schluckte sie eine Träne, die sich ihren Weg nach oben gebahnt hatte. "Ich hoffe so, du bist nicht böse und wir können unseren Abend doch verbringen ... ein wenig später halt ..." Obwohl in Thomas eine ziemliche Wut auf Axel hochstieg, die unvermeidbar mit einer gewissen Eifersucht verbunden war, schluckte auch er dies hinunter, als er in Biggis niedergeschlagenes Gesicht sah. Er musste sie verstehen, und er verstand sie auch. Zudem wollte er nichts tun, was Biggi auch nur in irgendeiner Weise traurig machen oder gar schaden könnte. Und so lächelte er lieb und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn, während er leise meinte: "Aber das ist doch nicht schlimm. Natürlich machen wir uns einen schönen Abend. Schließlich gehört die Nacht auch noch uns, wir haben alle Zeit der Welt. Da macht doch so ein kleiner Besuch nichts aus." Biggi war unendlich erleichtert. Dankbar und glücklich fiel sie Thomas in die Arme und ließ sich von ihm festhalten. "Ich bin so froh, dass du mich verstehst. Danke, Thomas.", sagte sie leise an seiner Schulter. "Ist doch klar.", meinte der nur darauf und drückte sie noch fester. Noch eine Weile standen sie so da, bis sie sich doch zusammennahmen und nach einem Blick auf die Uhr erschrocken feststellten, dass schon wieder ein Teil des Abends vergangen war. Biggi wollte den Besuch bei Axel so schnell wie möglich hinter sich bringen, um bald wieder bei Thomas zu sein. Er fuhr sie bis zur Klinik, nachhause würde sie mit einem Taxi fahren. "Ich mach es kurz.", versprach Biggi ihm beim Abschied. Thomas nickte, küsste sie nochmals zärtlich zum Abschied und fuhr dann schweren Herzens nachhause. Es war ihm nicht gerade wohl bei der ganzen Sache, das musste er zumindest sich selbst eingestehen. Dieser Axel war ihm nicht geheuer. Klar, er hatte Biggis Leben und somit auch sein eigenes gerettet. Aber nach dieser Tat schien er Biggi mehr und mehr zu vereinnahmen. Noch dazu hatte Biggi ja erzählt, wie er versuchte hatte, sie vor dem Unfall anzubaggern. Kein Wunder, seine Biggi war eben eine wunderbare Frau ... aber eben seine Frau, und er würde sie niemals auch nur mit irgendjemandem auf der Welt teilen. Nur mit seiner Familie ... Sein Puls raste, als er daran dachte, was Axel vorhaben könnte. Und er spürte auch, wie schuldig Biggi sich für das Geschehene fühlte. Wollte sie es wieder gut machen, indem sie diesem Axel jeden Wunsch von den Augen ablas? Das konnte doch nicht sein. Das durfte nicht sein, dachte Thomas sich, während er unkonzentriert über die kurvige Landstraße zur Villa fuhr. Hoffentlich würde das alles bald vorbei sein, Axel wieder gesund und der Kontakt würde abflauen.

Während Thomas sich mit seinen Gedanken den Kopf zermürbte, klopfte Biggi gerade an Axels Zimmertür in der chirurgischen Station. "Herein?", hörte sie von drinnen eine laute, erwartungsvolle Stimme. Als sie zaghaft eintrat, wurde sie von einem übers ganze Gesicht strahlenden Axel begrüßt, der sie sofort dazu drängte, an sein Bett zu kommen. So langsam sie nur konnte schloss Biggi die Tür, hängte dann ebenso langsam ihre Jacke an den Haken und trat zögernd an Axels Bett. "Hey, warum denn so schüchtern? Wir haben uns doch bis jetzt immer so gut verstanden. Bitte komm näher." Als sie in seiner Reichweite war, nahm er einfach ihre Hände und zog sie zu sich ans Bett, wo er ihr plötzlich einen unerwarteten, aber versucht zärtlichen Kuss verpasste. Biggi wich sofort zurück. Reflexartig wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund, wusste erst nicht, was sie sagen sollte, meinte dann aber mit fester Stimme: "Axel, hör auf damit. Ich habe einen Freund, mit dem ich sehr glücklich bin. Akzeptier das bitte." "Aber Biggi ... du bist doch nicht glücklich mit ihm ... das sehe ich dir doch an. Warum sonst machst du immer so ein Gesicht?" "Hast du schon mal drüber nachgedacht, dass es vielleicht auch an d ...", sie hielt mitten im Satz inne. Gerade wollte sie ihm ins Gesicht fauchen, dass ihre betrübte Miene ganz und gar nicht mit Thomas, sondern nur mit Axel zu tun hatte, aber sie riss sich zusammen. Der Mann hier war ihr Lebensretter. Sie musste nett zu ihm sein, zumindest das war sie ihm schuldig. So ließ sie sich schnell was anderes einfallen. "... an der schlechten Luft hier in der Klinik liegen könnte?" "Ach so! na umso besser, dass ich bald rauskomme, dann können wir richtig schöne Sachen an der frischen Luft unternehmen. was hältst du davon?" "Axel, ich sagte dir bereits, dass ich einen Freund habe. Mit ihm verbringe ich meine Freizeit." "Also zumindest ein kleines Opfer könntest du deinem Lebensretter schon bringen.", meinte Axel vorwurfsvoll. "Schließlich werde ich noch lange auf Genesung sein, und warum wohl.", spielte er auf den Unfall an. Sofort hämmerten wieder alle möglichen Schuldgefühle auf Biggi ein. "Ich ... es ... tut mir Leid.", stammelte sie nur hilflos. "Ich verzeihe dir, aber nur mit einem kleinen Kuss." Wieder wich sie zurück. "Ach komm schon, ich bin schließlich dein Schutzengel. Wie war das noch mit der Dankbarkeit?", drängte Axel die Pilotin. Sie hielt inne, rührte sich nicht von der Stelle. Was sollte sie jetzt tun? Sie war vollkommen verzweifelt. Was sollte sie jetzt tun? Sie war vollkommen verzweifelt. Von der einen Seite hämmerten die schlimmsten Schuldgefühle und Vorwürfe auf sie ein, von der anderen Seite rief ihr Gewissen in Thomas' Stimme, sie dürfe das nicht tun, sie würde es ewig bereuen ... Und da hatte sie Recht. Aber konnte sie, Biggi, sich das Recht herausnehmen und ausgerechnet ihren Lebensretter wie einen nervigen Bekannten zu behandeln? Was jetzt? Sie wusste es nicht. Das einzige, was sie wusste, war, dass sie Thomas unendlich liebte und ihn niemals verlieren wollen würde. Dieses Gefühl würde immer stärker als alles andere sein. Doch konnte es nun mal keine anderen Gefühle überspielen oder derart unterdrücken, dass sie nicht mehr da zu sein schienen. "Ach bitte ... ein kleiner Kuss.", bettelte Axel sie an und streckte ihr seine Hand entgegen. Thomas ... Thomas ... Thomas. "Bitte!" Ein kleiner Kuss. Was war so schlimm daran? Sie würde ihn Axel ja nicht mit Gefühl geben. Nein, sie würde ihn einfach nur zufrieden stellen. Ihm, wenn er es so wollte, irgendwie einen kleinen Teil ihrer Schuld zurückgeben. Was war daran auszusetzen? Sie liebte ihn ja nicht. Ein Kuss war lediglich eine etwas intensive körperliche Berührung, die aber in manchen Fällen, wie diesem, nichts bedeutete. Sie küsste ja nicht Thomas. Bei Thomas war das etwas ganz anderes. Sie überhäufte sich selbst so sehr mit Rechtfertigungen und Begründungen, dass sie schließlich einen Schritt nach dem anderen näher an Axels Bett trat. "Ja, komm, bitte ... ich will dich spüren ... bitte küss mich.", meinte Axel leise und nahm ihre Hand in seine. Dann zog er sie zu sich hinunter und ohne dass sie noch irgendeine selbst gesteuerte Bewegung machen musste, befanden sich ihre Lippen schon auf seinen. Doch diesmal schreckte sie nicht zurück. auch wenn sie es am liebsten getan hätte und sofort aus diesem Gebäude raus gelaufen wäre, sie durfte nicht. Ein Kuss war keine Sache von einer einzigen Sekunde. Axel begann sofort, leidenschaftlich zu werden und umschloss schließlich ihren Kopf mit seinen Händen. Sie wollte weg, einfach weg. Zu Thomas. Doch andererseits wollte sie sich nicht die Vorwürfe machen, nicht genug für ihren Lebensretter getan zu haben. Wenn doch nur nicht dieser Unfall gewesen wäre. Dann hätte sie all das hier nicht nötig. Nach einer Weile, als Axel gar nicht mehr aufzuhören schien, wilder und stürmischer zu werden, ergriff sie dann aber doch die Initiative, nahm seine Hände mit viel Kraft von ihrem Kopf und löste sich mühevoll. Zumindest hatte sie den Vorteil, dass er noch relativ schwach in seinem Bett lag und sie weitaus mehr körperliche Freiheit hatte. "War das schön ...", seufzte Axel mit einem glücklichen Grinsen im Gesicht. "Und Nachschub ...?" Biggi reichte es langsam. Dieser Kuss eben war genug gewesen, diesmal unterdrückten ihre Wutgefühle und das Gefühl, Thomas etwas angetan zu haben, jeden Vorwurf und jedes Schuldbewusstsein. "Axel, zum letzten Mal, ich habe einen Freund. Nein, ich küsse dich nicht mehr." Sie hoffte so sehr, dass sie auch so standhaft bleiben können würde. Das, was sie eben erlebt hatte, wollte sie kein zweites Mal durchmachen. Fast erinnerte es sie an damals mit Ebelsieder. Nur, dass sie es diesmal mit freiem Willen zugelassen hatte. Und sie bereute es wie noch nie. Axel sagte nichts mehr. Er machte nur ein enttäuschtes Gesicht und fragte nach einer Weile: "War es so schlimm? Ich dachte, du magst mich?" "Ich ... ich gehe jetzt. Bis ... zum nächsten Mal.", sagte Biggi leise. "Heißt das, du kommst wieder?" Biggi biss sich auf die Zunge. Hatte er etwa bereits akzeptiert, dass sie nicht mehr kommen würde? Warum bot sie, sie Idiotin, es ihm dann noch extra an? Jetzt musste sie wiederkommen. Na klasse. "Ich versuche es einzurichten." "Oh wie schön.", freute sich Axel und strahlte. "Tschüss.", meinte Biggi darauf nur leise, griff nach ihrer Jacke und verschwand so schnell sie konnte aus dem Zimmer. Draußen musste sie sich erstmal auf einen Stuhl setzen. Was hatte sie nur getan? Was hatte sie Thomas, was hatte sie sich selbst angetan? Sie hatte diesen Mann geküsst, einen Mann, für den sie unter normalen Umständen nicht mal die Mühe aufgebracht hätte, ihn mit sanften Worten abzuweisen. Geschweige denn, ihm irgendeinen Wunsch zu erfüllen. Aber ihn küssen ... ihn küssen!! Sie stützte verzweifelt den Kopf in die Hände und weinte bittere Tränen. Vor sich sah sie nur ein einziges Bild. Thomas. Wie er sie mit einem Blick in der Mischung zwischen unendlicher Enttäuschung und nagendem Unverständnis ansah und fragte: "Warum hast du das getan? Ich dachte, du liebst mich. Nur mich." "Warum hast du das getan? Ich dachte, du liebst mich. Nur mich." "Warum hast du ..." Biggi schrie auf, sodass in ihrer Nähe ein paar Schwestern erschrocken zusammenzuckten. Nachdem sie diese mit einem entschuldigenden Blick besänftigt hatte, atmete sie tief durch und fuhr sich durch die Haare. Sie wollte dieses Bild von sich abschütteln, sie wollte doch nur nicht die ganze Zeit an Thomas denken. Was, wenn Axel ihm irgendwann von diesem Kuss erzählen würde? Was würde Thomas dann tun? Sie wagte es nicht auszudenken. Nein, sie musste ihm gestehen, was passiert war. Doch nicht heute, nein, das würde sie nicht durchstehen. Heute wollte sie einfach nur einen schönen Abend mit ihm verbringen. Warum musste nur immer alles so kompliziert sein? Warum brachte das Leben immer und immer wieder neue Schwierigkeiten, die es zu einer Herausforderung machten? Sie fand keine Antwort darauf. Niemals würde sie eine finden. Ohne sich damit zufrieden geben zu wollen, stand Biggi mit einem Ruck auf, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und schritt den Flur hinab. Als sie zwei Minuten später vor dem Klinikeingang stand und endlich frische Luft atmen konnte, winkte sie einem Taxi und stieg ein, worauf sie geradewegs zur Villa fuhr.

Als sich deren Tür öffnete und Thomas sie mit einem überglücklichen Blick und offenen Armen empfing, ließ sie sich erschöpft an seine Brust sinken. Sie war so froh, wieder zuhause zu sein. Arm in Arm mit Thomas betrat sie die Villa und schließlich das Wohnzimmer. Es war doch schon recht spät geworden, zumindest zu spät, um noch in das Restaurant zu fahren, in dem sie eigentlich vorgehabt hatten zu essen. Als Biggi erblickte, dass Thomas im Wohnzimmer bereits den Tisch gedeckt hatte, fiel es ihr sofort wieder. „Ich habe eine Kleinigkeit für uns gekocht, du hast doch sicher Hunger.“, meinte er im nächsten Augenblick. Biggi lächelte ihn verliebt und dankbar zugleich an und meinte dann: „Oh ja. Du hast gekocht? Wie lieb von dir“ Thomas lächelte. Er nickte und verschwand kurz in der Küche. Wenige Augenblicke später kam er mit einem Tablett zurück, auf dem eine große Schüssel mit noch dampfendem Gemüse stand und eine weitere, die mit Reis gefüllt war. „Oh, lecker.“, Biggi freute sich total. Nachdem Thomas das Tablett auf den Tisch gestellt hatte, ging sie auf ihn zu, umarmte ihn und küsste ihn dann zärtlich zum Dank. Thomas erwiderte es glücklich, er war froh, dass Biggi wieder zuhause war. Die ganze Sache mit Axel war ihm ein ziemlicher Dornen im Auge. Biggi hingegen dachte in diesem Moment gar nicht mehr an Axel und den Kuss vor etwa einer halben Stunde, im Moment war sie einfach nur glücklich, wieder bei Thomas zu sein.

Als sie schließlich wieder voneinander abließen, um das Essen nicht kalt werden zu lassen, setzten sie sich an den liebvoll gedeckten Tisch, in dessen Mitte eine Kerze stand, und begannen zu essen. „Tut mir Leid, dass das mit dem Restaurant nicht geklappt hat.“, meinte Biggi dann irgendwann leise. Sie wusste genau, wie sehr Thomas sich darauf gefreut hatte und sie selbst ja schließlich auch. Er reagierte jedoch verständnisvoll. „Ach Biggi, das macht doch nichts, das holen wir alles nach. Was hältst du davon, wenn wir uns noch ein wenig auf die Terrasse setzen und den Sommerabend genießen?“, schlug er dann vor und fasste nach ihrer Hand. Natürlich hatte es ihm etwas ausgemacht, doch er wusste, dass es nicht allein Biggis Schuld war. Wie sehr musste Axel sie dazu gedrängt haben und wie schuldig ihm gegenüber musste sie sich fühlen? Trotzdem hätte er natürlich viel lieber den ganzen Abend mit ihr verbracht. Und wieder verspürte er diese Wut auf Axel. Ihm wäre es am liebsten gewesen, Biggi würde sich gar nicht mehr mit diesem Anwalt treffen, doch das konnte er ihr schließlich schlecht vorschreiben. Und er wollte es auch nicht. Biggi konnte tun und lassen, was sie wollte, und er wollte sie nicht einengen. Zudem konnte er sie ja zum Teil verstehen und wenn er sah, wie fertig sie die ganze Sache machte, dann tat sie ihm nur noch Leid. Biggi nickte dankbar. „Ach Thomas…“, meinte sie leise seufzend und ließ sich in seine Arme sinken. Er schloss sie ganz fest in die Arme und so blieben sie eine ganze Weile aneinandergekuschelt vor dem Esstisch stehen.

Biggi hatte Thomas’ Vorschlag sofort zugestimmt und so machten die beiden es sich wenig später, nachdem sie abgeräumt hatten, auf der Terrasse gemütlich. Sie hatten sich auf die gemütliche Gartenbank gekuschelt und tranken noch ein Glas Rotwein zusammen. Obgleich es bereits kurz vor 23 Uhr war, war es noch nicht allzu kühl. Nur eine leichte Brise wehte durch die laue Sommernacht. Alles war ruhig. Michael und Dirk schliefen schon längst und das einzige Geräusch, das zu hören war, war das leise Zirpen der Grillen, das eine gewisse Romantik mit sich brachte. Biggi hatte sich in Thomas’ Arme gekuschelt und er strich ihr zärtlich über den Bauch. Er freute sich schon wahnsinnig auf ihr gemeinsames Baby. In dreieinhalb Monaten würde es endlich soweit sein. Biggi hingegen blickte in Gedanken versunken in die tiefe Nacht. Sie fragte sich, ob es wirklich richtig war, dass sie jetzt schon den zweiten Abend hintereinander zum Teil mit einem anderen Mann verbracht hatte. Viel schlimmer noch, sie hatte nicht nur zwei Abende bei ihm verbracht. Sie hatte ihn auch noch geküsst. Wie hatte es nur so weit kommen können? Sie wusste es nicht. Und sie wusste auch nicht, wie Thomas darauf reagieren würde, würde er es erfahren. Verständnis zeigen würde er dafür sicher nicht. Wie auch? Biggi verstand es ja nicht einmal selbst. Sie war zu weit gegangen. Natürlich hatte sie wohl bemerkt, dass Thomas zwar sehr verständnisvoll war was Axel anging, zumal der Anwalt schließlich Biggis Leben gerettet hatte, aber auch, dass ihm nicht wohl bei dem Gedanken war, wenn Biggi Zeit mit Axel verbrachte. Sie fühlte sich so mies. Thomas vertraute ihr und was tat sie? Sie küsste hinter seinem Rücken einen anderen Mann, für den sie eigentlich nicht das Geringste empfand.

So fasste Biggi einen Entschluss. Sie wollte Axel nicht wieder sehen, nie wieder. Sie würde auf die richtige Gelegenheit warten und Thomas dann den Kuss gestehen und hoffen, dass er ihr verzeihen würde. Er war der einzige Mann, den sie liebte, und zudem der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Wie konnte sie nur so leichtsinnig sein und riskieren, ihn zu verlieren? Am liebsten hätte Biggi sich selbst geohrfeigt. Fest stand für sie jedenfalls, dass sie Axel nie wieder sehen wollte und es für sie nur noch Thomas gab und immer nur ihn geben würde, genauso wie es schon die letzten Jahre gewesen war. Natürlich konnte sie nicht ahnen, dass sie Axel bereits in wenigen Tagen wieder sehen würde…

„Woran denkst du?“, fragte Thomas Biggi irgendwann. Er hatte schon die ganze Zeit bemerkt, dass sie abwesend wirkte und immer wieder gedankenverloren in die Nacht sah. „Daran, wie froh ich bin, dass ich dich hab.“, antwortet Biggi ihm lächelnd. Thomas lächelte verliebt zurück und sah ihr dann tief in die Augen. Langsam näherten sie sich einander und küssten sich dann zärtlich. „Ich liebe dich, Thomas.“, meinte Biggi dann und sah ihm in die Augen, „Vergiss das nie.“ „Aber Biggi, wie könnte ich das je vergessen?“, fragte Thomas lächelnd und zog sie noch enger an sich. Biggi dachte wieder an den Kuss mit Axel, sie musste es Thomas sagen. Aber nicht jetzt, nicht heute Abend. Diesen Abend wollte sie nur genießen und sich ein wenig von dem anstrengenden Tag erholen. Sie schmiegte sich an Thomas und küsste ihn sanft, was er glücklich erwiderte. „Ich bin müde, lass uns schlafen gehen, ja?“, meinte Biggi dann. Thomas nickte zustimmend und so standen sie langsam auf und gingen Arm in Arm zurück ins Haus. Als sie wenig später in ihrem Bett lagen und sich ganz tief unter die Decke und ganz eng aneinander gekuschelt hatten, schlief Thomas auch gleich ein. Biggi hingegen lag noch fast zwei Stunden wach. Sie grübelte darüber nach, wie sie Thomas die Sache mit Axel beichten sollte. Fest stand nur, sie musste es ihm sagen, mit dieser Lüge würde sie nicht leben können. Leise seufzend fiel sie dann doch irgendwann total übermüdet in einen unruhigen Schlaf.

Als Gabi und Ralf am nächsten Morgen zusammen mit Gonzo zur Frühschicht die Basis betraten, war noch niemand dort. Die beiden gingen sich umziehen und setzten sich dann zusammen aufs Sofa. Ralf strich Gabi zärtlich über den Bauch, der inzwischen schon sehr rund war. Lange würde es schließlich auch nicht mehr dauern und die beiden waren voller Vorfreude. Für Ralf war klar, dass er dieses Kind immer wie sein eigenes Kind behandeln würde, für es sorgen würde und für es verantwortlich sein würde, obgleich er nicht sicher sein konnte, ob es wirklich sein Kind war. Aber für ihn zählte nicht, wer der biologische Vater war, sondern bei wem das Kind aufwuchs und wen es später „Papa“ nennen würde. Und das war eindeutig er. Lächelnd blickte er Gabi in die Augen, die ihn ebenso glücklich ansah. Langsam näherten sich ihre Gesichter einander an und schließlich verschmolzen ihre Lippen in einem zärtlichen Kuss. Gerade in diesem Moment öffnete sich die Tür zur Basis und Biggi und Thomas eilten in das Gebäude. Biggi hatte die ganze Nacht kaum geschlafen, daher hatte Thomas sie an diesem Morgen kaum aus dem Bett bekommen. Auch jetzt sah sie noch total müde und erschöpft aus. Da ihre Schicht jedoch schon begonnen hatte, warf sie Gabi und Ralf nur ein leises „Morgen“ zu und verschwand dann in der Umkleide. Thomas setzte sich zu den beiden Verliebten. „Was ist denn mit Biggi los?“, erkundigte Gabi sich bei ihm. „Ich glaube, sie hat ziemlich schlecht geschlafen, ich hatte Mühe, sie überhaupt noch zum Aufstehen zu bewegen. Am besten, ich werde gleich den Kaffee aufsetzen.“, antwortete Thomas ihr und begab sich dann in die kleine Basisküche.

Als Biggi wieder aus der Umkleide trat, stand die Thermoskanne mit dem herrlich duftenden Kaffee bereits auf dem Tisch. „Du hast schon den Kaffee fertig?“, wunderte Biggi sich. Thomas nickte, ging auf sie und legte seine Arme um ihre Hüfte. Sie lächelte ihn an. „Irgendwie muss ich dich ja wieder wach bekommen, mein Schatz.“, meinte er lieb und küsste sie dann zärtlich. Gabi und Ralf sahen erst Biggi und Thomas und dann sich mit einem viel sagenden Blick an.

Als sich das Paar wieder langsam voneinander lösen konnte, setzten sie sich alle gemeinsam an den kleinen Tisch bei den Sofas und tranken ihren Kaffee. Gabi blickte immer wieder besorgt zu ihrer Freundin. "Biggi, wenn ich's dir sagen darf .... du siehst heute wirklich alles andere als gut aus. Hast du Probleme mit der Schwangerschaft?" Biggi schüttelte nur den Kopf. "Nein, Gabi, ich hab einfach nur schlecht geschlafen. Aber danke für die Aufmunterung." "Hey, du weißt genau, wie ich es gemeint hab.", gab Gabi zurück. "Ja, sicher. Tut mir Leid.", meinte Biggi nur tonlos und beschäftigte sich weiter mit ihrem Kaffee. Gabi gab fühlte sich zwar nicht ganz wohl bei der Antwort, Biggi hätte nur schlecht geschlafen, gab sich aber vorerst damit zufrieden. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig. Klar, Schlafstörungen waren nicht selten bei Schwangeren in Biggis Stadium. Aber wenn es nur die Müdigkeit wäre, die sich in Biggis Gesicht abzeichnete. Nein, Gabi meinte, noch etwas ganz anderes darin zu erkennen. Aber nicht im Geringsten konnte sie sich vorstellen, was. Mit Thomas konnte es nichts zu tun haben, zumindest hatten sie alles andere als Streit. Sie überlegte und überlegte, suchte nach einer Möglichkeit, bis ihr plötzlich etwas einfiel. Dieser Axel. Ihr Lebensretter. Er hatte sie ganz schön bedrängt, und wegen ihm war Biggi gestern ja auch so besorgt gewesen, weil ihr halber Abend mit Thomas ins Wasser fallen würde. Hatte es vielleicht damit zu tun? War irgendetwas vorgefallen am gestrigen Abend? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Was sollte da schon sein. Axel war vielleicht ein wenig in Biggi verknallt, aber wie sie ihre Freundin kannte, ließ diese das völlig kalt. Schon allein wegen Thomas. Gabi verwarf den Gedanken, nahm sich aber vor, Biggi dennoch anzusprechen. Doch jetzt hatte sie keine Gelegenheit dazu. Thomas hatte den Arm um seinen Liebling gelegt und sie hatte sich an ihn gekuschelt. Biggi bekam es auch von Seiten ihres ungeborenen Kindes zu spüren, dass diese Nacht um einiges erholsamer hätte sein sollen. Immer wieder verspürte sie ein unangenehmes Gefühl im Bauch. Sie hoffe nur, dass nicht bald ein Einsatz kommen würde, sie fühlte sich wirklich nicht fit genug dafür, in der Gegend rumzufliegen und verletzte Leute einzuholen. Und sie hatte Glück. Es kam wirklich kein Einsatz. Die nächsten beiden Stunden verbrachten sie, Thomas, Gabi und Ralf kuschelnd im Aufenthaltsraum. Es wurden nicht viele Worte gewechselt, die Stimmung war im Allgemeinen eher träge als munter. Irgendwann jedoch stand Biggi auf, um auf die Toilette zu gehen. "Brauchst du Hilfe? Von mir zum Beispiel?", fragte Thomas grinsend, als sie aufstand, um in die Umkleide zu gehen. Da musste Biggi doch schmunzeln und sah ihn mahnend an. "Bitte halte dich vor deinem Kind etwas zurück. Es soll doch nicht schon als Säugling so werden wie du." "Hey!", protestierte Thomas und warf ein Kissen nach ihr, doch da war Biggi schon verschwunden. "Ich muss auch mal.", meinte Gabi schließlich, löste sich aus Ralfs Armen und stand prompt auf. Als auch sie auf Biggis Spuren den Raum verlassen hatte, meinte Ralf zu Thomas: " .... da waren's nur noch zwei." Der nickte nur und lächelte.

Gabi wartete in der Umkleide, bis Biggi wieder aus der Toilette hinaustrat. Diese wunderte sich ein wenig, als sie Gabi in der Umkleide erblickte. „Ist wirklich alles ok mit dir?“, fragte die Notärztin ihre beste Freundin besorgt. Biggi sah ihr an und meinte dann zögerlich: „Na ja….“ „Na komm, raus mit der Sprache.“, forderte Gabi sie auf und legte ihren Arm um die Pilotin. Biggi seufzte. „Ich war gestern nach der Schicht bei Axel.“, begann sie dann zu erzählen. Gabi sah ihre Vermutung damit bestätigt. „Er…er hat mich total bedrängt, er kann einfach nicht verstehen, dass ich mit Thomas zusammen glücklich bin und es für ihn keinen Platz in meinem Leben gibt.“ „Verstehe.“, meinte Gabi mitfühlend. „Aber das ist ja noch nicht das Schlimmste.“, gestand Biggi ihr dann. Gabi sah sie überrascht an. „Ich habe ihn geküsst.“, meinte Biggi dann leise und total verzweifelt. Gabi musste erst einmal realisieren, was Biggi ihr da gerade erzählt hatte. Sie konnte es kaum glauben und ihr war klar, dass Axel Biggi sehr bedrängt haben musste, wenn es so weit gekommen war. Sie kannte Biggi jetzt schon lange genug, um zu wissen, dass sie absolut treu war und dass sie nur Thomas liebte und ihn niemals betrügen würde. „Hey, das wird schon wieder.“, versuchte Gabi Biggi zu trösten. „Das sagst du so. Ich habe einen andere Mann geküsst, wenn Thomas das erfährt….“ „Aber er muss es ja nicht erfahren.“ „Gabi, hör auf, ich kann das nicht. Ich werde ihm die Wahrheit sagen, auf Dauer kann ich mich so einer Lüge nicht leben. Ich muss nur die richtige Gelegenheit finden.“ „Du hast ja Recht, ich habe Ralf beider Sache mit Rene auch belogen und es war der größte Fehler meines Lebens.“, meinte Gabi leise. Noch immer fiel es ihr schwer, darüber zu reden. „Ich hab nur so schreckliche Angst, dass Thomas sich von mir trennt. Das würde ich nicht aushalten.“, äußerte Biggi dann aber doch ihre Bedenken. Gabi schüttelte den Kopf. „Er wird sich doch nicht von dir trenne Biggi, Thomas liebt dich über alles und wenn du ihm alles erklärst, dann wird bestimmt wieder alles in Ordnung kommen. Glaub mir.“ Biggi wollte jedoch nicht so wirklich überzeugen lassen. „Du weißt doch, wie eifersüchtig er ist…“ „Ja, aber doch nur, weil er dich so sehr liebt und genau deshalb wird er sich auch nicht von dir trennen, niemals. Er würde es doch auch nicht aushalten ohne dich. Das sieht doch ein Blinder, dass ihr zwei zusammengehört.“ „Meinst du wirklich?“, fragte Biggi noch immer ein wenig skeptisch, doch Gabi nickte überzeugt und so gab Biggi sich zufrieden. „Und nun mach dir keine Sorgen mehr darum.“, meinte die Notärztin. Biggi nickte und zwang sich zu einem Lächeln. Dann gingen sie zusammen zurück in den Aufenthaltraum, wo sie von Thomas und Ralf bereits sehnsüchtig erwartet wurden.

Biggi ließ sich erleichtert von Thomas in den Arm nehmen, irgendwie hatte ihr das Gespräch mit Gabi total geholfen und wenn sie so darüber nachdachte, musste sie ihrer Freundin wirklich Recht geben. Es war absurd, dass Thomas sich von ihr trennen würde. Sie hatten beide so viel zusammen durchgemacht und zudem war sie schwanger von ihm.  Außerdem wusste sie ja auch, dass er sie über alles lebte, genau wie sie ihn, und  sie es beide ohne den anderen nicht mehr aushalten würden. Also beschloss sie die Bedenken wegen Thomas’ Eifersucht zu vergessen und dem Ganzen positiver gegenüber zu stehen.

So vergingen einige Tage und schließlich war es Montag, Gabis letzter Arbeitstag. Biggi hatte zwar noch immer nicht mit Thomas geredet, doch sie hatten sich heute Abend vorgenommen den Besuch in dem Restaurant am Waldsee, den sie wegen Axel ausfallen lasen hatten, nachzuholen. Biggi hatte sich fest vorgenommen, Thomas dann alles zu erzählen. Axel hatte sich nur einmal wieder versucht bei Biggi zu melden, indem er auf der Basis angerufen hatte. Doch Thomas war ans Telefon gegangen, da es die Schicht des A Teams gewesen war, und hatte Axel weiß gemacht, Biggi habe bis zum Ende der Woche Urlaub. Da Axel ihre Privatnummer nicht hatte, hatte er somit keine Möglichkeit gehabt , sie zu erreichen. Er dachte jedoch nicht im Geringsten daran aufzugeben. Schon vor Tagen hatte er sich in der Klinik die Adresse der Medicopterasis geben lassen. Er wusste, dass er mit Glück schon bald aus der Klinik entlassen werden würde. Seine Verletzungen verheilten relativ gut und die Ärzte sahen keinen Grund ihn noch lange dort zu behalten.

Gegen Mittag betrat sei behandelnder Arzt das Zimmer, um ihn zu einer Untersuchung abzuholen. Axel gab im Untersuchungsraum vor, weder noch Schmerzen noch andere Probleme zu haben und drängte die Ärzte beinahe dazu, ihn möglichst bald zu entlassen. Der Oberarzt jedoch hielt dies für zu gefährlich, da Axels Operation gerade einmal gut eine Woche her war. Nachdem Axel ihn jedoch noch eine weitere halbe Stunde bearbeitet hatte, gab er sich schließlich geschlagen. „Ok, wenn Sie es wirklich nicht anders wollen. Sie werden entlassen, allerdings auf eigene Verantwortung.“ Axel stimmte sofort zu. „Na endlich, das wurde ja auch Zeit.“ Am liebsten wäre er sofort aufgesprungen und gegangen, doch der Oberarzt hielt ihn noch einen Moment zurück und überredete ihn schließlich noch zu einer letzten Abschlussuntersuchung. Axel willigte ein, die Hauptsache war für ihn, dass er jetzt endlich aus dieser Klinik rauskam und er hatte nur ein Ziel: Er wollte Biggi wieder sehen.

Diese lag zur selben Zeit mit Thomas zusammen auf der Wiese vor dem Hangar. Es war ein warmer Sommertag und die beiden genossen es total, sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen und einfach nichts zu tun. Biggi hatte ihren Kopf auf Thomas’ Brust gelegt und er hatte seinen Arm um sie gelegt.

Währenddessen waren Peter, Max und Michael dabei noch die letzten Vorbereitungen für die kleine Abschiedsfeier, die sie für Gabi geplant hatten, zu treffen. Selbst Ebelsieder half einwenig mit, soweit es seine Verpflichtungen als Stützpunktleiter zuließen. Vor dem Hangar hatten sie bereits einen großen Tisch aufgebaut, an dem alle Platz finden würden, und einen weiteren, etwas kleineren Tisch für das Buffet, das der Partyservice in den nächsten Minuten liefern sollte. Gerade hatten sie die letzte Tischdecke auf dem kleinen Tisch ausgebreitet, schon fuhr der Lieferwagen des Partyservices auf den Parkplatz der Basis. Michael eilte nach vorn zum Eingang, um alles in Empfang zu nehmen und dem Lieferanten den Weg zum Hangar zu zeigen. Inzwischen war Peter auf dem Weg zu Thomas und Biggi, die noch immer gemütlich im hohen Gras lagen und ihre Zweisamkeit genossen. „Hey, ihr beiden Faulpelze, was haltet ihr davon, uns ein wenig zu helfen, nachdem wir schon fast alles alleine aufgebaut haben? Der Partyservice ist jetzt da.“ Thomas und Biggi sahen erschrocken auf und blickten in Peters ein wenig vorwurfsvoll dreinblickendes Gesicht. Zwar hatten die beiden keine sonderliche Lust jetzt aufzustehen, doch sie sahen ein, dass sie den anderen eigentlich schon viel früher hätten helfen sollen. So stand Thomas langsam auf, reichte Biggi die Hand und zog sie hoch. Arm in Arm folgten sie dann langsam Peter in Richtung Hangar. „Na, sieh an, unsere beiden Turteltäubchen haben es heute noch geschafft….“, begrüßte Max sie grinsend. Dann verteilte er die restlichen Aufgaben. Da sie nun immerhin zu sechst waren, war schnell alles fertig. Ralf und Gabi konnten nun kommen. Die Schicht des B Teams würde in einer halben Stunde beginnen, also würden sie spätestens in 20 Minuten auf der Basis eintreffen.

So lange brauchten sie anderen jedoch nicht zu warten, denn bereits fünf Minuten später sahen sie Ralfs Auto auf den Parkplatz fahren. Er und Gabi stiegen aus und gingen Arm in Arm auf den Eingang zu.

„Nanu, keiner da?“, fragte Gabi, als sie sah, dass der Aufenthaltsraum leer war, denn sie hatte den Helicopter draußen auf der Landeplattform stehen sehen. Ralf grinste nur, er war natürlich eingeweiht. Doch auch Gabi hatte sich bereits gedacht, dass die Kollegen heute irgendetwas mit ihr vorhaben würden.

Ralf nahm ihre Hand und führte sie durch den Flur in den Hangar und schließlich nach draußen, wo sie von den anderen bereits erwartet wurden. Gabi staunte nicht schlecht, als sie das Buffet erblickte. „Aber Leute, das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen… also ich weiß gar nicht, was ich sagen soll… danke.“ „Hey, heute ist dein letzter Tag bei uns, da müssen wir dich doch wohl richtig verabschieden dürfen.“, meinte Michael und kam grinsend auf sie zu. „Ich kann meine beste Notärztin doch nicht einfach so gehen lassen. So leicht machen wir es Ihnen nicht, Frau Dr. Kollmann.“, setzte nun Ebelsieder hinzu. „Ihr macht mir den Abschied aber echt schwer.“, meinte Gabi daraufhin, bevor sie ihre Kollegen nacheinander umarmte. Zwar wusste sie, dass sie die Arbeit auf der Basis und natürlich auch ihre Kollegen schrecklich vermissen würde, doch sie freute sich natürlich auch unheimlich auf das Baby. Nun, nachdem die ganze Geschichte mit Rene endgültig vorbei war, konnte sie ihr Glück mit Ralf wahnsinnig genießen und es kaum noch abwarten, bis sie endlich ihr Kind zur Welt bringen würde.

Wenig später saßen sie alle um den großen Tisch versammelt und bedienten sich am Buffet. Gabi war total glücklich, sie hätte am liebsten die ganze Welt umarmt. Biggi war weniger erfreut darüber, dass Gabi nun nicht mehr mit ihr in einem Team fliegen würde, doch sie gönnte ihrer Freundin das Glück total, nach alldem, was sie durchgemacht hatte. Zudem würde es bei ihr ja auch bald soweit sein. Glücklich lächelte sie Thomas, der neben ihr saß, an und lehnte sich leicht an ihn. Er legte liebevoll seinen Arm um sie und zog sie noch ein Stückchen näher zu sich. Gabi beobachtete die beiden Piloten lächelnd, dann wandte sie sich wieder Ralf zu.

Etwa eine Stunde später fuhr ein hellgelbes Taxi gerade vom Gelände des Kreiskrankenhauses. Der Fahrer fuhr in Richtung Medicopterbasis, wie der Fahrgast, ein junger Anwalt im Anzug, der auf Krücken ging und vor kurzen einen Unfall gehabt zu haben schien, es ihm aufgetragen hatte. Axel wollte nur eins, zu Biggi. Er war fest davon überzeugt, dass sie tatsächlich Urlaub gehabt hatte und ihn deshalb auch nicht mehr besuchen gekommen war. Er als erfolgreicher Anwalt hatte bis jetzt alles in seinem Leben erreicht, was er wollte. Nur eins fehlte ihm noch – die perfekte Frau an seiner Seite, die er in Biggi gefunden zu haben schien. Und er war fest davon überzeugt, dass er sie auch bekommen würden. Sie würde schon einsehen, dass er der perfekte Mann für sie war, dafür würde er sorgen.

Etwa nach der halben Strecke, bat er den Fahrer kurz anzuhalten. Er hatte einen Blumenladen erblickt - dass er darauf nicht schon früher gekommen war. Langsam ging er auf seine Krücken gestützt in den Laden und kaufte nach einigen Minuten Überlegen einen großen Strauß rote Rosen. Er ließ die Blumen schön verpacken und kehrte dann zum Taxi zurück. „Ok, es kann weitergehen.“, wies er den Taxifahrer an, der die Fahrt daraufhin fortsetzte.

Währenddessen verabschiedete Michael sich auf der Basis langsam von den anderen. Seine Schicht war schon lange zu ende und er wollte langsam nachhause begaben, da er noch ein wenig Zeit mit Dirk verbringen wollte. Peter und Thomas blieben noch eine Weile. Peter hatte es schließlich nicht weit nachhause und Thomas blieb wie immer wegen Biggi. Sie hatten besprochen, dass er noch ein wenig auf der Basis bleiben würde, bevor er dann nachhause fahren und sich umziehen würde, um dann Biggi zum Schichtende hin wieder abzuholen.

So verbrachten die Kollegen noch etwa eine halbe Stunde gemütlich zusammen vor dem Hangar. Die Sonne schien und das Wetter war wunderschön und warm. Gabi genoss den letzten Tag noch einmal so richtig. Glücklicherweise hatten sie bis jetzt keinen einzigen Einsatz – bis jetzt. Denn einige Minuten später meldetet sich die Rettungsleitstelle: „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, Verkehrsunfall auf der B 407 in der Nähe von Schwarzach. GPS Koordinaten folgen über Funk. „Verstanden, wir übernehmen.“, bestätigte Ralf über sein Walkie. Biggi verabschiedete sich noch kurz von Thomas. Er wollte jetzt nachhause fahren, da Biggi mit großer Wahrscheinlichkeit erst kurz vor Schichtende von dem Einsatz zurück sein würde. Sie drückte ihm noch einen letzten Kuss auf den Mund. „Ich freu mich wahnsinnig auf heute Abend.“, meinte sie dann noch lächelnd, bevor sie sich endgültig umdrehte und Gabi und Ralf hinterher zum Heli lief. „Und ich mich erst.“, rief Thomas ihr noch hinterher, worauf Biggi sich dann doch noch einmal umdrehte und ihm zuwinkte. Dann stieg sie ins Cockpit und hob wenige Sekunden später ab. Die anderen sahen dem Helicopter nach so lange nach, bis er nur noch als ein winziger Punkt am Horizont zu sehen war.

Thomas verabschiedete sich dann auch von den anderen und machte sich auf den Nachhauseweg. Er freute sich wahnsinnig auf den gemeinsamen Abend mit Biggi. Seit sie diesen Axel nicht mehr gesehen hatte, wirkte sie auf ihn wieder viel glücklicher und ausgeglichener und er war froh, dass sie die ganze Sache so wie es aussah endlich hinter sich hatten. Mit den Gedanken bei Biggi stieg er lächelnd in sein Auto ein und fuhr los.

Peter und Max begannen währenddessen schon ein wenig mit dem Aufräumen.

Nachdem Biggi am Einsatzort gelandet war, sprangen Gabi und Ralf sofort aus dem Heli und eilten zu dem verletzten Autofahrer, der von Passanten bereits aus dem Wrack befreit und auf den Grünstreifen gelegt worden war. Es stand nicht gut um den Mann, das erkannte Gabi gleich. Doch sie tat wie immer alles, um den Verletzten zu retten. Gerade jetzt, bei ihrem wahrscheinlich letzten Einsatz. Zumindest für die nächsten Monaten. „Ralf, gib mir 10 ml Atropin und mach eine Ringerlösung fertig.“, wies sie ihren Kollegen an. Ralf erledigte seine Arbeit sorgfältig. Nachdem Gabi dem Patienten noch eine weitere Infusion angelegt hatte und ihn an das EKG und den Sauerstoff angeschlossen hatte, hatte sie ihn dann endlich transportbereit.

Zur selben Zeit hielt das hellgelbe Taxi, das vor einiger Zeit am Kreiskrankenhaus losgefahren war und einen Zwischenstopp bei einem Blumenladen eingelegt hatte, vor der Medicopterbasis. Axel bezahlte das Taxi und stieg dann aus. Den Rosenstrauß klemmte er sich vorsichtig unter den Arm, da er durch die Krücken keine Hand mehr frei hatte. Dann ging er langsam auf den Eingang der Basis zu. Umständlich gelang es ihm die Tür zu öffnen und schließlich in den kleinen Flur einzutreten. Im Aufenthaltsraum war jedoch niemand und Axel befürchtete bereits, dass er Biggi hier nicht antreffen würde. Aufgeben wollte er jedoch noch nicht. Vielleicht war sie ja doch da. „Hallo?“, rief er fragend, doch er erhielt keine Antwort. Wenige Sekunden später jedoch streckte Peter seinen Kopf aus der Tür, die zum Hangar führte und ging dann auf Axel zu. „Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?“, fragte er freundlich, während er den Anwalt musterte. Er hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen. „Vielleicht. Ich wollte zu Biggi Schwerin.“ „Oh…ach so… Biggi ist gerade im Einsatz, aber warten Sie doch einen Augenblick, sie wird sicher bald zurück sein. Wir haben noch Kaffee da, wenn Sie möchten, mache ich Ihnen eine Tasse fertig.“, bot Peter ihm an. Axel nickte dankbar und ließ sich dann von Peter in den Aufenthaltsraum führen, wo er sich erst einmal an den Tisch setzte. Das Gehen auf Krücken war doch ziemlich anstrengend. Peter fragte sich in währenddessen, was dieser Mann von Biggi wollte. Der große Strauß rote Rosen, den er mit sich trug, war ihm natürlich nicht unbemerkt geblieben. Als er mit einer Tasse Kaffee in der Hand wieder zurück in den Aufenthaltsraum kam, beschloss er nachzufragen. Axel nahm es ihm jedoch ab. „Vielen Dank.“, meinte er und nahm die Tasse entgegen. „Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt, Axel Wertheim, Anwalt.“ Er streckte Peter die Hand entgegen. „Peter Berger, Sanitäter.“, erwiderte dieser nur. Axel Wertheim, natürlich, der Anwalt, der Biggi das Leben gerettet hatte. Warum war er da nicht schonfrüher drauf gekommen, die Krücken, das verletzte Bein…. Nur fragte Peter ich noch immer, warum Axel Biggi anscheinend so einen großen Strauß Rosen schenken wollte. Eigentlich ging es ihn ja nichts an, aber irgendwie ließ es ihm keine Ruhe. „Da wird Biggi sich ja sicherlich freuen.“, meinte er, wobei er auf den Rosenstrauß deutete. „Na hoffentlich.“, gab Axel zurück, „Wissen Sie, Biggi ist etwas ganz besonderes. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie eine so wunderbare Frau getroffen…“, begann Axel zu schwärmen. Dann faste er sich jedoch schnell wieder. Was tat er hier eigentlich? Er hatte gerade einem wildfremden Mann seine Gefühle für Biggi eingestanden. Er räusperte sich. „Entschuldigung.“ Peter sah ihn nur ernst an. „Sie wissen aber schon, dass Biggi bereits vergeben ist? Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte nur nicht, dass es Ärger gibt…..“ Axel blinzelte wütend. „Dann mischen Sie sich nicht in meine Privatangelegenheiten ein.“ Natürlich wusste er, dass Biggi bereits fest vergeben war, doch noch immer war er sich seines Sieges sicher.

Die nächste halbe Stunde verbrachten sie schweigend. Peter hatte ein ungutes Gefühl dabei, Axel allein im Aufenthaltsraum zu lassen. Irgendetwas sagte ihm, dass dieser Anwalt Ärger machen würde.

Dann jedoch war das Rotorengeräusch einer BK 117 zu hören und wenige Augenblicke später setzte Biggi den Helicopter auf der Landeplattform vor dem Hangar auf. Zusammen mit Ralf und Gabi begab sie sich langsam auf den Hangar zu. „Mann bin ich froh, dass wir den Mann retten konnten, das war echt knapp.“, meinte Gabi erleichtert. Das war wirklich das Letzte, was sie hätte gebrauchen können, ein Todesfall bei ihrem letzten Einsatz. Doch es war ja alles gut gegangen. Ralf legte den Arm um sie und so betraten sie alle drei gemeinsam den Flur, nicht ahnend wer zusammen mit Peter im Aufenthaltsraum saß und wartete.

Zur selben Zeit verließ Thomas das Haus und ging zu seinem Auto. Er hatte sich richtig schick gemacht für den gemeinsamen Abend mit Biggi, auf den er sich wahnsinnig freute. Bester Laune stieg er in sein Auto und fuhr los in Richtung Basis, um seine Liebste abzuholen. Auf dem Beifahrersitz lag ein großer Strauß roter Rosen – Biggis Lieblingsblumen.

Nichts ahnend betrat das B Team den Aufenthaltsraum. Gabi entdeckte Axel zuerst. Sie erkannte ihn sofort wieder, doch noch ehe sie etwas sagen konnte, hatte auch Biggi ihn gesehen. Sie brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, wer dort überhaupt neben Peter am Tisch saß. Doch schon begrüßte Axel sie erfreut. „Biggi, na endlich, ich habe schon auf dich gewartet, schön dich zu sehen.“ „Hallo Axel.“, brachte Biggi nur leise hervor. Sie war komplett verwirrt. Was wollte Axel hier? Warum war er nicht mehr in der Klinik? Sie hatte ihn doch nicht wieder sehen wollen und jetzt? Warum gerade heute? Ein rascher Blick auf die Uhr, verriet ihr, dass ihre Schicht noch zwanzig Minuten dauern würde. Hoffentlich war Thomas bald hier. Was sollte sie denn jetzt zu Axel sagen? Dass sie sich freute ihn zu sehen? Am liebsten hätte sie ihm genau das Gegenteil ins Gesicht gesagt, doch bei seinem Anblick, die Krücken, seine Verletzungen. Sofort waren da wieder diese Schuldgefühle.

„Ich glaube wir gehen dann mal.“, meinte Ralf grinsend. Er hatte die Situation anscheinend völlig falsch verstanden. Natürlich konnte er auch nicht ahnen, dass Biggi alles lieber wollte, als mit Axel allein zu sein. Gabi wollte protestieren, sie wusste schließlich, was jetzt wahrscheinlich in Biggi vorging. Doch welche Argumente hatte sie? Sie konnte ihre Freundin schließlich nicht vor Axel bloßstellen, indem sie ihn erfahren ließ, dass Biggi ihn am liebsten nie mehr wieder sehen würde. Also warf sie Biggi noch einen letzten zweifelnden Blick zu, bevor Ralf sie endgültig in die Umkleide schob. Biggi wusste partout nicht, was sie machen sollte, als dann auch noch Peter den Aufenthaltsraum verließ.

„Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?“, fragte Axel dann ein wenig enttäuscht nach, nachdem Biggi immer noch auf die Tür starrte, hinter der Peter gerade verschwunden war. „Ähm…doch, doch, natürlich.“, stammelte sie schnell. Sie war total in Gedanken gewesen. Wenn Thomas doch endlich hier wäre! Doch Thomas war noch nicht da und er würde auch erst in einigen Minuten auf der Basis eintreffen.

Axel überreichte Biggi den Rosenstrauß. „Für dich, ich hoffe sie gefallen dir.“, meinte er mit einem charmanten Lächeln. „Danke“, brachte Biggi nur monoton hervor. Sie fragte sich, ob Axel wusste, dass rote Rosen ihre Lieblingsblumen waren und wenn ja, woher. „Ich hoffe, du hattest einen schönen Urlaub. Davon hattest du mir gar nichts erzählt.“, meinte Axel dann ein wenig vorwurfsvoll. „Ähm…hab ich nicht?“, stellte Biggi sich überrascht. „Aber danke der Nachfrage, er war sehr schön. Mein Freund und ich haben die Zeit sehr genossen.“, versuchte sie wieder einmal Axel davon zu überzeugen, dass sie mit Thomas glücklich war und es in ihrem Leben keinen Platz für einen anderen Mann mehr gab. Doch wieder vergebens. So schnell wollte Axel nicht aufgeben, das hatte er sich von Anfang an geschworen. „Ich habe dich schrecklich vermisst, Biggi. Die letzten Tage waren einfach schrecklich….“ Nachdem Biggi nichts darauf erwiderte, sondern nur auf den Boden sah, startete Axel einen letzten Versuch. „Du hast mich doch auch vermisst oder? Wenigstens ein bisschen?“ Biggi rang mit sich. Was sollte sie ihm darauf antworten? Natürlich hatte sie ihn nicht vermisst, nicht mal ein kleines bisschen. Und sie würde diesen Anwalt auch niemals vermissen. Sie empfand nicht das Geringste für ihn, das einzige, was sie mit ihm verband, war die Tatsache, dass er ihr Lebensretter war. Doch sie stand nun einmal in seiner Schuld, sie konnte ihn doch nicht einfach so vor den Kopf stoßen, oder? Andererseits wusste sie, dass so etwas wie der Kuss an Axels Krankenbett nie wieder passieren durfte. Das hatte sie sich geschworen. Sie liebte Thomas, nur ihn und niemals würde sie ihn betrügen wollen.

Zur selben Zeit erreichte Thomas die Basis. Er stellte sein Auto auf dem Parkplatz ab und griff dann nach dem Rosenstrauß auf dem Beifahrersitz. Biggi jedoch hatte sein Kommen noch nicht bemerkt. Ebenso wenig wie Axel, der Thomas erstens nicht kannte und zweitens nur auf Biggi fixiert war. Während sie noch immer mit ihrem Gewissen kämpfte, ergriff er schließlich die Initiative. Er trat ganz nah vor sie und konnte sie gerade noch an den Armen festhalten, als sie erschrocken zurücktreten wollte. Biggi wollte sich losreißen, doch das ließ er nicht zu. "Axel, bitte, das hat doch keinen Sinn. Lass mich los." "Jetzt sag schon, hast du mich vermisst oder nicht?", drängte er weiter und machte keine Anstalten, sie loszulassen. Biggi wusste nicht, was sie antworten sollte. Als sie weiter schwieg, meinte er: "Na gut, dann muss ich es eben anders aus dir herauskitzeln." Noch bevor sie irgendetwas tun konnte, befanden sich seine Lippen schon auf ihren. Biggi war geschockt und blieb für ein paar Sekunden einfach starr stehen. Es waren ein paar Sekunden zuviel. Thomas war genau in dem Moment in die Aufenthaltsraumtür getreten und ließ vor Schreck den Rosenstrauß fallen. Als er wieder ein wenig zu sich kam und all das registrierte, stürzte er auf die beiden zu, packte Axel am Kragen, riss ihn von Biggi los und knallte ihm seine Faust ins Gesicht. Darauf fiel der Anwalt zu Boden, doch Thomas riss ihn unsanft wieder hoch, stellte ihn vor sich hin und brüllte: "Du Schwein!! Was soll das, hä??" Dann drehte er sich um in Biggis Richtung, ohne Axel loszulassen, und fragte sie leise und den Tränen nahe: "Warum? Warum hast du das getan?" Biggi, die immer noch total schockiert auf der Stelle stand und tränenfeuchte Augen hatte, konnte gar nicht antworten, als Axel triumphierend meinte: "Ich schätze, du bist Thomas. Tja, ich kann verstehen, dass du so sauer bist. Biggi küsst traumhaft." Darauf konnte Thomas sich nicht mehr halten, schon wollte er ihm ein weiteres Mal einen Faustschlag versetzen, doch Axel riss sich los und wich aus. "Was willst du damit sagen?", brüllte Thomas. Die Ader an seiner Stirn schwoll an und vor Aufregung konnte er kaum noch atmen. "Na, dass es nicht das erste Mal war, dass wir uns geküsst haben. Gib's doch zu, Biggi." Darauf wandte sich Thomas von Axel ab, trat vor Biggi und sah ihr in die Augen. "Sag mir die Wahrheit.", flüsterte er. "Hat er Recht?" Biggi schluckte ihre Tränen und versuchte, überhaupt mal ein Wort rauszubringen. "Ich ... ich ..." Sie wagte es kaum, ihm in die Augen zu sehen. "Ich hab es nicht gewollt." Thomas spürte das Blut in seinen Adern gefrieren.

Das war zu viel. Abrupt wandte er sich von Biggi ab und verließ fluchtartig den Aufenthaltsraum. „Thomas, warte!!!“, schrie Biggi ihm hinterher. Doch Thomas war bereits auf dem Parkplatz angekommen. Biggi stützte ihm hinterher. „Thomas, bitte bleib stehen!“, rief sie mit Tränen in den Augen, während Thomas zu seinem Wagen eilte und einstieg. Er sah sich nicht einziges Mal um zu Biggi und verließ dann mit quietschenden Reifen die Basis. Biggi konnte nur noch die Rücklichter seines Autos sehen. Langsam realisierte sie erst, was gerade überhaupt geschehen war. Axel hatte sie geküsst und Thomas hatte es gesehen. Immer mehr Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie musste Thomas nach, mit ihm reden, ihm alles erklären. Aber wie? Ihre Schicht war noch nicht ganz zu Ende und zudem war sie heute Morgen zusammen mit Thomas gekommen und hatte nun kein Auto. Verzweifelt ließ Biggi sich an die Wand des Basisgebäudes sinken. Doch plötzlich verspürte sie noch etwas anderes neben ihrer Verzweiflung – eine unheimliche Wut auf Axel. Was fiel dem eigentlich ein? Biggi fasste sich ein wenig, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und stapfte wieder in den Aufenthaltsraum. Im Eingang lag noch immer der Strauß Rosen, den Thomas dort fallen lassen hatte. Bei diesem Anblick stiegen Biggi wieder Tränen in die Augen. Sie wischte sie sich zwar erneut weg, doch es kamen immer neue nach.

Axel hatte sich inzwischen wieder an den Tisch gesetzt und empfing sie mit einem triumphierenden Blick. Er sah sich an seinem Ziel angelangt. Biggi jedoch schrie ihn an. „Was fällt dir eigentlich ein? Hast du vollkommen den Verstand verloren?“ Sie ging auf ihn zu und gab ihm eine schallende Ohrfeige. „Aber Biggi…“ „Kein aber Biggi!! Du bist doch total durchgeknallt, Axel!!! Aber ich schwöre dir, wenn Thomas mir nicht glaubt, dann bringe ich dich um!!!“, Biggi war total außer sich. „Nun beruhige dich doch erstmal, Biggi. Vielleicht war er einfach nicht der Richtige für dich.“, versuchte Axel es erneut. Jetzt reichte es Biggi endgültig. „Raus! Ich will dich nie wieder sehen, hörst du? Nie wieder! Verschwinde aus meinem Leben!“ „Ist ja gut, ist ja gut.“, meinte Axel beschwichtigend. Er glaubte fest daran, dass Biggi sich wieder beruhigen würde, Thomas sich, nach dem was er gesehen hatte, von ihr trennen und er dann mit ihr zusammen glücklich werden würde. Langsam stand er auf und verließ den Aufenthaltsraum. Draußen nahm er sich sein Handy aus der Tasche und rief sich ein Taxi. Biggi hatte sich inzwischen aufs Sofa gesetzt und den Kopf in die Hände gestützt. Es hatte so ein schöner Abend werden sollen und jetzt? Sie sah nervös auf die Uhr, noch 10 Minuten hatte sie Schicht. Sie musste doch sofort zu Thomas! Sie hoffte so sehr, dass er ihr glauben würde und sie ihm alles erklären konnte. Andererseits war ihr eigentlich klar, dass es so einfach sicherlich nicht werden würde. Thomas hatte immerhin gesehen, wie Axel sie geküsst hatte. Dass sie das alles nicht gewollt hatte und nur zu geschockt gewesen war, um irgendwie zu reagieren, hatte er natürlich nicht sehen können. Und wenn sie sich vorstellte, sie würde Thomas in so einer Situation mit einer anderen Frau erblicken…. Nein, wahrscheinlich würde sie sich auch nicht so einfach erklären lassen, dass es alles nur ein Missverständnis war. Verzweifelt schluchzte sie und vergrub den Kopf in ihren Armen.

Zur selben Zeit befand Thomas sich auf der Landstraße zwischen der Basis und der Villa. Er fuhr viel zu schnell und konnte sich absolut nicht auf die Straße konzentrieren. Immer wieder rannen ihm Tränen über die Wangen. Niemals hätte sich das erträumt. Biggi, seine Biggi, hatte ihn betrogen. Mit diesem Anwalt. Er hatte gleich ein ungutes Gefühl gehabt. Doch niemals hatte er sich ausgemahlt, dass es soweit kommen könnte. Er hatte doch gedacht, dass Biggi ihn genauso sehr liebte, wie er sie. Doch anscheinend musste er sich getäuscht haben.

Es kam ihm so vor, als würde sein ganzes Leben einfach zusammenfallen wie ein Kartenhaus und er konnte nicht das Geringste dagegen tun. Er war vollkommen verzweifelt. Warum hatte Biggi ihm das nur angetan? Sie waren doch so glücklich gewesen. Oder war Biggi etwa nicht glücklich gewesen mit ihm zusammen? War sie mit Axel glücklicher? Alles schien darauf hinzuweisen. Thomas verstand das alles nicht. Wie oft hatte Biggi ihm bezeugt, ihn über alles zu lieben, dass er für sie der wichtigste Mensch auf der Welt war – ebenso wie sie für ihn. Sollten das alles Lügen gewesen sein?

Plötzlich riss ihn ein Geräusch aus den Gedanken - der Klingelton seines Handys. Obgleich er es sich schon denken konnte, sah er auf das Display, auf dem „Biggi ruft an“ stand. Daneben war ein kleines, blinkendes Herz zu sehen. Ohne zu zögern drückte Thomas das Gespräch weg und schaltete das Handy aus. Er wollte jetzt nicht mit Biggi reden, er wollte mit niemandem reden – schon gar nicht mit ihr, er wollte einfach nur noch allein sein. Was gab es schon noch zu reden? Biggi hatte ihn betrogen. Sie hatte alles kaputt gemacht. Er hatte wirklich geglaubt, mit ihr die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Doch scheinbar hatte er sich getäuscht. Für ihn stand jedenfalls fest, dass er die Beziehung beenden würde. Vielleicht betrog sie ihn ja schon länger? Thomas malte sich die gespenstischsten Dinge aus. Vielleicht waren Axel und Biggi ja schon miteinander im Bett gewesen? Bei der Vorstellung daran lief es ihm eiskalt den Rücken herunter. Er wusste einfach nicht mehr, was er glauben sollte, was Wahrheit und was Lüge war. Er wusste nur, was er gesehen hatte. Biggi hatte diesen Anwalt geküsst und das anscheinend nicht zum ersten Mal.

Die Pilotin hingegen versuchte noch immer verzweifelt Thomas über sein Handy zu erreichen. Doch jedes Mal ertönte nur die gleiche Ansage am anderen Ende: „Hier ist die Mailbox von Thomas Wächter. Zurzeit bin ich leider nicht zu erreichen. Bitte hinterlassen Sie mir eine Nachricht nach dem Signalton.“

Als Gabi gutgelaunt, da nun endlich Schichtende war, in den Aufenthaltsraum trat, stolperte sie beinahe über einen großen Strauß roter Rosen, der noch immer mitten in der Tür lag. Wenige Sekunden später erblickte sie Biggi, die total fertig und schluchzend auf dem Sofa saß und auf ihr Handy sah. Gabi war zusammen mit Ralf, Peter und Max im Hangar gewesen, sie hatten sich ein Duell am Kicker geliefert und Max und Peter hatten schon Wetten abgeschlossen, wie Gabis Ersatz sich wohl am Tischfußball machen würde. Von der Tragödie, die sich im Aufenthaltsraum abgespielt hatte, hatten sie alle nichts mitbekommen.

„Oh mein Gott, Biggi, was ist denn passiert?“, fragte Gabi total besorgt, während sie sich neben ihre beste Freundin setzte und sie tröstend in den Arm nahm. Biggi sah sie mit tränengeröteten Augen an. „Ach Gabi…es ist alles aus.“, meinte sie nur und ließ sich in ihre Arme sinken, wo sie richtig anfing zu weinen. Die Notärztin hatte Mühe ihre Freundin wieder zu beruhigen. „Hey Biggi, was ist denn so schlimmes passiert. Jetzt gehen wir beide am besten erstmal in die Umkleide und dann erzählst du mir alles ganz in Ruhe. Wir finden sicher eine Lösung, hm? Wir haben doch bis jetzt immer alles wieder hinbekommen…“ Biggi nickte nur stumm, obgleich sie noch keine Lösung für ihr Problem sah.

In der Umkleide erzählte sie dann Gabi alles. Es tat richtig gut, darüber mit jemandem zu reden. „… Axel hat mich einfach geküsst und Thomas… er hat alles gesehen. Dann hat er Axel angeschrieen und schließlich hat Axel ihm ins Gesicht gesagt, dass es nicht das erste Mal war, dass wir uns geküsst haben….“ Wieder musste Biggi sich die Tränen aus dem Gesicht wischen. Sie fühlte sich so mies. „Und dann ist Thomas ohne ein weiteres Wort weg. Ich wollte ihm hinterher und ihm alles erklären, aber die Schicht war ja noch nicht zu Ende und ich hatte kein Auto.“ Gabi nickte verständnisvoll. „Pass mal auf, wir ziehen uns jetzt um und dann fahre ich dich nachhause, Ralf hat sicher nichts dagegen. Dort redest du dann mit Thomas, erklärst ihm alles und ich bin mir sicher, er wird dich verstehen und dann wird alles wieder gut, hm?“ Biggi nickte und schaffte sogar ein kleines Lächeln, obgleich sie noch nicht so ganz daran glaubte, dass so einfach alles wieder gut werden würde. Sie sah immer wieder Thomas’ Blick vor sich, wie er sie angesehen hatte. Sie konnte ganz deutlich diese Enttäuschung in seinen Augen erkennen. Sie hatte sein Vertrauen missbraucht, ihn betrogen. Wie hatte es nur so weit kommen können?

Thomas war währenddessen zuhause angekommen. Michael war mit Dirk unterwegs, so war er ganz allein in der Villa. Er hing seine Jacke an den Harken, ließ sich in der Küche auf einen Stuhl sinken und dachte nach. Über sich und Biggi. Doch zu einem wirklichen Ergebnis kam er nicht. Er wusste weder, wie es dazu kommen konnte, noch wusste er, warum Biggi das getan hatte, und schon gar nicht, wie es jetzt weitergehen sollte. Es dauerte nicht lange und er holte sich ein kühles Bier aus dem Kühlschrank und wenig später noch eins…Normalerweise trank er nicht viel Alkohol, aber er brauchte das jetzt. Er konnte sich nicht erinnern, in den letzten Jahren jemals so am Boden gewesen zu sein, jemals von jemandem so verletzt worden zu sein als an dem heutigen Tag von Biggi. Es kam ihm vor, als stünde er vor dem nichts. Was hatte er denn noch? Die Frau, die er über alles liebte, hatte ihn betrogen. In seinem Job würde er ihr ständig über den Weg laufen, seine Kinder lebten bei seiner Ex-Frau und das Kind, das in Biggis Bauch heranwuchs? Er wusste es nicht, er wusste sowieso gar nichts mehr, spürte nur noch diese Trauer, Verzweiflung und Wut.

Biggi, Ralf und Gabi verließen wenig später die Basis. Auf direkten Weg fuhr Gabi zur Villa, wobei Biggi immer nervöser wurde. Sie hatte solche Angst vor Thomas’ Reaktion. Wenn er sie wirklich verlassen würde, dann wusste sie partout nicht mehr, was sie machen sollte. Gabi und auch Ralf, der inzwischen alles mitbekommen hatte, redeten ihr die ganze Fahrt über gut zu und am Ende war Biggi wirklich davon überzeugt, dass sich alles regeln würde. Gabi hielt an der Straße, gegenüber von der Villa. Langsam stieg Biggi aus. „Viel Glück“, wünschten Gabi und Ralf ihr noch. „Und Biggi? Wenn irgendwas ist, du weißt, dass du immer zu uns kommen kannst.“, fügte Gabi noch hinzu. Biggi nickte dankbar. „Danke… für alles.“, meinte sie. Dann drehte sie sich um, ging über die Straße und schließlich den Weg zur Haustür entlang. Thomas’ Wagen stand vor dem Haus, zuhause war er also. Biggi atmete noch einmal tief durch, bevor sie den Schlüssel ins Schloss steckte und schließlich die Tür öffnete. Es dämmerte schon, doch ein schwacher Lichtstrahl fiel durch die einen Spalt offene Küchentür in den dunklen Flur. Biggi knipste das Licht an und zog ihre Jacke aus. „Thomas?“, fragte sie dann vorsichtig. Thomas wurde durch Biggis Stimme total aus den Gedanken gerissen. Er hatte bereits fünf Flaschen Bier geleert und war nicht mehr ganz nüchtern. Nüchtern genug jedoch, um noch immer genau zu wissen, dass er Biggi nicht sehen wollte. Er stand auf und ging langsam auf die Küchentür zu. Dann betrat er den Flur. Biggi sah ihn an. Thomas erkannte, dass sie Tränen in den Augen hatte. „Thomas, bitte, wir müssen reden.“, meinte sie leise und sah ihm in die Augen. Auf seinen Wangen vermochte sie die Spuren von Tränen zu erkennen. „Ich wüsste nicht worüber.“, antwortete er ihr jedoch abweisend. Biggi zuckte zusammen. So kannte sie ihn überhaupt nicht. Schnell bemerkte sie jedoch, dass er etwas getrunken hatte. „Ich kann dir das alles nicht erklären. Es ist nicht so, wie du denkst….“ „Ja, natürlich nicht… Mensch Biggi, hört doch auf. Ich bin doch nicht blöd, ich weiß was ich gesehen habe!“ Mit diesen Worten drehte Thomas ihr den Rücken zu, verschwand wieder in der Küche und knallt die Tür hinter sich zu. Biggi stand einige Augenblicke wie angewurzelt im Flur und ließ die Szene, die sich gerade abgespielt hatte, noch einmal Revue passieren, wobei ihr erneut Tränen in die Augen stiegen. Warum gab Thomas ihr nicht einmal die Chance, ihm zu erklären, was vorgefallen war? Langsam ging sie auf die Küchentür zu, öffnete sie und trat ein. Thomas saß am Tisch und sah sie an. „Bitte, hör mir doch wenigstens zu. Es tut mir so Leid, ich wollte das alles doch nicht…“, sagte Biggi leise. Thomas sah sie noch immer an. „Biggi, es gibt nichts mehr zu bereden, es ist ein für alle mal aus. Ich habe dir vertraut und du hast mich betrogen. Und ich dachte immer, du liebst mich, aber da habe ich mich ja anscheinend geirrt…“ Thomas tat es verdammt weh, diese Worte zu sagen, vor allem, weil er selbst eigentlich genau wusste, dass sie absolut nicht der Wahrheit entsprachen. Biggi trafen seine Worte hart, beinahe so hart, wie der Kuss zwischen Axel und ihr Thomas getroffen hatte. Natürlich liebte sie Thomas, sie liebte ihn mehr als alles auf der Welt, wie konnte er daran zweifeln? „Es ist aus“ diese Worte hatten Biggi wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Thomas hatte sich soeben von ihr getrennt. Sie war vollkommen verzweifelt. „Aber Thomas….“ Biggi  rannen die Tränen über die Wangen und Thomas tat es weh, verdammt weh, sie so zu sehen. Er liebte sie doch. Doch was sollte er tun? Biggi hatte ihn an diesem Abend so sehr verletzt, wie noch nie jemand anders. Er spürte nur noch die unendliche Trauer und Enttäuschung. „Und… und was ist mit unserem Kind?“, fragte Biggi dann unter Tränen. Sie konnte das alles immer noch nicht glauben. Thomas wollte sie tatsächlich verlassen? „Mit unserem Kind? Wer sagt mir denn, dass das Kind überhaupt von mir ist?“, warf Thomas, der sich inzwischen so weit in das Thema hineingesteigert hatte, ihr dann an den Kopf. Das war zu viel. Biggi gab ihm eine schallende Ohrfeige. Dann stürmte sie aus der Küche und ließ die Küchentür mit einem lauten Knallen ins Schloss fallen. „Ich schätze, die habe ich verdient.“, murmelte Thomas, während er sich die schmerzende Wange rieb. Er sah ein, dass er zu weit gegangen war. Das mit dem Kind war ihm so rausgerutscht. In Wirklichkeit konnte er sich eigentlich nicht vorstellen, dass Biggi ihn schon länger betrogen hatte und dass tatsächlich jemand anders der Vater sein könnte. Er wusste eigentlich auch, dass sie ihn auch liebte, doch dieser Anblick, sie mit Axel im Aufenthaltsraum, wie sie sich küssten und dann die Vorstellung, dass es nicht das erste Mal gewesen war. Das hatte ihn einfach so verletzt, dass er nicht über seine Worte nachgedacht hatte.

Gabi und Ralf hatten es sich zur selben Zeit in ihrem Wohnzimmer gemütlich gemacht. Sie sahen sich einen Film im Fernsehen an. Gabi hatte sich von Ralf in den Arm nehmen lassen und er streichelte um ihren Bauch, der jetzt schon kugelrund war. „Nun hast du es endlich geschafft, du brauchst nicht mehr arbeiten.“, meinte Ralf lächelnd. Gabi nickte. Sie freute sich so sehr auf ihr Kind. Dann dachte sie jedoch wieder an Biggi. Sie hoffte so sehr, dass sie die Sache mit Axel wirklich klären konnte. Gabi kannte Thomas schon lange und sie wusste, dass er sehr eifersüchtig sein konnte…

Ralf bemerkte natürlich, dass Gabi mit den Gedanken woanders war. „Hey, was ist denn los? Ist es wegen Biggi?“, fragte er besorgt nach. Gabi nickte. Seit der Sache mit den Tabletten sagten sie und Ralf sich wirklich alles, sie wollte auf keinen Fall, dass es noch einmal soweit kommen würde, wie damals. „Hoffentlich renkt sich das alles wieder ein mit Thomas.“, meinte Gabi nachdenklich. Ralf nickte. „Aber mach dir nicht zu viele Gedanken. Ich bin mir sicher, die beiden versöhnen sich wieder. Du kennst doch Biggi und Thomas, die halten es doch eine halbe Stunde ohne den anderen aus.“ Gabi musste nun doch lächeln. „Du hast ja Recht.“, meinte sie und bedankte sich mit einem zärtlichen Kuss bei ihm, den Ralf natürlich glücklich erwiderte.

Biggi war nach oben gerannt und hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Dort hatte sie sch aufs Bett geworfen und weinte hemmungslos. Thomas’ Worte hatten sie so sehr verletzt, es war, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen.

Der Pilot stand immer noch wie angewurzelt unten in der Küche und musste sich erstmal alles durch den Kopf gehen lassen, was soeben passiert war. Er hatte Biggi die wohl demütigendste Beleidigung an den Kopf geworfen, die in diesem Moment auszusprechen gewesen war. Aber wenn er verdammt noch mal so verletzt war!! Er wusste nicht, was er tun sollte. Sollte er sich bei Biggi entschuldigen? Er verwarf den Gedanken nach nur wenigen Sekunden wieder auf die seelische Müllhalde. Er sich bei Biggi entschuldigen? Wie kam er bloß auf so einen idiotischen Gedanken? Schließlich hatte Biggi ihn betrogen. Sie hatte einen anderen Mann geküsst, und ohne mit der Wimper zu zucken hatte sie ihm, Thomas, zur selben Zeit immer wieder ins Gesicht gesagt, wie sehr sie ihn doch liebte. Sollte das etwa alles eine Lüge gewesen sein? Er konnte es nicht glauben. Er wollte es nicht glauben. Aber die Tatsachen waren anders. Biggis Liebe konnte doch gar nicht so groß sein, wenn sie derartige Zärtlichkeiten mit einem anderen Mann austauschte. Vielleicht ja sogar noch mehr. Thomas wurde übel bei dem Gedanken, es könnte sogar zu mehr als nur zu Küssen gekommen sein. Um sich abzulenken, schritt er in der Küche mehrmals auf und ab, bis er schließlich auf den Flur trat und dort innehielt. Von oben hörte er ganz leise Biggis Schluchzen. Das versetzte ihm einen Stich ins Herz. In jeder normalen Situation wäre er jetzt hoch gelaufen, hätte sie umarmt und gefragt, was denn in Himmels Namen los sei. Doch heute war das anders. Er wusste ja, was los war. Und das war zu einem Teil auch noch seine Schuld. Zumindest die Schuld daran, dass Biggi nun weinend in ihrem Zimmer saß. Doch er konnte sich nicht dazu durchringen, jetzt hochzugehen und sich zu entschuldigen. Das schaffte er nicht. Sein Herz, ja, das wäre vielleicht gerne losgelaufen, doch sein Stolz, der verbot es ihm. Immer wieder hörte er das unterdrückte Schluchzen seiner geliebten Biggi. Ja, er war sauer, ja, er fühlte sich wie ein Stück Dreck behandelt, ja, er hatte sie zu recht angebrüllt.... doch das alles änderte nichts an der Tatsache, dass er sie immer noch mehr als alles andere liebte. Gefühle konnte man nicht einfach so abstellen, wie man einen Fernseher abstellte. Sie waren verwachsen, wurden von Tag zu Tag größer, und Thomas konnte sich nicht erinnern je ein größeres Gewächs in seinem Herzen verspürt zu haben als die Liebe zu Biggi. Aber dennoch. Sie hatte ihn betrogen. Daraus war zu schließen, dass es mit ihrem Gewächs nicht gerade weit her zu sein schien.

Thomas blieb noch lange unten am Treppenansatz stehen. Irgendwann verstummten die verzweifelten Laute aus dem Schlafzimmer. Plötzlich hörte er ein leises Gerumpel, gefolgt vom Geräusch zugeknallter Schranktüren. Unwissend lauschte er weiter, bis sich nach einer halben Stunde auf einmal die Zimmertür öffnete. Er lugte nach oben, und sah Biggi heraustreten. Mit einem großen Koffer in der Hand. Nein, das durfte doch nicht wahr sein. Thomas konnte es nicht glauben. Tonlos beobachtete er Biggi, wie sie einen Schritt nach dem anderen die Treppe herunter trat. Als sie schließlich vor ihm stand, wussten sie beide nicht, was sie sagen sollten. Sie blickten sich nur an. Thomas hätte blind sein müssen, um die geröteten und verweinten Augen seiner Biggi zu übersehen. Ihr Blick sah sogar verzweifelter aus als damals nach der Nacht mit Ebelsieder. Thomas war schockiert. Doch sein Stolz verbot ihm abermals, irgendetwas zu tun. Er stand nur weiter auf der Stelle. Schließlich ergriff Biggi das Wort. "Tschüss.", sagte sie leise, und blickte zu Boden. "Wohin willst du?", fragte Thomas nur. "Zu Gabi." Thomas nickte schwermütig. Sein Blick fiel auf Biggis gerundeten Bauch. Seine Familie. Da stand sie, seine Frau, sein Kind, begleitet von einem Koffer. Doch er hielt sie nicht ab. Er konnte nicht. Seine Wut war einfach zu groß. Die Wunde in seiner Seele hatte nicht zu schmerzen aufgehört und das würde sie wohl auch nie wieder. Doch nicht nur er litt daran. Auch Biggi schmerzte es, so vor ihm zu stehen, endgültig, um etwas zu beenden, was sie als den schönsten Abschnitt ihres Lebens bezeichnen durfte. Sie war sich so sicher wie ein Helicopter fliegen konnte, dass sie nie mehr in ihrem Leben so glücklich sein können würde. Etwas brannte ihr im Herzen, das sie noch sagen wollte. Ohne das sie nicht dieses Haus verlassen würde. Schließlich rang sie sich dazu durch. Sie nahm ihren abgestellten Koffer wieder in die Hand, hob ihn hoch, und flüsterte mit Tränen in den Augen: "Ich liebe dich trotzdem." Sie musste innehalten, versuchte mit aller Kraft, ihre Tränen zu unterdrücken, schaffte es jedoch nur zum Teil. Thomas' Knie zitterten. Noch nie in seinem Leben hatte er so mit sich gerungen. Bevor er auch nur irgendwie reagieren konnte, sagte Biggi: "Leb wohl.", worauf sie in Tränen ausbrach und sich ruckartig umdrehte. Dann eilte sie, so schnell sie mit dem schweren Koffer konnte, den Flur hinab, ließ den verdatterten Thomas am Treppenansatz stehen, öffnete die Haustür und stürzte hinaus. Draußen wartete bereits ein Taxi auf sie. Thomas beobachtete wie in Trance, wie der Fahrer ihr den Koffer abnahm, sie einsteigen ließ und schließlich den Motor anwarf. Kurz darauf knirschte der Schotter und der Wagen fuhr auf die Straße. Biggi blickte aus dem Fenster und wischte sich unaufhörlich Tränen aus den Augen. Auch Thomas' Augen waren nicht trocken geblieben. Doch sich davon beeinflussen zu lassen, war jetzt zu spät. Tonlos flüsterte er: "Ich liebe dich doch auch."

Wenige Minuten später hielt das Taxi vor der Wohnung von Gabi und Ralf. Der Fahrer half Biggi mit dem Koffer noch bis zur Eingangstür zum Hausflur. Während sie sich abermals die Tränen aus den Augen wischte, drückte sie zaghaft auf die Klingel, auf der „Kollmann/Staller“ stand. Die Dämmerung war bereits eingebrochen und es war windig draußen geworden. Biggi fror in ihrer dünnen Sommerjacke. Wenige Augenblicke später war jedoch ein Summen zu hören und sie konnte in den Flur eintreten.

„Wer mag denn das sein? Um dieses Uhrzeit?“, fragte Ralf erstaunt, denn es war bereits nach neun. Gabi zuckte nur mit den Schultern und öffnete dann die Wohnungstür. Sie erblickte die tränenüberströmte Biggi mit dem großen Koffer bereits im Treppenhaus und stürzte sofort zu ihr. Ralf lief ihr nach und nahm Biggi den schweren Koffer ab, während Gabi den Arm um ihre Freundin legte. Sie ahnte, was vorgefallen war, zumindest in etwa.

Ralf ging in die Küche, er ahnte, dass Gabi mit Biggi allein sein wollten. So setzten sich die beiden erstmal aufs Sofa, wo Biggi sofort wieder anfing, hemmungslos zu weinen. Gabi wusste nicht, was sie tun sollte. Beruhigend strich sie ihrer Freundin über den Rücken. „Kann ich… ich kann die nächste Zeit bei euch bleiben?“, fragte Biggi sie dann unter Tränen. Gabi nickte. „Natürlich, Ralf wird dir gleich das Bett im Gästezimmer neu beziehen.“ „Danke“.

Als Biggi sich wieder ein wenig beruhigt hatte, begann sie dann Gabi zu erzählen, was vorgefallen war. „Thomas hat sich von mir getrennt. Er glaubt, dass ich was mit Axel hatte…“ Biggi liefen wieder Tränen über die Wangen. Sie konnte das einfach alles nicht glauben. Sie hatte immer gedacht, dass es nur die anderen treffe, aber doch nicht sie und Thomas. Sie waren doch immer so glücklich. Wie hatte er sich nur von ihr trennen können? „Nun warte erstmal ab. Bestimmt beruhigt Thomas sich wieder und dann wird er einsehen, dass er einen Fehler gemacht hat und dir verzeihen….“ „Vielleicht…“, erwiderte Biggi… „Aber ich weiß nicht, ob ich ihm verzeihen kann.“ Gabi sah ihre Freundin fragend an. „Er hat mir an den Kopf geworfen, dass er sich ja nicht sein könne, dass das Kind von ihm ist.“, Biggi begann wieder zu schluchzen. Gabi erschrak. Damit hatte sie nicht gerechnet, doch sie wusste, dass Thomas, wenn er wütend oder verletzt war, oft unüberlegt handelte. Tröstend nahm sie Biggi in den Arm. Sie konnte jetzt nicht mehr für ihre Freundin tun, als versuchen, sie zu trösten. Sie tat ihr so schrecklich Leid und Gabi hoffte, dass Thomas und Biggi noch einmal miteinander reden und alles klären würde. Sie war sich zwar sicher, dass die beiden es ohne den anderen sowieso nicht lange aushalten würden, doch anderseits wusste sie auch, dass sowohl Biggi als auch Thomas einen Sturkopf hatte.

„Komm, lass uns schlafen gehen, du hast morgen die erste Schicht.“, meinte Gabi dann irgendwann und erinnerte Biggi somit wieder daran, dass sie ja nun nicht mehr arbeitete und morgen die neue Notärztin kommen würde. ‚Auch das noch.’, dachte Biggi sich seufzend.

Ralf hatte inzwischen das Gästezimmer hergerichtet. Biggi ließ sich erschöpft auf das Bett sinken. „Und wenn du noch irgendwas brauchst, sagst du Bescheid, ja?“, meinte Gabi, noch. Biggi nickte dankbar. „Danke.“ Gabi lächelte und verließ dann das Zimmer. Ralf wartete im Schlafzimmer bereits auf sie. Gabi kletterte zu ihm unter die Decke und kuschelte sich an ihn. „Biggi tut mir so Leid.“, meinte sie nach einer Weile leise. Ralf nickte. „Mir auch.“ „Meinst du, sie und Thomas versöhnen sich wieder?“, fragte Gabi dann. Sie machte sich ziemliche Gedanken darüber. „Ich hoffe es.“, antwortete Ralf ihr, „Vielleicht brauchen sie einfach ein bisschen Zeit.“ Gabriele nickte und kuschelte sich dann noch näher an Ralf. Nachdem sie ihm noch einen zärtlichen Gute Nacht Kuss gegeben hatte, schliefen sie beide ein.

Biggi hingegen lag noch wach. Sie dachte die ganze Zeit an Thomas. Normalerweise würde sie sich jetzt an ihn kuscheln und in seinen Armen einschlafen. Doch er war nicht hier. Und Biggi war sich auch gar nicht sicher, ob sie jetzt bei ihm sein wollte. Er hatte sie so verletzt, wie noch nie jemand zu vor. Doch trotz allem, liebte sie ihn noch immer über alles. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. Wie hatte nur alles so weit kommen können. „Thomas, ich liebe dich doch…“, flüsterte sie leise, obgleich sie wusste, dass er sie natürlich nicht hören konnte.

Thomas hingegen saß noch immer in der Küche der Villa, als er irgendwann ein Geräusch im Flur hörte. Michael und Dirk waren nachhause gekommen.

Michael schickte zunächst seinen Sohn ins Bett, da es schon ziemlich spät war, dann wollte er nachsehen, was Thomas und Biggi machten, die scheinbar in der Küche saßen. Zumindest war dies der einzige Raum, in dem Licht brannte.

Als Michael jedoch wenig später die Küche betrat, fand er Thomas dort alleine am Tisch vor. Er machte einen total niedergeschlagenen Eindruck. „Thomas, was ist denn mit dir los?“, fragte Michael erschrocken und ging auf seinen Freund zu. Er merkte schnell, dass Thomas etwas getrunken hatte – allein die leeren Bierflaschen auf dem Tisch sprachen für sich – doch auch die Tränespuren auf den Wangen seines Freundes waren ihm nicht entgangen. „Sie ist weg.“, meinte Thomas nur tonlos und starrte auf den Boden. Ihm stiegen wieder Tränen in die Augen. „Wie? Biggi? Wieso ist sie weg?“, Michael verstand nur noch Bahnhof. „Es ist aus. Michael, sie hat mich betrogen.“ Michael starrte Thomas nur unglaubwürdig an. Er konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen. Biggi war doch so glücklich mit Thomas gewesen, zudem war sie schwanger von ihm. Sie hatte doch nicht den geringsten Grund, ihn zu betrügen.

Der Notarzt ließ sich auf einen Stuhl gegenüber von Thomas sinken, der noch immer auf den Boden sah. Der Pilot war total verzweifelt. Sie war weg, seine Biggi war weg, sie hatte ihn verlassen. Nein, er hatte sie zuerst verlassen, aber sie hatte ihre Koffer gepackt und war gegangen. Jetzt, wo er darüber nachdachte, tat es ihm Leid, was er ihr an den Kopf geworfen hatte, doch sein Stolz hinderte ihn daran, sich bei ihr zu entschuldigen. Sie hatte schließlich einen anderen geküsst und nicht er. Also sollte sie sich auch entschuldigen. Sie hatte ihn verdammt verletzt, doch er liebte sie natürlich trotzdem noch und wenn er ehrlich war, vermisste er sie jetzt schon. Sie war doch seine Biggi, sein ein und alles, er wusste nicht, was er ohne sie machen sollte. Hätte er ihr vielleicht wirklich die Chance geben sollen, alles zu klären? Thomas entschloss sich für nein, nun war es eh zu spät, sie war weg. Zudem wusste er schließlich, was er gesehen hatte, was gab es da zu erklären? Hinzukam der Alkohol in seinem Blut, der ihn daran hinderte, weiter konzentriert nachzudenken.

Michael riss seinen Freund aus den Gedanken. „Wieso hat Biggi dich betrogen?“ Er konnte sich das wirklich nicht vorstellen. „Sie hat diesen Anwalt geküsst, ich habe es mit eigenen Augen gesehen.“ „Und jetzt ist sie weg?“ „Sie wollte es mir angeblich erklären. Aber Michael, sag mir bitte, was gibt es da noch zu klären? Ich habe ihr dann erklärt, dass es aus ist zwischen uns. Was sollte ich denn machen?“ Thomas war vollkommen verzweifelt. Er wusste wirklich nicht, wie es weitergehen sollte. „Du hast was?“ Michael war sprachlos. „Was hätte ich denn tun sollen? Sie hat mich betrogen, Michael, verstehst du? Weißt du, was in mir vorgegangen ist, als ich sie mit diesem Anwalt zusammen gesehen habe?“, versuchte Thomas sich zu rechtfertigen. Michael nickte nur. Er konnte seinen Freund ja irgendwie verstehen, doch er war der Meinung, dass Biggi eine Chance verdient hatte, alles zu klären, wenn es tatsächlich, etwas zu klären gab – und davon ging Michael aus. „Am besten ihr redet noch mal miteinander.“, versuchte er Thomas dann aufzubauen. „Ich weiß nicht, ob Biggi das will, sie hat ihre Sachen gepackt und ist erstmal zu Gabi gezogen. Ich glaube…. Ich glaube ich habe mich ihr gegenüber ziemlich unfair verhalten…“ „Allerdings.“, Michael konnte seinem Freund nur zustimmen. Wenigstens sah Thomas es ein, dachte er sich. Trotzdem konnte er es nicht verstehen, dass Thomas nicht zuerst versucht hatte, mit Biggi zu reden und einfach die Beziehung beendet hatte. Andererseits kannte er seinen Freund schon lange. Lange genug, um zu wissen, dass Thomas, wenn er wütend oder verletzt war, oft unüberlegt handelte. „Aber glaub mir Thomas, wenn ihr euch aussprecht, dann könnt ihr das Problem sicher lösen.“, versuchte er ihn dann nochmals zu einem Gespräch mit Biggi zu überreden. „Es ist ja nur nicht nur das…“ Thomas blickte auf den Boden, während Michael ihn fragend ansah. Er ahnte, dass noch mehr zwischen Thomas und Biggi vorgefallen war. „Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht sicher sein kann, ob das Kind überhaupt von mir ist…“ „Du hast WAS????“ Michael war entsetzt. „Thomas, wie…?“, dem Notarzt fehlten die Worte und jetzt verstand er auch gut, warum Biggi ihre Sachen gepackt hatte. „Sag mal Thomas, entschuldige bitte, aber hast du komplett den Verstand verloren?“, rief er entsetzt. Zwar konnte er sich auch nicht erklären, wieso Biggi diesen Anwalt geküsst hatte und was da überhaupt vorgefallen war, doch mit dieser Bemerkung war Thomas eindeutig zu weit gegangen. Thomas zuckte nur mit den Schultern. Er wusste im Moment gar nichts mehr, nur noch eins, Biggi war weg und er wusste nicht, was er tun sollte. „Am besten du schläfst erstmal deinen Rausch aus, und morgen redest du mit Biggi.“, meinte der Notarzt dann und zog seinen Freund vom Stuhl hoch. Er hoffte, dass Biggi und Thomas sich wieder zusammenraufen würden. Schließlich wusste er, wie jeder andere auf der Basis, dass die beiden es normalerweise keine halbe Stunde ohne den anderen aushielten und er konnte sich absolut nicht vorstellen, wie es sonst zwischen ihnen weitergehen sollte. Thomas sagte gar nichts. Er wusste nicht, ob er mit Biggi reden sollte oder nicht. Ja, die Bemerkung mit dem Baby tat ihm Leid, aber Biggi hatte ihn betrogen. Das hatte er immer wieder vor Augen. Warum also sollte er sich entschuldigen, sie war doch an allem Schuld, wenn sie diesen Anwalt nicht geküsst hätte….

Michael verfrachtete Thomas nach oben ins sein Bett und legte sich dann auch schlafen. Er konnte jedoch nicht einschlafen und grübelte darüber nach, wieso Biggi diesen Anwalt geküsst hatte. Auf eine Lösung kam er jedoch nicht und so schlief er irgendwann total übermüdet ein. Thomas hingegen lag im Zimmer gegenüber noch lange wach. Er lag alleine in dem großen Bett. Eigentlich hätte Biggi jetzt neben ihm liegen und sich an ihn kuscheln sollen und er wäre mit ihr im Arm eingeschlafen. Doch Biggi war nicht da und Thomas fragte sich, ob er jemals wieder neben ihr einschlafen würde. Sie hatte ihn so sehr verletzt, immer wieder sah er dieses Bild vor Augen, wie sie diesen Anwalt küsste. Dabei liebte er sie doch, aber sie? Wenn sie ihn genauso liebte, warum hatte sie das dann getan? Thomas kam zu keinem Ergebnis, es passte alles nicht zusammen und er wusste nicht mehr, was er glauben sollte. Wenn er daran dachte, wie verzweifelt Biggi ihn angesehen hatte, als sie mit ihrem Koffer vor ihm gestanden war, wenn er sich an ihre tränengeröteten Augen erinnerte… er konnte nicht glauben, dass sie wirklich nichts mehr für ihn empfand. Doch das linderte den Schmerz tief in seinem Herzen nicht um das Geringste. Sie hatte ihn betrogen, sein Vertrauen missbraucht, dafür gab es keine Entschuldigung.

Am nächsten Morgen klingelte Ralfs Wecker schon ziemlich früh. Er wollte extra leise aufstehen, um Gabi nicht zu wecken, doch sein Wecker war unüberhörbar gewesen. „Guten Morgen, mein Schatz. Musst du wirklich schon aufstehen?“, fragte sie ungläubig. Ralf nickte. „Leider“ Er gab ihr einen zärtlichen Guten Morgen Kuss und verschwand dann im Bad. Gabi stand unterdessen ebenfalls auf, um Biggi zu wecken. Langsam öffnete sie die Tür zum Gästezimmer. Biggi schlief noch, sie war sie halbe Nacht wach gelegen. Gabi konnte die Tränenspuren auf den Wangen ihrer Freundin noch immer deutlich erkennen. Langsam setzte sie sich zu Biggi an die Bettkante und rüttelte sie sanft an der Schulter. „Thomas…nein…bitte… bleib bei mir…“, flüsterte Biggi noch im Schlaf. „Biggi, wach auf, ich bin’s Gabi.“ Biggi blinzelte und öffnete langsam die Augen. „Gabi?“ „Ja Biggi, ich bin’s. Du musst aufstehen, du kommst sonst zu spät zu Dienst.“ Biggi setzte sich auf. Sie realisierte langsam wieder, dass sie sich in Gabis und Ralfs Gästezimmer befand. Thomas war nicht da. Sie hatte einen Alptraum gehabt, hatte geträumt, dass er sie verlassen hatte, für immer. Doch es war fast so, als wäre dieser Alptraum am vergangenen Abend Wirklichkeit geworden. Thomas hatte sich von ihr getrennt, sie hatte ihre Sachen gepackt und war zu Gabi gezogen. Es kam ihr wirklich alles vor wie ein Alptraum, aus dem sie nicht erwachen konnte. Gabi legte ihrer Freundin aufmunternd die Hand auf die Schulter. „Das wird schon wieder, hm?“, versuchte sie möglichst aufmunternd zu klingen. Biggi zuckte mit den Schultern. Sie wünschte es sich so sehr, doch sicher war sie sich nicht, gar nicht. „Das sagst du so.“, antwortete sie nur tonlos. „Biggi, schau mal, Thomas liebt dich und du liebst ihn oder?“ „Ob er mich noch liebt, weißt ich nicht…“ „Natürlich tut er das, er ist nur eben manchmal ein verdammter Sturkopf. Du wirst sehen, Biggi. Er hält es doch gar nicht aus ohne dich.“ „Ach Gabi…“, meinte Biggi nur, worauf die Notärztin sie tröstend in den Arm nahm. „Rede noch mal mit ihm.“, meinte sie dann. Biggi schüttelte jedoch den Kopf. „Das habe ich ja versucht, er hört mir überhaupt nicht zu, und nachdem, was er mir an den Kopf geworfen hat… ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt jemals wieder mit ihm reden will.“ „Aber du liebst ihn doch, Biggi….“ Biggi nickte und wieder rannen Tränen über ihre Wangen. „Gabi, ich liebe diesen Mann über alles, aber so wie es im Moment aussieht, weiß ich wirklich nicht, wie es weitergehen soll zwischen uns und ob es überhaupt noch weitergehen soll, oder ob Thomas und ich nicht vielleicht wirklich besser getrennte Wege gehen sollten.“ Es tat ihr verdammt weh, das auszusprechen, schließlich liebte sie Thomas wirklich sehr und ein Leben ohne ihn konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, doch im Moment sah sie keinen anderen Ausweg.

Plötzlich steckte Ralf seinen Kopf in die Tür, er war bereits fertig geduscht und angezogen. Biggi, die die ganze Zeit auf den Boden gesehen hatte, wischte sich die Tränen aus den Augen und sah dann auf. „Ich mache schon mal Frühstück, wir müssen in zwanzig Minuten los, Biggi.“, meinte Ralf dann und verwand in der Küche.

So stand auch Biggi auf und ging erstmal ins Bad. Dort genehmigte sie sich eine ausgiebige, heiße Dusche. Danach ging es ihr schon ein wenig besser. Sie zog sich schnell an und ging dann in die Küche, wo Ralf und Gabi bereits am Frühstückstisch saßen. Biggi hatte jedoch keinen Hunger. Nachdenklich war sie in ihre Kaffeetasse vertieft. „Willst du nichts essen?“, fragte Gabriele ein wenig besorgt. Biggi schüttelte leicht den Kopf. „Tut mir Leid, aber ich bekomme jetzt sowieso nichts runter.“ Gabi und Ralf blickten sich an, sagten jedoch nichts.

Nach dem Frühstück verabschiedete Ralf sich noch mit einem Kuss von Gabi. Biggi musste dabei unvermeidbar wieder an Thomas denken, wie sie es schon den ganzen Morgen tat und auch die ganze Nacht getan hatte. Sie hätte alles dafür gegeben, damit alles einfach wieder gut werden würde zwischen ihnen, aber das schien unmöglich. Zu sehr hatte er sie verletzt und scheinbar hatte er ja auch kein Interesse mehr daran. Hätte er sie sonst einfach so gehen lassen?

Ebelsieder war an diesem Morgen schon sehr früh auf der Basis eingetroffen. Heute würde schließlich die neue Notärztin ihren ersten Arbeitstag haben und alles sollte vorbereitet sein. Die neue Dienstkleidung hing schon in der Umkleide bereit und eine neue, rote Notarztjacke hing an der Garderobe. „Dr. Thaler“ stand auf dem kleinen Aufnäher am Ärmel. Dr. Karin Thaler, das war der Name der neuen Notärztin. Ebelsieder hoffte, dass sie sich gut ins Team integrieren würde. Gabi, Ralf und Biggi waren ein so gut eingespieltes Team gewesen, genau wie Peter, Thomas und Michael, so etwas würde man selten wieder finden.

Wenig später fuhr Ralf auf den Parkplatz. Er und Biggi hatten die ganze Fahr über kein Wort gesprochen. Biggi hatte nur in Gedanken versunken aus dem Fenster gesehen. Sie konnte das alles einfach immer noch nicht glauben und immer, wenn sie an Thomas dachte, was zweifelsfrei die ganze Zeit der Fall war, glaubte sie von der Trauer und Verzweiflung regelrecht aufgefressen zu werden. Er war doch der wichtigste Mensch in ihrem Leben gewesen und war es ohne Zweifel immer noch. Wie hatte es nur so weit kommen können? Diese Frage stellte sie sich immer wieder, doch sie fand keine Antwort.

Gabi räumte zur selben Zeit erst einmal die Küche auf. Sie genoss es, jetzt mehr Zeit für sich zu haben. Doch gleichzeitig machte sie sich Sorgen um Biggi. Hoffentlich würden sie und Thomas noch einmal miteinander reden und alles klären. Zudem stellte sich Gabi vor, wie die neue Kollegin wohl sein würde – ihre Nachfolgerin. Ob sie auch so gut mit den anderen klarkommen würde? Gabriele hoffte es, denn ein gutes Arbeitsklima war bei diesem Job extrem wichtig. Die Einsätze waren schon nervenaufreibend genug, da war es schön, wenn man sich zwischen den Einsätzen erholen konnte und die Stimmung auf der Basis gut war.

Michael war inzwischen auch schon aufgestanden. Er hatte Dirk Frühstück gemacht und nachdem sein Sohn zur Schule gegangen war, sah er nach oben in Thomas’ Schlafzimmer. Der Pilot lag noch in seinem Bett und schlief. Er war erst weit nach Mitternacht eingeschlafen und schlief nun noch immer unruhig und nicht sehr tief. Er träumte von Biggi, von dem gestrigen Abend. Nicht einmal in seinen Träumen ließ ihn dieses Bild von Biggi und Axel im Aufenthaltsraum in Ruhe. Michael beschloss seinen Freund noch schlafen zu lassen, sie hatten schließlich erst die zweite Schicht und somit noch den ganzen Vormittag und den frühen Nachmittag frei. Alls er jedoch gerade die Tür wieder schließen wollte, wachte Thomas auf. Er hatte furchtbar schlecht geschlafen. Noch im Halbschlaf tastete er mit der Hand neben sich, wo Biggi normalerweise immer lag. Doch dieses Mal fasste seine Hand ins Leere. Er öffnete die Augen, erblickte das unberührte Bett neben sich und war dann sofort wieder hellwach. Er fragte sich, wie er es überhaupt geschafft hatte, in dieser Nacht ein Auge zuzubekommen. Seufzend setzte er sich auf. Michael kam wieder ein. „Morgen“, meinte er leise. „Morgen“ gab Thomas nur monoton zurück. Er fühlte sich noch immer genauso schlimm, wie am letzten Abend. Zudem brummte sein Kopf ziemlich, ihm war klar, dass das die Nachwirkungen des Alkohols waren. „Kannst du mir eine Aspirin bringen?“, bat er Michael. Dieser nickte. Wenig später betrat er mit einem Glas in der Hand wieder das Zimmer. „Danke“, meinte Thomas leise und trank einige Schlucke. „War wohl bisschen viel gestern Abend.“, bemerkte Michael. Thomas nickte nur. „Aber wenigstens bist du jetzt hoffentlich wieder klar im Kopf.“, setzte der Notarzt hinzu. Thomas sah auf den Boden. „Du weißt, dass du gestern Abend ziemlichen Mist gemacht hast, bring das wieder in Ordnung, Thomas.“, riet Michael ihm. Der Pilot nickte nur schwach. Er war sich noch immer nicht sicher, ob er mit Biggi reden sollte. Sein Stolz verbot es ihm, doch sein Herz hielt es kaum noch aus vor Trauer, Verzweiflung und Sehnsucht nach ihr.

Biggi und Ralf saßen währenddessen zusammen mit Max im Aufenthaltsraum und warteten auf die neue Kollegin, die eigentlich schon vor einer Viertelstunde hätte eintreffen sollen. Während Max und Ralf sich ein wenig unterhielten, sah Biggi mit nur traurigen Augen gedankenverloren aus dem Fenster. Es hatte begonnen zu regnen. Seit Tagen hatte es nicht mehr geregnet, es war ein ziemlich schöner Sommer, doch heute goss es aus Eimern und Kübeln.

Plötzlich fuhr ein schwarzes Auto auf den Parkplatz und wenige Augenblicke später stieg eine blonde Frau aus und eilte durch den strömenden Regen zum Eingang. „Tut mir Leid, dass ich ein wenig zu spät bin.“, entschuldigte sich die Frau wenig später, als sie in den Aufenthaltsraum trat. „Sie müssen die neue Notärztin sein.“, meinte Ralf. Sie nickte und streckte ihm die Hand hin. „Ja, ich bin Dr. Karin Thaler.“ „Ralf Staller, freut mich. Wir werden in einem Team fliegen. Das ist Biggi, unsere Pilotin und das hier ist Max, der Mechaniker.“, stellte Ralf auch gleich die anderen vor. Alle gaben Karin die Hand. Biggi jedoch blickte die neue Kollegin nicht einmal wirklich an, sondern sah gleich wieder aus dem Fenster, hinaus in den prasselnden Regen. „Wo ist denn der Chef?“, wollte Karin dann wissen. Doch die Frage erübrigte sich, da Ebelsieder soeben aus seinem Büro getreten war und nun in den Aufenthaltsraum kam. „Frau Dr. Thaler, ich darf Sie herzlich auf unserem Stützpunkt begrüßen. Auf gute Zusammenarbeit.“ Karin gab ihm die Hand. „Ja, auf gute Zusammenarbeit..“ „Mit den Kollegen haben sich ja bestimmt schon bekannt gemacht. Biggi wird Ihnen sicherlich die Basis zeigen.“, meinte er mit einem auffordernden Blick an die Pilotin gerichtet. Biggi nickte nur leicht, vielleicht würde sie das ja ein wenig von ihren Problemen ablenken, hoffte sie zumindest.

Nachdem Ebelsieder wieder in seinem Büro verschwunden war, bot Biggi Karin an, sie durch die Basis zu führen und ihr alles zu zeigen. Karin nahm dies gern an und so verließen die beiden Frauen den Aufenthaltsraum. Karin ließ sich von Biggi alles zeigen. Ihr gefiel die Basis von Anfang an und sie hatte den Eindruck, dass ein gutes Arbeitsklima herrschte. Nur die junge Pilotin, die ihr alles zeigte, schien irgendetwas zu bedrücken. Sie sah bemitleidenswert traurig aus und niedergeschlagen aus. Zwar kannte Karin sie sonst natürlich nicht, aber trotzdem spürte sie, dass mit Biggi irgendwas nicht stimmte. Nachfragen wollte sie aber auch nicht, es ging sie schließlich nichts an. Als Biggi ihr den gesamten Hangar gezeigt hatte, fehlte nur noch die BK 117. Es hatte glücklicherweise aufgehört zu regnen, so gingen die beiden Frauen nach draußen zur Landeplattform, wo der Heli stand. „Ja, und das hier ist unser Engel…“, meinte Biggi dann. Sie biss sich auf die Lippe. „Ihr Engel.“, so nannten Thomas und sie die BK immer. Thomas. Biggi musste sich bemühen, die Tränen zu unterdrücken. Sie musste unverweigerlich wieder daran denken, dass Thomas und sie ihre erste gemeinsame Liebesnacht in diesem Engel verbracht hatten. Und nun sollte alles vorbei sein?

Karin bemerkte nicht, dass Biggi mit den Tränen kämpfte, sie war fasziniert von dem Helicopter. Vorher hatte sie in einer Klinik gearbeitet und war nur in ihrer Zeit als Ärztin im Praktikum schon einmal Einsätze in einem Heli geflogen. Das war nun schon einige Jahre her. Nachdem Karin die BK ausführlich inspiziert hatte und wieder zurück zu Biggi, die vorn am Cockpit gewartet hatte, gegangen war, hatte die Pilotin sich wieder einigermaßen gefasst. „Dann noch mal vielen Dank, dass Sie mir alles gezeigt haben.“, bedankte Karin sich bei ihr. „Ach, lassen wir doch das mit dem blöden Sie, wir sind hier alle beim Du. Ich bin Biggi.“, gab Biggi sich schließlich einen Ruck. „ Ich bin Karin“ Sie gaben sich die Hand und Biggi schaffte sogar ein kleines Lächeln. Dann gingen sie langsam wieder zurück in Richtung Hangar. „In welchem Monat sind Sie... Entschuldigung… bist du eigentlich schwanger?“, fragte Karin Biggi dann plötzlich. Ihr war Biggis rundlicher Bauch natürlich nicht entgangen. Sie blieben stehen. „Ende des fünften Monats“ antwortete Biggi leise. Nun konnte sie ihre Tränen jedoch nicht mehr zurückhalten. Langsam rannen sie ihr über die Wangen. Zu weh tat der Gedanken an Thomas, daran dass ihr gemeinsames Kind vielleicht ohne Vater aufwachsen würde, und sofort hatte sie auch wieder seine Worte im Ohr: ‚Wer sagt mir denn, dass das Kind überhaupt von mir ist?’“ Biggi sah nach unten, immer mehr Tränen stiegen ihr in die Augen und schließlich lief sie schluchzend nach drinnen in den Hangar - direkt in die Frauenumkleide, wo sie sich auf die Bank sinken ließ und herzzerreißend zu weinen begann. Sie konnte einfach nicht mehr aufhören und sie wollte es auch nicht. Sie musste die Trauer und die Verzweiflung rauslassen, bevor sie sie von innen auffraß. Langsam griff sie in ihre Overalltasche und zog ein Foto hervor. Ihr Lieblingsfoto, sie hatte es immer bei sich. Es war auf der kleinen Weihnachtsfeier auf der Basis entstanden und zeigte sie und Thomas zusammen auf dem Sofa. Sie saß auf seinem Schoß, dicht an ihn gekuschelt, wobei sie sich verliebt anblickten. Bei dem Anblick dieses Fotos stiegen Biggi immer mehr Tränen in die Augen, doch es war ihr jetzt egal. In diesem Moment war ihr einfach alles egal. Sie wusste nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Alles erinnerte sie an Thomas, egal, was sie tat und wo sie war.

Karin hingegen schalt sich selbst. Sie wusste zwar nicht, was mit Biggi los war, doch sie fragte sich, was eigentlich in sie gefahren war, ihre neue Kollegin über ihr Privatleben auszufragen, wobei sie sich gerade mal ein paar Stunden kannten und sie doch selbst gemerkt hatte, dass die Pilotin etwas bedrückte. Mit hängenden Schultern ging Karin zurück in den Aufenthaltsraum, wo Max und Ralf, der dem Schichtende bereits entgegenfieberte, noch immer am Tisch saßen.

Thomas hatte sich unterdessen aus dem Bett bewegen können und saß nun gemeinsam mit Michael in der Küche. Michael hatte seinem Freund extra ein Frühstück hergerichtet, doch wirklich Hunger hatte Thomas nicht. Er musste die ganze Zeit an Biggi denken. Es wollte einfach nicht in seinen Kopf gehen. Biggi und Axel!! Seine Biggi und dieser Anwalt!! Er konnte es einfach immer noch nicht glauben. Noch immer rang er mit sich, ob er sich bei Biggi wegen der Sache mit dem Baby entschuldigen sollte. Einerseits tat es ihm wirklich Leid. Allein wenn er nur daran dachte, wie verzweifelt sie ihn beim Abschied angeblickt hatte, brach es ihm fast das Herz, er liebte sie doch. Doch andererseits hatte sie ebenfalls allen Grund, sich bei ihm zu entschuldigen. Wenn sie Axel nicht geküsst hätte, wäre doch alles nicht so weit gekommen… Thomas seufzte. Michael entging das natürlich nicht, ebenso hatte er mitbekommen, dass sein Freund die ganze Zeit total in Gedanken versunken war und keinen Bissen seines Frühstücks angerührt hatte. „Willst du nichts essen?“, fragte er ihn. Thomas erschrak ein wenig, Michaels Stimme hatte ihn total aus seinen Gedanken gerissen. „Danke, ich habe keinen Hunger.“, antwortete er dann leise. „Du denkst an Biggi, oder?“ Thomas nickte. „Klar, ich kann die ganze Zeit an nichts anderes denken. Mensch Michael, ich weiß echt nicht, wie es weitergehen soll.“ Thomas’ Verzweiflung war deutlich zu hören. Michael legte dem Piloten aufbauend die Hand auf die Schulter. „Das wird schon wieder, hm? Wir fahren jetzt gleich zur Basis, dann redest du mit Biggi, entschuldigst dich wegen gestern Abend und du wirst sehen, dann renkt sich das schon wieder ein.“ Thomas zuckte nur mit den Schultern. Einerseits wollte er ja, dass alles wieder gut werden würde zwischen ihnen, was natürlich dafür sprach, sich bei Biggi zu entschuldigen, doch andererseits konnte er nicht so einfach vergessen, was sie ihm mit Axel angetan hatte. Die beiden zusammen zu sehen hatte ihn so verletzt, das musste er erst einmal verkraften. Er konnte nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen, zumal laut Axel und Biggi sich laut der Aussage des Anwalts, die Biggi indirekt bestätigt hatte, nicht zum ersten Mal geküsst hatten.

Nachdem Karin sich wieder zu Max und Ralf in den Aufenthaltsraum gesetzt hatte, wollte der Sanitäter wissen, wo Biggi war. Karin schluckt. „Ich glaube, sie ist in der Umkleide.“, antwortete sie ihm dann zögernd. „Ist…irgendwas passiert?“, fragte Ralf sofort nach, der ein komisches Gefühl bei der Sache hatte. „Ich glaube ich habe mich ihr gegenüber ziemlich falsch verhalten.“, meinte Karin nur. Ralf sah, dass sie nicht darüber reden wollte, also fragte er nicht weiter nach. Ihm war sowieso schon klar, dass es wahrscheinlich etwas mit Biggis Problemen mit Thomas zu tun haben musste.

Als die Pilotin nach einer weiteren halben Stunde noch immer nicht aus der Umkleide gekommen war, beschloss Ralf nachzusehen. Er machte sich ziemliche Sorgen um seine Kollegin. Gabriele hatte ihm am vergangenen Abend alles erzählt, was zwischen Thomas und Thomas vorgefallen war und sie tat ihm schrecklich Leid. Natürlich konnte er Thomas verstehen, zumindest soweit, dass er glaubte, dass Biggi und Axel etwas miteinander hatten. Was er nicht nachvollziehen konnte, war, dass Thomas total abblockte und Biggi keine Möglichkeit gegeben hatte, sich zu rechtfertigen. Ralf hoffte nur, wie alle anderen auch, dass die beiden sich aussprechen und dann wieder versöhnen würden. Er wusste schließlich genau, dass die beiden einander brauchten und es ohne den andern kaum aushielten. Seufzend erhob Ralf sich schließlich vom Sofa und trat auf die Tür der Frauenumkleide zu.

Biggi saß immer noch auf der Bank und hielt das Foto in den Händen. Sie hatte sich wieder ein wenig beruhigt, doch noch immer rannen ihr vereinzelte Tränen über die Wangen. Wie sollte sie Thomas nur unter die Augen treten, wenn sie ihn beim Schichtwechsel sehen würde? Sie wusste es nicht. Natürlich konnte sie sich in der Umkleide verschanzen, solange bis er einen Einsatz hatte, und dann die Basis verlassen. Doch auf Dauer war das natürlich keine Lösung. Sie wusste absolut nicht, wie sie jemals mit dieser Situation fertig werden sollte.

Plötzlich vernahm sie ein leises Klopfen an der Tür und wenige Augenblicke später Ralfs besorgte Stimme: „Biggi, alles in Ordnung?“ Biggi horchte auf. Langsam stand sie auf, schlich zu Tür und öffnete diese um einen Spalt. Ralf blickte in ihre verweinten Augen. Aus Biggis Blick ging nur eins hervor, Verzweiflung. „Darf ich reinkommen?“, fragte Ralf seine Kollegin besorgt. Biggi nickte zögernd und ließ ihn dann in die Umkleide treten. Ralfs Blick viel auf das Foto, das Biggi offen auf der Bank liegen lassen hatte. Bei dem Gedanken daran, wie er sich fühlen würde, wäre ihm und Gabi dasselbe passiert, hatte er annähernd eine Vorstellung davon, wie Biggi sich jetzt fühlen musste. „Ist wirklich alles ok?“, fragte er sie noch einmal. „Gar nichts ist ok.“, antwortete Biggi leise, wobei ihr wieder einige Tränen übers Gesicht rannen. Ralf nahm sie tröstend in den Arm und Biggi weinte wieder ein wenig. ‚Zum Glück ist die Schicht bald zu Ende.’, dachte Ralf sich, als er wenig später auf die Uhr sah.

Biggi beruhigte sich langsam wieder. Obwohl sie wusste, dass Thomas noch nicht da war, beschloss sie sich schon einmal umzuziehen. In zehn Minuten war Schichtwechsel und sie hoffte inständig, dass jetzt kein Einsatz mehr kommen würde. Sie wollte einfach nur noch nachhause. Nachhause – bei diesem Wort musste Biggi unumgänglich wieder an Thomas denken. Wo war ihr zuhause denn? In der Villa war es jedenfalls im Moment nicht. Es war im Moment bei Gabi und Ralf, doch eine Dauerlösung war das natürlich nicht. Biggi versuchte ihre Tränen zu unterdrücken, sie wollte stark sein, doch es gab in dieser Situation weitaus einfacheres als das. Schließlich gelang es ihr jedoch und sie machte sich eilig daran, sich umzuziehen.

Ralf war währenddessen zurück zu Karin in den Aufenthaltsraum gegangen. Max war inzwischen im Hangar verschwunden. Ralf setzte sich zu seiner neuen Kollegin. „Alles ok mit ihr?“, fragte Karin Ralf. Er nickte, obgleich er wusste, dass eigentlich gar nichts ok war. „Es war nicht deine Schuld. Ich glaube, das war heute alles ein bisschen viel für Biggi. Sie hat im Moment ziemliche Probleme.“ Karin nickte verständnisvoll. Sie konnte sich denken, dass es private Probleme waren und fragte daher auch nicht weiter nach. Es ging sie schließlich auch nichts an. Sie wechselte lieber schnell das Thema und so unterhielten Ralf und sie sich noch eine Weile darüber, was Karin gemacht hatte, bevor sie diesen Job angenommen hatte und Ralf erzählte ihr von Gabi und dem Baby. Man hörte aus seiner Stimme die Vorfreude deutlich heraus und immer wenn er von Gabi oder ihrem Kind sprach, sah man ihm sein Glück wirklich an. Sie hatten ja auch viel durchgemacht und um so glücklicher war Ralf, dass nun endlich alles gut zu werden schien. Nein, eigentlich war es das ja schon. Er freute sich schon auf das Schichtende, wenn er seine Gabi endlich wieder in die Arme schließen konnte.

Nachdem sie sich fertig umgezogen hatte, trat Biggi langsam wieder in den Aufenthaltsraum und setzte sich zu Karin und Ralf. Karin wusste nicht Recht, was sie sagen sollte. „Tut mir Leid wegen vorhin.“, meinte Biggi jedoch. Karin lächelte. „Ich muss mich entschuldigen, aber doch nicht du.“, erwiderte sie. Biggi war froh, dass die neue Notärztin anscheinend nett war und Verständnis zeigte. Zwar wäre es ihr tausendmal lieber gewesen, jetzt hier neben Gabi zu sitzen, doch man konnte es nun mal nicht ändern. Sie war froh, dass sie Karin als Ersatz bekommen hatten, vielleicht würde sie sich ja auch mit ihr anfreunden können. Zudem würde Biggi ja sowieso nicht mehr all zu lange arbeiten. Sie seufzte leise bei dem Gedanken an ihr Baby. Langsam strich sie sich über den Bauch. Sie wollte nicht, dass ihr Kind ohne Vater aufwuchs. Sie liebte Thomas doch und tief in ihrem Inneren wusste sie genau, dass er sie auch noch liebte. Gefühle konnte man nicht einfach von dem einen Tag auf den anderen ablegen…

Durch das laute Klingeln des Telefons wurde Biggi aus ihren Gedanken gerissen. Ralf war schon aufgestanden und nahm ab. „Basis Medicopter 117, Staller, guten Tag?“ „Guten Tag, hier ist Axel Wertheim, könnte ich bitte mit Biggi Schwerin sprechen?“, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung freundlich. Ralf schluckte. Er war erstaunt, dass Axel tatsächlich den Mut hatte, noch einmal auf der Basis anzurufen, nach allem, was er angerichtet hatte. Er schien anscheinend überhaupt nicht zu bereuen. Das tat er auch nicht. Er war sich sicher, Biggi jetzt endlich für sich gewinnen zu können. Die Worte, die sie ihm am vergangenen Abend an den Kopf geworfen hatte, schienen ihn nicht zu beeindrucken. Er war sich seiner Sache sicher. „Ich glaube nicht, dass sie mit Ihnen sprechen möchte.“, meinte Ralf schließlich zögernd, mit einem zweifelnden Blick auf Biggi, die noch immer zusammen mit Karin auf dem Sofa saß. Sie und Karin horchten auf, doch sie hatten beide keine Ahnung, wer am anderen Ende der Leitung war. „Das wird sie wohl noch selbst entscheiden können.“, protestierte Axel jedoch. Ralf rang mit sich. Sollte er Biggi den Hörer übergeben? Wenn sie nicht mit Axel sprechen wollte, wovon er mit ziemlicher Sicherheit ausging, würde sie immer noch auflegen können… Also entschied er sich für ja. Er winkte Biggi zu sich und übergab ihr das Telefon. Biggi konnte sich bereits denken, wer sie sprechen wollte. Wem sonst außer Axel hätte Ralf gesagt, dass sie ihn nicht sprechen wolle? Ihr fiel niemand ein. „Ja?“, meldete sie sich schließlich. „Hallo Biggi, ich bin es, Axel….“, säuselte er ihr ins Ohr. Biggi konnte es nicht glauben. Er hatte es tatsächlich zustande gebracht, sich noch einmal bei ihr zu melden, nach allem was passiert war. Eine unheimliche Wut stieg in ihr auf. „Nun hör mir mal zu, Axel. Ich habe dir klar und deutlich gesagt, dass ich dich nie… nie wieder sehen will. Ich habe meine Meinung nicht geändert und ich werde sie auch niemals ändern. Das, was du mir und Thomas angetan hast, lässt sich nicht wieder gut machen, verschwinde endlich aus meinem Leben.“ Ohne eine Antwort von Axel abzuwarten knallte Biggi den Hörer auf. Sie war total aufgebracht. „Was fällt diesem Mistkerl eigentlich ein? Reicht es ihm nicht, dass er mein Leben zerstört hat?“ Langsam bahnten sich einige Tränen den Weg über ihre Wangen. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir jetzt fahren.“, meinte Ralf entschlossen, während er auf Biggi zu ging und tröstend den Arm um sie legte. Er hatte gerade Michael und Thomas auf den Parkplatz fahren sehen, somit war die Ablösung da und sie konnten sich auf den Nachhauseweg machen. „Tschüss Karin.“, meinte Ralf noch, bevor er zusammen mit der völlig aufgelösten Biggi das Basisgebäude verließ. „Tschüss“, murmelte Karin nur und sah ihnen nach. Sie hatte keine Ahnung, was mit Biggi los war. Doch es schien die junge Pilotin sehr mitzunehmen.

Thomas und Michael waren gerade aus Michaels Jeep ausgestiegen. Ralf parkte direkt neben ihnen. Als Biggi und Ralf auf Ralfs Auto zugingen, sah Thomas auf. Seine und Biggis Blicke trafen sich. Er sah, dass sie geweint hatte, noch immer rannen ihr ein paar vereinzelte Tränen über die Wangen. Und er wusste, dass es wegen ihm war. Es versetzte ihm einen gewaltigen Stich ins Herz, sie so zu sehen. Sollte er sich bei ihr entschuldigen?

Er blickte nach unten, auf ihren Bauch, auf den Bauch, in dem sich die Frucht ihrer gemeinsamen Liebe befand. Er war sich inzwischen vollkommen sicher, dass es sein Kind war, sein Kind, sein kleiner Pilot .... niemand anderer konnte der Vater sein, auch nicht Axel. Biggi spürte seinen Blick, es war beinahe, als ob er sie berühren würde. Das hatte er so lange schon nicht mehr getan. Sie vermisste seine Berührungen so sehr, seine Hände, wie sie immer zärtlich ihren Bauch gestreichelt hatten, seine Lippen, wie sie die ihren geküsst hatten .... wie sie ineinander versunken waren. Thomas rang immer noch mit sich, ob er sich jetzt entschuldigen sollte. Allerdings hatte er keine Gelegenheit, zu einem Entschluss zu kommen, da Biggi bereits auf der Beifahrerseite von Ralfs Auto einstieg. Schließlich schlug sie die Tür zu, und während Ralf den Motor anwarf, blickte sie immer noch nach draußen, in Thomas' Augen. Seine Lippen bewegten sich. Sie sagten irgendetwas, doch sie verstand es nicht. Vielleicht würde sie es nie erfahren. Sie blickten sich so lange an, bis Ralf um die Ecke gebogen und das Auto hinter Bäumen verschwunden war. "Komm, Thomas. Wir sind schon spät dran.", versuchte Michael seinen Freund aus den Gedanken zu reißen. Biggi sprach während der ganzen Autofahrt kein Wort. Schließlich konnte Ralf ihren trübseligen Blick nicht mehr mit ansehen und meinte: "Biggi .... so kann das doch wirklich nicht weitergehen." Biggi sah ihn an. Sie wusste, dass er Recht hatte, doch sie wusste partout nicht, was sie tun sollte. „Du musst mit Thomas reden.“, riet der Sanitäter ihr. „Wenn das so einfach wäre…“, meinte Biggi nur und sah wieder betrübt aus dem Fenster. „So schwer ist es gar nicht…“, versuchte Ralf sie wieder zu überzeugen. Biggi blickte ihn wieder an. „Thomas hat mir an den Kopf geworfen, dass er nicht wisse, ob unser Kind überhaupt von ihm sei, und ich soll mich bei ihm entschuldigen?“ Natürlich wollte Biggi tief in ihrem Inneren nichts mehr, als dass alles wieder gut wurde zwischen ihnen. Doch den ersten Schritt zu tun verbot ihr Stolz ihr. „Du hast Recht, Thomas hat einen Fehler gemacht. Aber versetz dich doch mal in seine Lage, Biggi. Er hat gesehen, wie du Axel geküsst hast.“ Biggi schluckte, Ralf hatte ja Recht, doch das rechtfertige trotzdem nicht die Worte, die Thomas zu ihr gesagt hatte. Davon war sie fest überzeugt. Diese Worte hatten sie so sehr verletzt und wenn sie wieder daran dachte, stiegen ihr erneut Tränen in die Augen.

Als sie bei Ralfs und Gabis Wohnung ankamen, erwartete Gabriele die beiden schon. Sie hatte gekocht und nun schon alles fertig. „Und wie war der Tag?“, fragte sie lächelnd. Ralf ging auf sie zu, nahm sie in den Arm und empfing sie mit einem zärtlichen Kuss. Als Gabi jedoch in Biggis traurige Augen blickte unterließ sie es, weiter nachzufragen. Sie wusste sofort, dass Biggi nicht mit Thomas gesprochen hatte. Niedergeschlagen ließ die Pilotin sich auf einen der Küchenstühle sinken. Während des Essens sprach sie nicht ein Wort. Gabi blickte immer wieder besorgt zu ihr. Sie wollte ihr so gern helfen, nur wie? Das einzige, was sie tun konnte, war Biggi zuzuhören, wenn sie jemanden zum Reden brauchte und zu versuchen, sie ein wenig abzulenken.

Am nächsten Tag hatte das B Team frei und Biggi würde Thomas nicht sehen. Einerseits war sie erleichtert, denn bei seinem Anblick würden all die Gefühle wieder hochkommen, das wusste sie. Heute auf dem Parkplatz war es genauso gewesen. Sie konnte ihre Trauer und Verzweiflung dann einfach nicht länger verbergen. Und es war das Schlimmste, ihm nahe zu sein und doch so weit entfernt. Doch andererseits vermisste sie ihn schrecklich und sie hielt es kaum noch aus, hier bei Ralf und Gabriele in der Küche zu sitzen und nicht bei ihm zu sein.

„Ralf und ich hatten vor, morgen Vormittag zum Möbelmarkt zu fahren und Möbel für das Kinderzimmer auszusuchen. Hast du nicht Lust mitzukommen?“, schlug Gabi ihrer besten Freundin vor und riss sie damit aus den Gedanken. „Ich weiß nicht.“, meinte Biggi zögernd. Wenn sie wieder an ihr Kind dachte, dachte sie auch wieder sofort daran, dass es vielleicht ohne Vater aufwachsen würde. „Ach komm schon Biggi, ein bisschen Ablenkung tut dir ganz gut, glaub mir.“ Biggi nickte schließlich leicht. „Also gut.“ „Und während Ralf dann nachmittags die Möbel aufbaut, können wir beide zusammen an den kleinen Waldsee fahren und ein bisschen schwimmen gehen, was hältst du davon? Nur wir beide, ein Frauennachmittag?“ Biggi musste schließlich schmunzeln und willigte ein.

Gabi wechselte dann das Thema. „Nun erzählt aber mal, wie ist die Neue so?“ „Ganz nett.“, meinte Ralf nur. „Ganz nett?“, fragte Gabi nach. Ralf nickte. „Wir hatten noch nicht allzu viel Zeit, sie kennen zu lernen, aber ich denke, sie passt gut ins Team.“, fügte Biggi hinzu. Es war das erste Mal, dass sie sich am Gespräch beteiligte, ohne direkt etwas gefragt worden zu sein. „Hoffentlich gewöhnt ihr euch nicht so sehr an sie, dass ihr sie dann nach meiner Babypause weiter behalten wollte.“, meinte Gabi grinsend. Ralf sah sie entsetzt an, woraufhin Biggi und Gabi lachen mussten. „Nein, nein, war doch nur ein Scherz.“, beruhigte Gabi ihn, wobei sie Biggi ansah. Sie war froh, ihre Freundin zum Lachen gebracht zu haben, das erste Mal, seit dem Streit mit Thomas.

Als Thomas und Michael den Aufenthaltsraum betraten, saß Karin noch auf dem Sofa. „Oh, hallo.“, meinte Michael. Karin stand auf und kam auf die beiden zu. „Hallo, ich bin Karin Thaler, die neue Notärztin.“ Sie streckte ihnen die Hand entgegen. Während Thomas sich nur kurz vorstellte und sich dann gedankenverloren nach draußen an seine Lieblingsstelle am Fluss verzog, fing Michael sofort ein Gespräch mit Karin an. Die beiden setzten sich aufs Sofa, schenkten sich Kaffee ein und unterhielten sich dann über alles Mögliche. Karin war Michael auf Anhieb sympathisch und ihr erging es nicht anders. „Und vorher hast du in Großhadern gearbeitet?“ „Ja, ich war dort vier Jahre lang Stationsärztin in der Chirurgie.“ „Klingt spannend.“, meinte Michael. „Na ja,  so spannend war es auch nicht. Irgendwann sehnte ich mich nach etwas Neuem, und da wurde gerade hier diese Stelle frei.“ Sie sahen sich an und lächelten beide. „Also, wenn Sie… wenn du… noch zu irgendetwas Fragen hast, kannst du dich immer an mich wenden.“, meinte Michael dann. „Danke“, erwiderte Karin, „Ich werde sicherlich darauf zurückkommen.“

Thomas hatte sich in ins hohe Ufergras an der Salzach gesetzt. Dies war immer seine und Biggis Lieblingsstelle gewesen. Seufzend warf er einen kleinen Stein ins Wasser. Alleine hier zu sitzen war nicht einmal halb so schön, als zusammen mit Biggi, wenn sie sich in seine Arme gekuschelt hatte. Und schon gar nicht, mit den Gedanken, die in Thomas’ Kopf umherkreisten. Hätte er sich bei Biggi entschuldigen sollen? Nun war es zu spät. Sein Stolz sagte ihm, dass er richtig gehandelt hatte, aber sein Gefühl? Er vermisste Biggis Nähe so sehr und wusste nicht, wie er es noch länger ohne sie aushalten sollte. Doch er würde es wohl müssen, schließlich hatte das B Team am folgenden Tag frei und er würde sie erst in zwei Tagen wieder sehen. Und selbst wenn er sie dann übermorgen wieder sah, dann wäre er noch immer nicht weiter als jetzt. Er konnte sich ein Leben ohne diese Frau nicht mehr vorstellen, doch wie es jetzt weitergehen sollte, wusste er auch nicht. Einfach so auf sie zugehen und sich entschuldigen, das würde ihn verdammt viel Überwindung kosten. Sein Stolz verbot es ihm. Biggi hatte einen anderen geküsst, sie war fremdgegangen, nicht er. Immer wieder kreisten alle diese Gedanken Thomas durch den Kopf. Er schaffte es nicht, klare Gedanken zu fassen und somit kam er auch nicht zu dem Entschluss, dass er mit Biggi reden musste, egal wie. Er kam zu gar keinem Entschluss und war noch immer genauso verzweifelt wie am Anfang. Wo sollte das alles nur enden?

So verging die Schicht des A Teams ohne einen Einsatz. Während Peter sich mit Max im Hangar aufhielt, die beiden ein wenig Tischfußball spielten und sich unterhielten, verbrachte Michael die ganze Zeit mit Karin im Aufenthaltsraum. Sie hatten total die Zeit vergessen und Karin war tatsächlich seine ganze Schicht über dort geblieben.

Gegen Schichtende betrat auch Thomas wieder das Basisgebäude. Karin fiel auf, dass er denselben, traurigen Blick hatte, wie Biggi. Sie fragte jedoch nicht weiter nach, da Thomas sowieso sofort in der Umkleide verwunden war. Karin und Michael folgten ihm ebenso wie Peter. Michael hatte natürlich mitbekommen, dass Thomas und Biggi nicht miteinander geredet hatte, durch Karins Beisein hatte er jedoch noch nicht die Gelegenheit gehabt, seinen Freund darauf anzusprechen. „Was hältst du davon, wenn du Biggi nachher mal anrufst?“, fragte Michael plötzlich. Thomas sah auf und blickte ihn an. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre…“, antwortete er dann zögerlich. Wenn dann wollte er mit Biggi persönlich reden. Zwar hielt er es kaum noch aus vor Sehnsucht nach ihr und hätte eigentlich nichts lieber getan, als sie anzurufen, ihre Stimme zu hören, doch es hatte doch keinen Zweck… Seufzend machte er sich wieder daran, seinen zweiten Schuh zuzuschnüren. Michael beobachtet ihn einen Moment lang. So konnte es doch wirklich nicht weitergehen. Auch er hatte natürlich Biggis tränengerötete Augen gesehen und wusste, dass auch sie unter der Trennung von Thomas litt. ‚Wenn sie beide doch nur nicht so stur wären…’, dachte er sich.

Michael war zuerst fertig mit Umziehen und trat schon einmal hinaus in den Flur. Zur selben Zeit öffnete sich auch die Tür der Frauenumkleide und Karin trat heraus. Sie trug eine Jeans und ein kurzes Sommertop, passend zu den sommerlichen Temperaturen, die an diesem Tag herrschten. Michael konnte den Blick kaum von seiner Kollegin abwenden, doch er riss sich zusammen. Immerhin kannten die beiden sich erst wenige Stunde, selbst wenn sie sich von Anfang an total sympathisch waren. „Dann wünsche ich noch einen schönen Abend, Frau Doktor.“, meinte er lächelnd und sah ihr dabei in die Augen. „Ebenfalls, Herr Doktor Lüdwitz.“, antworte sie lächelnd. Dann drehte sie sich um und ging in Richtung Tür. Michael sah ihr noch nach. Als sie gerade die Tür öffnen wollte, drehte sie sich noch einmal um, sah zu ihm und lächelte ihn an, dann ging sie endgültig.

Thomas trat wenig später aus der Umkleide. Mit hängenden Schultern folgte er Michael zum Auto. Der Notarzt beobachtete seinen Freund nur kopfschüttelnd auch er stellte sich die Frage, wo das nur alles enden sollte. Er selbst jedoch hatte eigentlich blendende Laune. Karin ging ihm nicht aus dem Kopf. Keine Frage, er fand sie unheimlich nett, aber war da noch mehr? Michael wusste es nicht, immerhin kannten sie sich gerade einmal ein paar Stunden und er konnte sich darüber noch kein Urteil bilden. Trotzdem freute er sich schon wie ein kleines Kind darauf, sie übermorgen wieder zu sehen. Er konnte sich das selbst nicht erklären.

Biggi, Gabi und Ralf hatten sich entschlossen, sich einen netten Abend vor dem Fernseher zu machen. Sie sahen sich einen Krimi an. Während Gabi und Ralf es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatten und sie sich immer näher an ihn kuschelte, saß Biggi ihnen gegenüber auf dem Sessel. ‚Zum Glück kein Liebesfilm.’, dachte sich die Pilotin nur, das hätte ihr jetzt gerade noch gefehlt.

Karin saß in ihrem Auto und war auf dem Weg nachhause. Sie hatte noch einen kleinen Zwischenstopp im Supermarkt gemacht, denn sie hatte kaum etwas im Haus für ein Abendessen. Die ganze Zeit musste sie jedoch an Michael denken. Es ging ihr ähnlich wie ihm, mit einem Unterschied jedoch – sie wollte sich nicht verlieben. Nein, sie durfte es nicht, niemals. Denn sie hatte ein Geheimnis, ein Geheimnis, das niemand kannte, niemand außer ihrer Familie und ihrer engsten Freunde. Dieses Geheimnis war stärker als jegliche Gefühle, die sie jemals für einen Mann empfinden könnte, dessen war sie sich sicher. Seit fünf Jahren wusste sie es nun schon und damals hatte sie ihren damaligen Lebenspartner deshalb verlassen. Sie wollte ihn nicht belasten und inzwischen hatte sie gut gelernt, allein klarzukommen. Natürlich sehnte sie sich manchmal nach einem Mann an ihrer Seite, besonders wenn sie wieder einmal ein verliebtes Paar beobachten musste, doch alles in allem, wusste sie, dass sie damals die richtige Entscheidung getroffen hatte. Und sie würde jetzt wieder die richtige Entscheidung treffen. Es war wohl besser, wenn sie Michael in nächster Zeit ein bisschen aus dem Weg ging – nur zur Vorsicht. Sie hatte keine Ahnung, ob sie wirklich irgendwelche Gefühle für ihn hatte, das konnte sie nach dem einen Tag bei weitem noch nicht sagen, oder ob er Gefühle für sie empfand, doch sie wollte einfach sicher gehen.

Als der Film zu Ende war, beschlossen Biggi, Gabi und Ralf schlafen zugehen. Obwohl sie morgen keine Schicht haben würden, mussten sie früh aufstehen. Sie wollten schließlich noch die Möbel fürs Kinderzimmer aussuchen. Ralf und Gabi freuten sich schon wahnsinnig darauf. Sie konnten es kaum abwarten, das Kinderzimmer endlich herzurichten. Lange würde es schließlich nicht mehr bis zum errechneten Geburtstermin dauern. Mit dem Gedanken daran schliefen sie schließlich glücklich Arm in Arm ein.

Biggi lag wie am vergangenen Abend noch wach und wieder schwirrten ihr dieselben Gedanken durch den Kopf. Sie vermisste Thomas so, ihren Thomas. Trotz allem, was passiert war, würde sie niemals aufhören, ihn zu lieben.

Am nächsten Morgen wachte Thomas früh auf – viel zu früh. Er hatte wahnsinnig schlecht geschlafen und fühlte sich absolut nicht fit. Sein Wecker verriet ihm, dass er noch eine halbe Stunde hatte, bis er aufstehen müssen würde. ‚Ausgerechnet heute Frühschicht…’, dachte er sich und zog sich die Decke halb über den Kopf. Einschlafen konnte er jedoch nicht wieder. Er hatte wieder Biggi vor Augen, wie sie ihn mit ihren tränengeröteten Augen, die so viel Verzweiflung ausdrückten, angesehen hatte.

Schließlich gab er es auf und stand auf. Er ging ins Bad, um erst einmal eine heiße Dusche zu nehmen. Vielleicht half das ja ein wenig gegen die Müdigkeit und vor allem dabei, auf andere Gedanken zu kommen. Als er jedoch in die Dusche stieg, viel sein Blick auf ein kleines Fläschchen, dass auf dem Rand der Dusche stand – Biggis Duschgel. Sie musste es vergessen haben. Thomas seufzte leise und drehte dann das Wasser auf.

Als Biggi aufwachte, waren Gabi und Ralf schon seit über einer Stunde auf den Beinen. Ralf hatte schon Brötchen geholt und sie hatten bereits ein leckeres Frühstück in der Küche hergerichtet. Biggi setzte sich langsam auf. Auch sie hatte schlecht geträumt. Verschlafen rieb sie sich die Augen und blickte dann auf die Uhr. Es war höchste Zeit aufzustehen. Also quälte sie sich langsam aus dem Bett und schlich zu Gabi und Ralf in die Küche. „Morgen Biggi, gut geschlafen?“, begrüße Gabi ihre beste Freundin lächelnd. Biggi ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Es geht.“, antwortete sie tonlos. „Hier, nimm erstmal einen Kaffee.“, bot Ralf seiner Kollegin an und reichte ihr einen Becher. „Danke“ Biggi hatte eigentlich keinen Hunger, doch der Duft der frischen Brötchen, der ihr in die Nase stieg, ließ sie es sich dann doch anders überlegen.

Nach dem Frühstück, ging Biggi erstmal ins Bad. Sie beeilte sich jedoch, denn sie wusste, dass Gabi und Ralf bald los wollten. Wirklich Lust hatte sie eigentlich nicht, bestimmt würde sie immer wieder an ihr eigenes Baby und die verletzenden Worte, die Thomas gesagt hatte, erinnert werden. Doch andererseits hatte Gabi ja Recht, ein wenig Ablenkung würde ihr vielleicht wirklich ganz gut tun. Also föhnte sie sich schnell noch die nassen Haare und begab sich dann zu Ralf und Gabi ins Wohnzimmer, die dort schon auf sie warteten. „Dann können wir ja los?“, meinte Ralf freudig und so gingen sie nach draußen. Sie fuhren mit Ralfs Auto, da es einen größeren Kofferraum hatte als Gabis. Biggi war was das anging im Moment sowieso auf die beiden angewiesen. Ihr Motorrad stand noch vor der Villa, zudem fuhr sie jetzt in den letzten Monaten der Schwangerschaft nicht mehr so gern damit. Es war einfach zu gefährlich und ihr Kind war ihr wichtiger.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt waren sie am Möbelhaus angekommen. Es war ziemlich groß und hatte vier Etagen. Gabi und Ralf waren schon voller Vorfreude, sie konnten es kaum erwarten, endlich ihrem Kind sein Zimmer einzurichten. Da sie noch nicht wussten, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden würde, entschieden sie sich dafür, möglichst neutrale Farben zu wählen.

Das A Team saß zur selben Zeit bereits auf der Basis. Ihre Schicht hatte gerade begonnen. Während Peter und Michael sich unterhielten, saß Thomas nur abwesend daneben und schaute raus aus dem Fenster. Es regnete ein wenig und die Tropfen klopften an die Fensterscheiben des Aufenthaltsraums. Dieses Wetter passte unheimlich gut zu der Stimmung, in der der Pilot sich gerade befand. Nein, nicht nur gerade, eigentlich hielt dieser Zustand bereits einige Zeit an, um genau zu sein, seit dem Augenblick, als Biggi ihre Koffer gepackt und ihn verlassen hatte. Hätte er sie doch aufgehalten. Da hätten sie die ganze Sache vielleicht noch klären können. Aber jetzt? Natürlich hatte sich nichts an der Tatsache geändert, dass Biggi Axel geküsst hatte, und auch nichts daran, was Thomas ihr an den Kopf geworfen hatte, doch je länger sie nicht miteinander redeten, je verfahrener wurde die Situation. Thomas seufzte leise, er vermisste sie so sehr. Heute würde er sie nicht sehen, das B Team hatte schließlich frei. Und am folgenden Tag? Vielleicht kurz beim Schichtwechsel. So konnte es doch nicht weiter gehen, Thomas hielt es kaum noch aus. Michael und Peter bemerkten natürlich, wie sehr er litt, ebenso wie sie bemerkt hatten, dass es auch Biggi schlecht ging. Sie überlegten, wie sie den beiden helfen konnten, doch sie sahen nur einen Weg: Die beiden mussten sich aussprechen und das mussten sie ganz alleine schaffen, dabei konnte ihnen niemand helfen…

„Oh, schau mal Ralf, wie süß!“ Gabi hatte eine Babywiege entdeckt. Sie war aus Holz geschnitzt und hatte einen Überzug aus einem sonnengelben Stoff mit kleinen bunten Schmetterlingen. Ralf trat hinter sie und legte seine Arme um ihren Bauch. „Das ist genau das Richtige!“ stimmte er ihr glücklich zu. Er war ebenfalls total fasziniert. „Was meinst du dazu, Biggi?“, wollte Gabi dann von ihrer Freundin wissen. „Sie ist echt total schön.“, stimmte auch die Pilotin zu. „Oh, und schaut mal hier.“, machte sie Ralf und Gabi dann auf einen kleinen Hochstuhl aufmerksam, der aus dem gleichen Möbelprogramm wie die Wiege stammte. Sie hätten kein Problem damit gehabt, den halben Laden leer zu kaufen. Es gab einfach so viele schöne Einrichtungen für ein Kinderzimmer, dass die Entscheidung wirklich schwer viel. Mit Biggis Beratung entschieden Gabi und Ralf sich dann am Ende jedoch für die Wiege, einen kleinen Kleiderschrank, eine Wickelkommode und den Hochstuhl. „Hoffentlich bekommen wir das alles ins Auto.“, meinte Ralf mit einem zweifelnden Blick auf die ganzen Kartons, in denen die Einzelteile der Möbel verstaut waren. „Aber sicher.“ beruhigte Gabi ihn, „Wir können einen Teil ja auch noch auf die Rückbank legen. „Stimmt“, gab Ralf ihr Recht. Sie lächelten sich an und küssten sich dann zärtlich. Biggi beobachtete es wehmütig. Was hätte sie dafür gegeben, jetzt wieder bei Thomas zu sein und von ihm geküsst zu werden?

Die Regenwolken am Himmel waren weggezogen und dahinter kam die strahlende Sonne zum Vorschein. Michael und Peter hatten es sich auf zwei Liegestühlen vor dem Hangar gemütlich gemacht, es war total warm und sonnig. „So gut wie das B Team müsste man es mal haben, da würde ich sofort ins Freibad gehen.“, bemerkte Peter, während er sich mit einer Zeitschrift versuchte ein wenig kühle Luft zuzufächern. Michael konnte im nur zustimmen. Jetzt um die Mittagszeit rum war es besonders warm. Seit die paar kleinen Wolken sich verzogen hatten, war es wieder ein richtig schöner Sommertag, wie auch schon die Tage zuvor. Thomas zog trotzdem nichts nach draußen. Wenn Biggi jetzt hier wäre… ja wenn sie hier wäre und es diesen einen verfluchten Tag, der alles zerstört hatte, nicht gegeben hätte, dann würde er jetzt bestimmt mit ihr zusammen im hohen Gras vor dem Hangar liegen, aber so? Zu schmerzhaft waren all die schönen Erinnerungen. Thomas fragte sich die ganze Zeit schon, was wohl wirklich zwischen Axel und Biggi abgelaufen war. Offensichtlich war auf jeden Fall, dass der Kuss, bei dem Thomas sie beobachtet hatte, nicht der einzige gewesen war. Axel hatte es ihm schließlich selbst ins Gesicht gesagt und Biggi hatte es auch nicht abgestritten. Doch war da noch mehr? Hatte sie ihn schon länger betrogen? Oder war es wirklich nur ein Ausrutscher gewesen? Nur aus Mitleid? Hatte Axel Biggi dazu gedrängt? Tausend Gedanken schwirrten Thomas durch den Kopf und er wusste absolut nicht, was er davon halten sollte. Was er glauben sollte und was nicht. Er war nur noch verwirrt. Er wollte die Wahrheit wissen, doch wie sollte er sie herausfinden? Biggi fragen? Bestimmt nicht. Axel fragen? Nie im Leben! Irgendwie hatte der Pilot sogar Angst vor der Wahrheit. Was war, wenn Biggi und Axel schon seit längerem ein Verhältnis hatten? Wenn es nicht nur ein Ausrutscher für Biggi gewesen war, auch wenn sie dies beteuerte. Alleine nur der Gedanke daran machte Thomas fertig. Dieser Gedanke stellte alles, was zwischen ihm und Biggi jemals gewesen war, in Frage. Nur eins konnte auch dieser Gedanke nicht in Frage stellen, die Gefühle, die Thomas zweifelsfrei noch immer für sie empfand. Daran würde sich auch nie etwas ändern, dessen war der Pilot sich sicher.

Ralf hatte sich, gleich nachdem sie nachhause gekommen waren, an das Auspacken der Möbel gemacht. Mit der Wiege hatte er begonnen. Die Einzelteile lagen bereits auf dem Kinderzimmerfußboden ausgebreitet und er versuchte die ersten Bretter zusammenfügen. „Wir lassen den Meister dann mal in Ruhe arbeiten.“, meinte Gabi lächelnd und verabschiedete sich mit einem Kuss von ihrem Ralf. Sie und Biggi hatten ihre Schwimmsachen bereits fertig gepackt und wollten zum Waldsee aufbrechen. „Tschüss und seid vorsichtig.“, meinte Ralf noch. „Ralf, schwanger bedeutete nicht krank.“, versicherte Gabi ihm wie so oft. Ralf lächelte nur unschuldig und wünschte den beiden dann noch einen schönen Nachmittag.

Eine halbe Stunde später hatten Gabi und Biggi den Waldsee erreicht. Gabriele stellte den Wagen auf dem Parkplatz direkt am See ab, dann nahmen sie sich ihre Badesachen und den großen Picknickkorb und machten sich auf die Suche nach einem schönen Platz auf der Liegewiese. Dies erwies sich als gar nicht so einfach, denn an einem so schönen Sommertag wie diesem war selbst das kleine Waldschwimmbad gut besucht. Schließlich fanden sie dann aber doch noch einen schönen Platz, halb Sonne, halb Schatten. Sie breiteten ihre großen Badelaken aus und ließen sich dort nieder. „Ach ist das herrlich….“, schwärmte Biggis schon fast, als sie wenig später im Bikini neben Gabi lag und sich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ. Gabi lächelte, sie war froh, dass ihre Ablenkungsmaßnahme anscheinend Wirkung zeigte. Zumindest hatte sie nicht den Eindruck, dass Biggi gerade an Thomas dachte. Das tat sie in diesem Moment wirklich nicht. Sie genoss es, dass sie und Gabi einfach nur mal einen Nachmittag zusammen verbringen konnten – ohne Männer. Das hatten sie lange nicht mehr getan…

„Kommst du mit ins Wasser?“, fragte Gabi ihre beste Freundin. Biggi ließ sich das nicht zweimal sagen und so gingen die beiden zum See runter. Der Waldsee war noch ziemlich kühl, zwar hatte die Sonne ihn ein wenig aufgewärmt, doch die vielen Bäume, die am Ufer standen, spendeten Schatten, sodass er sich nicht so schnell erwärmte. „Brrrr ist das kalt….“, stellte Gabi fest, als sie den ersten Fuß ins Wasser setzte. Biggi stand schon bis zu den Knien drin. „Nun stell dich nicht so an.“, meinte sie lachend und begann, Gabi nass zu spritzen. Diese ließ das natürlich nicht auf sich sitzen und es endete damit, dass sie beide total nass waren. Somit konnten sie dann auch ganz ins Wasser gehen. Nachdem sie noch ein wenig rumgealbert hatten, beschlossen sie dann eine Runde zu schwimmen. Gabi bemerkte, dass das gar nicht mal so einfach war mit dem runden Bauch. Ihr Bauch war immerhin schon um einiges dicker als Biggis. Sie war ja auch schon drei Monate weiter. Noch knapp einen Monat, dann wart es endlich so weit. Gabi lächelte bei dem Gedanken daran, sie freute sich schon so wahnsinnig.

Nachdem sie zwei Bahnen geschwommen waren, wurde es Biggi und Gabriele zu anstrengend. Sie beschlossen erst einmal eine kleine Verschnaufpause einzulegen und gingen zurück zu ihren Handtüchern. Die Sonne war inzwischen ein wenig gewandert, sodass sie nun ganz in der Sonne lagen. Dies kam den beiden jedoch recht gelegen, so konnten sie sich auf ihre Badelaken legen und sich in der Sonne trocknen lassen. Biggi setzte sich ihre Sonnenbrille auf und schloss dann die Augen. Sie liebte es, auf der Wiese zu liegen, die Augen zu schließen und sich zu sonnen. Gabi tat es ihr nach. Es war auch wirklich ein herrlicher Tag und die beiden genossen es in vollen Zügen. Gabi schaffte es tatsächlich, Biggi so gut abzulenken, dass sie kaum an Thomas dachte. Wenn er doch wieder in ihre Gedanken trat, dann versuchte sie schnell an etwas anderes zu denken, was ihr auch fast immer gelang. Sie wollte heute einfach nur den Nachmittag genießen und nicht mehr daran denken. Gabi freute sich, dass Biggi der kleine Ausflug anscheinend so gut tat, und beschloss, das jetzt öfter zu machen. Zumindest solange die Sache mit Thomas ihre Freundin so sehr belastete. Dann dachte sie jedoch wieder an Ralf. Sie stellte sich vor, wie das Kinderzimmer wohl aussehen würde, wenn sie wieder nachhause kommen würden. Schmunzelnd stellte sie sich vor, wie Ralf die Möbel wohl gerade zusammen baute. Er war handwerklich nicht gerade das größte Talent, doch er gab sich immer große Mühe, sodass er es am Ende meistens doch alles hinbekam.

Irgendwann bekamen Gabriele und Biggi Hunger. Zum Glück hatten sie sich jedoch genug zu Essen mitgenommen. Sie entschieden sich zunächst für eine kleine Packung Kekse, Butterkekse mit Schokolade. Da man jedoch mit vollem Magen nicht ins Wasser gehen sollte, aßen sie nicht sehr viel, denn sie hatten eine Erfrischung im kühlen Nass nötig. Lachend liefen die beiden wieder zum Ufer des Sees. Diesmal waren sie allerdings nicht so zurückhaltend und gingen gleich bis zum Bauch ins Wasser. Durch das Liegen in der Sonne war ihnen ziemlich warm geworden und die Abkühlung tat nun total gut. Gerade als sie sich entschlossen hatten, noch einmal ein paar Bahnen zu schwimmen, hielt jemand Biggi plötzlich von hinten die Augen zu. „Rate, wer ich bin.“, hörte sie dann eine Kinderstimme. Biggi musste nicht raten, sie hatte die Stimme sofort erkannt. Es war zweifelsfrei die von Laura. Biggi drehte sich um und entdeckte sie und Lisa direkt hinter sich. „Was macht ihr denn hier?“, fragte sie die beiden und bemühte sich um ein Lächeln. Natürlich dachte sie sofort wieder an Thomas. „Mama ist mit uns schwimmen gefahren, weil es doch heute so heiß ist.“, antwortete Lisa. Biggi nickte. Schon erblickte sie Vera, die auf sie zukam. „Hallo Biggi, hallo Gabriele, das ist ja ein Zufall, dass wir uns hier treffen.“, meinte sie fröhlich. Biggi nickte nur. „Ist Papa auch hier?“, fragte Laura dann neugierig. Biggi schüttelte den Kopf. „Nein, Gabi und ich sind allein hier.“. Nun kam endgültig alles wieder hoch, was Biggi versucht hatte den ganzen Tag über zu verdrängen. Verdrängt war eben nicht vergessen. „Hubert musste auch arbeiten.“, erzählte Vera ein wenig wehmütig. Doch den Tag mit den Kindern genoss sie trotzdem. „Thomas muss nicht nur arbeiten, wir haben uns getrennt.“, meinte Biggi dann, wobei ihr Tränen in die Augen stiegen. Dann drehte sie sich um und verließ so schnell sie konnte fluchartig das Wasser. Während sie zu ihrem Handtuch zurücklief, stiegen ihr immer mehr Tränen in die Augen. Warum hatte sie gerade Lisa und Laura hier begegnen müssen. Biggi fragte sich, ob sie das jemals alles überwinden würde. Der Schmerz saß einfach zu tief, zu groß war die Enttäuschung und vor allem die Sehnsucht nach Thomas.

Gabi war ihrer Freundin sofort hinterher geeilt, sie holte Biggi jedoch erst beim Handtuch wieder ein. „Bitte, lass uns nachhause fahren.“, bat die Pilotin sie total aufgelöst. Gabi nickte verständnisvoll. Dann machten sie sich daran, sich umzuziehen und ihre Sachen zu packen. Biggi setzte sich ihre Sonnenbrille auf, damit man die Tränen in ihren Augen nicht erkennen konnte. Als sie gerade das Waldbad verlassen wollten, kam Vera noch einmal auf die beiden zu. Sie hatte Lisa und Laura ins Wasser geschickt, weil sie nicht wollten, dass die beiden dabei waren. Sie waren noch zu klein, um das alles zu verstehen. „Biggi, es tut mir Lied, mit dir und Thomas, ich konnte ja nicht wissen, dass…“ Biggi nickte nur. „Schon gut, es war ja nicht deine Schuld.“ Dann verabschiedeten sie und Gabi sich von Vera und gingen langsam, zum Auto. Biggi wollte nur noch nachhause. Vera sah ihnen noch nach und fragte sich, wie es dazu gekommen war, dass Thomas und Biggi sich getrennt hatten. Sie hatte die beiden immer als Traumpaar vor Augen gehabt und hätte niemals gedacht, dass sie sich trennen würden. Sie vermutete, dass etwas ziemlich Heftiges vorgefallen sein musste, dass es soweit gekommen war, denn man hatte Biggi ebenso wie Thomas die Verliebtheit in den anderen schon fast auf zehn Meter Entfernung angesehen.

Gegen Ende der Schicht kamen Peter und Michael zurück in den Aufenthaltsraum, wo Thomas noch immer auf dem Sofa saß und aus dem Fenster blickte. „Hast du auch noch Lust mitzukommen in den Biergarten?“, fragten die beiden ihn. Sie dachten., dass ihm ein bisschen Ablenkung sicher ganz gut tun würde. Doch Thomas schüttelte den Kopf. „Geht ihr nur, ich fahre lieber gleich nachhause. Ich bin heute nicht in der Stimmung für so etwas.“ Michael und Peter sahen sich ratlos an. Dann verschwanden sie in der Umkleide. Thomas folgte ihnen schließlich langsam und noch immer in Gedanken versunken.

Als Gabriele und Biggi nachhause kamen, fanden sie Ralf auf dem Balkon sitzend mit einer Flasche Bier in der Hand vor. Er erholte sich ein bisschen von der getanen Arbeit. „Hallo, Schatz.“, begrüßte Gabi ihn und sie küssten sich zärtlich. „Hast du mein Meisterwerk schon bewundert?“, erkundigte Ralf sich. Gabriele schüttelte den Kopf. „Nein, ich wollte erst nach dir sehen, weil sich sooooolche Sehnsucht hatte.“, antwortete sie hm lächelnd. Ralf lächelte zurück und küsste sie dann. Dann stand er auf und die beiden gingen Arm in Arm wieder nach drinnen zum Kinderzimmer. Gabi war total sprachlos, als Ralf die Tür öffnete. Er hatte tatsächlich alles fertig aufgebaut und sogar schon an die richtige Stelle geschoben. „Oh Ralf es… es ist wunderschön geworden…“, meinte Gabi total gerührt. Sie bedankte sich mit einem langen Kuss bei ihm, den Ralf natürlich gern erwiderte. Schließlich küssten sie sich immer leidenschaftlicher und Ralfs Hand glitt unter Gabis Shirt. „Ralf, nicht jetzt… wenn Biggi kommt…“ Das sah Ralf natürlich ein und so drückte er Gabi noch einen letzten Kuss auf den Mund und ging dann Arm in Arm mit ihr zurück ins Wohnzimmer.

Biggi hatte sich sofort ins Gästezimmer zurückgezogen und Gabi ahnte, dass sie allein sein wollte. „Wie war es denn eigentlich am See?“, wollte Ralf irgendwann wissen. „Eigentlich total schön, Biggi war richtig gut abgelenkt und sie konnte endlich mal wieder so richtig ausgelassen lachen…“ An Gabis betrübter Miene merkte Ralf jedoch sofort, dass jetzt noch ein „aber“ folgen würde. „Aber dann haben wir Vera mit den Kindern getroffen…“ Ralf schluckte. „Arme Biggi.“, meinte er leise. Gabi konnte ihm nur zustimmen. „Ich glaube, es ist besser, wenn wir sie ein bisschen in Ruhe lassen heute Abend. Ich werde nachher mal kurz nach ihr sehen.“, entschied Gabi. Ralf stimmte ihr voll und ganz zu. Ihm tat Biggi ja auch total Leid.

Die Pilotin verkroch sich den ganzen Abend lang im Gästezimmer. Sie hatte sich aufs Bett gelegt und starrte auf ihr Lieblingsfoto. Wie glücklich sie damals doch noch gewesen waren. Davon war im Moment nichts mehr zu spüren. Sie fragte sich, ob es je wieder so werden würde. Gab es noch eine Chance für sie und Thomas?

Thomas grübelte zur selben Zeit in seinem Schlafzimmer über genau dieselbe Frage nach. Er konnte sowieso an nichts anderes mehr denken. Irgendwann, weit nach Mitternacht, fiel er jedoch total erschöpft in einen unruhigen Schlaf. Auch in dieser Nacht besuchte Biggi ihn wieder in seinen Träumen.

Biggi lag noch immer wach, sie konnte einfach nicht schlafen, zu sehr quälten sie ihre Gedanken. Irgendwann stand sie leise auf, um sich aus der Küche ein Glas Wasser zu holen. Sie nahm sich vorsichtig ein Glas aus dem Schrank und schenkte sich dann aus der Seltersflasche ein. Nachdem sie einige Schlucke genommen hatte, beschloss sie das Glas mit in ihr Zimmer zu nehmen. Als sie jedoch gerade wieder hinaus auf den Flur trat, hörte sie ein Geräusch. Sie erschrak ein wenig, doch dann bemerkte sie, dass dieses Geräusch aus dem Schlafzimmer von Gabi und Ralf kam. Biggi musste an der Tür, die einen kleinen Spalt weit offen stand, vorbei, um wieder zurück ins Gästezimmer zu kommen. Sie wäre fast daran vorbeigegangen, doch dann wurden die Geräusche immer lauter. Durch den Spalt konnte Biggi erkennen, dass Ralf und Gabi sich gerade leidenschaftlich ihrer Liebe hingaben. Schnell schlich sie ein wenig erschrocken zurück ins Gästezimmer und schloss die Tür hinter sich. Erschöpft ließ sie sich aufs Bett sinken und leerte dann das Glas Wasser mit einem Zug. Sie legte sich wieder hin und versuchte erneut, endlich einzuschlafen, doch es wollte ihr wieder nicht gelingen. Sie musste einfach immer daran denken, wie glücklich Ralf und Gabi doch waren und dass Thomas und sie vielleicht nie wieder so glücklich werden würden.

So vergingen sie nächsten zwei Wochen. Gabis Geburtstermin stand kurz bevor und sie hatte ihre gepackte Reisetasche bereits im Schrank stehen, da es nun jeden Tag losgehen konnte. Thomas und Biggi hingegen hatten sich noch immer nicht dazu durchringen können, miteinander zu reden. Sie sahen sich wenn dann immer nur ganz kurz zum Schichtwechsel, worüber sie auch beide nicht unglücklich waren. Es tat einfach so weh, dem anderen ständig über den Weg zu laufen, nach allem, was passiert war. Ihre Gefühle füreinander hatten sich jedoch nicht im Geringsten verändert und sie gingen beide durch die Hölle. Oftmals hielten sie es kaum noch aus, nicht bei dem anderen zu sein. Die Verzweiflung und Sehnsucht nach dem anderen wurde nur von Tag zu Tag noch größer. Doch keiner schaffte es, den ersten Schritt zu tun, jeder sah dies als Aufgabe des anderen an, obgleich ihre Kollegen immer wieder versuchten, die beiden zu einem Gespräch miteinander zu überreden.

Es war gerade Schichtwechsel an diesem herrlichen Sommertag im Juni. Das B Team hatte die Frühschicht gehabt und nun endlich frei.  Biggi und Karin waren noch in der Umkleide, doch Ralf war bereits fertig und stand draußen vor dem Eingang. Er wartete auf Gabriele, die ihn abholen wollte. Sie hatte heute einen Untersuchungstermin bei ihrem Frauenarzt und Ralf wollte sie begleiten. Tatsächlich fuhr wenige Augenblicke später Gabi auf den Parkplatz. Ralf lief auf ihr Auto zu und als sie ausstieg, nahm er sie erstmal in die Arme und küsste sie zur Begrüßung stürmisch.

Thomas stand am Fenster und hatte die Szene mit angesehen. Er seufzte leise, als ihm jemand von hinten aufmunternd die Hand auf die Schulter legte. Es war Peter, der hinter ihn getreten war. Er wusste genau, was Thomas in diesem Moment dachte. „Sie sind ein schönes Paar.“, meinte der Pilot wehmütig mit einem Blick auf Gabi und Ralf. „Stimmt, das sind sie.“, gab Peter ihm Recht. „Aber du und Biggi, ihr seid ein mindestens genauso schönes Paar.“, fügte er dann hinzu. Thomas seufzte und meinte dann traurig: „Ja, das waren wir wirklich….“, wobei er das „waren“ betonte. Seine Augen wurden feucht und Peter reichte ihm ein Taschentuch.

Biggi war gerade aus der Umkleide getreten und hatte die letzten Sätze der Unterhaltung mitbekommen. Sie merkte, dass Thomas scheinbar genauso unter der Trennung litt wie sie. Zwar hatten ihre Kollegen es ihr die ganze Zeit schon bezeugt, doch es mit eigenen Augen zu sehen, war doch etwas anderes. Liebte er sie wirklich noch immer genauso sehr wie vor diesem verdammten Tag, der alles zerstört hatte? Biggi blickte zu Thomas, der noch immer am Fenster stand und sie noch nicht bemerkt hatte. Sie sah die Träne, die über seine Wange rann, und zögerte einen Moment. Sollte sie zu ihm gehen? Doch dann wurde ihr die Entscheidung abgenommen. „Biggi, kommst du?“, rief Gabi, die bereits im Eingang stand und wartete, ihr zu. Biggi zuckte ein wenig zusammen, da sie nur auf Thomas geachtet hatte. Doch dann nickte sie. „Ja, natürlich.“ Langsam, den Blick nicht von Thomas abwendend, folgte sie Gabi und verließ das Basiegebäude.

Ralf erwartete die beiden bereits am Auto und so machten sie sich auf den Heimweg. Sie wollten Biggi dort absetzen und dann gleich weiterfahren zu Gabis Frauenarzt.

Thomas stand noch immer am Fenster, er hatte Biggi die ganze Zeit sehnsüchtig nachgesehen.

Kurz nachdem die drei die Basis verlassen hatten, betrat auch Karin den Aufenthaltsraum. „Ich werde mich dann auch mal auf den Nachhauseweg machen.“, verabschiedete sie sich von Michael, Thomas und Peter. Michael lächelte sie an und Karin lächelte zurück, dann drehte sie sich um und ging. Michael wurde einfach nicht schlau aus ihr. Ihm wurde mehr und mehr bewusst, dass er auf dem besten Weg war, sich in sie zu verlieben. Doch verstand er ihr Verhalten einfach nicht. Mal zeigte sie großes Interesse an ihm, doch sobald sie kurz davor waren, sich ein wenig näher zukommen, schreckte Karin jedes Mal unter irgendeinem Vorwand  zurück. Als er sie zum Essen einladen wollte, hatte sie plötzlich Kopfschmerzen bekommen, beim nächsten Mal hatte ihre Schwester Geburtstag, dann hatte sie noch zu viele Berichte liegen und so fand sie immer wieder etwas Neues, das sie daran hinderte , sich privat mit Michael zu treffen. Manchmal kam es ihm nahezu so vor, als würde sie versuchen, ihm aus dem Weg zu gehen. Aber warum? Der Notarzt beschloss, ihr Verhalten noch ein wenig zu beobachten und sie dann irgendwann darauf anzusprechen.

Die Schicht des A Teams verging schleichend. Erst gegen Ende bekamen sie noch einen Einsatz. „Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn wir doch noch einmal pünktlich Feierabend gehabt hätten.“, bemerkte Peter, während sie zum Helicopter sprinteten. Michael konnte ihm nur zustimmen. Nur Thomas war erfreut über den Einsatz. Der Job lenkte ihn wenigstens von seinen privaten Problemen ab und im Einsatz hatte er keine andere Wahl als seine Probleme mit Biggi für kurze Zeit zu vergessen.

Der Einsatz war jedoch kein schwerwiegender und als sie nicht mal eine dreiviertel Stunde später wieder auf der Basis landeten, war das B Team schon dort. Thomas erkannte schon aus der Luft, dass Ralfs Auto auf dem Parkplatz stand und somit auch Biggi schon eingetroffen sein musste. Das B Team hatte an diesem Tag die Frühschicht gehabt und nun auch noch die Nachtschicht. Dafür hatten sie am vergangenen Tag frei gehabt.

„Wir gehen uns dann gleich umziehen.“, verkündete Michael seinen drei Kollegen, die es sich im Aufenthaltsraum bequem gemacht hatten. Biggi hatte Thomas die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Er wirkte noch immer genauso niedergeschlagen wie zu Beginn seiner Schicht und schließlich gab sie sich einen Ruck und fasste einen Entschluss. Sie stand langsam auf und ging auf ihn zu. Thomas wusste nicht, was Biggi vorhatte, doch er war wie gefesselt von ihrem Blick und folgte Peter und Michael, die in die Umkleide traten, nicht. „Thomas?“, fragte Biggi dann leise, als sie nur noch wenige Schritte von ihm entfernt stand. Er blickte sie an und in seinem Blick spiegelte sich die gesamte Verzweiflung wieder, die in ihm ruhte. „Können wir reden?“, fragte Biggi zögerlich. Thomas nickte leicht und folgte ihr dann nach draußen. Es war bereits dunkel und ein leichter Wind wehte durch die laue Sommernacht. Thomas und Biggi setzten sich an ihre Lieblingsstelle am Fluss. Beide schwiegen. Biggi wusste nicht, wie sie anfangen sollte. „Thomas… so kann es nicht weitergehen…“, meinte sie dann irgendwann. Sie wagte es dabei jedoch nicht, ihn anzusehen, sondern Blickte aufs Wasser, in die Dunkelheit. Thomas konnte ihr nur zustimmen. „Da hast du wohl Recht.“, meinte er leise. Doch auch er sah sie nicht an. Die Situation war extrem gespannt. Niemand wusste, was er sagen sollte. Sie vermissten einander so sehr, doch keiner wollte es dem anderen gegenüber eingestehen und sich zuerst entschuldigen. Nun war die Chance einer Versöhnung greifbar nah. Sie saßen nebeneinander, allein, wollten reden. Am liebsten wären sie sich sofort in die Arme gefallen, hätten sich geküsst und nie wieder losgelassen, doch so einfach war die Sache nicht. Zudem ging jeder davon aus, dass der andere nicht der selben Ansicht war.  „Biggi… was war wirklich zwischen dir und Axel?“, fragte Thomas sie schließlich ganz direkt. Ihm ließ diese Frage einfach keine Ruhe. Seit dem Tag, an dem er die beiden beobachtet hatte, wie sie sich geküsst hatten, versuchte er vergeblich eine Antwort darauf zu finden. Biggi schluckte. „Thomas, ich wollte das alles nicht. Axel hat mich total überrumpelt…“, versuchte sie ihm zu erklären, was passiert war. „Stimmt es, dass ihr euch nicht nur dieses eine Mal geküsst habt? Bitte, Biggi. Sag mir die Wahrheit. War da noch mehr?“ Biggi schwieg zunächst. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte. Natürlich, die Wahrheit. Aber die Wahrheit lautete nun einmal leider ja. Sie bereute das alles so sehr, wie nichts anderes in ihrem Leben und hätte es sofort rückgängig gemacht, wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte. Doch es gab keine. Sie musste sich mit der Vergangenheit abfinden. Thomas wusste ihr Schweigen zu deuten. Er hatte die ganze Zeit Angst vor Antwort gehabt, nun hatten sich seine Befürchtungen scheinbar bestätigt. „Also ja…“, meinte er leise, wobei er versuchte seine Tränen zurückzuhalten. Biggi wollte ihm gerade antworten, wollte ihm erklären, das alles ganz anders gewesen war, als sie von der Alarmsirene unterbrochen wurde. Noch nie in ihrem Leben verfluchte sie die Rettungsleitstelle so sehr wie in diesem Moment. Doch es nützte nichts. Karin und Ralf riefen schon ungeduldig nach der Pilotin. Thomas machte den Anfang und stand auf. Er war noch immer geschockt von der indirekten Antwort, die Biggi ihm gegeben hatte. Während Biggi nun auch aufgesprungen war, ihn noch ein letztes Mal verzweifelt anblickte und dann zum Heli eilte, ging Thomas langsam zu seinem Auto. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und verließ wenige Augenblicke späte, ohne sich vorher noch umzuziehen, die Basis. Auch Biggi konnte an nichts anderes mehr denken. Sie verfluchte sich selbst, ihr war natürlich klar, was Thomas jetzt denken musste und sie musste es klären – sofort. Was sollte sie nur machen? Sie zog den Heli mit einem Gewaltstart in die Höhe, doch den ganzen Flug über war sie total unkonzentriert. Ralf, der neben ihr saß, bemerkte dies natürlich. Und natürlich wusste er, dass dies scheinbar auf das Gespräch mit Thomas zurückzuführen war. Doch darauf ansprechen konnte er Biggi im Moment schlecht. Sie mussten sich jetzt voll und ganz auf den Einsatz konzentrieren.

Thomas hingegen konnte sich nicht auf die Straße konzentrieren. Er dachte immer wieder daran, was zwischen Biggi und Axel gewesen war, und malte sich dabei die schlimmsten Dinge aus. Er steigerte sich regelrecht in die Tatsache hinein, dass die beiden seit langem eine leidenschaftliche Affäre hatten. Immer wieder hatte er diese Bilder vor Augen. Das war es dann wohl. Es war endgültig aus zwischen ihm und Biggi. Er konnte es einfach nicht glauben, doch er war sich sicher, nun Gewissheit zu haben. Natürlich konnte er nicht ahnen, dass der ganze Abend anders verlaufen wäre, hätte Biggi ausreden können. Dann hielten sie sich wahrscheinlich gerade in den Armen, hätten sich geküsst und alles wäre endlich wieder gut gewesen. Doch so war dies das Letzte, woran Thomas im Moment dachte. Biggi hatte ihn betrogen, seit langem schon. Er war fest davon überzeugt. Warum hatte sie nur alles kaputt machen müssen?

Sein Weg fühlte den Piloten jedoch nicht nachhause, sondern in die nächste Kneipe. So niedergeschlagen wie an diesem Abend hatte er sich seit dem Tag, an dem Biggi ausgezogen war, nicht mehr gefühlt. Vorher hatte er noch immer die geringe Hoffnung gehabt, es würde sich wirklich alles klären und wieder gut werden. Doch diese Hoffnung war an diesem Abend endgültig zerstört worden.

Dem ersten Bier folgte ein zweites… nach dem dritten stieg Thomas schließlich auf härtere Sachen um. „Ich hoffe nur, Sie müssen heute nicht mehr fahren.“, meinte die Kellnerin nur, doch Thomas ignorierte ihre Bemerkung. Normalerweise war das gar nicht seine Art, sich vollaufen zu lassen, aber an diesem Abend brauchte er das einfach. Er sah einfach keinen Ausweg mehr und wusste absolut nicht, wie es weitergehen sollte.

Als er nach etwa zwei Stunden die Kneipe wieder verließ, um sich doch auf den Nachhauseweg zu machen, war er bereits ziemlich betrunken und konnte kaum mehr gerade gehen. Die Kellnerin hatte angeboten, ihm ein Taxi zu rufen, doch der Plot hatte abgelehnt. Er zahlte und machte sich dann auf den Weg zu seinem Auto, das auf dem Parkplatz vor der Kneipe stand.

Währenddessen war das B Team schon längst zurück auf der Basis. Biggi zerbrach sich den Kopf über die missglückte Szene am Fluss. Sie musste das unbedingt klären, nichts wünschte sie sich sehnlicher als einfach wieder mit Thomas glücklich zu werden. Warum war nur alles so kompliziert? Schließlich entschloss sie sich, ihn anzurufen, sie hielt es einfach nicht mehr aus, musste ihm die Wahrheit sagen und versuchen, endlich alles zu klären. Mit zitternden Händen wählte sie die Nummer von Thomas und Michael. Zu ihrer Enttäuschung nahm jedoch Michael ab. „Lüdwitz?“ „Hallo, hier ist Biggi… kann ich Thomas sprechen?“ „Tut mir Leid, Biggi. Thomas ist noch nicht hier. Ich dachte, er ist noch bei euch auf der Basis?“, fragte Michael verwundert nach. „Nein, er ist schon vor zwei Stunden gefahren. Er müsste doch längst zuhause sein…“, überlegte Biggi. „Vielleicht ist er noch woanders hingefahren.“, vermutet Michael. „Ja, wahrscheinlich…“, meinte Biggi nur nachdenklich. Sie wünschte Michael noch einen schönen Abend und legte dann auf. Irgendwie begann sie, sich Sorgen zu machen. Wo war Thomas? Sie konnte sich denken, was er jetzt dachte und wie er sich fühlte, und das beunruhigte sie. Was hatte er nur vor? Warum war er nicht gleich nachhause gefahren? Und vor allem, warum war nur dieser verfluchte Einsatz dazwischengekommen?

Lange Zeit, um darüber nachzudenken, hatte sie jedoch nicht, denn abermals schreckte sie die Alarmsirene hoch. „Rettungsleistelle an Medicopter 117, Verkehrsunfall auf der Landstraße Richtung Traunstein, GPS Koordinaten folgen über Funk.“ „Verstanden, wir übernehmen.“, bestätigte Ralf den Notruf schnell, bevor er Karin und Biggi hinterherlief zum Medicopter.

Biggi hob souverän ab und flog zur angegeben Unfallstelle. Wirklich bei der Sache war sie jedoch immer noch nicht und Ralf, dem es auch diesmal nicht entging, begann, sich Sorgen zu machen.

Nach nur fünf Minuten setzte Biggi den Helicopter auf der Wiese neben der Landstraße auf. Die Unfallstelle war bereits von weitem gut zu erkennen gewesen, denn die Polizei war bereits vor Ort und hatte alles abgesichert. Ein Auto war gegen einen Baum gerast und die Polizisten hatten den bewusstlosen Fahrer bereits geborgen und am Straßenrand auf eine Decke gelegt. Nun wartete man nur noch auf den Notarzt.

Karin und Ralf schnappten sich ihre Ausrüstung und eilten dann auf die Polizeibeamten zu. „Was ist passiert?“, rief Karin, als sie noch etwa 5 Meter entfernt war. „Der Mann ist frontal gegen einen Baum gerast, wir vermuten, dass Alkohol im Spiel war.“, klärte einer der Beamten sie auf. Dann waren sie auch schon bei dem Verletzten angekommen. „Oh mein Gott… Thomas!!“, brachte Ralf nur noch hervor und auch Karin hatte ihren Kollegen erkannt. Blut aus einer Platzwunde an der Stirn rann über sein Gesicht und es sah ziemlich schlimm aus. „Scheiße.“, meinte Karin nur leise und begann dann, den noch immer bewusstlosen Piloten vorsichtig zu untersuchen. Sie tastete nach seinem Puls und wies Ralf dann an, ihn ans EKG anzuschließen. „Der Blutdruck ist etwas niedrig, aber noch ok.“, stellte Karin fest. Dann leuchtete sie Thomas mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen. „Vermutlich hat er eine Gehirnerschütterung.“ Nachdem sie ihn abgetastet hatte, konnte sie zwar keine weiteren, sichtbaren Verletzungen feststellen, doch man konnte innere Verletzungen noch nicht ausschließen. Da die Polizeibeamten Recht behalten hatten mit der Vermuten, dass Alkohol im Spiel sei, erwies sich die Versorgung jedoch als schwierig. Viele Medikamente vertrugen sich nicht mit dem Alkohol in Thomas’ Blut. Somit konnte Karin ihm lediglich eine Infusion mit Ringerlösung zur Stabilisierung des Kreislaufs anhängen.

Biggi hatte die Trage aus dem Heck des Medicopters geholt und machte sich mit ihr unter dem Arm auf den Weg zu Karin und Ralf. Als sie sich jedoch bis auf etwa zwei Meter genähert hatte, ließ sie sie vor Schreck fallen. „Thomas… Neeeeeiiiin!“ Biggis Schrei verhallte in der Dunkelheit. Keine zwei Sekunden später war sie bei ihm. „Karin, was ist mit ihm?“, fragte sie total panisch, während sie nach seiner Hand griff und sie so fest umklammerte wie sie konnte. „Er hat auf jeden Fall eine schwere Gehirnerschütterung und wir können weitere Verletzungen nicht ausschließen. Er muss so schnell wie möglich in ein Krankenhaus.“ Biggi starrte Thomas an… ihren Thomas…, als wolle sie ihn hypnotisieren, aufzuwachen. Doch nichts geschah. Ihr stiegen Tränen in die Augen und sie war vollkommen verzweifelt. Immer wieder redete sie sich ein, dass sie an allem schuld war. Doch das war jetzt schon fast nebensächlich. Wichtig war nur, dass Thomas wieder gesund werden würde. Biggi schickte einen ganzen Haufen Stoßgebete in den Himmel. Die letzten Wochen waren vergessen und sie sah nur noch ihre unendliche Liebe zu ihm. „Oh Thomas, es tut mir so Leid…“, flüsterte sie immer wieder, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie hatte nur noch einen Gedanken: ‚Was war, wenn Thomas sterben würde?’ Die Angst um ihn beherrschte sie vollkommen. „Biggi, reiß dich zusammen, wir müssen ihn jetzt auf die Trage legen und dann in die Klinik fliegen.“, schrie Karin ihre Kollegin schon fast an. Biggi tat ihr schrecklich Leid, doch sie mussten jetzt einen kühlen Kopf bewahren und Thomas sicher in die Klinik bringen. Wenn sich sein Zustand verschlechterte, würden Karin und Ralf kaum etwas ausrichten können, da sie ihm durch den Alkohol die notwendigen Medikamente nicht verabreichen konnten.

Wie in Trance fuhr Biggi die Turbinen hoch, nachdem sie Thomas auf die Trage verlagert und ihn in den Heli gebracht hatten. Dann flog sie auf dem schnellsten Weg das Zentralklinikum an. Die Flugzeit betrug normalerweise sechs Minuten, Biggi schaffte es in vier. Den ganzen Flug über sagte sie kein Wort und sah nur immer wieder total ängstlich und besorgt nach hinten zu Thomas. Er war noch immer bewusstlos, doch noch war sein Zustand stabil.

Als sie auf dem Heliport des Klinikums landeten, kam ihnen schon ein wartendes Ärzteteam entgegen, das Thomas übernahm und ihn in die Notaufnahme brachte. Karin und Ralf stiegen langsam aus, doch Biggi blieb auf dem Pilotensitz sitzen und sah ihnen noch immer total unter Schock stehend nach. Dann brachen alle Emotionen, die sie versucht hatte zurückzuhalten, aus ihr heraus und sie ließ sich schluchzend in Ralfs Arme sinken. „Es ist alles meine Schuld, wenn Thomas nicht wieder gesund wird, dann werde ich mir das nie verzeihen.“, flüsterte sie immer wieder. Ralf schaffte es nicht, sie zu trösten, das war in dieser Situation unmöglich. Auch Karin war machtlos. Sie hatte in den letzten zwei Wochen mitbekommen, dass Thomas der Vater von Biggis Kind war und sie sich getrennt hatten. Sie war sich sicher, dass die beiden sich über alles geliebt haben mussten, so sehr wie sie unter der Trennung litten. „Biggi, Thomas wird bestimmt wieder ok. Der lässt sich doch so schnell nicht unterkriegen, hm?“, versuchte Karin ihre Kollegin zu beruhigen. Biggi sah sie mit tränengeröteten Augen an und fragte dann leise: „Und was ist, wenn nicht. Ich liebe ihn doch so.“ Daraufhin lief wieder ein Meer von Tränen über ihre Wangen. „Wenn ich doch bloß früher mit ihm geredet hätte…“, schluchzte sie. Sie machte sich die schlimmsten Vorwürfe. Doch noch schlimmer war diese riesige Angst um Thomas. Er war der wichtigste Mensch in ihrem Leben, immer noch und er würde es immer sein.

Die drei waren in das Klinikgebäude gegangen, hatten sich vor der Notaufnahme auf eine kleine Bank gesetzt und warteten. Bei jeder Schwester oder jedem Arzt, der vorbeiging, sah Biggi auf, immer in der Hoffnung, etwas Neues von Thomas zu hören - zu hören, dass es ihm gut ging, dass seine Verletzungen nicht so schwer waren… dass alles wieder gut werde würde... Doch gleichzeitig war da auch immer diese schreckliche Angst, man könnte ihnen eine schlechte Nachricht überbringen.

Karin war aufgestanden und hatte aus der Cafeteria drei Becher Kaffee geholt, während Ralf bei Biggi blieb. Die Pilotin saß auf dem Stuhl und starrte auf den Boden. Vor ihrem inneren Auge ließ sie die letzten zwei Wochen Revue passieren, die schlimmsten zwei Wochen ihres Lebens. Sie bereute alles so sehr und hoffte, dass es dafür jetzt nicht schon zu spät war. Es musste einfach alles wieder gut werden. Wenn nicht, dann wusste sie absolut nicht mehr weiter.

„Hier, das wird dir gut tun.“, meinte Karin, während sie Biggi einen Becher mit heißem Kaffee überreichen wollte. Doch Biggi schüttelte den Kopf. Karin setzte sich daraufhin neben sie und nahm sie in den Arm. „Thomas wird mit Sicherheit wieder gesund. Der gibt doch jetzt nicht auf, hm?“, versuchte sie ihre Kollegin zu trösten. Doch Biggi war sich da nicht so sicher. Was hatte er denn noch? Er ging höchstwahrscheinlich davon aus, dass noch viel mehr zwischen ihr und Axel gewesen war als in Wirklichkeit und musste total verzweifelt sein. Wenn er sie wirklich so sehr liebte, wie sie ihn – und daran hatte Biggi inzwischen keinen Zweifel mehr – dann musste es ihm ja beinahe noch schlechter gehen als ihr.

„Versprichst du es mir?“, flüsterte Biggi dann und sah Karin flehend an. Diese nickte zögerlich, obgleich sie natürlich nicht wissen konnte, ob alles gut ausgehen würde. Doch irgendwie glaubte Biggi ihr und hielt sich an dieser Hoffnung fest.

Nach über einer Stunde erlöste Thomas’ behandelnder Arzt die drei schließlich von der quälenden Ungewissheit. Biggi sprang sofort auf und sah ihn mit einem Blick, halb hoffend, halb ängstlich vor dem, was kommen würde, an. „Sie sind die Kollegen von Thomas Wächter?“, fragte er, obgleich er es an ihren Overalls bereits erkannt hatte. Die drei nickten. „Nun sagen Sie schon, was ist mit ihm?“ Biggi hielt es kaum noch aus und ihre Stimme zitterte vor Angst. „Ich kann Sie erst einmal beruhigen. Herr Wächter hatte noch einmal Glück im Unglück. Er hat keine inneren Verletzungen und ist mit einer schweren Gehirnerschütterung und einigen Prellungen noch einmal halbwegs glimpflich davon gekommen.“ Biggi fielen tausend Steine der Erleichterung vom Herzen. Sie, Karin und Ralf fielen sich glücklich in die Arme und Biggi wischte sich lächelnd die Tränen aus dem Gesicht. Sie war so unheimlich froh, doch jetzt wollte sie ihn sofort sehen, ihm endlich alles erklären. Keine Sekunde wollte sie mehr warten. „Kann ich zu ihm?“, fragte sie den Arzt und sah ihn flehend an. „Herr Wächter ist noch nicht wieder bei Bewusstsein und braucht noch Ruhe, aber ich denke, ich kann es verantworten, wenn sie für zehn Minuten zu ihm gehen.“, entschied er. Biggi sah ihn dankbar an und folgte ihm dann auf die Station, auf der Thomas lag.

Karin und Ralf waren ebenfalls total erleichtert und machten sich nun daran, die anderen zu verständigen. In der Aufregung waren sie dazu noch gar nicht gekommen.

„Ich komme dann in zehn Minuten wieder.“, informierte Thomas’ behandelnder Arzt Biggi, als sie vor seinem Zimmer angekommen waren. Biggi nickte nur und öffnete dann langsam die Tür. Ihre Knie zitterten, als sie eintrat. Thomas lag in dem Bett am Fenster, das andere war leer. Das Zimmer war nur schwach beleuchtet, doch Biggi konnte ihn schon von der Tür aus deutlich erkennen. Er hatte die Augen noch immer geschlossen. Langsam trat sie auf sein Bett zu, setzte sich auf den Besucherstuhl und fasste dann vorsichtig nach seiner Hand. „Es tut mir so Leid, Thomas…“, flüsterte sie und umklammerte seine Hand noch fester. Tränen stiegen ihr in die Augen und tropften schließlich langsam auf die Bettdecke und auf Thomas’ Hand. „Du musst jetzt ganz schnell wieder gesund werden, ja? Ich brauche dich doch…“, schluchzte sie. Die letzten zwei Wochen waren einfach zu viel für sie gewesen und sie hoffte so sehr, dass Thomas ihr verzeihen würde. Sie hatte ihm schon längst verziehen und wollte nur noch, dass alles wieder gut wurde. Sie redete die ganze Zeit leise mit ihm. Auch noch als wenige Minuten später der Arzt leise die Tür öffnete und ins Zimmer sah, um ihr zu sagen, dass Thomas nun Ruhe brauchte. „Bitte verzeih mir, Thomas, es war alles meine Schuld. Es tut mir so schrecklich Leid. Ich liebe dich doch, nur dich, und das wird sich auch niemals ändern…. Wenn du nicht wieder gesund wirst…dann werde ich mir das niemals verzeihen - niemals.“, Biggi war ganz ruhig, doch ihre Stimme zitterte.  Sie sah auf zu seinem Gesicht und küsste ihn dann zärtlich auf die Wange. Der Arzt zögerte einen Augenblick, doch dann dreht er sich um, schloss die Tür und ging wieder. Biggi hatte ihn überhaupt nicht bemerkt. Sie hielt die ganze Zeit Thomas’ Hand, strich ihm mit der anderen Hand sanft über die Wange und hoffte, dass er endlich aufwachen würde.

Inzwischen waren auch Michael, Peter, Max und Gabi in der Klinik eingetroffen. Als sie die Nachricht erfahren hatten, hatten sie sofort alles stehen und liegen lassen und sich auf den Weg zur Klinik gemacht. „Und, wie geht es ihm?“, fragten die vier, die bereits am Eingang aufeinander getroffen waren, Ralf und Karin im Chor. „Er hatte noch mal Glück im Unglück, Biggi ist jetzt bei ihm.“, erklärte Ralf seinen Kollegen. Alle waren erleichtert. „Mann, so ein Schrecken am späten Abend.“, meinte Michael, dem der Schock noch immer ins Gesicht geschrieben stand. „Ich denke, es ist das Beste, wenn ihr jetzt alle wieder nachhause fahrt. Wir können heute sowieso nicht mehr zu Thomas und ich denke der Abend war anstrengend genug. Ich werde dann hier auf Biggi warten.“, erklärte Gabi sich dann bereit. Die anderen nickten, sie hatte ja Recht. Man konnte jetzt hier in der Klinik nichts mehr ausrichten. Ralf entschloss sich, mit Gabriele zusammen zu warten, und somit verabschiedeten sich die anderen und machten sich auf den Heimweg.

Biggi saß noch immer genauso an Thomas’ Bett, hielt seine Hand und redete leise mit ihm. Ihr gingen tausend Dinge durch den Kopf. Thomas hätte sterben können, ihr Thomas! Sie mochte es sich überhaupt nicht ausmahlen. Das wäre so schrecklich gewesen. Sie hatte so schreckliche Angst um ihn gehabt und war so unendlich erleichtert, dass er scheinbar noch einmal Glück gehabt hatte. Als sie ihm gerade wieder zärtlich über die Wange strich, öffnete Thomas endlich langsam die Augen. Sein Kopf schmerzte und er wusste im ersten Moment nicht, wo er war. Doch dann sah er Biggi, die an seinem Bett saß, seine Hand hielt und ihn mit tränenfeuchten Augen ansah. Leise flüsterte er ihren Namen. „Oh Thomas…“, brachte Biggi nur hervor, während ihr die Tränen über die Wangen liefen, „… es tut mir so Leid.“ Thomas fasste mit seiner Hand nach ihrem Gesicht und wischte ihr dann sanft die Tränen weg. „Es war doch nicht deine Schuld.“, sagte er dann leise. „Doch, das war es…“, protestierte Biggi, „Wenn ich dir heute am Fluss gleich die Wahrheit gesagt hätte, bevor der Einsatz kam….Axel und ich, wir haben uns nur zweimal geküsst, mehr nicht, er hat mich dazu gedrängt, ich wollte das doch alles nicht, weil ich… weil ich doch nur dich liebe…, aber ich stand doch in seiner Schuld…“, meinte Biggi total verzweifelt. Doch Thomas unterbrach sie. „Nein, Biggi, ich muss mich entschuldigen. Wenn ich dir von Anfang an zugehört hätte, dann wäre es gar nicht so weit gekommen. Die Sache mit dem Baby, die habe ich auch nicht so gemeint. Ich war nur so wütend und so enttäuscht, da ist mir das eben so rausgerutscht. Ich hoffe, du kannst mir noch einmal verzeihen. Ich hätte mich schon viel früher dafür entschuldigen sollen…Es tut mir so Leid, ich brauche dich doch und ein Leben ohne dich… kann ich mir nicht mehr vorstellen…“ „Oh Thomas…“, flüsterte Biggi nur. Sie sahen sich an und auch Thomas’ Augen waren feucht geworden. Dann fielen sie sich in die Arme und hielten sich einfach nur fest und ließen die Nähe des anderen auf sich einwirken. Wie sehr hatten sie einander in den letzten zwei Wochen vermisst… Viel zu sehr, als dass jetzt einer von ihnen noch hätte auf den anderen sauer sein können. „Ich habe dich so schrecklich vermisst.“, meinte Thomas leise, während er Biggi die letzte Träne zärtlich wegwischte. „Ich dich auch…unendlich…“, gab sie zurück. Sie sahen sich in die Augen, ihre Gesichter kamen sich immer näher und schließlich küssten sie sich zärtlich. Sie wollten überhaupt nicht mehr voneinander ablassen und küssten sich eine halbe Ewigkeit lang. Wie sehr hatten sie sich vermisst. „Oh Thomas, ich bin so froh, dass du mir verziehen hast…ich habe so einen Mist gebaut….“, meinte Biggi dann ernst, nachdem sie sich langsam wieder voneinander gelöst hatten. Thomas sah ihr in die Augen. „Bestimmt nicht mehr Mist als ich. Ich habe dir doch schon lange verziehen, Biggi. Aber ich muss froh sein, dass du mir verziehen hast. Ich liebe dich unendlich…“ Biggi lächelte ein wenig. „Ich dich auch.“, antwortete sie ihm und auch auf Thomas’ Lippen breitete sich ein kleines Lächeln aus. Dann küssten sie sich abermals – lange, zärtlich, endlos. Sie waren beide einfach nur glücklich, dass dieser ganze Alptraum jetzt endlich vorbei war und sie einander wieder hatten. Das war alles, was jetzt zählte.

Nachdem sie sich eine Weile geküsst hatten und dann langsam wieder voneinander abließen, legte Thomas liebevoll seine Arme um Biggi und zog sie so nah zu sich, dass sie mit dem halb auf ihm und mit ihrem Kopf auf seiner Brust lag. Zärtlich streichelte er ihr durchs Haar, während sie sich verliebte Blicke zuwarfen. Biggis Nähe hatte ihm so sehr gefehlt in den letzten zwei Wochen. „Bitte, lass mich nie wieder los.“, sagte sie leise und blickte ihm tief in die Augen. „Ganz bestimmt nicht. Ich will dich nie wieder verlieren.“, versicherte Thomas ihr und Biggi küsste ihn zum Dank. Sie war so unheimlich froh, dass nun endlich alles wieder gut war, und konnte ihr Glück noch immer nicht ganz fassen. „Mit Axel habe ich den größten Fehler meines Lebens begangen… aber so etwas wird nie wieder passieren. Das verspreche ich dir.“, meinte sie dann und Thomas hörte deutlich aus ihrer Stimme heraus, wie sehr sie alles bereute. „Ich weiß…“, antwortete er ihr und strich ihr sanft über die Wange. Dann versanken sie erneut in einem zärtlichen Kuss. Thomas vertraute Biggi und er verfluchte sich selbst dafür, dass er an ihrer Liebe zu ihm jemals hatte zweifeln können.

Biggi lag die ganze Zeit so in seinen Armen. Sie fühlte sich so unheimlich geborgen, wie sonst nirgendwo. Langsam erzählte sie Thomas, was genau zwischen ihr und Axel vorgefallen war. Zwar hatte er ihr versichert, dass die ganze Geschichte für ihn auf immer und ewig vergessen sei, er ihr vertraue und sie nicht mehr drüber reden mussten, wenn Biggi es nicht wollte, doch sie wollte, dass er die Wahrheit kannte. Thomas hörte ihr aufmerksam zu, während er ihr die ganze Zeit zärtlich durchs Haar strich. Er musste sich eingestehen, was für ein Idiot er doch gewesen war. Warum hatte er Biggi nicht gleich zugehört? Doch man konnte es nicht mehr ändern und das Wichtigste für die beiden war sowieso, dass sie sich endlich wieder hatten. Alles andere war nebensächlich und unwichtig.

„Oh Biggi, du glaubst nicht, was für ein Idiot ich war…“, meinte Thomas, nachdem Biggi die Geschichte zu Ende erzählt hatte. Daraufhin erzählte er ihr, was er gedacht und in die verschiedenen Situationen hineininterpretiert hatte. „Ich glaube, wir waren beide ziemliche Idioten.“, stellte Biggi dann fest und musste ein wenig schmunzeln. Thomas nickte. Sie konnten beide schon fast darüber lachen, was Thomas sich alles eingebildet hatte. Sie waren einfach nur unendlich erleichtert und glücklich, dass jetzt alles wieder gut war, und wollten einander nicht mehr loslassen. Thomas hatte seine Arme die ganze Zeit fest um Biggi gelegt und sie hatte sich so nah es ging an ihn geschmiegt. Sie sahen sich die ganze Zeit in die Augen, sagten einander immer wieder, wie sehr sie sich liebten und sich vermisst hatten, und küssten sich immer wieder. Irgendwann schliefen sie so dann völlig erschöpft von dem anstrengenden Tag ein.

Auch Gabi und Ralf waren draußen auf dem Flur beinahe schon eingeschlafen. Biggi war jetzt bereits zwei Stunden bei Thomas. Irgendwann beschlossen sie, nachzusehen, da sie nicht vorhatten, die ganze Nacht auf dem Krankenhausflur zu verbringen. Sie erkundigten sich an der Information, auf welchem Zimmer Thomas Wächter lag, und machten sich dann auf den Weg auf die Station. Als sie vor seiner Tür standen, klopften sie leise an. Das Klopfen hörte jedoch niemand, denn die beiden Piloten schliefen tief und fest – jedoch mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Gabi öffnete schließlich leise die Tür und steckte ihren Kopf ins Zimmer. Lächelnd deutete sie auf Biggi und Thomas, die eng aneinander gekuschelt auf dem Bett lagen und schliefen. „Ich glaube, da haben sich zwei endlich ausgesprochen und wieder versöhnt.“, meinte sie zu Ralf. Er nickte ebenfalls lächelnd. Sie freuten sich beide wahnsinnig für Thomas und Biggi. Schließlich hatten sie die ganze Zeit mitbekommen, wie sehr die Trennung die beiden belastet hatte. Doch nun war endlich alles wieder gut, das konnten sie alleine schon an dem überglücklichen Lächeln in den Gesichtern der beiden Piloten ablesen. „Ich glaube, wir gehen dann mal…“, schlug Ralf vor. Gabi nickte gähnend. Es war bereits nach Mitternacht und der Tag war mehr als anstrengend gewesen.

Michael stand am nächsten Morgen schon ziemlich früh auf. Das A Team hatte eigentlich die Frühschicht und nun war es seine Aufgabe, Ebelsieder über den Pilotenausfall zu informieren – und zwar noch vor Schichtbeginn. Gähnend stand er also um halb sieben auf und griff zum Telefon. Der Notarzt ließ es mindestens zehn Mal klingeln, doch Ebelsieder nahm auf seiner Privatnummer nicht ab. Michael wunderte sich ein wenig, versuchte es dann jedoch auf der Basis, obgleich er nicht glaubte, dass der Chef schon so früh dort war. Und tatsächlich, auch dort hatte er kein Glück. Verärgert stellte er fest, dass ihm nun wohl nichts anderes übrig blieb, als selbst zur Basis zu fahren, um Ebelsieder dort noch vor Schichtbeginn alles zu erklären. Der Stützpunktleiter würde sich schließlich um einen Ersatzpiloten kümmern müssen.

Gabi und Ralf standen erst etwa zwei Stunden später auf. Ralf hatte glücklicherweise erst die Spätschicht, somit hatten sie noch genug Zeit. „Guten Morgen mein Liebling.“, meinte er lieb und strich mit der Hand über Gabis runden Bauch. Seit einigen Wochen schon konnte sie nur mehr auf dem Rücken schlafen, sie stand ja auch schon kurz vor der Geburt. In den letzten Tagen hatten die beiden das Kinderzimmer komplett fertig eingerichtet, Gardinen gekauft und eine kleine Kinderzimmerlampe, die die Form eines Elefanten hatte. Sie freuten sich beide schon so wahnsinnig darauf, endlich Eltern zu werden, und konnten es gar nicht mehr abwarten.

Da sie beide noch keine Lust hatten aufzustehen und es in ihrem Bett viel zu gemütlich war, blieben sei noch eine Zeit lang eng aneinander gekuschelt liegen und unterhielten sich. „Ich freu mich so für Thomas und Biggi, es wurde ja auch wirklich Zeit, dass die beiden einmal miteinander reden. Dass immer erst etwas passieren muss…..“ , meinte Gabi irgendwann. Ralf stimmte ihr zu. „Ja, aber wenigstens ist jetzt alles geklärt und die beiden haben sich versöhnt.“

Langsam schlug Thomas die Augen auf. Er hatte verdammt gut geschlafen, so gut wie seit über zwei Wochen nicht mehr. Zwar hatte er noch immer ein wenig Kopfschmerzen, allerdings bei weitem nicht mehr so schlimm wie am vergangenen Abend. Lächelnd sah er zu Biggi. Er hatte noch immer seine Arme um sie gelegt und sie lag noch immer halb auf ihm und schlief. Zärtlich strich er ihr über die Wange. Er war so unheimlich froh, dass er sie endlich wieder hatte. Wie sehr hatte es ihm in den letzten zwei Wochen gefehlt, mit ihr im Arm jeden Abend einzuschlafen und am nächsten morgen wieder aufzuwachen. Ganz sanft küsste er sie auf die Stirn, damit sie nicht aufwachte. Doch Biggi schlug trotzdem wenige Sekunden später die Augen auf. Sie blinzelte verschlafen und blickte dann in Thomas’ Gesicht, das sie sanft anlächelte. „Guten Morgen mein Engel… tut mir Leid, ich wollte dich nicht wecken.“, entschuldigte er sich. „So schön werde ich doch gern geweckt, außerdem habe ich wunderbar geschlafen und fühle mich total erholt.“, erwiderte Biggi und küsste ihren Liebling dann zärtlich. Thomas erwiderte es glücklich, doch zu mehr als einem ausgiebigen Guten Morgen Kuss kamen die beiden nicht, denn die Tür öffnete sich und Thomas’ behandelnder Arzt betrat zusammen mit einer Schwester das Zimmer. Biggi setzte sich wieder auf, doch Thomas’ Hand ließ sie nicht los. Sie wusste allerdings, dass die Ärzte scheinbar alle Augen zugedrückt hatten, als sie sie hier bei Thomas übernachten lassen hatten. Doch nichts und niemand würde sie jetzt von seinem Bett wegbewegen. Jetzt, wo sie ihn endlich wieder hatte.

Der Arzt und die Schwester traten auf Thomas’ Bett zu. „Guten Morgen, Herr Wächter. Schön, dass Sie wach sind. Mein Name ist Dr. Richter, ich bin Ihr behandelnder Arzt. Wie fühlen Sie sich denn jetzt?“ „Na ja, ich habe noch ein wenig Kopfschmerzen…“, gab Thomas zu. „Keine Sorge, das ist ganz normal. Sie haben bei dem Unfall eine schwere Gehirnerschütterung erlitten.“ Thomas dachte wieder an den Unfall. Er hatte plötzlich diesen Baum vor sich gesehen und gedacht, dass das das Ende wäre. „Und wie lange muss ich jetzt hier blieben?“, fragte er dann vorsichtig nach. „Ein paar Tage zur Beobachtung bestimmt.“, informierte Dr. Richter ihn. Dann ließ er die Schwester Thomas’ Blutdruck und Puls messen und notierte sich die Werte. „Na, das sieht doch alles sehr gut aus.“, stellte der Arzt dann zufrieden fest. „Wenn Sie noch etwas brauchen, klingeln Sie einfach.“, meinte er dann noch, bevor er zusammen mit der Schwester wieder das Zimmer verließ.

Biggi beugte sich sofort wieder ganz nah zu Thomas. „Ich bin so froh, dass dir nicht mehr passiert ist. Ich hatte so Angst um dich.“, sagte sie leise. Thomas strich ihr sanft über die Wange und drückte ihre Hand. „Es ist ja zum Glück vorbei und nun wird alles wieder gut.“, meinte er. Biggi nickte und lächelte ihn an. Dann beugte sie sich ganz über ihn und küsste ihn zärtlich. Thomas erwiderte es glücklich. „Hoffentlich behalten die mich nicht zu lange hier.“, meinte er dann irgendwann. „Du musst dich auf jeden Fall erstmal richtig erholen….“, erwiderte Biggi, „Aber wenn du dann nachhause darfst, dann werde ich mich natürlich um dich kümmern und dafür sorgen, dass du dich ausreichend schonst.“ Thomas lächelte sie verliebt an. „Klingt seeehr gut. Ich glaube, ich muss sofort entlassen werden.“

Als Michael auf der Basis eintraf, war Ebelsieder bereits dort. Er musste gerade auf dem Weg gewesen sein, als der Notarzt versucht hatte ihn telefonisch zu erreichen. Sein Weg führte Michael direkt ins Büro des Stützpunktleiters. „Guten Morgen Herr Dr. Lüdwitz. Was gibt’s denn?“, fragte Ebelsieder. Er war verwundert darüber, dass Michael bereits so früh auf der Basis war. Die Schicht begann erst in einer halben Stunde und auch das Verschwinden der BK hatte der Chef noch nicht bemerkt. „Herr Wächter hatte gestern Nacht einen Autounfall.“, begann Michael dann seine Erklärungen. „Oh, das tut mir Leid, wie geht es ihm denn jetzt? Ich hoffe, er ist nicht allzu schwer verletzt?“ „Machen Sie sich keine Gedanken, er hatte noch mal Glück im Unglück, allerdings wird er wohl erst in frühestens ein bis zwei Wochen seine Arbeit wieder aufnehmen können.“ „Verstehe, ich werde mich gleich um einen Ersatz bemühen. Bis morgen wird das allerdings mindestens dauern, ich werde uns erstmal bei der Rettungsleitstelle abmelden.“ Michael nickte dankbar. „Ach ja…“, fügte Ebelsieder dann noch hinzu, „..richten Sie Herrn Wächter gute Besserung von mir aus, wenn Sie ihn sehen.“ „Werde ich machen.“ So verließ Michael das Büro des Stützpunktleiters wieder. Da er nun den ganzen Tag frei hatte, beschloss er gleich im Krankenhaus vorbei zu schauen, um zu sehen, wie es Thomas ging.

Als der Notarzt etwa eine halbe Stunde später an der Tür des Krankenzimmers seines Freundes anklopfte und schließlich eintrat, saß Biggi noch immer an Thomas’ Bett. „Hallo Michael“, begrüßten die beiden ihn. „Guten Morgen ihr beiden. Und wie geht’s unserem Sorgenkind?“, wandte er sich dann an Thomas. „Na, bei so netter Gesellschaft, wie ich sie die ganze Zeit habe…“, antwortete dieser und sah lächelnd zu Biggi. „Warst du die ganze Nacht hier?“, fragte Michael die Pilotin daraufhin. Biggi nickte. „Ich lasse Thomas jetzt bestimmt nicht mehr allein.“, meinte sie, während sie dem Piloten zärtlich über die Wange strich. Sie hatte sich solche Sorgen um ihn gemacht und war so unheimlich froh, dass es ihm jetzt schon wieder so gut ging. „Dann ist also wieder alles ok zwischen euch?“, freute Michael sich. Die beiden nickten glücklich und lächelten sich verliebt an. „Das wurde aber auch Zeit.“, meinte Michael daraufhin lächelnd. „Ich weiß, Michael. Ich war so ein Idiot…“, sagte Thomas darauf. „Nein, es war alles meine Schuld.“, widersprach Biggi ihm sofort. Michael schmunzelte. „Jetzt fangt nicht noch an zu streiten, wer die Schuld hatte.“ Dann wurde er jedoch wieder ernst. „Ich glaube, ihr habt beide Fehler gemacht. Aber jeder macht manchmal Fehler und man kann sie verzeihen. Außerdem lernt man aus ihnen.“ „Das hast du Recht.“, stimmte Biggi ihm zu. So etwas wie die Sache mit Axel würde ihnen mit Sicherheit nie wieder passieren, da waren sie und Thomas sich einig. Sie sah zu ihrem Liebling und gab ihm dann einen zärtlichen Kuss, den er glücklich erwiderte. „Ich will euch dann auch nicht lange stören, eigentlich wollte ich nur mal kurz nach dir sehen, Thomas.“, meinte Michael, „Ich schaue sonst später noch mal vorbei.“ Sie verabschiedeten sich noch, dann ging Michael wieder. Er war erleichtert, dass es Thomas schon wieder so gut ging, und vor allem, dass er und Biggi sich wieder versöhnt hatten. Er hatte es am Ende kaum mehr mit ansehen können, wie die beiden unter der Trennung gelitten hatten.

Gabi und Ralf waren inzwischen auch aufgestanden und saßen gerade bei einem gemütlichen Frühstück in der Küche. „Schade eigentlich, dass Thomas nicht im B Team ist.“, meinte Ralf. „Wieso?“ „Na, dann hätte ich heute frei.“, erklärte Ralf ihr. Gabi schmunzelte. „Sei froh, dass du nicht die Frühschicht hast.“ „Da hast du Recht, mein Schatz.“ Er küsste sie zärtlich, was Gabi glücklich erwiderte. Seitdem sie nicht mehr arbeitete, sahen sie und Ralf sich natürlich weniger als zuvor, und somit genossen sie die gemeinsame Zeit, die sie hatten, noch mehr. Nach dem Frühstück musste Ralf sich allerdings schon auf den Weg zur Basis machen, da er und Gabi so lange im Bett gelegen hatten, dass es eigentlich schon gar nicht mehr Zeit zum frühstücken gewesen war, sondern eher, um Mittag zu essen. „Ich freu mich auf heute Abend.“, meinte er noch zum Abschied. „Ich mich auf.“ Noch einmal küssten sie sich innig, dann musste Ralf jedoch endgültig gehen, er war sowieso so schon zu spät dran. Als er weg war, machte Gabi sich daran, die Hausarbeit zu erledigen. Seit sie nicht mehr arbeitete, hatte sie dazu endlich mal genug Zeit und es blieb nichts mehr liegen. Jetzt zum Ende der Schwangerschaft hin konnte sie sowieso viele Sachen nicht mehr machen und brauchte für einiges länger als gewöhnlich.

Fünf Minuten nach Schichtbeginn erreichte Ralf schließlich die Basis. Als er den Aufenthaltsraum betrat, wurde er sogleich von Karin begrüßt, die schon am Tisch saß. „Hallo Ralf. Ich dachte schon, heute kommt gar keiner mehr. Biggi ist auch noch nicht da.“, meinte sie. Ralf nickte, er konnte sich schon denken, dass Biggi mit Sicherheit später kam, weil sie sich nicht von Thomas losreißen konnte. Der Sanitäter verschwand kurz in der Umkleide und kam nach fünf Minuten fertig umgezogen wieder. „Ist Biggi immer noch nicht da?“, fragte er dann. Karin schüttelt den Kopf. „Weißt du, ob der Heli im Hangar steht?“ Karin sah Ralf fragend an, doch er war bereits aufgestanden, um nachzuschauen. Der Hangar war jedoch leer und auch draußen auf der Landeplattform fehlte jede Spur von der BK 117. „Ich glaube, ich weiß, wo Biggi ist.“, stellte Ralf fest. Karin nickte in derselben Vorahnung. „Du meinst, sie ist noch immer bei Thomas?“, fragte sie ihren Kollegen. Ralf nickte. „Übernachtet hat sie dort auf jeden Fall. Als sie zwei Stunden, nachdem ihr gegangen wart, immer noch nicht wieder da war, sind Gabi und ich nachsehen gegangen. Thomas und Biggi lagen eng aneinander gekuschelt in seinem Krankenbett und schliefen beide tief und fest.“ „Vielleicht hat Biggi ja ganz vergessen, dass wir jetzt Dienst haben?“, fiel es Karin dann ein. „Das kann natürlich sein….“ Ralf griff zum Funkgerät. Er wusste, dass Biggi, wenn sie ihr Walkie noch in der Tasche hatte, die Funksprüche, die im Medicopter eingingen, mithören konnte, da die Entfernung zum Landeplatz sehr gering war. „Basis an Medicopter 117, Biggi kannst du mich hören?“ Und wie Biggi ihn hören konnte… Laut und deutlich drang Ralfs Funkspruch aus ihrem Walkie. Sie und Thomas waren gerade wieder in einem zärtlichen Kuss versunken gewesen und schreckten nun auf. Biggi griff nach dem Walkie in ihrer Tasche und antwortete schließlich. Ihr war noch immer nicht bewusst, dass sie eigentlich Schicht hatte, das hatte sie in der ganzen Aufregung total vergessen. „Ja Ralf, höre dich klar und deutlich, was gibt es denn?“ „Sie hat es vergessen…“, murmelte Karin, die neben Ralf stand und alles mithörte. „Biggi, ich will dich ja nicht stören, aber wir haben seit zwanzig Minuten Dienst und ohne Pilotin und Helicopter sind wir ziemlich aufgeschmissen, wenn ein Einsatz kommt.“ „Oh Gott, das hab ich ja total vergessen, ich bin in zehn Minuten da.“, meinte Biggi panisch. So was war ihr noch nie passiert. „Thomas, ich muss sofort zur Basis.“, erklärte sie ihrem Liebling, doch der hatte das Gespräch ja bereits mitverfolgt. „Kommst du nach der Schicht wieder?“, fragte er sie und sah sie bittend an. „Klar, das würde ich sonst ja vor Sehnsucht nach dir gar nicht aushalten.“, antwortete sie ihm lächelnd. Dann beugte sie sich zu ihm und küsste ihn zum Abschied. Als sie langsam wieder voneinander abließen und Biggi sich wieder aufrichten wollte, zog Thomas sie jedoch noch einmal zu sich und küsste sie noch einmal lange und innig. „Pass auf euch auf.“, meinte er dann. Biggi versprach es ihm und verließ dann, nachdem sie sich an der Tür noch einmal umgedreht hatte und sie und Thomas sich einen letzten verliebten Blick zugeworfen hatten, das Zimmer. Dann eilte sie schnell zum Heliport, wo die BK bereits auf sie wartete. Schell hob sie ab und flog zur Basis, wo sie schon erwartet wurde.

„Biggi, na endlich.“, meinten Karin und Ralf gleichzeitig, als die Pilotin endlich den Aufenthaltsraum betrat. Ihren Overall hatte sie glücklicherweise noch vom vergangenen Abend an, sodass sie sich nicht erst noch umziehen brauchte. Alle waren froh, dass kein Einsatz gekommen war, während Biggi weg gewesen war.

„Und, wie geht es Thomas?“, erkundigte Karin sich dann, als die drei gemütlich mit einer Tasse Kaffee auf dem Sofa saßen. „Er beschwert sich schon, dass er nachhause will.“, erzählte Biggi lächelnd. Sie war so unheimlich froh, dass alles noch einmal halbwegs gut ausgegangen war. Karin war ihr Strahlen die ganze Zeit schon aufgefallen. Biggi wirkte absolut verändert. Da Ralf ja allerdings schon angedeutet hatte, dass Biggi und Thomas sich wohl wieder versöhnt hatten, konnte die Notärztin sich schon denken, worauf Biggis Dauerstrahlen zurückzuführen war. Auch Ralf hatte Biggis Stimmungswechsel natürlich bemerkt, doch war er ihre beinahe unerschütterliche gute Laune schon von vor dem Zwischenfall mit Axel gewöhnt gewesen. Karin hingegen kannte Biggi bis jetzt nur aus der Zeit, in der sie wegen der Trennung von Thomas so niedergeschlagen gewesen war wie schon lange nicht mehr.

Am Nachmittag fuhr Michael noch einmal zu Thomas in die Klinik. Er wollte Thomas die nötigsten Sachen bringen. Zudem wusste er, dass Biggi jetzt Schicht hatte und Thomas sich mit Sicherheit langweilen würde und nichts gegen ein wenig Gesellschaft hatte. Thomas langweilte sich tatsächlich. Mit Ausnahme von einigen Schwestern, die ab und an in sein Zimmer kamen, um das Essen zu bringen oder irgendwelche Werte zu messen, war er ganz allein. Doch er war überglücklich. Er und Biggi waren endlich wieder zusammen, am liebsten hätte er gleich die ganze Welt umarmt. Er hatte sie so schrecklich vermisst in den vergangenen zwei Wochen und ihm wurde immer wieder klar, was für ein Idiot er doch war, dass er nicht früher mit ihr geredet und alles geklärt hatte. Doch das war nun nicht mehr zu ändern, die Hauptsache war, dass er und Biggi wieder zusammen waren.

„Hallo Michael“, begrüßte er seinen Freund, als dieser das Zimmer betrat. „Ich dachte mir, jetzt, wo Biggi Dienst hat, könntest du ein bisschen Gesellschaft vertragen.“, meinte der Notarzt. Da konnte Thomas ihm allerdings zustimmen. „Ja, allerdings, es ist tötend langweilig hier, ich weiß gar nicht, wie ich das noch länger aushalten soll.“, beklagte er sich. Michael grinste, das war typisch Thomas. „Na ja, ein paar Tage wirst du sicher noch hier bleiben müssen….“, stellte Michael fest. Thomas nickte betrübt. „Das hat Dr. Richter auch schon gesagt. Aber sag mal, man kann sich doch auf eignen Wunsch entlassen lassen oder?“, kam dem Piloten dann eine Idee. Michael wusste genau, worauf Thomas hinaus wollte. „Kommt gar nicht in Frage….“, wehrte er ab. „Thomas, du solltest dich wirklich erstmal ein bisschen schonen, mit einer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen….“ „Das kann ich zuhause doch auch, außerdem hab ich für den Notfall ja einen Arzt im Haus und Biggi wird schon dafür sorgen, dass ich mir nicht zu viel zumute….“, versuchte Thomas Michael zu überzeugen. Der Notarzt verdrehte die Augen. „Also gut, ich schlage dir einen Kompromiss vor, du bleibst jetzt mindestens noch zwei Tage hier und dann können wir wieder darüber reden.“ Thomas willigte ein. Er wusste, dass Michael Recht hatte, er als Arzt konnte das schließlich am besten einschätzen. Doch Thomas wollte eben einfach so gern endlich wieder mit Biggi allein sein, ungestört, ohne dass jeden Moment ein Arzt oder eine Schwester reinplatzen konnte. Michael verstand das natürlich auch, doch Thomas gleich mit nachhause zu nehmen, hielt er noch für zu früh.

Die Schicht des B Teams verlief relativ ruhig und entspannend. Ralf, Biggi und Karin saßen die ganze Zeit im Aufenthaltsraum und unterhielten sich. Sie waren froh, dass noch kein Einsatz gekommen war. Schon eine halbe Stunde vor Schichtende sah Biggi ständig auf die Uhr und als die Schicht dann endlich vorbei war, verschwand sie sofort in der Umkleide. Sie nahm eine kurze Dusche und zog sich dann eilig um, um so schnell wie möglich wieder zu Thomas zu kommen. „Biggi ist ja kaum wieder zu erkennen.“, stellte Karin kopfschüttelnd fest, nachdem die Pilotin in der Umkleide verschwunden war. Ralf nickte. „Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Sie und Thomas waren wahnsinnig glücklich miteinander und ich bin mir sicher, sie sind es jetzt auch wieder. Das sieht man ihr eben an.“ Karin nickte. Das sah man Biggi wirklich an. Wenn sie so darüber nachdachte, verspürte sie selbst wieder die Sehnsucht nach einer Beziehung. Doch sie wusste, dass das unmöglich war. Sie hatte in den letzten Wochen extra Distanz zu Michael gewahrt. Sie hatte ihn gern, viel zu gern. Immer wieder redete sie sich ein, dass es für alle so das Beste sei, und schaffte es auf diese Weise wirklich, ihre Gefühle zu verdrängen.

„Ich werde dann auch mal losfahren, Gabriele wartet schon auf mich.“, meinte Ralf lächelnd. Auch Karin erhob sich und ging sich umziehen. Als sie die Umkleide betrat, war Biggi fast fertig und föhnte sich nur noch kurz die Haare ein wenig trocken. „Dann wünsche ich dir einen schönen Abend mit deinem Thomas.“, meinte Karin lächelnd, als Biggi sich verabschiedete. Die Pilotin strahlte. „Danke.“ Sie konnte es kaum erwarten, ihn endlich wieder in die Arme zu schließen.

Da sie ja mit dem Heli gekommen war, musste Biggi sich nun ein Taxi nehmen. Sie wollte Ralf nicht schon wieder bitten, sie zu fahren, nach allem, was er und Gabi in den letzten Wochen schon für sie getan hatten. Zudem wusste sie ja, dass er auch so schnell wie möglich zu seiner Gabi wollte, die mit Sicherheit schon auf ihn wartete.

Zwanzig Minuten später hielt das Taxi vor dem Zentralklinikum und Biggi stieg aus. Eilig machte sie sich auf den Weg zu Thomas’ Zimmer, das im zweiten Stock lag. „Hallo mein Schatz.“, begrüßte sie ihn lächelnd, als sie den Kopf zur Tür hereinsteckte. Thomas strahlte. Er freute sich wahnsinnig, dass sie wieder da war. Biggi ging sofort auf sein Bett zu, beugte sich ganz nah zu ihm und küsste ihn dann erstmal lange und innig. „Ich habe dich vermisst.“, meinte sie dann. „Ich dich auch. Du glaubst gar nicht, wie langweilig es hier ohne dich ist.“, erzählte er ihr. „Deshalb besuche ich dich ja auch immer.“, antwortete Biggi daraufhin und küsste ihn wieder. „War die Schicht anstrengend?“, fragte Thomas dann irgendwann. Biggi schüttelte den Kopf. „Nein, es war ganz ruhig, wir hatten nicht einen Einsatz. Hätte ich das vorher gewusst, dann wäre ich bei dir geblieben.“, antwortete sie lächelnd. Thomas blickte sie verliebt an und streichelte ihr dann zärtlich über den Bauch. Wenn man Glück hatte, konnte man spüren, wie das Baby sich bewegte. Thomas hatte gerade Glück, er konnte fühlen, wie es ein wenig strampelte. „Ganz schön wild unser Nachwuchspilot.“, bemerkte er lächelnd. Biggi stimmte ihm zu. „Da kommt er wohl ganz nach seinem Vater….“, stellte sie grinsend fest. „Na warte…“, drohte Thomas ihr ebenfalls grinsend und begann sie zu kitzeln. „Oh Bitte, Gnade.“, flehte Biggi, während sie lachen musste. Es endete schließlich damit, dass sie halb auf Thomas lag und sie sich stürmisch küssten.

Gabi und Ralf hatten sich einen ruhigen Abend vor dem Fernseher gemacht. Mit dem runden Bauch konnte Gabi sowieso nicht mehr viel machen, sie musste vor allem in der letzten Woche alle Anstrengungen vermeiden und irgendwie genoss sie es auch, jetzt nicht mehr arbeiten zu müssen und sich voll und ganz von Ralf zu verwöhnen lassen. Er tat das gern, doch er konnte es kaum noch abwarten bis zur Geburt und hoffte jeden Tag, dass es endlich so weit wäre. Allerdings hatte er ein wenig Angst, dass es losgehen könnte, während er auf der Basis war und Schicht hatte, oder noch schlimmer, wenn er gerade im Einsatz war. Er wollte so gern dabei sein und hoffte, dass das klappen würde.

Biggi blieb noch den ganzen Abend bei Thomas. Sie hatten sich eng aneinander gekuschelt und genossen die Gegenwart des anderen total. Immer wieder warfen sie einander verliebte Blicke zu, küssten sich und sagten einander, wie sehr sie sich liebten.

Gegen zehn betrat dann jedoch Dr. Richter das Zimmer. „Ich glaube, Herr Wächter braucht jetzt seine Ruhe und auch Sie schlafen in Ihrem eigenen Bett besser. Sie können selbstverständlich morgen früh wiederkommen.“, wandte er sich an Biggi. Diese nickte betrübt. Sie sah natürlich ein, dass sie nicht noch eine Nacht bei Thomas in der Klinik verbringen konnte, doch sich jetzt von ihm trennen, das wollte sie auch nicht, genau wie er. Doch es blieb ihnen nichts anderes übrig. Sie warfen sich einen sehnsüchtigen Blick zu und küssten sich dann besonders lange zum Abschied. „Ich komme morgen früh noch vor der Schicht vorbei.“, versprach Biggi. „Ich freu mich schon.“, antwortete Thomas ihr und drückte noch einmal ihre Hand, die noch immer in seiner lag. Biggi drückte ihm noch einen kleinen Kuss auf den Mund, bevor sie endgültig gehen müsste. An der Tür drehte sie sich noch ein letztes Mal um und blickte sehnsüchtig zu ihm zurück. „Schlaf gut.“ „Du auch, und träum was Schönes.“, erwiderte Thomas und ließ ihr noch einen kleinen Kuss zufliegen. Biggi lächelte ihn an, doch bevor sie noch irgendetwas sagen konnte, schob Dr. Richter sie endgültig aus dem Zimmer.

Gegen halb elf klingelte es bei Gabi und Ralf an der Haustür. „Wer kann das denn sein?“, fragte Gabi sich. Sie und Ralf hatten gerade beschlossen, den Fernseher auszuschalten und schlafen zu gehen. Vor der Tür stand Biggi. Sie hatte sich wieder ein Taxi genommen und wollte nun ihre Sachen holen. „Oh hallo Biggi…“ Gabi war ein wenig überrascht, doch eigentlich hatte sie sich bereits denken können, dass ihre beste Freundin noch vorbeischauen würde. „Tut mir Leid, dass ich euch noch so spät störe, ich wollte auch nur schnell meine Sachen abholen.“ „Das macht doch nichts, komm doch rein.“, erwiderte Gabi lächelnd und ließ Biggi in die Wohnung treten. „Ich freu mich so wahnsinnig für euch.“, meinte Gabi dann erstmal und umarmte Biggi glücklich. „Du weißt gar nicht, wie froh ich bin, dass zwischen Thomas und mir wieder alles in Ordnung ist. Ich habe ihn so vermisst.“, erzählte Biggi. Gabi konnte es sich schon vorstellen, sie hatte ja immer mitbekommen, wie sehr Biggi unter der Trennung gelitten hatte. Umso erleichterter war sie nun, dass Thomas und Biggi sich wieder versöhnt hatten.

Gabi half Biggi schnell ihre Sachen zusammenzupacken, damit es nicht zu lange dauerte. Dann bot sie ihrer Freundin an, sie eben schnell zur Villa zu fahren, damit sie sich nicht wieder ein Taxi nehmen musste. Biggi nahm das Angebot gern an, so hatte sie zudem noch genug Zeit, um Gabi alles ganz genau zu erzählen, wie sie es eigentlich immer taten.

Auch Michael fragte sich zunächst, wer so spät noch etwas wollte, doch als er Biggi vor der Tür stehen sah, kam er selbst drauf, dass er sie hätte erwarten müssen. Die Pilotin war jedoch so erschöpft von den letzten Tagen, dass sie es vorzog gleich schlafen zu gehen, ohne vorher ihre Sachen auszupacken. Michael verstand das natürlich und ging dann auch bald ins Bett. Biggi kuschelte sich gleich unter die warme Decke. Es war schön, endlich wieder zuhause zu sein, in ihrem und Thomas’ Bett zu liegen…. Nur Thomas fehlte ihr  jetzt noch neben ihr, doch sie wusste, dass er bald wieder dort liegen, sie in den Arm nehmen und mit ihr zusammen einschlafen würde. Als sie gerade die Augen schließen wollte, klingelte plötzlich ihr Handy, das auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett lag. Sie sah auf das Display, doch die Nummer kannte sie nicht. „Ja?“ „Ich bin’s, ich habe mir extra das Telefon hier im Zimmer frei schalten lassen, weil ich solche Sehnsucht nach dir hatte.“ Biggi freute sich total, als sie Thomas’ Stimme am anderen Ende vernahm. „Oh, wie lieb von dir, ich habe gerade an dich gedacht und ich vermisse dich auch schrecklich. Es ist so leer und einsam hier in dem großen Bett… ohne dich…“, seufzte Biggi. „Hier auch, aber ich denke ganz doll an dich.“ „Ich auch an dich.“ „Dann schlaf jetzt gut und träum was Schönes.“ „Du auch, Thomas. Ich liebe dich.“ „Ich dich auch, unendlich.“ Sie verabschiedeten sich noch und legten dann auf. Wenig später fielen sie beide mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht und mit den Gedanken bei dem anderen in einen tiefen Schlaf.

Auch Gabi und Ralf lagen inzwischen im Bett. „Meinst du, es dauert noch lange?“, fragte Ralf seine Liebste, während er über ihren Bauch streichelte. „Ich weiß nicht, ich hab ja schließlich auch noch keine Erfahrung mit so etwas gemacht…“, antwortet Gabriele ihm. Sie fragte sich ebenso, wann es wohl soweit wäre. Es war schließlich schon alles vorbereitet. Die Tasche stand fertig gepackt im Schrank und sie war jederzeit bereit, in die Klinik zu fahren. „Weißt du, ich hab nur solche Angst, dass es losgeht, wenn ich nicht da bin. Ich möchte doch so gern dabei sein.“, gab Ralf dann schließlich zu. Es war das erste Mal, dass er Vater wurde und er war jetzt schon total aufgeregt. „Ach Ralf, weißt  du, irgendwie hab ich das im Gefühl, dass es nicht so kommen wird. Du wirst bestimmt dabei sein können.“ „Meinst du wirklich?“ Gabi nickte überzeugt und küsste ihn dann zärtlich. Ralf lächelte glücklich. Er freute sich schon so wahnsinnig. Dann schliefen sie beide zufrieden ein.

Am nächsten Morgen war Biggi die erste in der Villa, die aufstand. Das B Team hatte die erste Schicht und sie wollte schließlich vorher unbedingt noch zu Thomas in die Klinik. Michael hingegen genoss es, diesmal ausschlafen zu können. Das hatte er auch einmal wieder bitter nötig. Da Dirk die ersten beiden Schulstunden frei hatte, hatte der Notarzt sich vorgenommen, erst um neun mit seinem Sohn zusammen aufzustehen und mit ihm gemeinsam zu frühstücken.

Leise schlich Biggi durchs Haus, um Dirk und Michael nicht zu wecken. In der Villa musste man immer übervorsichtig sein, da die alten Holzfußböden manchmal ziemlich laut knarren konnten. Doch sie war leise genug und als sie das Haus verließ, schliefen Dirk und Michael noch immer tief und fest. Sie fuhr mit Thomas’ Auto zur Klinik, da sie auf Grund der Schwangerschaft seit einiger Zeit kaum noch Motorrad fuhr. Das Risiko war einfach zu groß.

Als Biggi sein Krankenzimmer betrat, erwartete Thomas sie bereits sehnsüchtig. „Endlich geht für mich die Sonne auf.“, meinte er glücklich und küsste sie zur Begrüßung. Biggi erwiderte es ebenso glücklich. „Was machen deine Kopfschmerzen?“, erkundigte sie sich dann bei ihm. „Also seit du hier bist, sind sie schon fast weg.“, antwortet Thomas und lächelte sie verliebt an. Biggi musste ebenfalls lächeln und küsste ihn dann zärtlich. „Ich hab dich vermisst.“ „Ich dich auch. Am liebsten würde ich dich die ganze Zeit hier behalten.“ Biggi seufzte. Wie gern würde sie ebenso den ganzen Tag hier bei Thomas verbringen? „Ich weiß, mir geht es genauso.“, meinte sie ein wenig betrübt. „Aber ich habe dir noch etwas mitgebracht.“, fiel es ihr dann wieder ein. Thomas sah sie erwartungsvoll an. Biggi zog eine Schachtel seiner Lieblingspralinen aus ihrem kleinen Rucksack hervor. „Damit du mir hier nicht verhungerst.“, meinte sie lächelnd. Thomas zog sie ganz nah zu sich und bedankte sich bei ihr mit einem langen Kuss. „Du wärst mir aber trotzdem lieber.“, fügte er dann lächelnd hinzu. „Ich weiß. Was meinst du, was ich dafür geben würde, heute nicht zum Dienst zu müssen. Aber vielleicht sind die Pralinen ja wenigstens ein kleiner Trost.“ Thomas nickte. Er freute sich total, dass Biggi ihm eine kleine Aufmunterung mitgebracht hatte. „Ich habe übrigens noch eine gute Nachricht.“, meinte er dann geheimnisvoll. Biggi sah ihn überrascht an. „Ich habe mit Michael gesprochen. Wenn ich Glück habe, kann ich morgen Abend schon nachhause.“, erzählte er ihr freudig. „Oh Thomas, das ist ja super.“, Biggi war total außer sich vor Freude, fiel ihm um den Hals und küsste ihn stürmisch. „Ich kann es gar nicht abwarten, hier endlich raus zu kommen.“, meinte Thomas. Er hoffte, dass wirklich alles so klappen würde, wie geplant. „Dann machen wir es uns richtig schön, ja?“, schlug Biggi vor. Auch sie konnte es kaum mehr abwarten. „Natürlich, und während du Schicht hast, kann ich schon mal den Rest zuhause erledigen, sodass wir danach gaaaanz viel Zeit nur für uns haben.“ „Hey, kommt gar nicht in Frage, du sollst dich schonen.“, widersprach Biggi ihm streng. Thomas verzog das Gesicht. „Ich will doch nur, dass du so schnell wie möglich wieder ganz gesund wirst.“, meinte Biggi ein wenig besorgt. Thomas nickte. „Ich weiß und ich will doch auch nicht, dass du dir Sorgen machst. Aber ich habe da noch eine Idee. Wenn ich zuhause sitze und mich schone, könnte ich ja schon mal ein wenig Papierkram für dich erledigen, dann musst du wirklich nur zu den Dienstzeiten auf der Basis bleiben.“ „Das würdest du machen?“ Biggi freute sich total. So würden Thomas und sie mindestens eine Stunde mehr Zeit pro Tag haben. „Für dich würde ich doch alles tun!“, versicherte Thomas seiner Liebsten, wobei er sie verliebt ansah und ihr sanft über die Wange strich. Biggi beugte sich noch näher zu ihm und sie küssten sich lange und innig. Sie wollten überhaupt nicht mehr voneinander ablassen und einfach nur die Nähe des anderen spüren. „Ich liebe dich so.“, meinte Biggi leise zwischen zwei Küssen. „Und ich dich erst.“, gab Thomas ihr zur Antwort, während er langsam mit der Hand unter ihr Shirt glitt und sie zärtlich streichelte. Biggi genoss es total und schmiegte sich ganz nah an ihn. So verblieben sie fast eine halbe Stunde, versanken in einem Meer von Küssen und Zärtlichkeiten und wollten einander am liebsten nie wieder loslassen.

Doch dann wurde ihre Zweisamkeit jäh gestört. Es klopfte an der Tür, worauf Biggi und Thomas erschrocken auseinander fuhren. Wenige Augenblicke später trat Dr. Richter zusammen mit zwei Schwestern ein. „Guten Morgen. Wir werden jetzt noch eine Untersuchung mit Ihnen durchführen, Herr Wächter.“, erklärte der Arzt Thomas und Biggi. Biggi sah auf die Uhr. Es war sowieso an der Zeit, sich zu verabschieden. Die Schicht rief leider schon. „Tschüss, mein Schatz, bis heute Nachmittag.“, meinte sie ein wenig traurig. Thomas war nicht weniger betrübt: „Ich denke an dich. Pass auf euch auf.“ Biggi versprach es ihm und sie küssten sich noch einmal zum Abschied. Die Schwestern machten sich bereits daran, Thomas’ Bett aus dem Zimmer zu schieben, als er Biggi, die bis zur Tür neben seinem Bett herging, noch einmal an der Hand zu sich zog und ein weiterer Abschiedskuss folgte. Dann mussten sie sich jedoch endgültig trennen.

Gabi und Ralf hatten gerade fertig gefrühstückt und räumten nun das Geschirr in die Spüle. Ralf musste bald los zur Basis, als Gabriele eine wunderbare Idee kam. „Ralf, ich habe da eine Idee.“,  meinte sie lächelnd. Ralf sah sie fragend an. „Ich komme einfach mit zur Basis, dann bist du auf jeden Fall dabei, wenn es losgeht und außerdem sehe ich dann auch die anderen öfter und wir beide können mehr Zeit miteinander verbringen.“ Ralf war sofort begeistert von ihrer Idee und küsste sie leidenschaftlich. Dann räumten sie noch schnell die Küche fertig auf und machten sich dann gemeinsam auf den Weg zu Basis.

Biggi hatte gerade auf dem Parkplatz vor der Basis geparkt und stieg aus, als sie Ralfs Auto, das sich der Basis näherte, erkennen konnte. Sie beschloss noch auf ihn zu warten. Als er jedoch auf den Parkplatz fuhr, konnte sie erkennen, dass neben ihm noch jemand saß – Gabi. Biggi freute sich, ihre Freundin zu sehen und die beiden umarmten sich zur Begrüßung. Während Ralf noch den Wagen abschloss, gingen sie schon einmal vor in den Aufenthaltsraum. Biggi beschloss erst einmal für alle Kaffee zu kochen und Gabi folgte ihr in die kleine Basisküche. „Wie kommt es denn, dass du mit Ralf mitgekommen bist?“, wollte die Pilotin von ihrer besten Freundin wissen. Gabi lächelte. „Ralf möchte doch unbedingt dabei sein, bei der Geburt, und ich habe bemerkt, dass er totale Angst davor hat, dass es losgehen könnte, während er Dienst hat. Deshalb dachte ich mir, komme ich einfach mit, dann ist er immer bei mir und die Chance, dass er nicht dabei sein kann, wegen einem Einsatz zum Beispiel, ist viel geringer.“ Biggi lächelte. Sie freute sich wahnsinnig für Gabriele, dass sie mit Ralf so glücklich war. Und jetzt, wo mit Thomas und ihr auch alles wieder ok war, war sie eigentlich rundum glücklich. Gabriele bemerkte das natürlich, alleine an Biggis Strahlen konnte man es deutlich erkennen, und sie war wahnsinnig froh darüber. „Ich wollte mich noch mal bei dir bedanken - für alles.“, meinte Biggi dann, als sie den Kaffee gerade fertig hatte. Gabi lächelte. „Ach Biggi, das war doch selbstverständlich.“ Die beiden umarmten sich. „Ich bin so froh, dich als Freundin zu haben.“, setzte Biggi noch hinzu. „Und ich erst.“, antwortete Gabi ihr daraufhin. Dann nahm sie die Kaffeekanne und setzte sich zusammen mit Biggi zu Ralf, der schon im Aufenthaltsraum wartete.

„Sorry, ich weiß, ich bin ein bisschen spät…“, meinte Karin verlegen, als sie kurz nach Schichtbeginn die Basis betrat. „Du hast Glück, Ebelsieder hat noch nichts bemerkt.“, informierte Ralf seine Kollegin. Karin atmete auf, dann fiel ihr Blick auf Gabi. Da Ralf seinen Arm um sie gelegt hatte und es nicht zu übersehen war, dass sie hochschwanger war, war Karin sofort klar, wer die Frau, die dort neben Ralf auf dem Sofa saß, war. „Sie müssten Dr. Kollmann sein.“, meinte sie und ging auf Gabi zu. „Ja, genau, aber meine Freunde nennen mich einfach nur Gabi.“ „Freut mich, Gabi, ich bin Karin.“ Sie gaben  sich die Hand, dann verschwand Karin schnell in der Umkleide. Gabi hatte sich die neue Ärztin irgendwie immer ganz anders vorgestellt, nun war sie jedoch positiv überrascht. Sie machte wirklich einen netten Eindruck. In nächster Zeit würde sie sie sicherlich näher kennen lernen.

Als Thomas nach zwei Stunden endlich wieder zurück in sein Zimmer gebracht wurde, langweilte er sich wieder einmal. Es würde noch eine Weile dauernd, bis Biggi wiederkommen würde, und auch sonst war  niemand da, der ihn besuchte. Er seufzte leise. Wie er Krankenhäuser doch hasste. Der Arzt hatte ihm zwar Bettruhe verordnet, doch er überlegte, ob er trotzdem aufstehen und einen kleinen Spaziergang durch den Krankenhauspark machen sollte. Das Wetter war herrlich draußen und die warmen Strahlen der Sommersonne schienen direkt auf sein Bett. Verlockend war es wirklich. Thomas überlegte noch ein Weilchen, doch wenig später konnte er dieser Verlockung nicht mehr widerstehen. Er stand langsam auf, nahm sich seinen Morgenmantel aus dem Schrank und verließ dann leise das Zimmer. Glücklicherweise traf er auf dem Gang keinen Arzt und keine Schwester, die darüber informiert waren, dass er noch keine Spaziergänge machen durfte.

Als er schließlich nach draußen trat, bemerkte er, dass es so warm war, dass der Morgenmantel absolut überflüssig war. Es war wirklich herrliches Wetter. Der Himmel war strahlend blau und kein Wölkchen war zu sehen. Gerade, als er in Richtung Park gehen wollte, vernahm er eine ihm wohlbekannte Stimme. „Papa!!!“ Er drehte sich überrascht um und sah Lisa und Laura, wie sie auf ihn zustürmten und ihm dann in die Arme fielen. „Hey ihr Süßen, was macht ihr denn hier?“, fragte Thomas überrascht. Er freute sich wahnsinnig seine Mädels zu sehen. „Na dich besuchen.“, erzählte Lisa ihm. Dann sah Thomas auch schon Vera um die Ecke kommen. Die Mädchen waren schon einmal vorgerannt, da sie zuerst bei ihrem Vater sein wollten. „Hallo Vera“, begrüßte Thomas seine Ex-Frau. „Hallo Thomas. Dir scheint es ja schon wieder gut zu gehen.“, stellte sie erfreut fest. Michael hatte sie von Thomas’ Unfall informiert, allerdings nicht über seine genauen Verletzungen. Thomas stimmte ihr zu. „Wenn ich Glück habe, kann ich morgen Abend nachhause.“, erzählte er freudig. Nachdem sie sich noch etwas unterhalten hatten, bot Thomas Vera und den Kindern an, noch mit auf sein Zimmer zu kommen. Er wusste, dass er nicht lange unbemerkt wegbleiben konnte. Die drei willigten ein und Lisa und Laura machten es sich, nachdem Thomas sich wieder in sein Bett gelegt hatte, auf dem anderen Bett im Zimmer gemütlich. Vera hatte sich den Besucherstuhl genommen und sich ans Fußende zwischen die Betten gesetzt.

Biggi hatte es nach der Schicht wieder besonders eilig, zu Thomas ins Krankenhaus zu kommen. Sie zog sich nicht einmal um und verabschiedete sich nur noch schnell von Ralf, Gabi und Karin, bevor sie in ihrem Einsatzoverall die Basis verließ.

Als sie eine Viertelstunde später den Kopf in Thomas’ Zimmer steckte, wurde sie sogleich von Lisa und Laura begrüßt. Vera und die Mädchen waren noch immer bei Thomas, der sich über die Gesellschaft freute. „Ich habe schon auf dich gewartet, mein Schatz.“, begrüßte er seine Biggi und lächelte sie verliebt an. Biggi erwiderte es und ging dann auf sein Bett zu. „Hallo Biggi.“, begrüßte auch Vera die Pilotin. „Ich glaube, wir gehen dann mal wieder.“, meinte sie dann grinsend mit einem Blick auf Thomas und Biggi, die sich zur Begrüßung erst einmal ziemlich lange küssten. Sie freute sich, dass zwischen Thomas und Biggi wohl wieder alles ok war. Jedenfalls machten die beiden einen sehr glücklichen Eindruck auf sie. Wenn sie dagegen an das letzte Treffen mit Biggi am Waldsee dachte… Da war sie wirklich niedergeschlagen gewesen und Vera vermutete, dass es Thomas ebenso ergangen war. Sie kannte ihn gut und wusste, dass er Biggi über alles liebte.

Die Mädchen umarmten ihren Vater und Biggi noch einmal zum Abschied, dann verließen sie zusammen mit ihrer Mutter das Zimmer wieder.

Nachdem Vera, Lisa und Laura gegangen waren, setzte Biggi sich zu Thomas auf die Bettkante. „Da hattest du ja schon ganz schön viel Besuch heute.“, stellte sie fest. Thomas nickte. „Aber kein Besuch auf der Welt ist mir lieber als du.“, meinte er dann lächelnd. Biggi grinste und küsste ihn dann zärtlich, was Thomas glücklich erwiderte. „Was hältst du davon, wenn wir einen kleinen Ausflug in den Park machen. Das Wetter ist so herrlich und hier drinnen versauere ich sonst noch.“ Biggi war von seiner Idee sofort begeistert und wollte schon fast zustimmen. „Aber ich denke, du darfst noch gar nicht aufstehen…?“, fiel ihr dann jedoch ein. „Ähm…na ja…“, druckste Thomas um das Thema herum. „Also nein, eigentlich nicht.“, gab er dann zu. „Aber ich war vorhin auch schon eine kleine Runde draußen und es war wirklich schön. Mir geht es doch schon wieder gut und morgen Abend darf ich doch sowieso nachhause.“, setzte er jedoch sofort hinzu. „Du bist echt verrückt, Thomas.“, bemerkte Biggi schmunzelnd. „Ja, verrückt nach dir.“, gab er unschuldig lächelnd zur Antwort. Nun gab Biggi sich doch geschlagen. Sie küsste ihm, nahm seine Hand und zog ihn dann langsam hoch, bis er aufrecht saß. „Na gut, aber nicht zu lange, du sollst dich noch schonen.“ Thomas versprach es ihr und stand dann langsam auf. „Geht’s?“, fragte Biggi noch einmal ein wenig besorgt nach. Sie hatte nach Thomas’ Unfall so wahnsinnig Angst um ihn gehabt und war so froh, dass er noch einmal glimpflich davongekommen war. Nun sollte er sich wenigstens noch ein wenig schonen. „Ja, keine Angst, es geht mir wirklich gut.“, versicherte Thomas ihr. Er wusste, dass sie sich Sorgen machte, und das wollte er nicht.

Schließlich schritten sie Arm in Arm langsam nach draußen in den Park. Sie begegneten zum Glück nur Ärzten, die nicht darüber informiert waren, dass Thomas eigentlich noch gar nicht aufstehen durfte, und wurden somit nicht aufgehalten.

Das Wetter war noch immer herrlich und Thomas und Biggi genossen es beide total. Sie fanden eine Bank, die etwas weiter ab von dem Hauptweg, der durch den Park führte, lag. Dort setzten sie sich hin und kuschelten sich ganz nah einander, während sie sich genüsslich die Sonne ins Gesicht scheinen ließen. „Wenn man hier so sitzt, dann vergisst man total, dass das hier nur der Krankenhauspark ist.“, stellte Thomas fest, während er Biggi sanft über den Bauch strich. Sie konnte ihm da nur zustimmen. Es war wirklich total schön hier. „Ich bin so glücklich.“, seufzte sie dann leise und legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Ich auch“, antwortete er, während er Biggi noch fester in den Arm nahm. Sie waren beide unendlich froh, dass die ganze Sache mit Axel vorbei war. Nun gab es endlich wieder nur noch sie beide und niemals mehr würde es jemand schaffen, das zu ändern.

Gabi und Ralf waren inzwischen schon wieder zuhause. Sie hatten sich es auf zwei Liegestühlen auf ihrem Balkon gemütlich gemacht. Gabi konnte jetzt so kurz vor der Geburt sowieso noch kaum etwas unternehmen und sie genoss es auch irgendwie, sich jetzt ein bisschen von Ralf verwöhnen zu lassen. Er hatte den Sonnenschirm aufgestellt, damit sie ein bisschen Schatten hatten und Gabi dann Kekse und eisgekühlten Orangensaft serviert.

Die beiden Liegen hatten sie direkt nebeneinander gestellt, sodass sie eine große Liegefläche boten. Ralf hatte seine Hand auf Gabis Bauch gelegt und spürte die Bewegungen seines Kindes. Er freute sich schon so wahnsinnig. Den Gedanken, dass er möglicherweise nicht der biologische Vater war, hatte er längst verworfen. Selbst wenn es so wäre, er würde das Kind so lieben wie sein eigenes und für das Baby würde immer nur er der Vater sein. Glücklich lächelte er seine Gabi an, die ihn daraufhin zärtlich küsste. Sie waren nun schon fast eine richtige kleine Familie. In ein paar Tagen würde es höchstwahrscheinlich soweit sein. In den letzten Tagen hatten sich die beiden schon eifrig darüber unterhalten, welchen Namen ihr Baby bekommen sollte. Schließlich würde ihnen viel Zeit nicht mehr bleiben. Geeinigt hatten sie sich aber immer noch nicht. Gabi war bei einem Jungen für Phillip, während Ralfs Favoriten eindeutig Jonas und Kevin waren. Was die Mädchennamensvorschläge anging, war es beinahe noch schwieriger und es waren bereits so viele gefallen, dass man sie kaum noch zählen konnte. Die besten hatten sie sich aufgeschrieben, aber es waren immer noch viel zu viele. „Aber wenn es ein Mädchen wird, dann nennen wir sie Saskia.“, versuchte Gabi zum wiederholten Mal Ralf von ihrer Wahl zu überzeugen. „Hm, also Sabrina gefällt mir da schon besser…“, antwortete er lächelnd, worauf Gabi ihn kitzelte. „Hey, das ist unfair, meinst du, so kannst du mich überzeugend?“, fragte er lachend. „Wer weiß…“, erwiderte Gabi ebenfalls grinsend. Sie alberten noch eine Weile herum, dann wurden sie wieder ernst. „Woher weißt du denn überhaupt, dass es ein Mädchen wird“, fragte Ralf dann. „Das spüre ich eben.“, behauptete Gabi grinsend. „Aber wenn nicht, dann haben wir uns ja eh schon auf Phillip geeinigt, nicht wahr?“ „Hey!“, protestierte Ralf, „Wenn schon, dann Phillip-Jonas-Kevin.“ „Na gut, aber wie gesagt, ich denke sowieso, dass es ein Mädchen wird.“ „Also Sabrina….“, versuchte Ralf sie weiterhin zu überzeugen. Gabi grinste. „Hm, Sabrina Kollmann? Das hört sich irgendwie komisch an.“, stellte sie fest. „Wer sagt denn, dass sie Kollmann heißen muss. Sabrina Staller fände ich schön.“, stellte Ralf daraufhin lächelnd fest, „Das würde richtig gut passen. Schließlich muss man bei der Namenswahl ja immer darauf achten, dass Vor- und Nachname zusammenpassen.“ Gabi grinste, sie ahnte, dass Ralf damit eine versteckte Anspielung machen wollte. Ganz sicher war sie sich jedoch nicht. ‚Sabrina Staller… hm, das klingt wirklich nicht schlecht.’, dachte sie sich, ‚Und Gabriele Staller? Eigentlich fast noch besser….’

Gegen Abend, als es langsam wieder ein wenig kühler wurde, gingen Thomas und Biggi langsam wieder zurück in die Klinik. Sie hatten den ganzen Nachmittag zusammen im Park genossen. Dass er eigentlich noch nicht aufstehen durfte und die Ärzte ihn natürlich bereits suchten, hatte Thomas schon total vergessen. Seine Gedanken waren nur bei Biggi, mit der er nun Arm in Arm den Gang, der zu seinem Zimmer führte, entlang ging. Als sie am Ärztezimmer vorbeikamen, kam Dr. Richter gerade heraus. „Herr Wächter, da sind Sie ja. Wo sind Sie denn gerade gewesen?“, wollte er mit einem vorwurfsvollen Ton wissen. „Sie wissen doch, dass Sie noch nicht aufstehen sollen.“, setzte er dann noch hinzu. Man hatte zwar fast den ganzen Park abgesucht, jedoch nicht die abgelegene Ecke, in der Thomas und Biggi sich aufgehalten hatten. „Wir… wir waren nur ganz kurz ein wenig spazieren.“, entschuldigte Thomas sich. Dr. Richter schaute ihn ein wenig zweifelnd an. „Wirklich.“, versicherte auch Biggi. Der Arzt ging jedoch nicht weiter darauf ein und schickte Thomas wieder auf sein Zimmer. Die beiden Piloten mussten grinsen. „Du bist echt unmöglich, Thomas.“, meinte Biggi belustigt. „Stimmt, aber ich finde, die Zeit mit dir zusammen im Park war es wert.“ „Da hast du auch wieder Recht.“, konnte sie ihm nur zustimmen.

Thomas legte sich wieder ins Bett und Biggi setzte sich auf den Besucherstuhl. „Nur noch eine Nacht ohne dich, dann komme ich endlich wieder nachhause.“, freute Thomas sich. Biggi lächelte ihn verliebt an. Sie war ebenso glücklich darüber. „Und dann schonst du dich noch brav und ich kann dich ein bisschen verwöhnen.“, plante sie schon einmal voraus. Thomas nickte. „Zeit dazu, dich zu verwöhnen, habe ich dann ja, wenn unserer Kleiner da ist noch genug.“, freute er sich. Biggi lächelte glücklich. Sanft strich Thomas ihr über den Bauch und küsste sie dann zärtlich. Er war so wahnsinnig glücklich, dass alles so gekommen war, wie es jetzt war, und alles wieder gut war.

So verging der Abend und gegen zehn verabschiedete Biggi sich von Thomas, da sie am nächsten Morgen die erste Schicht hatte. Dies passte ihr jedoch sehr gut, denn so hatte sie am späten Nachmittag Zeit um Thomas aus der Klinik abzuholen.

Als sie zuhause ankam, war Michael noch auf. Er hatte sich auf die Terrasse gesetzt, trank ein Glas Wein und blickte nachdenklich in die warme Sommernacht. „Hallo, Michael!“, begrüßte Biggi ihn und riss ihn damit komplett aus seinen Gedanken. „Oh, ähm, hallo…“ Biggi setzte sich Michael gegenüber auf einen Stuhl. Sie war bester Laune, da Thomas am nächsten Tag wieder nachhause kommen würde. Michael erkundigte sich, wie es Thomas ging, doch Biggis gute Laune konnte auch dann nicht auf ihn abfärben, als sie ihm erzählte, dass es Thomas wieder recht gut ging und die beiden zusammen so glücklich waren wie nie zuvor. Bald bemerkte Biggi jedoch auch Michaels nachdenkliche Stimmung. Zunächst dachte sie sich nichts weiter dabei. So etwas kam nach einem harten Tag mit vielen schlimmen Einsätzen eben vor. Doch irgendwie spürte sie, dass es dieses Mal etwas anderes war und beschloss schließlich, doch nachzufragen. „Was ist denn los mit dir heute? Du bist so nachdenklich.“ Michael zuckte nur mit den Schultern. „Es ist wegen Karin.“, gab er dann jedoch zögernd zu. Vielleicht konnte Biggi als Frau ihm ja helfen, die Notärztin zu verstehen. Biggi sah ihn erstaunt an. Sie hatte zwar bereits vermutet, dass Michael ein Auge auf die neue Kollegin geworfen hatte, doch war sie eigentlich davon ausgegangen, dass auch Karin so dachte. „Ich verstehe sie einfach nicht. Jedes Mal, wenn ich sie zum Essen einlade, sagt sie aus irgendeinem an den Haaren herbeigezogenen Grund ab. Letztens hat sie behauptet, sie müsse auf den Geburtstag ihres Bruders, dabei hatte sie mir vor einigen Wochen erzählt, dass sie keine Geschwister habe. Irgendwas stimmt da nicht und ich würde nur zu gern wissen was.“ Biggi wollte Michael nicht so hart ins Gesicht sagen, dass Karin möglicherweise kein Interesse daran hatte, mit ihm auszugehen, zudem hätte sie sich da schon sehr in Karin getäuscht haben müssen. Die beiden kannten sich zwar noch nicht so lange, doch da sie fast täglich einige Stunden zusammen verbrachten, glaubte Biggi ihre Kollegin doch ganz gut einschätzen zu können. Ihr Verhalten verstand sie jedoch auch nicht. „Vielleicht ist ihr das ein bisschen zu früh?“, überlegte sie. „Vielleicht… Aber was ist schon dabei, zusammen Essen zu gehen?“ „Nichts.“, musste Biggi zugeben. „Soll ich mal mit ihr reden?“, bot sie dann an. Michael zögerte. „Ich weiß nicht, ob das das Richtige ist. Ich verstehe sie einfach nicht, an manchen Tagen gibt sie mir den Anschein, an mir interessiert zu sein, und an anderen Tagen ist sie total abweisend. Vielleicht ist sie ja verheiratet?“ „Nein, das glaube ich nicht.“, wehrte Biggi sofort ab, „Jedenfalls hat sie nie einen anderen Mann erwähnt.“ „Wer weiß…“ „Am besten du sprichst sie einfach mal direkt darauf an, warum sie nicht mit dir ausgehen will. Dann hast du wenigstens Klarheit.“ „Wahrscheinlich hast du Recht.“ Biggi nickte ihm aufmunternd zu, dann stand sie auf und begab sich nach drinnen, um schlafen zu gehen. Es war doch schon sehr spät und sie hatte schließlich die Frühschicht.

Michael folgte ihr wenig später und schlief nach einiger Zeit mit den Gedanken bei Karin ein. Biggi hatte Recht, es war wohl wirklich die einzige Lösung, sie direkt anzusprechen.

Am nächsten Morgen wachte Gabi bereits ziemlich früh auf. Irgendwie fühlte sie sich nicht gut und sie verspürte ein schmerzhaftes Ziehen im Unterleib. Ob das schon die Wehen waren? Sie war kurz davor, Ralf zu wecken, als das Ziehen mit einem mal wieder nachließ. ‚War wohl doch nur falscher Alarm.’, dachte sie sich. Sie musste schmunzeln. Ralf und sie freuten sich schon so sehr auf die Geburt, dass sie bei wirklich jedem kleinsten Anzeichen daran dachten.

Wenig später wachte auch Ralf auf. Nachdem sie noch etwas miteinander gekuschelt hatten, standen die beiden schließlich auf. Sie frühstückten gemeinsam gemütlich und machten sich dann langsam auf den Weg zur Basis.

Als sie dort ankamen, waren Karin und Biggi bereits dort. Sie saßen bereits fertig umgezogen im Aufenthaltsraum und tranken zusammen eine Tasse Kaffee. „Guten Morgen ihr zwei.“, begrüßte Biggi Ralf und Gabi fröhlich. „Hallo Biggi. So gute Laune am frühen Morgen?“, wunderte sich Ralf. „Lass mich raten… wenn das nicht daran liegt, dass Thomas heute entlassen wird.“ Gabi hatte ihre beste Freundin natürlich längst durchschaut. Biggi nickte. „Du hast mich mal wieder durchschaut. Ich freu mich wirklich schon wahnsinnig. Hoffentlich wird die Schicht nicht zu anstrengend und wir haben ausnahmsweise mal pünktlich Feierabend.“, hoffte die Pilotin, dann sie wollte natürlich so schnell wie möglich zu Thomas. Sie konnte es kaum mehr abwarten, ihn endlich wieder mit nachhause nehmen zu dürfen und zählte bereits jede Minute.

Während Ralf sich umziehen ging, setzte Gabi sich zu Biggi und Karin an den Tisch und die drei Frauen unterhielten sich noch ein wenig. Biggi wollte von Gabi wissen, ob sie sich nun endlich für einen Namen entschieden hätten und Gabi erzählte daraufhin von der Namensdiskussion vom Vortrag. „Und dann hat Ralf noch so eine Andeutung gemacht….“, meinte sie und lächelte geheimnisvoll. Biggi wollte natürlich sofort wissen, worum es ging, und so begann Gabi zu erzählen. „Na ja, Ralf war total begeistert von dem Namen Sabrina und als ich dann festgestellt habe, dass Sabrina und Kollmann nicht so gut zusammenpasst, meinte er, dass Sabrina Staller wunderbar passen würde.“ Biggi verstand sofort, was Gabi meinte und umarmte ihre beste Freundin glücklich. „Oh, das ist ja Wahnsinn, ich freu mich so für dich.“ Gabi nickte überglücklich. „Ich weiß natürlich nicht, ob er das wirklich so gemeint hat….“ „Natürlich hat er das, was kann man damit schließlich sonst sagen wollen?“, unterbrach Biggi sie. Gabi musste zugeben, dass sie Recht hatte. Sie war total glücklich, in ein paar Tagen, wenn das Baby dann endlich da sein würde, wäre das Glück zwischen ihr und Ralf endgültig perfekt. Biggi freute sich total für die beiden, schließlich hatten sie in der letzten Zeit viel durchmachen müssen und hatten es nun um so mehr verdient.

Karin hatte die Unterhaltung schweigend mit angehört und sich nicht eingemischt. Was hätte sie auch sagen sollen, sie kannte Gabriele schließlich kaum. Seufzend lehnte sie sie sich zurück in ihren Stuhl. Es war nicht leicht, mit ansehen zu müssen, wie Biggi und Gabi von ihrem privaten Glück schwärmten, während sie dieses private Glück wahrscheinlich nie wieder genießen dürfen würde.

„Was ist denn los mit dir, Karin?“, wollte Biggi nach einiger Zeit wissen. Ihr war nun auch aufgefallen, dass ihre Kollegin die ganze Zeit über geschwiegen hatte. „Ach nichts…“, versuchte Karin jedoch die Sache schnell abzutun. „Ich glaube, ich muss mal kurz fische Luft schnappen gehen…“, meinte sie dann, stand auf und verließ beinahe fluchtartig den Aufenthaltsraum.

Gerade als sie auf dem Eingang hinauslief, stieß sie mit jemandem zusammen. „Hoppla“, hörte sie Michael sagen und blickte dann zu ihm auf. Er war schon vor Beginn seiner Schicht auf der Basis erschienen, da er sich schließlich vorgenommen hatte, mit Karin zu reden und sie auf ihr merkwürdiges Verhalten anzusprechen. War dies nicht die perfekte Gelegenheit dafür? Er zögerte jedoch noch ein wenig. „Ähm…Entschuldigung…“, stammelte Karin verlegte. „Ist doch nichts passiert.“, wehrte Michael sofort beschwichtigend ab. Karin nickte nur und wollte sich gerade umdrehen und an Michael vorbei gehen, als er sie leicht am Ärmel ihres Overalls festhielt. Karin schaute ihn fragend an. „Karin…ich…ich wollte mal kurz mit dir reden.“, meinte Michael schließlich, nachdem er all seinen Mut zusammengefasst hatte. Karin nickte nur, sie konnte sich bereits denken worüber und sie überlegte sofort fieberhaft, wie sie aus dieser Situation wieder herauskommen konnte. Sie wollte Michael nicht verletzen, dazu mochte sie ihn viel zu sehr, doch die Wahrheit sagen, das glaubte sie ihm auch nicht zu können.

Gabi und Biggi hatten Karin verwundert nachgesehen. „Was hat sie denn?“, wunderte Gabriele sich. „Ich weiß es auch nicht. Vielleicht hätten wir vor ihr nicht die ganze Zeit über unser Privatleben reden sollen. Ich weiß nicht, aber ich glaube irgendwas bedrückt sie die ganze Zeit schon. Vielleicht werde ich nachher mal mit ihr reden.“ „Ja, mach das. Du hast Recht, vielleicht sollten wir über solche Dinge demnächst besser reden, wenn wir unter uns sind.“ In dem Moment betrat Ralf den Aufenthaltsraum. Er war, nachdem er sich umgezogen hatte, noch ein wenig mit Max zusammen im Hangar gewesen und sie hatten versucht, den kaputten Getränkeautomat zu reparieren.

„Oh, ich sehe schon Frauengespräche…“, meinte er grinsend. Biggi und Gabi sahen sich unschuldig an und mussten dann lachen. „Nein, nein, ist schon ok, Ralf. Du darfst dich zu uns setzen, wenn du möchtest.“, beruhigte Biggi ihn grinsend. Ralf ging auf das Sofa zu und setzte sich neben seine Gabi. Biggi musste die ganze Zeit versuchen, sich ein Grinsen zu verkneifen, weil sie irgendwie die ganze Zeit daran denken musste, was Gabi ihr gerade über die Sache mit dem Nachnamen erzählt hatte. Sie malte sich gerade aus, wie Gabi wohl im Brautkleid aussehen würde. Lange Zeit, darüber nachzudenken, blieb ihr allerdings nicht, denn die Alarmsirene ertönte: „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, Badeunfall am Waldsee bei Rosenheim, GPS Koordinaten folgen.“ „Verstanden, wir übernehmen.“, bestätigte Biggi den Notruf. Ralf verabschiedete sich noch mit einem Kuss von Gabi und folgte seiner Kollegin dann nach draußen zum Heli, der auf der Landeplattform vorm Hangar stand. Gerade als Ralf eingestiegen war, sprang Gonzo in den Heli. „Nein, Gonzo, du bleibst hier. Max hat versprochen, gleich mit dir in den Biergarten zu gehen.“, meinte Ralf, während er seinen Hund wieder aus dem Heli trug und neben den Kufen absetzte. So lief der Golden Retriever zurück in den Hangar, wo Max noch immer mit der Reparatur des kaputten Getränkeautomaten beschäftigt war.

Karin und Michael waren gerade am Fluss angekommen, wo Michael glaubte, ungestört mit seiner Kollegin reden zu können, als sie die Alarmsirene gehört hatten. Der Notarzt verfluchte diesen Einsatz so sehr wie er schon lange keinen mehr verflucht hatte, doch er wusste, das er es nicht ändern konnte. „Wir reden später…“, meinte Karin schnell, drehte sich dann um und eilte zu ihren Kollegen, die bereits im Heli saßen und ungeduldig auf sie warteten. Insgeheim war sie froh darüber, dass der Einsatz dazwischen gekommen war. So hatte sie zumindest Zeit dazu, sich zu überlegen, wie sie Michael ihr abweisendes Verhalten erklären konnte. Darum herum kommen würde sie sowieso nicht, da war sie sich sicher. Seufzend ließ sie sich im Heli auf ihren Sitz sinken und setzte sich den Helm auf. Kurz nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, hob Biggi ab. Michael sah ihn an noch hinterher, bis der Helicopter nur mehr als winziger Punkt am Himmel zu sehen war und schließlich ganz verwand. Ein Blick auf die Uhr verriet dem Notarzt, dass seine Schicht erst in einer Stunde beginnen würde. Da die andere nun im Einsatz waren und er nicht wusste, dass Gabi noch im Aufenthaltsraum aß, beschloss er bei Peter in dessen Wohncopter vorbei zuschauen. Tatsächlich hatte er Glück. Er sah schon aus einiger Entfernung, dass der Sanitäter es sich auf einer Liege vor seinem Heli gemütlich gemacht hatte und ein wenig in der Sonne döste. Michael schlich sich von hinten an und erschreckte seinen Kollegen dann, indem er ein wenig am Stuhl wackelte. „Oh Mann, hast du mich jetzt erschreckt.“, beschwerte sich Peter, der vor Schreck beinahe von seiner Liege gefallen wäre. Michael grinste nur. „Was machst du denn so früh schon hier? Unsere Schicht fängt doch erst in einer Stunde an.“, wollte Peter dann von ihm wissen. Michael schluckte und das Grinsen entschwand aus seinem Gesicht. „Ich ähm… ich wollte eigentlich noch was mit Ralf bereden, aber der ist jetzt im Einsatz.“, log er dann und nahm sich ebenfalls einen Liegestuhl, der an der Wand von Peters Wohncopter lehnte.

Max war inzwischen mit Gonzo zusammen in den Biergarten gegangen, so wie er es versprochen hatte. Er hatte den Getränkeautomaten fertig repariert und sich dann von Ebelsieder ein paar freie Stunden genehmigen zu lassen, da es für ihn im Moment sowieso gerade nichts zu tun gab. Erst am Abend würde er den Heli wieder auftanken und checken müssen.

Gabi saß währenddessen noch immer auf dem Sofa im Aufenthaltsraum und wartete darauf, dass das B Team zurückkommen würde. Da sie jedoch erst gerade losgefolgen waren, wusste sie, dass es noch eine ganze Weile dauernd würde. Hätte sie gewusst, dass Peter und Michael draußen vor dem Wrack saßen, hätte sie sich sicherlich zu ihnen gesetzt, doch sie ging davon aus, allein auf der Basis zu sein. Nur Ebelsieder war noch in seinem Büro, das wusste sie. Sie wollte gerade aufstehen, um sich ein Glas Wasser aus der kleinen Basisküche zu holen, als sie plötzlich ein schmerzhaftes Ziehen im Bauch verspürte. Erschrocken setzte sie sich wieder hin und hielt sich die Hand auf den Bauch.

Das Ziehen ließ jedoch nicht nach, sondern wurde immer stärker. Gabi konnte kaum noch atmen vor Schmerzen und daran, nach Hilfe zu rufen, war nicht einmal zu denken. Sie ließ sich stöhnend vor Schmerzen aufs Sofa sinken, versuchte sich nicht zu bewegen, und hoffte, dass der Schmerz nachlassen würde. Das tat er wenige Sekunden später auch, aber nur um bereits einen Augenblick später erneut aufzutreten, diesmal beinahe noch stärker. Gabi wusste genau, was für Schmerzen es waren. Sie hatte es zwar noch nie vorher erlebt, doch ihr war sofort klar, dass das die Wehen waren – und zwar in sehr geringen Abständen. Es konnte jeden Moment so weit sein und sie war allein. Niemand war da, der ihr helfen konnte. Die anderen hatten einen Einsatz und es konnte noch mindestes eine Stunde dauern, bis sie zurückkommen würden. Sie ging davon aus, dass nur Ebelsieder noch auf der Basis war, doch sein Büro lag am anderen Ende des Gebäudes und sie würde es in diesem Zustand niemals schaffen, ihn auf sich aufmerksam zu machen, geschweige denn sich irgendwie durch den Flur bis zu seinem Büro zu schleppen.

Zur selben Zeit war das B Team gerade am Waldsee angekommen. „Wie gern würde ich dort jetzt baden.“, stellte Ralf fest. Seine beiden Kolleginnen konnten ihm da nur zustimmen. Seit über einer Woche stieg das Thermometer jeden Nachmittag bis zu 30 Grad an und die Crew wünschte sich jedes Mal die Schicht gegen einen Freibadbesuch tauschen zu können. „Vielleicht kann ich mit Thomas in den nächsten Tagen irgendwann mal einen Nachmittag hier an den See fahren, wenn wir die Frühschicht haben. Er ist ja noch mindestens eine Woche krank geschrieben.“, malte Biggi sich aus. „Du hast es gut…!““, stellte Ralf daraufhin fest. „Wieso, du kannst doch mit Gabi auch schwimmen gehen, wann du willst.“ Da musste Ralf ihr dann doch Recht geben. Vielleicht würde er Gabi in den nächsten Tagen einen kleinen Ausflug an den See vorschlagen. Natürlich konnte er weder ahnen, dass alles anders kommen sollte, noch, dass seine Gabi ihn gerade jetzt dringender denn je gebraucht hätte.

Sie saß immer noch zusammengekrümmt auf dem Sofa, hielt sich die Hand an den Bauch und betete, dass sie bald jemand finden würde. Warum konnte Ralf jetzt nicht da sein? Er war doch sonst immer da, warum nicht jetzt? Sie musste es zum Funkgerät schaffen. Dort, geradeaus, fünf Meter vor ihr, stand es auf dem Schreibtisch. Sie musste es einfach schaffen, wenn sie nicht das Leben ihres Kindes gefährden wollte. Sie atmete noch mal tief ein, bevor sie sich mit den Händen am Sofatisch abstützte und aufzustehen versuchte. Sie schaffte es auch und blieb für einige Sekunden gerade auf dem Boden stehen, doch im nächsten Augenblick musste sich sie sich schon wieder vor Schmerz zusammenkrümmen. So etwas hatte sie noch nicht erlebt. Schließlich kroch sie auf dem Boden weiter Richtung Funkgerät. Das klappte schon besser, und sie hatte es nach wenigen Minuten tatsächlich geschafft, sie war am Schreibtisch angelangt, stützte sich nun auf und setzte sich mühevoll auf den Sessel. Dann drückte sie die Taste am Funkgerät. "Basis für Medicopter 117, hier Gabi, hört ihr mich?", rief sie in ihrer bereits etwas aufgelösten Stimme ins Mikrofon. Am anderen Ende des Empfangs war sie laut und deutlich für Biggi, Ralf und Karin zu hören. Ralf bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung sein musste. Nach der Zeit mit Gabi wusste er bereits die kleinste Stimmungsänderung zu deuten, und diesmal läuteten in seinem Kopf sofort die Alarmglocken. "Gabi, wir hören dich, was ist los, Liebling?", antwortete er ihr. "Ralf ... Gott sei Dank ... ich ...", sie hielt inne, sie war einfach schon ein wenig zu erschöpft. "Was ist los, Gabi? Bitte sag doch was!", rief Ralf panisch. "Ich ... ich glaube, es geht los. Das Baby kommt.", sagte Gabi schließlich. Diese Worte saßen. Ralfs Aufregung steigerte sich in ein Maximum, und das einzige, was er noch zu sagen schaffte, war: "Wir sind sofort da, halt durch! Biggi, schneller!" "Ich flieg schon so schnell ich kann.", entgegnete Biggi, die nicht viel weniger aufgeregt war nach den Worten ihrer besten Freundin. „Wir müssen irgendwie versuchen, Michael und Peter zu erreichen. Die beiden müssen auch noch auf der Basis sein.“, kam Karin dann die rettende Idee. „Warum bin ich da nicht gleich darauf gekommen.“, stimmte Ralf ihr zu und griff sogleich nach seinem Handy, das er in seiner Overalltasche hatte. Hastig tippte er die Nummer von Michaels Handy ein.

Wenige Sekunden später wurde Michael, der genau wie Peter in seinem Liegestuhl ein wenig eingedöst war, durch das Klingeln eines Handys aufgeschreckt. Es dauerte einige Sekunden, bis der Notarzt realisierte, dass es sein Handy war. „Lüdwitz?“ „Michael hier ist Ralf, ihr müsst euch sofort um Gabi kümmern…“, rief Ralf total panisch. „Jetzt mal ganz ruhig Ralf, was ist los?“, versuchte Michael seinen Kollegen zu beruhigen. „Es geht los, das Kind Gabi. Gabi, sie… sie muss im Aufenthaltsraum sein. Bitte, ihr müsst ihr helfen.“ Michael und Peter, der ebenfalls alles mitgehört hatte, da Ralf so laut geredet hatte, standen sofort senkrecht und rannten so schnell sie konnten zum Basiseingang und in den Aufenthaltsraum. „Gabi, Michael ist gleich bei dir.“, versuchte Biggi ihre Freundin über Funk zu beruhigen. Doch Gabriele antwortete nicht mehr. Sie war unter den unerträglichen Schmerzen auf den Boden gesackt und war nicht mehr fähig, auch nur irgendetwas zu sagen, geschweige denn das Funkgerät noch einmal zu erreichen. Genauso fanden Michael und Peter die Notärztin einige Sekunden später auf dem Boden vor. „Oh Gott.“, brachte Peter nur hervor, dann waren Michael und er auch schon bei ihr. Gabi war unendlich erleichtert, als sie die beiden erblickte. Sie wusste, dass sie nun in den besten Händen war. „Bleib ganz ruhig, die anderen sind sicher gleich da und dann fliegen wir dich in die Klinik.“, versuchte Michael sie zu beruhigen, während er Peter anwies, ihm den Notarztkoffer zu bringen. Der Sanitäter tat wie ihm geheißen und so verabreichte Michael Gabi erst einmal ein Kreislaufmedikament und schloss sie ans EKG an. „Die Fruchtblase ist bereits geplatzt, es kann jeden Moment losgehen.“, stellte er dann fest. Dann machte er jedoch eine beunruhigende Entdeckung. „Das Kind liegt falsch herum, das ist normalerweise eine klare Indikation für einen Kaiserschnitt.“ Gerade wollte er hinzufügen, dass es knapp werden würde, als man bereits das Rotorengeräusch der BK 117 hören konnte. Kaum hatte Biggi den Heli auf dem Rollbrett vor dem Hangar aufgesetzt, hatte Ralf auch schon die Trage aus dem hinteren Teil geholt und war auf dem Weg zu Gabi. Karin nahm sich die restliche Ausrüstung und folgte ihm dann, genau wie Biggi, nachdem sie die Turbinen heruntergefahren hatte.

"Gabi!!", rief Ralf panisch, als er sie auf dem Boden liegen sah. Eine Sekunde später war er auch schon bei ihr. "Ralf..", brachte sie nur unter größter Anstrengung hervor. "Bitte halt durch, Gabi! Wir schaffen das.", meinte der Sanitäter nur noch total fertig, während er ihr sanft übers Haare strich und ihre Hand drückte. Er hatte schreckliche Angst, dass etwas schief gehen könnte.
Michael und Peter hoben Gabi sofort auf die Trage. "Los, wir können hier nichts mehr für sie tun, sie muss sofort in die Klinik.", wies Michael die anderen an. Er versuchte einen klaren Kopf zu bewahren, doch in dieser Situation war das nicht leicht. Immerhin ging es hier um das Leben seiner Kollegin und um das ihres ungeborenen Kindes. Biggi, die Michaels letzten Satz gehört hatte, da sie gerade die Tür zum Aufenthaltsraum erreicht hatte, kehrte sofort um, lief zurück zum Heli und fuhr schon einmal die Turbinen hoch. Jetzt zählte jede Sekunde. Sofort als die anderen die Trage mit Gabi hinten in den Heli geschoben hatten und dann selbst eingestiegen waren, hob die Pilotin ab und flog auf dem schnellsten Weg zum Zentralklinikum. Ralf saß die ganze Zeit auf der kleinen Bank neben der Trage und hielt Gabis Hand, während Karin und Michael sich um ihre Kollegin kümmerten. "Wie lange noch?", fragte Michael Biggi. "Etwa sieben Minuten.", gab diese zur Antwort. Sie holte bereits alles aus dem Helicopter heraus, doch schnell er ging es wirklich nicht. "Verdammt, das reicht nicht.", stellte der Notarzt fest. "Was soll das heißen?", fragte Ralf ängstlich, wobei er Gabis Hand noch fester umklammerte. "Wir schaffen es nicht
bis zur Klinik. Das Kind liegt falsch herum, wenn es auf natürlichem Wege zur Welt kommt, besteht die Gefahr, dass es ersticken könnte." "Michael, du willst hier.?", fragte ihn Karin zögernd, als sie verstand, was ihr Kollege vorhatte. "Das ist unsere einzige Chance, oder?" Zögernd nickte sie. "Was habt ihr vor?", schrie Ralf nun völlig außer sich und total mit dem nerven fertig. Auch Gabi hatte nun mitbekommen, dass etwas nicht stimmte. Durch die starken Schmerzen, die sie hatte, und die Medikamente, die Michael und Karin ihr
verabreicht hatten, bekam sie kaum noch etwas mit. Auch Biggi horchte auf, doch sie
vertraute Michael und Karin und wussten dass Gabi bei ihnen in den besten Händen war und sie alles richtig machen würden. "Beruhige dich, Ralf.", wies Karin ihren Kollegen an. "Wir werden das Kind jetzt holen müssen, hier im Helicopter." "Ihr wollt einen Kaiserschnitt im Helicopter machen???", fragte Ralf ungläubig. "Seid ihr wahnsinnig?" "Willst du lieber, dass wir das Leben eures Kindes riskieren und Gabis noch hinzu?", fuhr Michael ihn an, und brachte ihn somit wieder zurück auf den Boden der Realität. "Nein, natürlich nicht, Tschuldigung.", meinte Ralf leise. Er hatte Tränen in den Augen und war mit der gesamten Situation komplett überfordert. Michael zog währenddessen die Anästhesiespritze auf, verabreichte sie Gabriele, die sowieso kaum mehr mitbekam, was um sie herum geschah, und desinfizierte dann ihren Bauch mit einer antiseptischen Lösung. Dann setzte Karin bereits das Skalpell an. Ralf wagte es vor Anspannung kaum noch zu atmen, er hatte so schreckliche Angst um seine Gabriele und um ihr Kind. ,Bitte lass alles gut gehen.", flehte er innerlich immer wieder, während er jede Handbewegung von Michael und Karin genau verfolgte.

 

Das Blut, das nach und nach aus der Wunde an Gabis Unterleib rann, füllte irgendwann sein gesamtes Blickfeld aus und er hielt sich die Hand vor die Augen. Er konnte einfach nicht mehr hinsehen. Er wartete und wartete, und die Sekunden kamen ihm wie Minuten vor. Doch irgendwann hörte er plötzlich ein leises Wimmern, das innerhalb kürzester Zeit in ein ganz ordentliches Gebrüll ausartete. Endlich wagte er es, die Hand von den Augen zu nehmen. Er sah in Michaels und Karins strahlend lächelnde Gesichter und dann auf das kleine, schreiende Baby in Michaels Armen. "Ein kleiner Ralf Junior. Ich gratuliere euch.", meinte Michael leise mit vor Freude tränennassen Augen. Dann überreichte er dem Sanitäter seinen Sohn. Seinen Sohn? Ralf wusste es nicht, seine Chancen standen fünfzig zu fünfzig, das wusste er. Genauso gut konnte dieses Kind Fleisch und Blut Renes sein. Aber im Moment war ihm das alles egal. Er sah nur dieses Kind, wie es ihm von Michael vorsichtig in die Arme gereicht wurde, zuerst noch brüllte, sich dann aber von einer Sekunde auf die andere beruhigte. Der Kleine kuschelte sich an Ralfs Brust und wand sich dabei. Dann entdeckte Ralf plötzlich etwas. In seinem Nacken hatte das Baby ein kleines Muttermal. Ralf hielt die Luft an. Genau an derselben Stelle hatte auch er ein Muttermal! Das konnte kein Zufall sein. Es war sein Sohn. Er hielt seinen Sohn in den Armen. Nun konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Nach und nach tropften sie auf die Decke, in die das Baby eingewickelt war. Freudestrahlend blickte Ralf zu Gabi, die sich leider noch nicht mit ihm freuen konnte. Sie würde noch mindestens eine halbe Stunde schlafen.
Während des ganzen Fluges ließ Ralf sein kleines Söhnchen nicht mehr los. Biggi blickte von vorne aus dem Cockpit immer wieder glücklich nach hinten und freute sich beim Anblick des stolzen Vaters mehr denn je auf ihr eigenes Baby. Wenn nur Thomas jetzt hier wäre.

Am Zentralklinikum angekommen, wurde das Team gleich von einem Ärzteteam empfangen. Das Baby und seine Mutter wurden dann erstmal beide versorgt, was eine ganze Zeit lang dauerte. Ralf war natürlich dabei, niemals hätte er in diesem Moment seine Gabi und sein Kind allein gelassen. Er sah zu, wie das Baby gebadet, gewogen und untersucht wurde, und verfolgte dabei jede Handbewegung der Ärzte. Nach einer guten Stunde war dann alles abgeschlossen. "Ich gratuliere Ihnen, Ihr Sohn ist vollkommen gesund.", sagte ein Arzt zu Ralf und überreichte ihm den Kleinen, der inzwischen einen warmen Strampelanzug anhatte. Liebevoll und mit äußerster Vorsicht nahm Ralf seinen Sohn an sich und machte sich dann auf den Weg zu Gabi. Sie sollte inzwischen bereits wach sein. Das war sie auch. Sie lag im Nebenraum in einem Bett, man hatte sie gerade auf die Überstellung in ein Zimmer vorbereitet. Als Ralf den Raum betrat, strahlte sie ihn an. "Hallo mein Schatz.", sagte Ralf leise. "Schau mal, wen ich dir da bringe. Ich bin so stolz auf dich." Er beugte sich runter zu seiner Liebsten und legte ihr den Kleinen vorsichtig in die Arme. Gabi kämpfte mit den Tränen. Ralf küsste sie zärtlich und meinte dann leise in ihr Ohr: "Es ist unser Sohn. Ich weiß es." Gabi sah ihn fragend an. Dann entdeckte auch sie das kleine Muttermal im Nacken des Babys. Sie konnte ihr Glück nicht fassen. "Ralf.", flüsterte sie, und brach darauf in Tränen aus. "Nicht weinen. Sonst nimmt sich der kleine Schlingel das noch zum Vorbild.", sagte Ralf schmunzelnd. "Ich bin so glücklich.", meinte Gabi und konnte sich gar nicht entscheiden, wen sie nun ansehen sollte. Ihren Ralf oder ihr wunderschönes, gemeinsames Kind. "Er hat deine Stupsnase.", stellte Ralf lächelnd fest. "Und deine Augen.", setzte Gabi fort. "Dafür hat er deine süßen Grübchen." "Und deinen Mund. Genau den, den ich jetzt gern spüren würde.", fügte sie hinzu. "Nichts lieber als das.", grinste Ralf und sie küssten sich innig.

Michael, Karin, Biggi und Peter warteten in der Zwischenzeit auf dem Flur, sie wollten die frischgebackenen Eltern zunächst mal ein Weilchen alleine lassen und ihr Glück genießen. Das taten Gabi und Ralf schließlich auch in vollen Zügen. "Das war echt knapp, ein Kaiserschnitt im Heli..", meinte Michael, dem der Schrecken noch immer in den Knochen steckte. Karin legte ihm die hand auf die Schulter. "Ist zum Glück ja alles noch mal gut gegangen." Michael sah sie an und sie sahen sich für einen Moment lang in die Augen. Beide dachten an die Szene am Eingang und dann das Gespräch, dass sie eigentlich nochfrüher wollten. Nur waren sie sich beide einig, dass dies nicht der richtige ort und Zeitpunkt dafür war. Trotzdem hoffte Michael, im Gegensatz zu Karin, dass sich bald eine Gelegenheit bieten würde und wenn nicht, würde er eben versuchen, dafür zu sorgen. Er wollte wirklich endlich Gewissheit haben. Nach einer weiteren halben Stunde, als Gabi bereits auf ein Zimmer verlegt
wurde, beschlossen sie dann zu ihr zu gehen. Vorsichtig klopften sie an die Tür und traten dann langsam ein. Ralf saß auf der Bettkante und hielt Gabis Hand, während diese ihren Sohn in den Armen wiegte.  "Ist der süß!", meinte Biggi sofort, als sie den Kleinen, der einen Strampelanzug aus der Klinik trug, genauer betrachtete. Gabi lächelte und legte ihn Biggi dann vorsichtig in die Arme. Die Pilotin freute sich schon so wahnsinnig auf ihr eigenes Kind und konnte es kaum mehr abwarten. Der Kleine war aber auch wirklich niedlich. Biggi war sofort ganz vernarrt in ihn. "Tja, in knapp drei Monaten hast du auch so ein kleines  Würmchen.", meinte Gabi lächelnd. Biggi nickte glücklich. Dann fiel ihr jedoch etwas anderes ein. "Ich muss kurz weg, komme gleich wieder.", entschuldigte sie sich nur schnell, legte Gabi den Kleinen zurück in die Arme und war dann auch schon aus dem Zimmer verschwunden. Die anderen sahen ihr kopfschüttelnd nach, nur Gabi musste grinsen, sie ahnte bereits, wohin ihre beste Freundin wollte und glaubte, sie durchschaut zu haben.
Diese befand sich bereits wenige Augenblicke später vor einer anderen Zimmertür, ein Stockwerk höher. "Da bist du ja endlich, ich dachte schon, du hast mich vergessen.", wurde sie sofort von Thomas empfangen, bevor er sie in die Arme schloss. "Hey, wie könnte ich den liebsten Menschen auf der ganzen Welt einfach vergessen?", fragte Biggi gespielt empört und küsste ihn dann besonders lange und zärtlich, was Thomas glücklich erwiderte. Er lächelte sie verliebt an und strich ihr übers Haar. "Ich habe dich total vermisst." "Ich dich auch.",  rwiderte Biggi und küsste ihn dann noch einmal. "Ich bin so froh, endlich hier raus zu kommen.", meinte Thomas glücklich. Er hatte seine Sachen bereits fertig gepackt und hatte schon seit einer Stunde auf Biggi gewartet. "Aber zuerst müssen wir noch woanders hin.", bemerkte Biggi jedoch. Thomas sah sie fragend an und Biggi erklärte ihrem Liebling nun auch den Grund für ihre Verspätung. "Ralf und Gabi sind vor etwa einer Stunde Eltern geworden. Deshalb musste ich meinen armen Schatz auch leider etwas warten lassen. Aber dafür werde ich mich in den nächsten tagen, wenn du dich noch schonen musst, gaaaanz viel um dich kümmern.", versicherte sie ihm. Nun wurde Thomas einiges klar. "Hey, das ist ja super.", freute er sich, dann hob er Biggi, die er noch immer im Arm hatte, hoch und drehte sich mit ihr im Kreis. "Hey, du sollst dich nicht gleich überanstrengen.", mahnte sie ihn zum Spaß und küsste ihn dann sanft. Thomas erwiderte es glücklich. "Keine Angst, ich pass schon auf.", versicherte er ihr danach jedoch. Schließlich nahm er seine Reisetasche vom Bett und die beiden verließen Arm in Arm das Zimmer.  Auf dem Weg zu Gabis Zimmer erzählte Biggi Thomas die Kurzversion von der dramatischen Geburt im Helicopter.

 

 

Als sie vor Gabis Zimmertür angekommen waren, klopften sie kurz an und traten dann ein. "Hallo Thomas.", begrüßten die anderen ihren Kollegen sofort. Dann wollte auch der Pilot zunächst einmal Gabi und Ralfs Familienzuwachs betrachten. "Wie niedlich.", meinte er lächelnd, als er den Kleinen, der friedlich in Gabis Armen lag und schlief, betrachtete. Biggi schmunzelte, sie war schon immer der Meinung gewesen, dass Thomas ein total guter Vater war. Und jetzt, wenn sie Gabi und Ralf mit ihrem kleinen Sohn beobachtete, konnte sie es überhaupt nicht mehr abwarten, bis Thomas und sie auch endlich Eltern werden würden.

"Habt ihr eigentlich schon einen Namen für den Kleinen?", erkundigte Michael sich dann. Gabi und Ralf sahen sich ein wenig ratlos an, so wirklich geeinigt hatten  sie sich noch nicht. Es schwankte eigentlich immer noch zwischen Phillip, Jonas und Kevin. "Ich denke, wir werden ihn Kevin nennen.", meinte Gabi dann jedoch entschlossen und lächelte Ralf an. Dieser war ziemlich verwundert, denn Kevin war eigentlich Ralfs Vorschlag gewesen. Er lächelte sie jedoch nur glücklich an und nickte dann.

Nach etwa einer halben Stunde, beschlossen die anderen, die frisch gebackenen Eltern allein zu lassen und machten sich auf den Nachhauseweg. "Ich habe dich sogar mit dem Heli abgeholt.", meinte Biggi grinsend zu Thomas, während sie sich auf den Weg zum Fahrstuhl machten, der sie zum Dachlandeplatz der Klinik bringen sollte. "Darf ich auch fliegen?", fragte Thomas sie daraufhin ebenfalls grinsend. "Kommt gar nicht in Frage, du sollst dich schonen.", protestierte Biggi sofort. Thomas legte den Arm um sie. "Du machst dir viel zu viele Sorgen.", meinte er dann lieb. "Ja vielleicht, aber weißt du, ich hatte so schreckliche Angst um dich bei dem Unfall... Ich will dich nie wieder verlieren, Thomas." "Das wirst du auch nicht, niemals.", versicherte er ihr. Sie blieben kurz vor dem Heli stehen, während die anderen schon vorgingen und küssten sich leidenschaftlich. "Ich liebe dich.", meinte Thomas leise, während er Biggi tief in die Augen sah. "Ich dich auch. Und ich bin sooo froh, dass ich dich hab." "Na und ich erst.", erwiderte Thomas und küsste sie noch einmal. Biggi lächelte ihn an. "Komm, jetzt will ich aber nachhause.", meinte sie. Thomas nickte zustimmend. "Ja, und dann machen wir uns einen richtig schönen, gemütlichen Abend." "Genau, das machen wir.", freute Biggi sich. Dann folgten sie den anderen Arm in Arm zum Helicopter.

Der Flug zur Basis dauerte nicht allzu lange und da die Schicht des B Teams sowieso schon vorbei war, konnten sie gleich nachhause fahren. Biggi wollte sich vorher noch kurz umziehen und Thomas wartete so lange im Aufenthaltsraum auf sie. Dann fuhren sie gemeinsam, in großer Vorfreude auf den Abend, nachhause.

Dort angekommen, wies Biggi Thomas erst einmal an, dass er sich im Wohnzimmer auf das Sofa legen sollte. Sie holte ihm eine warme Wolldecke und verschwand dann in der Küche, um ihrem Liebling wenig später eine Tasse mit heißem Früchtetee zu bringen. "Es ist schön, wieder zuhause zu sein.", stellte Thomas lächelnd fest, bevor er einen Schluck aus seiner Tasse nahm. Biggi setzte sich zu ihm aufs Sofa und er zog sie schließlich ganz zu sich, sodass sie eng an ihn gekuschelt neben ihm lag. Sie sahen sich in die Augen und lächelten sich verliebt an, bevor sie begannen, sich zärtlich zu küssen. Thomas zog Biggi zu sich unter die Decke, und ihre Küsse wurden immer leidenschaftlicher. Schließlich begann Thomas, Biggis Bluse aufzuknöpfen, worauf sie grinsend meinte: "Nichts da, du bist noch invalide." "Im Gegenteil, ich könnte Bäume ausreißen." "Na dann mach das besser." "Mir ist jetzt aber viel mehr nach dir ..." "Sturkopf ...", meinte Biggi gespielt wütend, war allerdings bereits dabei, seine Hose zu öffnen. Es dauerte nicht mehr lange, bis sie sich einander aller Kleidungsstücke entledigt hatten und schließlich miteinander schliefen.

Anschließend lagen sie eng aneinandergekuschelt unter der Wolldecke und dösten vor sich hin. "Ich liebe dich so. Und ich hab dich so vermisst.", seufzte Biggi glücklich. "Na und ich dich erst. In jeder Beziehung.", erwiderte Thomas und grinste. Dann beugte er sich über sie und küsste sie zärtlich auf den Mund. Sie erwiderte es lächelnd. "Du bist ja heute unersättlich.", stellte sie fest. "Ich war ja auch lange auf Entzug.", wehrte sich Thomas in einem bemitleidenswerten Ton. "Jaja, schon gut." Und so verbrachten sie noch einige Stunden auf dem gemütlichen Sofa, wobei sie andauernd Zärtlichkeiten austauschten und ihre Liebe zueinander auslebten. Irgendwann fielen sie erschöpft in den Schlaf.

 

So vergingen wieder ein paar Wochen. Gabi und der kleine Kevin hatten das Krankenhaus schon nach ein paar Tagen verlassen dürfen und wurden nun liebevoll und aufopfernd von Papa Ralf verwöhnt. Jedes Mal, wenn seine Schicht zuende war, konnte der Sanitäter es gar nicht abwarten, zu seiner Familie nachhause zu kommen und verbrachte jede freie Minute damit, Kevin zu wickeln, zu füttern, herumzutragen und zwischendurch natürlich auch mal mit dessen Mutter zu kuscheln. Außerdem waren Gabi und er schwer damit beschäftigt, sich auf ihre bevorstehende Hochzeit vorzubereiten. Es sollte eine ganz große, prachtvolle Feier auf der Basis werden, dem Ort, an dem sie sich kennen gelernt hatten und am wohlsten fühlten. Die beiden konnten es kaum mehr erwarten, endlich auch auf dem Papier in jeder Hinsicht zusammenzugehören und eine richtige Familie zu sein.

Biggi hatte inzwischen den Job vorläufig an den Nagel gehängt und war in Mutterschaftsurlaub gegangen. Auch ihr fehlte es nicht an liebevoller Betreuung. Thomas war Tag und Nacht zur Stelle, um der Hochschwangeren jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Meist hielt sich Biggi mit Gabi und dem kleinen Kevin bei Thomas und den anderen auf der Basis auf, so waren sie ihren beiden Schätzen immer nahe und brauchten sie nicht zu vermissen.

Die beiden Piloten wurden mit der Zeit immer aufgeregter. Es würde nicht mehr lange dauern, bis auch ihr Nachwuchs das Licht der Welt erblicken würde, und obgleich Thomas bereits zweimal Vater geworden war, blickte er diesem Ereignis mit weit größerer Nervosität entgegen als Biggi.

Am Tag vor Gabis und Ralfs Hochzeit liefen die Vorbereitungen noch auf Hochtouren. Während Biggi zusammen mit Kevin in einen gemütlichen Liegestuhl in der Wieso vor dem Hangar verwiesen worden war, rannten Gabi, Ralf, Max, Thomas, Peter und Michael aufgeregt im Hangar hin und her und waren schwer damit beschäftigt, die Dekorationen anzubringen und für die vielen Gäste die letzten Vorbereitungen zu treffen. Sie sollten sich schließlich wohl fühlen. Ralfs und Gabis gesamte Verwandtschaft würde da sein, und Ralf hatte bereits Bammel, ob seine zukünftige Schwiegermutter auch mit ihm zufrieden sein würde.

Als die Tische aufgebaut wurden, schlich Thomas sich ganz unauffällig von der nervösen Masse davon. Freudig rannte er auf Biggi zu, die mit Kevin im Arm im Liegestuhl eingeschlafen war. Er lächelte und strahlte sie an. Wie sehr er sie liebte. Sie war das Wichtigste in seinem Lieben, und in ihrem Bauch trug sie die Krönung ihrer Liebe zueinander. Vorsichtig beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie dann zärtlich auf den Mund. Er wartete nur kurz, bis eine Reaktion von Biggi kam. Sie schlug die Augen auf, lächelte ihn an und erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich. "Der Kleine steht dir richtig gut.", meinte Thomas lächelnd, als sie nach einer Weile wieder voneinander abließen. "Meinst du?", fragte Biggi ihn. "Aber klar. Du wirst die wunderbarste und wunderschönste Mutter auf der ganzen Welt sein, das weiß ich." Zärtlich streichelte er ihr mit der Hand über den Bauch. "Und du bist bereits der wunderbarste Mann, den man sich nur wünschen kann." "Womit habe ich dieses Kompliment verdient?" Biggi lächelte ihn an, dann fasste sie mit der Hand unter sein Kinn und zog ihn wieder zu sich her. Abermals küssten sie sich lange und innig, bis der kleine Kevin zu quengeln anfing. "Na, was hast du denn? Bist du eifersüchtig, weil ich deine Patentante auch mal ein wenig in Beschlag nehme?" Der Kleine blickte Thomas mit großen Augen an und war urplötzlich still. Thomas und Biggi mussten lächeln. "Meinst du, er wird sich gut mit unserem Kleinen verstehen?", fragte Thomas sie. "Abgesehen davon, dass es eine Kleine wird und kein Kleiner, ja, ich bin mir sicher.", erwiderte sie grinsend. "Du bist und bleibst ein Sturkopf. Aber ich liebe dich trotzdem.", meinte Thomas und strich ihr liebevoll über die Wange. "Na das will ich dir aber geraten haben."

"Und wie ich dich erst liebe.", fügte sie dann hinzu und küsste ihn noch einmal. „Kann ich euch wirklich nicht helfen?“, fragte sie danach. Thomas schüttelte sofort den Kopf. „In deinem Zustand? Du musst dich schonen mein Schatz.“ „Hey, ich bin schwanger, nicht krank.“, protestierte Biggi, doch Thomas ließ sich nicht umstimmen. „Es gibt hier eh nichts zu tun für dich. Gabi, Ralf, Peter, Michael und Max schmücken den Hangar und Gina ist mit Karin noch kurz in die Stadt gefahren, ein paar Kleinigkeiten besorgen. Du bliebst schön hier liegen und ruhst dich ein wenig aus. Und wenn du etwas brauchst, dann rufst du mich einfach.“, beschloss er. Biggi lächelte. „Ok, du hast mich überzeugt.“ Thomas lächelte zufrieden. Im nächsten Moment wurde er jedoch von Peter gerufen, der seine Hilfe im Hangar benötigte. „Thomas, kommst du mal bitte!“ Thomas verdrehte die Augen. Er beugte sich noch einmal ganz nah zu Biggi, gab ihr einen zärtlichen Kuss und begab sich dann schließlich in den Hangar, um Peter zu helfen.

Gina, die Biggi während des Mutterschaftsurlaubs als Pilotin vertrat, und Karin waren gerade aus der Stadt zurückgekommen, sie hatten noch zwei neue Lichterketten und ein paar Kleinigkeiten besorgt. „Hier kommt die Beleuchtung.“, meinte Karin grinsend und drückte Michael, der mit Max zusammen für die Elektrik zuständig war, die Lichterketten in die Hand. Der Notarzt grinste ebenfalls und für einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke. Dann sah Karin jedoch schnell wieder weg. Sie hatte auch in den vergangenen Wochen noch nicht mit Michael geredet, irgendeine Ausrede war ihr immer eingefallen und inzwischen hatte der Notarzt es aufgeben. Er spürte, dass Karin irgendetwas bedrückte. Er wusste zwar nicht, ob dies auch der Grund dafür war, dass sie ihm auswich? Doch was sollte er tun? Er konnte sie schließlich schlecht dazu zwingen, mit ihm zu reden. Und das wollte er auch gar nicht. Sie musste selbst wissen, was gut für sie war, dachte er sich. Auch wenn sich seine aufkommenden Gefühle für sie nicht geändert hatten, sie waren von Tag zu Tag nur noch stärker geworden.

Gabi war schon total aufgeregt, ebenso wie Ralf. Sie konnten es beide kaum abwarten. Schließlich heiratete man nicht jeden Tag. Anfangs war Gabi sich noch nicht ganz sicher gewesen, ob es richtig war, da sie nicht glaubte, dass die Eheschließung etwas an ihrer Beziehung ändern würde, doch inzwischen war sie sich sicher, dass es die richtige Entscheidung war. Sie freute sich schon so wahnsinnig auf den kommenden Tag und hoffte, dass es wirklich, wie es immer so schön hieß, der schönste Tag in ihrem Leben werden würde.

Biggi hatte sich ihre Sonnebrille aufgesetzt, hielt noch immer den inzwischen eingeschlafenen Kevin auf dem Arm und träumte ein wenig vor sich hin. Zwar war es schon Anfang September, doch die Mittagssonne schien warm vom Himmel und es herrschten noch immer sommerliche Temperaturen. Plötzlich schreckte sie jedoch auf, als sie etwas Kaltes an ihrem Arm spürte. Im nächsten Moment wich ihr erschrockener Blick jedoch einem glücklichen Lächeln. Thomas hatte ihr eine erfrischende, kalte Cola aus dem Automaten geholt, weil er wusste, dass Biggi sich sicher darüber freuen würde. Das tat sie auch. Mit ihrem inzwischen wirklich kugelrunden und schweren Bauch war sie froh über jede Bewegung, die ihr erspart blieb. „Oh, danke mein Schatz.“, meinte sie und setzte sich vorsichtig, um Kevin nicht zu wecken, auf, um ihn zu küssen. Thomas erwiderte es glücklich. Er freute sich, Biggi jetzt auch mal ein bisschen verwöhnen zu können, nachdem sie ihn die Tage, nachdem er nach dem Unfall aus der Klinik entlassen worden war, liebevoll umsorgt und ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte. „Ich liebe dich so sehr.“, meinte Biggi lächelnd, während Thomas sich auf den Rand ihrer Liege setzte. „Ich dich auch, mehr als alles andere auf der Welt.“ Sie lächelten sich an und küssten sich dann erneut lange und zärtlich.

Schließlich wurde im Hangar jedoch wieder Thomas’ Hilfe gebraucht und er musste sich widerwillig von seiner Liebsten losreißen. Es wurde wirklich jede Hand gebraucht, denn sie hatten noch einiges zu tun. Zudem sollte alles perfekt werden für das Brautpaar. Die Tische und Bänke wurden in dem inzwischen leer geräumten und ganz in weiß geschmückten Hangar aufgestellt und die Wand wurde von einem großen weißen Herz, in dem „Gabriele und Ralf“ stand, verziert. Die beiden waren äußerst zufrieden. „Also Leute, danke noch mal für eure Hilfe, ohne euch hätten wir das nie geschafft.“, wandte Ralf sich an seine Kollegen, die jedoch sofort abwinkten. „Hey, das ist doch selbstverständlich.“, meinte Peter und klopfte ihm auf die Schulter. „Es sieht wirklich traumhaft aus.“, schwärmte Gabi. Sie war bereits so voller Vorfreude, dass sie schon jetzt total nervös war.

Als gegen 22 Uhr endlich alles fertig war, und sie beschlossen für heute Schluss zu machen und nachhause zu fahren, war es bereits dunkel und draußen war es wieder kühler geworden. Biggi war schon seit einiger Zeit auf dem Liegestuhl eingeschlafen, ebenso wie Kevin. Als es kühler geworden war, hatte Thomas von drinnen eine Wolldecke geholt und seine Liebste vorsichtig, ohne sie zu wecken, zugedeckt. Nun blieb ihm allerdings nichts anders übrig, als Biggi aus dem Land der Träume zu holen, sie wollte schließlich wohl kaum auf der Basis übernachten. „Hey, Süße. Du musst jetzt aufwachen…“, flüsterte Thomas, der sich ganz nah zu ihr gebeugt hatte, ihr ins Ohr. Biggi rührte sich leicht, kuschelte sich im Halbschlaf jedoch nur noch mehr in die warme Wolldecke. Thomas musste lächeln, während er ihr zärtlich über die Wange strich und leise ihren Namen sagte. „Biggi, Schatz…“ Schließlich öffnete sie langsam die Augen. Sie lächelte verschlafen, als sie Thomas erblickte. Dann stellte sie erstaunt fest, dass es er ihr eine Decke geholt haben musste, dass es bereits dunkel war und die Sterne am Himmel funkelten. „Hab ich lange geschlafen?“, wollte sie verwundert wissen. Thomas lächelte. „Zwei Stunden bestimmt. Aber jetzt ist hier alles fertig und wir können nachhause fahren.“ Biggi nickte zufrieden und Thomas half ihr dann liebevoll aus dem Liegestuhl hoch. Sie schmiegte sich an ihn und der legte ganz fest seine Arme um sie. Es war doch recht kalt geworden und Biggi hatte keine Jacke dabei. Thomas legte ihr jedoch fürsorglich die Decke wieder um, bevor sie langsam zum Auto gingen. Davor blieben sie stehen. „Schau mal, die Sterne… wie schön.“, meinte Biggi lächelnd und auch Thomas, der seine Liebste noch immer im Arm hielt, sah nun auf in den Himmel. Sie dachten beide wieder an die Sternschnuppe, die sie Weihnachten vom Himmel fallen sehen hatten, und natürlich auch an den dazugehörigen Wunsch. Nun würde es bald soweit sein. Thomas strich Biggi liebevoll um den Bauch und sie lächelte ihn glücklich an. „Aber kein Stern der Welt ist so schön wie du…“, flüsterte Thomas schließlich. Biggi legte ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn zärtlich, was Thomas glücklich erwiderte. Dann stiegen sie langsam ins Auto und fuhren nachhause. Sie wollten nicht zu spät ins Bett gehen, es stand ihnen schließlich ein ereignisreicher Tag bevor und sie wollten morgen fit sein.

„Es wird sicher eine schöne Hochzeit morgen.“, meinte Biggi später, als sie und Thomas aneinander gekuschelt im Bett lagen. „Ja, ich meine, bei der Trauzeugin…“, erwiderte er lächelnd. Biggi musste ebenso schmunzeln, während Thomas sich über sie beugte, um sie zu küssen. „Ich liebe dich so.“, meinte Biggi dann leise, als sie nach einiger Zeit wieder voneinander abließen. „Ich dich auch, und ich werde immer für euch da sein, egal, was passiert.“, versprach Thomas ihr und legte ihr die Hand auf den runden Bauch. Biggi küsste ihn zum Dank. Dann kuschelte sie sich ganz eng an ihn und schlief mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht ein. Als Thomas bemerkte, dass sie eingeschlafen war, zog er die Decke fürsorglich noch ein Stück höher, sodass Biggis freie Schulter nun bedeckt war. Dann fiel auch er in einen tiefen Schlaf.

Gabi erwachte am nächsten Morgen bereits um halb sechs. Sie wurde immer aufgeregter. Zwar wusste sie, dass Ralf und sie erst in zwei Stunden aufstehen mussten, doch an einschlafen, war jetzt nicht mehr zu denken. Sie blickte neben sich, zu Ralf, der noch tief und fest schlief. Sie gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn, jedoch so, dass er davon nicht aufwachte, und stand dann leise auf. Sie schlich ins Kinderzimmer und stellte lächelnd fest, dass sich auch ihr kleiner Sohn noch im Tiefschlaf befand. Leise schloss sie wieder die Tür und beschloss, sich wieder zu Ralf zu legen. Nach einer halben Stunde wachte er schließlich auch auf. „Gute Morgen, mein Schatz.“, meinte er verschlafen und küsste sie dann zärtlich. Gabi lächelte. „Ich bin schon aufgeregt, ich kann es kaum erwarten.“, flüsterte sie. „Ich auch nicht.“, gab Ralf zurück. Sie kuschelten sich noch für einige Minuten unter die warme Bettdecke, bevor sie schließlich doch schon aufstanden. Sie wollten schließlich auf keinen Fall zu spät kommen. Um halb neun wollte Biggi, die Gabis Trauzeugin war, vorbeikommen und Kevin abholen. Sie und Thomas wollten sich um den Kleinen kümmern, während Karin und Gina, die sich mit Gabi dadurch, dass sie die Schicht des B Teams wegen Ralf meistens auf der Basis verbrachte, bereits recht gut angefreundet hatten, ihr beim Umziehen helfen wollten. Um 11 Uhr sollte dann endlich die Trauung beginnen. Max, Peter und Michael bereiteten vorher auf der Basis noch die letzten Kleinigkeiten vor, damit, wenn das Brautpaar nach der Kirche ankommen würde, auch wirklich alles perfekt war.

Als es um kurz nach halb neun an der Wohnungstür klingelte, waren Ralf und Gabi mit Frühstücken lange fertig und auch Kevin hatte Gabi schon angezogen. „Sorry, wird sind ein bisschen spät.“, entschuldigte Biggi sich, als Gabi die Tür öffnete. „Macht nichts, kommt doch rein. Kevin wartet schon auf euch.“, meinte Gabi lächelnd und bat Thomas und Biggi, ihr ins Kinderzimmer zu folgen. Sie hob den Kleinen aus dem Laufstall und legte ihn Biggi in die Arme. Kevin lächelte zufrieden und ließ sich mit Vergnügen in Biggis Armen wiegen. Gabi schmunzelte, sie wusste, dass ihr kleiner Sohn bei Biggi in den besten Händen war. Die Pilotin kümmerte sich in letzter Zeit öfter um den Kleinen, da sie in ihrem Zustand sowieso nicht viel machen konnte und ihr Patenkind eh schon lange ins Herz geschlossen hatte. Sie freute sich, immer wenn sie den Kleinen sah, umso mehr auf ihr eigenes Kind. Dann würde Gabi auch Patentante werden, denn sie und Biggi hatten sich bereits vor zwei Jahren einmal versprochen, dass jeweils die andere Patentante werden würde, falls eine von ihnen ein Kind bekäme. Ebenso hatten sie es was die Trauzeugen bei der Hochzeit anging abgemacht. Gabi hätte sich sowieso keine bessere Patentante als ihre beste Freundin vorstellen können und Biggi ging es ebenso.

Thomas und Biggi setzten sich noch ein wenig mit Gabi und Ralf ins Wohnzimmer und redeten über die Hochzeit. Als schließlich Gina und Karin kamen, verabschiedeten sie sich jedoch. Sie mussten schließlich auch noch nachhause und sich umziehen, bevor sie dann mit Kevin zur Kirche kommen würden.

Gabi und Ralf wurden von Minute zu Minute aufgeregter, sie konnten es überhaupt nicht mehr abwarten und waren total nervös. Immer wieder hatten sie Angst, dass doch noch eine Kleinigkeit schief gehen könnte, und überprüften alles mindestens dreimal. Ralf war schon einmal losgefahren, da er noch die Ringe abholen musste, während Gabi sich mit Karins und Ginas Hilfe zurecht machte. „Man kann dich wirklich beneiden.“, seufzte Gina, als Gabi schließlich das Brautkleid anhatte und ihre Haare hochgesteckt waren. Sie sah wirklich total hübsch aus. „So eine Hochzeit habe ich mir auch immer gewünscht.“, meinte die Pilotin wehmütig. Gabi lächelte. „Du wirst mit Sicherheit auch noch den Richtigen finden.“ Gina zuckte mit den Schultern. „Ja, vielleicht hast du Recht. Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Glück für deine Ehe.“ Auch Karin schloss sich dem an. „Danke“, erwiderte Gabi lächelnd. Sie war so glücklich, dass alles so gekommen war und sie und Ralf nun endlich heiraten würden.

Eine halbe Stunde später waren bereits alle vor der Kirche eingetroffen, nur Gabi, Karin und Gina fehlten noch. Biggi wusste jedoch, dass Gabi vorgehabt hatte, erst unmittelbar vor der Trauung zu kommen. Schließlich brachte es angeblich Unglück, wenn der Bräutigam die Braut schon vorher sah.

Ralf sah immer wieder auf die Uhr, er hatte schon Angst, dass die Trauung noch ohne seine Braut beginnen würde. „Wo bleiben sie denn?“, fragte er immer und immer wieder, doch drauf konnte ihm natürlich niemand Antwort geben. Biggi, die Kevin auf dem Arm hatte, musste grinsen, schließlich wusste sie von Gabis Vorhaben.

Die Glocken läuteten schon und fast die gesamte Hochzeitsgesellschaft befand sich bereits in der Kirche, nur Michael, Peter, Ralf, Biggi und Thomas standen noch draußen und warteten auf die Braut. Dann endlich fuhr Karins Auto auf den Parkplatz und sie und Gina halfen Gabi beim Aussteigen. „Wow….“, meinte Biggi nur, als die drei auf sie und die anderen zukamen. „Gabi sieht echt wunderschön aus in dem Kleid.“ „Aber für mich wirst du immer die Allerschönste bleiben, egal ob mit oder ohne Kleid.“, erwiderte Thomas darauf und lächelte Biggi verliebt an. Sie tat es ihm nach und küsste ihn dann zärtlich. „Ich liebe dich sooo.“, flüsterte sie danach glücklich. „Und ich dich erst.“, gab Thomas darauf hin ebenso glücklich zurück. Dann fasste er nach ihrer Hand und sie betraten gemeinsam als letztes die Kirche.

Als alle auf ihren Plätzen saßen und Ralf und Gabi zusammen mit ihren Trauzeugen Biggi und Peter vor am Altar standen, begann der Pastor seine Rede. Ralf hörte doch nur mit einem Ohr zu, er konnte seine Augen überhaupt nicht mehr von Gabi abwenden und war überzeugt davon, dass das Brautkleid ihre Schönheit noch mehr betonte als sonst. Schließlich kam das, worauf alle die ganze Zeit gewartet hatten. „…Und nun frage ich Sie, Dr. Gabriele Kollmann, wollen Sie den hier anwesenden Ralf Staller lieben und ehren in guten und in schlechten Tagen, so antworten Sie mit ja.“ „Ja, ich will.“, antwortete Gabi und strahlte Ralf an. Er bekam ein wenig weiche Knie. Schließlich war eine Hochzeit schon etwas Besonderes. „Und nun frage ich Sie, Ralf Staller, wollen Sie die hier anwesende Dr. Gabriele Kollmann lieben und ehren in guten und in schlechten Tagen, so antworten Sie mit ja.“ „Ja, ich will.“, sagte auch Ralf überglücklich. „Dann erkläre ich Sie hier mit vor Gott und Ihren Trauzeugen zu rechtmäßigen Eheleuten.“ Alle klatschten. „Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“, fügte der Pastor lächelnd hinzu. Ralf ließ sich das nicht zweimal sagen. Er strich Gabi vorsichtig den Schleier aus dem Gesicht und küsste sie zärtlich. Nun waren sie endlich Mann und Frau und durch den Bund der Ehe vereint.

 

Fortsetzung:

Nach der Zeremonie fanden sich alle auf dem kleinen Platz vor der Kirche ein und gratulierten Ralf und Gabi, die um die Wette strahlten. Biggi legte Gabi ihren kleinen Sohn in den Arm, der während der Trauung ganz brav gewesen war. Dann machten sie sich auf den Weg zur Basis, wo bereits alles vorbereitet war und ein riesiges Buffet auf das Brautpaar und die Gäste wartete. Nachdem alle Platz genommen hatten, stand Ralf auf und räusperte sich. Er war ein wenig nervös, begann wenige Augenblicke später jedoch seine kleine Rede. „Wir freuen uns sehr, dass ihr alle heute hier erschienen seid, um diesen großen Tag mit uns zu feiern. Wir bedanken uns für die zahlreichen Glückwünsche und Geschenke und hoffen, dass wir noch einen netten Abend miteinander verbringen werden. Hier mit ist das Buffet eröffnet.“

Nachdem sich alle am Buffet gestärkt hatten, eröffneten Ralf und Gabi den Tanz. Den kleinen Kevin, der bereits vollkommen übermüdet gewesen war, hatten sie im Aufenthaltsraum, wo die Musik aus dem Hangar nur noch gedämpft zu hören war, in seiner Tragetasche schlafen gelegt. Allerdings hatten sie das Babyfon angeschaltete, sodass sie es sofort mitbekamen, falls etwas nicht stimmte.

Auch Thomas und Biggi wagten sich, wie viele andere Paare aus Gabis und Ralfs Bekanntenkreis, auf die Tanzfläche. Bei schnelleren Liedern mussten sie jedoch in Acht nehmen, denn Biggi musste schließlich mit ihrem runden Bauch vorsichtig sein. Daher bevorzugten die beiden eindeutig langsame Lieder, zu denen sie eng aneinender geschmiegt Walzer tanzen konnten.

Michael hatte Karin aufgefordert. Sie hatte zunächst ablehnen wollen, doch als er sie dann noch einmal eindringlich gebeten und sie angelächelt hatte, war es dann doch um sie geschehen gewesen und sie hatte ja gesagt. Michael war glücklich und genoss es unheimlich, mit ihr zu tanzen. Karin ging es ebenso, doch gleichzeitig überkam sie wieder das schlechte gewissen. Was tat sie hier eigentlich? Sie musste endlich damit aufhören, ihm Hoffnungen zu machen, wo es keine gab. Doch es gab leichtere Dinge als das, denn auch sie hatte sich in ihn verliebt. Was nützte da alles Wissen über die Probleme? Als jedoch nach dem dritten Lied ein sehr langsames folgte und Michael näher auf sie zutrat, machte sie einen Rückzieher und versetzte ihn mit der Ausrede, dass sie kurz etwas trinken wollte. So blieb Michael allein und enttäuscht auf der Tanzfläche zurück. Thomas, der sich mit Biggi zusammen einen Augenblick hingesetzt hatte, hatte die Szene beobachtete und trat nun auf Michael zu. „Mensch, Michael, nun red endlich mit ihr.“, redete er seinem besten Freund ins Gewissen. Er konnte es schon lange nicht mehr mit ansehen, wie Karin Michael immer wieder Hoffnung machte, ihn hinhielt und dann versetzte. Michael seufzte. „Du weißt, wie oft ich das schon versucht habe.“ Thomas nickte. „Ja, aber so kann es doch auch nicht weitergehen, hm?“ Michael wollte gerade noch etwas erwidern, als er jedoch von Ralf unterbrochen wurde. Dieser war mit Gabi zusammen auf ein kleines Podest, das mitten im Saal aufgebaut worden war, getreten und kündigte an, dass nun der Brautstrauß geworfen werden sollte. Thomas blickte lächelnd zu Biggi hinüber, die bereits aufgestanden war und auf ihn zukam. Seit fast drei Monaten hatte er vor, ihr endlich einen Heiratsantrag zu machen, doch noch fehlte ihm die passende Idee, wie er dies anstellen sollte. Eins war sicher, es musste etwas ganz besonderes werden, etwas, das Biggi niemals vergessen würde. Eine gewisse Ahnung hatte er auch schon, nur musste diese noch bis ins kleinste Detail fertig ausgearbeitet werden, denn schließlich sollte alles perfekt werden, wenn es dann soweit sein würde.

Biggi stand vor ihm, fasste nach seiner Hand und strahlte ihn an. Dann begannen Gabi und Ralf auch schon zu tanzen. Nach einer Weile schloss Gabi die Augen und warf wenige Sekunden später den Brautstrauß hinter sich in die Menge. Er landete auf geradem Weg direkt in Biggis Armen. Alle klatschten und als Gabi die Augen wieder öffnete und sah, dass ihre beste Freundin den Strauß gefangen hatte, musste sie schmunzeln. Sie hatte insgeheim gehofft, dass es so kommen würde.

Biggi strahlte Thomas überglücklich an und fiel ihm um den Hals. Natürlich konnte er nicht wissen, dass es ihr größter Wunsch war, dass er ihr einen Antrag machte, doch er hatte sich fest vorgenommen, sie nicht mehr lange warten zu lassen. Liebevoll nahm er sie in die Arme und sie küssten sich leidenschaftlich unter dem Beifall des Brautpaars und der anderen Gäste.

 

 

Die Fortsetzung findet ihr unter „Solange es noch Hoffnung gibt – Teil 2“

 

 

 



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