lebenundtod

 

Leben und Tod (Autor Verena)

 

Thomas wachte an Biggis Krankenbett und hoffte, dass sie endlich die Augen öffnen würde. Er hielt ihre Hand und streichelte ihr sanft über die Wange. Thomas sah auf die Uhr, er saß hier nun schon 2 Stunden, ohne dass irgendetwas passiert war. Er wünschte sich so sehr, dass Biggi jetzt die Augen öffnen würde und ihn anlächelte, doch nichts dergleichen geschah. Das einzige Geräusch, das zu hören war, war das Piepsen des EKGs. Auf Biggis Stirn klebte ein Pflaster und in ihrer Hand steckte eine Infusionsnadel. Sie hatte eine schwere Gehirnerschütterung und einen Schock, so hatte es ihm jedenfalls der Arzt erklärt. Und wenn Karin nicht gewesen wäre, wäre sie wahrscheinlich tot gewesen, das hatte er auch noch erwähnt.

Langsam öffnete sich die Tür auf und Peter steckte seinen Kopf hinein. Thomas wandte seinen Blick kurz von Biggi ab und sah zu Peter. Er bemerkte, dass der Sanitäter Tränen in den Augen hatte. Er kam langsam auf Thomas zu. Hinter ihm blieb er stehen und legte Thomas die Hand auf die Schulter. Dieser sah wieder zu Biggi.  „Gibt’s etwas Neues von Karin?“, fragte er dann und sah auf zu Peter. Peter nickte leicht und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. „Und?“, wollte Thomas wissen. Der Pilot ahnte nichts Gutes. Peter sah auf den Boden und schüttelte bloß leicht den Kopf. „Sie ist…?“, Thomas wagte es nicht es auszusprechen. Peter nickte wieder nur leicht. Thomas konnte es nicht fassen. „Oh Gott, armer Michael.“, flüsterte er. Peter nickte nur bedrückt. „Ralf kümmert sich um ihn. Ich werde auch gleich wieder zu ihm gehen, bleib du ruhig bei Biggi.“, sagte Peter mit bedrückend ernster Stimme. Thomas nickte. Peter ging langsam wieder zur Tür. Er drehte sich noch einmal um und sah zu Thomas und Biggi, dann ging er.

Michael saß auf einem Stuhl vor der Tür zum OP. Er hatte seinen Kopf in den Armen vergraben und weinte. Ralf saß neben ihm und versuchte ihn etwas zu trösten. Doch in dieser Situation konnte das keiner, ihn trösten. Peter stellte sich schweigend neben Ralf. „Was Neues von Biggi?“, fragte dieser leise. Peter schüttelte den Kopf, „Sie ist immer noch bewusstlos.“ Michael hatte immer noch die Worte des Arztes im Ohr, als dieser aus dem OP kam und die Crew mitleidig ansah. „Wir konnten nichts mehr für ihre Kollegin tun, ihre Verletzungen waren zu schwer. Es tut mir Leid.“, hatte er gesagt. Warum hatte er ihm nicht das gleiche sagen können, wie als Thomas nach Biggi gefragt hatte? „Sie hat unfassbares Glück gehabt, sie hat eine schwere Gehirnerschütterung und einen Schock, wenn sie möchten, können sie jetzt zu ihr.“ Michael fühlte sich so, als ob man ihm den Boden unter den Füßen wegziehen würde und er in ein riesiges schwarzes Loch fallen würde. Und niemand könnte ihn aufhalten. „Kommt, lasst uns gehen.“, sagte Ralf. Er zog Michael langsam hoch. Der Notarzt stützte sich auf Ralf und Peter. „Ich sag noch kurz Thomas bescheid, ok?“, meinte Ralf und ging den Gang entlang zu dem Zimmer, in dem Biggi lag.

Thomas dachte nach. ‚Warum hatte es alles so weit kommen müssen, warum? Warum gerade Biggi und Karin, warum sie?’, er wusste, dass er auf diese Fragen keine Antwort finden würde, denn es gab keine. Lange saß er noch so dort, bis er schließlich mit dem Kopf auf Biggis Bettdecke liegend einschlief. Er wachte dadurch auf, dass ihn jemand an der Schulter rüttelte. Thomas schreckte hoch. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“, es war Ralf. Thomas sah zu Biggi. Sie lag immer noch genauso da. Sie sieht so aus, als ob sie nur schlafen würde, dachte Thomas. „Ich muss wohl eingeschlafen sein.“, sagte er dann leise. „Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass Peter und ich jetzt Michael nach Hause bringen. Peter will die Nacht über bei ihm bleiben.“, sagte Ralf. „Ist wohl das Beste.“, meinte Thomas. Ralf nickte und ging dann wieder.

Thomas sah wieder zu Biggi. Er küsste sie sanft auf die Wange und nahm dann wieder ihre Hand und drückte sie leicht. Plötzlich spürte er wie ihre Hand leicht zuckte. Er sah auf zu ihrem Kopf und ein paar Sekunden später öffnete Biggi langsam die Augen. Thomas fielen tausend Steine vom Herzen. „Biggi, endlich.“, sagte er. „Thomas.“, flüsterte sie. „Weißt du, wie froh ich bin, dass dir nicht mehr passiert ist?“, er streichelte ihr über die Wange und küsste sie zärtlich. „Wo bin ich? Was ist denn überhaupt passiert?“, wollte Biggi dann wissen. Ihre Stimme klang noch ziemlich schwach. „Du bist im Krankenhaus. Ihr hattet einen Unfall.“, erklärte Thomas ihr. „Ihr?“, fragte Biggi irritiert. „Karin und du, ihr hattet einen Einsatz auf einer Kreuzung, ein Autounfall….“ Langsam kamen Biggis Erinnerungen zurück. „Ja, ich erinnere mich wieder.“, sagte sie leise. Sie hatte die Bilder jetzt wieder genau vor Augen.

Karin, Ralf und sie waren zu einem schweren Autounfall gerufen worden. Drei Autos waren in einander gerast, es hatte viele Schwerverletzte gegeben und sie hatten alle Hände voll zu tun gehabt. Karin und Ralf hatten sich um einen schwer verletzten Jungen gekümmert. Dann hatte Ralf sie gebeten, die Trage zu holen. Sie war zum Helikopter gelaufen, um die Trage zu holen. Als sie gerade auf dem Weg zurück zu Ralf und Karin gewesen war und mitten auf der Kreuzung gestanden hatte, hatte sie gesehen, wie ein Auto mit rasender Geschwindigkeit auf sie zugerast gekommen war. „Biggiiii!!!“, hatten Ralf und Karin geschrieen so laut sie konnten, doch sie war viel zu sehr geschockt gewesen um zu reagieren. Dann war Karin aufgesprungen und zu ihr gerannt. Karin hatte versucht sie gerade noch rechtzeitig von der Straße zu reißen, doch dann hatte Karin sich selbst nicht  mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen können und war von dem Auto erfasst und genau wie sie selbst zu Boden geschleudert worden. Biggi erinnerte sich nur noch daran, dass Karin neben ihr auf der Straße gelegen hatte, ihr Gesicht war voller Blut gewesen. Dann war alles schwarz um sie herum geworden und sie erinnerte sich an nichts mehr. „Thomas, was ist mit Karin?“, fragte Biggi, die jetzt realisiert hatte, was überhaupt passiert war, nun ängstlich. Thomas sah Biggi traurig an. Er wusste, dass er ihr die Wahrheit sagen musste. „Thomas, bitte sag es mir, was ist mit ihr?“, bat Biggi noch einmal. „Es ist…sie ist…“, Thomas wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. „Sie hatte nicht so viel Glück wie du.“ „Kann ich zu ihr?“, wollte Biggi wissen. Thomas schüttelte den Kopf. „Biggi, …Karin ist…tot.“ „Nein…nein:“, schluchzte Biggi. Sie fiel Thomas weinend in die Arme. Sie klammerte sich an ihn und hörte gar nicht mehr auf zu weinen. Thomas nahm sie ganz fest in den Arm und versuchte sie zu trösten. Er wusste, dass sie ihn jetzt brauchte, wahrscheinlich mehr als je zuvor. Biggi konnte das alles einfach noch nicht richtig glauben. Karin sollte tot sein? Ihre beste Freundin sollte einfach so nicht mehr da sein? Sie hatte doch schon Gabi verloren und jetzt auch noch Karin, das war wirklich nicht fair… „Ich möchte sie noch einmal sehen.“, bat Biggi, als sie sich etwas beruhigt hatte. „Der Arzt hat gesagt, dass du nicht aufstehen darfst, du hast eine schwere Gehirnerschütterung.“ „Bitte, Thomas. Ich möchte von ihr Abschied nehmen.“, flehte Biggi und sah ihn an. „Also gut.“ Thomas half ihr ganz vorsichtig auf zu stehen. Biggi war ziemlich wackelig auf den Beinen, doch ihr konnte nichts passieren, denn Thomas hatte seinen Arm fest um sie gelegt. Langsam gingen sie den Gang entlang zum Ärztezimmer. Thomas bat den Chefarzt, dass er ihn und Biggi kurz zu Karin führen möge. „Sie dürfen eigentlich noch gar nicht aufstehen, Frau Schwerin. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung, damit ist nicht zu spaßen.“, ermahnte der Arzt Biggi. „Bitte.“, flehte sie und auch Thomas sah den Chefarzt bittend an. Der Arzt wusste, dass er geschlagen war. „Also gut, aber nur 2 Minuten. Biggi musste sich in einen Rollstuhl setzen und Thomas schob sie in das Zimmer, in dem Karin lag. Der Chefarzt führte sie. Er deckte das Tuch von Karins Gesicht. Biggi stand auf und ging zu Karins Kopf. Sie lag total leblos dort, ihr Gesicht war schneeweiß und ihre Lippen fast blau. Biggi streichelte ihr leicht über die Haare. Ihre Hand zitterte dabei. „Danke, Karin, danke, dass du mir das Leben gerettet hast.“, flüsterte sie unter Tränen. Thomas, der die ganze Zeit hinter ihr stand, nahm sie in den Arm und zog sie etwas von  Karin weg. Der Arzt deckte das Tuch wieder über Karins  Gesicht. Thomas hielt Biggi ganz fest im Arm und sie schmiegte sich an ihn an. „Lass mich nicht los, ja?“, bat sie ihn. Er nickte. „Hab keine Angst, das werde ich bestimmt nicht.“ Langsam gingen sie zurück zu Biggis Zimmer. Biggi legte sich wieder ins Bett und Thomas legte sich vorsichtig neben sie und legte seinen Arm um sie. Er wollte sie jetzt nicht alleine lassen. Es dauerte nicht lange und Biggi schlief eng an Thomas gekuschelt ein. Thomas lag noch etwas wach. Natürlich trauerte auch er um Karin, andererseits war er froh, dass Biggi noch lebte. Er liebte sie so sehr und er wusste nicht, was er getan hätte, wenn sie den Unfall nicht überlebt hätte.

Peter war froh, als Michael endlich eingeschlafen war. Er blieb in dem Sessel neben Michaels Bett sitzen, falls dieser wieder aufwachen würde. Er tat ihm so unendlich Leid, aber es gab nicht viel, was Peter für ihn tun konnte. Er grübelte noch lange nach. ‚Hätte das Unglück verhindert werden können?’ Die Blutuntersuchung hatte ergeben, dass der Fahrer des Wagens fast drei Promille Alkohol im Blut gehabt hatte.

Michael wachte mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Er hatte immer wieder die Worte des Arztes im Ohr: „Wir konnten nichts mehr für ihre Kollegin tun.“ „Neeiinnn“, schrie Michael. Peter schreckte hoch. Er sah, dass Michael schweißnass senkrecht in seinem Bett saß. „Hey, Michael, beruhig dich.“, sagte er lieb und setzte sich zu seinem Freund. Michael schluchzte. „Ich werde diese schrecklichen Bilder einfach nicht mehr los.“ Auch Peter hatte jetzt wieder alles ganz deutlich vor Augen. Nach dem Funkspruch von Ralf waren er, Michael und Thomas panisch zum Helikopter gelaufen und Thomas war mit Höchstgeschwindigkeit zum Unfallort geflogen. Sie waren alle so geschockt gewesen, dass sie während des ganzen Fluges kein Wort gesprochen hatten. Michael war schon aus dem Helikopter gesprungen, bevor die Kufen auf dem Boden aufgesetzt hatten. Dann waren auch er und Thomas zu Biggi und Karin, die beide bewusstlos auf der Straße gelegen hatten, gerannt. Ralf hatte vor ihnen gekniet und nicht gewusst, was er tun sollte. Er hatte noch total unter Schock gestanden. Michael hatte sich sofort vor Karin gekniet und sie untersucht. Peter erinnerte sich, dass das Gesicht des Arztes immer hoffnungsloser geworden war, während er sie abgetastet hatte. Immer wieder hatte er geflüstert „Du musst es schaffen, du musst es schaffen, Karin.“ Während sich Michael und Ralf um Karin gekümmert hatte, hatten er und Thomas Biggi versorgt. Alle waren total angespannt gewesen, besonders Michael und Thomas…

Michael schreckte Peter aus seinen Gedanken. „Kannst du mir ein Glas Wasser holen?“, fragte er Peter. Der Sanitäter nickte, stand auf und begab sich in die Küche, die im Erdgeschoss des Hauses lag. Er nahm ein Glas aus dem Schrank und griff dann nach der Seltersflasche, die auf dem Tisch stand. Er wollte gerade wieder nach oben zu Michael gehen, als sein Blick an der Kühlschranktür hängen blieb. Dort waren einige Fotos mit Magneten angeheftet. Peter betrachtete die Fotos. Auf einem waren Karin und Michael abgebildet, wie sie im Garten auf der Bank saßen, ein anderes zeigte Biggi und Thomas, Arm in Arm vor der Haustür stehend. Es waren schöne Fotos. ‚Wie glücklich sie doch aussehen.’, dachte Peter sich. Er wandte sich von den Fotos ab und ging wieder nach oben, bevor ihm wieder die Tränen kamen. Er wusste, dass es nie wieder so sein würde wie vor dem Unfall. Nie wieder würde man Karins lachen hören, nie wieder würde sie ihnen mit ihren Ratschlägen zur Seite stehen können und nie wieder würde Michael so glücklich sein, wie noch vor einigen Stunden. Peter wusste, dass er ihm jetzt beistehen musste. Als er Michaels Zimmer betrat, sah er, dass sein Freund wieder eingeschlafen war. ‚Ist wahrscheinlich besser so.’, dachte Peter sich. Er stellt das Glas auf dem Nachttisch ab und setzte sich wieder in den Sessel. Bald war auch er eingeschlafen.

Als am Morgen ein Arzt Biggis Zimmer betrat musste er grinsen, als er Thomas, immer noch in seinem Pilotenoverall, neben Biggi liegen sah. Beide schliefen tief und fest. Der Arzt wechselte Biggis Infusion aus und verließ dann wieder leise das Zimmer.

Als Thomas aufwachte, bemerkte er, dass er noch immer neben Biggi in ihrem Bett lag. Er sah zu ihr, sie schlief noch. Er spürte ihren warmen Atem an seinem Hals. Thomas dachte über den gestrigen Tag nach, es war einer der schlimmsten Tage seines Lebens gewesen. Er hatte noch genau dieses Bild vor Augen, wie Biggi vor ihm auf der Trage lag, so hilflos. ‚Zum Glück hat Karin sie von der Straße gezogen.’, dachte er. Er war Karin dankbar, dass sie Biggi so das Leben gerettet hatte.

Biggi wachte langsam auf. „Morgen mein Schatz, wie geht es dir heute?“, fragte Thomas. Biggi musste sofort wieder an Karin denken. „Schon ein bisschen besser als gestern, aber ich muss immer noch ständig daran denken…“, sagte sie leise. Thomas legte seinen Arm noch fester um sie und zog sie noch näher zu sich heran. „Danke, dass du die ganze Zeit da bist.“, sagte Biggi und küsste ihn. „Hey, das ist doch selbstverständlich, ich liebe dich doch „Ich dich auch.“, sagte Biggi, sie war so froh, dass Thomas die ganze Zeit bei ihr war.

Fortsetzung folgt!!!



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