dieliebemeineslebens

 

Die Liebe meines Lebens (Autor Susi und Verena)

Karin, Biggi und Ralf betraten gut gelaunt den Aufenthaltsraum. „Sehen sie nicht aus, wie Engel?“, fragte Biggi Ralf lächelnd und deutete auf Michael, Thomas und Peter, die im Aufenthaltsraum lagen und schliefen. Ralf verzog nur das Gesicht. Biggi und Karin mussten daraufhin erst mal loslachen, wovon nun Peter, Thomas und Michael wach würden. „Was ist denn hier los?“, fragte Peter gähnend. „Es ist zehn vor acht und gleich ist Schichtwechsel. Das ist los.“, verkündete Karin fröhlich. „Und war die Nachtschicht anstrengend?“, wollte Biggi von Thomas wissen, der sich nun gerade aufgesetzt hatte. Er nickte. „Drei schwere Unfälle, viele Verletzte und auch zwei Tote.“, erzählte er. Biggi sah ihn mitleidig an. „Aber jetzt kannst du ja gleich nach Hause in dein Bett und dich ausschlafen.“, versuchte sie ihn aufzuheitern. „Stimmt.“, meinte Thomas, doch dann viel ihm noch ein, dass er noch einen riesigen Stapel Berichte liegen hatte, die er am Vortag nicht fertig bekommen hatte, weil er es vorgezogen hatte mit Biggi Tischfußball zuspielen.

Karin war gerade in der kleinen Küche verschwunden um einen Kaffee auf zu setzten, als die Alarmsirene ertönte: „Rettungsleitstelle an Medicopter 117 schwerer Unfall mit mehreren Verletzten bei Rosenheim, genauere Umstände sind unbekannt. GPS Koordinaten 47,45 Nord zu 12,83 Ost.“ „Medicopter 117 hat verstanden, wir übernehmen.“, rief Michael ins Funkgerät. Thomas und Peter wollten gerade aufspringen und zum Helikopter laufen, als Biggi Thomas am Arm festhielt und zu den beiden meinte: „Wisst ihr was? Wir übernehmen den Rest eurer Schicht, dann habt ihr endlich mal pünktlich Feierabend.“ Sie tauschte kurz Blicke mit Ralf und Karin und als die sich einverstanden zeigten, liefen die drei zum Helikopter.

Thomas ließ sich zurück aufs Sofa fallen und Michael tat das gleiche mit einem Stuhl.

„Ich werde mich dann mal in meinen Wohnkopter verziehen und meinen wohl verdienten Schlaf nachholen.“, sagte Peter gequält und gähnte herzhaft. „Bis heute Nachmittag zum Schichtwechsel dann.“, verabschiedete er sich dann und ging einmal um den Hangar herum, wo sein Wohnhelikopter stand. Thomas und Michael sahen ihm noch hinterher. Dann erhob Michael sich wieder und verzog sich in den Umkleideraum. Er hatte Dirk versprochen, heute pünktlich nach Hause zukommen, weil die beiden endlich mal wieder etwas zusammen unternehmen wollten. Auch Thomas erhob sich. R setzte sich an den runden Tisch und nahm sich seine Berichte vor. Der Stapel war riesig und Thomas war nicht gerade motiviert, also wusste er, dass es Stunden dauern würde, bis er alle Berichte ausgefüllt haben würde.

Biggi, Ralf und Karin waren inzwischen schon auf dem Weg zum Unfallort. Die Stimmung im Helikopter war ziemlich gut und sie lachten viel.

Während des Fluges begann es plötzlich stark zu regnen und Biggi stellte überrascht die Scheibenwischer an. Es dauerte nicht mehr lange, und sie sah auch bei der höchsten Stufe den Boden unter ihnen nur mehr verschwommen. "Wie gibt's denn so was??", richtete sie ungläubig die Frage an ihre Kollegen. "Keine Ahnung, im Wetterbericht haben sie doch erst für morgen Unwetter angekündigt!", wunderte sich auch Ralf. "Genau genommen dürften wir bei den Windböen und dem Regen jetzt gar nicht in der Luft sein... Shit!", meinte Biggi. "Aber da müssen wir jetzt durch..." "Du kriegst das schon hin, Biggi!", ermutigte sie Karin.

Kurz darauf konnten sie mit Mühe unter sich die Autobahn West bei Rosenheim erkennen - dort herrschte das reinste Chaos. Offensichtlich waren mehrere Autos nacheinander kollidiert. Doch anstatt zu helfen, fuhren tatsächlich Menschen in rasendem Tempo an den Unfallwägen vorbei. Hinter der Massenkarambolage und dem Stau, der sich angebahnt hatte, konnte Biggi mühevoll die ersten Polizei- und Rettungsautos erkennen. "Na dann Freunde, viel Spaß! Unterstützung wird's so schnell nicht für uns geben...", kündigte Biggi ihren Kollegen an und landete den Heli trotz der Windböen gekonnt auf einer Wiese direkt neben der Autobahn.

Sofort rissen Karin und Ralf die Helitüren auf, und bereits nach wenigen Schritten waren sie vollkommen durchnässt. Sich die Hand vor das Gesicht haltend, näherten sie sich den Unfallautos und versuchten, einigermaßen die Lage zu überblicken. Auch Biggi stieg nun aus dem Heli, holte die Trage aus dem Heck und eilte zu ihren Kollegen. Diese hatten sich inzwischen aufgeteilt und durchsuchten die mindestens fünf Autowracks nach Verletzten. Biggi rief ihnen zu: "Wie sieht's aus?" "Nicht gut! In dem Auto dort drüben sind zwei Schwerverletzte und ein leicht verletztes Kind! Dort hinten ist noch ein verletzter Mann und hier sieht's auch nicht besser aus", antwortete Karin ihr ein wenig panisch. Sie wusste gar nicht, wo sie mit der Versorgung zuerst beginnen sollte. Auch Ralf hatte keine guten Neuigkeiten. Da hatte Biggi eine Idee: "Wisst ihr was? Dort hinten sind doch schon ein ganzer Haufen Rettungsautos, die kommen nur nicht durch. Ich hol eine Hand voll Notärzte her und bring ihnen gleich das verletzte Kind rüber, okay?" "Gute Idee Biggi, das machen wir!", meinte Ralf und brachte gleich das kleine Mädchen in den Heli, das ungeheuer schrie, was man aber in dem Sturm ohnehin kaum hören konnte. Biggi stürmte ins Cockpit, ließ die Maschinen an und flog mit Karacho los.

Karin machte sich inzwischen an die Versorgung der beiden schwer verletzten Eltern des Mädchens. Während des kurzen Fluges war Biggi insgeheim entsetzt, als sie all die

Autofahrer sah, die ohne irgendwelche Skrupel einfach am Unfallort vorbeirasten und somit ihre menschliche Hilfe unterließen. Nach dreißig Sekunden Flug landete sie auch schon neben den Rettungswägen, deren Insassen sofort verstanden und zum Heli eilten. Nachdem sie das

Mädchen zwei Sanitätern übergeben und kurz über die Lage informiert hatte, flog sie mit fünf Notärzten zurück zu Karin und Ralf.

Diese hatten es bereits geschafft, die Eltern des Mädchens aus dem Wrack zu befreien und zu stabilisieren. Die Notärzte packten sogleich kräftig mit an und taten ebenso ihr bestes, um den Unfallopfern zu helfen. Bei einem alten Mann kam jede Hilfe zu spät. Seine Frau, wohl Mitte siebzig, war vollkommen am Boden zerstört und mit den Nerven fertig. Biggi nahm sich ihrer an und tröstete sie so gut es ging.

Wie durch ein Wunder gab es ansonsten nur noch einen Schwerverletzten, die restlichen Unfallopfer waren leicht verletzt oder sogar mit dem Schock davongekommen.

Karin und die anderen Notärzte entschieden, dass Biggi erst die Mutter des Mädchens und den dritten Schwerverletzten in die Klinik fliegen sollte, da deren Zustand recht instabil war, und anschließend die restlichen Verletzten den Rettungswägen übergeben sollte.

So brach Biggi sogleich mit den beiden in Begleitung zweier Notärzte zum Flug auf  und kämpfte sich in mühsamen zehn Flugminuten durch das Gewitter durch. Während des Fluges gab es zum Glück keine Komplikationen und Biggi eilte so schnell wie möglich wieder zur Autobahn zurück.

Die Polizei hatte es immer noch nicht geschafft, eine Absperrung aufzustellen. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich äußerst gefährlich und Karin, Ralf und die Kollegen hatten größte Mühe, alle Verletzten aus der Gefahrenzone zu bringen.

Biggi landete den Heli abermals auf der Wiese, brauchte aber gar nicht erst auszusteigen, da die Kollegen bereits drei neue Verletzte entgegennahmen, die zu den Rettungsautos gebracht werden sollten.

Dies geschah ohne Komplikationen und die RTW's fuhren mit höchster Geschwindigkeit ins nächste Krankenhaus, das nicht weit lag. So ging es noch drei weitere Male - nach zwanzig Minuten waren schließlich alle Verletzten den Rettungswägen übergeben und in die Klinik gefahren worden. Erschöpft landete Biggi wieder auf der Wiese, wo Karin und Ralf gerade die verstreute Ausrüstung einsammelten. Die Polizei steckte immer noch mitten im Getümmel der Autos und kämpfte mit allen Kräften gegen das Chaos an.

"Mann oh Mann - also jeden Tag würde ich solche Einsätze nicht aushalten", rief Biggi ihren Freunden zu, als sie durch den immer noch stärker werdenden Regen auf sie zurannte. "Wem sagst du das...", antwortete Ralf außer Atem. "Ich helf euch – was fehlt denn noch?" "Ich find den verdammten Notfallrucksack nicht, den muss ich irgendwo liegengelassen haben...", rief ihr Karin zu und Biggi machte sich sogleich auf die Suche. "Pass aber auf, ok? Die Autos!" rief Karin ihr noch zu, doch eine erneute Windböe ließ ihre Stimme im Keim ersticken. Biggi rannte suchend um die Autowracks herum und ärgerte sich lautstark über das Wetter. Als sie gerade an einem PKW am äußersten, dem Verkehr zugewandten Rand der ineinander verkeilten Autos vorbeikam, sah sie auf dem Rücksitz etwas Rotes blitzen. Biggi kletterte sogleich in den PKW und zurück auf den Rücksitz - bzw. auf das, was vom Rücksitz noch übergeblieben war. Freudig nahm sie den Rucksack an sich und meinte noch zu sich selbst: "Na also, wer sagt's denn??" Im selben Moment raste Rudi, ein Kölner LKW-Lenker mit einer Warenladung Früchten aus Argentinien, auf den Unfallort zu. "Könn'se mal alle wieder nisch ordntlisch fahren, ne?", sprach er zu sich selbst und biss herzhaft in sein Brötchen. Zum Schlucken sollte es nicht mehr kommen, und auch aus dem Kauen wurde nichts mehr.

Die Reifen des tonnenschweren LKW's gerieten in ein riesiges Wassergerinnsel

und ohne dass Rudi auch nur irgendwie dagegen einwirken konnte, wurde der

LKW auch schon in Höchstgeschwindigkeit um sich geschleudert und crashte schließlich mitten in das Auto, aus dem Biggi gerade mit dem wieder gefundenen Notfallrucksack aussteigen wollte. Biggi riss noch die Augen auf, ließ sich im Reflex zurück in den Wagen fallen - doch bereits den Bruchteil einer Sekunde später wurde alles schwarz um sie.

Im selben Moment schreckte Thomas plötzlich von seinen Berichten hoch. Er musste eingenickt sein und hatte einen furchtbaren Traum gehabt. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und blickte dann erschrocken aus dem Fenster - das Gewitter hatte bereits ungeheure Ausmaße angenommen. Es blitzte und donnerte geradezu, dass einem angst und bange werden könnte. Während Thomas verwirrt aus dem Fenster sah und versuchte, sich an seinen Albtraum zu erinnern, versuchten Karin und Ralf gerade, zu realisieren, was sich eben vor ihren Augen abgespielt hatte.

Der sich schleudernde LKW hatte das Wrack des Kleinwagens noch mehrere Meter

mit sich mitgezerrt. Anschließend war er endgültig umgekippt und mit einem Höllenlärm auf das Auto gekracht. "Neeeeeeeiiiiiiiiiiinnnn!!!! BIGGIIIIIIII!!!!!!", brüllten Karin und Ralf los, warfen einander einen Blick zu und rannten schnell wie noch nie in ihrem Leben auf den LKW zu. Etliche Male stolperten sie über ihre eigenen Füße, rappelten sich wieder hoch und gelangten irgendwie zur Stelle des Unglücks.

Den Fahrer hatte es aus dem Wagen geschleudert - er war tot. "Biggiii!!!!", riefen die beiden unentwegt, konnten aber außer dem Prasseln des Regens kein Geräusch wahrnehmen. Wie auch? Wahrscheinlich war auch Biggi bereits nicht mehr am Leben. Verzweifelt rannten sie um das Wrack herum, konnten ihre Kollegin aber nicht finden. Die Ladung des LKW's war überall verteilt auf der Autobahn – die exotischen Früchte aus Argentinien. Während Ralf und Karin den Tränen nahe die Unfallstelle absuchten, öffnete Biggi im Zeitlupentempo die Augen. Das erste, was sie fühlte, waren unheimliche Schmerzen am ganzen Körper und Blut, das ihr in den Rachen stieg - und was sie vor sich sah, war eine riesige, gelbe Anananas, die auf dem nassen Asphalt lag. Ihre Lieblingsfrucht. Neben ihr tropfte eine seltsame Flüssigkeit auf den Boden - Benzin. Und zwei Millimeter über sich sah sie das mächtige Getriebe eines riesigen LKW's - sie lag direkt darunter.

Vorsichtig drehte sie ihren Kopf zur anderen Seite und musste feststellen, dass es keinen Weg gab, auch nur irgendwie unter dem LKW herauszukommen. Die Benzinpfütze neben ihr wurde immer größer, unaufhaltsam tropfte immer mehr neue Flüssigkeit nach. Sie versuchte vorsichtig sich zur Seite hin von der Pfütze weg zu schieben, doch sie war viel zu schwach und ihre Beine fühlten sich irgendwie taub an. Schließlich musste sie es aufgeben. Sie öffnete den Mund und versuchte um Hilfe zu rufen. Doch sie brachte nur ein leises Krächzen hervor. Blut lief aus ihrem Mund, sie musste sich bei dem Aufprall in die Zunge gebissen haben. Noch einmal nahm sie alle Kraft zusammen und versuchte einen Schrei von sich zu geben. Doch auch diesmal schafft sie es nicht. Es reichte nur für ein leises „Hilfe“, das jedoch von dem Prasseln des Regens übertönt wurde. Biggi bemerkte, wie ihr langsam Blut von einer Platzwunde an der Stirn übers Gesicht ran. Außerdem hatte sie unerträgliche Schmerzen im Rücken. Ihr kam es so vor, als ob diese bei jeder kleinsten Bewegung schlimmer wurden.

Thomas war zum Fenster gegangen und sah nach draußen in den strömenden Regen. Er erinnerte sich langsam wieder an den Alptraum, den er gehabt hatte. Er sah das Bild jetzt wieder klar vor Augen. Biggi holte gerade den Notfallrucksack aus einem Auto, da kam plötzlich ein LKW auf sie zugerast und es gab einen riesigen Knall, dann endete der Traum. Thomas fasste sich an die Stirn. ‚Was für ein Glück, dass es nur ein Traum war.’, dachte er sich. Doch irgendwie hatte er trotzdem ein ungutes Gefühl. Er wusste nicht was es war, aber irgendetwas sagte ihm, dass etwas nicht stimmte. ‚Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein.’, dachte Thomas sich. Er wollte sich gerade wieder über seine Berichte setzen, doch dann zögerte er.  Er stand wieder auf und ging zum Funkgerät. „Basis an Medicopter 117, bitte kommen“ Keine Antwort. „Medicopter 117, bitte kommen“, versuchte Thomas es erneut. Wieder war nur ein Rauschen zu Hören. „Wahrscheinlich sind sie noch mit ihrem Einsatz beschäftigt.’, sagte Thomas zu sich selbst, um sich zu beruhigen und sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Doch irgendwie gelang es ihm trotzdem nicht richtig. Er machte einen Fehler nach dem anderen. Schließlich legte er die Berichte bei Seite, weil es sowieso keinen Sinn hatte, wenn er später alles noch einmal korrigieren müsste. Das B Team war schon erstaunlich lange im Einsatz, musste anscheinend etwas Schlimmes passiert sein. Wieder ging Thomas zum Funkgerät und erhoffte eine Antwort von Medicopter 117, doch wieder blieb die Leitung am anderen Ende tot. Thomas würde nervös. Irgendwie hatte er ein verdammt komisches Gefühl bei der Sache, doch den anderen wollte er nichts davon erzählen. Sie würden ihn sicherlich für verrückt erklären. Außerdem war Peter in seinem Wohnkopter und Michael war zu hause. Immer wieder kam Thomas sein Alptraum vor Augen. ‚Was war, wenn wirklich etwas passiert war?’ Thomas schob den Gedanken schnell zur Seite und ging in die Küche um sich einen Kaffee zu holen. ‚Wahrscheinlich bin ich nur übermüdet von der Nachtschicht.’, beruhigte er sich selbst.

Karin und Ralf irrten immer noch verzweifelt um das Wrack des LKWs herum und riefen immer wieder Biggis Namen. Sie hörte die Stimmen ihrer Kollegen, doch sie schaffte es nicht, sich irgendwie bemerkbar zu machen. Durch die starken Schmerzen verlor sie mehr und mehr wieder das Bewusstsein.

„Wir müssen die anderen verständigen!“, fiel es Ralf plötzlich ein. „Lauf du zum Helikopter und funk die Basis an, ich suche hier weiter nach Biggi.“, brachte Karin schluchzend hervor. Sie wischte sich ihre Tränen aus dem Gesicht, um wieder etwas sehen zu können. Ralf rannte währenddessen mit einem Mordstempo zum Helikopter. Er setzte sich auf den Pilotensitz und setzte sich ein Headset auf. „Basis an Medicopter 117, bitte kommen““, rief er panisch ins Mikro. Thomas hätte die Tasse, die er in der Hand hielt, fast fallen gelassen, da er die Panik in Ralfs Stimme sofort bemerkte. Er stürzte zum Mikro. „Ralf, was ist passiert?“ „Biggi…sie…sie“, stotterte Ralf. „Ralf, was ist mit Biggi?“, fragte Thomas hastig. Die Angst in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Sie…sie wollte den Notfallrucksack aus einem Auto holen und dann ist ein LKW auf sie zugerast und ist in das Auto gecrasht…er hat sich überschlagen und es unter sicht begraben. Biggi…wir wissen nicht wo sie ist…wir haben sie noch nicht gefunden, sie muss unter dem LKW liegen….“, beendete Ralf seine Schilderung schließlich. Thomas wurde leichenblass. Er begann zu zittern, Tränen stiegen in seine Augen und er brachte kein Wort mehr heraus. Er hatte wieder seinen Alptraum vor Augen, der nur anscheinend wahr geworden war. „Thomas? Bist du noch da? Ihr müsst mit dem zweiten Helikopter herkommen und uns helfen…“, stammelte Ralf. Thomas fasst sich wieder und rief ins Mikro: “Wir sind gleich bei euch.“ Dann sprang er auf und stürmte in Ebelsieders Büro. „Herr Ebelsieder, wir brauchen die Ersatzmaschine, rufen sie Michael an, ich sage Peter bescheid.“, erklärte er dem Stützpunktleiter  hastig und wollte sich gerade umdrehen um nach draußen zu Peters Wohnkopter zu rennen. „Halt! Wächter, was ist denn passiert?“, schrie Ebelsieder ihm nach. „Biggi wurde unter einem LKW begraben.“, rief Thomas und war dann auch schon nach draußen verschwunden. Ebelsieder tat, was Thomas ihm gesagt hatte, wenn er auch nicht ganz verstanden hatte, was überhaupt passiert war.

Thomas stolperte durch den Regen zu Peters Helikopter, wobei er sich immer wieder die Tränen aus den Augen wischen musste. Die etwa 50 Meter zu Peters Helikopter kamen ihm unendlich weit vor. Als er endlich die Tür des „Wracks“ erreicht hatte, riss er sie auf und gab Peter zu verstehen, so schnell wie möglich mit zu kommen. Dann rannte er wieder zu Ebelsieder ins Büro, mit Peter im Schlepptau. „Ich habe Dr. Lüdwitz verständigt, er ist in 10 Minuten hier, aber nun, erklären sie mir doch mal bitte genau, was passiert ist.“, wies der Stützpunktleiter Thomas an. Auch Peter, der noch von gar nichts wusste, sah Thomas fragend an. „Biggi wollte den Notfallrucksack holen, der in einem Auto lag, und dann ist ein LKW auf sie zu gerast und konnte nicht mehr bremsen. Er hat das Auto erfasst und unter sich begraben. Sie…sie haben Biggi noch nicht gefunden.“ Thomas musste sich bemühen nicht in Tränen auszubrechen. „Oh Gott.“, murmelte Peter nur. Ebelsieder hatte es ebenfalls die Sprache verschlagen. „Es dauert zu lange bis Michael hier ist, wir werden ohne ihn fliegen!“, beschloss Thomas. „Wächter, das geht nicht, wir haben keine Starterlaubnis, das wollte ich ihnen gerade mitteilen. Die Wetterverhältnisse sind zu schlecht.“, erklärte Ebelsieder ihm. „Was? Wir sind vielleicht Biggis einzige Chance, wenn sie überhaupt noch eine hat, und sie wollen uns nicht starten lassen?“, schrie Thomas außer sich, wobei er gar nicht daran denken mochte, dass sie vielleicht zu spät kommen würden. „Meinen sie, mir fällt das leicht?“, fragte Ebelsieder wütend, „Verdammt, ich kann sie nicht starten lassen, so schwer es mir auch fällt!“ „Mein Gott, wir müssen ihr helfen, das sind wir ihr schuldig!“, rief Thomas unter Tränen. „Wächter, schauen sie sich doch einmal an, sie können in ihrem Zustand doch überhaupt nicht mehr fliegen.“, bemerkte Ebelsieder, „Wir können kein noch größeres Unglück riskieren.“ „Und ob ich fliegen kann, und das werde ich ihnen jetzt beweisen.“, schrie Thomas. Er nahm Peter am Ärmel und zog ihn hinter sich her zum Helikopter. „Wächter, das können sie nicht tun!“, rief Ebelsieder ihnen noch nach, doch Thomas hörte ihn nicht mehr, er saß bereits auf dem Pilotensitz und ließ die Turbinen aufheulen. Wenige Sekunden später hob er mit einem Mordskaracho ab.

Peter blickte rüber zu Thomas, klopfte seinem Freund auf die Schulter und sagte: "Klasse, Thomas!" Thomas war total außer sich. Abermals rann ihm ein Dutzend Tränen über das Gesicht, und als er Peter ansah, erkannte dieser erschrocken die unheimliche Angst in seinem Gesicht. Unter Tränen fragte Thomas ihn leise: "Peter ... was, wenn sie ... wenn sie nicht mehr ... am Leben ist? Was sollen wir dann tun, hä??" Verzweifelt wischte er sich die Tränen vom Gesicht und ließ die Rotoren lautstark aufheulen - sie rasten durch die Luft, dass der Heli beinahe einer Rakete gleichte. So hatte Peter den sonst so nervenstarken und souveränen Piloten noch nie erlebt. Er wusste ja, dass Biggi und er schon seit Ewigkeiten die besten

Freunde waren, aber mehr? Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihm auf jeden Fall nicht. Thomas wies ihn panisch an, Michael per Handy zu verständigen, er solle mit dem Jeep zum Unfallort fahren - dieser war von ihrer Villa nämlich nicht weit entfernt. Michael nahm die schreckliche Nachricht entsetzt entgegen und unterließ es sogar, den Hörer aufzulegen, bevor er sich in sein Auto warf und die Reifen durchdrehen ließ.

Am Unfallort hatte sich inzwischen das Unwetter auf unmögliche Weise noch mehr verschlimmert. Als Ralf nach dem Funkspruch zu Karin zurückgelaufen war, mussten sie sich sogar in einem halben Meter Entfernung zur Verständigung anbrüllen. Karin war vollkommen fertig. "Ich kann sie nirgendwo finden, Ralf!!! Sie kann nicht weggeschleudert worden sein, dann hätten wir sie längst gesehen!!" - "Ich weiß!! Sie MUSS irgendwo unter dem LKW sein, es gibt keine andere Möglichkeit!!!"

Sie trieften bereits vor Wasser, als sie sich, nun bereits zum wohl zehnten Mal, auf den Asphalt legten und suchend unter das LKW-Wrack blickten. Der LKW war ein riesiger Brocken gewesen und lag nun der Länge sowie Breite nach auf der Straße und dem Kleinwagenwrack. Der Spalt, der sich zwischen Boden und LKW bildete, war allerhöchstens eine Hand breit. Es war ihnen also unmöglich, unter das Wrack zu kriechen und dort nach Biggi zu suchen. "Biiiggiii!!!!!!! Kannst du uns hören???", riefen sie unentwegt in den Spalt, obwohl sie bereits der Heiserkeit nahe waren.

In dem Moment öffnete Biggi wieder die Augen. Selbst das kostete ihr enorme Kraft. Die Schmerzen stachen wie tausende Pfeile auf sie ein und raubten ihr den Atem. Überall an ihrem Gesicht spürte sie das Blut herunterrinnen, und das Gewicht des mächtigen LKW's auf ihrem Körper lasten. Bis hin zur Hüfte hatte sie die höllischsten Schmerzen - doch ab dort spürte sie nichts. Gar nichts. Plötzlich ergriff sie unheimliche Panik, sie wollte schreien, konnte aber nicht. Sie wollte wegrennen - konnte es aber nicht. Sie begann zu röcheln

und rang nach Atem.

Plötzlich hörte sie wie Meilen entfernt ... Stimmen. Nicht irgendwelche Stimmen - es waren die von Karin und Ralf. Sie riefen nach ihr, Biggi. Und dann hörte sie plötzlich noch was. Die schönste Melodie, die sie in ihrem Leben je gehört hatte und die für den Bruchteil einer Sekunde alle Schmerzen davonfliegen ließen: Die Melodie der Rotoren einer BK 117. Ihres Engels. Hinter all dem Regen, hinter all dem Donnern. Da war irgendwo ihr Engel...

"Hier muss es sein, die Koordinaten stimmen. Außerdem herrscht hier das reinste Verkehrschaos...", meinte Peter in diesem Moment zu Thomas. Sie gingen tiefer, und bald erblickten sie nun auch das Wrack des LKW's – beiden lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie wussten genau, irgendwo dort drunter lag Biggi...

Thomas landete den Heli direkt neben der Autobahnstelle, an der der LKW lag. Als sie die Türen des Cockpits aufrissen, lagen Karin und Ralf immer noch auf dem Boden und versuchten, unter dem Spalt etwas auszumachen.

Nun erhoben sie sich eilig und rannten ihnen entgegen. Als Ralf nicht sofort zur Sprache kam, brüllte Thomas ihn an: "Jetzt sag schon!!! Habt ihr sie gefunden??" Ralf entgegnete ihm verzweifelt: "Nein ... sie muss irgendwo unter dem Wrack liegen, aber der Spalt ist so klein, wir sehen kaum durch, es ist total dunkel da unten!"

Nun stürmte Thomas zum Wrack und stützte sich am Asphalt ab. Er lugte unter den Spalt und rief, so laut er konnte: "BIIIGGIIIII!!!!!! Ich bin's, Thomas, kannst du mich hören??" Wieder musste er sich die Augen trocken wischen, und fügte leise schluchzend hinzu: "Bitte, BITTE antworte doch..." Daraufhin ließ er sich kraftlos  auf den Asphalt fallen und schloss für einen Moment die Augen.

Biggis Augen weiteten sich ... war das wirklich ... war das wirklich Thomas, der nach ihr rief? Sie öffnete den Mund, nahm sich fest vor, zumindest einen Ton herauszubringen ... nahm alle Kräfte zusammen ... "Thomas", brachte sie hervor, "Thomas ...", flüsterte sie - doch es war zuviel. Die Anstrengung rief innere Blutungen wach, Blut stieg in ihren Atemraum, ihr Kopf sackte zur Seite und das Blut sowohl von ihrer Stirn als auch aus ihrem Mund vermischte sich mehr und mehr mit der seltsamen Flüssigkeit aus dem LKW-Getriebe - dem Benzin.

Als Thomas die Augen wieder öffnete, hatte er ein merkwürdiges Gefühl. Er hatte das Gefühl, als hätte er in den paar Sekunden schon wieder geträumt. Jemand hat seinen Namen gerufen - nicht irgendjemand, nein, es war ... es war Biggi.

In Windeseile richtete er sich auf, und brüllte durch den Regen seinen Freunden entgegen: "Sie lebt! Ich weiß es. Biggi lebt!" Er packte Ralf an der Schulter und fügte hinzu: "NOCH. Wir müssen sie hier irgendwie rauskriegen!!!"

In dem Moment raste Michael an. Er hatte nicht lange gewartet, bis irgendein netter Polizeibeamte endlich eine Absperrung errichtete und ihn durchließ - er hatte einfach die Abkürzung über die Wiese genommen. Er stürmte auf seine Kollegen zu und fragte aufgeregt panisch: "Na und? Sagt schon, wie sieht's aus? Habt ihr sie gefunden?" "Nein. Irgendwo da drunter ... da muss sie sein. Aber der Spalt ist zu niedrig zum durchkriechen.", antwortete Peter.

Kurzes Schweigen. Plötzlich äußerte sich Thomas kurz entschlossen: "Dann werden wir ihn eben vergrößern... Peter, komm mit!"

Daraufhin rannten Peter und er zum Helikopter, warfen sich ins Cockpit und hoben ab. "Du musst irgendwas finden, wo du das Seil einhaken kannst, ok Peter? Michael für Thomas, bitte kommen!" "Michael hört!" "Der LKW ist extrem schwer, wir werden ihn höchstens für wenige Sekunden in der Luft halten können! Sobald wir ihn hoch haben, müsst ihr sofort etwas in den Spalt klemmen, ok?" "Verstanden!"

Trotz der enormen nervlichen Anspannung hatten es Thomas und Peter bald geschafft, das Seil am LKW festzumachen und ihn langsam hochzuheben. Thomas forderte das Höchste aus dem Heli - Millimeter für Millimeter stieg der LKW in die Luft.

Michael hatte seinen Notfallkoffer aus dem Jeep geholt - er bestand aus Stahl und würde dem Gewicht des LKW's standhalten. Sobald das Wrack sich weit genug in der Luft befand, stellte er den Koffer in den Spalt - daraufhin wichen sie alle zurück, als die tonnenschwere Last wieder nach unten sackte. Länger hätte der Heli es nicht mehr geschafft.

Einen Augenblick später war Thomas auch schon wieder auf der Wiese gelandet und stürmte zu ihnen. Michael und Ralf waren gerade dabei, unter das Wrack zu kriechen. Sie passten um Haaresbreite rein. "Na und? Seht ihr schon was?", rief Thomas ihnen hektisch zu. "Nein, noch nichts!" Nun beugte sich auch Thomas nach unten und kroch unter den LKW. "Ihr müsst sie finden, hört ihr?", meinte Karin ängstlich.

Der vom LKW bedeckte Platz war so groß, dass die drei sich aufteilten, um sich unter all den Früchten und dem Getriebe des LKW's durchzukämpfen. Unentwegt riefen sie Biggis Namen. Diese öffnete plötzlich wieder die Augen. Ganz langsam. Sie spürte, wie ihr das Blut aus dem Mund rann und von oben über ihr Gesicht. Auch diese unerträglichen, höllischen Schmerzen spürte sie noch. Und ihre Beine ... die spürte sie nicht. Das Benzin sah sie immer noch vor sich hin tropfen. Die Ananas lag auch noch an derselben Stelle. Doch das Getriebe des LKW's war plötzlich weiter weg. Es lag nicht mehr so erdrückend nah über ihr und auch nicht mehr auf ihr. Dafür konnte sie die Stimmen auf einmal lauter hören. Ja, sie kamen immer näher und ... hier war wieder die Stimme von Thomas...

Diesem stiegen bereits wieder die Tränen der Verzweiflung in die Augen - inzwischen ging es auch Michael und Ralf nicht besser. "BIIIIIGGIIIIIII!!!! Bitte antworte doch ..." hörte sie wieder die angsterfüllte Stimme von Thomas. Wieder öffnete sie den Mund, doch das Blut versperrte ihr jede Möglichkeit, auch nur den geringsten Ton von sich zu geben. Außerdem schmerzte ihre Brust so irrsinnig, dass Biggi bei der kleinsten Erhebung das Gefühl hatte, ihr Körper würde vor Schmerz platzen. Sie blickte ein wenig nach unten. Direkt neben ihrer Hand, die ebenso voller Blut war, lag ein kleiner roter Apfel. Sie musste es schaffen, setzte sie sich in den Kopf. Das würde sie noch hinkriegen. Ganz langsam, mit kleinsten Bewegungen, gelang es ihr, den Arm zum Apfel zu bewegen und ihn zu fassen. Es war ein unheimlich schwacher Griff, der ihr enorme Kräfte kostete, aber sie hatte den Apfel in der Hand. Dann gab sie sich innerlich einen Ruck, stieß ihn an und ließ den Apfel von sich weg rollen. Daraufhin wurde sie sofort wieder bewusstlos. Die Anstrengung hatte ihrer Herztätigkeit stark zugesetzt und nur mehr die geringsten Schläge hielten Biggi am Leben.

Gerade als sich Thomas zum x-ten Mal mit dem durchnässten Ärmel seines Overalls die Tränen vom Gesicht wischte, rollte ihm der Apfel vor die Nase. Er riss die Augen auf. War das der Wind gewesen? Quatsch, der Wind hatte sich noch nicht bis hier unten durchgegriffen.

So schnell es nur ging, kroch er in die Richtung, aus der der Apfel gekommen war. Unzählige exotische Früchte versperrten ihm den Weg und die Sicht, er schob eine nach der anderen panisch zur Seite. Ohne dass er eine Erklärung dafür hatte, verdoppelte sich seine Pulsfrequenz geradezu. Schließlich lag vor ihm eine riesige, gelbe Ananas. "Ihre Lieblingsfrucht", schoss es ihm durch den Kopf und wieder kamen ihm die Tränen. Das Getriebe über seinem Kopf knarrte bedenklich. Doch er kämpfte sich weiter und schob die Ananas beiseite. Im nächsten Moment stockte ihm der Atem. Vor ihm lag sie. Biggi. Blutüberströmt und wie tot. Mühsam schluckte er, flüsterte: "Biggi... Nein, bitte sei am Leben. Bitte sei am Leben, Biggi! BITTE!!!"  Er fand mühevoll wieder zu sich, brüllte so laut wie er nur konnte: "MICHAEL!!!!!!! RALF!!!!!!!!!!! SCHNELL - ich hab sie gefunden..." Dann kroch er ganz nah zu ihr, strich ihr über das Haar und fühlte mit seiner Hand nach ihrem Puls an der Halsschlagader. Seine Hände waren sofort blutig. Im ersten Moment war er so erleichtert wie noch nie, aber dann stellte er erschrocken fest, dass Biggis Puls so gut wie nicht vorhanden war.

Aus ihrem Mund floss unentwegt Blut. "Ich muss sie beatmen. Sie braucht Sauerstoff", dachte er sich. Trotz des Gefühles, vollkommen neben sich zu stehen, fasste er in dieser Situation klare Gedanken. Er musste sie fassen. Biggis Leben hing davon ab. Und damit auch irgendwie seins ...

"Wo bleibt ihr denn??!!", brüllte er nach hinten. Michael und Ralf gaben sich die größte Mühe, doch zwischen all den Tonnen von Früchten und unter dem Getriebe des LKW's schafften sie es beim besten Willen nicht schneller, zu Thomas und Biggi zu gelangen.

Thomas öffnete Biggis Mund, ließ das Blut ein wenig abfließen und begann mit der Beatmung. Seine Nerven lagen blank. Immer wieder flehte er Biggi an: "Biggi, komm schon. Du musst bei uns bleiben, hörst du?" Andauernd strich er sanft und liebevoll über ihre Haare. Plötzlich hörte er von hinten ein Geräusch. Es war Michael. Als sein Kopf neben ihm auftauchte, erschrak auch er, und sagte leise: "Oh mein Gott..." Doch auch er schaffte es, sich zu fassen, und während Thomas sie weiter beatmete, überprüfte er Biggis Vitalfunktionen. "Woher kommt denn all das Blut aus ihrem Mund, Michael?", fragte Thomas seinen Freund angsterfüllt. Nachdem Michael mit der Notfalllampe in Biggis Augen geleuchtet hatte, begutachtete er dieses. "Sie ... es kommt von inneren Blutungen. In der Regel zurückzuführen auf schwerste innere Verletzungen...", während er das sagte, rannen ihm die Tränen über das Gesicht und die beiden Freunde sahen sich an. Schluchzend meinte Thomas: "Wir schaffen das doch, oder? Wir werden sie doch retten, oder, Michael??" Dieser schluckte langsam, wischte sich die Tränen vom Gesicht und entgegnete ihm dann: "Ja. Ja, das werden wir."

Über Funk forderte er Ralf auf, sich auf den Weg zurück zu Karin zu machen und die Notfalltasche zu holen. Dann neigte er sich an Biggi herab und tastete ihren Bauchraum ab. Daraufhin begann Biggi plötzlich zu zucken und schlug einen Moment später die Augen auf. Sie rang nach Atem, die Schmerzen durch Michaels Berührung brachten sie fast um. Das Blut, das ihr unentwegt von unten in den Mund stieg und auch ihre Luftröhre ausfüllte, hinderte sie an jeglichem Atemzug. Röchelnd ergatterte sie kleinste Portionen an Sauerstoff. "Biggi!", riefen Thomas und Michael im selben Moment aus. Erst jetzt realisierte Biggi, wen sie vor sich hatte. Plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen, flehend blickte sie ihre Freunde an. Diese mussten sich stark zusammennehmen, um nicht endgültig die Nerven zu verlieren, besonders Thomas. Liebevoll und mit zitternder Hand streichelte er Biggi über das Haar. Michael tat dasselbe vorsichtig an ihrer Schulter und sprach leise zu ihr: "Wir sind da, hörst du? Wir kriegen das hin, glaub mir, wir kriegen dich hier raus. Bleib ganz ruhig und beweg dich bitte nicht, ok? Wir kriegen das alles wieder hin..." Unentwegt streichelte Thomas sie, und sie blickte in sein von Tränen triefendes Gesicht. Sie ließ ihren Blick nicht mehr von ihm, als wäre Thomas' Anblick das letzte bisschen Hoffnung, das sie hatte.

Michael tastete sie inzwischen von der Hüfte abwärts ab. "Tut das weh?", fragte er. Daraufhin begann Biggi plötzlich heftig zu husten, blickte auf seine Hände, für einen kurzen Moment bekam sie ihre Lunge vom Blut frei und hauchte schwach: "Meine Beine ... ich spüre sie nicht mehr ..."

Thomas blickte Biggi entsetzt an und dann Michael. Dieser wusste, was das hieß, doch er wagte es nicht es auszusprechen. In dem Moment kam Ralf zurück. Er hatte nicht nur die Notfalltasche, sondern auch die Trage mit sich gezogen. „Ok, Ralf, schnell, gib mir 500 mg Ringerlösung und 100 mg Atropin und leg ihr einen Zugang. Ralf hatte größte Mühe im Liegen die beiden Infusionsbeutel aus der Notfalltasche zu holen und Biggi einen Zugang zu legen. Doch schließlich schaffte er es. Biggi zuckte leicht zusammen, als er ihr mit der Infusionsnadel in die Hand stach. Thomas, den sie noch immer unentwegt ansah, umklammerte ihre andere Hand und drückte sie. „Bleib ganz ruhig Biggi, wir schaffen das, alles wird wieder gut, wir kriegen das wieder hin, du wirst sehen…Wir haben doch bis jetzt immer alles wieder hingekriegt…“, flüsterte er, doch er wusste nicht, ob das mehr ihrer oder seiner eigenen Beruhigung dienen sollte. Michael verabreichte Biggi ein Narkosemittel, damit sie sie intubieren konnten. Sie warf Thomas noch einen letzten, traurigen Blick zu und schloss dann langsam die Augen. „Jetzt, aber raus mit uns.“, meinte Ralf dann. „Ich fürchte, wir haben da noch ein Problem.“, sagte Michael zögerlich. Thomas und Ralf starrten ihn an. „Biggi hat wahrscheinlich eine schwere Rückenverletzung, wenn wir sie bewegen, dann kann es sein, dass sie querschnittsgelähmt bleiben wird.“ „Was?“, Thomas konnte nicht fassen, was Michael da gerade gesagt hatte. Er wusste was das zu bedeuten hatte. Biggi würde nie wieder laufen können, geschweige denn fliegen und er wusste, was ihr das bedeutete.“ Erneut rannen ihm Berge von Tränen übers Gesicht. „Und was…was sollen wir jetzt tun?“, schluchzte er. „Wir müssen es riskieren, wir haben keine andere Wahl.“, erklärte Michael ihm, „Biggi hat schwere innere Verletzungen, sie muss sofort operiert werden. Wenn wir sie nicht sofort hier raus bringen, dann stirbt sie.“ Er sah Thomas ernst an und dieser nickte unter Tränen. Er sah ein, dass es der einzige Weg war Biggis Leben zu retten. Vorsichtig, ganz vorsichtig hoben sie sie auf die Trage. Dann nahm Michael die Trage am Fußende und Ralf am Kopfende und sie schoben sie Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Thomas hatte sich die Notfalltasche genommen und war vor gekrochen, denn er konnte so schon einmal die Turbinen anlassen, während die anderen Biggi unter dem LKW herausbrachten. Er schob die herumliegenden Früchte beiseite und machte so den Weg frei für Michael, Ralf und Biggi, die kurz hinter ihm waren. Als er langsam unter dem LKW hervor kroch, kam Karin sofort auf ihn zugestürmt. „Und? Was ist mit ihr?“, fragte sie panisch, doch Thomas antwortete ihr nicht. Er rappelte sich auf, drückte ihr den Notfallkoffer in die Hand und rannte dann so schnell, wie er in seinem Leben noch nie gerannt war, zum Helikopter und ließ die Turbinen aufheulen. Nun kroch auch Ralf ganz langsam unter dem LKW hervor und zog dann die Trage mit Biggi drauf mit sich. Karin erschrak, als sie ihre Freundin sah. Ihr Gesicht war total blass und mit Blut überströmt. Auch Peter war geschockt bei diesem Anblick, doch dazu blieb ihm nicht viel Zeit. In Windeseile rannten er, Ralf, Karin und Michael mit Trage zum Helikopter. Ralf lief die letzten Meter vor und riss die Heckklappe auf. Dann verluden sie die Trage in den Medicopter und wenige Sekunden später riss Thomas die Maschine auch schon in die Höhe. Er flog mit Höchstgeschwindigkeit zum nächsten Krankenhaus, was bei diesen katastrophalen Wetterverhältnissen nicht ganz ungefährlich war. Doch für ihn zählte nur eins: Biggis Leben, um das Michael und Karin gerade im hinteren Teil des Helikopters kämpften. Zwar war ihr Kreislauf durch die Medikamente einigermaßen Stabil, doch Michael wusste, dass sich das von einer auf die andere Sekunde ändern konnte, da Biggi schon sehr viel Blut verloren hatte. Karin hatte ihr bereits zwei Konserven angehängt, doch Biggi musste schnellstens in den OP, damit ihre inneren Verletzungen versorgt werden konnten. „Thomas, sag in der Klinik bescheid, die sollen eine Notoperation vorbereiten und vier Konserven A negativ bereithalten.“, wies Karin den Piloten an. Dieser blickte immer wieder nach hinten zu Biggi und hoffte insgeheim, dass sie die Augen aufschlagen und ihn ansehen würde. Doch nichts dergleichen geschah. „Medicopter 117 an Klinikum Murnau, wir sind im Anflug mit einer Patientin, weiblich, schwere innere Verletzungen, bereiten sie eine Notoperation und vier Konserven A Negativ vor. Eintreffen in ca. 5 Minuten.“, dabei musste er sich zusammenreißen, um nicht wieder in Tränen auszubrechen, damit man ihn über Funk verstehen konnte. „Verstanden Medicopter 117, Notoperation wird vorbereitet, Blutkonserven werden bereitgestellt. Over and out“ Thomas blickte wieder nach hinten, wo Karin Biggi gerade eine weitere Blutkonserve anhing. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis er endlich die Klinik in einiger Entfernung erkennen konnte. „Thomas, wie lange noch, sie hält das nicht mehr lange durch!!!“, rief Michael nervös. „Wir sind gleich da, noch eine Minute.“, gab Thomas nicht weniger nervös zurück. Biggis Werte sackten nun immer weiter in den Keller und alle beteten, dass sie die Klinik endlich erreichen würden. Endlich sahen auch Karin, Michael und Ralf die Klinik durch das Seitenfenster und wenige Sekunden später setzte Thomas den Helikopter auf dem Dachlandeplatz auf. Er hatte die Strecke in 7 statt normalerweise 11 Minuten zurückgelegt trotz der schlechten Wetterverhältnisse. Ralf und Peter waren sofort herausgesprungen und öffneten die Heckklappe. Schon war auch schon ein anderes Ärzteteam bei ihnen. Sie holten die Trage mit Biggi aus dem Medicopter und brachten sie so schnell es ging zum Fahrstuhl. Michael, Karin und Thomas stiegen nun auch langsam aus dem Helikopter und sahen ihnen noch nach. Dann gingen sie langsam zusammen mit Peter und Ralf ebenfalls zum Fahrstuhl. Alle hatten Tränen in den Augen und schwiegen.

Biggi wurde sofort in den OP gebracht und die mehrstündige Operation begann. Thomas, Michael Peter, Ralf und Karin warteten bis der Fahrstuhl wiederkam und fuhren dann runter in den 2. Stock, in dem sich die Operationssäle befahnden. Thomas lies sich völlig mit den Nerven am Ende auf den Boden sinken. Er vergrub seinen Kopf in den Armen und begann zu weinen. So fertig hatten die anderen ihn wahrscheinlich noch nie zu vor gesehen. Michael setzte sich neben ihm und legte ihm aufmunternd die Hand auf die Schulter. „Hey, Biggi wird das schon schaffen, sie ist doch so stark.“ „Hoffentlich.“, schluchzte Thomas nur leise. Biggi musste es einfach schaffen, sie musste, wenn nicht, wusste er nicht, wie es weitergehen sollte.

Karin hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und starrte auf den Boden. Peter saß neben ihr und wippte nervös auf seinem Stuhl hin und her. Ralf war inzwischen aufgestanden und hatte ein Tablett mit 5 Bechern Kaffee besorgt. Er tippte Thomas vorsichtig an der Schulter an. Dieser sah auf und Ralf blickte in seine verweinten Augen. „Möchtest du einen Kaffee?“, fragte er den Piloten. Doch Thomas schüttelte den Kopf. „Warum? Warum gerade sie?“, schluchzte er immer wieder. „Das weiß keiner. Es ist nun einmal so gekommen und keiner konnte es verhindern.“, sagte Peter leise. „Doch“, meinte Thomas dann, „Es ist alles meine Schuld, es wäre eigentlich meine Schicht gewesen und ich hätte den Notfallrucksack holen müssen. Es war meine Schicht, versteht ihr? Meine Schicht! Ich hätte nicht mit Biggi tauschen dürfen!“ „Thomas, hör auf, das bringt doch nichts, niemand konnte so etwas ahnen, es war eine Verkettung unglücklicher Umstände, du bist nicht Schuld. Es war ein Unfall.“, schrie Ralf ihn wütend an. „Tschuldigung.“, fügte er dann in normaler Lautstärke hinzu. „Thomas, Ralf hat Recht, es bringt nichts, wenn du dich jetzt damit fertig machst, lasst uns lieber hoffen, dass alles gut geht.“, sagte Karin nur. Die anderen nickten und es herrschte wieder Schweigen. Thomas hatte wieder angefangen zu schluchzen und Michael versuchte seinen Freund zu trösten. Alle waren mit den Nerven völlig am Ende. Diese Warterei machte sie totalverrückt. Einfach nur herumzusitzen und nichts, aber auch gar nichts tun zu können, das war das Schlimmste.

Plötzlich wurde die Eingangstür zum OP-Bereich aufgerissen und Max stürmte herein. Im Schlepptau hatte er einen aufgebrachten Herrn Ebelsieder. "Wie sieht's aus?", fragte der, als sie beim Team ankamen. "Schlecht. So sieht's aus.", war Michaels knappe Antwort. Er hatte nicht die Kraft, jetzt Herrn Ebelsieder mit weiteren Informationen zufrieden zu stellen. Thomas erhob sich und marschierte den Gang auf und ab. Die Stimme von Ebelsieder war das letzte, was er in so einer Situation noch brauchte. Seine Gedanken waren bei Biggi. Warum hatte er Biggi seine Schicht übernehmen lassen? Warum hatte Biggi statt ihm den Notfallrucksack geholt? Warum war es nicht ER gewesen, der unter dem LKW begraben wurde? ER hätte es sein müssen. Er hätte es verhindern können. Er ...

Zu weiteren Gedanken kam er nicht. Hinter sich hörte er plötzlich ein Räuspern und eine Stimme, die verdächtig nach der eines Chirurgen klang. "Bin ich richtig in der Annahme, dass ich hier das Medicopter-Team vor mir habe?" "Ja, das sind Sie.", meinte Michael, erhob sich und trat in das Angesicht des Arztes. "Bitte, wie ... wie geht es unserer Kollegin?" Nun traten auch Thomas und die anderen an den Arzt heran. Erwartungsvoll und ängstlich bangend sahen sie in sein drei-Tage-bärtiges, nicht unsympathisches  Gesicht. "Ich will und darf Ihnen als Arzt keine Illusionen machen. Die Lage ist ernst. Sehr ernst." "Bitte präzise, Herr Kollege.", meinte Michael nun schon ein wenig ungeduldig. "Glauben Sie mir, derartige Gespräche machen mir keine Freude und ich bin auch nur ein Mensch. Kein Halbgott in Weiß - wäre ich das, hätte ich die Verletzungen Ihrer Kollegin beheben können." "Was heißt das?", mischte sich nun Thomas lautstark ein. "Das heißt ... dass es ohnehin beinahe einem Wunder gleicht, dass Sie es geschafft haben, sie mit derartigen Verletzungen überhaupt lebendig zu uns zu bringen. Auch wir haben hier unser bestes getan, doch Wunder vollbringen können wir nicht. Die enorme Anzahl an Organrupturen, Frakturen und ähnlichen inneren Verletzungen könnte ich Ihnen aus dem Gedächtnis gar nicht aufsagen. Wir haben insgesamt drei schwere innere Blutungen stoppen können, bei einer war es uns letztendlich vollkommen unmöglich, da sich der Zustand Ihrer Kollegin permanent rapide verschlechtert hat. Wir werden die Blutung so schnell wie möglich operativ beheben, sofern sich uns bald eine Möglichkeit bietet. Als Arztkollege wissen Sie selbst, Herr Lüdwitz, dass eine innere Blutung in kurzer Zeit zum Tod führen kann. Um ihren Zustand in den Griff zu bekommen, haben wir sie an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die die gesamte Herz-Lungen-Tätigkeit des Körpers übernimmt. Aufgrund des extrem hohen Blutverlusts ist ihr Kreislauf nicht im Entferntesten in der Lage, seine Funktionen selbst zu übernehmen. Wobei wir

ebenfalls nochmalig operativ eingreifen müssen, ist das schwere Thorax-Trauma. Es behindert die Atmung enorm.", erklärte er dem Team, das mit jedem weiteren Satz hoffnungsloser wurde. Doch sie ahnten, dass der gute Arzt noch lange nicht fertig war. "Nun, ich bin noch nicht fertig. Das für uns Ärzte geringste Problem wird für Ihre Kollegin wohl lebenseinschneidend sein. Wir haben eine Fraktur des ersten Lendenwirbels entdeckt. Ich will im Klartext sprechen: Ihre Kollegin wird ihr Leben, sollte sie es schaffen, fortan wohl im Rollstuhl weiterführen müssen. Wenn kein Wunder geschieht."

Es war passiert. Der schreckliche Verdacht war Wahrheit geworden. Der Arzt hatte ausgesprochen, was sie im innersten befürchtet hatten. Sie hatten gebetet und gehofft, doch nichts hatte genützt. Biggi war querschnittgelähmt. Sie würde nicht mehr gehen, laufen, nicht mehr fliegen können. Würde sie überhaupt noch ein Leben haben?

"NEIN!!! Sagen Sie, dass das nicht wahr ist!!!", flehte Thomas den Arzt an und packte ihn an seinem OP-Hemd. Dieser wich erschrocken zurück. Michael riss ihn los, drehte ihn zu sich und nahm ihn in die Arme. Beide weinten, ebenso wie Karin, Peter und Ralf. Herr Ebelsieder hatte sich weggedreht und Max schluchzte leise vor sich hin.

Eine ganze Weile schwiegen alle nur und versuchten, irgendwie zu realisieren, was gerade Gewissheit geworden war.

Irgendwann meinte dann der Arzt, der die ganze Zeit betroffen bei ihnen gestanden hatte: "Ich nehme an, Sie würden gerne zu ihr?" "Ja, bitte.", ergriff Michael wieder die Initiative. "Wir haben sie auf die Intensivstation der internen Chirurgie gebracht. Sie liegt im künstlichen Koma. Ich kann gut verstehen, dass Sie sie sehen wollen und will es Ihnen auch nicht verweigern, das könnte ich nicht. Aber Sie beide bitte ich trotzdem, von einem Besuch noch eine Weile Abstand zu nehmen, zumal sie auch nicht dem Rettungsteam angehören - ist das in Ordnung?", richtete er sich dann an Max und Frank Ebelsieder. Dieser meinte verständnisvoll: "Ja, das ist in Ordnung", gab Max ein Zeichen, welcher ihm schweren Herzens nach draußen folgte.

Langsam folgten die Freunde dem Arzt auf die chirurgische Abteilung. Es herrschte eine nahezu unheimliche Stille, niemand sagte ein Wort. Es war kein Wort nötig. Schließlich öffnete sich Ihnen die Tür zur Intensivstation, wo sie zuerst in den Umkleideraum geleitet wurden. Nachdem sie sich die grünen Kittel und Masken übergezogen hatten, führte sie Dr. Perding, so hieß der Arzt, schließlich zur Tür, die in den Raum führte, in dem Biggi lag. Neben der Tür war ein Fenster, über welches die Intensivschwestern rund um die Uhr die Patienten überwachten. Im Moment allerdings war ein weißer Vorhang darüber gezogen.

Dr. Perding öffnete die Tür und sie folgten ihm in den grün gefliesten Raum, der zwei Betten beherbergte. Das erste war leer. Und im zweiten, am Fenster, ... da lag Biggi.

Das EKG gab ein langsames Piepsen von sich. Biggi lag blass und leblos auf einer speziellen Vakuummatratze, die ihrem Körper angepasst war. Sie sollte jede Bewegung und somit Verschlimmerung der Verletzung verhindern. An ihren beiden Armen waren zahlreiche Kanülen und Schläuche angebracht, die an Infusionen angeschlossen waren. Auch über eine Herzsonde, die direkt an der Halsschlagader eingeführt worden war, wurden ihr die nötigen lebenserhaltenden Medikamente zugeführt. Halbstündlich wurde über ein elektronisches Blutdruckgerät ihr Blutdruck gemessen und an die Computer weitergegeben. Beatmet wurde sie durch eine Sauerstoffmaske. Aus ihrem weißen Nachthemd kamen unzählige Kabel und Schläuche hervor - wahrscheinlich für das EKG und die Herz-Lungen-Maschine. Biggi lag so hilflos in ihrem Bett, dass selbst dem nervenstärksten Mensch bei diesem Anblick die Tränen gekommen wären. Sie traten nun näher an das Bett heran, und langsam fasste Thomas nach Biggis Hand.

Es lag eine derart traurige Stimmung in der Luft, dass die Schwestern und Dr. Perding es vorzogen, so schnell wie möglich den Raum zu verlassen. Leise schlossen sie die Tür. Alles, was man hörte, war das ständige Piepsen des EKGs, die Sauerstoffpumpe, die Herz-Lungen Maschine und das leise Schluchzen der fünf Freunde.

Irgendwo draußen hörten sie die Sirene eines Rettungsautos und ... ja - irgendwo dort draußen in der Luft war das Geräusch eines Helikopterrotors zu vernehmen. Das Geräusch eines Engels. Eines Engels, den Biggi wohl nie wieder werde fliegen können ...

Michael war mit Karin nach draußen gegangen, um sie ein wenig zu beruhigen. Auch Peter und Ralf verließen nach kurzer Zeit den Raum. Der heutige Tag war einfach zu viel für sie gewesen. Thomas blieb alleine zurück. Er würde nicht weggehen und Biggi alleine lassen - niemals würde er sie alleine lassen. Sanft strich er ihr mit der Hand über die blasse Wange. Er hätte alles dafür gegeben, dass sie jetzt die Augen aufschlug und ihn anlächelte, oder dass sie zumindest wusste, dass er da war. Doch nichts dergleichen geschah. So saß er noch lange da. Ralf und Peter standen im Flur und sahen durch das Fenster hinein, doch sie konnten sich denken, dass Thomas jetzt gerne mit Biggi allein sein wollte. Er hielt immer noch ihre Hand und redete die ganze Zeit beruhigen auf sie ein. Er erzählte ihr von allen Ereignissen, die sie zusammen erlebt hatten. Von den schönen und auch von den weniger schönen. Er erzählte ihr von dem Tag, an dem sie sich kennen gelernt hatten. Thomas erinnerte diesen Tag noch ganz genau, er würde ihn nie vergessen, den Tag, an dem er Biggi zum ersten Mal sah. Ebelsieder hatte ihnen die neue Pilotin vorgesellt. Sie war ihm vor ersten Augenblick an sympathisch gewesen und umgekehrt war es Biggi genauso ergangen.

Dann erzählte er ihr von Gabi und Gabis Tod, von Michaels Unfall, als er angeschossen wurde, von dem Absturz und von noch einigen anderen Situationen die sie gemeistert hatten – zusammen. 

Dabei liefen ihm ab und an einige Tränen die Wangen herunter und tropften auf Biggis Bettdecke. Thomas wusste, dass die Ärzte sie in ein künstliches  Koma versetzt hatten, doch er hoffte trotzdem tief im Inneren, dass sie ihn hören konnte. „Biggi, bitte, du musst wieder gesund werden, wir brauchen dich …ich brauche dich, Biggi, weil…weil ich dich liebe….“, die letzten Worte schluchzte Thomas nur noch. Ihm liefen immer wieder Tränen übers Gesicht. Nun, wo er es endlich geschafft hatte Biggi das zu sagen, was er ihr schon so lange hatte sagen wollen, schon vom aller ersten Tag an, schon von dem Moment an, als er sie das erste mal gesehen hatte und sie ihn das erste mal angelächelt hatte, nun , nun konnte sie ihn nicht hören. Vielleicht würde er es ihr nie mehr richtig sagen können. Leise schluchzend barg er sein Gesicht in ihre Bettdecke. Irgendwann schlief er völlig erschöpft, Biggis Hand noch immer fest umklammert, ein.

Ralf, Peter, Michael und Karin hatten sich inzwischen in die Cafeteria gesetzt und wollten dort auf Thomas warten. Sie hatten sich zwar etwas zu essen bestellt, doch keiner von ihnen brachte auch nur einen Bissen herunter. Sie waren mit ihren Gedanken nur bei Biggi.

Nach etwa zwei Stunden wurde Thomas geweckt, weil ihn jemand unsanft an der Schulter rüttelte. Es war Dr. Perding. Erschrocken fuhr Thomas hoch. Es dauerte einen Moment bis er realisiert hatte, wo er war und, dass er wohl eingeschlafen sein musste. Sofort sah er zu Biggi,  sie lag noch genauso da wie vorher und hatte sich nicht einen Zentimeter bewegt. „Keine Angst, der Zustand ihrer Kollegin hat sich nicht verschlechtert.“, beruhigte Dr. Perding ihn. „Da sich ihre Werte ein wenig stabilisiert haben, werden wir sie jetzt erneut operieren, um die restlichen Verletzungen zu versorgen.“, erklärte er Thomas. Dann betraten auch schon zwei Schwestern den Raum, die Biggi in den OP bringen sollten. Bevor sie das Bett aus dem Zimmer schoben, drückte Thomas noch einmal ganz fest Biggis Hand. „Du schaffst das, Biggi, du musst es schaffen.“, flüsterte er. Er gab ihr noch einen sanften Kuss auf die Stirn, bevor die beiden Schwestern ihr Bett endgültig durch die Tür schoben. Dr. Perding folgte ihnen. „Am besten gehen sie jetzt erst einmal nach Hause, wir werden sie sofort informieren, wenn es etwas Neues gibt.“ Doch Thomas schüttelte den Kopf. „Ich bleibe hier, ich kann jetzt nicht einfach so nach Hause fahren.“ Dr. Perding nickte. „Ok, die Operation kann allerdings mehrere Stunden dauern.“, informierte der Arzt ihn. Thomas nickte schweigend. Dann ging er in die Cafeteria, wo Ralf, Karin, Peter und Michael saßen. Alle schauten Thomas hoffnungsvoll an, hoffend, dass er gute Neuigkeiten hatte, hoffend, dass sich Biggis Zustand gebessert hatte. „Sie operieren sie jetzt noch einmal.“, sagte Thomas leise. Wieder liefen ihm einige Tränen übers Gesicht. „So schnell schon? Ich denke, das ist ein gutes Zeichen, dann muss sich ihr Kreislaus verbessert haben.“, vermutete Michael. Doch er wagte es nicht den anderen Hoffnung zu machen, wo es nicht viel Hoffnung gab. Nun begann das bange Warten ein zweites Mal. Das Team war wieder zu den OP Sälen gegangen und hatte sich dort niedergelassen. Jedes Mal, wenn auch nur das kleinste Geräusch zu hören war, schreckten alle auf und sahen zur Tür. Doch nichts geschah, so verging Minute um Minute. Thomas saß auf einem Stuhl und sah auf den Boden. Immer wieder liefen ihm Tränen die Wangen herunter und tropften auf den Fußboden, wo sich bereits eine kleine Pfütze gebildet hatte. Peter hatte schweigend seinen Arm um ihn gelegt. „Ich hab solche Angst, dass sie es nicht schafft…“, schluchzte Thomas. „Ich weiß, aber Biggi wird es schaffen, sie hat es bis hierhin geschafft und sie wird es auch noch weiter schaffen. Ich bin mir sicher, sie wird wieder ganz gesund.“, sagte Peter und versuchte überzeugt zu klingen. Doch überzeugt - das war er von seinen Worten nun wirklich nicht. Auch er betete, dass Biggi nicht sterben würde. Thomas sah ihn an und Peter bemerkte, wie mitgenommen er aussah. Er war ziemlich blass und seine Augen waren von Tränen gerötet. Diese hatten auch auf seinen Wangen ihre Spuren hinterlassen. Peter machte sich Sorgen um seinen Freund, ihn nahm das ganze Anscheinend um einiges mehr mit als die anderen, viel mehr. Peter wusste, dass zwischen Biggi und Thomas eine sehr innige Freundschaft bestand, aber langsam glaubte er wirklich, dass da noch mehr war…

Nach einer Stunde wurde endlich dir Tür des OP Saals geöffnet und Dr. Perding kam erschöpft heraus. „Und?“, fragten alle zugleich und sahen den Arzt erwartungsvoll an. Er atmete tief durch und begann dann: „Also, es ist uns gelungen nun alle inneren Verletzungen zu versorgen und auf die Herz-Lungenmaschine ist ihre Kollegin auch nicht mehr angewiesen, da sie wieder selbstständig atmet, aber trotzdem ist ihr Zustand noch sehr, sehr ernst.  Wir haben sie wieder in ein künstliches Koma versetzt, um so den Heilungsprozess zu beschleunigen. Wir müssen die nächsten Tage einfach abwarten.“

Alle sahen Dr. Perding noch immer an, niemand sagte etwas. Thomas war froh, dass sich Biggis Zustand anscheinend gebessert hatte, wenn auch nur minimal, doch dann dachte er wieder an ihre Rückenverletzung. Sie würde wahrscheinlich nie wieder laufen können - und nie wieder fliegen. Plötzlich bekam er Angst, Angst vor dem Moment, an dem Biggi bemerkten würde, dass sie gelähmt war, Angst vor dem Moment, wo sie es von den Ärzten erfahren würde, wie würde sie darauf reagieren? Doch am wichtigsten war für ihn nur eins: Dass sie noch am Leben war.

Nachdem Dr. Perding wieder zurück auf seine Station gegangen war, saß das Team noch eine Weile schweigend in der Cafeteria. "Mit Dr. Perding haben wir einen guten Arzt erwischt.", meinte Michael dann. "Aber das bringt doch auch nichts! Er wird sie nicht mehr laufen lassen können, Biggi wird gelähmt bleiben!! Kapiert ihr das??? Sie wird nie mehr gehen können!!!! Sie ist doch Pilotin!!! Sie ... sie LIEBT das Fliegen ... was ist denn das für ein Leben...", meinte Thomas erst schreiend, dann schluchzend, und ließ sich in Michaels Arme fallen, der ihn beruhigte und dabei selbst Tränen vergoss. "Ich weiß, Thomas ... ich weiß. Aber sie hat uns! Wir werden zu ihr halten, egal, was geschieht ... okay? Sie braucht uns jetzt, uns alle - und vor allem unsere Stärke. Wie soll sie denn bitte zu Kräften kommen, wenn wir jetzt auch noch den Hut abgeben hä?", er nahm in an den Schultern und rüttelte ihn. Dann sah er ihm in die verweinten Augen und fragte: "Verstehst du? Wir müssen ihr Kraft geben!" Thomas wischte sich die Tränen mit seinem nassen Overall endgültig vom Gesicht und sagte: "Verstanden." Michael nickte zufrieden, gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, trocknete seine eigenen Tränen und fügte in die Runde hinzu: "Und das gilt für uns alle." Alle nickten einstimmig. Sie würden Biggi jetzt nicht im Stich lassen - sie würden ihr helfen, nicht noch mehr Leid zufügen. Darin waren sich alle im Team einig. Nachdem die letzte Träne getrocknet war, machten sie sich erneut auf den Weg zu Biggi.

Die grünen Kittel hatten sie noch an, die Gesichtsmasken brauchten sie nicht mehr. Langsam betraten sie den Raum der Intensivstation. Gerade wechselten zwei Schwestern Infusionen und kontrollierten das Sauerstoffgerät, das Biggis noch zu schwacher Atmung eine Unterstützung sein sollte. Nachdem sie alle Werte notiert hatten, gaben sie dem Team ein Zeichen, näher zu kommen und verließen dann den Raum. Das EKG piepste unentwegt - allerdings bereits ein wenig schneller als zuvor, was ein gutes Zeichen war. Biggi lag immer noch leblos im Bett, die Kabel waren zwar einige weniger geworden, doch trotzdem erkannte man gut, dass ihr Leben noch immer von den Geräten abhing.

Plötzlich öffnete sich wieder die Tür und eine Schwester kam mit einigen Stühlen herein. Hinter ihr erblickten sie Dr. Perding. Dankend nahm das Team die Stühle an und ließ sich so nah wie möglich an Biggis Bett nieder. Thomas ergriff abermals ihre Hand, ganz vorsichtig, und strich ihr sanft über die Wange. Dr. Perding sah sich der Reihe nach alle Computer und Geräte genauestens an, wobei er leise war und kein Wort sagte. "Wie lange werden Sie sie noch im künstlichen Koma halten, Herr Kollege?", fragte Michael nach einer Weile. Dr. Perding blickte auf und entgegnete ihm dann: "Erstmal werden wir abwarten, bis ihr Zustand sich über längere Zeit stabilisiert. Ihre Werte schwanken mir noch viel zu sehr und ich will durch ein Aufwachen jede unnötige, kleinste Anstrengung verhindern. Ihr Zustand nach einer vollendeten OP ist sehr kritisch und die Gefahr einer erneuten Blutung besteht nach wie vor. Im übrigen erspare ich mir durch das Koma auch jegliche Schmerzmittel, die ansonsten unbedingt nötig wären und den Zustand allerdings enorm verschlechtern könnten. Verstehen Sie, Dr. Lüdwitz?" "Klar, ich verstehe. Ist bis jetzt also nicht in Aussicht." "Nein." "Ich wäre allerdings sehr der Ansicht", äußerte sich Dr. Perding erneut, "dass Sie alle jetzt nach hause gehen sollten und sich ausruhen. Im Moment können Sie rein gar nichts für Ihre Kollegin tun und sie ist hier in den besten Händen. Sehen Sie mal auf die Uhr, es ist bereits 2 Uhr morgens. Ich begrüße Sie gerne wieder, sobald sie ausgeschlafen sind und in Himmels Namen auf sich aufpassen. Ok?" Schweren Herzens mussten sie Dr. Perding Recht geben. "Aber Sie verständigen uns sofort bei der kleinsten Veränderung, ok?", meinte Michael. "Aber natürlich. Für wen halten Sie mich?" Michael nickte dankend, strich Biggi ein letztes Mal über das Haar und nahm Thomas an der Schulter. "Thomas, Dr. Perding hat Recht. Schau mal, wenn du dann wieder ausgeschlafen bist, kannst du viel länger bei ihr sein. Wir können nichts für sie tun, sie braucht Ruhe." Thomas blickte Biggi noch immer in das Gesicht. Er glaubte, in ihm einen unendlich traurigen Ausdruck zu erkennen, der ihm wieder die Tränen hochsteigen ließ. Doch dann fiel ihm wieder ein, was sie beschlossen hatten und er unterdrückte sie. "Tschüss...", meinte er leise und streichelte ein letztes Mal ihre Wange. Dann erhob er sich und ging mit Michael hinaus.

Gemeinsam begaben sie sich nach oben auf den Dachlandeplatz. Als Thomas sich in das Cockpit setzte, fragte er sich, ob Biggi je wieder hier sitzen können würde und dachte daran, wie hilflos und schwach sie in ihrem Intensivbett lag. Er konnte es nicht verhindern, dass seine Augen nass wurden. Und er wollte es auch nicht verhindern. Langsam ließ er die Rotoren an und nahm Kurs auf die Basis. Den ganzen Flug über wurde kein Wort gesprochen. Alle Gedanken waren bei Biggi und wie es nur  weiter gehen würde.

Nach einigen Minuten Flugzeit landeten sie schließlich auf der Basis. Als sie den Hangar betraten, fanden sie Max schlafend zwischen seinem Werkzeug. Er hatte die ganze Zeit auf sie gewartet. Ebelsieder hatte die Basis offensichtlich schon längst verlassen. Als er sie hörte, schreckte Max hoch und fragte sofort: "Und? Wie geht's ihr??" "Wir müssen abwarten, Max. Es geht ihr nicht sonderlich gut. Aber fahr doch nachhause und leg dich richtig hin. Morgen sehen wir weiter, ok?" "Ich ... ich hab mir solche Sorgen gemacht. Warum müsst ihr immer in so eine Scheiße hineingeraten, hm??", fragte er aufgebracht und zugleich den Tränen nahe. Keiner fand eine Antwort darauf und hatte auch nicht die Kraft dazu, eine Antwort zu finden.

Peter verzog sich nach hinten in seinen Wohncopter, während Karin, Michael und Thomas sich auf den Weg zu ihren Autos machten. Irgendjemand hatte Michaels Jeep hergebracht, womöglich ein netter Zug eines Polizeibeamten.

Als Thomas auf dem Parkplatz stand, ergriffen seine Augen plötzlich das Motorrad. Biggis Motorrad. Er berührte es mit zittrigen Händen und brach daraufhin in Tränen aus. Schluchzend beugte er sich darüber und brüllte voller Wut in die Nacht hinein: "NEIN!!!! Warum sie??? Sagt mir doch VERDAMMT NOCH MAL, warum sie ...", er ließ sich zu Boden fallen und stützte verzweifelt seinen Kopf in seine Hände.

Irgendwann spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter - Michael. "Ich hab dir doch gesagt, dass wir das schaffen, oder?", sagte er in einer seltsamen Stimme. Thomas blickte auf und sah in sein Gesicht, das voller Tränen war. Eine Weile blickten sie sich einfach nur an - dann fielen sie sich in die Arme.

Die beiden Freunde lagen sich minutenlang in den Armen. Es herrschte Totenstille - bis auf das leichte Rauschen der Salzach neben ihnen. Dann löste sich Thomas langsam aus der Umarmung und meinte: "Glaubst du das?? Ich bin mir da nicht so sicher, mein Freund..." "Das wichtigste ist doch, dass sie am Leben ist, Thomas!" "Aber es ist doch nicht mal DAS sicher!!" Darauf wusste Michael keine Antwort. "Komm, wir fahren.", sagte er dann, nahm Thomas die Schlüssel aus der Hand, verwies ihn auf den Beifahrersitz und ließ den Motor an.

Dann fuhren sie los. Karin war bereits an der Villa angekommen. Ohne auf die beiden zu warten und ihnen eine gute Nacht zu wünschen, hatte sie sich erschöpft in ihr Bett gesunken. Auch sie machte sich Vorwürfe. Hätte sie den Notfallrucksack doch nur nicht im Auto liegen lassen. Hätte sie ihn doch selbst geholt! Hätte sie doch nur nicht Biggi zur Suche verwiesen! Dieser verdammte Notfallrucksack...

Kurze Zeit später kamen Michael und Thomas zuhause an. Michael meinte: "Schlaf gut", zu Thomas. Dieser erwiderte nichts. "Versuch es zumindest", meinte Michael dann. Es wurde eine endlose Nacht..

Als Michael sein Schlafzimmer betrat, schlief Karin bereits. Er legte sich neben sie und war wenig später ebenfalls eingeschlafen.

Thomas konnte nicht einschlafen. Er wälzte sich im Bett unruhig hin und her und war mit seinen Gedanken die ganze Zeit nur bei Biggi. Doch schließlich wurde er von seiner Müdigkeit überwältigt und fiel in einen sehr unruhigen Schlaf. Aber schon nach kurzer Zeit schreckte er wieder hoch. Schweißgebadet saß er senkrecht im Bett. Er hatte einen Albtraum gehabt, in dem Biggi gestorben war. Er wollte sich gerade wieder hinlegen, als er sich an seinen letzten Alptraum erinnerte, der von Biggis Unfall gehandelt hatte. Er wurde unruhig, stand auf und ging die Treppe hinunter zum Telefon. Dann wählte er die Nummer des Krankenhauses. Es dauerte eine Weile bis er Dr. Perding an der Leitung hatte. „Ich wollte mich nur erkundigen, wie es Frau Schwerin geht.“, sagte Thomas. „Machen sie sich keine Sorgen, ihr Zustand ist soweit stabil, aber falls es irgendwelche Veränderungen geben sollte, werde ich sie sofort informieren.“, versprach der Arzt ihm. „Danke.“, murmelte Thomas und verabschiedete sich dann. Er atmete auf, es war wirklich nur ein Traum gewesen – ein schrecklicher Alptraum. Thomas beruhigte sich nur langsam wieder. Er beschloss in die Küche zu gehen und sich ein Glas Wasser zu holen. Dann nahm er sein Glas und setzte sich an den Küchentisch. Er dachte nach. Über sich und über Biggi. Sein Blick fiel auf ein Bild, das an der Wand hing. Lisa und Laura hatten es für ihn gezeichnet, als sie noch im Kindergarten gewesen waren. Man konnte auf dem Bild einen rot gelben Hubschrauber erkennen, der eine BK 117 darstellen sollte – seinen Engel. Unvermeidbar dachte er wieder an Biggi. Nie wieder würde sie ihren Engel fliegen können. Thomas konnte nichts dagegen tun, dass ihm wieder die Tränen kamen.

Dann blickte er auf den Kühlschrank, auf den durch den Türspalt ein matter Lichtstrahl fiel und die sonst dunkle Küche ein wenig beleuchtete. Am Kühlschrank hingen Fotos mit Magneten befestigt – viele Fotos. Eines von ihnen zeigte Gabi und Biggi, wie sie zusammen mit Gonzo vor dem Eingang der Basis saßen. Es war ein sehr schönes Foto. Thomas ging zum Kühlschrank, nahm es ab und setzte sich mit dem Foto in der Hand zurück an den Tisch. Er betrachtete es lange – sehr lange. Immer wieder liefen ihm Tränen über die Wangen und tropften auf den Tisch und auf das Foto. Thomas erinnerte sich noch genau an Gabis Tod. Es war schrecklich gewesen eine Kollegin auf so tragische Weise zu verlieren. Was war, wenn mit Biggi das gleiche passieren würde? Thomas mochte nicht daran denken, zumal Biggi für ihn viel mehr als nur eine Kollegin war… Nein! Seine Biggi durfte nicht sterben! Thomas versuchte sich wieder zu beruhigen, was ihm jedoch nur sehr, sehr langsam gelang. „Der Arzt hat gesagt, ihr Zustand ist stabil.“, versuchte er sich immer wieder einzuhämmern um den schrecklichen Gedanken, dass Biggi sterben könnte aus seinem Kopf zu verdrängen. Thomas nahm das Foto hoch und sah es noch einmal durchdringlich an. Dann strich er sanft mit seinem Finger über Biggi…

„Thomas…Thomas, aufwachen!!“, rief eine Stimme und jemand rüttelte Thomas unsanft an den Schultern. „Was?“, er schreckte hoch. Es war Michael, wie er einige Sekunden später bemerkte. „Ich muss wohl eingeschlafen sein...“, murmelte Thomas. Er saß immer noch am Küchentisch und hielt das Foto von Biggi und Gabi in der Hand, was auch Michael nicht verborgen geblieben war. Inzwischen war es bereits wieder hell draußen und die Sonne schien durch das Küchenfenster auf den Tisch. „Wie…wie spät ist es?“, fragte Thomas dann erschrocken. „Halb acht.“, antwortete Michael ihm. „Ich fahr gleich zu Biggi.“, beschloss er. „Thomas, lass uns erst einmal frühstücken, dann fahren wir alle zusammen zu ihr, okay?“, versuchte Michael ihn zu überreden. Thomas nickte leicht. Dann stand er auf, ging ins Bad und nahm erst mal eine Dusche. Michael und Karin machten währenddessen Frühstück. Karin kochte den Kaffee und Michael fuhr Brötchen holen. Als Thomas aus dem Bad kam, war der Tisch bereits gedeckt und das Frühstück wartete. „Morgen“, begrüßte Karin ihn. „Morgen“, gab Thomas nur leise zurück. Dann lies er sich auf seinen Stuhl fallen. Die Stimmung war ziemlich bedrückend und keiner sagte auch nur ein Wort. Thomas hatte keinen Bissen angerührt. „Hey, Thomas, willst du nicht etwas essen?“, fragte Michael seinen Freund besorgt. Doch Thomas schüttelte den Kopf. „Ich bekomme jetzt nichts runter.“ „Damit hilfst du Biggi auch nicht.“, mischte Karin sich nun ein. Thomas zuckte nur mit den Schultern. Er konnte jetzt wirklich nichts essen, nicht, wenn er wusste, dass es Biggi so schlecht ging. Michael machte sich Sorgen um ihn, doch was sollte er schon tun? Er konnte Thomas schließlich nicht zwingen etwas zu essen. Nach dem Frühstück fuhren sie los. Michael bot Thomas an zu fahren und dieser nahm das Angebot seines Freundes dankbar an. Karin setzte sich auf den Rücksitz und so fuhren sie los zur Klinik.

Thomas wollte sofort zu Biggi, doch Michael und Karin wollten sich zunächst noch mit dem behandelnden Arzt unterhalten. Also gingen die beiden zusammen mit Dr. Perding in sein Büro, während Thomas schon vorging zu Biggis Zimmer. Er hoffte so sehr, dass sich ihr Zustand gebessert hatte, wenn auch nur ein ganz kleines bisschen. Ein ganz kleines bisschen, dass die Hoffnung wieder ein ganz kleines bisschen wachsen lassen würde. Die Hoffnung, dass alles wieder gut werden würde.

Den Weg zur Intensivstation hatte sich Thomas inzwischen schon gemerkt. Ungeduldig zog er sich den bekannten grünen Kittel über und betrat dann langsam den Raum, in dem Biggi lag. Er trat näher an ihr Bett. Sie lag immer noch so da wie gestern. Das EKG piepste ebenso noch. Ein beruhigendes Geräusch, ein sehr beruhigendes. Solange er das unentwegte Piepsen hörte, wusste er, dass Biggi am Leben war. Das war im Moment alles, was zählte. Die Sessel von heute Nacht waren an den Zimmerrand gestellt worden. Er nahm sich einen und setzte sich ganz nah an Biggis Bett. Es war ein wunderschönes Gefühl, so nah bei ihr zu sein und irgendwie über sie wachen zu können. Er griff wieder vorsichtig ihre Hand und sah sie mit tränenfeuchten Augen an. "Hey Biggi. Ich bin's, Thomas.", sagte er leise. "Wir machen uns große Sorgen um dich, weißt du ... du musst so schnell wie möglich gesund werden, ok?" Er wischte sich die erste Träne aus dem Auge. Er fasste sich wieder und meinte: "Max lässt dich ganz schön grüßen. Er wollte eigentlich mitkommen, aber er darf noch nicht. Hier gelten andere Regeln als auf der Basis", meinte er und schmunzelte unter Tränen. "Weißt du noch, als er damals plötzlich am Heli auftauchte? Ich hab den guten Max ja richtig gern, aber das werd ich ihm nie verzeihen. Mir hat das Herz so wehgetan, als wir 'Gute Nacht' sagen mussten und verschwanden. Ich hätte dich damals so gern ... geküsst.", sagte er leise und fügte hinzu: "Aber ich hab ja keine Ahnung, ob du das auch gewollt hättest ... und vielleicht werd ich's nie erfahren".  Daraufhin begann er wieder zu weinen und verbarg schluchzend sein Gesicht in der Bettdecke. Das EKG piepste immer noch. Er hielt immer noch ihre Hand in seiner.

Doch plötzlich - träumte er etwa? Es war, als hätte Biggis sich ganz kurz bewegt und seine fester gehalten. Nein, er konnte nicht träumen. Sie musste es verstanden haben. Sie musste ihm geantwortet haben!!! Erst mal bekam er kein Wort raus, doch dann sagte er ganz leise: "Ich hab verstanden." und strich ihr unendlich glücklich über die Wange.

Er wusste, dass sie nicht aufwachen würde, doch sie hatte ihn gehört und sie hatte reagiert! Das war das höchste der Gefühle. Das erste Mal in den letzten eineinhalb Tagen war er richtig glücklich. Ein wenig glücklich. Noch war nichts überstanden. Doch er wusste, sie würden es überstehen...

Kurz darauf kamen Michael und Karin rein. Auch sie nahmen sich einen Sessel und setzten sich an die andere Seite des Bettes. Dann erzählte ihnen Thomas glücklich von Biggis Reaktion, ohne den Grund zu erwähnen, natürlich. Michael und Karin waren gleichermaßen überrascht und freuten sich natürlich riesig. Keiner hätte wohl etwas Derartiges erwartet. "Und was sagt Dr. Perding?", fragte Thomas nach einer Weile. Michaels Gesichtsausdruck wurde wieder ernster. "Er meint, ihr Zustand sei zwar zeitweise recht stabil, doch ihr Kreislauf mache ihm Sorgen und er habe immer noch Angst vor weiteren Blutungen. Sollten keine eintreten, könne er in absehbarer Zeit versuchen, sie aus dem Koma zu erwecken, will aber noch abwarten. Es ist einfach zu gefährlich und wäre für den Heilungsprozess unvorteilhaft. Und ohne Morphium wären die Schmerzen für sie kaum auszuhalten, aber das Mittel verträgt sich nicht sehr gut mit den übrigen Medikamenten." "Aha.", sagte Thomas nur traurig. Er dachte daran, dass Biggi unter dem LKW unglaubliche Qualen gelitten haben musste und spürte schon wieder, wie seine Augen feucht wurden. "Übrigens hat Ebelsieder an meinem Handy angerufen. Bis übermorgen hat er es geschafft, Rosenheim in den Dienst zu stellen und uns freizugeben. Nachher allerdings sind wir wieder eingeteilt. Er ... er hat schon eine neue Pilotin engagiert ..." Als Michael den letzten Satz sagte, stand er auf und drehte sich zum Fenster. Wenigstens er sollte stark sein. Doch er konnte es nicht.

Eine neue Pilotin war so etwas Endgültiges, etwas, das zeigte, dass Biggi wohl nicht so schnell in ihren Dienst zurückkehren werde. Vermutlich gar nicht. Bis vor zwei Tagen war das Leben doch noch so schön gewesen. Leid und Glück lagen so unheimlich nahe beieinander...

Sie blieben noch lange bei Biggi.  Etwa eine Stunde nach Thomas, Karin und Michael waren auch Peter und Ralf gekommen und hatten sich an Biggis Bett gesetzt. Es wurde kaum ein Wort gesprochen. Jeder lauschte nur dem Piepsen des EKGs und beruhigte sich damit selbst. Vor allem Thomas. Gegen Abend knurrten dann bereits ihre Mägen, doch sie wollten bei Biggi bleiben, so lange es nur möglich war. Irgendwann gegen 21 Uhr wurden sie unverweigerlich nach Hause geschickt. Müde und hungrig wie sie waren, entschieden sie, dass es wohl das Richtige war, und verabschiedeten sich leise von Biggi. Ohne dass die anderen es sehen konnten, schickte Thomas ihr einen Kuss zu. Er streichelte ein letztes Mal über ihr Haar und verließ dann hinter seinen Freunden die Intensivstation.

Sie entschlossen sich, noch gemeinsam einen Imbiss in einem kleinen Café in der Stadt zu essen, da keiner in der Verfassung zum Kochen war. Anschließend fuhren sie nachhause. Die Nacht wurde kaum besser als die letzte, nur dass Thomas von Alpträumen verschont blieb. Er wälzte sich gute drei Stunden in den Schlaf, und wachte um fünf Uhr morgens bereits wieder auf. Da er bestimmt nicht wieder einschlafen konnte, entschloss er sich, für Lisa, Laura und Dirk ein ausgiebiges Frühstück vorzubereiten. Das würde ihn ein wenig ablenken und die Kinder hätten eine Freude.

Gerade als er Spiegeleier in der Pfanne brutzeln ließ, tauchte Michael in der Tür auf. Es war kurz nach halb sechs. "Konntest wohl auch nicht länger schlafen, oder?" "Ne. Wie denn. Auch ein Spiegelei?", fragte Thomas ihn. "Ja, aber wenn schon denn schon - gib mir gleich auch Speck dazu." "Zu Befehl." Während Thomas für das Ham&Eggs Speck in Scheiben schnitt, meinte Michael: "Ich ruf jetzt mal in der Klinik an. Ist doch ok oder?" "Ja,  bitte tu das. Ich ... ich hab mich nicht getraut." "Komm her", meinte Michael dann nach einer kurzen Pause und nahm ihn fest in die Arme. Thomas war ihm unendlich dankbar. Als bester Freund hatte er feinste Sensoren, wobei es ihm selbst nicht viel besser ging als Thomas. Als beinahe die Eier anbrannten, lösten sie die Umarmung und Michael machte sich auf den Weg zum Telefon.

Langsam wählte er die Nummer der Klinik, die er inzwischen schon fast auswendig kannte. Wie immer dauerte es eine Weile, bis er endlich mit Dr. Perding verbunden war. „Lüdwitz hier, guten Morgen.“ „Guten Morgen Herr Dr. Lüdwitz.“, vernahm Michael Perdings Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ich wollte mich nach dem Zustand von Frau Schwerin erkundigen.“ „Ihr Zustand hat sich nicht wesentlich verändert, allerdings hat sich ihr Kreislauf über Nacht wieder etwas stabilisiert. Wenn es jetzt keine Komplikationen gibt und ihre Werte weiterhin stabil bleiben, können wir sie vielleicht in einigen Tagen aus dem künstlichen Koma holen. Aber ich will ihnen nicht zu viele Illusionen machen, sie als Arzt wissen ja selbst….“ Michael nickte nur stumm. Dann verabschiedete er sich und ging wieder zu Thomas in die Küche. „Und?“, fragte er Michael und sah ihn erwartungsvoll und zu gleich hoffend an. „Es gibt nichts neues, ihr Zustand ist unverändert.“, log Michael. So schwer es ihm auch fiel seinen besten Freund anzulügen, er wollte ihm keine Hoffnungen machen, die vielleicht doch nur wieder zerstört werden würden. Das wollte er Thomas ersparen, er litt schon genug.

Gerade als Michael und Thomas die Spiegeleier fertig hatten klingelte das Telefon. Thomas sah Michael an. Bei jedem Anruf  bekam er Angst, dass es die Klinik war, die ihnen mitteilen wolle, dass sich Biggis Zustand verschlechtert habe. Doch zugleich bestand auch jedes Mal die Hoffnung, dass es die Klinik war und dass man gute Nachrichten für sie hatte. Thomas ging schließlich doch ran. Er atmete tief durch und meldete sich dann „Wächter?“ „Guten Tag, Herr Wächter, hier ist Frank Ebelsieder. Ich möchte sie und ihre Kollegen bitten heute Nachmittag schon auf dem Stützpunkt zu erscheinen, damit ich ihnen unsere neue Kollegin vorstellen kann.“, sagte Ebelsieder mit ernster Stimmte. Thomas war gar nicht wohl beidem Gedanken, doch was blieb ihm anderes übrig als einzuwilligen. Nach dem Ende des Gesprächs ging er in die Küche und informierte auch Michael, da Ebelsieder ihn darum gebeten hatte.

Auch Michael  war nicht gerade begeistert, doch er wusste, dass das Leben – und auch der Basisbetrieb – irgendwie weitergehen musste. Thomas konnte sich nur sehr schwer mit dem Gedanken abfinden, dass ab morgen jemand anders das B Team durch die Luft kutschieren würde. Dass ab morgen jemand anderes Biggis Platz einnehmen würde, dass eine fremde Pilotin seinen Engel fliegen würde, Biggis und seinen Engel… Und irgendwie entwickelte er eine Wut auf die neue Kollegin. Natürlich konnte sie absolut nichts für Biggis schweren Unfall und auch nichts dafür, dass sie diesen Job bekommen hatte, doch Thomas hatte das Gefühl, dass sie Biggi von der Basis verdrängen werden würde. Doch das würde er auf keinen Fall, unter keinen Umständen zulassen. Niemand würde Biggi von dort verdrängen, niemand!

Bald waren auch Dirk, Lisa und Laura aufgestanden und in die Küche gekommen. Sie freuten sich sehr über das Frühstück, dass ihre Väter ihnen zubereitet hatten. Sie hatten ziemlich großen Hunger und aßen fast alles alleine auf, was Michael und Thomas nicht weiter störte, da sie sowie so kaum etwas herunterbekamen.

Gleich nach dem Frühstück setzte Thomas sich in sein Auto und fuhr in die Klinik zu Biggi. Michael und Karin wollten am Vormittag noch einige Dinge erledigen und erst am Abend, nach der Vorstellung der neuen Kollegin auf der Basis, noch einmal ins Krankenhaus fahren. Den Weg zu Biggis Zimmer kannte Thomas inzwischen schon auswendig. Wie jedes Mal, wenn er sie besuchte, musste er sich einen grünen Kittel überziehen, bevor er das Intensivzimmer betreten durfte. Dann ging er rein zu ihrem Bett und setzte sich auf den Sessel, der noch vom Vortag dort stand. Das EKG piepste immer noch gleichmäßig. Meistens nahm Thomas es überhaupt nicht mehr richtig war, zu viel Zeit hatte er hier schon verbracht. Nur ab und an sah er hinüber zu dem Monitor auf dem Biggis Herzkurve aufgezeichnet wurde, um zu schauen, ob auch wirklich noch alles in Ordnung war. Er nahm vorsichtig ihre Hand und drückte sie leicht. „Hey, Biggi, ich bin’s Thomas, ich bin bei dir.“, sagte er zu ihr. Er hoffte, dass sie ihn hören würde und vielleicht noch einmal seine Hand drücken würde, doch nichts geschah. Dann begann er ihr zu erzählen, von der neune Pilotin. „Ebelsieder hat eine neue Pilotin engagiert. Wir sollen heute Nachmittag zur Basis kommen um sie kennen zu lernen… Aber weißt du was? Ich werde einfach nicht hingehen, ich will sie überhaupt nicht kennen lernen. Du weißt doch…unseren Engel darf außer mir nur eine Person fliegen, Biggi und das bist du…“, sagte er wobei er seine Tränen unterdrücken musste. „Ich werde heute den ganzen Tag bei dir bleiben, das verspreche ich dir...“, fügte er noch hinzu. Er beugte sich zu Biggi herunter und küsste sie ganz sanft auf die Wange. Dann sah er sie an und versuchte sie zu anzulächeln. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Er musste wieder daran denken, dass Biggi ihren Engel wahrscheinlich nie wieder fliegen können würde. Und so kamen Thomas doch wieder die Tränen, auch wenn er sich bemühte stark zu sein, er konnte es nicht, er schaffte es einfach nicht. Irgendwann schlief er erschöpft mit dem Kopf auf Biggis Bettdecke liegend und ihre Hand noch immer fest umklammert haltend ein. Da er die ganze Nacht kaum ein Auge zugemacht hatte, war er ziemlich erschöpft.

Gegen Nachmittag fanden sich Michael, Ralf, Karin, Peter, und Max auf der Basis sein. Auch Ebelsieder war bereits da, nur Thomas fehlte noch. Natürlich wusste Michael genau, dass Thomas noch bei Biggi in der Klinik war, doch er sagte nichts, als Ebelsieder ungeduldig nach dem Piloten fragte. Dann sah man ein Auto auf den Parkplatz fahren, aus dem wenig später eine Frau ausstieg. Das musste sie sein, die neue Pilotin, Biggis Ersatz – oder sogar Nachfolgerin….

Das gesamte Team, inklusive Ebelsieder und Max, blickte neugierig aus dem Fenster. Die Frau trat bereits auf die Basis zu. Sie hatte dunkle Haare, die hinten zu einem strengen Knoten gebunden waren und auch sonst hatte sie offensichtlich nicht gerade freundliche Gesichtszüge an sich. Sie trug hohe Stöckelschuhe und einen Minirock. "Na damit wird sie im Dienst wohl nicht viel anfangen können", dachte sich Michael innerlich. Er wusste, dass seine Freunde wohl dasselbe denken mussten - was sie auch taten. Das sollte eine Pilotin sein?? Schließlich öffnete sich die Basistür und die Frau trat in den Aufenthaltsraum. "Guten Tag, Katja Winter mein Name." Der Eindruck aus der Entfernung hatte nicht getäuscht. Frau Winters starrer Gesichtsausdruck brachte kein Lächeln zustande.

Nach kurzer Schweigepause trat Ebelsieder auf sie zu und schüttelte ihr die Hand. "Herzlich Willkommen, Frau Winter. Tja, wenn ich Ihnen unser Team vorstellen darf? Sie werden mit Dr. Karin Thaler und Ralf Staller zusammenarbeiten." Er zeigte auf die beiden, die recht unvermittelt im Raum standen und Frau Winter kurz begrüßten. "Und das hier sind Dr. Lüdwitz und Peter Berger, Notarzt sowie Sanitäter. Jaaa, und ihr verehrter Kollege Herr Wächter hat sich leider noch nicht so gnädig erwiesen, bei uns vorbei zu sehen." "Herr Ebelsieder!", raunte Michael ihm ärgerlich zu. "Nun ja, soweit so gut. Ich vermute Sie haben in der Zentrale von dem traurigen Zwischenfall, ihre Kollegin betreffend, gehört?" "Ja, das habe ich.", antwortete sie kühl, ohne den geringsten Anflug von Mitgefühl. "Könnte ich nun bitte die Räumlichkeiten dieses Anwesens begutachten?" "Aber natürlich. Folgen Sie mir.", meinte Ebelsieder galant und verließ im Schlepptau Frau Winters den Aufenthaltsraum.

Das Team blieb wie angewurzelt stehen. Winter. Der Name passte ihr ja wie der Punkt auf das i. "Habt ihr das gehört?", meldete sich nun Ralf zu Wort. "Trauriger Zwischenfall. Trauriger Zwischenfall!!! Dass Biggi dort in der Klinik querschnittgelähmt zwischen Leben und Tod schwebt, nennt er einen 'traurigen Zwischenfall'??? Ja was war das eben denn dann bitte??? Ein eiskalter Zwischenfall? Ich sag's euch, mit der Kuh halte ich keinen einzigen Einsatz aus. Ich schließe mich Thomas an. Tschüss!" Mit diesen Worten packte er seine Jacke und verschwand. Schweigend hatten Michael, Karin und Peter dem sonst so ruhigen Ralf zugehört. Er hatte ihnen aus dem Herzen gesprochen, nur waren sie noch nicht ganz ausgeruht von dem Bild, das sich ihnen in den wohl zumindest nächsten Wochen oder gar Monaten bieten würde. Na bravo. Auch sie wussten nicht, was sie nun hier auf der Basis noch zu suchen hätten und verließen eiligst den Aufenthaltsraum.

Thomas war inzwischen wieder aufgewacht, saß aber immer noch an Biggis Bett. Eine Schwester hatte zwei Infusionen gewechselt und ihr war dabei eine Flasche runtergefallen. Sie grüßte ihn leise und verließ dann wieder den Raum. Er hatte sie verschlafen angeblickt und sah nun auf Biggi. Es hatte sich nichts geändert. Sie lag immer noch mit geschlossenen Augen im Bett. Wieder begann er, sie zu streicheln. Als er gerade mitten in Gedanken war, wurde die Tür aufgerissen. "Hey, halten Sie gefälligst Ruhe hier!", hörte er sofort darauf eine Stimme rufen, und im nächsten Augenblick stand Ralf vor ihm. "Hi", meinte er und setzte sich an die andere Seite von Biggis Bett. "Hi", entgegnete ihm auch Thomas. Ralf sah ganz schön gestresst und missgelaunt aus. "Na? Ist dir eine Laus oder die neue Pilotin über die Leber gelaufen?", versuchte er einen Scherz aus dem zu machen, was ihm innerlich das Herz zerfraß. "Frag lieber nicht.", antwortete Ralf ihm. "Du wirst es früh genug erleben – jede Minute die du sie nicht siehst ist eine geschenkte Minute." Thomas erwiderte nichts darauf. Hatte er sich's doch gedacht. Es würde sowieso niemand Biggis Platz ersetzen können. Ob es nun eine sympathische Kollegin oder eine dumme Pute versuchte. "Gibt's was neues?", fragte Ralf nach einer Weile. "Ich habe Dr. Perding heute nicht gesehen. Der wird wohl auch irgendwann mal Feierabend haben. Die Schwestern sagen, sie sei stabil." "Na wenigstens etwas."

Eine gute Stunde blieben sie schweigend sitzen, dann kamen Karin, Michael und Peter rein. "Hallo ihr drei", sagten sie leise und setzten sich auf die übrigen Sessel. "Wir haben grade mit Dr. Perding geredet. Er ist mit Biggis Zustand recht zufrieden. Sollte er sich nicht verschlechtern, was leider immer noch möglich ist, bleibt er dabei, sie in ein paar Tagen aus dem Koma zu holen." "Ich hab Angst davor.", meinte Thomas leise darauf. Den anderen ging es genauso. Zu Recht. Wenn Biggi erfuhr, dass sie wohl nie wieder, nie wieder werde gehen, geschweige denn fliegen können - was war dann? Sie konnten es ja selbst nicht verkraften. Ebenso zu Recht. Keiner wusste, wie es weitergehen sollte. Thomas erinnerte sich, dass er mal gelesen hatte, es würde für jedes Problem eine Lösung, für jede Frage eine Antwort geben. Man müsse sie nur finden. Aber wo sollte man bitte eine Suche danach beginnen, die wiederum in der Hoffnungslosigkeit enden würde? Es hatte doch alles keinen Sinn. "Ich brauch jetzt einen Espresso, auf diesen Tag.", meinte Michael nach einiger Zeit. Er erhob sich und auch Karin, Ralf und Peter folgten ihm. Nur Thomas riss sich nicht los. Er hätte verdammt noch mal auch einen Espresso gebraucht, aber er wollte Biggi nicht alleine lassen. Er wusste genau, dass sie seine Anwesenheit spürte, und das sollte sie, solange es nur möglich war. Als er sich sicher war, dass in der nächsten Zeit keiner im Zimmer auftauchen würde, zog er aus seiner Tasche einen kleinen Kassettenrekorder hervor. Er hatte ihm heute Morgen eingesteckt. Für Biggi. Er stellte ihn auf das kleine Nachttischen und drückte auf die Play-Taste. Kurz darauf war wieder die wunderschöne Melodie zu hören, die Biggi bereits vor wenigen Tagen von allem Schmerz erlöst hatte. Wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Ihr Engel. Ihr Engel machte die schrecklich grünen Kacheln des Raumes wärmer, die düsteren grauen Wolken draußen freundlicher - und die Aussicht auf morgen hoffnungsvoller.

Thomas hatte bei der Aufnahme extra einige Male die Rotoren aufheulen lassen - sie sollten Antrieb geben. Nicht nur dem Flug. "Hörst du ihn?", meinte Thomas leise zu Biggi. "Er wartet schon auf dich." Er lächelte sie lieb an und strich ihr sanft über die Wange. "Er vermisst dich ... genau wie ich." Thomas konnte es sich selbst zwar nicht glauben, und er würde wohl immer denken, es sei nur eine lächerliche Wunschvorstellung gewesen - doch er vermeinte, in Biggis Gesicht ein ganz, ganz leichtes Lächeln zu erkennen.

Hatte sie das Geräusch des Helikopters gehört? Er war sich sicher, dass sie es gehört hatte, genau so wie er sich sicher war, dass sie ihn gestern verstanden hatte und seine Hand gedrückt hatte. Und so wuchs die Hoffnung wieder ein kleines Stückchen. Die Hoffnung, dass alles wieder gut werden würde, die Hoffnung, dass Biggi wieder ganz gesund werden würde. Obgleich Thomas die Prognose der Ärzte kannte und wusste, dass Biggi wahrscheinlich nie wieder laufen können würde.

Nach etwa zwei Stunden betraten die anderen wieder das Intensivzimmer. Thomas saß immer noch bei Biggi und hielt ihre Hand. „Thomas, kommst du? Wir fahren jetzt?“, fragte Michael ihn. Thomas sah ihn an, „Nein, ich bleibe bei Biggi.“, sagte er dann entschlossen. „Ok, aber komm nicht zu spät, du weißt wir haben morgen gleich die erste Schichte.“ Thomas nickte, ihm war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken morgen wieder arbeiten zu müssen. Viel lieber hätte er wieder den ganzen Tag an Biggis Krankenbett gewacht. Außerdem würde er dann, wenn er zum Dienst gehen würde, unvermeidlich die neue Pilotin kennen lernen, Biggis Ersatz…Doch er wusste, dass er keine andere Wahl hatte als morgen zum Dienst zu erscheinen, Ebelsieder war sicherlich schon nicht sonderlich erfreut gewesen, dass er heute einfach weggeblieben war.

Michael, Peter, Karin und Ralf verabschiedeten sich von Thomas und von Biggi. Dann verließen sie das Krankenhaus und fuhren nach Hause. Thomas blieb noch lange bei Biggi – sehr lange. Er wollte einfach nur bei ihr sein, sie nicht alleine lassen. Er war sich sicher, dass sie spürte, dass er da war. Um halb zwölf betrat schließlich Dr. Perding das Zimmer und schickte ihn nach Hause. „Meinen sie nicht, dass es besser ist, wenn sie jetzt gehen und ein wenig schlafen?“, fragte er Thomas. Thomas meinte nur leise: „Aber ich will doch nur bei ihr sein…“ „Ihre Kollegin ist bei uns in den besten Händen, das verspreche ich ihnen und wenn sich ihr Zustand auch nur irgendwie verändert, werde ich sie sofort telefonisch verständigen.“, versprach Dr. Perding ihm. Thomas gab sich schließlich geschlagen. Er warf Biggi einen sehnsüchtigen Blick zu. Dann drückte er ihre Hand noch einmal etwas fester und sagte. „Gute Nacht, ich komme morgen wieder, versprochen.“ Er strich ihr noch einmal sanft mit der Hand über die Wange und verließ dann langsam das Zimmer.

Am nächsten Morgen wurde Thomas dadurch geweckt, dass Michael in sein Zimmer kam und rief: „Thomas, aufwachen, wir haben verschlafen, in 20 Minuten beginnt unsere Schicht.“ Sofort stand Thomas senkrecht im Bett. „Was????“, fragte er und blickte ungläubig auf die Uhr. Diese zeigte tatsächlich bereits zwanzig vor acht an. „Mist“, fluchte Thomas und stand gähnend auf. Ihm fiel ein, dass er eigentlich vor dem Dienst noch zu Biggi wollte, aber das konnte er jetzt wohl vergessen. Er seufzte, Ebelsieder würde ihm den Kopf abreißen, wenn er heute wieder nicht zum Dienst erscheinen würde, das hätte Biggi sicher nicht gewollte. Also beschloss er nach der Schicht zu ihr zu fahren.

Eilig ging Thomas ins Bad und machte sich fertig. Zum Frühstücken hatten er und Michael keine Zeit mehr, sie nahmen sich jeder einen Apfel mit, den sie auf dem Weg zur Basis aßen. Trotz allen Bemühungen kamen sie etwas zu spät. Doch Ebelsieder war noch nicht da und so machte es nichts aus. Peter saß bereits fertig umgezogen im Aufenthaltsraum. Es war eine merkwürdige Stimmung. Alle dachten an Biggi, es war der erste Tag, an dem sie Dienst hatten und sie nicht hier war. Das erste Mal in seinem Leben ärgerte Thomas sich darüber, dass die Schicht ruhig war, zu ruhig. Ein Einsatz hätte ihn wenigstens etwas abgelenkt. Michael und Peter ging es nicht besser. Sie saßen gelangweilt auf dem Sofa und wussten nicht, worüber sie sich unterhalten sollten. Es war einfach nicht die Stimmung für ein Gespräch. Thomas war inzwischen nach draußen gegangen, auf die Wiese neben dem Hangar. Er ging langsam über die Wiese bis er schließlich an der Salzach ankam, die dich an der Basis vorbei floss. Ersetzte sich dort an ihre Lieblingsstelle, seine und Biggis Lieblingsstelle. Hier hatten sie oft stundenlang gesessen und sich unterhalten, oder einfach nur die Stille genossen. Thomas musste daran denken, dass er und Biggi hier vielleicht nie wieder zusammensitzen würden. Er dachte wieder daran, wie sie reagieren würde, wenn sie von ihrer schweren Rückenverletzung erfahren würde. Wie sollte sie damit fertig werden, wenn nicht einmal Thomas und die anderen dies schafften? Er wusste es nicht. Ihm stiegen Tränen in die Augen, immer wieder hatte er all die schönen Momente vor Augen, die er und Biggi erlebt hatten. Und wie oft hatten sie hier gesessen? Oft, sehr oft. Und nie hatte er sich getraut Biggi seine Gefühle zu gestehen…

Plötzlich schreckte Thomas hoch. Ein Geräusch eines Autos holte ihn in die Realität zurück. Er drehte sich um und sah, wie ein blauer Kleinwagen vor der Basis hielt. Wenig später stieg eine Frau aus. Das musste sie sein, Biggis Ersatz. Thomas wollte sie nun doch kennen lernen, er musste schließlich wissen, mit wem er es zu tun hatte, auch wenn ihm eigentlich schon das reichte, was er von den anderen gehört hatte. Langsam erhob er sich und wischte sich die Tränen aus den Augen. Dann ging er auf den Hangar zu. Michael und Peter saßen immer noch schweigend im Aufenthaltsraum. Ebelsieder war inzwischen auch bereits eingetroffen und war in seinem Büro. Er hatte Frau Winter sofort zu sich ins Büro beordert, da er noch einige Formalitäten mit ihr zu klären hatte. „Der Winter“, so nannten sie Frau Winter ab jetzt immer, „ist da.“, sagte Michael leise. Thomas nickte leicht, „Hab ich gesehen.“ Kurz darauf öffnete sich die Tür zu Ebelsieders Büro und er und Frau Winter traten heraus. Frau Winter ging auf Thomas zu und meinte spitz: „Sie müssen also Thomas Wächter sein. Winter, ich bin die neue Pilotin.“ Thomas gab ihr widerwillig die Hand. Er stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn diese Frau Winter für immer hier bleiben würde und Biggi ihren Job nie wieder aufnehmen können würde. Er verdrängte diesen Gedanken schnell wieder, denn er wollte jetzt nicht wieder in Tränen ausbrechen, nicht vor Ebelsieder und schon gar nicht vor dieser Frau Winter. „Ach übrigens…“, meldete sich nun Ebelsieder zu Wort. „Frau Winter benötigt noch einen Spind. Da wir keinen weiteren mehr frei haben, bitte ich sie den Spind von Frau Schwerin für Frau Winter frei zu räumen.“ Thomas, Peter und Michael starrten Ebelsieder an, als wenn er chinesisch sprechen würde. Diesem blieb das natürlich nicht verborgen. „Tut mir Leid, meine Herren, aber es geht nicht anders. Würden sie das bitte übernehmen, Wächter?“, sagte er dann. Thomas blieb nichts anders übrig, als mit Frau Winter zusammen in den Umkleideraum zu gehen. Vor Biggis Spind blieben sie stehen. „Dann machen sie mal!“, forderte Frau Winter ihn auf. Thomas funkelte sie wütend an. Niemals würde er Biggis Spind für diese dumme Ziege leer räumen, niemals. Doch dann kam ihm die rettende Idee. Er öffnete seinen eigenen Spind und nahm die Sachen, die dort drinnen lagen, 2 Einsatzoveralls und nocheinpaar andere Dinge, heraus. Dann meinte er zu Frau Winter sauer: „So, hier haben sie ihren Spind.“ Diese guckte ihn etwas geschockt an, doch dann räumte sie wortlos ihre Sachen in den Spind. Thomas legte seine Sachen mit in Michaels Spind. Er wollte den Umkleideraum gerade wieder verlassen, als sich Frau Winter umdrehte und meinte: „Sollten sie nicht eigentlich den Spind von dieser Frau Schwerin räumen und nicht ihren eigenen? Sie braucht ihn jetzt ja schließlich nicht mehr!“ Nun reichte es Thomas. Er drehte sich um und funkelte sie wütend an. „Seien sie froh, dass sie überhaupt einen Spind haben und damit sie es wissen: Sie werden es nie schaffen Biggi hier zu verdrängen, nie!“, die letzten Worte schrie er förmlich heraus. Dann verließ er mit Tränen in den Augen aus dem Umkleideraum und lief in den Hangar.

Dort stützte er sich an einem Werkzeugtisch ab und atmete erstmal tief durch. Diese ignorante Kuh war es doch nicht wert, versuchte er sich einzureden. Er brauchte seine Energie jetzt für Biggi, und für keinen anderen, besonders nicht für Menschen wie diese Frau Winter. Er beschloss, sich nochmals an die Salzach zu setzen und dort auf Schichtende zu warten. Er hatte die Stimmung hier satt und wollte einfach nur weg, in die Klinik zu Biggi. Hier an ihrer Lieblingsstelle hatte er wenigstens das Gefühl, ihr irgendwie nahe zu sein. Das half ihm. Er lauschte dem Rauschen des Wassers und verlor sich in seinen Gedanken - an Biggi. Wieder einmal dachte er daran, wie hilflos und blass sie in ihrem Bett lag, ohne die geringste Regung. Verbunden an all die Maschinen, Geräte, Kabeln, Schläuche und Kanülen.

Ein Geräusch hinter sich ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. "Hey Thomas, hast du nicht auf die Uhr gesehen? Schichtwechsel, komm, wir fahren zu Biggi!" Es war Michael. Thomas hatte wirklich nicht auf die Uhr gesehen. Erfreut stand er auf, blickte noch mal ins Wasser und machte sich dann mit Michael auf den Weg zum Auto. Die Zeit, noch in den Umkleideraum zu gehen, sich umzuziehen und dabei womöglich auf den Winter zu treffen, nahm er sich nicht. Wieso sollte er sich das auch antun...

Als sie an der Klinik ankamen, ging Michael erst wieder zu Dr. Perding ins Büro, und so betrat Thomas schließlich allein die Intensivstation. Als er an Biggis Bett herantrat, sagte er leise: "Hey Biggi - ich bin's wieder, Thomas." Er setzte sich in den Sessel, in dem er schon die letzten Tage an ihrem Bett gesessen hatte, und streichelte sanft über Biggis Gesicht. "Schön, dich zu sehen." Er war richtig froh, wieder in ihrer Nähe zu sein und fühlte sich wohl dabei, sie einfach nur ansehen und berühren zu können. "Ich wollte eigentlich schon heute Morgen kommen, aber unser Männerhaushalt hat heute verschlafen. Tut mir leid. Ich hoffe, dir geht's gut." Er spürte wieder seine Augen feucht werden. "Ich kann dich ja schlecht fragen...", meinte er leise und nahm ihre Hand. "Aber irgendwann wirst du mir wieder antworten. Bald. Okay? Ich vermisse deine Stimme, sie ... sie hat mich immer so fröhlich gemacht." Er schluchzte leise. "Im Dienst, wenn ... wenn ich dich ansehen konnte, dein Lächeln, da konnte ich einen noch so schlechten Tag haben, ich wurde immer wieder fröhlich ..." Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Heute bin ich an unserer Lieblingsstelle gesessen, du weißt schon wo. Mein Gott hab ich dich vermisst. Wir werden da wieder sitzen, ja? Zusammen. Ich weiß, dass du es schaffen wirst, und egal was alles auf dich zukommt, wir werden es gemeinsam schaffen. Ich hab ja keine Ahnung ob du mich verstehst, ob du mich hörst. Wenn nicht, soll es wohl nicht sein. Aber wenn schon, dann ... dann solltest du wissen, wie lieb ich dich habe." Ohne dass er es verhindern konnte, rannen ihm erneut die Tränen runter. "Ich ... ich liebe dich. Über alles." Unentwegt streichelte er über ihre Wange und hielt ihre Hand fest. Er spürte, dass sie ihn hören konnte. Er wusste es.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Michael kam herein. "Hallo Biggi.", meinte er leise und setzte sich an die gegenüberliegende Seite des Bettes. Er sah sich das EKG und die Blutdruckwerte an, und machte dabei ein kritisches Gesicht. "Was ist los? Wieso schaust du so?", fragte Thomas ihn erschrocken und besorgt. "Thomas, ich - du weißt, ich habe eben mit Dr. Perding geredet." "Ja, ich weiß.", erwiderte er unruhig. "Er ist mit Biggis Kreislaufwerten nicht zufrieden. Der Kreislauf ist nicht in der Lage, den Heilungsprozess ihrer Verletzungen zu unterstützen, eher im Gegenteil. Kurz und gut, er will sie bereits morgen probeweise aus dem Koma holen. Er erhofft sich davon einen Antrieb für die Kreislaufwerte." "Was, morgen?" "Ja." "Dann wird sie bereits morgen erfahren, dass sie ...?" "Ja, das ... das wird sie. Wenn sie in der Verfassung ist. Ihr Körper ist noch unheimlich schwach, es ist fraglich, ob sie überhaupt reden kann.", meinte Michael nachdenklich. "Aber sie spürt es doch ...", sagte Thomas weinend. "Sie ... sie ist ja nicht blöd, Michael!! Sie wird es bemerken und es wird sie ... es wird sie fertig machen!! Es macht mich ja schon fertig ... Du weißt ja gar nicht, was es für einen Piloten bedeutet wenn du das Fliegen über alles liebst und es plötzlich aufgeben musst! Da würdest du lieber abkratzen als weiterleben - weil es ja gar kein Leben mehr ist...", schluchzend drehte er den Kopf weg. "Ich weiß, Thomas. Glaub mir. Ich weiß."

Die nächste Nacht wurde wieder einmal endlos. Thomas wälzte sich unruhig von einer Seite zur anderen, andauernd musste er an Biggi denken, an den Augenblick der Wahrheit. Morgen. Morgen würde sie es erfahren. Er hatte eine unendliche Angst davor. Aus der Nacht wurden nur knappe zwei Stunden unruhiger Schlaf für Thomas. Michael schaffte gerade mal vier, Karin ebenso. Morgens um fünf versammelten sie sich bereits wieder in der Küche, zum Frühstück.

Karin und Ralf hatten mit dem Winter zusammen die Frühschicht - Thomas und Michael waren erst für die Nachtschicht eingeteilt. So konnten sie den ganzen Tag bei Biggi bleiben. Wenigstens etwas. Sobald Lisa, Laura und Dirk zur Schule und Karin zur Basis abmarschiert waren, machten sich Thomas und Michael auf in die Klinik. Um neun Uhr würden sie sich mit Dr. Perding an der Intensivstation treffen. Pünktlich zu dieser Uhrzeit begrüßten sie sich schließlich mit dem Arzt. "Gut, dass Sie dabei sind. Ihre Kollegin sollte in so einer Situation nicht allein sein." "Wir werden sie auch nie allein lassen.", sagte Thomas entschieden, und sie betraten in den grünen Kitteln zusammen den Raum, in dem ihr Bett stand und in dem nach wie vor das EKG piepste. Biggi lag wie jeden Tag leblos in ihrem Bett. Unaufhörlich tropften durch die Infusionen die lebenswichtigen Medikamente in die Kanülen. Thomas und Michael setzten sich wieder an ihr Bett. Thomas sah sie an, doch anstatt sie zu grüßen wie sonst drückte er einfach ganz fest ihre Hand. Sanft streichelte er über ihr Haar und sah sie lieb an. Dr. Perding studierte nochmals eingehend die Kreislaufwerte. "Unverändert. Wir müssen einfach den Versuch machen, ihrem Kreislauf Schwung zu geben. Bei Komplikationen werde ich sie sofort wieder ins Koma versetzen.", meinte er ernst. "Na nun machen Sie schon.", sagte Michael - es würde ja ohnehin keinen Sinn machen. Er wusste genau, dass sein Kollege Recht hatte. Langsam ließ Dr. Perding per Spritze ein Mittel in einen der Infusionsbeutel fließen. Er stellte die Geschwindigkeit ein wenig höher und setzte sich dann zu Michael und Thomas. "Ich habe ihr übrigens heute morgen bereits ein Morphium injiziert. Die Schmerzen wären sonst unerträglich für sie, sie sind so schon stark genug.", fügte er nach einer Weile hinzu.

"Warum können wir ihr das nicht ersparen?", fragte Thomas den Tränen nahe, als sie beieinander saßen und warteten. Unruhig streichelte er ihre Hand. Sie saßen wie auf heißen Kohlen. Nach einer halben Stunde etwa zeigte das Mittel langsam seine Wirkung. Thomas spürte plötzlich, wie Biggi ganz leicht ihre Hand in der seinen bewegte. Daraufhin drückte er sie fester - er würde sie niemals loslassen. Kurz darauf wurde Biggi unruhiger, sie drehte ganz leicht den Kopf hin und her, bevor sie plötzlich im Zeitlupentempo die Augen öffnete. Ihr Blick führte sie zu Dr. Perding, der aufgestanden und an das Ende ihres Bettes getreten war. Langsam blickte sie dann hinüber zu Michael, und schließlich zu Thomas. An seinem Gesicht blieb sie hängen und sah ihn lange an. Er hatte Tränen in den Augen und sagte leise: "Hey ... willkommen zurück, Biggi...". "Wir haben dich vermisst.", fügte Michael hinzu und lächelte sie an. Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande, wollte etwas sagen, schaffte es aber noch nicht. Fragend blickte sie nun Dr. Perding an. "Schön, dass ich mich mal bei Ihnen persönlich vorstellen darf, Frau Schwerin!", sagte er schließlich freundlich. "Wir haben Sie für einige Tage in ein künstliches Koma versetzt, nachdem Sie einen sehr schweren Unfall bei einem Einsatz hatten. Können Sie sich erinnern?" Biggi nickte leicht. "Hast du Schmerzen, Biggi?", fragte Michael sie nun und strich sanft über ihre Schulter. Wieder brachte sie ein schwaches Nicken zustande. Abermals sah sie Thomas an, der noch immer Tränen in den Augen hatte und unentwegt ihre Hand hielt.

Einen Augenblick lang sah es aus, als ob Biggi wieder die Augen schließen und in den Tiefschlaf fallen würde, doch plötzlich sperrte sie die Augen auf, nahm alle Kraft, die sie hatte, zusammen und flüsterte: "Warum ... Warum kann ich meine Beine nicht spüren?" Es war gekommen. Sie war gekommen. Die Frage, deren Antwort in den nächsten Sekunden Biggis gesamtes Leben umkrempeln würde. Wieso? Wieso nur?? Warum sie? Sie hatte das doch nicht verdient ... Thomas war verzweifelt, und auch Michael ging es nicht besser. Sie hatten beide nicht die Kraft, zu antworten, hielten nur fest ihre Hand und blickten zu Dr. Perding. "Bei dem Unfall, da ... da, da wurde Ihr erster Lendenwirbel gebrochen. Das Rückenmark ist schwer verletzt. Es tut mir von ganzem Herzen leid, Ihnen das sagen zu müssen ... aber - Sie werden wohl für den Rest Ihres Lebens querschnittgelähmt bleiben." Biggis Blick erstarrte. Sie sah Dr. Perding in die Augen, als wolle sie ihn hypnotisieren. Sekundenlang. Minutenlang. Ganz langsam, im Zeitlupentempo, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Es war ein Blick der absoluten Verzweiflung. Während Thomas und Michael das Gefühl hatten, es zerreiße ihnen bei lebendigem Leibe jemand das Herz, mussten sie zusehen, wie Biggi ganz langsam, nach und nach Tränen der Verzweiflung vom Gesicht rannen. Immer noch starrte sie Dr. Perding an. Dann blickte sie nach unten, in Richtung ihrer Beine unter der Bettdecke.

Thomas wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte nichts tun. Er wollte Biggi helfen, musste aber einsehen, dass es zwecklos war. Den Schmerz, den sie eben erlebte, konnte kein Wort, keine Medizin der Welt beseitigen. Biggi war querschnittgelähmt. Für den Rest ihres Lebens. Und, ja, Dr. Perding tat es von ganzem herzen Leid. Nach einer Weile flüsterte Biggi plötzlich kaum hörbar, immer noch weinend nach unten auf ihre Bettdecke starrend: "Bitte lasst mich allein. Bitte, ich will allein sein." Mit innerlicher Widerstrebung gingen sie wohl oder übel ihrer Bitte nach und verließen schweren Herzens den Raum. Thomas sah ihr wehmütig nach. Es gab nichts zu sagen. Während Thomas und Michael draußen fieberhaft überlegten, wie es weitergehen sollte und wie sie Biggi Hoffnung geben konnten, vergoss diese in ihrem grün gekachelten, kühlen Intensivraum die schlimmsten und verzweifeltsten Tränen ihres Lebens.

Thomas hatte Tränen in den Augen, er wusste genau, wie Biggi sich fühlte, was es für sie bedeutete, dass sie nie wieder würde laufen können. Und das Schlimmste war, er konnte nichts, aber auch gar nichts dagegen tun, er war machtlos. Plötzlich wischte er sich die Tränen weg und sagte entschlossen zu Michael: „Ich werde jetzt wieder zu ihr gehen!“ Michael nickte, obwohl er nicht wusste, ob das wirklich eine gute Idee war. Doch Thomas war fest entschlossen und Michael wusste, dass er es sowieso nicht schaffen würde seinen Freund umzustimmen. Er beschloss mit Dr. Perding zu reden und sich über Biggis Zustand zu informieren.

Biggi weinte hemmungslos und nichts oder niemand konnte sie trösten. Ihr Leben war zerstört, von einem Augenblick auf den anderen. Die Fliegerei war immer ihr Leben gewesen und alles was sie hatte, oder zu mindestens fast alles. Und nun? Nie wieder würde sie in einem Helikoptercockpit sitzen und nie wieder würde sie ihren Engel fliegen können. Sie war so verzweifelt wie noch nie zuvor in ihrem ganzen Leben. Plötzlich hörte sie ein Geräusch. Sie wischte sich ein paar Tränen aus den Augen, um wieder etwas sehen zu können und entdeckte Thomas in der Tür stehen. Er kam auf sie zu und setzte sich auf die Bettkante. Sie wollte ihn eigentlich wieder wegschicken, doch sie konnte es einfach nicht. Sie brachte es nicht übers Herz, an seinem Gesichtsausdruck erkannte sie genau, wie sehr er sich um sie sorgte. Er nahm Biggi einfach nur schweigend in den Arm. Ihr tat seine Nähe unheimlich gut und sie wusste, dass er für sie da war. Doch ihren Unfall ungeschehen machen, konnte auch er nicht. Sie weinten beide, wobei sich Thomas bemühte stark zu sein, doch es gelang im nicht wirklich. Sie lagen sich einige Minuten schluchzend in den Armen und Thomas streichelte Biggi immer wieder über den Kopf. Als er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, sagte er: „Hey, Biggi, wir werden das schaffen, wir haben doch bis jetzt immer alles geschafft und wir werden auch das zusammen schaffen.“ Biggi nickte nur unter Tränen, sie wollte ihm so gerne glauben, doch sie wusste, dass man ihre Rückenverletzung nicht rückgängig machen konnte. „Weißt du, Biggi, manchmal, da geschehen wirklich Wunder, man muss nur ganz fest daran glauben…“, fuhr Thomas fort. Biggi war so unendlich froh, dass er da war und dass er ihr Hoffnung machte, wo es eigentlich keine Hoffnung gab…

Doch nach etwa 10 Minuten betrat Dr. Perding das Zimmer und bat Thomas zu gehen. „Ihre Kollegin braucht jetzt wirklich Ruhe. Wir werden sie vorerst nicht ins künstliche Koma zurückversetzen, aber sie ist noch sehr schwach und braucht viel Schlaf. Wenn sie wollen können sie vielleicht heute Abend noch einmal kurz zu ihr.“ Thomas wollte Dr. Perding eigentlich widersprechen, doch er wusste, dass der Arzt Recht hatte. Auch Biggi hatte etwas gegen seinen Beschluss, doch sie war viel zu schwach um sich mit Dr. Perding zu streiten und so sah sie Thomas noch einmal an und schloss dann langsam die Augen und versuchte einzuschlafen, wobei ihr immer wieder Tränen über die Wangen liefen. Thomas drückte noch einmal ganz fest Biggis Hand und meinte dann: „Ich komme heute Abend wieder, ich verspreche es dir.“ Biggi nickte nur schwach, ohne noch einmal die Augen zu öffnen und Thomas verließ schweren Herzens zusammen mit Dr. Perding das Intensivzimmer.

Auf dem Gang traf er Michael, der ihn darüber informierte, was Dr. Perding gesagt hatte. „Biggis Kreislaufwerte haben sich gebessert. Sie wird jetzt nicht noch einmal ins künstliche Koma versetzt werden müssen, solange es keine Komplikationen gibt. Ihre körperliche Verfassung ist erstaunlich gut, aber ihre psychische…“ Michael sprach nicht weiter, Thomas wusste ja selbst, wie schlecht es Biggi ging. Niedergeschlagen fuhren sie zur Basis, da sie ja die Spätschicht hatten. Glücklicherweise war „der Winter“ schon weg und sie mussten ihm nicht auch noch über den Weg laufen. Ralf und Karin saßen noch im Aufenthaltsraum und Thomas und Michael erzählten ihnen, was sich im Krankenhaus ereignet hatte. „Sie haben Biggi heute morgen aus dem Koma geholt.“, begann Michael langsam. „Aber das ist doch ein gutes Zeichen oder?“, harkte Karin nach, das sie natürlich gemerkt hatte, wie niedergeschlagen Thomas und Michael waren. „Schon, ihr Zustand hat sich auch gebessert, aber…“, sagte Michael „Was aber?“, wollte Ralf sofort wissen.“ „Sie weiß jetzt, dass sie gelähmt ist.“, sagte Thomas unter Tränen. „Und ihr könnt euch ja vorstellen, wie sie reagiert hat und wie es ihr geht…“, fügte er leise hinzu. Karin und Ralf schluckten, sie wusste nicht, was sie sagen sollten. „Dr. Perding hat uns weggeschickt, Biggi braucht jetzt viel Ruhe, ich denke es ist das Beste, wenn wir sie erst morgen oder noch besser erst übermorgen wieder besuchen.“, erklärte Michael. Ralf und Kain nickten zustimmend, doch Thomas wusste genau, was er sofort nach dem Ende seiner Schicht tun würde, er würde zu Biggi fahren – egal, was die anderen sagten.

Karin und Ralf waren nachhause gefahren und Peter war eingetroffen. Michael erzähle auch ihm, wie es Biggi ging. Auch er war ziemlich betroffen, obgleich sie ja alle bereits vorher gewusst hatten, dass es sehr hart für Biggi werden würde, wenn sie von ihrer Rückenverletzung erfahren würde.

Zum Glück ging die Schicht relativ schnell um und Thomas machte sich sogleich auf den Weg zu Biggi.

Diese war inzwischen wieder aufgewacht. Sie fühlte sich so allein. Niemand konnte ihr helfen, sie war ganz alleine, alleine in dem kühlen, grün gekachelten Intensivzimmer, allein mit ihrer Angst und ihrer Verzweiflung. Und so wurde sie immer verzweifelter. ‚Wenn ich nicht mehr fliegen kann, dann will ich auch nicht mehr leben, wozu denn noch?’, dachte Biggi sich. Zwar dachte sie auch an ihre Freunde, doch sie war so verzweifelt, dass sie einen schweren Entschluss fasste. Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und fasst mit ihrer rechten Hand nach der Kanüle, die in ihrem linken Arm steckte. Sie wusste, dass sie über diese Kanüle lebenswichtige Medikamente über die Infusionen zugeführt bekam, aber was hatte sie denn noch für ein Leben? Ein Leben im Rollstuhl und ein Leben ohne die Fliegerei. Thomas hätte sie sicherlich verstanden, schließlich wusste er genau, was ihr die Fliegerei bedeutete, er war ja selbst Pilot, außerdem hatte er sie immer verstanden. Langsam versuchte Biggi die Kanüle herauszuziehen, als sie plötzlich Thomas’ Stimme vernahm. Sie sah auf und erblickte ihn in der Tür stehen. Er hatte sofort bemerkt, was Biggi da vorhatte. „Biggi, nein, tu es nicht, bitte!!“, rief er panisch und stürzte auf ihr Bett zu. „Und warum nicht?“, fragte Biggi unter Tränen, „Was habe ich denn noch für ein Leben? Ich werde nie wieder laufen können  - und nie wieder fliegen, nie wieder unseren Engel fliegen! Was habe ich denn noch? Mein Leben ist zerstört!“, sie wollte gerade wieder versuchen die Kanüle herauszuziehen, als Thomas vorsichtig ihre Hand nahm, sie mit tränengefüllten Augen ansah und meinte. „Ich weiß, aber du hast noch mich… Biggi, ich…ich liebe dich!“ „Nein.“, sagte sie fassungslos und sah ihm in die Augen. Diese waren immer noch tränengefüllt und Thomas sagte ganz leise: "Doch. Es ist wahr. Ich ... ich wollt's dir eigentlich schon immer sagen, aber ..." "Du liebst mich?", fragte Biggi. Sie konnte es nicht glauben. "Schon immer, Biggi. Vom ersten Augenblick an." Er begann zu weinen, sprach aber weiter. "Bis wir uns kennen gelernt haben, hab ich nie an die Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Jetzt tu ich's, glaub mir. Ich hab’s nur ... nie geschafft dir zu sagen. Ich hatte immer Angst davor, ich bekam weiche Knie wenn ich dich nur ansah ...", er wischte sich die Tränen trocken. "Ich liebe dich unendlich, Biggi." Immer noch sah sie ihm unentwegt in die Augen. Ungläubig blickte sie ihn an, plötzlich stiegen auch ihr Tränen in die Augen. Genau wie heute Morgen, als Dr. Perdings Nachricht ihr Leben zerstört hatte. Doch diesmal waren es Tränen vor Freude - und Glück. Langsam schluckte sie und schniefte leicht. "Dann ... dann hab ich das ja doch nicht geträumt ...", begann sie leise unter Tränen zu sprechen. Sie lächelte. "Was - was hast du nicht geträumt?" Langsam nahm sie seine Hand in die ihre und sagte: "Ich hatte immer das Gefühl ... ich dachte, ich träume das nur ... ich hab irgendwie immer gespürt, dass  jemand bei mir saß und ... und zweimal hat er gesagt, er – er liebe mich. Das warst du."

Thomas lächelte sie lieb an und sagte: "Das hast du wirklich nicht geträumt. Es war nur ungemein leichter, dir das zu sagen, als du geschlafen hast." Biggi sah ihn an, nun konnte sie nichts mehr dagegen tun, dass ihr die Tränen runterrannen. "Hätte ... hätte ich nicht geschlafen, hätte ich dir dasselbe gesagt. Ich wollte dir jedes Mal sagen, ich liebe dich auch, aber ich hab's nicht geschafft. Außerdem dachte ich ja, es war ein Traum." "Was heißt das?", fragte Thomas ungläubig. "Na ... dass ich dich auch liebe. Thomas...", brachte sie ganz leise hervor. "Nein ...", begann nun plötzlich Thomas. Biggi lachte schwach auf und sagte lauter: "Doch!" dann wurde sie wieder ganz leise und flüsterte: "Ich liebe dich." Sie sahen sich tief in die Augen. Dann kamen sie sich ganz langsam näher, Thomas beugte sich vorsichtig über sie, und schließlich berührten sich langsam ihre Lippen.

Unentwegt sahen sie sich dabei in die Augen. Es war ein unendlich zärtlicher und inniger Kuss. Sie ließen gar nicht voneinander ab. Thomas war unheimlich vorsichtig und behutsam, liebevoll begann er dabei, ihr Gesicht zu streicheln. Langsam griff sie auch nach seinem Gesicht und strich ihm um den Nacken.  Er begann, zärtlich ihren Hals zu küssen. Biggi schloss die Augen und konnte nicht glauben, dass sie jahrelang auf diesen einen Tag gewartet hatte. Nicht auf den Morgen, bei Gott nicht, nein. Auf diesen Abend. Auf diesen Abend mit Thomas, ihm endlich das zu sagen, was sie schon immer gefühlt hatte.

Eines war klar. Es war unumstritten der Tag der Wahrheit. Sie hatte etwas verloren. Viel. Sie dachte, sie hätte ihr Leben verloren. Das hatte sie auch, davon war sie immer noch überzeugt. Doch sie hatte auch etwas gewonnen. Etwas, das Entscheidende, was ihr Leben wieder lebenswert machte. Die Liebe zu Thomas.

Wieder berührten sich zärtlich ihre Lippen. Nochmals küssten sie sich leidenschaftlich, aber vorsichtig - und blickten sich dabei unablässig in die Augen.

Schließlich aber beugte sich Thomas wieder ein wenig hoch, er fürchtete, dass die Anstrengung Biggis Kreislauf nicht gut tat und setzte sich langsam wieder hin, auf seinen Sessel.

Verliebt blickten sie sich in die Augen, und verblieben in dieser Position sicher eine gute Stunde. Durch Thomas konnte Biggi eine ganze Zeit lang ihre Beine vergessen. Ihre Beine, die sie nicht spürte. An und für sich wären sie in dieser Lage ja leicht zu vergessen gewesen. Zu leicht. Aber es war unmöglich.

In diesen Augenblicken mit Thomas jedoch verspürte Biggi so eine unendliche Wärme, ja, Glück. Das sie für ihr Leben seit heute Morgen eigentlich aufgegeben hatte...

Thomas begann wieder, ihr Gesicht zu streicheln. Lieb sah er sie dabei an, und sie blickte mit tränennassen Augen zurück. Eigentlich war sie inzwischen wieder schrecklich müde und schwach geworden. Sie konnte kaum noch die Augen offen halten, wollte es aber. Sie hatte Angst, wieder in einen so tiefen Schlaf zu fallen und Thomas nicht mehr zu sehen. Sie wollte ihn ansehen. Sie wollte ihn bei sich behalten, nicht aus den Augen verlieren.

Thomas bemerkte, dass Biggi wieder sehr schwach wurde. Sorgenvoll blickte er sie an und meinte leise. "Schlaf doch ein wenig, Biggi. Das wird dir gut tun. Ich bleibe bei dir, ich verspreche es dir. Ok? Ganz fest. Aber du musst jetzt schlafen." "Ich hab Angst ... es war so schrecklich, als ich dich hören, dir aber nicht antworten konnte.", sagte sie ängstlich. "Aber du hast mir doch geantwortet! Es war das schönste, was mir in dieser Zeit passiert ist ... ich war so verzweifelt und als ich dir sagte, wie gern ich dich damals geküsst hätte, als wir da am Heli saßen - da hast du meine Hand gedrückt. Ich hab genau gewusst, dass du mich gehört hast. Es hat mich so unendlich glücklich gemacht."

Sie lächelte schwach, aber unendlich erleichtert. Sie wollte schon die Augen schließen, als ihr plötzlich ihre Beine wieder einfielen. Sie hatte es tatsächlich vergessen können, durch Thomas. Nun aber war plötzlich die ganze Verzweiflung wieder ganz nahe bei ihr, sie kam immer näher - sie konnte es nicht vergessen, nicht verdrängen - nicht ändern. Auf einmal begann sie wieder zu weinen, erst nur ein wenig, dann aber verlor sie sich schnell wieder in ihrer Verzweiflung und weinte hemmungslos. Thomas erschrak erst, ahnte dann aber die Gründe, und nahm sie ohne zu überlegen ganz fest in die Arme. Er drückte sie an sich, ließ sie seine Wärme spüren, innigst lagen sie sich in den Armen und Biggi weinte an Thomas' Schulter. "Alles wird gut, glaub mir.", sagte er, während ihm die Tränen herunterrannen. Schluchzend sagte sie mit erstickter Stimme: "Ich werde nie wieder fliegen können, Thomas! Nie wieder ... wie soll ich das aushalten...???" sie drängte sich an seine Schulter, und er drückte sie noch fester. Das ganze Unglück hatte sie wieder eingeholt. Weinend antwortete Thomas: "Ich hab dir doch gesagt, du hast mich, Biggi ... ich werd dich nie im Stich lassen. Und – und wenn du nicht mehr selbst fliegen kannst, dann wirst du mit mir fliegen! Jeden Tag! Morgens und abends, wenn du willst ... und zu Mittag, und nachts - dann sehen wir uns die Sterne an ...", seine Stimme verlor sich in seinem Schluchzen und er hielt Biggi einfach nur mehr fest. Sie weinten beide Tränen aus tiefster Trauer ... doch sie hatten einander. Das gab unendlich Halt.

Als Biggi nach einer ganzen Weile immer schwächer in seinem Arm wurde, und aus dem Schluchzen nur mehr einzelne, traurige Tränen wurden, legte er sie ganz behutsam in ihr Kissen und strich ihr die Tränen aus dem Gesicht. Schniefend sah er sie an, fasste sich aber langsam, und drückte schließlich auf die Klingel an Biggis Bett. Sanft streichelte er ihr über die Stirn, und nach wenigen Augenblicken betrat auch schon Dr. Perding den Raum. Er kam auf sie zu, sah in die beiden verheulten Gesichter und verstand. Er begutachtete Biggis Werte, machte kein sehr zufriedenes Gesicht und sagte. "Ich werde ihr was zur Beruhigung geben. Dann kann sie zumindest die Nacht durch schlafen. Wenn sie jetzt nicht zu Kräften kommt - Sie wissen ja, dann muss ich sie zurück ins Koma versetzen." "Ich weiß.", entgegnete Thomas leise. Biggi blickte ihn nach wie vor schwach an, er nahm ihre Hand und sagte: "Du wirst jetzt gleich schlafen, ok? Ich verspreche dir, wenn du aufwachst, werde ich bei dir sein. Und das gilt nicht nur dafür." Er strich ihr liebevoll über die Wange und sagte ganz leise: "Ich werde immer bei dir sein."

Dr. Perding hatte inzwischen die Oberschwester damit beauftragt, ihm eine Ampulle Diacepam bereitzumachen. Außerdem beantragte er 10mg Athropin, um ihren Puls ein wenig höher zu treiben, er war wieder viel zu schwach. Dr. Perding machte sich ernsthaft Sorgen. Als Oberschwester Hilde mit den Spritzen kam, legte er Biggi schnell einen neuen Zugang und injizierte ihr schließlich die Mittel. Sie zuckte beim Einstich ein wenig, doch Thomas streichelte sie gleich wieder beruhigend. Und so sah sie Thomas noch ein letztes Mal verliebt und dankbar an, bevor sie endgültig die Augen schloss und einschlief.

Thomas blieb an ihrem Bett sitzen. Nichts und niemand würde ihn jetzt hier wegbekommen. Er würde bei Biggi bleiben und auf sie aufpassen.

Michael wunderte sich inzwischen, wo Thomas war. Er war nach der Schicht nicht nachhause gekommen. Auch Lisa und Laura fragten ungeduldig nach ihrem Vater. Michael hatte bereits bei Ralf und Peter angerufen, doch auch sie hatten keine Ahnung, wo Thomas stecken könnte, wie auch? Schließlich hatte er keinem gesagt, dass er zu Biggi fahren würde.

Michael beschloss Thomas auf seinem Handy anzurufen. Er ließ es mehrere Male klingeln, doch dann vernahm er einen wohlbekannten Handyklingelton aus dem Wohnzimmer. Er sah nach und tatsächlich, Thomas hatte sein Handy zuhause liegen lassen. Da Thomas wusste, dass Handys im Krankenhaus verboten waren, hatte er es absichtlich zuhause gelassen. Außerdem wollte er sowieso nicht gestört werden, wenn er bei Biggi war.

Thomas war inzwischen auch eingeschlafen. Er lag mit seinem Kopf auf Biggis Bettdecke und hielt immer noch ihre Hand. Dr. Perding kam gegen Mitternacht noch einmal ins Zimmer. Er war ziemlich erstaunt, als er bemerkte, dass Thomas immer noch da war. Eigentlich wollte ihn wegschicken, doch dann überlegte er es sich doch anders, da er bemerkt hatte, dass Thomas’ Anwesenheit Biggi anscheinend gut tat. Er kontrollierte die Werte, die das EKGs anzeigte und verließ dann leise wieder den Raum.

Michael beschloss um ein Uhr ins Bett zu gehen und nicht weiter auf Thomas zu warten. Thomas war schließlich erwachsen und konnte alleine auf sich aufpassen, beschloss er. Das ganze Haus war ruhig, die Kinder schliefen schon lange und auch Karin war schon ins Bett gegangen. Michael machte den Fernseher und das Licht im Wohnzimmer aus und begab sich dann nach oben in sein Schlafzimmer.

Thomas wurde durch die Sonnenstrahlen wach, die durch das Fenster direkt auf sein Gesicht schienen. Er blinzelte und öffnete dann langsam die Augen. Er bemerkte, dass er an Biggis Bett eingeschlafen sein musste. Er sah hoch zu ihrem Gesicht, sie schlief noch. Thomas strich ihr sanft mit der Hand über die Wange.

Einige Minuten später betrat Dr. Perding das Zimmer. „Guten Morgen.“, sagte er zu Thomas. „Morgen.“, begrüßte auch Thomas den Arzt. Dr. Perding war wieder einmal dabei, Biggis Werte zu prüfen. Thomas sah ihm gespannt zu. „Und?“, wollte er schließlich wissen, als Dr. Perding sich alles notiert hatte. „Ihre Werte haben sich über Nacht zum Glück wieder etwas stabilisiert.“, sagte Dr. Perding erleichtert. Thomas atmete auf. „Aber sie braucht jetzt viel Ruhe und darf sich nicht zu sehr anstrengen.“ Thomas nickte. Er streichelte Biggi leicht über die Haare, sie sah so friedlich aus, wenn sie schlief.

Währenddessen war Michael auf dem Weg zur Basis, das B Team hatte die Nachtschicht gehabt und das A Team hatte nun die Frühschicht. Daher hoffte er Thomas nun hier anzutreffen. Er parkte sein Auto vor der Basis, stieg aus und ging in den Aufenthaltsraum. Doch dort traf er nur Peter, Karin, Ralf und „den Winter“ an. „Morgen.“, murmelte Michael. „Wo ist denn Thomas?“, wollte Peter wissen, da Michael und Thomas meistens zusammen zum Dienst kamen. „Ich weiß es nicht, er ist gestern nicht mehr nachhause gekommen.“ Die Kollegen rätselten weiter, wo Thomas sich aufhalten könnte. Es war bereits 5 Minuten nach Schichtwechsel. Ralf und Karin verabschiedeten sich gerade, nur „der Winter“ musste noch bleiben, weil Thomas noch nicht da war und die Basis schließlich nicht ohne einen Piloten sein konnte. In dem Augenblick, als Ralf und Karin gerade zur Tür hinaus waren, betrat Ebelsieder den Aufenthaltsraum. „Wo ist denn Herr Wächter?“, fragte er sofort. Die anderen sahen ihn an und zuckten bloß mit den Schultern. „Der ist bestimmt wieder bei dieser Frau Schwerin!“, meinte „der Winter“ abfällig. Michael und Peter ging ein Licht auf, daran hatten sie noch überhaupt nicht gedacht. Schließlich hatten sie vereinbart Biggi erst morgen wieder zu besuchen, doch wie sie Thomas kannten… „Man, das ich da nicht gleich drauf gekommen bin…“, murmelte Michael leise. „Ist irgendwas Herr Dr. Lüdwitz?“, fragte Ebelsieder. „Nein, nein, alles ok!“, gab Michael zurück. „So und wo ist nun der Kollege Wächter? Ist er bei Frau Schwerin?“, fragte Ebelsieder sauer. „Nein, ähm, er hat verschlafen und wird sicherlich gleich hier sein.“, log Michael um seinem Freund zu helfen. „Das hoffe ich für ihn, lange gucke ich mir das nicht mehr an, in den letzten Tagen, kommt er entweder zu spät oder gar nicht zum Dienst, wenn das so weiter geht, sehe ich mich gezwungen, ihm zu kündigen.“, sagte Ebelsieder ernst. „Aber..“, Michael und Peter blieben die Worte im Hals stecke, nur „der Winter“ grinste, sie hatte Thomas vom ersten Augenblick nicht ausstehen können und war nun richtig schadenfroh. Ebelsieder ging wieder in sein Büro und Michel und Peter sahen sich geschockt an. „Scheiße…“, murmelten sie zugleich. Sie wussten, dass sie Thomas schnellstens hierher schaffen mussten. Michael beschloss in der Klinik anzurufen. Er ging zum Telefon und wählte die Nummer, die er bereits auswendig konnte. Schließlich hatte er Dr. Perding an der Leitung. „Guten Morgen, Lüdwitz hier, ich wollte fragen, ob Herr Wächter zufällig gerade bei Frau Schwerin ist.“, sagte Michael „Ja, der ist schon die ganze Nacht bei ihr, warum?“, wollte Dr. Perding wissen. „Könnten sie ihn bitte ans Telefon holen, ich muss etwas Dringendes mit ihm besprechen.“ Dr. Perding stimmte dem zu und stand auf, um Thomas zuholen. Dieser saß noch immer an Biggis Bett und streichelte unaufhörlich ihre Hand. „Herr Wächter, Telefon für sie, ihr Kollege Lüdwitz, scheint dringend zu sein.“ Thomas blickte zu Biggi, sie schlief noch immer tief und fest. Schließlich stand er schweren Herzens auf und folgte Dr. Perding zum Telefon. „Ja?“, meldete sich Thomas. „Mensch Thomas, schau mal auf die Uhr, unsere Schicht hat bereits begonnen, Ebelsieder ist auf 180, er will dich feuern, wenn das so weitergeht, dass du andauernd zu spät kommst oder gar nicht erst erscheinst.“ „Michael, ich…ich kann jetzt nicht kommen.“, meinte Thomas ganz ruhig. „Was soll das heißen, du kannst nicht, ist dir klar, dass du damit deinen Job riskierst?“, fragte Michael außer sich. „Ja, schon, aber ich muss jetzt bei Biggi bleiben, versteh das doch, sie braucht mich jetzt.“, sagte Thomas. Da er keine Lust hatte mit Michael zu diskutieren, legte er einfach auf. Dann ging er wieder zurück zu Biggi und setzte sich an ihr Bett.

Michael legte kopfschüttelnd den Hörer wieder auf. „Und?“, wollte Peter wissen. „Er ist bei Biggi, aber meint, dass er nicht kommen kann, weil er jetzt bei ihr bleiben muss. Dass er seinen Job damit riskiert, ist ihm scheinbar egal.“, sagte Michael verständnislos.

Biggi öffnete ganz langsam die Augen. Das erste, was sie sah, was dass Thomas an ihrem Bett saß und ihre Hand hielt. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie wusste, dass er die ganze Nacht über bei ihr gewesen war. „Hey, Biggi, hast du gut geschlafen?“, fragte Thomas sie, als er bemerkte, dass sie wach war. Biggi nickte leicht, sie war so froh, dass Thomas bei ihr war. Er beugte sich vorsichtig über sie und sie küssten sich zärtlich. „Ich bin so froh, dass du da bist…“, flüsterte Biggi und ihr liefen wieder einige Tränen über die Wangen. „Ich weiß und ich werde dich nie alleine lassen, das verspreche ich dir.“, sagte Thomas und wischte ihr vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht.

"Also eines sag ich Ihnen, Herr Ebelsieder! Sollte Kollege Wächter nicht innerhalb der nächsten Stunde da sein, kündige ich! So etwas muss ich mir nicht bieten lassen, ich habe schließlich Anspruch auf meine Ruhezeiten!", warf der Winter Ebelsieder wütend an den Kopf. Dann knallte sie die Bürotür zu und machte sich geräuschvoll auf den Weg zum Hangar.

In der Klinik war gerade Dr. Perding zu Biggi auf die Intensivstation gekommen. "Wir werden jetzt einige Untersuchungen mit Ihnen machen, Frau Schwerin. Das wird einige Stunden dauern. Herr Wächter, wie wäre es, wenn Sie sich inzwischen zuhause ein wenig hinlegen? Sie waren die ganze Nacht hier." Thomas war über die Nachricht gar nicht erfreut, er wollte eigentlich noch den ganzen Tag bei Biggi bleiben. Aber da er bei den Untersuchungen ohnehin nicht stören durfte, sah er ein, dass Dr. Perding recht hatte und willigte schließlich ein.

Inzwischen kamen bereits zwei Schwestern, die Biggis Bett nahmen und aus dem Raum schoben. "Hey!", sagte Thomas. "Ich muss mich doch noch verabschieden...", meinte er, beugte sich über Biggi und gab ihr einen zärtlichen Abschiedskuss. Er strich ihr über die Wange und sagte: "Bis später. Ich komme bald wieder, ja?" "Ich freu mich schon", sagte Biggi schwach, dann wurde sie endgültig hinausgeschoben.

Thomas nahm seine Jacke und verließ schließlich die Klinik. Da hat Ebelsieder ja noch mal Glück gehabt, dachte er sich. Nun musste er ihn doch nicht kündigen. Er kam in letzter Minute an der Basis an - gerade wollte Frau Winter wieder Ebelsieders Büro betreten und ihre fristlose Kündigung festlegen. Als Thomas in den Aufenthaltsraum trat, meinte Michael: "Mensch Thomas, endlich! Das war verdammt knapp - ich versteh ja, dass du bei Biggi sein willst, aber wenn du deinen Job verlierst, hat auch sie nichts davon!" "Jaja, schon gut - ich bin ja da, oder etwa nicht?", entgegnete Thomas genervt. Er verzog sich in den Umkleideraum und zog sich um. Währenddessen betrat Ebelsieder den Aufenthaltsraum. "Wie ich höre, hat sich Wächter inzwischen doch so gnädig erwiesen, zu seinem Dienst zu erscheinen. Sie können ihm ausrichten, dass er sich bei der nächsten Unpünktlichkeit nach einem neuen Arbeitgeber umsuchen wird müssen. Soweit ich weiß, ist in Norddeutschland irgendwo eine Pilotenstelle frei geschrieben. Na ja, mit den regelmäßigen Klinikbesuchen dürfte es dann etwas problematisch werden." Mit diesen Worten war er auch schon verschwunden, bevor Michael, Peter, Karin oder Ralf auch nur ein Wort entgegnen konnten.

Als Thomas aus dem Umkleideraum kam, berichtete Michael ihm das gesagte und fragte dann: "Wie geht es Biggi?" "Dr. Perding meint, es gäbe keine gravierenden Veränderungen.", war Thomas' knappe Antwort. "Du weißt genau, was ich meine, Thomas!" Thomas setzte sich aufs Sofa, stand dann aber wieder auf und sagte außer sich: "Sie wollte sich gestern umbringen!!! Sie wollte sich die Kanüle rausziehen, versteht ihr? Ich bin grade rechtzeitig gekommen, um es zu verhindern, und dann will mir dieses eiskalte Schwein von Ebelsieder den Job kündigen, dafür, dass ich Angst um sie habe!!!" Den anderen stockte der Atem. Plötzlich meldete sich hinter ihnen Ebelsieders Stimme. Er stand in der Tür und hatte die letzten Sätze mitbekommen. Erschrocken drehte Thomas sich um. Dann jedoch fasste er sich gleich wieder und meinte: "Ich nehme das eiskalte Schwein nicht zurück. Das war mein voller Ernst, Und er war angebracht. Herr Chef." "Sie brauchen es nicht zurückzunehmen, Wächter. Ich nehme es zur Kenntnis - ebenso wie Ihr Zuspätkommen. Ich bin auch nur ein Mensch und ob Sie es alle glauben oder nicht, ein paar Gefühle hab ich auch. Von der Eskalation der Situation wusste ich nichts, ich werde schließlich auch nicht auf dem Laufenden gehalten, was Frau Schwerin betrifft. Bestellen Sie ihr eine gute Besserung und kommen Sie das nächste Mal pünktlich." Mit diesen Worten ließ er das Team verdattert stehen und verließ den Raum.

"Na also, mit der Wahrheit kommt man am weitesten.", meinte Thomas schnippisch, folgte Ebelsieders Beispiel und verließ ebenso den Aufenthaltsraum. Er spazierte hinüber zum Salzachufer und setzte sich an seine und Biggis Lieblingsstelle. Er gab sich seinen Gedanken hin und dachte an Biggi. Die nächsten Stunden kamen ihm wie endlos vor. Es gab nicht einen einzigen Einsatz. Während er in das Wasser starrte und sich Biggi herbeisehnte, sich wünschte, sie könne jetzt neben ihm sitzen und mit ihm quatschen, setzte sich plötzlich Michael neben ihn. Er hatte sich geräuschlos genähert. Thomas erschrak. "Ach, du.", meinte er, und blickte zurück aufs Wasser. "Biggi wollte sich die Kanüle rausziehen?", fragte Michael dann nach einer Weile. Thomas schwieg erst, dann sagte er leise: "Ja." "Ich hätte nicht gedacht, dass es so weit kommt. Tut mir leid, dass ich dich am Telefon so angegriffen habe. Der Job ist unwichtig. Bedeutend ist allein, dass es Biggi bald wieder besser geht."

Thomas stiegen wieder die Tränen in die Augen. Er sah Michael verzweifelt an und sagte leise: "Es war so schrecklich. Sie war so am Boden zerstört. Michael, ich hab Angst um sie!! Dr. Perding musste ihr gestern eine Beruhigungsspritze geben, damit sie überhaupt ein wenig schlafen konnte. Michael, ich hab so Angst, dass sie noch mal so einen Scheiß versucht. Verstehst du das nicht??!" "Na klar versteh ich es.", meinte Michael leise. Dann kam er näher zu Thomas und nahm ihn ganz fest in die Arme. Thomas, dessen Gefühle sich völlig aufgestaut hatten, begann, hemmungslos zu weinen. Vor Biggi musste er zumindest halbwegs Stärke zeigen, doch jetzt konnte er es nicht mehr. Michael, dem nun langsam auch die Tränen kamen, strich ihm beruhigend über den Rücken. Er sagte nichts. Was sollte man in so einer Situation schon sagen.

Als die Schicht schließlich endlich zu Ende ging, machten sie sich auf zum Umkleideraum. Eiligst zog sich Thomas um, er konnte es gar nicht erwarten, Biggi wieder in die Arme zu schließen. Hoffentlich war alles in Ordnung. Zusammen mit Michael fuhr er schließlich in die Klinik. Michael wollte sofort in Dr. Perdings Büro, um mit ihm über Biggis Zustand und die Untersuchungsergebnisse zu reden.

Als Thomas Biggis Intensivzimmer betrat, erschrak er. Man hatte sie wieder an das Sauerstoffgerät angeschlossen, und sie lag vollkommen bleich in ihrem Bett. Thomas hatte das Gefühl, dass die Geräte mehr geworden waren, ebenso wie die Infusionsbeutel. Er stürzte an ihr Bett und sagte: "Biggi! Hey Biggi, was ist denn los?" Sie rührte sich nicht. Verzweifelt nahm er ihre Hand und berührte vorsichtig ihr Gesicht. "Sag doch was...", flehte er unter Tränen und ließ sich langsam auf den Sessel sinken. Er streichelte ihr Gesicht und vergoss bittere Tränen auf ihre Bettdecke. So verblieb er lange, bis plötzlich Michael reinkam. Er stellte sich hinter Thomas und fasste ihn an der Schulter. "Sie ... sie hat es wieder versucht, Thomas." "Nein!!", schrak er auf, drehte sich um und stellte sich vor Michael auf. "Sag, dass das nicht wahr ist...", bat er ihn unter Tränen. "Bei den Untersuchungen, da ... da kam die Sprache unverweigerlich auf die Querschnittlähmung. Sie mussten ihr schon da wieder ein Beruhigungsmittel geben. Als ... als sie sich wieder halbwegs beruhigte, dachten sie, es wäre in Ordnung. Nach den Untersuchungen, als sie wieder hierher gebracht wurde, haben die Schwestern sie dann alleingelassen. Bis plötzlich bei der zentralen Überwachung der Alarm klingelte - Atemstillstand. Sie hat sich die Hauptkanüle rausgezogen, Thomas." Verzweifelt sank Thomas zusammen. "Ich hätte bei ihr sein müssen.", schluchzte er. "Ich hätte VERDAMMT NOCHMAL bei ihr sein müssen!!!!!!! Hörst du, Michael??? Sie ... sie hätte mich gebraucht ..." Michael packte ihn an den Schultern, zog ihn hoch, setzte ihn vor sich auf den Sessel und umarmte ihn beruhigend. "Sie wird wieder, glaub mir." "Was ... was haben sie mit ihr gemacht?", fragte Thomas dann. "Sie haben ihr ein starkes Beruhigungsmittel gegeben. Eigentlich hätten sie sie wieder ins Koma versetzen müssen, aber Dr. Perding wollte noch abwarten. Sie mussten sie reanimieren, aber sie haben es geschafft, ihr rechtzeitig wieder Sauerstoff zu geben. Hörst du? Sie wird wieder. Sie wird wieder, glaub mir." Dann ging Michael noch mal raus. Er wusste, dass Thomas kurz Zeit mit Biggi allein brauchte und machte sich auf den Weg zur Cafeteria. Thomas hatte sich inzwischen wieder ganz nah an Biggi gesetzt und streichelte liebevoll ihr Gesicht. Seine Augen waren noch tränenfeucht.

Wieder verging eine ganze Zeit. Unentwegt hielt Thomas Biggis Hand und streichelte sie. Plötzlich öffnete sie langsam die Augen. Schwach sah sie ihn an, aber man konnte an ihrem Blick erkennen, wie unendlich froh sie über seine Anwesenheit war. Thomas meinte leise: "Wieso machst du denn so einen Unsinn, Biggi? Ist dir eigentlich klar, dass mein Leben keinen Sinn mehr hätte, wenn du nicht mehr wärst?? Ich ... ich wär dir sofort gefolgt, Biggi.", Wieder konnte er die Tränen nicht zurückhalten. "Ich liebe dich so sehr.", flüsterte er. Nun stiegen auch Biggi wieder Tränen in die Augen, sie sah ihn an und forderte ihn leise auf, ihr die Sauerstoffmaske abzunehmen. Zögernd tat er es. "Es tut mir leid. Bitte", flüsterte sie schwach. "Bitte komm näher. Küss mich." Er musste lächeln. Langsam beugte er sich näher über sie, bis sich schließlich ihre Lippen berührten. Er gab ihr einen unendlich langen und zärtlichen Kuss, während er liebevoll ihren Hals streichelte. Sie genossen es beide unheimlich, und Thomas ließ nur schweren Herzens von ihr ab. Er musste an ihre Sauerstoffzufuhr denken ... "Danke", flüsterte sie, lächelte ihn an und schloss wieder die Augen.

Thomas strich ihr sanft über die Wange. „Ruh dich ein wenig aus, ich werde bei dir bleiben!“, versprach er ihr. Biggi nickte leicht und schlief dann wieder ein. Thomas hielt die ganze Zeit ihre Hand. Er dachte nach. Was war, wenn Biggi es noch einmal versuchen würde? Er wusste es nicht. Es durfte nicht passieren, es durfte nicht so weit kommen, es hätte dieses Mal schon nicht so weit kommen dürfen. Eins war Thomas klar, er würde nicht mehr von Biggis Seite weichen. Niemand würde ihn dazu bringen, auch nicht Ebelsieder. Sein Job war jetzt unwichtig, es zählte nur eins, dass es Biggi besser ging.

Langsam betrat Michael den Raum und blieb hinter Thomas stehen. „Sie war eben wach.“, erzählte Thomas ihm, während er mit den Tränen kämpfte. „Was ist, wenn sie es noch einmal versucht, und man es nicht…nicht so schnell bemerkt.“, fragte Thomas verzweifelt. Michael wusste keine Antwort auf diese Frage. Er wusste nur eins, Biggi musste total verzweifelt gewesen sein. „Dr. Perding hat mir versichert, dass sie jetzt rund um die Uhr von einer Schwester überwacht werden wird.“, meinte Michael hoffnungsvoll. „Das ist nicht nötig, ich werde bei ihr bleiben.“, sagte Thomas entschlossen. Michael sah ihn etwas komisch an, sagte aber nichts. Erst nach einer Weile meinte er zweifelnd: „Und was machst du, wenn du Dienst hast? Du bist ja so schon kaum noch zu Hause.“ „Das ist mir jetzt egal, das einzige, was wichtig ist, ist Biggi und ich werde bei ihr bleiben.“ Michael nickte, er konnte Thomas verstehen, trotzdem machte er sich Sorgen wegen der Schicht, schließlich hatte Ebelsieder Thomas mit Kündigung gedroht, wenn er noch einmal zu spät kommen würde. „Wenn du möchtest, kann ich Frau Winter ja mal fragen, ob sie deine Schicht übernimmt.“, bot Michael ihm an. Thomas nickte, meinte dann aber gleich: „Sie wird es eh nicht machen, nicht für mich. Sie hasst mich.“, womit er nicht ganz Unrecht hatte. Der Winter konnte Thomas wirklich nicht ausstehen, weil er ihr immer wieder bewusst machte, dass sie auf der Basis niemals wirklich akzeptiert werden würde und weil Thomas ihr immer wieder vorhielt, dass sie versuchte Biggi von dort zu verdrängen und dass sie das gleich aufgeben könne. „Na ja, dann muss ich wenigstens nicht mit dieser Zicke meine Schicht fliegen.“, versuchte Michael die Situation mit Humor aufzulockern. Doch weder ihm noch Thomas war jetzt zum Lachen zu Mute. „Ich fahr dann jetzt wieder.“, sagte Michael. Er wollte noch auf der Basis vorbeisehen und den anderen die schlechten Neuigkeiten mitteilen. Thomas nickte und verabschiedete sich dann von Michael.

Dann war er wieder mit Biggi allein. Er nahm ihre Hand an seine Wange und streichelte sie. „Du darfst mich nicht verlassen - niemals.“, flüsterte er. „Wie soll ich das denn alles ohne dich aushalten?“. Im lief eine Träne die Wange herunter und sie tropfte auf Biggis Hand. Als ob sie dadurch wach geworden wäre, schlug sie ganz langsam die Augen auf. „Schön, dass du noch da bist.“, flüsterte sie, als sie Thomas erblickte. Er nickte. „Ich hab’s dir doch versprochen und ich werde auch nicht wieder weggehen, ich werde jetzt die ganze Zeit bei dir bleiben. Du wirst mich nicht mehr los, da kannst du tun, was du willst.“, sagte Thomas ernst, doch ihm huschte schließlich doch ein kleines lächeln übers Gesicht. Auch Biggi lächelte. Thomas bei sich zu wissen, tat ihr unheimlich gut.

„Biggi, bitte, du musst mir versprechen, dass du so etwas nie wieder tun wirst, ok?“, sagte Thomas nach einer Weile. Er sah sie an und wieder stiegen ihm Tränen in die Augen. Biggi nickte schwach. „Ich hab mich nur so alleine gefühlt...als...als du nicht bei mir warst und dann haben mir die Ärzte die Untersuchungsergebnisse mitgeteilt…“ „Ich weiß, Biggi … ich weiß.“, sagte Thomas und streichelte ihr übers Haar, „Aber jetzt bin ich ja da und ich werde hier bleiben.“ Biggi nickte glücklich, sie war so froh, Thomas zu haben. Sonst wäre sie wahrscheinlich schon lange total verzweifelt. Aber er macht ihr immer wieder Mut, gab ihr Hoffnung und Kraft. Nur durch ihn konnte sie ihre Verletzungen und ihre Beine für kurze Zeit vergessen. Sie nahm seine Hand und zog ihn runter. Dann nahm sie sich mit ihrer anderen Hand vorsichtig die Sauerstoffmaske vom Gesicht und küsste ihn zärtlich, lange – sehr lange. Sie wünschte sich, dass dieser Augenblick niemals enden würde.

Michael war inzwischen auf der Basis eingetroffen. Karin und Ralf saßen mit dem Winter im Aufenthaltsraum und Peter war gerade in der Küche um Kaffee aufzusetzen. Sie wunderten sich, dass Michael bereits zurück war. „Und, wie geht es Biggi?“, wollte Peter wissen. Michael sah bedrückt auf den Boden. „Sie…sie …hat es wieder versucht.“, sagte er schließlich zögerlich. „Nein.“, brachte Peter nur hervor. Sie hat sich die Hauptkanüle herausgezogen. Die Ärzte haben es gerade noch rechtzeitig bemerkt und konnten sie retten, aber ihr Zustand ist nach wie vor ernst. Thomas ist jetzt bei ihr…“, nach dem Michael zu ende berichtet hatte, sahen alle ihn geschockt an. Sie konnten es noch nicht wirklich glauben. Eigentlich hatten sie alle Biggi morgen früh besuchen wollen und jetzt? „Thomas ist doch schon ziemlich lange bei ihr, sollten wir ihn nicht mal ablösen, ich denke, er brauch auch mal ein bisschen Ruhe und Schlaf, oder?“, fragte Ralf. „Ich glaube nicht, dass er jetzt von ihrer Seite weichen wird.“, sagte Michael, womit er Recht hatte. „Frau Winter, ich wollte sie fragen, ob sie vielleicht Thomas’ Schicht übernehmen können?“, wandte er sich dann an den Winter, der gelangweilt und desinteressiert auf dem Sofa saß. „Nein, das kann ich nicht, ich habe schließlich auch noch ein Privatleben.“, sagte sie schnippisch und wandte sich dann wieder ihrer Zeitung zu. Doch die bösen Blicke von Karin, Michael, Ralf und Peter entgingen ihr nicht. Sie tat zwar so, als ob es sie kalt ließe, doch irgendwie ärgerte sie sich schon darüber, dass sie keiner auf der Basis richtig leiden konnte, auch wenn sie daran selber Schuld war. Und sie wusste, dass, wenn sie jetzt nicht für Thomas einspringen würde, sie sich endgültig jegliche Sympathie verdorben hätte. „Schließlich gab sie sich einen Ruck und meinte leicht genervt. „Na gut, aber nur dieses eine Mal.“ Die Gesichter der anderen erhellten sich. „Danke.“, meinte Michael und ging dann zum Telefon um sofort Thomas zu informieren.

Dr. Perding betrat  Biggis Krankenzimmer. „Herr Wächter, Telefon für sie, Dr. Lüdwitz.“, informierte er Thomas. Thomas sah zu Biggi. „Na geh schon, ich werde es schon zehn Minuten ohne dich aushalten.“, versicherte sie ihm. Thomas gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verließ dann zusammen mit Dr. Perding den Raum. Dafür schickte dieser eine Schwester, die auf Biggi “aufpassen“ sollte.

„Michael, was gibt’s denn?“, fragte Thomas, als er beim Telefon angelangt war. „Ich habe es geschafft, der Winter übernimmt deine Schicht. Du kannst die ganze Zeit bei Biggi bleiben“, sagte Michael stolz. „Danke.“, sagte Thomas glücklich. Dann verabschiedete Thomas sich schnell, weil er zurück zu Biggi wollte.

Er betrat langsam wieder das Intensivzimmer und ging auf Biggis Bett zu. Als sie ihn sah, lächelte sie ihn an. Thomas setze sich vorsichtig auf die Bettkante und streichelte Biggi zärtlich übers Gesicht. Dabei berührte er zufällig mit seiner anderen Hand ihr Bein. Biggi zuckte zusammen. Bildete sie sich das alles nur ein, oder hatte sie eben gerade tatsächlich ganz leicht etwas gespürt?

Ach, es war bestimmt nur Einbildung, dachte sie sich. Gib die Hoffnung doch endlich auf, Biggi, es ändert sich nichts. Du bist gelähmt. "Woran denkst du?", fragte Thomas plötzlich. Er hatte bemerkt, dass Biggi auf einmal irgendetwas beschäftigt hatte. "Ach nichts.", meinte sie, dann lächelte sie ihn an und sagte: "Ist unwichtig."

Sie wollte nicht schon wieder mit dem Thema beginnen, auch wenn ihr bereits wieder zum Heulen war. Doch Thomas machte sich schon genug Sorgen um sie, sie merkte ihm an, dass es ihm nicht gut ging, auch wenn er sich alle Mühe machte, es zu verbergen. So behielt sie ihre Verzweiflung für sich. Sie drehte den Kopf auf die andere Seite und sah aus dem Fenster. Man konnte nichts erkennen, es war schon längst dunkel und nur das leichte Licht der Neonlampen spiegelte sich im Glas wider.

Sie konnte die Tränen nicht zurückhalten, wollte aber nicht, dass Thomas sie sah. Könnte sie ihre Beine spüren und wäre sie nicht so schwach, wär sie einfach weggegangen. Doch in ihrer Macht stand einzig und allein, mal ein wenig den Kopf zu drehen oder die Hand zu bewegen, bevor sie gleich wieder erschöpft war. Sie fühlte sich gefangen in ihrem Körper, gefangen in diesem Bett, gefangen in dieser Klinik - in diesem Leben. Nach und nach tropften Tränen auf ihre Bettdecke. Thomas legte vorsichtig seine Hand auf ihre Schulter. "Biggi", sagte er ganz leise - dann langte er mit der Hand zu ihrem Gesicht rüber und streichelte sie an der Wange. "Biggi, was ist denn? Was hast du denn, hm?" Biggi reagierte erst nicht, dann meinte sie, ohne sich umzudrehen mit tapferer Stimme: "Es ... es ist nichts. Wirklich. Ich seh doch nur aus dem Fenster." "Ach Biggi. Wenn du hinter dem Fenster was erkennen kannst, musst du ja zaubern können. Ich seh nichts.", er schmunzelte, wonach ihm eigentlich gar nicht zumute war. "Du hast doch was."

Daraufhin drehte sich Biggi um, sah ihn mit verheultem Gesicht und roten Augen an und sagte: "Nein, hab ich nicht! Im Gegenteil. Ich hab keine Beine mehr, zumindest nichts, was ich noch irgendwie benützen könnte! Ich werde nie wieder die Pedale im Heli steuern können, geschweige denn aufrecht stehen. Ich kann gar nichts mehr. Ich liege hier im Bett und schaffe es nicht mal, mich ein wenig aufzurichten, und aus diesem Bett heraussteigen werde ich sowieso nie mehr können! Was hab ich denn Thomas, hä? Was?"  Thomas blickte sie an, auch ihm waren wieder die Tränen gekommen, dann beugte er sich zu ihr und nahm sie innig in die Arme. Er hielt sie fest, wollte sie nicht mehr loslassen. "Mich" sagte er dann unter Tränen. "Du hast mich, Biggi. Und mich wirst du nie verlieren. Hörst du? Nie." Sie drückte sich an seine Schulter, dann gab sie ihm einen Kuss auf den Hals und meinte: "Ich weiß. Thomas?" Sie löste sich ein wenig aus seiner Umarmung, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. "Ja?", fragte Thomas. "Ich liebe dich.", antwortete Biggi, ohne auch nur eine Sekunde den Blick von seinen Augen zu lassen. Daraufhin zog er sie nochmals zu sich und sie küssten sich leidenschaftlich. Dabei streichelte er unentwegt ihren Kopf, und sie schmiegte sich an ihn. "Ich liebe dich auch. Unendlich.", sagte Thomas. Sie lächelte ihn an und daraufhin küsste er sie nochmals zärtlich. Dann bettete er sie vorsichtig wieder in ihr Kissen und deckte sie zu. Er strich ihr liebevoll über die Stirn und meinte: "Ich bin so froh dass es dich gibt. Ich wüsste gar nicht mehr, was ich ohne dich machen würde. Wichtig bist doch du, Biggi, du - nicht deine Beine." Sie zwang sich zu einem leichten Nicken. "Möchtest du wieder ein wenig schlafen? Du brauchst das, damit du bald wieder zu Kräften kommst." Da sie ohnehin wieder sehr schwach und müde war, meinte sie: "Ok. Aber nur, wenn ich noch einen Gutenachtkuss kriege." Er lächelte sie lieb an, dann beugte er sich nochmals über sie und küsste sie innig. Verliebt sah er sie dabei an, dann ließ er schweren Herzens von ihr ab und sagte: "Schlaf gut. Ich werde bei dir bleiben." Sie blickte ihn unendlich dankbar an und schloss dann die Augen. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht schlief sie auf der Stelle ein. Thomas legte ihr behutsam die Sauerstoffmaske wieder an, und streichelte über ihr Haar. Reflexartig machte er einen vorsorglichen Blick auf die Hauptkanüle - zufrieden nahm er zur Kenntnis, dass sie noch da war. Und das würde sie auch bleiben. Er würde dafür sorgen. Er, Thomas, würde auf Biggi aufpassen, was auch geschah.

Nach etwa zwei Stunden, in denen Thomas Biggi unentwegt gestreichelt und ihre Hand gehalten hatte, betraten zwei Schwestern den Raum. Sie kamen, um drei Infusionen zu wechseln, nach den Geräten zu sehen, und die Werte zu notieren. Es dauerte eine Weile, bis sie alles durchgecheckt hatten und wieder nach draußen gingen. Sie boten Thomas freundlich an, ihm einen Kaffee und ein kleines Brötchen zu holen. Sie versuchten erst gar nicht, ihn in die Cafeteria zu schicken, sie wussten, dass er keine Sekunde mehr von diesem Bett weichen würde. Das rührte die beiden. Thomas nahm das Angebot dankbar an, er war inzwischen auch ein wenig müde geworden und ein Kaffee würde ihm sicher gut tun.

Nach zehn Minuten brachten sie ihn schon, und wünschten eine gute Nacht. Langsam trank Thomas das heiße Getränk aus und fragte sich dabei, wann Biggi wohl auch wieder selbst essen könnte. Sie wurde unentwegt künstlich ernährt - nicht nur, weil sie viel zu schwach zum Essen war, sondern weil die schweren inneren Verletzungen, die noch längst nicht genügend geheilt waren, feste Nahrung nicht vertragen würden. Etwa eine Stunde später konnte er die Augen nicht mehr recht offen halten. Es musste bereits spät in der Nacht sein, und schließlich schlief er wie in der letzten Nacht mit dem Kopf neben Biggi auf ihrer Bettdecke ein. Doch ihre Hand ließ er nicht los.

So verblieb er die ganze Nacht. Zwischendurch schauten immer wieder Nachtschwestern nach Biggis Werten und ganz besonders den Kanülen, doch Thomas merkte sie nicht. Er schlief tief und fest - und zufrieden, weil er bei Biggi war.

Am nächsten Morgen konnte er sich nicht erinnern, in der letzten Zeit irgendwann so gut und tief geschlafen zu haben - in Biggis Nähe fühlte er sich unendlich wohl, er konnte auf sie aufpassen, und musste nicht wie zuhause andauernd Angst um sie haben. Allerdings verlangte nun nach vielen Stunden wieder mal die Natur ihre Pflicht und es blieb Thomas nichts anderes übrig, als kurz das Zimmer zu verlassen, um auf die Toilette zu gehen. Biggi lag nach wie vor friedlich in ihrem Bett, er lächelte sie lieb an und streichelte über ihre Wange. "Bin gleich wieder da", flüsterte er, er wollte sie nicht wecken. Dann verließ er den Raum.

Unterwegs rief er kurz zuhause bei Michael an, richtete seinen Mädchen liebe Grüße aus und dem Winter herzlichen Dank für die Vertretung. Dann eilte er schnell wieder zu Biggi. Erleichtert atmete er auf, als er sie immer noch schlafend in ihrem Bett liegen sah. Ja, er lächelte froh, und die Kanülen waren auch alle an ihrem Platz.

Eine halbe Stunde später, Biggi war immer noch nicht aufgewacht, betrat Dr. Perding den Raum. "Guten Morgen, Herr Wächter!", begrüßte er ihn freundlich, aber leise. "Ich vermute, Sie haben wieder die Nacht hier verbracht? Hoffentlich haben Sie wenigstens halbwegs gut geschlafen?" "Hervorragend, Herr Dr. Perding!", entgegnete ihm Thomas gut gelaunt. "Na dann ist ja gut.", meinte der Arzt und schmunzelte.

Dann befasste er sich mit den Geräten. Ausführlich begutachtete er Biggis Werte und kontrollierte anschließend auch ihren Puls an der Halsschlagader. Dann schaltete er das Sauerstoffgerät etwas höher und rief nach einem nochmaligen Blick auf die Computer nach Oberschwester Hilde. Erschrocken und besorgt sah Thomas ihn an. "Ist etwas nicht in Ordnung?", fragte er voller Angst. In diesem Moment betrat die Oberschwester den Raum. "Bereiten Sie mir bitte 20mg Athropin und 10mg Migazulam, Hilde. Und ich möchte drei weitere Elektroden anlegen." Schon war die Schwester wieder verschwunden. "Kein Grund zur Beunruhigung, Herr Wächter..." "Das glaube ich nicht!", unterbrach Thomas ihn außer sich. "Was ist mit ihr?" "Ich bin mit ihren Werten nicht besonders zufrieden. Die Pulsfrequenz ist viel zu niedrig, der Blutdruck ebenso und ihre Atmung könnte besser sein. Doch ich hoffe, dass die Injektionen anschlagen werden und mit den zusätzlichen Elektroden will ich lediglich die Herztätigkeit detaillierter betrachten. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen, es ist normal, dass in ihrem Körper jetzt nicht alles glatt laufen kann. Das erwartet auch niemand, und Sie dürfen es auch nicht. Wir müssen jetzt sehr viel Geduld haben, etwaige Verschlechterungen sind immer zu erwarten. Verbesserungen im übrigen aber auch." Thomas nickte.

Oberschwester Hilde war sehr schnell wieder zurück. Sie überreichte Dr. Perding die bereiteten Spritzen, worauf dieser beide nacheinander langsam Biggi injizierte.

Dann bat er Thomas, kurz nach draußen zu gehen, während er mit Schwester Hilde die zusätzlichen Elektroden anlegte und bei der Gelegenheit auch nach den anderen zahlreichen Kabeln sah. Thomas setzte sich draußen auf einen Stuhl und stützte den Kopf in die Hände. Dr. Perding hatte Recht. Geduld war jetzt angebracht, nichts anderes. Geduld. Diese war nicht gerade eine von Thomas' Stärken. Nervenstärke schon eher - ja, im Job vielleicht. Aber bei Biggi? Bei Biggi war keine Spur mehr von Souveränität und Nervenstärke. Da waren nur Gefühle, da war die Liebe zu ihr. Die Liebe, die alles andere egal machte und somit in den Schatten stellte.

Nach einigen Minuten kam Schwester Hilde wieder heraus und gab ihm ein Zeichen, wieder reingehen zu können. Thomas trat wieder an ihr Bett, in dem Biggi immer noch tief und fest schlief. Dr. Perding verabschiedete sich vorerst und kündigte an, einige Zeit später wieder vorbei zu sehen. Thomas war wieder mit Biggi allein. Er nahm ihre Hand und streichelte sie, mit der anderen Hand berührte er liebevoll ihr Gesicht und blickte sie voller Zuneigung an.

Plötzlich öffnete sie die Augen. Schwach lächelte sie, und flüsterte glücklich: "Thomas..." Thomas freute sich und sagte: "Ich bin da, keine Sorge." Er lächelte sie lieb an, streichelte ihre Wange und meinte: "Streng dich nicht an, Süße. Hoffentlich hast du gut geschlafen." Biggi nickte leicht. Er küsste sie auf die Wange und schmiegte seinen Kopf leicht an ihren. Dabei streichelte er sanft über ihr Haar. Sie genoss es, und als er sich wieder hoch beugte, meinte sie: "Bitte, nimm mir doch kurz die Maske ab. Bitte..." "Aber Biggi, du brauchst den Sauerstoff! Ich würde dich doch auch so gern küssen ... aber -" Biggi unterbrach ihn. Schwach flüsterte sie: "Ich lasse nicht locker, vergiss es. Bitte, zwei Sekunden." Sie hatte ihn an der Angel. Da Thomas natürlich nicht wollte, dass sie sich noch mehr anstrengte, willigte er schließlich mit einem mahnenden Lächeln ein und nahm ihr die Maske ab. Daraufhin küssten sie sich zärtlich und lange. Sie verschmolzen direkt ineinander und genossen es

unheimlich. Doch dann musste Thomas einfach an Biggis Atmung denken, ging ganz langsam mit seinem Kopf wieder hoch, und legte Biggi behutsam die Sauerstoffmaske wieder an.

Glücklich sah sie ihn an, und er fragte lieb: "Bist du jetzt zufrieden?" Er schmunzelte. Sie nickte lächelnd, und schloss daraufhin wieder erschöpft die Augen. Er war auch zufrieden. Glücklich nahm er ihre Hand und streichelte wieder liebevoll über ihre Wange. Als er sie ansah, wie sie so friedlich dalag, an ihre wunderschönen, tiefsinnigen dunklen Augen dachte, an den Kuss ... da wurde ihm wieder eines klar, etwas, dass ihm schon seit Jahren klarer als alles andere gewesen war: Sie war die Liebe seines Lebens...

Und für sie würde er alles tun – alles! Als Biggi wieder eingeschlafen waren, blieb Thomas an ihrem Bett sitzen. Er dachte nach. Darüber, wie es weitergehen sollte, wenn Biggi entlassen werden würde. Natürlich wäre sie auf fremde Hilfe angewiesen und es müsste sich jemand um sie kümmern. Thomas dachte darüber nach, dass sie zu ihm ziehen könnte. Aber mit ihr darüber reden wollte er im Moment noch nicht. Es war noch zu früh dafür, schließlich würde Biggi noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben müssen.

Kurze Zeit später kam Dr. Perding mit zwei Schwestern herein. „Wir werden einige Untersuchungen mit Frau Schwerin machen, sobald sie wieder aufgewacht ist. Könnten sie mich dann bitte informieren?“, bat Dr. Perding Thomas. Dieser nickte selbstverständlich. Die beiden Schwestern kontrollierten noch einmal alle Geräte, an die Biggi angeschlossen war, dann verließen sie, genau wie Dr. Perding, wieder den Raum.

Thomas hatte irgendwie Angst davor, dass Biggi wieder eine Untersuchung bevor stand. Er wusste schließlich, was sie nach der letzten Untersuchung versucht hatte, als sie die Ergebnisse erfahren hatte. Doch dieses mal würde er bei ihr bleiben, den ganzen Tag und die ganze Nacht und nichts in der Welt würde ihn dazu bringen von ihrer Seite zu weichen.

Nach etwa einer Stunde öffnete Biggi langsam wieder die Augen. Sie vergewissert sich sofort, dass Thomas noch bei ihr war und lächelte dann zufrieden. Thomas strich ihr sanft über die Wange und drückte dann auf den Alarmknopf, um Dr. Perding bescheid zu sagen, dass Biggi jetzt wieder wach war. Biggi sah ihn fragend an, als er auf den Knopf drückte. „Dr. Perding will noch einige Untersuchungen mit dir machen.“, klärte er sie auf. „Ich warte hier auf dich, ok?“ Biggi nickte leicht. Kurze Zeit später kamen Dr. Perding und die beiden Schwestern wieder. Thomas wusste, dass sie Biggi jetzt gleich aus dem Zimmer schieben würden. Er beugte sich zu ihr und nahm ihr vorsichtig die Sauerstoffmaske ab. Dann gab er ihr einen zärtlichen Abschiedskuss.“ Biggi sah ihn dankbar und verliebt zugleich an und drückte noch einmal leicht seine Hand, bevor sie sie loslassen musste, da die beiden Schwestern ihr Bett nach draußen schoben. Thomas seufzte und sah Biggi sehnsüchtig nach. Dann ließ er sich auf seinen Sessel sinken und das Warten begann. Biggi wurde inzwischen in einen speziellen Untersuchungsraum gebracht, wo Dr. Perding mit Hilfe eines Ultraschalls und anderen Geräten den Heilungsprozess der inneren Verletzungen prüfte. Biggi schaute ihn die ganze Zeit über fragend an, doch Dr. Perding sagte nichts. Erst als er alle Untersuchungen abgeschlossen hatte, sagte er zu Biggi. „Ich denke, wir haben das Schlimmste überstanden, die inneren Verletzungen verheilen relativ gut.“ ‚Überstanden?’, dachte Biggi, ‚Überstanden war das Schlimmste für sie noch lange nicht.’, denn das Schlimmste war für sie ihre Querschnittslähmung. Doch sie sagte nichts, denn ihr war klar, dass Dr. Perding seine Prognose auf ihre anderen Verletzungen bezogen hatte. Sie war froh, als sie endlich in ihr Zimmer zurückgebracht wurde, denn sie wusste, dass dort Thomas auf sie wartete.

Thomas war inzwischen in seinem Sessel eingeschlafen. Biggi sah das und schmunzelte leicht. Als Dr. Perding das Zimmer wieder verlassen hatte, beugte sie sich vorsichtig ein wenig zu ihm, um seine Hand fassen zu können. Thomas schreckte hoch. „Was? Biggi?“, fragte er erschrocken. Erst jetzt bemerkte er, dass er eingeschlafen war und Biggi wieder ruhig und friedlich in ihrem Bett lag. Das beruhigte ihn sehr. „Und, wie war die Untersuchung?“, fragte er Biggi und streichelte ihre Hand, die er jetzt in seiner hielt. „Na ja, Dr. Perding meinte, das Schlimmste sei überstanden, aber er…er hat ja keine Ahnung.“, sagte Biggi zögerlich, während ihr Tränen in die Augen stiegen. Thomas verstand sofort, was sie meinte. Er beugte sich zu ihr und nahm sie zärtlich in den Arm. „Hey, Biggi, es wird alles wieder gut, du weißt doch, zusammen schaffen wir das!“ Biggi schmiegte sich an ihn und schluchzte leise an seiner Schulter. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Thomas legte sie ganz vorsichtig wieder zurück ins Kissen. „Danke, Thomas.“, sagte Biggi dann und sah ihm in die Augen, „Ich weiß wirklich nicht, wie ich das alles ohne dich ertragen würde.“ „Ich werde immer für dich da sein, Biggi, das weißt du doch.“ Biggi nickte. Dann zog sie ihn ganz langsam zu sich und küsste ihn innig und ziemlich lange. Als sich ihre Lippen ganz langsam wieder von einander lösten, bemerkte Thomas, dass Biggi gar keine Sauerstoffmaske mehr hatte. Es war ihm zuvor überhaupt nicht aufgefallen. Anscheinend ging es mit ihr wirklich bergauf. Thomas machte das überglücklich, doch er dachte auch wieder an Dr. Perdings Worte. „Etwaige Verbesserungen und Verschlechterungen sind immer zu erwarten.“ Doch erst einmal war er erleichtert, dass es Biggi besser ging.

Auf der Basis hatte derweilen das B Team Schicht. Karin und Ralf hatten sich in den Hangar verzogen, da sie vom Winter genervt waren, der im Aufenthaltsraum saß und fluchend Berichte ausfüllte. Karin und Ralf freuten sich besonders aufs Schichtende, da sie heute Abend vorhatten zusammen mit Peter und Michael Biggi zu besuchen. Doch die Schicht verlief ziemlich anstrengend und sie hatten mehrere schwere Einsätze. Als es endlich 18 Uhr war und die Schicht zu Ende war, waren Ralf und Karin sichtlich erleichtert. Sie wollten so schnell wie möglich von dem Winter weg kommen und verließen deshalb zügig die Basis.

Als sie etwa eine halbe Stunde später das Krankenhaus zusammen mit Ralf und Peter betraten, gingen sie zunächst zu Dr. Perding um sich nach Biggis Zustand zu erkundigen. „Heute Nacht hat sich ihr Zustand wieder leicht verschlechtert, aber wir haben das in den Griff bekommen und jetzt sind ihre Kreislaufwerte deutlich besser geworden. Ich denke, wir haben das Schlimmste überstanden und es geht langsam, wenn auch nur langsam, bergauf. Allerdings wird sie schon noch eine Weile bei uns bleiben müssen.“ Alle waren erleichtert das zu hören. „Meinen sie, dass sie…dass sie es noch einmal versuchen wird?“, fragte Ralf dann vorsichtig. „Nein ich denke eher nicht, ihr Kollege Wächter ist schon seit gestern Morgen nicht mehr von ihrer Seite gewichen.“ „Können wir denn jetzt zu ihr?“, erkundigte sich Peter. Dr. Perding nickte. „natürlich, kommen sie mit.“ Er führte die anderen zur Intensivstation, obwohl sie den Weg auch schon alleine kannten. Dr. Perding zeigte Karin, Ralf und Peter noch die Röntgenbilder von Biggis Wirbelsäule, bevor sie zu Biggi gehen wollten. Michael hingegen kannte diese schon und er wusste auch, dass kaum noch Hoffnung bestand, dass Biggi jemals wieder etwas in den Beinen spüren  würde, geschweige denn gehen können würde. Er wollte schon einmal vorgehen in Biggis Krankenzimmer.

Thomas saß gerade auf der der Kannte von Biggis Bett. Er hatte sich über sich gebeugt und sie küssten sich leidenschaftlich. Genau in diesem Moment stand Michael in der Tür und sah die beiden in dieser eindeutigen Situation. Er machte sich nicht bemerkbar, sondern ging wieder zurück zu den anderen, weil er Thomas und Biggi jetzt nicht stören wollte. Er musste grinsen, zwar hatte er irgendwie schon geahnt, dass zwischen Thomas und Biggi mehr als nur Freundschaft herrschte, schließlich hatte Thomas sich die größten Sorgen um Biggi gemacht und auch jetzt wich er nicht von ihrer Seite. Doch diesen Gedanken, den auch die anderen schon gehabt hatten, auszusprechen, hatte bis jetzt noch keiner gewagt. Doch dann dachte Michael daran, dass das A Team morgen wieder Schicht hatte und der Winter Thomas dieses Mal sicherlich nicht vertreten würde. Und Michael war klar, dass Thomas auch morgen nicht von Biggis Seite weichen würde und nicht zum Dienst erscheinen würde…

Dr. Perding erklärte Ralf und Peter gerade das Röntgenbild, Karin wusste selbst genau, was es aussagte – dass Biggi nie wieder gehen können würde, außer es geschah ein Wunder. Die anderen schauten etwas verwirrt, als Michael den Raum betrat, doch er rechtfertigte sich mit dem Grund, dass sie doch besser alle zusammen zu Biggi gehen sollten. Das taten sie dann auch. Thomas saß jetzt wieder auf seinem Sessel und streichelte Biggi liebvoll über die Wange, als die anderen den Raum betraten. Biggi ließ ihren Blick von Thomas hin zur Tür schweifen und erkannte die anderen, die jetzt auf ihr Bett zukamen. Sie freute sich sehr sie alle zu sehen. „Hey, Biggi, wie geht’s dir?“, erkundigte Karin sich. Biggi lächelte matt. Sie wollte nicht, dass sich die anderen noch mehr Sorgen um sie machten, als sie es sowieso schon taten.

"Danke - es geht ganz gut. Schön, dass ihr alle da seid! Ich hab euch richtig vermisst..." Sie traten nun näher an ihr Bett und setzten sich auf ein paar Stühle. Michael meinte: "Wir haben dich auch vermisst, Biggi! Versprichst du uns, dass du bald wieder gesund wirst?" Biggi blickte zur Seite und meinte traurig: "Das liegt nicht in meiner Macht. Nicht mehr." Sie unterdrückte mit aller Kraft die Tränen, die sich wieder anbahnten, und schaffte es auch. Thomas drückte fest ihre Hand. Er wusste genau, was ihr gerade durch den Kopf ging. In den letzten Tagen hatte er Biggi so gut kennen gelernt, so viel Zeit mit beziehungsweise bei ihr verbracht, dass er schon oft ahnen konnte, was sie gerade dachte. Wie diesmal. Michael bemerkte sofort, dass er etwas Falsches gesagt hatte und schaltete sich innerlich. Doch er konnte es nicht mehr rückgängig machen, und so entschied er sich für einen schnellen Themawechsel.

Die anderen waren betroffen. Biggi konnte sich ja noch so sehr bemühen, ihre Gefühle in Schach zu halten und ihnen gegenüber zu unterdrücken, aber sie spürten ihre seelische Verletzung, ihre Verzweiflung nur zu gut. Schließlich waren sie alle seit vielen Jahren eng befreundet - wozu also sich etwas vormachen?

"Sind die Schwestern nett?", fragte Michael dann. So traurig Biggi auch zumute war, sie musste trotzdem grinsen. "Ja, sie sind alle sehr freundlich, Michael.", antwortete sie und lächelte ihn an. Michael war froh. Beinahe hätte er gefragt, ob das Essen gut sei, sich es aber verkniffen. Heute war nicht ganz sein Tag ... "Wie ist denn meine Nachfolgerin? Versteht ihr euch gut mit ihr?", fragte Biggi dann. Thomas meinte: "Biggi, sie ist nicht deine Nachfolgerin! Sie ist deine Vertretung, nicht mehr. Und abgesehen davon ist diese Frau die Unausstehlichkeit höchstpersönlich." "Aber hat sie nicht so großzügig deine Schicht übernommen?" Michael mischte sich ein. "Biggi hat Recht. Das musst du schon einbeziehen, sie hat sich gestern wirklich kollegial erwiesen." "Ok ok, war ja nett von ihr. Ich hab mich eh bedankt!", verteidigte sich Thomas. Biggi musste schmunzeln, merkte aber, wie müde und schwach sie wieder geworden war - es reichte wirklich die kleinste Anstrengung, um sie zur Erschöpfung zu treiben.

Michael dachte daran, dass Biggi noch sehr viel Ruhe brauchte und schlug vor: "Wie wär's, wenn wir mal nen Sprung in die Cafeteria schauen und Biggi sich einen Moment ausruht? Das ist im Moment sehr wichtig für sie." Die anderen gaben ihm sofort Recht, sie boten Thomas an, mitzukommen - doch das hatte natürlich keinen Zweck. Thomas wich keinen Augenblick mehr aus diesem Zimmer - außer wenn es wirklich mal sein musste. Das Geräusch des EKG's, das endlose Piepsen hatte sich bereits so in sein Gehör eingeprägt, dass er ohne es gar nicht mehr ruhig schlafen könnte. Er bat die Freunde jedoch, ihm etwas zu trinken mitzunehmen, was sie gerne machten.

Dann waren Biggi und er wieder alleine. "War's sehr anstrengend?", fragte Thomas besorgt. "Ach, nein - ich hab mich doch so gefreut. Sie sind alle so lieb..." Thomas lächelte sie an, streichelte ihr Gesicht und meinte: "Du bist auch lieb ... die Liebste", daraufhin beugte er sich runter zu ihr und berührte sanft ihre Lippen. Langsam begannen sie, sich zärtlich zu küssen. Thomas gab seine beiden Hände um Biggis Kopf, während sie ihre Hand schwach auf seinen Rücken legte. Sie genoss einfach nur seine Berührung und seine Nähe, und wie er sie verwöhnte. Sie. Er liebte sie. Biggi ... "Einen Krüppel", schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Während Thomas sie immer noch zärtlich küsste, dabei ihr Gesicht streichelte - schob sie ihn mit schwachem Griff - so kräftig sie eben war - von sich weg. Sie hatte Tränen in den Augen. "Biggi - was ist los?", fragte Thomas sie verwundert. "Ich ...", begann Biggi, ließ es dann aber. Sie schaute wieder auf die Seite, Tränen rannen ihr das Gesicht herunter. Thomas bat sie: "Biggi, so antworte doch! Bitte." Daraufhin drehte sich Biggi wieder um, und sah ihm in die Augen. "Liebst du mich?" Thomas lächelte: "Über alles!" Biggi schaute ungläubig. "Wie kannst du mich lieben? Ich bin ein Krüppel, Thomas!!! Ein arschverdammter Krüppel....", schluchzte sie. Er starrte sie an, ungläubig - dann nahm er sie in den Arm und drückte sie fest wie noch nie an sich. "Aber Biggi! Du bist doch kein Krüppel ... wie kannst du nur so was sagen?? Du bist Biggi, meine Biggi - es wird niemals irgendjemand was daran ändern können. Nicht zehn LKWs und auch nicht Milliarden von gottverdammten argentinischen Früchten. Für mich bist du die beste, die schönste, die liebste - wie kannst du nur daran zweifeln, dass ich dich liebe??" Er löste die Umarmung, nahm Biggi behutsam so vor sich, dass er ihr direkt in die Augen sah, und blickte sie fragend an. "Ich ... ich weiß es nicht.", sagte Biggi dann leise und erneut vergoss sie Tränen. Thomas schmiegte sich an sie und streichelte sie beruhigend. "Tu das nie wieder, ja?", meinte er ganz leise und hielt ihre Hand fest. Schluchzend antwortete Biggi schwach: "Ok." Er hatte seinen Kopf neben den ihren gelegt und seinen Arm vorsichtig um ihren Oberkörper. Wieder spürte sie seine Wärme und sagte dann leise: "Ich liebe dich, Thomas" Daraufhin erhob er sich ganz langsam aus seiner Position, ging mit seinem Gesicht ganz nah an ihres, und strich ihr liebevoll die Tränen aus dem Gesicht. Dann küsste er sie nochmals zärtlich, worauf sie immer leidenschaftlicher wurden. Er beugte sich an ihr hinunter, küsste ihren Hals und näherte sich dann wieder innig ihren Lippen. Unentwegt hielt er dabei ihre Hand und streichelte mit der anderen über ihr Haar.

Plötzlich fuhren sie zusammen. Hinter sich hatten sie ein Räuspern gehört. "Oh ... ich hoffe, wir stören nicht", vernahmen sie plötzlich die sehr überraschte und verlegene Stimme von Peter. Thomas erhob sich schlagartig, blickte sich um und sah in der Tür wie angewurzelt Karin, Ralf, Peter und Michael stehen. Peter trug eine große Tasse Kaffee bei sich, und den Flecken an seinem T-Shirt nach zu urteilen, konnte nicht mehr allzu viel in der Tasse sein. "Vergiss es, Peter. Na klar stören wir.", grinste Ralf...

Thomas sah Biggi an und sie tat es ihm nach. Dann mussten sie beide grinsen. „Also, jetzt, wo ihr schon da seid, könnt ihr auch reinkommen.“, meinte Thomas und Biggi nickte zustimmend. Also kamen Karin, Michael, Ralf und Peter zögerlich auf Thomas und Biggi zu. Sie wussten nicht so recht, was sie sagen sollten und sahen verlegen auf den Boden. Irgendwie war es ihnen ein wenig peinlich, dass sie Biggi und Thomas gestört hatten. Doch dann meinte Ralf irgendwann: „Ich habe es immer gewusst…“ „Was hast du immer gewusst?“, wollte Thomas wissen. „Na, dass du und Biggi, dass ihr für einander bestimmt seid.“ „Hm, da könnte er Recht haben.“, gab Biggi zu. Sie zog Thomas langsam wieder zu sich und gab ihm einen zärtlichen Kuss. „Wer hätte das gedacht, jetzt haben wir ein neues Paar auf der Basis.“, sagte Peter dann. Als er das sagte, dachte Biggi wieder daran, dass sie vielleicht nie wieder auf der Basis arbeiten können würde und ihr stiegen wieder Tränen in die Augen. Thomas merkte es sofort, und er wusste genau, woran sie dachte. Peter hatte nun auch bemerkt, dass er das wohl besser nicht hätte sagen sollen. Er versuchte irgendwie schnell vom Thema abzulenken. „Also der Kaffee aus der Cafeteria schmeckt ja wirklich scheußlich.“, bemerkte er, weil ihm absolut nichts anderes einfiel. „So scheußlich, dass du ihn dir gleich aufs Hemd geschüttet hast?“, fragte Biggi zweifelnd. Alle mussten lachen, auch Peter. Thomas war froh, denn es war das erste Mal nach ihrem Unfall, dass er Biggi wirklich lachen sah. ‚Wenigstens hat sie ihren Humor nicht verloren.’, dachte er. Doch er wusste auch, dass die nächsten Wochen und Monate sehr hart werden würden für Biggi und ihn und dass sie ihn jetzt umso mehr brauchte, mehr als je zuvor.

Nach etwa einer halben Stunde verabschiedeten sich Michael, Ralf, Peter und Karin wieder. Sie wussten, dass Biggi noch viel Ruhe brauchte und wollten sie nicht zu sehr anstrengen. „Ok, mach’s gut Biggi, wir kommen in den nächsten Tagen noch mal vorbei.“, sagt Karin und nahm Biggis Hand. Biggi nickte lächelnd. „Schön, dass ihr da ward.“, sagte sie dann. „Hey, das ist doch selbstverständlich.“, warf Michael nun ein. Biggi zuckte mit den Schultern. „Also dann sehen wir uns in den nächsten Tagen.“, meinte Ralf. „Tschüss Biggi und gute Besserung.“ Langsam verschwanden Karin, Michael, Peter und Ralf nun endgültig aus dem Zimmer und Thomas und Biggi blieben alleine zurück.

„Du hast dich sehr gefreut, dass sie da waren, hm?“, fragte Thomas. Biggi nickte leicht. „Es ist gut zu wissen, dass man so gute Freunde hat.“, sagte sie. Thomas streichelte ihr über die Wange. „Du weißt doch Biggi, wir werden immer für dich das ein.“ „Ja, ich weiß“, meinte Biggi. Thomas beugte sich leicht über sie und sie begannen sich zärtlich zu küssen. Plötzlich wurden sie durch ein Räuspern unterbrochen. Sie sahen auf und sahen eine Schwester, die Biggi gerade eine Infusion wechseln wollte. „Oh…ähm…tschuldigung.“, sagte Biggi. Doch die Schwester lächelte nur. Sie fand es rührend, wie Thomas sich um Biggi kümmerte und dass er die ganze Zeit bei ihr blieb. „Hier hat man aber auch nie seine Ruhe.“, meinte Thomas, als die Schwester das Zimmer wieder verlassen hatte. Biggi zuckte mit den Schultern dann zog sie ihn wieder runter, wobei sie in unentwegt anlächelte. Sie küssten sich wieder und es dauerte lange, bis sie wieder voneinander abließen.

„Thomas, musst du eigentlich morgen wieder arbeiten?“, fragte Biggi nach einer Weile. „Eigentlich schon, aber ich werde natürlich bei dir bleiben, egal, was Ebelsieder mir angedroht hat.“, sagte Thomas und strichelte ihr sanft durchs Haar. „Thomas, ich…ich möchte nicht, dass du wegen mir deinen Job verlierst.“, meinte Biggi und sah ihm in die Augen. „Ach Biggi, weißt du, dass einzige, was im Moment zählt bist doch du und dass es dir besser geht.“ „Bitte, Thomas, ich komme schon klar, ich möchte wirklich nicht, dass du deshalb deinen Job verlierst.“, sagte Biggi. „Bist du sicher?“, fragte er zweifelnd nach. Ihm war gar nicht wohl bei dem Gedanken Biggi alleine zu lassen, aber wenn sie es so wollte… Er wusste, dass er sie sowieso nicht von dem Gegenteil überzeugen konnte. „Na gut, aber gleich nach meiner Schicht komme ich wieder.“ Biggi nickte lächelnd. „Dann werde ich mich morgen den ganzen Tag auf den Abend mit dir freuen.“ „Ich mich auch, Biggi.“ Thomas beugte sich wieder über sie und küsste sie. „Willst du dich jetzt ein wenig ausruhen und versuchen zu schlafen?“, fragte Thomas, da es bereits Abend war. Biggi nickte. „Ich werde die ganze Nacht bei dir bleiben.“, versprach er ihr und gab ihr noch einen Kuss auf den Mund. „Danke.“, flüsterte Biggi. Dann schloss sie die Augen und schlief mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht ein.

Verliebt sah Thomas sie an. Er war so froh - Biggi war heute das erste Mal ein wenig glücklich gewesen; zumindest glücklicher als all die letzten Tage. Ja, sie hatte sogar einmal gelacht. Und nun war sie zufrieden eingeschlafen, nach einem schönen, aber anstrengenden Tag. Er war unheimlich glücklich darüber.

Ungefähr nach einer Stunde kam wieder mal eine Schwester herein – sie wechselte zwei Infusionen und sah nach den Werten. Nachdem sie sie notiert hatte, sah sie Thomas freundlich an und meinte: "Es geht nun wirklich bergauf, Herr Wächter. Sie können stolz auf Ihre Freundin sein." Thomas freute sich riesig darüber und bedankte sich. Als die Schwester wieder draußen war, wandte er sich Biggi zu und meinte leise: "Hey, ich bin stolz auf dich". Dann streichelte er liebevoll ihr Gesicht und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass Biggi tief und fest schlief. Auch Thomas gähnte nun. Er war schon wieder ziemlich müde - schließlich war es bereits sehr spät abends. Nach einer Weile schlief schlussendlich auch er ein, nachdem er Biggi ein letztes Mal über das Haar gestreichelt und seinen Kopf neben ihren auf das Bett gelegt hatte. Beide wachten in der Nacht kein einziges Mal auf. Immer wieder kontrollierten Nachtschwestern Biggis Werte, sahen nach den Infusionen und wechselten einige. Doch sie waren dabei sehr bemüht, leise vorzugehen, da sie natürlich nicht das rührende Liebespaar aufwecken wollten.

Am nächsten Morgen erwachte Biggi vor Thomas. Lächelnd sah sie ihn an, als sie ihn noch tief schlafend neben sich erblickte, und streichelte ihn sanft am Nacken. Sie fühlte sich heute irgendwie richtig gut. Freudig entdeckte sie im Fenster die ersten Sonnenstrahlen und sah den fröhlich zwitschernden Vögeln draußen zu. Dann blickte sie wieder zu Thomas. Verliebt lächelnd beobachtete sie seinen Schlaf und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Stirn. Plötzlich betrat eine Schwester den Raum, Oberschwester Hilde. Sie war nicht gerade leise in ihren Schritten, und Biggi raunte ihr zu: "Pssst! Er schläft doch noch." Hilde nickte verständnisvoll und schlich von dort aus weiter zu den Geräten. Doch Thomas erwachte trotzdem. Als er langsam die Augen öffnete und Biggi verschlafen ansah, meinte sie. "Guten Morgen, mein Schatz!"  Thomas war sofort hellwach - er freute sich unheimlich darüber, dass es Biggi offensichtlich so gut ging. "Hey, mein Engel - guten Morgen! Hast du gut geschlafen?" "Neben dir - klare Sache", entgegnete sie grinsend. "Das beruht auf vollkommene Gegenseitigkeit", erwiderte Thomas, während er sich langsam auf Biggis Lippen zubewegte und ihr dann einen unendlich zärtlichen und innigen Morgenkuss verpasste.

Vorsichtig bewegte sich Hilde aus dem Raum - sie wollte das Liebespaar nicht stören. Biggi und Thomas küssten sich noch lange, und Thomas bemerkte eindeutig dabei, dass Biggi bereits lange nicht mehr so schwach war wie die Tage zuvor. Glücklich sah er sie an und meinte: "Ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht! Ich liebe dich über alles, Biggi." "Ich liebe dich auch.", sagte Biggi mit einem glücklichen Strahlen in den Augen, zog ihn wieder zu sich runter und sie küssten sich leidenschaftlich. "Ach, ich würd soo gerne bei dir bleiben heute. Ich glaub ich halte so viele Stunden ohne dich nicht aus.", meinte Thomas dann niedergeschlagen. "Ich weiß - ich werd mich auch sehr zusammenreißen müssen. Aber dafür freuen wir uns schon den ganzen Tag darauf und abends kann uns dann keiner mehr trennen." "Du hast ja recht...", meinte Thomas einsehend, aber doch etwas bedrückt. Dann nahm er ihre Hand in die seine und sagte: "Aber du musst mir was versprechen, ok?" "Was denn?", meinte Biggi und lächelte erwartungsvoll. "Mach nicht wieder so einen Blödsinn, wenn ich nicht da bin. Wenn es dich nicht mehr gäbe, dann ... dann wär mein Leben vollkommen zerstört. Du machst mein Leben lebenswert. Lass es so bleiben, ok?", sprach er ernst zu ihr. Sie blickte nach unten, nickte und sagte dann: "Ich verspreche es dir." Daraufhin nahm Thomas sie ganz fest in den Arm, drückte sie an sich und gab ihr dann einen zärtlichen Kuss. "Ich liebe dich.", meinte er dann. "Ich dich auch...", erwiderte sie. "Du musst jetzt gehen. Ich lebe noch nicht ganz hinterm Mond, in zwanzig Minuten beginnt die Frühschicht ...", fügte sie leise hinzu, wobei ihr wieder die Tränen in die Augen stiegen. Wie gern wäre sie nur einfach aufgestanden, mit dem Motorrad zur Basis gerast und hätte dort die Schicht angetreten. Aber sie war jetzt hier. So schnell würde sich das wohl nicht ändern, und sie musste es akzeptieren.

Thomas wischte ihr liebevoll die Tränen aus den Augen. "Du wirst wieder fliegen. In deinem Engel. Ich verspreche es dir. Wenn du möchtest, werden wir in den Heli ziehen, zusammen, dann können wir den ganzen Tag fliegen...", er schmunzelte, und brachte auch sie zum Lächeln. "So gefällst du mir schon viel besser...", meinte er leise und gab ihr einen Abschiedskuss.

"Ich freu mich schon so sehr auf heute Abend", sagte Biggi. "Na und ich mich erst", entgegnete Thomas, küsste sie nochmals leidenschaftlich und verließ dann schweren Herzens den Raum. Biggi blickte noch lange auf die Tür. Sie konnte es gar nicht erwarten, bis Thomas wieder hier sein würde. Doch sie wurde schließlich reichlich abgelenkt. Im Laufe des Vormittags schaute Dr. Perding herein, und hielt eine sehr ausführliche Visite ab. Er war mit Biggis Zustand äußerst zufrieden. "Na, was habe ich Ihnen gesagt? Es geht nun wirklich aufwärts, Frau Schwerin. Das haben Sie toll gemeistert.  Jetzt sind wirklich keine großen Schwankungen mehr zu erwarten. Sie werden sehen, es wird Ihnen von Tag zu Tag besser gehen - sofern Sie sich weiterhin natürlich schonen und unnötige Anstrengungen vermeiden. Ist das in Ordnung?" "Na klar, verstehe.", meinte Biggi lächelnd. "Der Kollege Wächter scheint Ihnen ja äußerst gut zu tun. Ihr Strahlen in den Augen ist nicht zu übersehen." merkte Dr. Perding zufrieden an. Verlegen sah sie ihn an, dann mussten sie aber beide lachen und schließlich verabschiedete sich Dr. Perding wieder. "Wir sehen uns heute Abend!", meinte er und verließ den Raum.

Biggi ließ sich ins Kissen sinken und sah aus dem Fenster. Lange hatte sie nicht Ruhe, schon wieder betrat eine Schwester den Raum und wechselte zwei Infusionen aus. Anschließend nahm sie eine endgültig weg. "Die brauchen Sie jetzt nicht mehr. Anordnung von Dr. Perding. Schön, oder?", meinte die Schwester lieb und Biggi nickte fröhlich. Sie fühlte sich gleich viel besser, mit einer Kanüle weniger am Arm. Sie spürte selbst, wie sie von Tag zu Tag fitter wurde. Sie blickte zur Hauptkanüle, die sie an der linken Hand hatte und dachte daran, wie sie schon zweimal versucht hatte, sie sich rauszuziehen. Einmal hatte sie es wirklich gemacht.

Das würde sie nicht mehr tun. Dazu war ihr ihr Leben ... zu wertvoll. Sie hatte viel verloren, aber viel gewonnen. Thomas. Dieses Glück wollte sie nicht wegwerfen. Mit ihm war sie - ja, sie war richtig glücklich. Sie schloss die Augen, um ein wenig zu schlafen. So würde sie sich vielleicht die Zeit bis Thomas wiederkommt besser vertreiben.

Währenddessen war Thomas bereits mitten im Dienst. Glücklich berichtete er den anderen von Biggis Fortschritten und wie gut es ihr heute ging. Michael, Karin, Peter, Ralf und auch Max freuten sich natürlich tierisch. Sie beschlossen, Biggi bereits am nächsten Tag wieder zu besuchen. Es war nämlich kein Dienst angesagt und so hatten sie den ganzen Tag Zeit. Den heutigen Abend wollten sie aber auf jeden Fall Thomas und Biggi alleine gönnen.

Das A-Team hatte einige Einsätze, die aber meist nur Routine waren. Die Stunden vergingen und Thomas wurde gegen Schichtende immer zappeliger. Er wollte jetzt einfach nur zu Biggi. Als es schließlich soweit war und der Winter für ihn übernehmen musste, stürzte er zu seinem Auto und fuhr voller Vorfreude los. Er hatte Biggi so vermisst.

Währenddessen war Biggi in der Klinik wieder aufgewacht. Sie hatte sich inzwischen daran gewöhnt, nur die Hälfte ihres Körpers zu spüren, wenn sie aufwachte. Es war ein schreckliches Gefühl, ein zerstörendes Gefühl. Doch der Gedanke an Thomas heiterte sie immer wieder auf. Auch diesmal. Ergänzte er doch so perfekt den Teil, den sie aus ihrem Leben verloren hatte...

Leider konnte sie ihm diesmal nicht ins Gesicht sehen. Doch dann blickte sie lächelnd zu ihrem Nachttischchen - dort hatte sie ein Foto von Thomas aufgestellt. Er hatte es ihr mitgebracht für die wenigen Zeiten, in denen er nicht bei ihr sein konnte. Sie griff danach, doch plötzlich rutschte es ihr aus der Hand und fiel unter das Bett. "Oh nein...", sprach Biggi verärgert zu sich selbst. "Mist!", sagte sie zornig und blickte nach unten auf den Boden. Da lag es, das Foto. Auf der verkehrten Seite. Sie wollte Thomas jetzt unbedingt sehen, brauchte es - zumindest sein Bild. Wieder wurde ihr bewusst, wie schrecklich gefangen sie in diesem Bett, diesem Körper war. Noch ein paar Wochen zuvor wäre sie einfach aus dem Bett gehopst und hätte das Bild aufgehoben. Tja, da wäre sie ja nicht mal in einem Bett. Da wär sie in ihrer Schicht, in ihrem Engel... Doch jetzt war sie gefesselt. Für immer. Warum sie???? Biggi wurde wütend. Nein, das würde sie ihrem Stolz nicht antun, nicht an dieses verdammte Foto

ranzukommen. Das Bild war nah genug, sie würde es schaffen, mit ihrer Hand hinzukommen. Die elendige Wut auf ihr Schicksal gab ihr neue Kraft. Langsam schaffte sie es, ihren Körper an den Rand des Bettes zu schieben. Dann langte sie mir ihrem Arm nach unten. Sie berührte noch nicht den Boden, also drehte sie sich noch mehr zur Seite und versuchte mit aller Kraft, mit der Hand das Foto zu erlangen. Schließlich nahm sie auch noch die andere Hand zur Hilfe und hielt sich damit an der Bettkante fest. Sie war bereits bedrohlich nahe an der Bettkante. Bald hatte sie das Bild erreicht – fünf Zentimeter noch ... doch plötzlich rollte das Bett unter ihr zur Seite. Sie konnte nichts mehr tun, versuchte, sich noch irgendwie festzuhalten - vergebens. Sie fiel aus dem hohen Bett und landete hart auf dem Boden. Bewusstlos blieb sie auf dem kalten, verdammt grün gekachelten Klinikboden liegen. Die Kanülen und Kabel hatten sich gelöst und die Medizin tropfte sinnlos auf die Bettdecke.

Zehn Minuten später kam Thomas am Haupteingang an. Verwundert registrierte er, dass sich sein Pulsschlag unbewusst enorm erhöht hatte. Irgendetwas verleitete ihn dazu, schneller zu gehen und schließlich sogar die Gänge durchzurennen. Irgendwie hatte er ein komisches Gefühl. Zwei Minuten später wurde er schwer bestätigt. Sein verzweifelter Schrei, nachdem er seine Biggi bewusstlos und kaum mehr am Leben am Boden liegen sah, war durch das ganze Krankenhaus zu hören...

Sofort stürmten Dr. Perding und einige Schwestern in Biggis Zimmer. Dort hatte Thomas sich über ihren leblosen Körper gebeugt und zog sie behutsamen sich. „Biggi…NEIN, Biggi!“, schluchzte er. Sein Gesicht war tränenüberströmt.

Dr. Perding schickte Thomas sofort aus dem Zimmer und kümmerte sich dann mit den Schwestern um Biggi. Sie hoben sie wieder ins Bett und zunächst wurde sie wieder an das EKG angeschlossen. Die Werte waren bedrohlich schwach. Sofort legte Dr. Perding ihr eine neue Kanüle und schloss sie an alle benötigten Infusionen wieder an. Doch die zehn Minuten, die sie ohne die Medikamente auf dem kalten Klinikboden gelegen hatte, hatten ihren Kreislauf stark geschwächt und Dr. Perding wusste, wenn sich ihr Zustand nicht in den nächsten Stunden deutlich bessern würde, würde er sie wieder in ein künstliches Koma versetzen müssen. „Geben sie mir bitte 10mg Athropin und 10mg Migazulam.“, forderte Dr. Perding dann eine der Schwestern auf. Zudem bereitete er zwei weitere Infusionen vor. Sein Gesicht war sehr ernst und er begutachtete immer noch das EKG. Doch die Werte hatten sich kein bisschen gebessert. Der Herzschlag war noch viel zu schwach und auch die Pulsfrequenz wich weit von den Normalwerten ab.

Thomas hatte sich währenddessen draußen auf dem Gang auf einen Stuhl sinken lassen. Er hatte seinen Kopf in den Armen vergraben und weinte. Er war total verzweifelt, gerade ging es Biggi besser, sowohl körperlich als auch psychisch und nun das. Was war nur passiert? Hatte Biggi versucht aufzustehen? Thomas wusste nicht mehr was er tun sollte, er war so verzweifelt. Gerade als er wieder neue Hoffnung hatte, musste diese wieder grausam zerstört werden. Er wusste nicht, wie er es ertragen könnte, wenn Biggi es nicht schaffen würde. Sie war das Wichtigste in seinem Leben und er würde alles, wirklich alles für sie tun. Aber er konnte nichts tun, er konnte nur hier herumsitzen und warten. Warten bis Dr. Perding ihn endlich über Biggis Zustand informieren würde. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter und eine Stimme fragte: „Was ist denn mit ihnen?“ Er blickte langsam auf und erkannte eine der Schwestern. Sie war schon öfter in Biggis Zimmer gekommen um Infusionen zu wechseln und kannte Thomas bereits. Nun sah sie in seine geröteten Augen.

Sein T-Shirt war bereits von Tränen durchnässt. „Ihre Freundin ist doch auf dem Weg der Besserung, das wird schon wieder.“, sagte sie aufmunternd. Thomas blickte ihr in die Augen. „Ja, das war sie auch, auf dem Weg der Besserung…bis vorhin….Ich hab sie gefunden…sie lag bewusstlos auf dem Boden neben ihrem Bett…“, die letzten Worte gingen in Thomas’ Schluchzen unter. Die Schwester reagierte ebenfalls sehr betroffen. Auch sie war froh gewesen, dass es mit Biggi aufwärts ging und Thomas tat ihr unendlich Leid. Sie hatte es immer so rührend gefunden, wie er sich um Biggi kümmerte…

Plötzlich ging die Tür zu Biggis Intensivzimmer auf und Dr. Perding und drei der vier Schwestern kamen heraus. Eine blieb bei Biggi um ständig ihre Werte zu kontrollieren. Thomas blickte sofort zu Dr. Perding, in sein ernstes Gesicht und er ahnte sofort, dass es nicht gut um Biggi stand. „Herr Wächter, ich kann sie erst einmal beruhigen, wir konnten den Zustand von Frau Schwerin vorerst stabilisieren. Dank ihnen übrigens – wenn sie sie nicht so schnell gefunden hätten, dann wäre sie wahrscheinlich nicht mehr am Leben gewesen. Nun, sie ist dadurch, dass sie auf dem kalten Boden gelegen hat leicht unterkühlt, was ihre Kreislaufwerte ziemlich in den Keller getrieben hat. Es tut mir Leid, ihnen nichts Besseres sagen zu können, aber wenn sich ihr Zustand in den nächsten Stunden nicht bessert, dann muss ich sie wieder in ein künstliches Koma versetzen.“ Thomas liefen unentwegt Tränen über die Wangen. Er war sich so sicher gewesen, dass sie das Schlimmste überstanden hatten und nun ging das Bangen und Hoffen wieder von vorne los. „Kann…kann ich zu ihr?“, fragte er unter Tränen. Dr. Perding nickte schweigend. Unter normalen Umständen hätte er niemanden zu Biggi gelassen, aber er hatte selbst mitbekommen, dass Thomas’ Anwesenheit ihr gut tat. Thomas stand auf und ging ganz langsam zur Tür. Er wusste nicht, welcher Anblick ihn nun erwarten würde. Er erinnerte sich noch ganz genau an Biggis Anblick, nachdem sie sich die Kanüle herausgezogen hatte. Er drückte vorsichtig die Klinke herunter und begab sich langsam zu Biggis Bett. Sie lag total leblos dort und war total blass. Vorsichtig nahm er ihre Hand und drückte sie. Er bemerkte, dass sie jetzt wieder zwei weitere Kanülen im Arm hatte. Sanft streichelte er ihr über die Wange, wobei ihm immer wieder einige Tränen in die Augen stiegen. „Biggi, du musst wieder gesund werden…ich brauche dich doch so sehr…“, schluchzte er. Plötzlich viel sein Blick auf etwas, das unter dem Bett lag. Er bückte sich und hob es auf. Es war sein Foto, das Biggi immer auf ihrem Nachttisch stehen hatte. Nun wusste er auch, warum Biggi aus dem Bett gefallen war. ‚Natürlich…’, schoss es ihm in den Kopf, ‚…sie wollte das Foto aufheben.’ ‚Warum war ich nicht bei ihr gewesen? Warum hatte er sie alleine gelassen? Warum? Ich hätte es verhindern können! Ich hätte da sein müssen!’, Thomas machte sich mit seinen Selbstvorwürfen total fertig. Er strich Biggi langsam durch die Haare und küsste sie dann sanft auf die Stirn. „Bitte Biggi…du musst wieder gesund werden…versprich es mir…“, leise schluchzend barg er sein Gesicht in ihre Bettdecke und umklammerte ihre Hand noch fester.

Er ließ all die Tränen, die ihm in der Verzweiflung hochstiegen zu und weinte lange an Biggis Bett. verschwommen sah er ihr Gesicht, das ihn vor einigen Stunden noch so fröhlich angelacht hatte. So glücklich und verliebt. Jetzt war ihr Gesicht blass wie nie, und Thomas vermeinte einen schrecklich traurigen und kraftlosen Ausdruck darin zu erkennen - einen, wie ihn jemand hatte, der alles aufgegeben hatte. Auch das Leben. Aber sie musste kämpfen - Thomas würde um sie kämpfen. Sie würden es schaffen. Biggis Hand lag kraftlos in der seinen. Es gab zwar nicht das geringste sichtbare Anzeichen dafür, doch Thomas wusste, dass Biggi seine Anwesenheit brauchte und sie seine Berührungen spürte.

Die Schwester, die andauernd im Zimmer verblieb, hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und schrieb alle zehn Minuten Biggis Werte nieder. Sie machte dabei ein sehr ernstes Gesicht. Immer wieder blickte sie den weinenden Thomas, der unaufhörlich Biggi streichelte und ihre Hand hielt, mitfühlend an. Als es wieder einmal soweit war, die Werte zu notieren, las sie sie von den Geräten ab. Sie erschrak und stürmte dann aus dem Zimmer. Was hatte das zu bedeuten? Thomas begann zu zittern und verspürte eine unheimliche Angst. Todesangst.

Er erhob sich aus seinem Sessel, war vollkommen aufgeregt - unbeholfen stand er da und sah einige Augenblicke später auch schon Dr. Perding mit zwei weiteren Ärzten und Schwestern ins Zimmer stürmen. Er blickte auf das EKG und sagte: "Scheiße. Wir reanimieren! Der Defi, schnell!!" Dann riss er Biggi's KH-Hemd auf und begann mit der Herzmassage. Ein anderer Arzt schloss sie an das Sauerstoffgerät an und beatmete sie. Ungeduldig rief Dr. Perding nach dem Defi. "Eins, zwei, drei, vier, fünf! Komm schon Mädel, du schaffst es!!", redete er auf Biggi ein. Thomas war ein Schatten seiner selbst. Er starrte auf all die Ärzte, wie sie versuchten, Biggi wieder zum Leben zu erwecken, stand in der Ecke und glaubte, sein Leben in ein bodenloses Loch fallen zu sehen. Endlich wurde der Defi herbei geschoben. Dr. Perding nahm ihn sofort entgegen, rief: "200. Achtung - weg!" Thomas schossen die Tränen in die Augen, als er Biggis Körper sah, wie er vom Strom durchströmt wurde und sich aufbäumte. "Nichts. Hilde, 2mg Adrenalin, sofort. 360 Joule. Achtung und weg!" wieder verpasste er Biggi einen saftigen Schlag mit dem Defi. Sie fiel in die Luft, landete wieder auf der Matratze, doch keine Veränderung. Das Kammerflimmern hörte nicht auf. Schwester Hilde reichte Dr. Perding die Spritze mit Adrenalin, er injizierte sie auf der Stelle in Biggis Blut. Daraufhin lud er wieder den Defibrillator auf 360. "Achtung - weg!" Abermals wurde Biggis Körper durch die Luft geschleudert.

Thomas konnte das nicht mit ansehen. Er ließ sich an der Wand in der Ecke zu Boden sinken und vergrub den Kopf in seinen Armen. "Nein, nein, nein .... bitte nicht, bitte lass das doch alles nicht wahr sein, lieber Gott!!! Biggiii......ich liebe dich doch so sehr.....", flüsterte er verzweifelt und vergoss bittere Tränen.

Plötzlich hörte er etwas - ja, das Geräusch, das ihm so sehr vertraut geworden war in der letzten Zeit, dass den Garantieschein für sein glückliches Leben bedeutete ... Piep, piep, piep ..... das EKG. Das gute, alte EKG. Es piepste wieder. Ganz langsam wagte er es, aufzusehen und zu den Ärzten um Biggis Bett herum zu blicken. Über alles erleichtert atmete Dr. Perding auf: "Wir haben sie wieder. Mensch, ich hab schon nicht mehr dran geglaubt." Er fuhr sich mit der Hand erschöpft über die Stirn und drückte kurz Biggis Hand. Dann ordnete er an: "Ok. Wir sind da noch lange nicht durch. Hilde, 20mg Diophental, 50mg Athropin, 10mg Selativ und 15mg Diacepam. Dann bereiten Sie mir zwei weitere Zugänge, ich brauche NaCl und Ringerlactat, und stellen Sie das Narkotikum bereit. Schnell." "Alles klar, Herr Doktor", antwortete Hilde und stürmte aus dem Zimmer.

"Wir intubieren. Sie wird auf höchster Stufe beatmet, ist das klar? Wir legen sechs neue Elektroden an und bereiten Sie einen zentralen Zugang vor. Dann ... dann werde ich sie wieder ins Koma versetzen." Er atmete tief durch. Diesmal schickte er Thomas nicht aus dem Zimmer. Wie angewurzelt saß dieser immer noch am Boden in der Ecke und starrte auf Dr. Perding. Und auf Biggi, wenn mal kurz der Blick auf sie frei wurde. Leblos lag sie auf ihrem Bett und wurde von einem Arzt beatmet. "Hier sind die Präparate, Herr Doktor", meinte Schwester Hilde und überreichte Dr. Perding auf einem kleinen Tischchen die vier Spritzen und die Infusionen. Dr. Perding legte Biggi einen weiteren Zugang und injizierte ihr das Diophental und Athropin. Das Selativ spritzte er ihr ebenso wie das Diacepam in den Zugang der anderen Hand. Schwester Hilde hatte Biggi inzwischen an die beiden neuen Infusionen angeschlossen und weitere Zugänge gelegt. "Ich brauch das Laringoskop.", orderte Dr. Perding dann, um Biggi intubieren zu können. "Tubus", sagte er und führte schließlich den Schlauch in Biggis Hals. Anschließend wurde das Sauerstoffgerät angeschlossen. Da war es wieder, dieses pumpende, arbeitende Geräusch - das Geräusch, von dessen Wirkung Biggi wieder abhängig war. Das ihr den Windhauch des Lebens in den Körper pumpte. Wieso nur????? Warum musste das alles sein??? Vor ein paar Stunden war sie wenigstens noch richtig am Leben gewesen, hatte gelacht ... und jetzt.

Nachdem die Sauerstoffzufuhr auf höchster Stufe gelegt war, injizierte Dr. Perding Biggi schließlich noch das Narkotikum. Er tat es schweren Herzens, wusste aber, dass er keine Wahl hatte. Dann legte er mit Hilfe eines Kollegen einen zentralen Zugang an und fügte schließlich noch weitere Elektroden hinzu, deren Kabel er mit dem EKG verband. Auch das Blutdruckmessgerät wurde wieder angeschlossen. "Blutdruck ist im Keller", meinte der Kollege zu Dr. Perding. "Ich weiß. Aber ich kann ihr nicht noch mehr geben, nach dem Schuss Adrenalin und den anderen Seren. Sonst hat sie bald gar keinen Blutdruck mehr...", fügte er leise hinzu und setzte sich auf einen Stuhl.

"Schwester Anna - Sie und Kollegin Gertrud werden hier bleiben und die Werte überwachen. Bei den geringsten Veränderungen informieren Sie mich. Ist das klar?" Schwester Anna bejahte und ging nach draußen, um ihrer Kollegin Bescheid zu geben. Auch die anderen Ärzte und Schwestern verließen schließlich erschöpft den Raum. Dr. Perding ging auf Thomas zu. Er fasste ihn an der Schulter und meinte: "Wir tun unser Möglichstes, Herr Wächter. Sie hat es schon so weit geschafft, hat eine ganze Menge durchgestanden. Mit Ihnen. Geben Sie jetzt nicht auf. Sie braucht Sie!" Thomas blickte ihn mit verweinten Augen an und nickte. Er erhob sich langsam und meinte: "Danke." Dr. Perding sah ihn zufrieden an, klopfte ihm auf die Schulter und verließ dann den Raum.

Nun war Thomas allein mit Biggi. Seiner Biggi. Langsam trat er Schritt für Schritt für Schritt auf ihr Bett zu. Das EKG piepste langsam, sehr langsam - aber es piepste. Biggis Herz schlug. Er stand an ihrem Bett und wollte sich diesen Anblick ersparen. Diesen Anblick von unzähligen Kabeln, Geräten, Schläuchen, Kanülen, Kathedern, Sonden, Elektroden und was wusste er sonst noch alles. Doch er konnte es nicht. Er durfte es nicht - Biggi brauchte ihn, sie liebte ihn und er ... er liebte sie. Unendlich und über alles hinaus. Langsam setzte er sich auf seinen Stuhl. Er saß da, wie er schon vor mehreren Minuten und Stunden gesessen hatte. Doch die Lage hatte sich verändert.

Zitternd berührte Thomas mit seiner Hand Biggis Gesicht - sanft begann er, sie zu streicheln. Dann fasste er vorsichtig nach ihrer Hand, die mit zahlreichen Schläuchen verbunden war, und drückte sie leicht. Er schaffte es noch eine weitere Sekunde, das Resultat seiner Gefühle in Schach zu halten, doch schließlich war es vorbei. Thomas schossen die Tränen aus den Augen und er weinte herzzerreißend. Eine verzweifelte Träne nach der anderen tropfte auf das weiße Leintuch. Nach und nach wurde auch der Boden immer nässer. Der Boden, der mit diesen verdammten grünen kalten Kacheln belegt war ...

Thomas weinte so lange bis er keine Tränen mehr hatte. Er konnte einfach nicht mehr. Gerade hatte er gedacht, Biggi wäre über den Berg und alles würde wieder gut werden und nun? Nun, nun lag sie wieder genauso da, wie vor ein paar Tagen. Thomas wusste einfach nicht mehr weiter. Er hatte solche Angst um sie. Doch er wusste, dass er jetzt für sie da sein musste und dass sie ihn hören konnte. Das hatte sie ihm schließlich selbst bestätigt. „Hey, Biggi, bitte, du musst wieder gesund werden, ich brauche dich doch…“, schluchzte er und drückte ihre Hand. „Ich kann ohne dich nicht mehr leben…ich liebe dich doch so sehr…“, wieder brach er in Tränen aus.

Ab und an kam eine Schwester vorbei, die sich Biggis Werte notierte. Sie warf Thomas einen mitleidigen Blick zu und verließ dann schweigend wieder den Raum. Er tat ihr unendlich leid, sie hatte ja selbst täglich mit bekommen, wie rührend er sich um Biggi kümmerte und sich um sie sorgte.

Thomas hatte sein Gesicht wieder in Biggis Bettdecke vergraben und weinte hemmungslos. Auf dem Boden hatte sich bereits eine kleine Pfütze von seinen heruntertropfenden Tränen gebildet. Irgendwann fiel er dann total erschöpft und unter Tränen neben Biggi in einen unruhigen Schlaf. Ihre Hand ließ er jedoch auch im Schlaf nicht los.

Am nächsten Morgen wachte er schweißgebadet auf. Er hatte ziemlich schlecht geschlafen und einen Alptraum gehabt, in dem Biggi nicht überlebt hatte. Sofort war er wieder hellwach und sah auf das EGK, das Biggis Herzschlag überwachte. Es piepste noch immer gleichmäßig vor sich hin. ‚Was für ein beruhigendes Geräusch!’, dachte Thomas sich. Dann sah er auf zu Biggis Gesicht und streichelte ihr zärtlich über die Wange. Sie lag noch immer ganz ruhig dort und bewegte sich nicht. Wie auch? Schließlich hatte Dr. Perding sie wieder in ein künstliches Koma versetzt. Doch zumindest wusste Thomas, dass sie ihn hören konnte und so redete er wieder beruhigend auf sie ein. „Biggi, wir schaffen das, du wirst sehen, wir kriegen das alles wieder hin und du wirst wieder ganz gesund.“ Dabei liefen ihm unentwegt Tränen übers Gesicht.

Karin, Michael, Ralf und Peter machten sich inzwischen auf den Weg ins Krankenhaus, da sie Biggi besuchen wollten. Von den schrecklichen Ereignissen des letzten Abends hatten sie nichts mitbekommen. Wie auch? Thomas hatte wirklich nicht die Nerven um das alles auch noch den anderen mitzuteilen. Gut gelaunt betraten diese das Krankenhaus und machten sich auf den Weg zu Biggis Zimmer. Sie freuten sich ihre Kollegin zu sehen, die nach Thomas’ Angaben ja große Fortschritte gemacht hatte. Ausnahmsweise gingen sie nicht zu Dr. Perding um sich nach Biggis Zustand zu erkundigen, sondern gleich zu ihr. Als sie in der Tür standen, erschraken sie. Biggi lag total blass in ihrem Bett und war an noch mehr Geräte angeschlossen als zuvor. Und Thomas, er saß weinend an ihrem Bett und hatte sein Gesicht in ihrer Decke vergraben. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Langsam hob er den Kopf und sah auf. Er sah in Michaels Gesicht und dieser sah in die roten, mit Tränen gefüllten Augen seines Freundes. „Thomas, was ist passiert?“, fragte er besorgt. Er hatte natürlich bemerkt, dass sich Biggis Zustand verschlechtert hatte, doch konnte er sich nicht erklären warum. „Sie…sie mussten sie wieder in ein künstliches Koma versetzen.“, schluchzte Thomas, „Ich hab so Angst um sie.“ Michael nahm ihn schweigend in den Arm. Was hätte er auch in dieser Situation anderes tun sollen? Karin, Ralf und Peter gingen derweilen nach draußen um Dr. Perding aufzusuchen. Sie gingen zu seinem Büro, wo sie ihn auch fanden. Er machte ein trauriges Gesicht, als er die drei sah, denn er wusste genau, dass sie ihn jetzt nach Biggis Zustand fragen würden. Und das taten sie dann auch. „Was ist mit unserer Kollegin passiert? Thomas hat uns gestern noch erzählt, dass es ihr immer besser gehe und das Schlimmste überstanden sei.“, meinte Peter. „Ja, da hatte ihr Kollege ja auch Recht, Frau Schwerin ging es gestern schon viel besser, doch gestern Abend ist es leider zu einem schrecklichen Zwischenfall gekommen. Sie war alleine im Zimmer und wollte wahrscheinlich ein Foto aufheben, das ihr heruntergefallen war. Dabei ist sie vom Bett gefallen und hat sich dadurch alle Kanülen herausgerissen. Ihr Kollege hat sie erst nach etwa 10 Minuten gefunden, das heißt diese Zeit über hat sie die dringend notwendigen Medikamente nicht bekommen. Außerdem war sie durch den kalten Boden leicht unterkühl, was ihren Kreislauf zusätzlich geschwächt hat. Wir konnten sie zunächst stabilisieren, doch dann kam es zu akuten Kreislaufproblemen und Kammerflimmern. Deshalb mussten wir sie wieder in ein künstliches Koma versetzen.“, erklärte Dr. Perding ihnen. Ralf, Karin und Peter sahen ihn geschockt an, sie fanden keine Worte und aus ihren Gesichtern starrte nur noch Entsetzen. „Aber wir dürfen jetzt nicht aufgeben, wir haben es bis hierhin geschafft und wir werden es auch weiter schaffen.“, sagte der Arzt dann hoffnungsvoll. Karin, Peter und Ralf nickten. Biggi brauchte sie jetzt, und Thomas auch. Sie konnten sich vorstellen, wie schlecht es ihm gehen musste. Langsam gingen sie zurück in Biggis Zimmer, wo Thomas immer noch an ihrem Bett saß und ihr durch die Haare strich, wobei ihm immer wieder dicke Tränen von den Wangen tropften. Michael ging kurz mit Peter vor die Tür, da auch er sich natürlich dafür interessierte, was Dr. Perding gesagt hatte. Michael war genauso geschockt wie die anderen. Warum hatte das nur passieren müssen? Gerade jetzt, wo sie alle so viel Hoffnung gehabt hatten und es mit Biggi wieder bergauf ging. Gestern war Thomas noch so glücklich gewesen, weil es seiner Biggi besser ging und nun? Nun war er wieder am Boden zerstört. War das fair?

Thomas hielt die ganze Zeit Biggis Hand und redete mit ihr, wobei dies meistens in Schluchzen überging. Er hoffte so sehr, dass sie nur einmal seine Hand drücken würde, als Zeichen, dass sie ihn verstand und dass sie wusste, dass er bei ihr war.

Ralf und Karin setzten sich an die andere Seite des Bettes, und Karin nahm Biggis Hand. Schließlich kamen auch Michael und Peter wieder herein. Michael legte wieder die Hand auf Thomas' Schulter. Dieser drehte sich langsam nach hinten um und sah Michael an. "Warum? Sag mir, warum, Michael!" Michael blickte in das tränenüberströmte Gesicht seines Freundes und meinte leise: "Manchmal gibt es keine Antwort, Thomas. Ich weiß es nicht." "Aber es ist doch nicht fair???!!!! Warum sie?? Jetzt wurde ihr schon ein Teil ihres Lebens genommen, ein großer Teil, dann geht es ihr endlich besser und jetzt? Was soll das? Was hat das verdammt noch mal für einen Sinn????" Er ließ sich in die offenen Arme Michaels fallen und schluchzte an seiner Schulter. Michael strich ihm beruhigend über den Rücken. Auch ihm kamen die Tränen, als er rüber zu Biggi sah, die wohl ohne den Sauerstoff und die Medikamente die nächste Minute nicht überleben würde.

Thomas wurde vom Schluchzen richtiggehend durchgeschüttelt. "Mein Foto wollte sie aufheben, mein Foto...Michael", sagte er mit erstickter Stimme. "Ich weiß, Thomas, ich weiß. Du bedeutest ihr unheimlich viel, glaub mir. Du darfst jetzt nicht aufgeben. Wenn du aufgibst, hat sie keine Chance." Thomas löste sich ein wenig aus der Umarmung und sah Michael an: "Meinst du?", fragte er ihn. "Ist mein voller Ernst. Sie braucht deine Kraft, denn selbst hat sie keine mehr." Thomas nickte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann neigte er sich wieder Biggi zu und fasste nach ihrer Hand. Michael gab Ralf, Peter und Karin ein Zeichen, Thomas kurz mit Biggi alleine zu lassen und schließlich verließen sie lautlos das Zimmer. Thomas streichelte Biggi liebevoll über die Wange und sagte leise zu ihr: "Ich weiß, dass du mich hören kannst, Biggi. Ich werde immer bei dir sein, glaub mir. Wenn du ... wenn du das nächste Mal aufwachst, brauchst du kein Foto aufzuheben. Nie wieder. Ich werde immer bei dir sein, ok? Aber, wenn du wach bist, werden wir viel mehr Spaß zusammen haben. Deshalb musst du jetzt schnell zusehen, dass es dir wieder besser geht, ja? Ich vermisse dein Lächeln so sehr und ... und das Strahlen in deinen Augen..." Wieder kamen ihm die Tränen. Eine ganze Weile saß er einfach nur da, hielt Biggis Hand vorsichtig fest und streichelte ihr Gesicht. Etwa eine Stunde später betraten Michael, Karin, Ralf und Peter wieder den Raum. Ihnen voran war Dr. Perding.

"Na, Herr Wächter? Wie geht es Ihnen?" "Danke. Mein Frohsinn hält sich in Grenzen.", antwortete Thomas niedergeschlagen mit einem Blick auf Biggi. "Ich kann es mir vorstellen, glauben Sie mir.", antwortete Dr. Perding mit vollstem Mitgefühl und befasste sich dann mit Biggi. Er besah genauestens die Geräte und die notierten Werte. Währenddessen war Michael wieder zu Thomas herangetreten und hatte sich neben ihn auf einen Stuhl gesetzt. "Die Werte sind soweit unverändert. Seien wir froh darüber und nicht enttäuscht, es ist nicht selbstverständlich. Der Pulsrhythmus hat sich ein wenig eingependelt, ich denke, wir können nun mit einer niedrigeren Athropin-Zufuhr auskommen. Ich werde beantragen, dass sie mit einer beheizten Decke zugedeckt wird, sie ist immer noch unterkühlt. Ansonsten können wir nur abwarten."

Er nickte den Freunden zu und verließ dann den Raum. Michael meinte zu Thomas. "Na also. Ihr Zustand hat sich bis jetzt nicht verändert, und der Puls hat sich sogar ein wenig gebessert. Das ist ein gutes Zeichen, Thomas. warum sollte sie es nicht weiter schaffen, wenn sie bis jetzt durchgehalten hat." "Hoffentlich...", meinte Thomas zweifelnd und drückte Biggis Hand. "Sie wird es schaffen. Auch wenn der Weg steinig ist.", meinte Michael zuversichtlich und legte den Arm um Thomas. Nach einigen Minuten betraten zwei Schwestern den Raum, sie hatten eine spezielle Bettdecke auf dem Arm und einen Infusionsbeutel. Die Freunde wurden gebeten, kurz draußen zu warten. Michael zog Thomas an der Schulter hoch und ging mit ihm und den anderen nach draußen.

Dort setzte sich Thomas auf einen Stuhl und stützte den Kopf in die Hände. Einige Minuten schwiegen sie alle. Dann sah Thomas plötzlich auf und mit tränennassen Augen meinte er: "Wie soll ein Rollstuhl denn auf steinigem Weg klarkommen?" Michael sah ihn einige Augenblicke an und suchte nach einer Antwort. Dann meinte er voller Zuversicht. "Wir werden ihn ihr glätten..."

Nach etwa zehn Minuten kamen die Schwestern wieder heraus und Thomas, Michael, Ralf, Peter und Karin durften wieder zu Biggi. Thomas setzte sich in einen der Sessel und nahm vorsichtig ihre Hand. Immer wieder streichelte er sie liebevoll, wobei ihm Tränen über die Wangen liefen. Michael, Ralf, Peter und Karin tauschten Blicke aus. Thomas tat ihnen wahnsinnig Leid, doch sie wussten, dass sie im Moment nichts, wirklich überhaupt nichts, für ihn tun konnten. Sie konnten nur abwarten und hoffen. Man konnte nur hoffen, dass Biggis Zustand sich bessern würde und sie wieder gesund werden würde. Eins wusste Michael, lange würde Thomas diese starke seelische Belastung nicht ertragen. Gestern war er doch noch so glücklich über Biggis Fortschritte gewesen und jetzt? Jetzt lag sie wieder hilflos in ihrem Bett und rührte sich nicht.

Nach etwa zwei Stunden gingen Karin, Peter, Michael und Ralf wieder. Sie wollten Thomas jetzt mit Biggi alleine lassen und morgen gegen Nachmittag wiederkommen. Am Vormittag hatte das A Team Schicht, doch allen war klar, dass Thomas bei Biggi bleiben würde. Das erste mal, als er sie alleine gelassen hatte wollte sie sich umbringen und beim zweiten Mal war wieder ein Unglück geschehen. Er würde solange bei ihr bleiben, bis sie entlassen werden würde, das hatte Thomas sich geschworen.

Peter, Ralf, Karin und Michael verließen das Intensivzimmer mit hängenden Köpfen. Sie sahen sich noch einmal um zu Thomas, der noch immer an Biggis Bett saß, ihre Hand hielt und auf nichts anderes mehr achtete. Er hypnotisierte Biggi fast mit seinem Blick, als ob er sie dazu bringen wolle endlich aufzuwachen. Irgendwann jedoch übermahnte ihn doch der Schlaf und er ließ sich mit dem Kopf auf Biggis Decke sinken. Gegen Mitternacht schaute Dr. Perding ins Zimmer, als er gerade seinen nächtlichen Kontrollgang machte. Er kontrollierte genauestens alle Geräte, die Biggis Kreislauf überwachten. Dann viel ihm auf, dass ihr Puls und ihr Herzschlag viel gleichmäßiger geworden waren. Er traute seinen Augen kaum und ging noch einmal alle Werte durch. Aber tatsächlich, die meisten Werte lagen bereits wieder im Normalbereich. Dr. Perding hatte absolut keine Erklärung dafür, dass sich Biggis Zustand so schnell gebessert hatte. So etwas kam außerordentlich selten vor. Es schien fast so, als hätte Thomas, der immer noch Biggis Hand fest umklammert hielt, seine Kraft auf Biggi übertragen hätte. Dr. Perding verließ schmunzelnd wieder den Raum.

Thomas wachte am nächsten Morgen irgendwann auf, als eine Schwester gerade dabei war eine Infusion zu wechseln. Sofort vergewisserte er sich, dass das EGK immer noch gleichmäßig piepste. Die Schwester bemerkte das und meinte dann: „Sie können beruhigt sein, Dr. Perding hat heute morgen gesagt, dass sich der Zustand ihrer Freundin übernacht deutlich gebessert hat.“ Thomas sah sie ungläubig an. „Wirklich?“, fragte er dann und brachte ein kleines Lächeln hervor. Er konnte ihre Worte kaum fassen. Es ging Biggi also wieder besser. Thomas wollte sofort mit Dr. Perding sprechen und bat deshalb die Schwester, ihn zu Biggi zu schicken. Als sie das Zimmer verlassen hatte, wandte Thomas sich wieder Biggi zu. Sie lag immer noch genauso da wie am Vortag, ruhig und friedlich, als würde sie nur schlafen. Er küsste sie leicht auf die Stirn und flüsterte ihr dann leise zu. „Es wird alles gut Biggi, du wirst sehen. Ich bin ja bei dir…“

Eine halbe Stunde später betrat endlich Dr. Perding das Zimmer. Es hatte zwischendurch einen Notfall gegeben, um den er sich zuerst hatte kümmern müssen, doch nun hatte er Zeit für Thomas’ Fragen. „Herr Wächter, ich habe gute Nachrichten für sie. Der Zustand von Frau Schwerin hat sich über Nacht erstaunlich gebessert, ich habe selbst keine Erklärung dafür. Wahrscheinlich ist das auch den äußeren Einflüssen zu verdanken. Sie spürt, dass die ganze Zeit jemand bei ihr ist, da bin ich mir sicher. Wenn ihr Zustand sich nicht verschlechtert und die Kreislaufwerte so bleiben, dann können wir sie denke ich, wieder aus dem Koma holen.“, erklärte Dr. Perding Thomas. Dieser wäre dem Arzt am liebsten um den Hals gefallen, als er diese guten Nachrichten erfuhr. Er hatte wieder Hoffnung, Hoffnung, dass alles wieder gut werden würde. Und diese Hoffnung war wichtiger als alles andere, denn wenn er nicht die Kraft hatte daran zu glauben, das Biggi wieder ganz gesund werden würde, wie sollte sie sie dann haben?

"Was meinen Sie, wie lange wird es dauern, bis Sie sie zurückholen können?" Dr. Perding überlegte. "Hm... es ist so, ich will nichts riskieren, was ihren Kreislauf wieder schwächen könnte. Aber wenn ich hingegen daran denke, wie sehr sie in Ihrer Anwesenheit aufgeblüht ist... vielleicht sogar schon heute Abend. Aber den Tag heute soll sie sich unbedingt noch ausruhen, damit die Werte auch ein wenig stabil werden." Thomas freute sich riesig. "Ich kann aber nichts versprechen!", warf Dr. Perding ein, um Thomas' große Freude ein wenig abzuflauen und ihm keine falschen Hoffnungen zu machen. "Das macht nichts! Die Hoffnung zählt, ganz allein. Das hab ich in den letzten Wochen gelernt, Herr Doktor, glauben Sie mir." Dr. Perding lächelte. Thomas wandte sich Biggi wieder zu und streichelte sie liebevoll und glücklich. Dann sah er auf und fragte: "Meinen Sie, es ist irgendwann absehbar, dass sie auch wieder feste Nahrung zu sich nehmen darf?" Dr. Perding war noch ein wenig skeptisch. "Vielleicht können wir es in ein paar Tagen mit geringen Portionen Flüssigkeit versuchen. Wir müssen ihren Körper Schritt für Schritt wieder daran gewöhnen. Mit fester Nahrung will ich noch so lange wie möglich warten. Es gäbe im Moment kaum etwas Schlimmeres als eine negative Reaktion der inneren Verletzungen auf derartige Versuche. Sie brauchen lange, um wieder richtig zu verheilen, auch wenn sie auf dem besten Weg dazu sind." Thomas nickte verstehend. Er musste eben Geduld haben. Das wurde ihm immer wieder klar. Doch die Freude an Biggis unerwarteter Besserung konnte im Moment nichts trüben.

Dr. Perding verabschiedete sich und verließ wieder den Raum. Thomas sah aus dem Fenster, während er Biggi streichelte und ihre Hand hielt. Er dachte nach. Über etwas, das er schon lange, die ganzen letzten Wochen immer verdrängt hatte. Über die Zukunft - die Zeit danach. Biggi im Rollstuhl. Er konnte sich das einfach nicht vorstellen. Oder wollte er es sich nur nicht vorstellen? Biggi im Rollstuhl. Gefesselt, an dieses schwarze Ding mit Rädern. Bis jetzt hatte Biggi immer nur in ihrem geliebten Cockpit gesessen, das ihr mehr Seligkeit als das weichste Sofa der Welt erbracht hatte. Sie hatte im Cockpit gesessen, auf dem Sattel ihres Motorrads und zwischendurch auf dem Sofa im Aufenthaltsraum. Genau wie er. Aber doch nicht im Rollstuhl. Thomas kamen die Tränen, er konnte es nicht verhindern. Sie würde sich nicht wohl fühlen in diesem grausamen Rollstuhl, der sie, egal was sie dachte und welchen Träumen sie nachsehnte, immer wieder unverweigerlich auf den Boden der Realität zurückholen würde. Auf den Boden der Realität, in der es keine Helikopter, keine Motorräder, keine Selbständigkeit und - ja, nicht mal simple Spaziergänge geben würde. Am Salzachufer. Dort waren sie so gern miteinander spaziert. Thomas schmerzte das Herz bei dem Gedanken daran, dass sie nie Arm in Arm am Ufer spazieren und ins Wasser blicken können würden. Nie.

Er vergrub seinen Kopf in Biggis Bettdecke und weinte. Leise. Sie sollte es nicht hören. Doch hätte seine Verzweiflung der Lautstärke Ausdruck gegeben, dann hätte man ihn wohl bis nach England heulen gehört. Biggis Brustkorb hob und senkte sich langsam. Aber regelmäßig. Thomas spürte diese Bewegung, und sie hatte eine beruhigende Wirkung. Er wurde ruhiger. Eine Weile später sah er auf. Biggi lag so friedlich da. Er neigte sich zu ihr und küsste sie sanft auf die Wange. Dabei blickte er sie an und streichelte ihr liebevoll über das Haar. "Ich liebe dich", flüsterte er ihr ganz leise ins Ohr. Plötzlich bemerkte er, wie das Piepsen des EKG's auf einmal schneller wurde. Wollte sie ihm etwa antworten und konnte es wieder nicht? Er drückte fest ihre Hand und meinte: "Ich weiß, dass du mich auch liebst. Und das macht mich unheimlich glücklich, Biggi."

Er schmiegte sein Gesicht an ihres und genoss ihre Nähe. Nach einer kurzen Weile wurde tatsächlich das Piepsen des EKG's wieder ruhiger. Er lächelte sie an und küsste sie abermals auf die Wange. So verging die Zeit. Den ganzen Tag hindurch verweilte Thomas bei Biggi, redete mit ihr, vergoss ab und an ein paar Tränen, streichelte sie und hielt ihre Hand.

Zwischendurch schaute immer wieder Dr. Perding herein. Er nickte jedes Mal zufrieden, wenn er auf die Anzeigen der Geräte blickte und brachte Thomas dadurch zum Strahlen. Immer wieder kamen natürlich auch Schwestern herein, um Infusionen zu wechseln und die Kreislaufwerte zu notieren. Gegen 20 Uhr kam dann wieder Dr. Perding herein. In der Hand hielt er eine Spritze.  "Guten Abend, Herr Wächter.", begrüßte er Thomas. Nochmals begutachtete er Biggis Werte, sah sich die Geräte und die von den Schwestern zusammengestellte Liste an.

"Tja, der Blutdruck ist noch recht niedrig, aber ich denke, wir werden das in den Griff kriegen. Die Werte haben sich nicht verändert. Also werde ich sie jetzt wieder zurückholen.", meinte Dr. Perding zuversichtlich. Thomas lächelte glücklich. Der Arzt nickte ihm zu und setzte sich dann an die andere Seite des Bettes. Er injizierte Biggi langsam das Mittel, das gegen die Narkose wirken sollte. "Sie sollte diesmal in den nächsten zehn Minuten wieder aufwachen.", meinte Dr. Perding. Thomas drückte fest Biggis Hand und streichelte über ihre Wange. "Das Sauerstoffgerät werden wir auf jeden Fall noch in Gang lassen. Sie ist noch zu schwach, wir dürfen ihr nicht zuviel zumuten." Thomas verstand und nickte. Nach einigen Minuten merkten sie dann eine Reaktion in Biggis Körper. Sie wurde leicht unruhig, und schließlich drückte sie ganz eindeutig Thomas' Hand. Er freute sich riesig darüber, sanft streichelte er weiter ihr Gesicht.

Und dann, plötzlich, schlug sie langsam die Augen auf. Sie blickte genau in Thomas' Richtung und lächelte schwach, als sie ihn sah. Thomas bemerkte sofort das Strahlen und die Freude in ihren Augen - das hatte er so sehr vermisst. Mit tränengefüllten Augen sah er sie an und meinte leise zu ihr: "Ich hab dich vermisst, mein Schatz." Er vergoss eine Träne und streichelte liebevoll ihre Wange dabei. Dr. Perding machte ein zufriedenes Gesicht und meinte dann: "Schön, dass Sie wieder bei uns sind, Frau Schwerin. Wir hatten leider wieder eine schwere Zeit zu überstehen."

Nun blickte Biggi in seine Richtung und wollte schon den Mund öffnen, um etwas zu sagen. "Sprechen Sie nicht, bitte. Tun Sie nichts, was ihnen auch nur irgendwie Anstrengung bereitet, dann werden Sie sehen, dass Sie sich bald wieder besser fühlen. Und es fehlt Ihnen ja hier an nichts, wie ich Herrn Wächter kenne wird er ohnehin Tag und Nacht an Ihrem Bett bleiben." "Davon können Sie ausgehen", entgegnete Thomas ihm überzeugt. Biggi lächelte leicht und blickte wieder zurück zu Thomas. "Ich werde Ihnen jetzt noch etwas für den Blutdruck verabreichen, dann haben Sie wieder ein wenig Ruhe vor mir", meinte Dr. Perding und lächelte.

Er ließ sich von Hilde eine weitere Ampulle bringen. Dann setzte er sich wieder zu Biggi, zog die Spritze auf und injizierte sie ihr in die rechte Hand. Biggi zuckte auf, doch Thomas hielt sie fest und beruhigte sie liebevoll. "So, schon vorbei", meinte Dr. Perding dann einige Augenblicke später. Schließlich verabschiedete er sich und die beiden waren endlich wieder allein.

Thomas lächelte Biggi glücklich an. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie ihn ansah. Ihr Blick sagte mehr als tausend Worte. Sie war unendlich glücklich, ihn bei sich zu haben. "Nicht weinen...", meinte Thomas leise und strich ihr über die Wange. "Sonst fange ich auch gleich wieder an.", fügte er hinzu und bemerkte bereits, wie auch seine Augen sich abermals mit Tränen füllten...

„Jetzt wird alles wieder gut, Biggi.“, flüsterte er. Biggi nickte schwach und lächelte ihn an. Thomas war so glücklich, dass sie wach war. Außerdem schien Dr. Perding äußerst zufrieden mit Biggis Werten zu sein. „Willst du dich nicht ein bisschen ausruhen, ich bleibe bei dir?“, fragte Thomas dann, denn Biggi war noch ziemlich geschwächt. Sie hatte Mühe überhaupt die Augen offen zu halten, doch sie wollte noch bei Thomas bleiben und nicht sofort wieder einschlafen. Doch schließlich nickte sie leicht und schloss dann mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht die Augen. Ein letztes Mal drückte sie noch Thomas’ Hand, bevor sie endgültig einschlief.

Thomas ließ sich überglücklich in seinen Sessel zurücksinken, wobei er Biggis Hand jedoch nicht losließ. Lächelnd betrachtete er sie, wie so friedlich schlafen in ihrem Bett lag. Es war beruhigend zu wissen, dass sie nur schlief. Und bald würde sie wieder aufwachen, ihn anlächeln und ihn mit ihren strahlenden Augen ansehen. Thomas war total in Gedanken versunken und starrte ins Leere. Er dachte wieder über die Zukunft nach, seine und Biggis Zukunft. In ihrer Wohnung konnte Biggi mit dem Rollstuhl unmöglich bleiben, da sie die Treppen nicht alleine hoch und runter kommen würde. Außerdem waren die Küche und das Bad viel zu eng für einen Rollstuhl. Ihm liefen wieder einige Tränen über die Wangen, doch er bemühte sich nicht zu weinen, wegen Biggi. Vor ihr wollte er stark sein, auch wenn sie schlief. Er musste ihr doch Kraft geben, die Kraft, das alles durchzustehen, die Kraft, die sie nicht hatte. Doch er wusste, dass sie zusammen alles durchstehen würden. Sie hatten es schon so weit geschafft, jetzt würden sie es auch bis zum Ende schaffen, so lange, bis Biggi wieder ganz gesund war. Doch dann dachte Thomas wieder daran, dass Biggi das wahrscheinlich nie wieder werden würde – ganz gesund. Zumindest würde es an ein Wunder grenzen, wenn sie jemals wieder laufen können würde. Das sagten die Ärzte jedenfalls und Thomas musste sich damit abfinden, dass sie Recht hatten. Er blieb wieder bei dem Gedanken hängen, dass Biggi vielleicht zu ihm und Michael ziehen könnte. Dort könnte er sich um sie kümmern und sie hätten dann sogar einen Arzt im Haus. Aber er war sich gar nicht so sicher, ob Biggi das überhaupt wollen würde – umziehen. Das wäre so etwas endgültiges, so als ob die Hoffnung, dass sie irgendwann wieder gehen können würde schon aufgegeben worden wäre. Thomas beschloss sie trotzdem demnächst darauf anzusprechen, auch wenn sie wohl noch einige Wochen im Krankenhaus bleiben müssen würde. Er liebte sie so sehr und würde alles dafür tun, ihr das Leben irgendwie zu erleichtern…

Plötzlich wurde Thomas aus seinen Gedanken gerissen. Dr. Perding stand neben ihm. Er sah auf die Uhr, es war bereits kurz vor Mitternacht. „Wollen sie nicht auch versuchen etwas zu schlafen?“, fragte der Arzt ihn. „Ihrer Freundin geht es den Umständen entsprechend gut, machen sie sich keine Sorgen.“, fügte er noch hinzu. Thomas nickte dankbar. Er sah zu Biggi auf, sie schlief immer noch tief und fest. Er war beruhigt und lächelte sie an. Dann legte er seinen Kopf vorsichtig neben ihren, strich ihr sanft über die Wange und flüsterte ihr leise „Gute Nacht, mein Schatz.“, ins Ohr. Bald schlief auch Thomas ruhig und glücklich ein. Dr. Perding verließ, nachdem er die Werte notiert hatte, das Zimmer wieder um Thomas und Biggi nicht zu wecken.

Am nächsten Morgen wurde Thomas durch die ersten Sonnenstrahlen, die durch das Fenster direkt auf sein Gesicht fielen, geweckt. Er gähnte und rieb sich die Augen. Dann hob er den Kopf und sah Biggi an. Sie schlief noch. Zufrieden lächelte Thomas sie an und küsste sie leicht auf die Stirn. Davon wachte Biggi auf. „Hallo, mein Schatz, hast du gut geschlafen?“, erkundigte Thomas sich sofort. Biggi nickte glücklich. Sie fühlte sich bereits deutlich besser als am vergangenen Abend. „Ich bin so froh, dass du wieder wach bist.“, sagte Thomas. Biggi nickte und meinte: „Dein Foto, es ist mir heruntergefallen und ich wollte es doch nur aufheben…“, Tränen stiegen in ihre Augen. Sie wurde immer wieder an ihre Querschnittslähmung erinnert. „Ich weiß, Biggi, ich weiß… Streng dich nicht an. Jetzt bin ich ja da, ich werde nicht wieder weggehen. Das verspreche ich dir. Job hin oder her.“ Biggi wollte schon protestieren, da sie es nicht riskieren wollte, dass Thomas seinen Job verlor, doch sie wusste, dass es zwecklos war. Außerdem war sie froh, dass Thomas die ganze Zeit bei ihr bleiben würde. Also nickte sie nur. Dann nahm sie Thomas’ Hand und zog ihn ganz langsam zu sich. Thomas lächelte sie an und langsam näherte er sich ihren Lippen, bis sie sich schließlich anfingen zärtlich zu küssen. Es dauerte ziemlich lange bis sie langsam wieder von einander abließen, doch Thomas fürchtete, dass die Anstrengung Biggi nicht gut tun könnte. Vorsichtig legte er sie wieder zurück ins Kissen und deckte sie liebevoll zu. Biggi lächelte ihn unentwegt an. Sie war richtig glücklich und wenn Thomas bei ihr war, konnte sie ihre Beine für einen Moment vergessen.

Bald darauf betrat Dr. Perding zur Visite das Zimmer. „Guten Morgen, Frau Schwerin. Wie fühlen sie sich heute denn?“, fragte er Biggi. „Schon viel besser.“, sagte sie. Der Arzt nickte zufrieden. „Sehen sie, wenn sie sich nicht zu sehr anstrengen, geht es ihnen immer besser.“ Biggi nickte glücklich. Dr. Perding checkte alle Geräte und stellte fest, dass sich auch Biggis Blutdruck, der am Vortag etwas niedrig gewesen war, jetzt wieder im normalen Bereich befand.

Plötzlich ging Dr. Perdings Pieper los und er musste zu einem dringenden Notfall, der gerade eingeliefert wurde. Biggi und Thomas waren nun wieder alleine. „Ich bin so stolz auf dich, siehst du, jetzt geht es wieder bergauf.“, sagte Thomas. Biggi lächelte ihn überglücklich an und er beugte sich daraufhin zu ihr und gab ihr einen innigen Kuss. Dann wurden sie von einem Räuspern unterbrochen. Thomas ließ von Biggi ab und drehte sich um. Er erblickte Michael hinter sich stehen. „Hallo Michel.“, begrüßte er seinen Freund fröhlich. Dieser war ziemlich überrascht, als er sah, dass Biggi jetzt wieder wach war. Er hatte eigentlich nur nach ihr und Thomas sehen wollen, als er zufällig in der Nähe war. „Dir scheint es ja schon wieder besser zu gehen.“, stellte er erfreut fest. Biggi nickte. „Ihr Zustand hat sich gestern Nacht unerwartet gebessert, deshalb konnte Dr. Perding sie schon gestern Abend aus dem Koma holen.“, erzählte Thomas glücklich, während er immer wieder zu Biggi sah und sie anlächelte. Michael war sichtlich erleichtert, dass es mit Biggi anscheinend wieder aufwärts ging. Er wollte noch einmal mit Dr. Perding sprechen und sagte deshalb: „Ich komme vielleicht nachher noch einmal wieder.“ „Ok.“, meinte Thomas und auch Biggi nickte.

Michael musste eine Weile warten, da Dr. Perding noch mit seinem Notfall beschäftigt war und keine Zeit für ihn hatte. Doch schließlich bekam er ihn doch noch zufassen und konnte sich über Biggis Zustand informieren. „Der Zustand ihrer Kollegin hat sich überraschen schnell so sehr verbessert, dass wir sie gestern Abend schon aus dem Koma holen konnten. Ich denke, wenn es zu keinen weiteren Zwischenfällen kommt, haben wir das Schlimmste überstanden.“ Michael war froh, das zu hören. Bevor er wieder zu Biggi und Thomas ging, rief er auf der Basis an, wo das B Team gerade Schicht hatte, um ihnen die positive Nachricht zu überbringen. Ralf nahm am anderen Ende ab. „Hallo Ralf, hier ist Michael. Ich bin hier im Krankenhaus.“ „Ist irgendetwas passiert?“, fragte Ralf verunsichert, doch er fand, dass Michael sich eigentlich recht fröhlich anhörte. „Ja, und ob was passiert ist. Biggis Zustand hat sich verbessert, sie haben sie gestern Abend aus dem Koma geholt.“, erzählte Michael glücklich. „Mensch, das ist ja super.“, freute Ralf sich. Er erzählte es sofort Karin, die neben ihm stand und auch sie freute sich riesig.

Nur der Winter, der ebenfalls alles mitbekommen hatte, saß mit versteinerter Miene auf dem Sofa und schaute mit einem finsteren Blick aus dem Fenster. Das allerdings störte Karin und Ralf nicht im geringsten. Sie waren so froh, dass es ihrer Freundin wieder besser ging – es zählte einfach jeder Fortschritt. Sie beschlossen, ihr bald wieder einen Besuch abzustatten - sofern ihr guter Zustand konstant blieb, was natürlich jeder hoffte.

Thomas und Biggi hatten inzwischen wieder begonnen, sich innig zu küssen. Thomas war natürlich sehr vorsichtig, Biggi war immerhin noch sehr geschwächt. Liebevoll streichelte er ihr um den Kopf, während er sie leidenschaftlich küsste. Sie nahm einfach seine Hand und hielt sie fest. Sie genoss jede einzelne Sekunde, seine Nähe spüren und in sein Gesicht blicken zu können, das sie unentwegt verliebt ansah. Thomas lebte auf durch das Strahlen in Biggis Augen, das ihm so sehr gefehlt hatte. Er brauchte es inzwischen wie das Piepsen des EKGs, ohne das er wahrscheinlich niemals einschlafen könnte.

Langsam ließ er wieder ein wenig von ihr ab, streichelte ihre Wange und sah sie an. Schwach, aber voller Glück und Verliebtheit lächelte sie zurück. Es gab nichts zu sagen, was sie nicht schon aus ihren Blicken hätten deuten können. "Schlaf doch wieder ein wenig, mein Schatz", meinte Thomas nach einer Weile. Er hatte bemerkt, dass Biggi wieder nur mehr mit Mühe die Augen offen halten konnte. "Wir wollen doch, dass du so schnell wie möglich wieder auf die ..." Er hielt in seinem Satz inne. Dass du wieder auf die Beine kommst. Auf die Beine. Dass du wieder auf die Beine kommst. Er sah sie immer noch an, dann stiegen ihm Tränen in die Augen und er drehte sich weg.

Sie wusste genau, was in ihm vorging. Mit viel Kraft hob sie ihre Hand und drehte seinen Kopf zurück zu sich. "Seit wann versteckst du deine Gefühle vor mir?", fragte sie ihn, ebenso mit tränenerfüllten Augen. "Ich...", versuchte er zu antworten. Sie meinte leise, während ihr langsam Tränen herunterrannen: "Alle Wünsche kann ich dir nun mal nicht erfüllen... vielleicht ... nein, sicher" – sie schluchzte auf - "...werde ich nicht mehr auf die Beine kommen. Aber du, du bringst mich dazu, dass meine Seele wieder auf die Beine kommt. Ich liebe dich."

Er fiel ihr um die Arme, drückte sie vorsichtig, aber fest und meinte dann weinend: "Und wie ich dich erst liebe..." Innig hielten sie sich fest. Sekundenlang. Minutenlang. Sie wollten einander nicht loslassen, gaben sich Halt, den beide brauchten. Sie hielten sich fest, als würden sie ihr eigenes Leben festhalten, das drohte, in einen Abgrund zu stürzen. Sie hielten es fest mit allen Kräften, die sie hatten. Als wäre es ihr eigenes Leben. Es WAR ihr eigenes Leben...

Inzwischen ging die Schicht des B Teams dem Ende zu. Michael und Peter waren bereits eingetroffen und hatten sich zu den anderen in den Aufenthaltsraum gesetzt. Alle wussten, dass Thomas nicht zu seiner Schicht erscheinen würde. Sie wussten, dass Ebelsieder das nicht mehr lange mitmachen würden, doch sie wussten natürlich auch, dass Biggi Thomas jetzt brauchte und dass das wichtiger war als alles andere.

Als die Schicht das A Teams begonnen hatte, steckte Ebelsieder seinen Kopf aus seinem Büro. Er blickte in die Runde und stellte wie schon erwartet fest, dass Thomas nicht anwesend war. Das bedeutete für den Winter, dass er schon wieder eine Doppelschicht schieben musste – zum dritten Mal hintereinander. „Herr Ebelsieder, so geht das nicht weiter!“, meldete sie sich plötzlich zu Wort. Sie merkte genau, wie sie die bösen Blicke der anderen trafen, doch das ignorierte sie. „Wenn Herr Wächter mich jetzt nicht ablöst, dann werde ich kündigen, sie sind ja anscheinend unfähig dazu, hier auf der Basis für normale Arbeitszeiten zu sorgen.“, beschwerte sie sich bei Ebelsieder. Dieser wusste, dass sie Recht hatte, schließlich war es niemandem zuzumuten drei Doppelschichten hintereinander zu schieben, selbst dem Winter nicht. Doch er wusste, in was für einer schweren Situation Thomas stand. Zugegeben, er beneidete ihn unheimlich und er war wahnsinnig eifersüchtig, weil Thomas mit Biggi zusammen war, schließlich hatte er selbst ein Auge auf die Pilotin geworfen, doch er wusste, wenn er ihm jetzt kündigen würde, dann würde nicht nur Thomas ihm das niemals verzeihen, sondern auch Biggi und das wollte er nicht. „Ich werde mich darum kümmern, dass sie keine Überstunden mehr machen werden müssen.“, vertröstete Ebelsieder den Winter dann und verschwand wieder in sein Büro. Wenn Thomas weiterhin nicht zum Dienst erscheinen würde, würde er ihm kündigen müssen, das war fast unvermeidlich.

Karin hatte sich bereits umgezogen. Zusammen mit Ralf wollte sie jetzt zu Biggi fahren. „Ich werde noch einmal mit Thomas sprechen.“, versprach sie den anderen, bevor sie den Aufenthaltsraum verließ und in ihr Auto stieg. Als sie gemeinsam mit Ralf das Krankenhaus betrat, fuhren sie gleich mit dem Fahrstuhl nach oben und gingen zu Biggis Zimmer. Sie hofften, dass es Biggi wirklich besser ging und ihr Zustand sich nicht wieder verschlechtert hatte. Zum Glück bestätigte sich ihre Hoffnung kurze Zeit später, als sie Biggis Krankenzimmer betraten.

Thomas hatte sich über Biggi gebeugt und sie küssten sich leidenschaftlich. „Ich glaube wir stören.“, flüsterte Karin Ralf zu und dieser nickte. Doch in dem Moment hatte Biggi die beiden schon bemerkt. Thomas und sie ließen von einander ab. „Hey, Karin, Ralf, schön, dass ihr da seid.“, meinte Biggi und lächelte. „Dir scheint es ja schon wieder besser zu gehen.“, stellte Ralf erleichtert fest. Biggi nickte leicht, doch sie war bereits ziemlich erschöpft. Ralf und Karin holten sich zwei Sesseln und setzten sich an Biggis Bett.

„Thomas, Ebelsieder wird das nicht mehr lange mitmachen.“, begann Karin nach einer Weile. Thomas wusste genau, was sie meinte und auch Biggi ahnte es. „Du meinst, er will Thomas feuern?“, fragte sie leise. Karin nickte. „Der Winter schiebt jetzt schon die dritte Doppelschicht hintereinander. So kann es wirklich nicht weitergehen.“ „Ich weiß.“, meinte Thomas, „Aber ich kann und will Biggi jetzt nicht alleine lassen.“ „Hast du noch Resturlaub für diese Jahr?“, fragte Ralf. Thomas schüttelte den Kopf, „Sonst hätte ich den schon längst genommen.“, fügte er leise hinzu. Er hatte Angst davor seinen Job wirklich zu verlieren, denn er bedeutete ihm ziemlich viel, doch Biggi bedeutete ihm tausend mal mehr und dass es ihr besser ging, war für ihn im Moment das Einzige, was zählte. „Was hältst du davon, wenn Karin und Ralf bei mir bleiben und du zu deiner Schlicht gehst und danach wiederkommst.“, schlug Biggi schließlich vor und sah Thomas zweifelnd an. „Nein.“, widersprach Thomas sofort. Er wollte bei Biggi bleiben. „Ich werde versuchen ein bisschen zu schlafen und wenn ich aufwache, dann bist du schon wieder da…“, versuchte Biggi ihn zu überzeugen. „Bitte Thomas, ich möchte nicht, dass du meinetwegen deinen Job verlierst.“ Thomas gab sich schließlich geschlagen. „Ralf und Karin passen doch auch mich auf.“, beruhigte Biggi ihn. Er nickte. Mit einem langen, zärtlichen Kuss verabschiedete er sich schweren Herzens von ihr.

Als er aus der Tür war, schloss Biggi langsam die Augen und schlief friedlich ein. Sie wusste ja, dass Karin und Ralf bei ihr waren und wenn sie wieder aufwachen würde, dann wäre Thomas wahrscheinlich bereits wieder bei ihr. Das machte sie unheimlich glücklich.

Thomas hatte inzwischen fast die Basis erreicht, da diese nicht sehr weit von der Klinik entfernt lag. Peter und Michael staunten nicht schlecht, als er in den Aufenthaltsraum spazierte. Thomas sagte nichts und verschwand gleich in der Umkleide. „Dann kann ich ja jetzt endlich gehen.“, meinte der Winter schnippisch und stand auf, um sich umzuziehen.

Auch Ebelsieder war nicht entgangen, dass Thomas aufgetaucht war. Als er wieder aus dem Umkleideraum kam, betrat Ebelsieder den Aufenthaltsraum. „Herr Wächter, schön sie mal wieder hier zu sehen.“, sagte er mit einem ironischen Unterton. „Tut mir Leid, aber Biggi ist mir im Moment wirklich wichtiger als der Job.“, entschuldigte Thomas, der natürlich genau wusste, worauf Ebelsieder anspielte, sich. „Das weiß ich, Wächter, aber wenn sie weiterhin nicht zum Dienst erscheinen, ohne Urlaub zu nehmen, dann sehe ich mich gezwungen sie zu entlassen.“ „Ich weiß“, murmelte Thomas. Was sollte er denn tun? Er liebte Biggi über alles und sie war ihm viel wichtiger als dieser Job. In dem Moment meldete sich die Rettungsleitstelle über den Lautsprecher: „Rettungsleitstelle an Medicopter 117, schwerer Verkehrsunfall bei Rosenheim, GPS Koordinaten 47,52 Nord zu 12,96 Ost.“ „Verstanden Rettungsleitstelle, wir übernehmen.“, antwortete Peter und lief dann mit Thomas und Michael zum Helikopter. Thomas zog den Helikopter schnell in die Höhe und flog die genannten Koordinaten an. Doch während des Fluges fiel sein Blick plötzlich an das kleine Seitenfenster im Cockpit. Dort hing normalerweise immer ein Bär aus Stoff mit einem kleinen Medicopteranzug – Biggis Glücksbringer. Doch wo war er jetzt? Er war immer dort gewesen. Wer hatte ihn hier weggenommen? „Peter, wo ist der Stoffbärchen hin?“, fragte Thomas den Sanitäter, der neben ihm saß. Peter wusste es ganz genau. Der Winter hatte den Bär aus dem Helikopter genommen, weil sie es lächerlich gefunden hatte einen Glücksbringer in einem Rettungshelikopter zu haben. Doch er war sich nicht sicher, ob es das Richtige wäre Thomas das jetzt zu erzählen. Schließlich entschied er sich allerdings trotzdem dafür, weil er fand, dass Thomas ein Recht darauf hatte. „Der Winter... sie hat fand einen Glücksbringer lächerlich…“, begann Peter. „Die spinnt wohl total.“, regte Thomas sich auf und ließ Peter nicht zu Ende reden. „Das ist Biggis Bär, Biggis! Und den hat keiner hier wegzunehmen!“ „Thomas, beruhige dich, wir sind im Einsatz.“, meinte Michael. Thomas fiel es schwer sich zusammenzureißen, doch er wusste, dass er sich jetzt auf den Einsatz konzentrieren musste.

Bald landeten sie am Unfallort. Ein PKW war mit einem LKW zusammen gestoßen. Der LKW war umgekippt und hatte den PKW unter sich begraben. Sofort hatte Thomas wieder die Bilder von Biggis Unfall vor Augen, wie sie da so hilflos unter dem LKW gelegen hatte…es sah fas alles genauso aus, der umgekippte LKW…

Während Michael und Peter bereits auf dem Weg zu dem Verletzen waren, lehnte Thomas sich mit der Stirn gegen den Helikopter und seinen Augen füllten sich mit Tränen. „Nein…nein!“, rief er Es war alles wieder da, als würde er es noch einmal erleben…es war so schrecklich, er hatte genau diese Bilder vor Augen, wie verzweifelt Biggi ihn angesehen hatte…

„Thomas“, Peters Stimme riss ihn wieder zurück auf den Boden der Tatsachen. „Die Trage, Thomas!“, rief Peter. Thomas fasste sich und nahm die Trage und brachte sie Michael und Peter, die es geschafft hatten den Patienten so weit zu stabilisieren, dass er ins Krankenhaus geflogen werden konnte.

Thomas schwang sich wieder auf den Pilotensitz und startete die Turbinen, bevor er mit einem Mordskaracho abhob. Ihm wurde wieder bewusst, dass Biggi auf diesem Sitz, in diesem Cockpit wahrscheinlich nie wieder sitzen würde, dass sie nie wieder diesen Ausblick genießen können würde, dass sie nie wieder fliegen würde. Immer wieder wurde er von der grausamen Realität eingeholt, dass Biggi, seine Biggi querschnittsgelähmt war.

Als sie wider auf der Basis gelandet waren, wollte Thomas sich sofort den Winter vornehmen, um sie auf den Stoffbären anzusprechen, doch ihm fiel ein, dass sie schon nachhause gefahren war. Es war ja auch schließlich nicht mehr ihre Schicht. ‚Ihr Glück!’, dachte Thomas. Er ließ sich im Aufenthaltsraum auf das Sofa fallen. Mit einem Blick auf die Uhr, stellte er fest, dass seine Schicht noch 30 Minuten dauern würde. Endlose 30Minuten, die er viel lieber bei Biggi verbracht hätte. Michel und Peter lieferten sich währenddessen ein Duell am Tischfußball und ließen sich nicht im Aufenthaltsraum blicken. Thomas’ Blick fiel auf das Regal, in dem unter anderem die Ordner, in denen Berichte aufbewahrt wurden, standen. Dort lag er, Biggis kleiner Stoffteddy. Thomas stand auf, ging zum Regal und nahm ihn in die Hand. Dann setzte er sich wieder aufs Sofa. Er drückte das kleine Stofftier fest an sich, Biggis Stofftier. Alles hier auf der Basis erinnerte ihn an die Zeit, in der Biggi noch laufen konnte, in der sie hier Pilotin war. Thomas liefen einige Tränen über die Wangen. Wie sehr wünschte er sich, das alles wieder gut würde, dass sie wieder laufen und fliegen können würde und wieder hier arbeiten könnte. Wie sehr wünschte er sich jetzt mit ihr im Arm am Ufer der Salzach entlang zu spazieren und auf das Wasser zu blicken. Doch all das würde wahrscheinlich nie in Erfüllung gehen…

Thomas zählte die Minuten, bis die Schicht endlich zu Ende war. Er machte sich nicht die Mühe sich vorher umzuziehen, sondern für gleich zu Biggi ins Krankenhaus. Er hatte wieder ein ungutes Gefühl bei der Sache, zwar wusste er, dass Karin und Ralf bei Biggi waren, aber er wäre beruhigter gewesen, wenn er sie selbst „bewachen“ hätte können. Als er an der Klinik ankam, ging er mit schnellen Schritten auf den Eingang zu. Doch dann fiel sein Blick auf den kleinen Blumenladen, der sich im Erdgeschoss der Klinik, direkt neben dem Eingang befand. Er erblickte einen großen Strauß rot Rosen und beschloss diesen für Biggi mitzunehmen. Also betrat er den Laden und kaufte den Strauß, der nicht ganz billig war. Mit einem Lächeln im Gesicht und dem Strauß Rosen in der Hand, machte er sich dann auf den Weg zu Biggi.

Diese war bereits wieder wach, nachdem sie mehrere Stunden friedlich geschlafen hatte. Sie war froh Ralf und Karin bei sich zu haben, auch wenn ihr Thomas’ Anwesenheit lieber gewesen wäre. Sie konnte es kaum erwarten, bis er wiederkommen würde. Sie strahlte übers ganze Gesicht, als er endlich seinen Kopf durch die Tür steckte. Als er dann auch noch den Rosenstrauß hinter seinem Rücken hervor zauberte, war Biggi total gerührt. „Thomas…sind die…für mich?“, fragte sie. Thomas nickte. „Für wen denn sonst.“, fragte er lächelnd. „Oh Thomas.“, Biggi wusste gar nicht, was sie sagen sollte, sie war überglücklich. „Wenn Michael mir mal so etwas schenken würde“, schwärmte Karin etwas wehmütig. Thomas hatte die Rosen nun auf Biggis Nachttisch gelegt und hatte sich zu ihr ans Bett gesetzt. Sie legte ihm ihren Arm um den Hals und zog ihn langsam näher zu sich. Dann begannen sie sich leidenschaftlich zu küssen. „Ich glaube, wir gehen dann mal wieder.“, sagte Karin leise und Ralf folgte ihr aus dem Raum, ohne dass Thomas und Biggi etwas bemerkten. „Ich hatte solche Sehnsucht nach dir.“, flüsterte Biggi. „Ich auch.“, gab Thomas ebenfalls flüsternd zurück und küsste sie wieder. Er war so froh, wieder bei ihr zu sein…

 

"Erzähl mal, war die Schicht anstrengend?" Thomas neigte den Kopf nach unten. Mit dieser Frage hatte sie ihn wieder an den Einsatz bei Rosenheim erinnert. Wieder drängte sich das Bild vor seine Augen - die Karambolage auf der Autobahn, der tonnenschwere LKW auf dem Kleinwagenwrack, darunter Biggi, seine Biggi. Blutüberströmt. Er erinnerte sich an diesen Blick, mit dem sie ihn angesehen hatte, diesen flehenden, todesängstlichen Blick, der seine allerletzten klaren Gedanken damals vollkommen zunichte gemacht hatte. Und jetzt lag sie da. Im Intensivbett. Umgeben von kaum zählbaren Kabeln, Schläuchen und Geräten. Mit Beinen, die sie nicht spüren konnte. Die sie nie wieder spüren können, nie wieder bewegen können würde, und die sie skrupellos an ein Leben im Rollstuhl fesselten. Na klar, es ging ihr "besser", aber gesund würde sie niemals werden. Nicht in diesem Leben, nicht in diesem Leben mit ihm. In dem es Helikopter gab, die sie nicht mehr fliegen konnte, einen geliebten Beruf, den sie nicht mehr ausüben konnte, ein eigenständiges Leben, das sie nicht mehr führen konnte - und einen wunderschönen Fluss, an dem sie nie wieder mit ihm spazieren konnte.

Alles Unterdrücken half nichts, Thomas stiegen wieder Tränen in die Augen, ohne dass er es irgendwie verhindern konnte. "Hey Thomas, was ist denn los?", fragte Biggi leise und besorgt. "Ist irgendwas passiert? Hey, sag doch..." Sie hob langsam ihre Hand und strich ihm liebevoll um den Nacken. Dann hob sie sein Kinn hoch und sah ihm in die tränennassen Augen. Er blickte zurück, in ihr Gesicht, das voller Sorge und Liebe zu ihm stand, und sagte leise. "Ach, Biggi ..." Er beugte sich über sie und nahm sie fest in die Arme. Sie ließ es geschehen, und als sie nach einer Weile sein Schluchzen bemerkte, streichelte sie ihm beruhigend mit der Hand über den Rücken. "Ist doch schon gut ... schon gut ...", sagte sie immer wieder leise. Thomas schluchzte weiter, er schmiegte sich an sie, spürte ihre Wärme und ihre Berührung, wodurch er langsam ein wenig ruhiger wurde. Unaufhörlich liefen ihm einzelne Tränen über die Wangen, und mit erstickter Stimme flüsterte er: "Ich liebe dich so sehr." Seine Traurigkeit und Verzweiflung, woher auch immer sie kamen, hatten sich auf Biggi übertragen und auch ihr waren inzwischen Tränen hochgestiegen. "Ich liebe dich auch.", flüsterte sie. Daraufhin drückte Thomas sie noch fester an sich. Dann löste er ganz langsam die Umarmung und küsste dabei liebevoll ihren Hals, bis er sich auf ihre Lippen zubewegte, sie sich tief in die Augen sahen und daraufhin in einen langen, unheimlich zärtlichen und inngen Kuss verfielen.

Das erste Mal strich er ihr dabei vorsichtig über den Oberkörper, während sie ineinander schmolzen und sich immer wieder in Liebe ansahen. Plötzlich öffnete sich die Tür. Durch das Einschlagen des Schlosses fuhren Thomas und Biggi zusammen, und Thomas drehte sich erschrocken um. "Oh ... das ist mir jetzt aber unangenehm.", meinte Dr. Perding sichtlich

verlegen. "Entschuldigen Sie bitte ...", bat er höflich um Verzeihung. Thomas und Biggi mussten lächeln. Thomas wischte sich schnell die letzten Tränen aus den Augen und meinte dann: "Kein Problem. Das Risiko ist recht hoch, dass Sie in derartigen Augenblicken das Zimmer betreten..." "Verstehe", entgegnete Dr. Perding leicht grinsend. "Dann wird es ja in Ordnung sein, wenn wir so oft wie möglich den Vorhang vor das Fenster ziehen." Biggi lachte schwach - Thomas sah sie verliebt an.

"Nun zu einem anderen Thema, Frau Schwerin...", begann Dr. Perding. Biggi und Thomas blickten auf. Der Arzt trat auf die andere Seite ihres Bettes und begutachtete das EKG und die anderen Geräte. Sorgfältig sah er sich die Liste der Schwestern durch, nahm sich dann die Infusionen vor und maß schließlich nochmals extra Biggis Blutdruck. Biggi ließ es über sich ergehen, während Thomas sie lieb anblickte und ihre Hand streichelte.

Als Dr. Perding fertig war, erhob er sich. "Ja, ich bin zufrieden mit Ihnen, Frau Schwerin. Ich werde das frühzeitige Erwecken aus dem Koma nicht bereuen - die Werte sind den Umständen entsprechend wirklich gut und sogar beinahe im Normalbereich. Der Blutdruck wird wieder ein wenig Nachhilfe brauchen, aber das ist ein geringes Problem. Herr Wächter macht hier ohnehin offensichtlich die Arbeit von drei Oberärzten...", meinte er lächelnd. "Aber trotzdem müssen Sie sich, darum bitte ich Sie sehr, schonen. Dann werden die Werte auch stabil bleiben beziehungsweise noch besser werden. In der Nacht möchte ich Sie gerne noch an das Sauerstoffgerät anschließen, aber sofern es untertags keine Probleme gibt, können wir das vorerst einstellen. Und dann zu einem anderen Kapitel ... ich will den wagen Versuch machen, Ihren Körper neben der künstlichen Ernährung wieder auf flüssige Nahrung einzustellen. Langsam. Haben Sie Durst?"

Für Biggi kam diese Frage völlig unerwartet. Sie blickte ihn ein wenig ungläubig an. Sie wurde nun schon so lange künstlich ernährt, konnte sich irgendwie gar nicht mehr vorstellen, wie es war, selbst etwas zu sich zu nehmen.

Thomas freute sich über diese Nachricht, froh blickte er den Arzt an. "Ich weiß nicht", meinte Biggi leise. "Aber Biggi, das ist doch toll!", entgegnete Thomas auf ihr Zögern. "Ja, aber ..." "Sie können es ja ganz einfach mal versuchen. Und dann sehen wir ja, ob Sie schon soweit sind. Es wäre ein wichtiger Schritt Ihrer Genesung, wenn wir ihn vorsichtig angehen. Und sonst - wir haben ja Zeit." Biggi dachte nach. Zeit. Das war für sie jetzt so ein bedeutungsloser Begriff geworden. Zeit. Für sie spielte sie keine Rolle mehr - es gab da keine Verpflichtung, die sie innerhalb eines gewissen Zeitraums zu erledigen hätte. Es gab zumindest keine, die sie zu erledigen fähig wäre. Nicht mehr. Und auch nie wieder. Worin bestand dann eigentlich auch der Unterscheid, ob sie nun den nahezu sinnlosen Rest ihres Lebens etwas länger im Bett oder etwas länger im Rollstuhl verbrachte? Sie hasste dieses Bett inzwischen so sehr - dieses Bett, an das sie gefesselt war, dem sie hilflos ausgeliefert war. Dieses Schicksal, dem sie hilflos ausgeliefert war. Doch hasste sie den Rollstuhl, der ihr bevorstand, immer noch mehr als dieses Bett. Sie ... sie brauchte doch keine Räder. Ihr Leben, das sie bis vor kurzem noch geführt hatte, war erfüllt gewesen von Rotoren, von Wind, von Höhe, Freiheit - aber nicht von Rädern.

Dr. Perding war kurz vor die Tür gegangen und kam nun auch schon wieder herein. In der Hand hatte er ein Glas lauwarmes Wasser. Darin hatte er eine Tablette aufgelöst, die es verträglicher machte. Er stellte das Glas am Nachttisch ab und stellte dann die Rückenlehne an Biggis Bett um einige Zentimeter höher. "Weiter hoch ist leider noch nicht möglich - ich will kein Risiko eingehen. Hier, wollen Sie mal probieren?" Biggi nickte leicht. Dann wollte sie danach fassen, doch Dr. Perding zweifelte. "Es ist schwer", meinte er mit einem Blick auf ihre noch schwache Hand. "Darf ich?", fragte Thomas. Daraufhin gab Dr. Perding ihm das Glas in die Hand, worauf Thomas es Biggi vorsichtig an den Mund hielt. Zögerlich nahm sie einen kleinen Schluck. Thomas stellte das Glas wieder hin. Mühsam schaffte Biggi nach einer Zeit, zu schlucken. "Und? Ist es gut?", fragte Thomas. "Möchtest du noch was?" Biggi schüttelte langsam den Kopf. Dr. Perding fragte: "Ist Ihnen nicht gut?" Schwach meinte Biggi. "Es geht schon, danke."

Dr. Perding erhob sich wieder. "Sie schlafen jetzt besser wieder ein wenig. Sie haben einen großen Schritt gemacht - und das reicht vorerst. Sie werden sehen, es geht Ihnen gleich wieder besser, nachdem sie sich ausgeruht haben." Aufmunternd strich er ihr noch mal leicht über die Schulter, nahm das Glas und ging dann Richtung Tür. Kurz davor drehte er sich noch mal um und meinte: "Wie gesagt, wir haben Zeit." Damit verließ er den Raum. Thomas streichelte Biggi liebevoll über die Wange. "Er hat Recht, du schläfst jetzt besser ein wenig. Es ist ohnehin schon spät."

Er nahm ihre Hand. Schwach sah sie ihn an, aber ein klein wenig erkannte er immer noch das Strahlen in ihren Augen. Das machte ihn glücklich. Er machte sie glücklich. Er gab ihr Kraft. "Danke", meinte sie leise zu ihm und lächelte wieder ein wenig. Sie nahm ihn mit der Hand an seinem Ärmel und zog ihn zu sich herunter. Er lächelte und beugte sich über sie. Dann küsste er sie zärtlich und drückte sie an sich. "Wenn es doch wenigstens irgendeinen Hoffnungsschimmer gäbe ... dann wüsste ich, wofür ich mich motivieren kann ...", meinte Biggi dann plötzlich leise unter Tränen. Thomas erschrak, ließ vorsichtig von ihr ab und sah ihr dann in die Augen. "Aber Biggi, irgendwo gibt es doch immer einen Hoffnungsschimmer. Glaub mir, die Hoffnung ... die stirbt zuletzt." Liebevoll wischte er ihr die Tränen aus den Augen. "Ich werde immer hoffen, ich werde niemals aufhören - und du darfst es auch nicht." Auch seine Augen wurden nass. Er schniefte kurz und sagte dann: "Versprochen?" Biggi nickte. Daraufhin küsste Thomas sie ein weiteres Mal zärtlich und voller Liebe, dann beugte er sich langsam wieder hoch und meinte: "Schlaf gut. Ich bin bei dir. Immer." Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln, worauf ihr erschöpft die Augen zufielen. Als Thomas schon dachte, sie schlafe bereits, formte sie mit ihren Lippen noch mal ein leises "Ich liebe dich ..." - dann schlief sie ein...

 

Thomas dachte über Biggis Worte nach. Einen Hoffnungsschimmer. Biggi brauchte einen Hoffnungsschimmer, irgendetwas auf das sie hinarbeiten konnte, irgendetwas für das sie kämpfen konnte…nur was? Sie würde nie wieder laufen können, nie wieder fliegen, nie wieder auf ihrem Motorrad sitzen. Die einzige Hoffnung würde darin bestehen, dass Biggi entlassen werden würde. Doch Dr. Perding hatte Thomas versichert, dass sie noch mindestens 3 Wochen in der Klinik bleiben müssen würde, wenn nicht länger. Zunächst mussten ihre inneren Verletzungen verheilt sein und sie müsste wieder normal Essen und Trinken können. Doch dann, was war dann? Dann würde Biggi im Rollstuhl sitzen. Thomas mochte überhaupt nicht daran denken, doch er wusste, dass er vor der Wahrheit nicht davon laufen konnte. Er hatte sich fest vorgenommen, Biggi das Leben im Rollstuhl so weit wie möglich zu erleichtern. Er würde ihr Helfen so gut es ging, doch trotzdem wusste er, dass es für Biggi unheimlichschwer werden würde sich mit ihrem Schicksal im Rollstuhl abzufinden. Sie war immer so lebhaft und fröhlich gewesen und nun? Nun würde sie nichts mehr alleine können. Aber sie hatte ihn und er würde ihr helfen und ihr Kraft geben die Kraft, die sie brauchte….

Thomas war total in Gedanken versunken. Irgendwann wurde er dann allerdings doch vom Schlaf überwältigt und schlief völlig erschöpft neben Biggi ein.

Bald danach schaute die Nachtschwester noch einmal vorbei. Sie fand es rührend, wie Thomas sich um Biggi kümmerte und sorgte und dass er jede Nacht an ihrem Bett verbrachte.

A nächsten Morgen kam Dr. Perding schon sehr früh in Biggis Krankenzimmer. Er kontrollierte wie jeden Morgen alle Werte und machte dabei ein ziemlich zufriedenes Gesicht. Er wollte gerade wieder gehen, als Thomas aufwachte. Verschlafen rieb er sich die Augen und blickte auf zu Dr. Perding. „Guten Morgen, Herr Wächter. Gut geschlafen?“, erkundigte Dr. Perding nicht. Thomas nickte, obwohl er eigentlich nicht sehr gut geschlafen hatte. Er schlief jetzt schon nächtelang hier im Krankenhaus, an Biggis Bett, doch ihm war am wichtigsten, dass er bei ihr sein konnte, auch wenn sein Bett zuhause um einiges bequemer gewesen wäre. „Und, wie geht es ihr?“, fragte Thomas dann, da er mitbekommen hatte, dass sich Dr. Perding die Werte angesehen hatte. „Besser, ich denke, es geht aufwärts,  mit einem Rückfall ist im Moment nicht zurechnen, denn ihre Kreislaufwerte sind erstaunlich gut und stabil. Wir werden heute noch einmal versuchen ihr einwenig Flüssigkeit zu geben, sie muss sich langsam wieder daran gewöhnen normal zu trinken und zu essen.“, erklärte Dr. Perding Thomas. Er nickte erleichtert. „Danke.“, meinte er dann. „Wir tun doch alle unser Bestes und wenn sie nicht den ganzen Tag hier wären, hätte Frau Schwerin wahrscheinlich bei weitem nicht so viele Fortschritte gemacht. Ihre Anwesenheit tut ihr, glaube ich, unheimlich gut.“ Thomas lächelte glücklich. Dr. Perding lächelte ebenfalls und verließ dann wieder den Raum. Kurze Zeit später kam er mit einem Glas Wasser in der Hand zurück. Er stellte es auf Biggis Nachttisch und sagt: „Wenn sie aufgewacht ist, dann sagen sie mir bitte bescheid, wir werden dann noch einmal versuchen, ihr ein wenig Wasser zu geben.“ Thomas nickte und sah Dr. Perding nach, der den Raum so schnell wieder verließ, wie er ihn auch betreten hatte. Dann sah er wieder zu Biggi, sie schlief immer noch, doch er wollte sie nicht wecken. Es tat ihr gut, wenn sie schlief und sich ausruhte. Sie musste schließlich so schnell wie möglich wieder zu Kräften kommen.

Etwa einen halbe Stunde später wachte sie dann doch langsam auf. Sie blickte zu Thomas, der neben ihr saß und lächelte ihn an. „Hast du gut geschlafen, mein Schatz?“, erkundigte er sich. Biggi nickte. Sie fühlte sich heute Morgen schon viel besser als an den vergangenen Tagen. „Dr. Perding wird gleich kommen, er möchte, dass du noch einmal ein bisschen Wasser trinkst. Biggi nickte. „Das ist ein sehr wichtiger Schritt in deiner Genesung. Dr. Perding meinte, dass er dich erst entlassen wird, wenn du wieder normal essen und trinken kannst.“ Biggi dachte über Thomas’ Worte nach. Entlassen werden. Was würde dann kommen, wenn sie entlassen werden würde? Sie würde nicht mehr arbeiten können und überhaupt, sie würde fast nichts mehr alleine können werden.  „Und was ist dann, ich meine, wenn ich wirklich entlassen werde?“, fragte Biggi mit Tränen in den Augen. „Dann ziehst du zu mir und ich kümmere mich um dich. Ich bin immer für dich da, das weißt du doch.“ Thomas wartete auf Biggis Reaktion. „Er wusste nicht genau, was sie davon halten würde. Sie nickte leicht und sagte dann leise „Danke“ Es war so, dass Biggi nicht einmal selbst wusste, was sie davon halten sollte. Was das für ihr Leben bedeutete. Es lag eine unheimliche Endgültigkeit im Verlassen ihrer Wohnung. Sie dachte daran, wie ihr Leben noch vor einigen Wochen ausgesehen hatte. Es war ein typisches, glückliches Leben einer normalen Frau gewesen. Einer gesunden Frau. Bis auf die Liebe war eigentlich alles darin erfüllt gewesen – eine unglaubliche Leidenschaft in einem traumhaften Beruf bei einem eben so tollen Arbeitsumfeld, wunderbare Freunde, Freiheit ... und Thomas. Es hatte sich so viel verändert. Von Grund auf war Biggis Leben ohne jede Vorwarnung schlichtweg umgekrempelt worden. Sie musste alles aufgeben, alles, wofür sie gelebt hatte. Es war, als würde ein anderer Mensch in ihr nun unbrauchbares Leben zurückkehren. Ein Mensch auf Rädern. Nichts war mehr, wie es vorher war - und neben all den Veränderungen, die Biggi vor Schmerz das Herz zerrissen, gab es eine einzige, die ein wenig Sinn in ihr Leben zurückbrachte. Ein kleines bisschen Sinn. Den Sinn, der ihr zeigte, dass es richtig war, zu kämpfen. Weil sie sonst einen anderen Menschen mit sich ins Unglück stürzen würde. Ihr Leben war nicht mehr gleichgültig. Es gab Thomas. Thomas, die kleine, einzige Veränderung, die Biggis Leben wieder lebenswert und ungleichgültig machte. Wäre er nicht gewesen, hätte Biggi schon längst aufgegeben. Dann würde längst jemand anderer in diesem Bett liegen, vielleicht jemand, der beide Hälften seines Körpers spüren konnte. Aber höchstwahrscheinlich auch jemand, der nicht das Glück hatte, einen Mensch wie Thomas seine große Liebe zu nennen.

Das Glück. In all diesem Unglück, dass Biggi dazu zwang, in ihrem Leben nie mehr unabhängig zu sein, war irgendwo doch noch ein Glück. Man hatte ihr ihre Beine genommen und damit ihr ganzes bisheriges Leben, das nur mehr aus Erinnerungen bestand. Aber Thomas hatte man ihr gegeben. Wieder fragte sie sich nach dem Sinn in der ganzen Sache. Sie würde wohl nie eine Antwort finden. Klar war für sie nur, dass sie Thomas liebte. Über alles liebte. Sie fragte sich zwar, wie er sie lieben konnte, war sich inzwischen aber sicher, dass er es tat. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, nahm Thomas im selben Moment ihre Hand und sagte leise: "Ich liebe dich, Biggi." Sie blickte auf und hatte Tränen in den Augen. "Sag mir warum.", bat sie ihn. "Ich weiß es nämlich nicht. Ich komme nicht darauf ..." Sie neigte den Kopf wieder nach unten und langsam tropften ein paar Tränen auf die weiße Bettdecke...

 

Thomas beugte sich zu ihr und wischte ihr zärtlich die Tränen aus dem Gesicht. „Ach Biggi…“, sagte er leise. Er nahm sie vorsichtig in den Arm und drückte sie an sich. „Ich liebe dich über alles, und zwar dich – und nicht deine Beine.“ Biggi schluchzte leise an seiner Schulter und Thomas strich ihr beruhigend über den Rücken. Langsam beruhigte sie sich dadurch wieder, doch ihr liefen immer noch einzelne Tränen übers Gesicht. „Warum Thomas, warum gerade ich?“, fragte sie ihn dann und sah ihn mit tränengefüllten Augen an. „Das weiß keiner, Biggi. Es gibt keine Erklärung dafür. Es ist nun einmal passiert und wir müssen es so hinnehmen, wie es gekommen ist. Aber wir werden das schaffen, zusammen. Zusammen schaffen wir alles, Biggi.“, versicherte er ihr und nahm ihre Hand in seine. Sie nickte leicht. Sie wollte Thomas so gerne glauben, doch sie wusste, dass sie nie wieder laufen können würde, außer es würde ein Wunder geschehen. „Danke, Thomas“, flüsterte sie dann. „Hey, schon ok.“ Er strich Biggi sanft über die Wange und gab ihr dann einen zärtlichen Kuss. Biggi erwiderte seinen Kuss und strich ihm mit der Hand um den Kopf. Sie war so froh, dass sie ihn hatte. Ohne Thomas, hätte sie schon lange aufgegeben. Doch er machte ihr immer wieder Hoffnung, er gab ihr die Kraft, die sie brauchte, um nicht ganz aufzugeben, er zeigte ihr, dass es sich lohnte weiterzuleben.

„Ich werde jetzt Dr. Perding holen, ok?“, fragte Thomas dann nach einiger Zeit. Biggi nickte und so drückte Thomas auf den roten Alarmknopf. Wenige Minuten später betrat Dr. Perding schon das Zimmer. „Guten Morgen, Frau Schwerin, wie fühlen sie sich heute?“, fragte er Biggi. „Danke, es geht.“, gab Biggi zurück. „Ich habe ihnen bereits ein Glas Wasser auf den Nachttisch gestellt. Wenn sie möchten,  können sie versuchen ein wenig zu trinken.“, meinte Dr. Perding. Biggi nickte und so nahm Thomas das Glas in die Hand und führte es vorsichtig zu ihrem Mund. Biggi nahm zunächst nur einen ziemlich kleinen Schluck, doch sie merkte, dass ihr das Schlucken schon um einiges besser gelang als am Vortag. Daraufhin nahm sie noch drei weitere Schlucke. „Und, wie ist es?“, erkundigte Dr. Perding sich. Biggi fühlte sich irgendwie gleich viel besser, nachdem sie ein paar Schlucke getrunken hatte. Ihr Hals war nicht mehr so trocken und irgendwie bemerkte sie, dass ihr da Wasser richtig gut tat. „Gut.“, meinte Biggi und Dr. Perding nickte zufrieden. Thomas stellte das Glas wieder ab. „Ich werde das Glas Wasser hier stehen lassen. Sie können dann immer etwas trinken wenn sie möchten.“, erklärte er. Biggi nickte. „Aber, schonen sie sich bitte nach wie vor noch.“ „Ich passe schon auf.“, sagte Thomas. Dr. Perding nickte beruhigt. Er ging einmal um Biggis Bett herum und kontrollierte noch einmal die Geräte, an die Biggi angeschlossen war. „Diese Infusion hier, brauchen sie jetzt, denke ich, nicht mehr. Ich werde gleich eine Schwester vorbei schicken, die sie ihnen dann abnimmt.“ Biggi war zwar schon erleichtert, dass es ihr von Tag zu Tag besser ging, das merkte sie selbst, aber andererseits rückte auch so der Tag immer näher, an dem sie entlassen werden würde und der Tag, an dem sie zum ersten Mal in einem Rollstuhl sitzen würde. Das machte ihr Angst, schreckliche Angst. Noch war sie eine Kranke in einem Krankenhaus, eine unter vielen anderen Kranken, aber dann, dann wäre sie eine Behinderte draußen, in der normalen Welt. Das war ein riesengroßer Unterschied.

Dr. Perding verließ das Zimmer wieder und wenig später kam eine Schwester herein. Sie entfernte Biggi vorsichtig die Kanüle am Arm und nahm die Infusion mit. Dann verließ sie das Zimmer wieder. Biggi blickte auf ihren Arm, in dem immer noch zwei Kanülen steckten. ‚Aber besser zwei als drei.’, dachte sie sich. „Siehst du, jetzt geht es dir von Tag zu Tag besser.“, sagte Thomas und lächelte Biggi glücklich an. Sie nickte. Er hatte ja Recht, aber trotzdem war sie so verzweifelt.

Thomas beugte sich vorsichtig zu ihr und sie begannen sich zu küssen. Biggi genoss es sehr und plötzlich fasste sie einen Entschluss. Sie würde die Hoffnung nicht aufgeben. Sie würde kämpfen. Vielleicht gab es ja doch noch eine winzige Chance, dass sie ihre Beine wieder bewegen können würde. Und wenn es diese Chance gab, dann würde sie es schaffen – zusammen mit Thomas – da war sie sich sicher.

Auf diesen Entschluss atmete sie tief durch und meinte dann: "Kannst du mir noch etwas Wasser geben?" Thomas freute sich und sagte fröhlich. "Na klar doch! Hier" Abermals führte er Biggi vorsichtig das Glas an den Mund, und wieder nahm Biggi langsam nacheinander drei Schlucke. Es war ein wunderschönes Gefühl, das kühle Wasser den Hals runterrieseln zu spüren – es war schon so lange her, dass sie das letzte Mal richtig getrunken hatte. "Das war gut...", meinte sie und lächelte. Thomas stellte das Glas wieder auf den Nachttisch, dann beugte er sich über sie und küsste sie glücklich. Lange blieben sie ineinander versunken und küssten sich innig. Thomas streichelte Biggi zärtlich um das Gesicht, während sie ihm um den Nacken strich.

Thomas lächelte sie an, dann nahm er sie in die Arme. "Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich ich bin, dass es dir wieder besser geht. Nichts könnte mich glücklicher machen." Er strich ihr liebevoll über den Rücken und löste dann langsam die Umarmung. Dann nahm er wieder ihre Hand und meinte: "Wir werden es uns wunderschön machen. Wir werden wieder an der Salzach spazieren, das verspreche ich dir - ob uns dabei vier Räder begleiten oder nicht, ist doch vollkommen egal. Wir lieben uns, das alleine zählt." "Hoffentlich hast du recht.", entgegnete Biggi. "Ich habe immer recht, das weißt du doch...", meinte er lächelnd und streichelte ihr über die Wange. "Angeber", sagte sie und er musste lachen.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Dr. Perding betrat wieder das Zimmer. "Oh - schön, dass hier so eine gute Stimmung herrscht. Ist leider nicht oft der Fall auf Intensivstationen und somit meinem Einsatzgebiet.", meinte er freundlich. "Haben Sie wieder etwas getrunken, Frau Schwerin?" Biggi nickte stolz und sagte: "Es war sogar richtig gut." "Na wunderbar.", freute sich Dr. Perding und befasste sich dann mit den Geräten. Thomas lächelte Biggi glücklich an. "Hm...die Werte sind wieder ein wenig abgesunken. Aber bitte beunruhigen Sie sich nicht - das ist auf die Infusion zurückzuführen, die ich habe entfernen lassen. Der Körper muss sich nun darauf einstellen, ohne das Mittel auszukommen. Die Werte werden sich wohl wieder einpendeln, wenn Sie sich ruhig halten. Und sonst helfen wir ein wenig nach, das ist ja kein Problem.", meinte er und blickte den beiden aufmunternd zu. "Übrigens, deshalb bin ich eigentlich gekommen - ich wollte noch einige Untersuchungen mit Ihnen machen, Frau Schwerin. Es würde mich interessieren, wie weit der Heilungsprozess der inneren Verletzungen fortgeschritten ist." Biggi blickte Thomas traurig an und fragte: "Muss das jetzt sein?" Dr. Perding nickte und Thomas meinte. "Hey, sei nicht traurig. Ich geh dann inzwischen schnell was essen und wenn du wieder zurückkommst, warte ich schon auf dich, hm?" "Na gut.", willigte Biggi ein. Dr. Perding rief zwei Schwestern her, die Biggis Bett nahmen und aus dem Raum schoben. Thomas gab ihr noch einen zärtlichen Abschiedskuss und meinte: "Ich denke an dich... bis bald, mein Schatz." "Bis bald", entgegnete Biggi und ließ wehmütig seine Hand los.

Die Schwestern brachten Biggi in ein anderes Stockwerk und schließlich wurde sie in einen Untersuchungsraum geschoben. "So, erstmal werden wir ein Ultraschallbild machen.", meinte Dr. Perding. Nachdem die Schwestern Biggi vorbereitet hatten, betätigte der Arzt das Gerät und sah sich in Ruhe die Verletzungen an. Währenddessen sprach er mit Biggi. "Genau wie ich es erwartet habe. Die Verletzungen verheilen alle gut. Sie brauchen natürlich noch Zeit, aber die geben wir ihnen ja. Die Milzruptur ist noch etwas angeschlagen ... aber Sie werden sehen, das kommt auch noch. Wir können wirklich zufrieden sein, Frau Schwerin. Haben sie eigentlich noch Schmerzen?"

Biggi überlegte kurz und meinte dann: "Zwischendurch, aber nicht oft." "Gut. Wenn sie noch mal eintreten sollten, sagen Sie mir bitte Bescheid, dann gebe ich Ihnen was dagegen." Biggi nickte. "Das Wassertrinken ist auf jeden Fall ein großer Fortschritt. Es beschleunigt den Heilungsprozess, außerdem bringt es Sie wieder mehr zu Kräften. Trinken Sie soviel wie möglich." "Mach ich. Es schmeckt ja auch gut. Wann kann ich denn wieder richtig essen?" "Na, zu schnell wollen wir jetzt mal nicht werden. Wir haben Zeit, Frau Schwerin." Ach ja. Die Zeit. "In geraumer Zeit können wir auch damit mal beginnen, nur will ich wirklich noch ein wenig warten. Aber Ihre Einstellung ist sehr vorteilhaft. Es freut mich, dass Sie den Willen haben."

Biggi blickte traurig auf ihre Beine und meinte dann. "Na ja irgendwie muss es ja weitergehen." "Ganz recht.", antwortete Dr. Perding. Anschließend an den Ultraschall wurden auch eine Computertomographie und ein Magnetresonanzbild gemacht. Nach drei Stunden wurde Biggi schließlich wieder zurück in die Intensivstation gebracht. Thomas wartete bereits auf sie und umarmte sie freudig. "Schön, dass du wieder da bist.", meinte er. Er wurde kurz rausgeschickt, da die Schwestern Biggi wieder an die Geräte anschließen mussten. Nachdem sie fertig waren, kam Thomas wieder rein. "Na, wie war's?" "Ich glaube, er ist zufrieden mit mir", meinte Biggi und lächelte schwach. "Ach schön...", entgegnete Thomas und streichelte über ihre Wange. Dann beugte er sich über sie und küsste sie zärtlich...

Biggi erwiderte seinen Kuss und sie küssten sich immer leidenschaftlicher. Als sie nach ziemlich langer Zeit wieder von einander abließen, bat Biggi Thomas ihr noch einmal das Glas mit dem Wasser zu reichen. Er nahm das Glas und hielt es ihr an den Mund. Biggi umfasste seine Hand und schließlich gab ihr Thomas ganz vorsichtig das Glas in die Hand. Biggi setzte es vorsichtig an und trank dann einige Schlucke. Dieses Mal mehr als zuvor und schließlich war das Glas bereits halb leer. Sie gab es vorsichtig Thomas wieder in die Hand und er stellte es zurück auf den Nachttisch. Er wusste, dass es ein gutes Zeichen war, dass Biggi so viel getrunken hatte und lächelte sie glücklich an. Biggi lächelte zurück. Sie fühlte sich von Tag zu Tag besser. „Ich bin so froh, dass es dir besser geht.“, meinte Thomas dann. Biggi nickte. „Ich doch auch.“, sagte sie, denn sie wollte ihn nicht enttäuschen und eigentlich machte es sie im Moment auch wirklich froh, schließlich hatte sie beschlossen zu kämpfen. Zu kämpfen für ihr Leben und für Thomas. Sie würde es schaffen, mit ihm zusammen!

Nach einer Weile kam Dr. Perding noch einmal ins Zimmer. „Wir haben jetzt die Ergebnisse der Untersuchung fertig ausgewertet.“, verkündigte er. Thomas und Biggi sahen ihn gespannt und erwartungsvoll zugleich an. „Ja, nun sagen sie schon.“, forderte Biggi ihn auf. Dr. Perding huschte ein Lächeln übers Gesicht. „Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen, Frau Schwerin. Ihre Werte könnten im Moment nicht besser sein und die inneren Verletzungen verheilen auch gut.“ Thomas und Biggi freute es natürlich sehr das zu hören. Auf die Querschnittslähmung allerdings sprach Dr. Perding nicht an. Biggi wusste, dass er dies bewusst nicht tat, doch sie sagte nichts. „Und da ist noch etwas…“, setzte der Arzt dann hinzu. Thomas befürchtete schon, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte und sah Dr. Perding irritiert an. Doch seine Zweifel wurden ihm schnell genommen. „Wenn sich Ihr Zustand weiterhin so schnell bessert, können wir Sie vielleicht schon in ein par Tagen auf die normale Station verlegen und Sie könnten dann nach einiger Zeit mit der Physiotherapie beginnen. Aber Sie wissen ja, wir müssen abwarten…“, erklärte Dr. Perding. Biggi lächelte glücklich. Sie hatte all ihre Hoffnungen, die sie noch hatte, in die Physiotherapie gesetzt. „Aber Sie müssen sich natürlich noch weiter hin schonen und jegliche größere Anstrengung vermeiden.“ Biggi nickte. „Aber ich denke bei Ihnen dürfte das ja kein Problem sein, da wird Herr Wächter schon drauf achten. Thomas nickte und versprach ihm: „Davon können Sie ausgehen.“ Dr. Perding nickte zufrieden und verließ dann, nachdem er noch einmal alle Geräte kontrolliert hatte, das Zimmer. „Bist du jetzt zufrieden mit mir?“, fragte Biggi und lächelte Thomas verliebt an. Er nickte und beugte sich dann zu ihr um sie zu küssen. Nachdem sie sich ziemlich lange geküsst hatten, ließ Thomas langsam von Biggi ab und sah ihr in die Augen. „Weißt du, wie glücklich ich bin?“, fragte er sie leise. Biggi lächelte. „Wegen dir.“, fügte Thomas dann hinzu. Biggi fasste ihm mit ihrer Hand um den Nacken und zog ihn wieder zu sich. Dann fingen sie sch an leidenschaftlich zu küssen. „Ich liebe dich ja so sehr!“, flüsterte Biggi zwischen zwei Küssen. Als Antwort bekam sie einen weiteren zärtlichen Kuss. Sie genoss jede einzelne Sekunde, in der sie Thomas’ Nähe spürte und wünschte sch, dass dieser Moment niemals enden würde. Doch plötzlich räusperte sich jemand hinter ihnen, wie hätte es auch anders sein können… Thomas drehte sich erschrocken um und blickte in Michaels grinsendes Gesicht. „Entschuldigung, ich wollte euch nicht stören.“, meinte er etwas verlegen. „Schon ok.“, sagten Thomas und Biggi zugleich, obwohl sie schon fanden, dass Michael ein bisschen störte. „Michael, ich wollte mich übrigens noch bei dir bedanken.“, begann Thomas dann. Michael sah ihn irritiert an. „Na, dafür, dass du dich die ganze Zeit um meine Mädels kümmerst.“, klärte Thomas ihn auf. „Hey, schon in Ordnung, wozu hat man denn Freunde. Ist nicht der Rede wert“, sagte Michael. „Doch, dass ist es.“, protestierte Thomas, „Ich bin echt froh, so einen Freund wie dich zu haben.“ „Schon gut, mach ich doch gern. Jetzt ist es erst einmal wichtig, dass Biggi weder gesund wird und du bei ihr bleibst und dich um sie kümmerst.“ „Danke.“, meinte Thomas. „Und wie geht es dir jetzt?“, erkundigte Michael sich bei Biggi. „Schon viel besser. Ich hab schon wieder ein paar Schlucke Wasser getrunken, und wenn ich Glück habe, dann werde ich in ein paar Tagen auf die normale Station verlegt.“, erzählte sie stolz. „Das ist ja wunderbar.“, freute Michael sich. „Ich soll dich übrigens von den anderen grüßen, sie haben leider Schicht und konnten deshalb nicht mitkommen. Und Peter, der ist gerade schwer mit seinem Wohncopter beschäftigt. Er baut dort jetzt eine neue Sattelitenschüssel aufs Dach, weil die alte kaputt war.“ Thomas und Biggi mussten grinsen. Sie wussten noch ganz genau, wie unbegabt Peter sich beim ersten Mal angestellt hatte. Und schließlich hatte Ebelsieder ihm damals die Schüssel am Helikopter angebracht. Auch Michael konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Wie läuft es denn so auf der Basis?“, wollte Biggi dann von ihm wissen. Von Thomas konnte sie ja nichts erfahren, da er die ganze Zeit bei ihr war.

"Ach, ihr versäumt beide nichts ... die Luft auf der Basis ist nicht nur den ganzen Tag dick, sondern auch kalt - mit dem muffigen Winter im Aufenthaltsraum.", meinte er und grinste gequält. "Ohne euch ist unsere Arbeit nicht das, was sie sein sollte. Ich hab mich noch nie so auf Feierabend gefreut wie in letzter Zeit." "Oje...", meinte Biggi. Wie sehr sie doch den Winter beneidete. "Dabei weiß sie gar nicht, wie glücklich sie sich schätzen kann. Sie hat nicht nur tolle Kollegen, sie ... sie hat auch Beine, die sie bewegen kann.", sagte sie leise traurig. Thomas und Michael warfen sich hilflose Blicke zu. Thomas drückte wortlos Biggis Hand. "Liebt sie ihren Job eigentlich???" fragte Biggi dann aufgebracht. "Ich ... ich denke nicht. Danach sieht sie mir zumindest nicht aus.", meinte Michael leise. Biggi schnaubte und drehte dann den Kopf zur Seite, sah aus dem Fenster. Sie betrachtete die Welt draußen, die gerade noch zu erkennen war in der Dämmerung. Lange herrschte Schweigen. Wieder mal war nur das unentwegte, inzwischen aber leiser gestellte Piepsen des EKGs zu hören, und das Zwitschern einiger Vögel draußen. Plötzlich war von weit her das unverkennbare Geräusch eines Rotors zu hören. Es dauerte nicht mehr lange, bis ein Helikopter mit blinkenden Lichtern draußen zu erkennen war. Er kam immer näher. Biggi stiegen Tränen in die Augen. Beim besten Willen schaffte sie es nicht, ihre Tränen zu unterdrücken. Nicht jetzt. Nicht beim Geräusch eines Helikopters. Eines Engels. Das war unmöglich. Leise begann sie zu schluchzen, während unentwegt Tränen über ihr Gesicht rannen. "Was gäbe ich darum, jetzt in diesem Cockpit zu sitzen...", flüsterte sie weinend.

Thomas und Michael fühlten sich schrecklich machtlos. Dann beugte sich Thomas über Biggi, zog sie behutsam zu sich und drückte sie einfach fest an sich. Biggi erwiderte die Umarmung und weinte leise an Thomas' Schulter. "Du ... du wirst kämpfen. Wir werden alle kämpfen. Wer kämpft, kann alles erreichen - und auch du wirst das. Da bin ich mir sicher. Ich liebe dich." Biggi sah zu ihm auf und meinte dann: "Ich dich auch ..." Michael hatte sich ganz leise aus dem Zimmer geschlichen - er konnte Biggi jetzt nicht helfen, Thomas sollte besser einen Moment mit ihr allein bleiben. Langsam beruhigte sich Biggi wieder, und nachdem Thomas sie geküsst und liebevoll ihre Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte, lächelte sie ihn auch wieder an. "Du hast ja recht. Ich werde kämpfen, und wenn es das letzte ist, was ich in diesem Leben tue.", sagte sie entschlossen. Daraufhin küsste Thomas sie wieder, und sie verblieben lange dabei – sehr lange. Eine Weile später, als sie langsam wieder voneinander abließen, meinte Thomas: "Du solltest wieder ein wenig schlafen, mein Schatz. Je mehr du dich ausruhst, desto früher kannst du auf die Normalstation und mit der Physiotherapie beginnen." "Ich werd mich bemühen, ich will so bald wie möglich raus hier.", meinte Biggi lächelnd. "Das wirst du auch. Ich bin stolz auf dich.", meinte Thomas glücklich und streichelte über ihre Wange. Dann zog sie ihn noch ein letztes Mal zu sich runter, und sie küssten sich zärtlich. Daraufhin schloss Biggi glücklich die Augen und schlief ein. Eine ganze Weile blieb Thomas noch an ihrem Bett sitzen und hielt ihre Hand. Dann stand er ganz leise auf und verließ das Zimmer. Michael hatte sich draußen auf einen Stuhl gesetzt, nun stand er auf und ging auf Thomas zu.

"Wie geht es ihr?", fragte er. "Schon wieder besser. Sie hat ne Menge Willenskraft gebildet in den letzten Tagen. Ich bin echt stolz auf sie." Erleichtert atmete Michael auf und meinte: "Klasse", und klopfte seinem Freund auf die Schulter. "Michael, es ... es wird alles wieder gut, oder?", fragte Thomas ihn leise, worauf Michael ihn in den Arm nahm und freundschaftlich drückte. "Davon bin ich überzeugt.", meinte er. "Mit oder ohne Rollstuhl, Thomas." Thomas nickte. Dann bot er Michael an, sich kurz mit ihm hinzusetzen. "Weißt du ... langsam ist es wohl Zeit, über die Zukunft zu reden. In ihrer Wohnung kann Biggi nicht bleiben. Und ich dachte mir eben ...", begann Thomas. Michael unterbrach ihn: "Na sie kommt natürlich zu uns! Es wohnen ohnehin zu viele Männer in diesem Haushalt." "Wie – du hast nichts dagegen?" "Aber wie kommst du denn darauf?? Nicht nur du bist mit Biggi befreundet - wir sind es alle, und wir werden sie alle unterstützen. Und überhaupt, unser Haus ist doch für einen Rollstuhl geradezu geeignet. Immerhin hab ich auch ne Zeit lang in dem Ding verbracht ... ich weiß, wie man sich in dem Rollgefährt fühlt. Es wird nicht leicht für sie. Sicher nicht. Aber sie ist ja nicht allein."

Thomas hatte den Kopf nach unten geneigt. Dann umarmte er Michael wortlos. "Wenn ich dich nicht hätte.", meinte er leise. "Ich weiß, dann wär gar nix", entgegnete Michael grinsend und Thomas tat es ihm nach. "Ich werd dann mal zuhause nach dem rechten sehen. Biggi schläft?" "Ja." "Ich wünsch dir ne gute Nacht. Soll ich die Mädels grüßen?" "Ja, mach das bitte. Sag ihnen, dass ich sie lieb habe - auch wenn sie nicht soviel davon mitkriegen zur Zeit.", meinte Thomas. "Hey - sie verstehen das doch. Sie wissen es. Sind ja deine Töchter.", entgegnete Michael lächelnd. "Ich richte es ihnen aus." "Danke." Damit verabschiedeten sich die beiden und Michael machte sich schließlich auf den Weg nach hause.

Thomas ging wieder zurück zu Biggis Zimmer und öffnete bemüht leise die Tür. Eine Schwester war gerade dabei, die Werte zu notieren. Sie grüßte ihn freundlich und war dann auch schon wieder draußen. Biggi schlief tief und fest. Thomas lächelte bei ihrem Anblick, er setzte sich wieder auf seinen Sessel und sah sie an. Sanft streichelte er sie im Gesicht, ganz leicht, damit sie nur nicht aufwachte. Etwa nach einer Stunde öffnete sich wieder die Tür. "Guten Abend, Herr Wächter!", grüßte ihn eine frohe Stimme leise. Es war Dr. Perding. "Guten Abend!", grüßte er zurück. "Also mir würde wirklich was fehlen in dieser Klinik, wenn Sie nicht immer hier säßen.", meinte der Arzt lächelnd. Dann sah er sich Biggis Werte an. "Na das ist ja wunderbar! Die Werte sind für ihren Zustand wirklich hervorragend. Wenn das so weitergeht, steht einer sehr baldigen Verlegung auf die Normalstation und somit dem Beginn der Therapie nichts mehr im Wege. Ich freue mich für Sie, es sieht wirklich gut aus." Thomas wäre ihm vor Freude am liebsten um den Hals gesprungen. Er war so unendlich froh ... Überglücklich blickte er den Arzt an und meinte dann: "Danke." "Ach was, das hat sie alles selbst hingekriegt. Sie haben es beide hingekriegt.", meinte Dr. Perding und verließ zufrieden den Raum. Glücklich nahm Thomas wieder Biggis Hand und lächelte sie an. "Ich hab dir doch gesagt, alles wird wieder gut...", meinte er und drückte ihr einen ganz leichten, aber von Liebe unendlich erfüllten Kuss auf den Mund...

Er war unendlich glücklich und schlief kurze Zeit später erschöpft neben Biggi ein. Die ganze Nacht über wachten beide kein einziges Mal auf, obwohl mehrere Male Schwestern Biggis Krankenzimmer betraten um nach ihren Werten zu sehen oder um eine Infusion zu wechseln. Am nächsten Morgen schien die Sonne durchs Fenster und schien Biggi direkt ins Gesicht. Langsam wurde sie dadurch wach. Sie blinzelte und entdeckte dann Thomas, der mit seinem Kopf direkt neben ihrem lag und noch friedlich schlief. Biggi lächelte bei seinem Anblick. Sie konnte seinen warmen Atem an ihrem Hals spüren. Seine Nähe tat ihr unheimlich gut und zufrieden schloss sie wieder ein wenig die Augen.

Die Ruhe währe allerdings nicht lange, denn etwa zehn Minuten später kam Dr. Perding ins Zimmer. Biggi öffnete die Augen wieder und begrüßte ihn mit einem leisen „Guten Morgen“ „Guten Morgen Frau Schwerin.“, sagte Dr. Perding freundlich. Er sprach extra leise um Thomas nicht zu wecken. „Wie geht es Ihnen denn heute Morgen?“, erkundigte er sich bei Biggi. „Den Umständen entsprechend ganz gut, oder wie das in der medizinischen Fachsprache heißt.“, sagte Biggi lächelnd. Dr. Perding grinste. Er war froh, das von Biggi zuhören. „Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen, Frau Schwerin. Ich denke, wir können Sie nachher auf die normale Station verlegen. In einigen Tagen können Sie dann, wenn alles weiterhin so gut verläuft, mit der Physiotherapie beginnen.“ „Danke.“, sagte Biggi lächelnd. Sie hatte eine enorme Willenskraft entwickelt in den letzten Tagen und war überglücklich, dass sie nun bald mit der Physiotherapie beginnen können würde. „Ich werde dann später noch einmal mit zwei Schwestern zusammen wieder kommen.“, verabschiedete Dr. Perding sich. Biggi nickte und er drehte sich um und verließ den Raum. Er war kaum fünf Minuten weg, da wachte Thomas auf. „Guten Morgen, mein Schatz, hast du gut geschlafen?“, fragte Biggi ihn sofort. Thomas nickte und rieb sich noch ein wenig müde die Augen. Dann setzte er sich auf und gab Biggi einen zärtlichen Kuss. „Dr. Perding war eben hier.“, erzählte sie dann strahlend. „Und, was hat er gesagt?“, wollte Thomas sofort wissen, er konnte an Biggis Laune sofort erkennen, dass es etwas Positives gewesen sein musste. „Er hat gesagt, dass er sehr zufrieden mit mir ist und, dass ich nachher auf die normale Station verlegt werde.“, erzählte Biggi ihm glücklich. „Das ist ja wunderbar.“, Thomas freute sich genauso sehr wie Biggi. Er beugte sich langsam über sie und sie begannen sich zu küssen. Sie küssten sich immer wieder und ihre Küsse wurden immer leidenschaftlicher…bis schließlich die Tür aufging und Dr. Perding in Begleitung von zwei Schwestern hereinkam. „Oh…ähm…Entschuldigung.“, meinte Dr. Perding etwas verlegen, „Anscheinend erwische ich immer den falschen Moment.“, entschuldigte er sich noch einmal. „Ach, das macht nichts, die Chance, dass sie den falschen Moment erwischen, ist bei uns glaube ich ziemlich hoch.“, meinte Thomas und grinste Biggi an. „Wir werden Sie jetzt auf die normale Station verlegen, Frau Schwerin.“, verkündigte Dr. Perding fröhlich. Die Schwestern machten sich gleich an die Arbeit, Biggi von den ganzen Überwachungsgeräten zu befreien. „Wir verlegen sie jetzt auf Station 4, in die Innere Abteilung.“ Biggi nickte glücklich. Schon waren die beiden Schwestern dabei ihr Bett aus dem Zimmer zu schieben. Thomas ging neben Biggis Bett her und hielt ihre Hand. Sie blickte die ganze Zeit glücklich zu ihm auf. Die Schwestern schoben das Bett in den Fahrstuhl, da Biggis neues Zimmer eine Etage tiefer liegen würde. Dr. Perding folgte ihnen. Als sie das Zimmer erreicht hatten, schoben die beiden Schwestern Biggis Bett hinein, Thomas und Dr. Perding gingen hinterher. Es war ein schönes, helles Zweibettzimmer mit Blick auf den Krankenhauspark. Vor dem Fenster standen ein paar Bäume, die die Sonne ein wenig abhielten, doch zwischen den Zweigen kamen immer noch einige Sonnenstrahlen hindurch. Biggi bekam das Bett am Fenster, das andere Bett war leer. „Wir haben extra das schönste Zimmer für sie herausgesucht.“, meinte Dr. Perding. „Danke.“, sagte Biggi lächelnd. Thomas hatte sich wieder zu ihr an die Bettkante gesetzt. Dann musste er jedoch kurz den Raum verlassen, denn die Schwestern mussten Biggi noch an die Geräte anschließen. Allerdings waren es jetzt nur noch viel weniger. Sie wurde nur noch an ein EGK angeschlossen, das ihren Kreislauf überwachte, und bekam zwei Infusionen. Über die eine wurde sie ernährt und das andere war ein Schmerzmedikament. Die Kreislaufmedikamente brauchte sie bereits nicht mehr. Als die Schwestern fertig waren, durfte Thomas wieder reinkommen. Er nahm sich einen Stuhl, der in der Ecke des Zimmers stand, und stellte ihn an Biggis Bett. „Ich werde dann später noch einmal bei ihnen vorbeischauen.“, sagte Dr. Perding und verließ dann zusammen mit den Schwestern den Raum. „Hier fühlt man sich doch gleich viel besser.“, sagte Biggi erleichtert. Endlich musste sie nicht mehr diese grün gekachelten Wände ansehen. Und auch sonst war das Zimmer viel freundlicher als das Intensivzimmer. „Und draußen schaut man gleich in den Park.“, fügte Thomas lächelnd hinzu. Biggi nahm ihn mit der Hand am Ärmel und zog ihn zu sich. Ich liebe dich.“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „ich dich auch.“, gab Thomas ebenfalls flüsternd zurück. Dann fingen sie an sich zärtlich zu küssen.

Sie ließen lange nicht voneinander ab, waren unheimlich glücklich wie selten in den letzten Wochen, und verschmolzen voller Liebe ineinander. Nach einigen Minuten beugte sich Thomas ganz langsam wieder hoch und lächelte sie an. "Ich bin gleich wieder da. Nichts anstellen, ok?" "Was machst du denn?", fragte Biggi traurig. "Nichts besonderes...", flötete Thomas fröhlich durch den Raum und stand dann auf. Er drückte Biggi einen frechen Kuss auf die Wange und verschwand dann. Sein Weg führte ihn durch das ganze Krankenhaus, es war wirklich eine riesige Anlage. Bald hatte er jedoch gefunden, was er suchte. Biggi sah inzwischen aus dem Fenster - sie hatte wirklich eine wundervolle Aussicht, die wunderschönen großen Bäume schauten direkt zu ihr herein und sie beobachtete die Vögel, die fröhlich zwischen den Ästen herumflatterten. Die konnten fliegen, obwohl sie ja gar keine Beine hatten ... Biggi musste sich über ihre eigenen Gedanken wundern. Am liebsten würde sie jetzt zu den Vögeln da draußen gehören, sie waren so frei und unbeschwert - dachten ganz sicher nicht an morgen, schon gar nicht an übermorgen. Sie lebten einfach nur.

Biggi hingegen musste andauernd an die Zukunft denken. An ihr neues Leben. Ihr altes Leben lag jetzt hinter ihr, sie musste es zurücklassen, genau wie ... ja, genau wie ihre Beine. Es lag nun an ihr, ihr neues Leben ebenso wie ihr altes ins Herz zu schließen und anzunehmen. Es hatte keinen Sinn, über das warum und weshalb der Vergangenheit nachzudenken, sie lebte jetzt. Und das jetzt war unverweigerlich mit einem schwarzen Gefährt auf Rädern verbunden, mit Abhängigkeit von anderen und einer völlig neuen Planung. Aber sie musste ihr Leben trotzdem leben - und sie würde es auch tun. Sie würde für alles kämpfen, für das Erreichbare und ja, auch für das Unerreichbare. Wer kämpft, kann verlieren. Aber wer nicht kämpft, hat schon verloren. Das war Biggi bewusst. Und verlieren wollte sie nicht noch einmal. Davon hatte sie jetzt genug.

Sie erinnerte sich an ihren ersten Kampf. Ihren Überlebenskampf. Im Koma hatte sie unbewusst um ihr Leben gekämpft und was hatte sie gewonnen? Das schönste, womit ein Mensch eigentlich nur beschenkt werden konnte. Die Liebe. Unverwandt richteten sich ihre Gedanken an Thomas. Thomas ... sie liebte ihn über alles. Sie dachte an seine wunderschönen, tiefsinnigen und charmanten grünen Augen - deren Blick sie immer wieder in seinen Bann zog ... ach, ausgerechnet jetzt war er nicht da! Genau im selben Moment öffnete sich plötzlich schwungvoll die Tür. Thomas streckte seinen Kopf herein. "Überraschung! Ich hab da was für dich ...", verkündete er und im nächsten Moment erblickte Biggi plötzlich einen riesigen, wundervollen Rosenstrauß in der Tür. Aber nicht irgendwelche Rosen ... es waren rote und gelbe, und mittendrin zwischen den Blüten steckte ein kleines Herz, auf dem "Ich liebe dich" stand. "Oh Thomas...", stieß Biggi nur hervor. "Komm her!", bat sie ihn, worauf er nun endlich ins Zimmer trat und von Biggi glücklich in den Arm genommen wurde. Dann küssten sie sich leidenschaftlich. Dabei richtete sich Biggi zum ersten Mal von selbst ein wenig auf - erstaunt ließ Thomas kurz von ihr ab, doch dann lächelte er sie überglücklich an und küsste sie nur noch leidenschaftlicher. Liebevoll legte er dabei die Arme um ihren Rücken, und legte sie nach einer Weile behutsam zurück ins Kissen. Dann neigte er sich wieder ganz nah zu ihr und sagte in ihr Ohr: "Wenn meine Liebe zu dir ein Ozean wäre, dann würde selbst das größte Schiff und das beste Flugzeug keinen Weg finden, die nächste Insel zu erreichen..." Biggi musste lachen. Dann küsste sie ihn nochmals glücklich und meinte:  „Danke - du hast mir eine riesengroße Freude gemacht. Jetzt wird das Zimmer noch freundlicher, mit den schönsten Farben der Welt auf dem Nachttisch..." "Für dich doch nur die schönsten Farben. Wenn du die Blumen anschaust, dann denk an mich und unseren Engel - du wirst wieder in ihm fliegen. Bald. Das verspreche ich dir." "Ich liebe dich so sehr.", flüsterte Biggi und Tränen des Glücks stiegen ihr in die Augen. "Na und ich dich erst mal...", entgegnete Thomas leise, spürte, wie auch er feuchte Augen bekam und neigte sich dann wieder zu ihren Lippen, worauf sie wieder in einen unheimlich zärtlichen Kuss verfielen …

Sie küssten sich immer und immer wieder und beide waren total glücklich. Als Biggi die Diagnose von Dr. Perding erfahren hatte, hätte sie nicht im Traum daran geglaubt, dass sie noch einmal so glücklich werden würde.

Wenig später betraten zwei Schwestern das Zimmer und schoben das Bett, das neben Biggis Bett stand heraus. „Sie werden gleich eine neue Zimmernachbarin bekommen.“, informierte die eine Schwester Biggi lächelnd „Damit sie nicht so alleine sind.“ Dann verschwand sie wieder. „Als ob ich hier alleine wäre?“, meinte Biggi und lächelte Thomas verliebt an. Er beugte sich wieder über sie und gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Stimmt, ich werde dich nämlich nie alleine lassen.“, flüsterte er ihr ins Ohr. Biggi zog ihn daraufhin weiter zu sich herunter und küsste ihn noch einmal innig.

Bald ging die Tür auf und eine Frau, die etwa in Biggis Alter war, wurde in dem Bett herein geschoben. „Das ist ihre neue Zimmernachbarin, Angelika Schober.“, stellte Dr. Perding die andere Patientin Biggi vor. „Hallo, ich bin Biggi Schwerin.“, sagte Biggi lächelnd und sah zu der Frau hinüber. Sie fragte sich, warum sie wohl hier war. „Ich lass sie dann mal alleine.“, meinte Dr. Perding noch, bevor er aus dem Zimmer verschwand. „Warum…warum sind sie denn hier?“, fragte Biggi ihre neue Bettnachbarin schließlich. „Wegen einer Untersuchung. Ich bin querschnittsgelähmt und muss deshalb einmal im Jahr zu einer Untersuchung in die Klinik.“, erzählte Frau Schober ganz ruhig. „Oh, tut mir Leid.“, meinte Biggi. Sie wusste, wie sich Frau Schober fühlen musste. Sie selbst hatte schließlich unheimliche Angst vor einem Leben im Rollstuhl. „Schon ok, ich sitze seit über 10 Jahren im Rollstuhl und habe mich mit meinem Schicksal abgefunden. Man muss das Beste draus machen, ändern kann man es sowieso nicht“, sagte Frau Schober freundlich. Von Dr. Perding hatte sie bereits erfahren, dass Biggi einen schweren Unfall gehabt hatte und ebenfalls querschnittsgelähmt war. Daher sprach sie sie nicht auf den Grund ihres Krankenhausaufenthaltes an. „Ich glaube das kann ich nicht, mich damit abfinden.“, meinte Biggi dann. Sie hatte beschlossen zu kämpfen und wenn es das Letzte sein würde, was sie tat. Thomas fasst nach Biggis Hand und drückte sie leicht. Er wollte nicht, dass sie wieder an ihre Lähmung dachte, obwohl er wusste, dass sie unverweigerlich andauernd daran erinnert wurde. „Das dachte ich am Anfang auch, aber mit den Jahren ändert man seine Einstellung.“, meinte Frau Schober. Biggi bewunderte diese Frau irgendwie, wie sie das alles einfach so hinnahm und versuchte das Beste daraus zu machen. Wie sie ihr Schicksal gemeistert hatte…‚Das werde ich wohl nie schaffen.’, dachte Biggi sich. Doch eigentlich wollte sie es auch nicht schaffen, sie wollte etwas ganz anderes schaffen, wieder auf die Beine zu kommen, wieder laufen zu könne und ihr Wille war enorm stark.

Gegen Mittag brachte eine Schwester das Mittagessen für Frau Schober. Biggi sah zu dem Teller hinüber. Wie gerne würde sie jetzt auch wieder richtige Nahrung zu sich nehmen. Sie beschloss Dr. Perding später noch einmal um ein Glas Wasser zu bitten. „Ich will kurz Michael anrufen und fragen, was zuhause so los ist, ok?“, fragte Thomas sie dann. „Klar, geh nur, ich werde schon nichts anstellen.“, sagte Biggi und lächelte ihn an. Thomas beugte sich zu ihr und gab ihr noch einen zärtlichen Kuss. „Ich komme bald wieder.“, versprach er ihr noch, bevor er endgültig das Zimmer verließ. „Wie ist das eigentlich passiert mit ihrem Unfall?“, fragte Frau Schober Biggi dann vorsichtig. Biggi sah zu ihr herüber. Sie atmete tief durch und begann dann zu erzählen. „Ich bin…war Pilotin bei Medicopter. Wir wurden zu einem Einsatz auf der Autobahn gerufen. Des gab mehrere Verletze…“ Biggi bemerkte wie ihr wieder Tränen in die Augen stiegen, doch sie schaffte es sie zu unterdrücken. Irgendwann musste sie es schließlich schaffen über den Unfall reden zu können. „Wir hatten alle Verletzten in der Klinik und ich wollte den Notfallrucksack holen, der in einem der Unfallwagen lag. Dann kam plötzlich dieser LKW auf mich zugerast….er hat mich und das Auto unter sich begraben, meine Kollegen haben mich dann dort irgendwie herausgeholt und in die Klinik gebracht. Das war vor ziemlich genau einem Monat. Ich lag einige Tage im Koma und die Ärzte meinten, dass es an ein Wunder grenzt, dass ich den Unfall überhaupt überlebt habe…. und nun bin ich querschnittsgelähmt.“, Biggi sagte das ganz ruhig. Irgendwie tat es ihr gut, mit jemandem Fremdes darüber zu sprechen. Es half ihr die Geschehnisse zu verarbeiten. Mit Thomas darüber zu reden war etwas anderes, weil er es selbst hautnah miterlebt und die Ereignisse selbst noch nicht ganz verarbeitet hatte. „Es tut mir sehr Leid für sie, ich weiß, wie sie sich fühlen müssen.“, meinte Frau Schober. „Auch ich konnte nach meinem Unfall meinen Beruf nicht mehr ausüben.“ „Meine Kollegen sind zum Glück immer für mich da und kümmern sich um mich. Ohne sie hätte ich wahrscheinlich schon lange aufgegeben…“ „Und der junge Mann, der vorhin hier war, umsorgt sie ja auch rührend…“, stellte Frau Schober fest. „Ja, das ist Thomas, er ist auch Pilot bei Medicopter.“, erzählte Biggi ihr. „Ein Kollege also?“, „Ja…und wir sind zusammen.“ „Verstehe.“, meinte Frau Schober lächelnd. „Sie können übrigens Angelika zu mir sagen.“ „Ok, ich bin Biggi, und lassen sie das blöde Sie doch einfach weg.“, meinte Biggi dann. „Wie…wie ist das eigentlich mit deinem Unfall passiert?“, fragte Biggi nach einer Weile vorsichtig. „Es war vor 11 Jahren, damals war ich gerade 21. Mein Freund und ich waren mit meinen Eltern im Auto unterwegs zu einer Grillparty. In einer Kurve ist uns ein Auto entgegen gekommen, auf der falschen Seite…ich war die einzige die den Unfall überlebt hat – schwer verletzt.“ „Oh, das tut mir leid.“, meinte Biggi. ‚Hätte ich bloß nicht gefragt.’, dachte sie sich. „Das muss es nicht, ich bin darüber hinweg, es hat sehr lange gedauert, aber heute habe ich es verarbeitet.“ Biggi wurde sich auf einmal bewusst, wie glücklich sie sich eigentlich schätzen konnte. Ja, sie war querschnittsgelähmt, aber sie hatte Thomas. Und er war die Liebe ihres Lebens. Mit ihm würde sie alles durchstehen, alles. Und sie würde es schaffen wieder auf die Beine zu kommen, mit ihm zusammen…In diesem Moment sehnte sie sich unendlich nach ihm und als ob er es geahnt hätte, betrat er im selben Augenblick das Zimmer. „Sorry, es hat ein bisschen länger gedauert.“, entschuldigte er sich und gab Biggi einen langen, zärtlichen Kuss. Sie war froh, dass er wieder da war. Überglücklich legte sie ihre Arme um ihn und zog ihn noch näher zu sich, so dass er fast auf ihr lag. Dann fingen sie wieder an sich zu küssen. Angelika schmunzelte beim Anblick des Liebespaares. ‚Biggi konnte sich wirklich glücklich schätzen, jemanden wie Thomas zu haben.’, dachte sie sich…

Biggi und Thomas genossen den Kuss unheimlich. Sie hatten es auch schon den knappen letzten Monat genossen, endlich nach all den Jahren ihre Liebe ausleben zu können, aber jetzt, da sich Biggi zweifelsfrei auf dem Wege der Besserung befand, war es noch viel schöner. "Du bist genau im richtigen Moment gekommen. Ich hab dich nämlich grade schrecklich vermisst.", meinte Biggi leise und sah ihm glücklich in die Augen. Thomas sah sie kurz liebevoll an, dann beugte er sich wieder über sie und küsste sie nochmals leidenschaftlich. Er streichelte ihr um das Haar und umfasste mit der anderen Hand zärtlich ihren Rücken. Abermals lag er beinahe auf ihr, und immer wieder schaffte es Biggi von alleine, sich ein wenig aufzurichten. Es fiel ihr nun immer leichter, und die Schmerzen im Brustkorb hatten von Tag zu Tag mehr nachgelassen. Sie erwiderte seinen Kuss voller Liebe.

Angelika sah ihnen lächelnd aus dem Augenwinkel zu, sie freute sich für Biggi, dass sie so glücklich war. Bestimmt hatte sie eine unheimlich schwere Zeit durchgemacht, die auch noch lange nicht überstanden war. Aber wie wichtig war doch ein Mensch, mit dem man sein Leid teilen und die Freude verdoppeln konnte. Und der die große Liebe obendrein war. Das war er wohl, dieser Thomas. Die Liebe, die die beiden zueinander verspürten, während sie sich küssen, sich ansahen, sich berührten, strömte derart nach außen, dass man einfach nur mit ihnen glücklich sein konnte.

So erging es Dr. Perding, als er nun zum wohl schon x-ten Mal im unangebrachten Augenblick das Zimmer betrat. Diesmal ließ er sich unbemerkt und wartete so lange an der Tür, bis die beiden Liebenden endlich voneinander abließen. Das war keine Aufgabe für Ungeduldige, der Arzt musste sich lange die Beine dafür in den Bauch stehen ...

Schließlich aber ließ er ein Räuspern ertönen und schritt auf Biggis Bett zu. "Oh, guten Tag, Dr. Perding! Ich hab Sie gar nicht reinkommen gehört - du etwa, Biggi?", meinte Thomas überrascht. Biggi schüttelte nur lächelnd den Kopf. "Liegt ja vielleicht daran, dass wir anderweitig beschäftigt waren, Schatz.", erwiderte sie. Dr. Perding schenkte den beiden nur einen viel sagenden, grinsenden Blick und wandte sich dann dem EKG zu.

"Hervorragend, Frau Schwerin.", beurteilte er nach einer Weile Biggis Werte, worauf Thomas und Biggi ihn erfreut ansahen. "Ich bin äußerst zufrieden. Die EKG-Werte sind sehr gut, Ihr Herz erholt sich zusehends von den Strapazen." Die beiden freuten sich unheimlich darüber, seit einigen Tagen hatte Dr. Perding nur mehr gute Nachrichten. Nachdem Thomas ihr einen glücklichen Kuss auf den Mund gegeben hatte, fragte sie: "Darf ich vielleicht auch wieder etwas Wasser trinken? Ich hab schon wieder richtig Durst..." "Na aber selbstverständlich! Und nicht nur das erlaube ich Ihnen...", entgegnete Dr. Perding. Thomas und Biggi sahen ihn fragend an. "Ich möchte mit Ihnen bekanntlich so bald wie möglich die Physiotherapie beginnen. Aber bevor das möglich ist, müssen Sie erst mal zu Kräften kommen, ihre Muskeln brauchen Nahrung, sie sind noch völlig schwach. Deshalb würde ich Ihnen heute auch gerne erstmals wieder eine zumindest halbwegs richtige Mahlzeit servieren. Ich denke, es ist das Risiko auf jeden Fall wert und die inneren Verletzungen halte ich für stabil - genug, um es mit einem milden Brei aufzunehmen. Selbstverständlich ist ein Schweinsbraten noch nicht erlaubt, wir werden es ganz langsam angehen.", erklärte er lächelnd.

Biggi freute sich sehr, damit hatte sie nicht gerechnet. Zwar war es für sie irgendwie schon fast unvorstellbar, richtige Nahrung zu sich zu nehmen, aber sie spürte selbst, dass sie wohl anders nicht zu Kräften kommen würde. Auch Thomas war total erfreut - er hatte sich bereits Sorgen um Biggi gemacht, da sie schon eine Menge abgenommen hatte während der letzten Zeit. Dr. Perding verließ wieder das Zimmer und kündigte an, gleich wieder zu kommen. "Mann, bin ich stolz auf dich. Siehst du, wie es immer weiter aufwärts geht?", meinte Thomas zu Biggi und streichelte ihr dabei liebevoll über das Gesicht. Sie nickte glücklich und fasste nach seiner Hand. Er neigte sich ganz nah runter zu ihr, bis sie wieder mit den Armen um seinen Rücken fasste und ihn zu sich zog. Sie umarmten sich fest und innig. Es war ein so wunderschönes Gefühl, sich festhalten und die Nähe des anderen spüren zu können. Während sich Thomas nach einer ganzen Weile wieder langsam aufrichtete, küsste er liebevoll ihren Hals, bis sich schließlich wieder ihre Lippen vereinten.

Etwa zwanzig Minuten später betrat Dr. Perding wieder das Zimmer. Er brachte eine Schwester mit, die ein Tablett mit einer kleinen Schüssel und einem Glas Wasser in der Hand hielt. Er selbst hatte ein Blutdruckmessgerät dabei, womit er gleich auf Biggi zuging und begann, ihren Blutdruck zu messen. Die Schwester stellte das Tablett auf den Nachttisch und verließ dann wieder das Zimmer. Nach einer Weile meinte Dr. Perding zufrieden zu Biggi: "Wie ich es mir erwartet habe, fast im Normalbereich - wunderbar. So, und jetzt werden wir mal schauen, dass sie wieder was zwischen die Zähne bekommen!" Biggi war ein wenig aufgeregt. Schließlich war ihre letzte Mahlzeit schon so lange her. Dr. Perding trat neben Thomas an die andere Seite des Bettes und nahm erst das Glas Wasser vom Tisch. Diesmal reichte er es sogleich Biggi vorsichtig in die Hände, sie hielt es fest und trank langsam ein paar Schlucke. Es schmeckte hervorragend. "Das war gut. Danke.", meinte sie und gab ihm das Glas zurück. "Schön. Wollen Sie das andere nun auch ausprobieren?" "Ja, gerne.", meinte Biggi lächelnd.

Dr. Perding stellte die Rückenlehne des Bettes wieder etwas höher, sodass Biggi bereits fast ein wenig im Bett sitzen konnte. "Wenn Sie den Brei vertragen, erstmal ganz wenig davon, können wir die nächsten Tage so weitermachen. Jeden Tag ein paar Löffel mehr. Die ernährende Infusion werden wir aber auf jeden Fall noch dranlassen. Wollen Sie selbst?" Biggi nickte, und so reichte ihr der Arzt die kleine Schüssel mit dem fast flüssigen Brei mit einem Löffel in die Hand. Biggi sah Thomas an, der ihr liebevoll "Guten Appetit" wünschte, und nahm dann mit zitternder Hand einen kleinen Löffel Brei aus der Schüssel. Vorsichtig nahm sie ihn zu sich, und ließ ihn erstmal auf der Zunge zergehen. Wie lange war das her. Zaghaft schluckte sie schließlich mühevoll, und Thomas sah sie erwartungsvoll an. "Na, schmeckt's?", fragte er sie. "Ja.", antwortete sie leicht lächelnd. Sie bekam ein seltsames Gefühl im Magen, aber das war wohl normal. Kurz fasste sie sich mit der Hand auf den Bauch. Erschrocken fragte Thomas: "Tut dir was weh?" "Es geht schon. Aber ich esse lieber nachher weiter.", meinte sie. "Machen Sie sich keine Gedanken, der Körper reagiert natürlich ungewohnt - manchmal mehr, manchmal weniger. Sie können gerne später weiter essen, wenn es Ihnen wieder ein wenig besser geht. Sollte es wirklich nötig sein, gebe ich Ihnen noch etwas gegen die Schmerzen, aber ich denke nicht, dass es so kommt. Auf jeden Fall haben Sie wieder eine große Stufe überschritten auf der Treppe zur Genesung, ich gratuliere.", meinte Dr. Perding zufrieden und stellte die Schüssel wieder auf den Nachttisch. "Ich komme bald wieder vorbei, bis später inzwischen.", verabschiedete er sich dann, und verließ wieder das Zimmer.

"Geht's wieder besser?", fragte Thomas besorgt und legte liebevoll seine Hand auf Biggis Bauch. Sie musste lächeln und zog ihn wieder zu sich runter. Daraufhin küssten sie sich zärtlich. Als sich ihre Lippen einmal ganz kurz wieder voneinander lösten, schmiegte Thomas sein Gesicht an ihres und flüsterte ganz leise "Ich liebe dich. Du bist mein Leben, Biggi."

„Ich weiß, Thomas, ich liebe dich unendlich.“ Wieder küssten sie sich unheimlich lange. Als Thomas dann wieder langsam von Biggi abließ, fiel ihr Blick auf das noch halb volle Glas Wasser auf ihrem Nachttisch. „Kannst du mir noch einmal das Wasser reichen?“, fragte Biggi. „Natürlich.“, antwortete Thomas lächelnd. Er nahm das Glas und reichte es vorsichtig Biggi in die Hand. Biggi nahm zunächst nur einen kleinen Schluck, doch dann nahm sie noch einen und schließlich war das Glas fast ganz leer. „Das war gut.“, bedankte sie sich bei Thomas und er stellte das Glas wieder zurück auf den Nachttisch. Biggi wusste, dass sie viel trinken musste und versuchen musste etwas zu Essen, um wieder zu Kräften zukommen. Und das wollte sie so schnell wie möglich, schließlich konnte sie nur so die Physiotherapie beginnen. Sie hatte einen unglaublich starken Willen entwickelt. Biggi drehte sich ein wenig zum Nachttisch hin und fasste nach der Schale mit dem Brei. Vorsichtig nahm sie wieder einem Löffel und schluckte ihn ganz langsam runter. „Und, geht’s?“, fragte Thomas sie besorgt. Biggi nickte glücklich. Sie nahm noch drei weitere Löffel und stellte die Schüssel dann wieder auf dem Nachttisch ab. „Es geht schon besser.“, sagte sie dann. Thomas nickte glücklich. „Ich bin so stolz auf dich.“, sagte er ihr dann, „Du wirst sehen, bald kannst du mit der Physiotherapie beginnen.“ Biggi nickte glücklich. Sie setzten beide ziemlich viel Hoffnung in die Physiotherapie, obwohl es natürlich nicht sicher war, ob sich Biggis Zustand dadurch überhaupt besser würde. Doch die Hoffnung gab ihnen Kraft, die Kraft daran zu glauben, dass alles wieder gut werden würde.

„Wie hast du es damals eigentlich geschafft, ich meine, wieder zu Kräften zukommen?“, wollte Biggi dann von Angelika wissen. Sie bewunderte diese Frau irgendwie, wie sie mit ihrem Schicksal umging. Sie war nicht den ganzen Tag verzweifelt, sondern machte das Beste aus ihrer Situation, aus ihrem Leben. „Das hat sehr lange gedauert. Im Gegensatz zu dir hatte ich damals niemanden, der mir Hoffnung machte und mir Kraft geben konnte. Niemanden, der den ganzen Tag für mich da war und der mir Trost spenden konnte. Zudem kam zu meinen schweren Verletzungen auch noch hinzu, dass ich den Tod meiner Elter und meines Freundes verkraften musste. Auf der Beerdigung von ihnen, bin ich zusammengebrochen, ich hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten. Das war sehr hart damals. Ich…ich habe damals zwei Mal versucht mich umzubringen.“, erzählte Angelika zögerlich. Natürlich konnte sie nicht ahnen, dass auch Biggi versucht hatte sich nachdem sie die Diagnose erfahren hatte, sich umzubringen. Biggi merkte, dass es Angelika schwer fiel darüber zu reden. Zugleich dachte sie daran, dass sie es ja auch versucht hatte, sich um zu bringen. Ja, sie hatte es wirklich versucht, sich die Kanüle mit den lebenswichtigen Medikamenten aus dem Arm zu ziehen und es ja auch geschafft. Heute verstand sie das nicht mehr. Natürlich sie war total verzweifelt gewesen, aber das Leben einfach wegwerfen? Dazu war es doch viel zu schade, ihr Leben mit Thomas. Biggi stellte sich vor, dass sie die letzten Wochen mit Thomas nicht mehr hätte erleben können und sie war unendlich froh, dass die Ärzte sie noch rechtzeitig gefunden hatten. „Du musst es nicht erzählen, wenn du nicht willst.“, meinte Biggi dann zu Angelika. „Ist schon ok.“, antwortete diese, „Es ist schon so lange her, aber immer wenn ich wieder dran denke…“, „Das kann ich gut verstehen.“, sagte Biggi. Es musste schrecklich für Angelika gewesen sein zu erfahren, dass ihre Familie tot und sie gelähmt war. Biggi stellte sich vor, wie sie reagiert hätte, wenn man ihr so eine Nachricht überbracht hätte. Wenn man ihr gesagt hätte, dass nicht nur sie gelähmt, sondern Thomas tot gewesen wäre. Wahrscheinlichwürde sie dann nicht mehr in diesem Bett liegen…Sicherlich hätte sie genauso reagiert, wie Angelika es damals getan hatte. Ihr wurde immer wieder bewusst, wie glücklich sie sich schätzen konnte, dass sie Thomas hatte. Sie sah ihn an, sah in seine wunderschönen, grünen Augen und lächelte ihn an. Dann zog sie ihn sanft an seinem Ärmel zu sich und gab ihm einen unendlich zärtlichen Kuss.

Er legte seine Arme um sie und sie küssten sich lange und leidenschaftlich. Beide waren so unendlich glücklich, einander zu haben. Die Umstände, die Biggi daran hinderten, wieder ein normales Leben führen zu können, spielten keine Rolle mehr in ihrem Liebesglück. Hatte sie doch eingesehen, dass das Leben von viel mehr Faktoren geprägt wurde und sie trotzdem irgendwie glücklich sein konnte. Durch Thomas. Als sie nach einer Weile wieder voneinander abließen, lächelten sie sich verliebt an. "Du bist so wunderschön, wenn du lächelst", sagte Thomas leise und streichelte sie an der Wange. Dadurch musste Biggi nur noch mehr lächeln und zog ihn wieder zu sich runter. Abermals zerschmolzen sie in einem Kuss, und Biggi legte glücklich ihre Arme um Thomas' Hals. Sie wollte ihn nicht mehr loslassen.

Plötzlich öffnete sich die Tür, gerade als Thomas und Biggi wieder ein wenig voneinander abgelassen hatten. "Oh, das war knapp. Aber mein Timing wird doch immer besser, oder?", meinte Dr. Perding und machte ein fröhliches Gesicht. "Absolut", meinte Biggi grinsend. "Na dann werden wir mal wieder nach Ihren Werten schauen - wären sie ihrem Gesichtsaudruck nach zu beurteilen, müssten sie ja hervorragend sein. Haben Sie noch etwas gegessen?" "Ja, ein wenig. Es ging schon viel besser.", meinte Biggi stolz. "Wunderbar. Machen Sie nur so weiter - wenn Sie Hunger haben, greifen Sie zu. Beim nächsten Mal wird's dann schon etwas mehr. Und je mehr sie zu Kräften kommen, desto schneller können wir mit der Therapie beginnen. So wie's aussieht, wird das schon sehr bald sein." Thomas sah Biggi glücklich an und hielt ihre Hand. "Die Werte werden wirklich immer besser. Sie sind sozusagen mitten im Steigflug Ihrer Genesung!" Biggi musste lächeln. Im Steigflug. Lange her, dass sie das letzte Mal im Steigflug war. Sie musste an ihren Engel denken, an ihren rot-gelben Engel, der der Inhalt ihres Lebens gewesen war. Ihres früheren Lebens. War er es nicht immer noch? Sie dachte an das Geräusch der rotierenden Propeller beim Fliegen, das unendliche Gefühl der Freiheit hoch oben in der Luft...

Als sie an all die Momente des Glücks im Cockpit ihres Engels dachte, schaffte sie es nicht, die Tränen zurückzuhalten, die ihr in die Augen stiegen. Sie neigte den Kopf nach unten, wollte ihre Tränen vor den anderen verbergen. Dr. Perding bemerkte, dass er sich wohl besser anders hätte ausdrücken sollen und meinte: "Oh, das ... das tut mir leid. Ich habe es sehr unglücklich ausgedrückt. Ich komme dann später wieder." So verließ er leise und bedrückt das Zimmer. Biggi drehte den Kopf vor Thomas weg und sah aus dem Fenster. Sie wollte sich nicht schwach zeigen. Jetzt, wo sie so viel Willensstärke gebildet hatte. Aber der Gedanke an ihr früheres Leben, das wunderschöne Leben mit ihrem Engel, schaffte es, sie hin und wieder doch aus der Fassung zu bringen. Sie vermisste es, dieses Leben. Und sie würde es nie wieder führen können.

Musste erst so etwas passieren, um die Liebe zwischen Thomas und ihr erwecken und aufleben zu lassen? Wären sie auch ohne diesen Unfall zueinander gekommen? Wie schön es doch gewesen wäre, weiter ihr Leben führen zu können, mit Thomas. Es hatte wohl nicht sollen sein.

Eine Träne nach der anderen rann langsam von ihrem Gesicht. Thomas berührte sanft ihre Schulter und meinte: "Hey. Du musst nicht immer stark sein, Biggi. Keiner verlangt von dir, dass du dieses Schicksal einfach so hinnehmen kannst. Verstehst du? Das geht doch gar nicht." Er spürte, wie auch ihm Tränen hochstiegen, und sagte leise mit erstickter Stimme: "Aber wir werden das beide durchstehen. Was auch auf dich zukommt, du bist nicht allein. Du wirst wieder in unserem Engel fliegen. Glaub mir, Biggi." Er streichelte liebevoll über ihren Kopf und meinte: "Komm her. Denkst du, ich bin immer stark?" Daraufhin drehte sich Biggi langsam um, sah ihm verzweifelt in die Augen und ließ sich von ihm in den Arm nehmen.

Angelika blickte mitfühlend zu den beiden hinüber und sagte nichts. Thomas drückte Biggi an sich, so fest er nur konnte. Er streichelte sie, hielt sie fest - ohne Worte. Es brauchte keine Worte. Biggi spürte nur zu gut, dass Thomas immer für sie da sein würde. Das gab ihr Kraft, und hätte sie diese Kraft nicht, die von Thomas ausging, hätte sie auch keine Hoffnung. Dann gäbe es keinen Willen mehr, keine Motivation - keinen Sinn mehr in ihrem Leben. "Ich liebe dich", flüsterte Thomas leise. Dann nahm er Biggi sanft an den Schultern, blickte ihr tief in die Augen und gab ihr dann einen zärtlichen, innigen Kuss. Sie schloss die Augen dabei und als sie ihn wieder ansah, meinte sie leise: "Ich liebe dich auch."

„Ich weiß, Biggi, ich weiß und es macht mich unendlich glücklich.“, sagte Thomas und sah ihr verliebt in die Augen. Biggi beugte sich leicht vor und gab ihm einen unheimlich zärtlichen Kuss. Thomas legte seine Arme um ihren Rücken und drückte sie fest an sich. Sie hielten sich eine ganze Weile lang so im Arm, dann legte Thomas Biggi vorsichtig wieder zurück ins Kissen. „Willst du dich jetzt nicht ein bisschen ausruhen?“, fragte er fürsorglich. Biggi nickte. Sie war schon ziemlich erschöpft, da es bereits abends war. „Ich werde die ganze Nacht bei dir bleiben.“, sagte Thomas lieb und deckte Biggi liebevoll zu. Sie nickte glücklich und flüsterte ihm dann ein „Danke“ zu. Thomas beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf den Mund. „Schlaf gut.“, sagte er dann. Biggi lächelte und meinte dann: „Wenn du bei mir bist, schlafe ich immer gut.“, dann schloss sie mit einem Lächeln im Gesicht die Augen. Thomas nahm ihre Hand und strich ihr noch einmal sanft über das Haar, bis Biggi schließlich ruhig und friedlich eingeschlafen war. Dann lehnte er sich ein wenig zurück und betrachtet sie, wie schlief. Er fand, dass sie wunderschön aussah und konnte seinen Blick kaum von ihr abwenden. Wie froh war er doch, dass es Biggi wieder besser ging und Dr. Perdings Prognosen nach würde sie schon in den nächsten Tagen mit der Physiotherapie beginnen können. Thomas wusste, dass Biggi dort große Hoffnungen hineinsetzte. Er tat es ja selbst. Er würde ihr so gut helfen, wie er könnte, helfen wieder auf die Beine zu kommen, helfen, sich wieder so zu bewegen zu können, wie vor dem Unfall. Thomas wusste nicht, ob Biggi das jemals wieder können würde, aber schon der kleinste Fortsetschritt, war ein riesiges Glück. Und eins würde er nie tun, die Hoffnung verlieren. Er würde immer für Biggi da sein und ihr Hoffnung geben und Kraft. In Gedanken versunken blickte Thomas aus dem Fenster. Plötzlich wurde er von Angelika zurück in die Realität geholt. „Sie machen sich Sorgen um ihre Freundin, hm?“, fragte sie ihn. Thomas nickte ein wenig. Natürlich machte er sich Sorgen um Biggi. Seitdem dieser schreckliche Unfall geschehen war, tat er das täglich. In den letzten Tagen musste er sich allerdings zum Glück nicht mehr ganz so viele Sorgen machen, da es mit Biggi ja sichtlich bergauf ging. Aber wenn er wieder an den Moment zurück dachte, als sie sich die Kanüle aus dem Arm ziehen wollte, oder als er sie gefunden hatte, nachdem sie versucht hatte sein Foto aufzuheben…“, Er mochte gar nicht mehr daran denken. „Ich bin unendlich froh, dass es Biggi wieder besser geht. Die Zeit, in der sie auf der Intensivstation lag, war wirklich schlimm…“, sagte Thomas. Er dachte an alle die bangen Momente zurück. Doch auch daran, dass er und Biggi dort auch viele schöne Momente erlebthatten…„Das kann ich gut verstehen.“, sagte Angelika dann. Sie hatte schließlich den gleichen Leidensweg wie Biggi durchgemacht, zumindest fast. Denn sie hatte niemanden gehabt, der Tag und Nacht an ihrem Bett wachte, ihr Mut zusprach, für sie da war und sich um sie kümmerte, so wie Thomas es bei Biggi tat. „Aber ich bin mir sicher, ihre Freundin schafft das. Und mit ihnen als Hilfe…“, fügte Angelika noch hinzu, obwohl sie sich natürlich nicht sicher war, aber sie wünschte es Biggi von ganzem Herzen. Thomas nickte. „Ja, sie hat einen ziemlich starken Willen aufgebaut in den letzten Tagen, aber die ersten Tage nachdem sie die Diagnose erfahren hatte, da war es wirklich schrecklich. Sie war so verzweifelt und ich musste es mit ansehen, ohne ihr wirklich Helfen zu können…Biggi, sie…sie hat versucht sich umzubringen.“, erzählte Thomas schließlich. Er dachte mit Schrecken an diesen Tag zurück. Aber nun würde Biggi so etwas nicht wieder tun. Sie würde nicht wieder auf solche Gedanken kommen, das würde er nicht zulassen – niemals. „Es war sicherlich sehr schwer für sie, zu mal sie ihren Job nun nicht mehr ausüben können wird. Aber ich bin mir sicher, dass sie ihr sehr geholfen haben. Nichts ist in so einer Situation wichtiger, als zu wissen, dass man nicht allein ist.“, sagte Angelika leise. Thomas nickte, er würde Biggi niemals alleine lassen. Doch durch Angelikas Worte dachte er auch wieder daran, dass Biggi vielleicht, nein, sogar wahrscheinlich, nie wieder in ihrem Engel sitzen und fliegen würde, zumindest nicht als Pilotin. Er wusste selbst nur zu gut, was die Fliegerei Biggi bedeutet hatte. Und nun? Nun würde sie wahrscheinlich nie wieder eine große Rolle in Biggis Leben spielen. Er sah zu ihr. Immer noch lag sie friedlich dort und schlief. Sanft berührte er mit seiner Hand ihre Wange und streichelte sie. „Ich liebe dich.“, flüsterte er ihr dann leise zu und drückte ihre Hand leicht.

Er lächelte sie an, sie schlief tief und fest. Man konnte beinahe zusehen, wie sie zu neuen Kräften und Energie kam. Plötzlich öffnete sich die Tür - wieder einmal betrat Dr. Perding das Zimmer. "Na? Wie geht es meinen werten Patientinnen?", fragte er freundlich. "Pssst! Eine schläft gerade...", machte Angelika ihn leise aufmerksam und deutete lächelnd zu Biggi's Bett hinüber. "Oh, verstehe, entschuldigen Sie.", flüsterte Dr. Perding. Mit einem Nicken begrüßte er Thomas, sah zufrieden auf die immer noch schlafende Biggi, und sah sich dann die Überwachungsgeräte an. "Sieht alles nach wie vor sehr gut aus, schön. Die Infusionen werden wir bald wieder wechseln müssen ... hmm - oder sollen wir diese hier mal versuchen, wegzugeben?" Thomas sah ihn erwartungsvoll an. Dr. Perding deutete auf den Infusionsbeutel, der Biggi das Schmerzmittel zuführte, das sie zumindest bis zu diesem Zeitpunkt immer noch benötigt hatte. "Wir werden es versuchen, für ein paar Stunden. Solange sie schläft, ist das ein guter Zeitpunkt. Bitte alarmieren sie mich sofort, wenn sie Schmerzen hat. Und falls es besser geht, hab ich für morgen Vormittag was vor...", sagte er geheimnisvoll.

Thomas war nicht so wohl bei dem Gedanken, dass Biggi wieder Schmerzen haben könnte. Er wollte doch, dass es ihr gut ging und sie lachen konnte! Aber wenn Dr. Perding der Meinung war, einen Versuch zu starten, sah er es ein. Er war wirklich ein hervorragender Arzt, und wäre er nicht gewesen, würde Thomas möglicherweise in diesem Moment nicht so glücklich an Biggi's Bett sitzen können. Dr. Perding nahm also die Infusion ab und verließ dann wieder das Zimmer. Biggi schlief immer noch, hatte von alldem nichts bemerkt. Angelika meinte leise zu ihm: "Es wird schon gut gehen. Irgendwann muss der Körper lernen, ohne Schmerzmittel auszukommen. Bei mir war es damals genau dasselbe. Machen Sie sich keine Sorgen." Sie hatte Thomas' bedrückten und auch besorgten Gesichtsausdruck bemerkt -  wenn es um Biggi ging, war der sonst so nervenstarke Pilot wie ausgewechselt, weich und extrem leicht zu erschüttern. "Meinen Sie?", fragte er ein wenig ungläubig. "Aber ja. Mit Ihnen steht sie alles durch - ich bin feinfühlig genug um auch nach den wenigen Tagen mit ihr zu bemerken, wie unheimlich endlos sie Sie liebt. Das ist wunderschön, glauben Sie mir, solange Sie bei ihr sind, ist sie der glücklichste Mensch der Welt - da wird sogar die Lähmung und alles andere unbedeutend." Thomas blickte seine Biggi an. "Ich liebe sie ja auch so sehr...unendlich. Wenn ich sie verlieren würde, dann ... dann hätte mein Leben nicht den geringsten Sinn mehr.", sagte er leise. Angelika nickte. "Ich weiß", sagte sie.

Die nächsten Stunden blieb alles unverändert. Biggi schlief immer noch tief, auch Angelika tat dies inzwischen. Und auch Thomas war spät nachts an Biggi's Bett neben ihr eingeschlafen. Er hatte den Arm um sie gelegt und spürte ihre Nähe. Das bescherte ihm einen wunderbaren, erholsamen Schlaf.

Doch mitten in der Nacht plötzlich schreckte er hoch. Er sah zu Biggi, die sich auf einmal unruhig bewegte und im Schlaf wimmerte. Er erschrak. Vorsichtig berührte er sie an der Schulter, und versuchte schließlich, sie zu wecken. "Biggi, hey Biggi, wach auf ..." Kurz darauf öffnete sie die Augen. Sie war ziemlich außer Atem. „Thomas", sagte sie. "Ich hab geträumt..." "Das muss ja ein schlimmer Traum gewesen sein. Komm her, jetzt ist es ja vorbei.", tröstete er sie und nahm sie liebevoll in die Arme. An seiner Schulter weinte sie ein wenig. "Es war so schrecklich...", sagte sie leise, worauf Thomas sie beruhigend streichelte. "Erzähl mir, was hast du denn geträumt? Vielleicht hilft es ja, wenn du's mir sagst, hm?", fragte er sie und legte sie behutsam ins Kissen zurück. Dann deckte er sie zu, legte wieder seinen Arm um sie und küsste sie auf die Wange. "Danke, dass du da bist.", sagte sie und lächelte ihn leicht an.

Dann aber machte sie wieder ein trauriges Gesicht und meinte leise: "Ich glaub...ich glaub, ich hab von dem Unfall geträumt. Ich bin eine Straße entlanggegangen, mit dem Rucksack in der Hand, und auf einmal kamen hunderte LKW's von allen Seiten auf mich zu, ich konnte nicht weglaufen. Dann haben auf einmal meine Beine nachgegeben, ich saß plötzlich in einem ... in einem Rollstuhl. Ich hab versucht, die Räder zu bewegen, aber sie waren blockiert. Dann war's zu spät, von irgendwoher fielen plötzlich Früchte vom Himmel, und die LKW's ...", sie schluchzte und vergoss ein paar Tränen. "Oh nein.", sagte Thomas leise. Er nahm sie wieder in den Arm und drückte sie fest an sich. Er wusste nicht, was er sagen sollte - er konnte sie wohl schlecht damit trösten, dass ja alles nur ein Traum gewesen war. Dieser schreckliche Alptraum, einer der Gattung, die andere Menschen nur zu allen heiligen Zeit in der Nacht mal befiel und wieder wegging, war bei Biggi schließlich Wirklichkeit geworden. Also hielt er sie einfach nur fest und streichelte sie so lange, bis sie nach einer Weile wieder langsam erschöpft in den Schlaf fiel.

Er allerdings konnte nicht mehr einschlafen. Die restlichen Stunden der Nacht verblieb er nachdenklich an ihrem Bett, hielt ihre Hand und versuchte fest an die Hoffnung zu glauben, dass alles wieder gut werden würde...

Er blickte hinaus aus dem Fenster, hinein in die Morgendämmerung. Bald würde die Sonne aufgehen und die ersten Strahlen würden in das Biggis Zimmer, auf Biggis Bett fallen. Biggi schlief tief und fest – und ruhig, sehr zu Thomas’ Erleichterung. Als sie schließlich langsam die Augen öffnete, war es bereits halb acht. „Guten Morgen, Schatz, wie geht’s dir?“, fragte Thomas sie sofort. Biggi lächelte ihn an. „Danke, wenn du in meiner Nähe bist, geht’s mir doch immer gut.“ Thomas beugte sich zu ihr und küsste sie zärtlich.

Als eine Schwester Angelika das Frühstück brachte, stellte sie auf Anordnung von Dr. Perding wieder eine Schale Brei auf Biggis Nachttisch. Biggi bedankte sich und bat Thomas dann, ihr die Schüssel zu reichen. Sie nahm vorsichtig einen kleinen Löffel und schluckte ihn herunter. „Und, wie ist es?“, fragte Thomas sie lieb. „Gut.“, antwortete Biggi lächelnd und nahm gleich noch drei weitere Löffel. Sie wusste schließlich, dass sie wieder zu Kräften kommen musste und außerdem war sie froh endlich wieder halbwegs feste Nahrung zu sich nehmen zu können.

Etwa zwei Stunden später betrat Dr. Perding das Zimmer. Vor sich her schob er einen Rollstuhl. Biggi dachte, dass er wahrscheinlich Angelika zu einer Untersuchung abholen würde. Doch sie hatte sich geirrt. Dr. Perding schob den Rollsuhl direkt auf ihr Bett zu. Biggi verstand nicht ganz, was er vorhatte, bis er es ihr und Thomas erklärte. „Da ihre Werte alle erstaunlich gut sind, habe ich mir gedacht, dass wir heute vielleicht schon mit der Physiotherapie beginnen können. Wir werden alles sehr langsam angehen und wollen nichts überstürzen, aber ich denke, wir können es wagen, sie heute zum ersten Mal in einen Rollstuhl zu setzen.“ Biggi und Thomas sahen ihn ziemlich überrascht an, doch sie freuten sich beide sehr. Als Biggis Blick dann jedoch wieder auf den Rollstuhl fiel, wurde ihre Freude wieder etwas getrübt. Sie erinnerte sich wieder an den Traum von letzter Nacht, diesen schrecklichen Alptraum. Sie hasste den Rollstuhl, dieses schreckliche schwarze Ding mit vier Rädern. Einen Moment lang wollte sie lieber im Bett liegen bleiben, als sich in den Rollstuhl setzen zu lassen. Doch sie wusste, dass der Weg zu ihrer Genesung über den Rollstuhl führte. Wenn sie wieder gesund werden wollte, hatte sie keine andere Wahl. Und das wollte sie. Ihr Wille war enorm stark. Sie wollte das Krankenhaus so schnell wie möglich verlassen, am liebsten auf zwei Beinen gehend, ohne einen Rollstuhl.

„Können sie versuchen sich ganz vorsichtig aufzusetzen?“, fragte Dr. Perding Biggi. Sie nickte und setzte sich ganz langsam auf. „Sehr schön.“, sagte Dr. Perding zufrieden. Er rief noch eine Schwester hinzu. Mit ihr zusammen setzte er Biggi dann vorsichtig in den Rollstuhl. Für sie war das irgendwie ein komisches Gefühl. Seit einem Monat hatte sie in diesem Bett gelegen, die Welt nur aus dem Liegen gesehen und nun konnte sie plötzlich aufrecht sitzen. Sie konnte aufrecht sitzen und ihr Bett verlassen. Dieses Bett, das sie so sehr hasste. In dem sie gefangen war. Doch ihr wurde auch bewusst, dass sie die Welt vielleicht den Rest ihres Lebens aus dieser Perspektive, aus diesem Rollstuhl sehen würde. Nein, sie würde das nicht so einfach zulassen, sie würde kämpfen. Kämpfen für ihre Beine, damit sie sie endlich wieder spüren würde. Und Thomas würde ihr helfen, das wusste sie. Er würde ihr Kraft geben und immer für sie da sein.

„Und alles in Ordnung?“, fragte Dr. Perding dann fürsorglich nach. Biggi nickte. Sie sah zu Thomas auf und lächelte ihn an. Dr. Perding breitete eine Decke über Biggis Beine, da sie schließlich nur ein Nachthemd anhatte. Wenn sie wollen, können sie jetzt einen kleinen Ausflug auf den Gang unternehmen.“, sagte er. Biggi war überglücklich darüber. Endlich würde sie dieses Zimmer verlassen. Seit einem Monat hatte sie nur dieses Zimmer und das Intensivzimmer vor Augen gehabt, außer gelegentlich zu Untersuchungen die Behandlungsräume. Aber nun, nun konnte sie sich im ganzen Krankenhaus frei bewegen, ja, sie und Thomas würden sogar einen kleinen Ausflug in den Park machen können. Frei bewegen? Wenn man das so nennen konnte…, aber sie war zumindest nicht mehr ans Bett gefesselt. Das war ein riesiger Fortschritt und mit jedem Fortschritt würde auch ihre Entlassung immer näher rücken.

Dr. Perding schob den Rollstuhl langsam auf die Tür zu, öffnete diese und schob ihn dann auf den Flur hinaus. Thomas ging neben Biggi und nahm ihre Hand. Sie sah ihm in die Augen und lächelte ihn glücklich an

"Na? Wie finden sie unsere Klinik, mal nicht im Liegen?" "So sieht alles viel schöner aus.", meinte Biggi lächelnd. "Wollen Sie, Herr Wächter? Ich denke mir, ich kann Ihnen gerne erlauben, mal alleine die Gänge zu erkunden. Und wer hat denn schon so einen charmanten Chauffeur bei sich?", fragte Dr. Perding grinsend. Thomas drückte Biggi einen zärtlichen Kuss auf den Mund und meinte: "Wohin soll's gehen, Madame?" Sie musste lachen und meinte: "Hm.....ich wüsste da schon was - davon konnte ich die letzten Tage vom Bett aus immer nur träumen, als ich aus dem Fenster gesehen hab. Dürfen wir in den Park, Dr. Perding?" "Na meinetwegen. Aber wenn's zu anstrengend wird, sofort wieder rein, ok?" "Alles klar.", meinte Thomas freudig und so schob er Biggi nun langsam den Flur hinab Richtung Fahrstuhl. "Na, wie ist es?", fragte er Biggi während der Fahrt. "Mit dir zusammen ist alles wunderschön, selbst wenn's ne Rollstuhlfahrt ist.", meinte Biggi seufzend. Thomas blieb stehen, stellte sich dann vor Biggi und beugte sich hinab zu ihr. Er umfasste ihr Gesicht liebevoll mit den Händen und küsste sie dann lange und zärtlich. "Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie unheimlich stolz ich auf dich bin, mein Schatz? Ich liebe dich...", sagte er leise, sah ihr dabei tief in die Augen und küsste sie dann wieder. Biggi ging darauf ein, fühlte sich sitzend gleich viel wohler dabei und legte ihre Arme um seinen Rücken. "Ich liebe dich auch so sehr.", sagte sie glücklich, und schmiegte sich dann an seine Schulter. Lange verblieben sie so, hielten sich im Arm und genossen jede einzelne Sekunde, in der sie die Wärme und Nähe des anderen spüren konnten.

Doch dann konnten sie es schließlich nicht mehr erwarten, endlich in den wunderschönen Park zu gelangen, den sie vom Zimmer aus stundenlang gemeinsam betrachtet hatten.

Thomas hatte immer daran gedacht, wie schön es werden würde, wenn Biggi aus dem Bett durfte und er mit ihr nach draußen gehen würde. Und nun war es soweit. All das Vogelgezwitscher und die herrliche Natur wurden nicht mehr durch eine Glasscheibe abgehalten ... wie lange hatten sie darauf gewartet. Thomas dachte an die Zeit in dem grün gekachelten Intensivraum zurück. Er staunte selbst darüber, wie viel ein Mensch doch tatsächlich aushalten und mitmachen konnte. Die Wochen dort zwischen den grünen Kacheln, im grünen Kittel, inmitten all der Geräte, Kabel, Schläuche und keinem Lichtblick, waren grausam gewesen. Die absolute Härte und Herausforderung an das menschliche Durchhaltevermögen.

Thomas war oft nahe dran gewesen, aufzugeben. Und heute ... ja, heute fühlte er sich unheimlich bestärkt darin, seit jeher die Aussage vertreten zu haben, dass irgendwo immer ein Funken Hoffnung zu finden war, in jeder Lage. Irgendwo. Und obgleich es bei Biggi eine lange und sehr harte Suche gewesen war - sie hatten nicht aufgegeben und wurden heute dafür belohnt. Mit jedem neuen Tag, mit jedem Lächeln in Biggis Gesicht fühlte sich Thomas mehr und mehr als der glücklichste Mensch auf Erden. Das Zusammensein mit Biggi war so wunderschön - sie waren eins miteinander, gehörten zusammen. Auch wenn es bei diesem Paar nur zwei Beine gab, die beiden die Kraft geben mussten, weitermachen und, ja, aufstehen zu können - für die unendliche Liebe, die sie zueinander verspürten, spielte diese Tatsache nicht die geringste Rolle.

Mit einem selten glücklichen Lächeln auf den Lippen schob Thomas Biggi weiter zum Fahrstuhl, bis sie schließlich mit freudiger Erwartung nach unten fuhren, ins Erdgeschoss. Als sie unten aus dem Aufzug stiegen, atmete Biggi glücklich auf und sog die Luft genüsslich ein. "Hier riecht es ganz anders als oben - so ... nach Freiheit und Leben irgendwie.", stellte sie erfreut fest. Weiter hinten konnten sie schon den Ausgang erblicken, der ins Freie führte. Autos fuhren auf der Straße und der Lärmpegel war weit höher als in den ruhigen Räumen der Station. Biggi genoss es unheimlich - wie lange hatte sie dieses Gefühl des Lebens nicht mehr verspürt? Ja, sie lebte nun vielleicht anders als alle anderen Menschen. Aber sie lebte, war froh um ihr Leben und fühlte sich glücklich. Sie hatte Thomas. Diese Liebe war wertvoller als alle beweglichen Beine der Welt.

Sie drehte sich strahlend nach oben zu ihm um, worauf er sie küsste, sie an der Wange streichelte und schließlich den Rollstuhl weiter zum hinteren Ausgang der Klinik schob, der zum Park führte. Als sie dort angelangt waren, zog Thomas seine Jacke aus und legte sie Biggi behutsam um. "Es ist frisch draußen, du darfst dich auf keinen Fall verkühlen. Gut so, mein Schatz?" Sie nickte dankbar und meinte dann. "Aber dann ist dir doch kalt?" "Ach was, ich hab ja dich.", meinte er abwehrend, worauf sie lächeln musste.

Schließlich schob er sie nun endlich raus ins Freie - in die Natur, die Freiheit ... den Traum der letzten Wochen. Der Park war wirklich wunderschön. Überall waren große, ausladende grüne Bäume, liebliche Wege, Bänke, ein kleiner Teich und überall wo man hinsah, waren Vögel. Sie zwitscherten fröhlich, und einige Momente standen Thomas und Biggi einfach nur schweigend da und beobachteten diese wunderbare Welt. Thomas neigte sich wieder herab zu Biggi und nahm sie glücklich in die Arme. Dann streichelte er zärtlich über ihr Gesicht, und berührte sanft ihre Lippen. Inmitten all der Ruhe, der Schönheit der Natur und der unendlichen Liebe, die sie umgab, küssten sie sich glücklich und innig wie nie. Lange blieben sie ineinander verschmolzen, bis sie nach einer ganzen Weile wieder voneinander abließen. "Komm mit", meinte er dann leise zu Biggi und schob schließlich den Rollstuhl weiter den Parkweg entlang.

Nach einigen Minuten gelangten sie zum Teich, der unheimlich romantisch und abgeschieden in einer ruhigen, verlassenen Ecke des Parks lag. Er war von Schilf und Teichpflanzen umgeben, und auf dem geheimnisvollen, trüben Wasser schwammen unzählige Seerosen. Er schob den Rollstuhl an einen Baum und neigte sich wieder zu Biggi herab. Dann hob er sie plötzlich aus dem Stuhl, vorsichtig nahm er sie auf den Arm und trug sie zum Ufer. Dort setzte er sich ins Gras, hielt Biggi auf seinem Schoß fest und deckte sie liebevoll zu. Vor ihnen lag der Blick ins Wasser, diesen Blick, den sie von irgendwoher kannten ... ja, sie mussten beide an die Salzach denken... Biggi kuschelte sich in seine Arme und schmiegte sich glücklich an ihn. "Ist es gut so? Ist dir kalt?" "Nein, Thomas - es ist wunderschön ... Thomas?" "Ja?" Sie blickte ihn an, und er erkannte plötzlich Tränen in ihren Augen. Die Tränen aus höchstem Glück. Sie lächelte, und der erste Tropfen rollte über ihr Gesicht. "Danke", brachte sie leise hervor. "Ich liebe dich so unendlich." Er schloss sie glücklich in die Arme, wischte ihr zärtlich mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht und sagte: "Na und ich dich erst..."

Biggi legte ihren Kopf auf seine Schulter. Sie fühlte sich unendlich geborgen in seinen Armen. „Ist es nicht wunderschön hier?“, fragte Thomas. Biggi nickte. „Ja, das ist es wirklich.“ Sie stellte sich vor jetzt gerade zwischen zwei Einsätzen mit Thomas an der Salzach zu sitzen und auf das Wasser zu blicken. So wie sie es schon so oft getan hatten, doch wahrscheinlich nie wieder tun würden. Zumindest würde Biggi nicht wieder in ihrem roten Medicopteroverall dort sitzen. Aber nun saß sie hier und hier war es mindestens genauso schön wie an dem Ufer der Salzach. Solange sie hier in Thomas’ Armen am Wasser saß, konnte sie vergessen, dass dies der Park des Krankenhauses war, in dem sie die letzten Wochen verbracht hatte und auch die nächsten Wochen noch verbringen würde. Das Krankenhaus, in das sie nach ihrem schweren Unfall eingeliefert worden war, in dem man ihr diese schreckliche Diagnose mitgeteilt hatte…

 Aber hier draußen im Park fühlte sie sich frei. So als ob sie jede Minute aufstehen könnte und mit Thomas Hand in Hand durch den Park spazieren oder nach Hause gehen könnte. Es war so, als wenn sie tun und lassen könnte, was sie wollte. Biggi war glücklich, sehr glücklich. Sie sah Thomas an und lächelte. Er beugte sich leicht über sie und begann sie zärtlich zu küssen. Biggi erwiderte seine Küsse und legte ihre Arme um seinen Hals. „Ich bin so glücklich.“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Ich auch, Biggi und ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht. Du wirst sehen, es wird alles wieder gut, ich hab’s dir doch versprochen.“ Sie nickte und küsste ihn wieder. In den letzten Tagen hatte sie wirklich große Fortschritte gemacht und wie Dr. Perding ihr versichert hatte, würde sie in den nächsten Tagen bereits mit der Physiotherapie beginnen können. Thomas legte seine Arme noch fester um sie. „Ist dir wirklich nicht kalt?“, fragte er sie, denn es wurde langsam frischer, da die Dämmerung einbrach und es langsam Abend wurde. „Na ja, ein bisschen.“, gab Biggi zu. „Wir können jetzt ja wieder reingehen und morgen wieder hierher kommen.“, schlug Thomas vor. Biggi stimmte ihm zu. „Ja, lass uns morgen wieder hierher kommen.“ Thomas hob sie behutsam hoch und trug sie wieder einige Meter vom Ufer weg, wo er den Rollstuhl abgestellt hatte. Er setzte Biggi ganz vorsichtig wieder ab. „Ist es ok so?“, fragte er sie. Sie nickte. Thomas beugte sich zu ihr und küsste sie zärtlich. „Ich liebe dich.“, sagt er dann und sah ihr in die Augen. „Ich dich auch, unendlich.“, antwortet Biggi ohne ihren Blick auch nur eine Sekunde von ihm abzuwenden. Sie legte ihre Arme um ihn und zog ihn noch näher zu sich. Dann küssten sie sich noch einmal, unendlich lange.

Als sie wieder von einander abgelassen hatten schob Thomas den Rollstuhl wieder zurück durch den Park bis hin zum Klinikeingang. Auf dem Gang vor Biggis Zimmer begegneten sie Dr. Perding. „Dem Strahlen auf Ihrem Gesicht zu urteilen, war der kleine Ausflug ja sehr gelungen oder?“, fragte er Biggi. „Es war wunderschön. Darf ich morgen wieder raus?“ „Ich denke, da spricht nichts gegen. Die frische Luft tut Ihnen ja anscheinend sehr gut und solange Herr Wächter bei Ihnen ist, ist ja immer jemand da, der auf Sie aufpasst“, meinte Dr. Perding. Biggi nickte und lächelte Thomas an. „Na, dann will ich Sie mal nicht länger aufhalten, ich habe auch noch einiges zutun.“, verabschiedete Dr. Perding sich. Er war sehr zufrieden mit Biggi. Er erinnerte sich noch an die Tage nach dem Unfall, damals hatten ihre Überlebenschancen gerade einmal bei 50% gestanden und heute? Heute konnte sie wieder lachen und lag sogar schon auf der Normalenstation. Sie war schon fast wieder vollständig genesen, außer der Lähmung natürlich. Zufrieden machte sich Dr. Perding auf den Weg zu seinen nächsten Patienten.

Thomas schob Biggi währenddessen wieder in ihr Zimmer, wo Angelika gerade ihr Abendessen zu sich nahm. Auf Biggis Nachttisch stand wieder eine Schale, diesmal allerdings nicht mit Brei, sondern mit zerkleinertem Gemüse. Thomas hob Biggi vorsichtig aus dem Rollstuhl und legte sie dann behutsam wieder zurück ins Bett. „Dr. Perding hat mir vorhin aufgetragen dir zu sagen, dass du jetzt schon ein wenig zerkleinertes Gemüse probieren darfst.“, erzählte Angelika ihr. Biggi sah auf den Nachttisch, sie freute sich riesig als sie die Schüssel mit dem Gemüse erblickte. Wie lange hatte sie kein Gemüse mehr gegessen? Sie sah Thomas an. Er verstand sofort und reichte ihr die Schüssel in die Hand. Biggi nahm einige Löffel, es schmeckte wirklich gut. Thomas freute sich sehr, dass Biggi anscheinend einen ziemlich guten Appetit hatte und sah ihr lächelnd dabei zu, wie sie einen Löffel nach dem anderen zu sich nahm.

Als sie die Schüssel bereits halb leer gegessen hatte, gab sie sie Thomas zurück und er stellte sie wieder auf den Nachttisch. „Willst du dich jetzt etwas ausruhen? Es war sicher ein anstrengender Tag für dich heute.“ Biggi nickte, „Ja, anstrengend, aber wunderschön.“ Thomas beugte sich zu ihr und gab ihr einen zärtlichen Gute Nacht Kuss. „Schlaf schön.“, sagte er dann leise. Biggi lächelte ihn an und schloss dann glücklich die Augen.

Etwa nach einer halben Stunde, als sich Thomas versichert hatte, dass Biggi tief und fest schlief, stand er auf, um selbst eine Kleinigkeit zu essen. Sein Magen knurrte bereits bedenklich. Ungern ließ er Biggi allein, doch Angelikas Anwesenheit beruhigte ihn und so verließ er leise das Zimmer. Nachdem er sich gestärkt hatte, griff er noch schnell zum Handy, um Michael anzurufen und nach dem rechten zu fragen. Erleichtert hörte er von diesem, dass alles in Ordnung war, sowohl bei den Mädels als auch in der Arbeit. Ebelsieder hatte wohl seine Sturheit aufgegeben, Thomas in den Urlaub gestellt und einen Ersatzpiloten angefordert, der noch für einige Zeit bleiben könne. Freudig erzählte Thomas seinem Freund von Biggis Fortschritten und dem wunderschönen Tag im Park. Michael war überaus froh und erleichtert, ließ Biggi herzliche Grüße ausrichten und versprach, bald auf Besuch zu kommen. Zufrieden legte Thomas schließlich auf und begab sich zurück in Biggis Zimmer. Inzwischen war er es so gewohnt, sie jede Minute an seiner Seite zu haben, dass er sie nach dieser knappen Stunde bereits schrecklich vermisste.

Es war so schön, einen Menschen zu wissen, den man über alles liebte, für den man alles tun würde und der für einen genau dasselbe verspürte. Er liebte sie so sehr. Eilig ging er den Flur hinab und betrat schließlich leise das Zimmer, wo inzwischen auch Angelika bereits schlief. Als er seine Biggi im Bett liegen sah, friedlich tief schlafend, aber doch mit diesem glücklichen Ausdruck im Gesicht, wurde ihm warm ums Herz. Er ging auf sie zu, küsste sie ganz leicht und kaum spürbar auf den Mund, lächelte sie an und setzte sich wieder ans Bett. "Hey mein Schatz, ich liebe dich.", flüsterte er. Dann nahm er ihre Hand und drückte sie leicht. Noch eine ganze Zeit lang blieb er so sitzen, und beobachtete Biggi. Doch schließlich fielen auch ihm beinahe die Augen zu. Er ließ seinen Kopf neben Biggi auf die Bettdecke sinken und schlief glücklich ein. Die Nacht war lang und ruhig. Von draußen hörte man das Geräusch der Tiere im Park, und sogar ein wenig das Plätschern des Flusses, der in den Teich führte.

Morgens wurden Thomas von einer Schwester geweckt, die die morgendliche Kontrolle machte. Gerade als sie Biggis Puls maß, da sie ja schon seit mehreren Tagen kein EKG mehr benötigte, wachte Thomas auf. "Schönen guten Morgen, Herr Wächter!", begrüßte ihn die Schwester freundlich, aber leise. "Guten Morgen! Na, alles in Ordnung?" "In bester Ordnung.", meinte die Schwester zufrieden. Anschließend maß sie noch den Blutdruck, wobei Biggi schließlich aufwachte. "Guten Morgen, mein Schatz!", sagte Thomas und lächelte sie lieb an. "Hast du gut geschlafen?" "Wie sollte ich denn schlecht schlafen, neben dir?", fragte sie und sah ihn lächelnd an. Daraufhin gab Thomas ihr einen zärtlichen Guten-Morgen-Kuss, worauf sie die Arme um ihn legte und ihn ganz nah zu sich zog. Glücklich umarmten sie sich. Die Schwester lächelte bei dem rührenden Anblick und verließ dann unauffällig das Zimmer.

Lange hatten Thomas und Biggi aber keine Ruhe. Wenige Minuten später kam Dr. Perding herein. "Guten Morgen, die Herrschaften - wie geht's?" "Danke, gut", sagten Biggi und Angelika im Chor, was den Arzt zufrieden auflachen ließ. "Na wunderbar. Schwester Monika hat mir übrigens vorhin Ihre Werte mitgeteilt. Sie sind wirklich ausgesprochen gut! Aus diesem Grund will ich sie heute mal vorzeitig mit Ihrer Physiotherapeutin bekannt machen, Maria. Ich bin überzeugt, dass Sie sich sehr gut verstehen werden." Thomas sah Biggi glücklich an. Beide freuten sich sehr darüber, wie schnell plötzlich alles voran - und vor allem bergauf ging. "Ich freue mich schon darauf.", sagte Biggi. "Aber vorher haben Sie doch sicher noch Hunger, stimmt's? Stellen Sie sich vor, heute habe ich bereits ein zweigängiges Menü für sie bereitgehalten.", meinte Dr. Perding grinsend. "Auf dem Speiseplan stehen wieder zerhacktes Gemüse und diesmal dazu Apfelmus. Ich lasse es gleich bringen. Inzwischen guten Appetit und bis nachher, da bringe ich Ihnen Maria." "Ja, danke - bis nachher.", meinte Biggi. "Heey, das ist ja klasse, mein Schatz.", sagte Thomas glücklich und stupste ihr auf die Nase. Dann küssten sie sich zärtlich. "Hoffentlich haben wir trotzdem genug Zeit für einen kleinen Ausflug...", meinte Biggi dann. "Aber klar, die nehmen wir uns einfach. Siehst du, jetzt wird's schon richtig stressig in der lahmen Klinik.", bemerkte Thomas. "Ja, stimmt. Hätte ich mir nie gedacht, vor allem nicht in den Tagen, an denen ich nur gelegen bin.", entgegnete Biggi. "Schön...", fügte sie leise hinzu, worauf sie Thomas wieder zu sich runterzog und ihn dann innig umarmte. "Danke für alles ... ich liebe dich." Sagte sie dabei ganz leise in sein Ohr. "Aber Biggi ... ich muss doch dir danken. Du hast mir das größte Glück meines Lebens beschert. Ich liebe dich auch. Unendlich.", meinte er zurück. Daraufhin drückte Biggi ihn noch fester. Lange hielten sie sich so im Arm. Doch nach einer Weile schließlich kam dann eine Schwester herein – sie brachte ein Tablett mit Biggis Frühstück. Es sah wirklich lecker aus, und dazu gab's diesmal nicht wie sonst Wasser, sondern milden Vitaminsaft. "Guten Appetit, Frau Schwerin.", meinte die Schwester, nachdem sie das Tablett auf das Nachtkästchen gestellt hatte, und ging dann wieder hinaus. "Was möchtest du zuerst?" "Schwere Entscheidung", meinte Biggi grinsend. Dann entschied sie sich aber fürs Apfelmus. Thomas reichte es ihr vorsichtig in die Hand. Biggi nahm einen Löffel nach dem anderen – es schmeckte wirklich wunderbar. Sie spürte regelrecht, wie sie Energie in ihren Körper tankte. Sie aß zwar langsam, hatte aber trotzdem bereits nach kurzer Zeit die Schüssel leer gemacht. "Na, hat's geschmeckt?", fragte Thomas, erfreut über ihren guten Appetit. "Super", meinte sie. Nach einer kurzen Pause reichte ihr Thomas schließlich auch noch das Gemüse. Sie nahm wieder einige Löffel, stellte es dann aber wieder zurück. "Jetzt fühle ich mich richtig satt. Das Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr.", meinte Biggi glücklich. Thomas beugte sich über sie, nahm sie in den Arm und sie küssten sich leidenschaftlich.

Plötzlich räusperte sich hinter ihnen jemand. "Tja, ähm - ich werde es wohl nie lernen", meinte Dr. Perding verlegen. "Darf ich Ihnen dennoch jemanden vorstellen? Das ist Maria, Ihre Physiotherapeutin." Thomas und Biggi blickten erschrocken auf ...

Sie sahen in das Gesicht einer Frau, die hinter Dr. Perding stand. Sie war etwa Mitte 40 und hatte schulterlanges, blondes Haar. Freundlich lächelte sie Biggi und Thomas an. „Hallo, ich bin Maria.“, sagte sie und gab ihnen die Hand. „Hallo.“, brachten Thomas und Biggi hervor, ihnen war es ein wenig peinlich, dass Maria sie gleich beim ersten Treffen in so einer Situation überrascht hatte. „Ich lass sie dann mal alleine.“, sagte Dr. Perding freundlich, verabschiedete sich und verließ dann das Zimmer. „Wenn sie wollen, können wir gleich mit den Übungen anfangen.“, sagte Maria dann. Biggi blickte zu Thomas und nickte dann. Maria schlug Biggi vor, dass sie sich zur Physiotherapie etwas anderes anziehen sollte, da das Nachthemd, welches sie im Moment trug, nicht sehr geeignet dafür war.

Thomas ging zu Biggis Schrank und holte ihr ein T-Shirt und ihren Jogginganzug, den sie für alle Fälle schon vor ein paar Tagen von Michael gebracht bekommen hatte, da sie ja wussten, dass es bald mit der Therapie losgehen würde und Biggi ja außerdem jetzt das Bett verlassen durfte. Thomas nahm ihn aus dem Schrank und ging damit auf Biggi zu. Für sie war es eine ganz neue Situation. In den letzten Wochen hatte sie nie etwas anderes, außer einem Nachthemd angehabt. Doch sie freute sich sehr darüber. Es war wieder ein Schritt zurück zur Normalität, weg vom Krankenhausalltag. Thomas half Biggi vorsichtig das Nachthemd aus zu ziehen und sich dann den Jogginganzug anzuziehen. Das T-Shirt und das Oberteil konnte Biggi sich sogar schon ganz allein anziehen, nur bei der Hose musste Thomas ihr ein wenig helfen. Sie lächelte ihn glücklich an. Jetzt, wo sie nicht mehr das Nachthemd anhatte, fühlte sie sich gleich viel besser.

Maria nahm sich den Rollstuhl, der in der Ecke des Zimmers stand, und schob ihn zu Biggis Bett. Dann nahm Thomas Biggi vorsichtig auf den Arm und setzte sie in den Rollstuhl. Er lächelte Biggi an und sie lächelte zurück. Nun würde es endlich losgehen mit der Physiotherapie, in die sie so viele Hoffnungen gesetzt hatte. „Wenn sie wollen, können sie gerne mitkommen und ihre Freundin unterstützen.“, wandte sich Maria dann an Thomas. Er nickte dankbar. Langsam schob er Biggi auf den Gang hinaus. „Wir müssen ins Erdgeschoss, dort ist das Therapiezentrum.“, erklärte Maria ihnen. Also schob Thomas den Rollstuhl zum Fahrstuhl und drückte auf das E für Erdgeschoss. Als sie unten angekommen waren, ging Maria vor und zeigte Thomas den Weg. Biggi schaute sich inzwischen neugierig um. Im Erdgeschoss war sie zuvor noch nicht gewesen. Auf der anderen Seite des Gangs entdeckte sie eine Cafeteria und kleines Eiscafé. Dort könnte sie jetzt mit Thomas eigentlich auch mal hingehen, dachte sie sich glücklich. Seit sie im Rollstuhl sitzen konnte und nicht den ganzen Tag im Bett liegen musste, bekam sie viel mehr vom Klinikalltag mit und entdeckte, dass es auch schöne Orte in dieser Klinik gab, wie zum Beispiel den Park mit dem kleinen Teich.

Dann waren sie auch schon angekommen. „Raum 008, Physiotherapie.“, las Biggi das Schild an der Tür. Maria schloss die Tür auf und Thomas und Biggi folgten ihr in den Raum. Der Raum war ziemlich groß und hatte zwei große Fenster, durch die man einen herrlichen Ausblick auf den Park hatte. Biggis Zimmer musste sich ziemlich genau über diesem Raum befinden. In dem Raum befanden sich einige Übungsgeräte und zwei Liegen. Maria bat Thomas, Biggi aus dem Rollstuhl zu nehmen und sie auf eine der Liegen zu legen. Also nahm Thomas Biggi vorsichtig hoch und setzte sie dann auf die Liege. Dann legte sie sich vorsichtig hin. Thomas stand neben der Liege und Maria ging auf die andere Seite. „So, Frau Schwerin, als erstes müssen wir ihre Muskeln kräftigen. Dadurch, dass sie ihre Beine die letzten Wochen nicht bewegt haben, sind die Muskeln erschlafft und müssen nun wieder aufgebaut werden. Biggi nickte. Maria begann vorsichtig Biggis Beine zu bewegen. Für Biggi war es ein komisches Gefühl. Sie sah, wie sich ihre Beine bewegten, oder besser gesagt, bewegt wurden, aber sie spürte von all dem nichts. Immer wieder sah sie zu Thomas auf, der ihre Hand hielt und sie aufmunternd anlächelte.

„Das geht doch schon sehr gut.“, meinte Maria nach einiger Zeit. „Meinen Sie wirklich?“, fragte Biggi verunsichert. Maria nickte. „Natürlich ist es am Anfang ein merkwürdiges Gefühl für Sie, aber das gibt sich mit der Zeit, sie werden sich daran gewöhnen.“, erklärte Maria ihr. Daran gewöhnen – Biggi wollte sich nicht daran gewöhnen, sie wollte es schaffen wieder normal gehen zu können und ihre Beine zu spüren und sich nicht daran gewöhnen, dass se sie nicht fühlen und selbstständig bewegen konnte. Doch sie sagte nichts. Maria hatte ja Recht. Wahrscheinlich stellte sie sich das wirklich alles zu einfach vor mit der Physiotherapie und es würde lange dauern, bis sie wieder gehen können würde, wenn sie es überhaupt jemals schaffen würde – nicht einmal das war schließlich gesichert.

Sie drehte trübselig den Kopf zur Seite und versuchte einzusehen, dass der Weg "zurück", wenn es ihn überhaupt gab, wohl ein von tausenden Steinen und Hindernissen übersäter war. Einer mit vielen Mauern, die es zu übersteigen galt.

Würde sie es wirklich über all diese Mauern schaffen? Sie hatte so viel Willenskraft gebildet in der letzten Zeit, war sich so sicher gewesen, dass sie es schaffen würde, mit Thomas' Hilfe.

Doch nun stürzten die Zweifel wie angreifende Adler auf sie ein. Klar, sie hatte mit Thomas schon so viel geschafft. Einen wichtigen Teil des Weges zurück. Den wichtigsten Teil, den zurück ins Leben - aber bedacht auf die Länge war es ein mikroskopisch kleiner Teil.

Diesen war sie mit Thomas's Hilfe gegangen - sie war sich sicher, dass sie ohne ihn nicht mal einen Bruchteil davon überwältigt und vor der ersten Biegung aufgegeben hätte. Aber dieser neue Abschnitt - das war ein anderer Teil. Er war viel hoffnungsloser, viel ernüchternder - wenn sie allein an dieses Gefühl dachte, alleine gar nichts mehr mit ihrem Körper anrichten zu können. Sie musste geschoben werden, getragen werden oder bewegt werden. Sie lebte passiv. Und aus dieser Welt konnte ihr kein Thomas, keine Maria und kein Arzt heraushelfen - sie konnten ihr lediglich dabei helfen, es zu akzeptieren und leichter zu ertragen. Konnte sie selbst sich denn helfen? Wenn ja, dann in Himmels Namen, wie?? Sie wusste es nicht.

"Ich weiß, woran Sie denken.", riss Maria sie plötzlich aus den Gedanken. "Es ist verständlich, und geht ausnahmslos allen so, glauben Sie mir." Biggi drehte den Kopf wieder in ihre Richtung, sah sie niedergeschlagen an. "Sie haben sicherlich viel Hoffnung geschöpft in der letzten Zeit. Es ist normal, dass Sie sich an die wenigen Hoffnungsschimmer klammern, die sich Ihnen eröffnen. Die Physiotherapie ist einer davon. Und nun bemerken Sie, dass Sie wohl zu viele Erwartungen hineingesteckt haben. Sie werden zurückgeschmettert in Ihrer Hoffnung. Es ist für Sie schwer erträglich, der Tatsache ins Auge sehen zu müssen, dass Sie auf Hilfe angewiesen sind, um etwas schaffen zu können. Ist es nicht so?"

Biggi nickte langsam. Ihre Augen wurden feucht. Thomas streichelte ihr über die Wange. Er würde ihr so gerne helfen, so gerne mehr tun können. Aber er konnte es nicht. Er konnte nur zusehen, und das brachte sein Herz zur Weißglut. Biggi hilflos daliegen zu sehen, daran zu denken, dass alles anders sein könnte, hätte es nur diesen einen Tag vor ein paar Wochen nicht gegeben. Das machte ihn fertig, raubte ihm die Kraft. Die Kraft, auf die Biggi mehr als er angewiesen war. Er durfte sie jetzt nicht verlieren - denn dann würde auch Biggi verlieren. Das durfte er nicht zulassen.

"Wird es denn irgendwann anders? Das wird es doch nicht, oder?", fragt Biggi dann ängstlich. "Allerdings wird es anders. Aber sie werden die Änderung nie erfahren, wenn Sie nicht mit vollem Willen weitermachen. Wenn Sie wie vorhin einfach den Kopf wegdrehen, sich wegwünschen, und die Therapie lediglich über sich ergehen lassen, wird es auch über Jahre hinweg noch so bleiben. Sie müssen mitmachen, und das beziehe ich nicht nur auf Ihren Körper. Ich weiß, es ist schwer und leicht gesagt, aber ich weiß ebenso gut, dass es zu schaffen ist. Mit Willen, Ehrgeiz und der Hoffnung, die man festhält und um nichts in der Welt aus der Hand geben darf. Verstehen Sie? Sie sind nahe daran, Sie fallen zu lassen, wenn sie sich vor der Realität wegdrehen. Wenn Sie sich hindrehen allerdings, und ihr herausfordernd ins Angesicht blicken, können Sie sie anfechten, und irgendwann etwas ändern. Auch wenn der Weg noch so lange ist. Irgendwo ist doch immer das Ziel."

Biggi ließ die Worte auf sich einwirken. Die Worte, die so wahr waren und so einen tiefen Hintergrund hatten. Die Worte, die sie sich anhören und akzeptieren musste, aus deren Aussage sie einen Schluss ziehen und etwas machen musste. "Sie haben ja recht.", meinte sie dann leise. "Aber es fällt einfach so schwer...diese Hilflosigkeit ... die macht mich fertig.", sagte sie, und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. "Ich weiß. Und ich weiß auch, dass Sie mir zugehört haben und darüber nachdenken werden. Das freut mich. Ich denke, für heute sollten wir Schluss machen, es ist genug. Ruhen Sie sich aus, denken Sie nach, und glauben Sie mir - morgen wird es Ihnen besser gehen. Sie haben diesen Rückwärtsschritt jetzt einmal erlebt, das war nicht zu verhindern, kommt aber nicht wieder vor. Sie wissen jetzt, womit Sie es zu tun haben und fortan konfrontiert werden. Es kann nur mehr besser werden." Sie lächelte sie aufmunternd an. "Danke", meinte Biggi, und brachte auch ein Lächeln hervor. Thomas nahm sie in die Arme, drückte sie und gab ihr dann einen zärtlichen Kuss. Das tat unheimlich gut. Sie legte ihre Arme um ihn, um den Mann, den sie liebte und an dem sie sich festhalten konnte. Von dem sie wusste, dass er sie nie fallen lassen würde, über welchem Abgrund des Lebens sie auch schwebte. Sie küssten sich lange, umarmten sich dabei innig und ließen die Wärme und Nähe des anderen voll auf sich einwirken. Aus dieser Nähe sogen sie neue Kraft, die Energie, die sie brauchten, um nicht aufzugeben. Sich auf dem Weg nicht hinzusetzen, auszuruhen oder gar den Rückwärtsgang einzulegen - sondern weiterzumachen. Maria war unauffällig im Nebenraum verschwunden, hatte lächeln müssen bei diesem rührenden Anblick. Als sie langsam wieder voneinander abließen, hob Thomas Biggi nun schließlich hoch und setzte sie vorsichtig zurück in den Rollstuhl. "Alles ok?" "Klar.", meinte Biggi. Und sie bezog es nicht nur auf den Rollstuhl.

Thomas schob sie zurück nach draußen auf den Flur, wo sie sich auf den Weg zum Aufzug machten. Vor der Therapie hatte Biggi noch den Elan gehabt, einen Ausflug in den Park oder vielleicht sogar in die Cafeteria zu unternehmen. Aber jetzt wollte sie einfach zurück ruhige Zimmer, nachdenken über all das, was heute auf sie eingeflossen war...

Als sie im Aufzug waren, und Biggi nachdenklich an die Wand blickte, umarmte Thomas sie plötzlich von hinten. Liebevoll hatte er ihre Arme um sie gelegt und schmiegte seinen Kopf an ihren. "Hey", sagte er ganz leise in ihr Ohr. "Wir schaffen das schon." Er küsste zärtlich ihren Hals und streichelte um ihren Oberkörper. "Ich liebe dich.", flüsterte er dann.

„Ich liebe dich auch.“, gab Biggi ebenfalls flüsternd zurück. Dann drehte sie ihren Kopf zu ihm, damit sie ihn küssen konnte. Sie wusste, dass er immer für sie da sein würde und ihr helfen würde. Und mit ihm zusammen konnte sie es schaffen. Es schaffen, wieder ganz normal laufen zu können – und fliegen. Sie umarmte ihn und küsste ihn noch einmal. „Wollen wir heute noch einen kleinen Ausflug in den Park unternehmen oder wollen wir das lieber auf Morgen verschieben?“, fragte Thomas sie dann. Biggi sah ihn an. „Mir wäre es eigentlich lieber, wenn wir das auf Morgen verschieben würden.“, gab sie zu. „Hey, ist doch ok.“, sagte Thomas lieb und streichelte ihr sanft über die Wange. Er konnte sich schon denken, dass Biggi die heutigen Erlebnisse erst einmal verarbeiten musste. Es musste wirklich ganz schön hart für sie gewesen sein, zu erfahren, dass sie es sich wohl doch ein wenig zu einfach vorgestellt hat wieder laufen zu können. Für Thomas selbst war es ja schon schwer genug. Es war verdammt schwer, seine Biggi so leiden zu sehen und dann diese Hilflosigkeit, dieses Gefühl absolut nichts tun zu können. Doch er wusste, dass er eine Sache tun konnte. Er konnte für Biggi da sein, ihr Halt und Kraft geben. Und das würde er tun, er würde sie niemals alleine lassen…

Langsam schob er den Rollstuhl ins Zimmer zurück und hob Biggi dann vorsichtig ins Bett. „Willst du etwas trinken?“, fragte er sie lieb. Doch Biggi schüttelte den Kopf. „Kann ich sonst noch irgendetwas für dich tun?“, erkundigte er sich besorgt. Biggi sah ihn an und lächelte ein wenig. „Blieb einfach nur bei mir.“, sagte sie leise. Thomas nickte und gab ihr einen zärtlichen Kuss.

Biggi war ziemlich erschöpft von der Physiotherapie. Schließlich hatte sie sich die letzten Wochen kaum körperlich betätigt und ihr Körper musste sich erst langsam wieder daran gewöhnen. Sie schloss langsam die Augen und dachte über Marias Worte nach. Sie musste der Realität ins Auge sehen. Aber das war wirklich nicht einfach, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass sie vielleicht nie wieder laufen können würde. Doch sie nahm sich vor, die Hoffnung nicht aufzugeben, sie wollte es schaffen und ihr Wille war enorm stark. Schließlich schlief sie mit diesem Gedanken erschöpft ein. Thomas hingegen dachte immer noch über Marias Worte nach.

Etwa eine halbe Stunde später, klopfte es leise an der Tür und Karin und Michael steckten ihre Köpfe herein. Thomas freute sich die beiden zu sehen, immerhin hatte er die letzten Wochen fast nur hier bei Biggi in der Klinik verbracht und seine Kollegen selten zu Gesicht bekommen. Als sie bemerkten, dass Biggi gerade schlief, redeten sie ganz leise. „Und, wie geht’s ihr?“, fragte Michael Thomas. Dieser ließ Biggis Hand, die er die ganze Zeit gehalten hatte, los und stand auf, um mit Karin und Michael auf den Flur zu gehen, wo sie sich in Ruhe unterhalten konnten, ohne Angst haben zu müssen Biggi dadurch zu wecken. Thomas drehte sich an der Tür noch einmal um und warf Biggi einen sehnsüchtigen Blick zu. Er ließ sie ja nicht ganz allein, dieser Gedanke daran, dass Angelika noch da war, beruhigte ihn sehr.

„Und?“, fragte Karin dann, als sie auf dem Flur waren und sah Thomas erwartungsvoll  an. „Sie war heute zum ersten Mal bei der Physiotherapie.“, erzählte er, doch Karin und Michael bemerkten, dass ihn etwas bedrückte. „Aber das ist doch ein Grund zur Freude.“, meinte Michael. „Ich weiß nicht.“, sagte Thomas zögernd, „Biggi hat sehr viele – wenn nicht sogar alle – Hoffnungen in die Physiotherapie gesetzt, aber heute hat sie feststellen müssen, dass es ein langwieriger Prozess ist, bis sie wieder laufen können wird und dass es nicht so einfach ist, wie wir uns es vorgestellt haben. Das war erst einmal ein ziemlich harter Rückschlag…“ „Oh, das kann ich gut verstehen.“, sagte Karin, „Aber das Wichtigste ist doch, dass sie überhaupt wieder laufen können wird.“ Thomas nickte. „Aber wer kann uns das versichern?“, fragte er dann traurig. Das konnte natürlich niemand und sie alle wussten eigentlich, dass die Chancen, dass Biggi wieder laufen können würde, eher gering waren, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollten und diesen Gedanken verdrängten. Man durfte nicht die Hoffnung aufgeben, das hatte Maria auch gesagt und das würden sie niemals tun, die Hoffnung aufgeben. Die Hoffnung auf ein Wunder…

„Und, wie geht es euch sonst so?“, erkundigte Karin sich dann. „Biggi macht unheimliche Fortschritte, sie kann schon wieder leichte Nahrung zu sich nehmen und Flüssigkeit. Sie darf sich mit dem Rollstuhl frei durch das Klinikgelände bewegen und das Bett verlassen und nun hat sie heute ja auch noch mit der Physiotherapie begonnen. Gestern haben wir schon einen kleinen Ausflug in den Park unternommen, ich glaube das hat ihr unheimlich gut getan.“, erzählte Thomas glücklich. „Wir haben uns vorhin mit Dr. Perding unterhalten.“, meinte Michael dann. Thomas sah ihn erwartungsvoll an „Und, was hat er gesagt?“ „Er ist überaus zufrieden mit Biggi, sie macht große Fortschritte und…“ „Und was?“, fragte Thomas ungeduldig. „Er meinte, dass er denkt, sie in etwa zwei Wochen entlassen zu können.“ Thomas wusste nicht, was er dazu sagen sollte, er wusste nicht, ob er sich freuen sollte oder nicht. Natürlich freute er sich riesig, dass Biggi nachhause kommen würde, doch andererseits würde es sicherlich nicht leicht für sie werden. Noch war sie eine Kranke in der Klinik, eine unter vielen anderen, aber dann würde sie eine Behinderte im normalen Leben sein. „Sie würde natürlich weiter zur Physiotherapie gehen und sich in ärztliche Behandlung geben, aber hier in der Klinik kann man dann nichts mehr für sie tun, den Rest muss sie alleine schaffen.“, fügte Karin hinzu. Thomas nickte. Er wollte jetzt zurück zu Biggi. Mit diesem Gedanken musste er sich erst einmal auseinandersetzen. Karin und Michael wollten sich in das kleine Eiscafé im Erdgeschoss setzen und später wiederkommen, wenn Biggi aufgewacht sein würde.

Thomas ging wieder zurück ins Krankenzimmer. Dort lag sie, seine Biggi, sie schlief immer noch friedlich. Er setzte sich zu ihr und nahm wieder ihre Hand. Er wusste immer noch nicht, was er von der Sache halten sollte, dass Biggi bald entlassen werden würde und fragte sich, ob es nicht noch etwas früh sein. Andererseits, Dr. Perding war ein erfahrener Arzt, er musste es schließlich wissen, was gut für Biggi war. Thomas dachte noch lange darüber nach, doch er kam zu keinem wirklichen Ergebnis.

Dann wachte Biggi wieder auf. „Hast du gut geschlafen, mein Schatz?“, fragte er sie sofort. Biggi nickte, sie fühlte sich jetzt ausgeruht und gleich viel besser. „Michael und Karin waren vorhin hier.“, erzählte Thomas ihr. „Sie haben sich in das Eiscafé gesetzt und wollen später noch einmal wiederkommen. Wenn du willst, dann kann ich sie holen.“, bot er ihr an. Doch Biggi schüttelte den Kopf. Sie lächelte ihn an und meinte dann: „Ich würde lieber mit dir zusammen zu ihnen runtergehen.“, sagte sie. Sie dachte sich, dass ihr die Ablenkung sicher gut tun würde. Thomas nickte glücklich und küsste sie zärtlich, was Biggi natürlich erwiderte. Dann holte er den Rollstuhl und hob sie vorsichtig aus dem Bett. Nachdem er sie in den Rollstuhl gesetzt hatte, machten sie sich dann auf den Weg ins Erdgeschoss Richtung Eiscafé.

Karin und Michael saßen gerade bei einem Cappuccino, als Thomas plötzlich mit Biggi im Rollstuhl in der Tür auftauchte. "Hey, Biggi!", rief Karin ebenso erfreut wie überrascht, die beiden standen auf und nahmen Biggi erstmal in den Arm. Biggi war sehr froh, sie wieder zu sehen. "Wie geht's dir denn?", fragte Michael. "Du bist ja schon richtig mobil geworden." Biggi lächelte. "Danke, mir geht's ganz gut. Und euch? Echt schön, dass ihr da seid..." "Wir haben dich schon vermisst. Bei uns ist auch alles klar - jetzt, wo wir sehen, was du für Fortschritte machst!", meinte Karin bewundernd. "Aber setzen wir uns doch rüber zum Tisch." Also schob Thomas den Rollstuhl rüber zu Karin's und Michael's Tisch, und gemeinsam setzten sie sich wieder hin. "Thomas hat erzählt, dass du heute schon mit der Physiotherapie begonnen hast.", meinte Michael dann. "Ja.", meinte Biggi. "Das ist doch toll." "Hm...ich hab's mir ein wenig toller vorgestellt. Aber das wird es schon noch werden." "Bestimmt. Du musst nur Geduld haben und mitmachen." Michael wusste, wovon er sprach - schließlich hatte er das alles auch mal mitgemacht, allerdings unter anderen Bedingungen. Bei ihm hatte immer eine große Hoffnung auf Heilung bestanden, die Blockierung hatte einzig und allein in seinem Kopf bestanden. Bei Biggi war es, leider, ein anderes Problem. Die Ärzte rechneten mit keiner Besserung, geschweige denn einer Heilung. Aber auch wenn die Ärzte ihre Hoffnung aufgegeben hatten – das bedeutete für Thomas, Michael, Karin und die anderen noch lange nicht, ebenfalls die Hoffnung aufzugeben. Ohne Hoffnung nützte die beste Therapie nichts. "Das sagt die Therapeutin auch.", meinte Biggi leise. "Aber es ist nun mal nicht so einfach.", fügte sie hinzu und neigte den Kopf nach unten. Michael und Karin warfen sich mitfühlende Blicke zu. "Ich weiß, dass du es schaffen wirst. Es ist nicht einfach, das weiß ich selbst. Aber die Zeit wird kommen, in der du es anders siehst. Wir helfen dir dabei.", meinte Michael dann und strich ihr über die Schulter. Biggi blickte auf und lächelte wieder ein wenig. "Danke. Ihr seid so lieb." "Hey, das ist doch selbstverständlich. Wir wünschten, wir könnten mehr tun.", sagte Karin und nahm sie nochmals in den Arm.

Dann nahm Thomas Biggi's Hand und meinte zu den anderen: "Wie wär's, wenn wir jetzt einen kleinen aufheiternden Ausflug durch den Park unternehmen? Es ist wirklich wunderschön dort draußen, das müsst ihr unbedingt sehen" "Gute Idee! Machen wir das.", entgegnete Karin begeistert. Sie zahlten noch schnell und machten sich dann auf nach draußen in den Park. Bevor sie durch die Tür traten, legte Thomas Biggi noch seine Jacke um, worauf sie ihn dankbar anlächelte. Er küsste sie liebevoll und schob dann den Rollstuhl nach draußen.

Auch Michael und Karin fanden den Park wunderschön. Sie genossen es alle, die frische Luft einzuatmen und die Natur zu bewundern. Es herrschte eine unendliche Ruhe in dem Park, nur das Zwitschern der Vögel und das leise Rauschen des Flusses waren zu hören. Sie begaben sich zum Teich, wo sie sich schließlich auf eine Bank am Ufer setzten. Thomas hob Biggi vorsichtig aus dem Rollstuhl und nahm sie auf seinen Schoß. Er legte liebevoll seine Arme um sie und sie kuschelte sich glücklich an ihn. Sie genoss jeden Augenblick, den sie nicht im Bett oder im Rollstuhl verbringen musste. So fühlte es sich beinah ein wenig an, als wäre sie gar nicht gelähmt. Als wäre alles normal. Wie in ihrem alten Leben eben. Sie sehnte sich oft danach, nach diesem Leben. Aber mit jedem Tag fühlte sie sich mehr und mehr davon entfernt. Das durfte sie aber nicht. Wenn die Zeit gekommen war, in der sie das neue Leben, das sie unverweigerlich mit diesem Ding auf Rädern verband, akzeptierte - dann war alles zu spät. Sie durfte nicht aufhören, zu kämpfen. Und das würde sie auch nicht.

Ach, wäre das schön, jetzt einfach von Thomas' Schoß zu hopsen und gehen zu können. Den Rollstuhl sonst wohin wünschen zu können. Um den See herumspazieren zu können. Nach oben auf den Dachlandeplatz der Klinik zu gehen und mit ihrem Engel davonfliegen zu können. Einfach nur die andere Hälfte ihres Körpers spüren zu können. Als einen Teil von ihr. Manchmal fühlte sie sich wie ein Tortenstück, das man getrennt hatte. Einfach so auseinander geschnitten. Das eine weiß nichts mehr vom anderen, sie gehören nicht mehr zusammen.

Doch Biggi musste an ihre "andere Hälfte" glauben. Sie musste an sich selbst glauben - daran, dass sie irgendwann wieder gerade würde stehen können. Einfach so. So wie es für jeden anderen Menschen selbstverständlich war. Biggi hatte in den letzten Wochen gelernt, ihr Leben zu schätzen. Nichts war selbstverständlich. Kein Tag, an dem man lebte, kein Schritt, den man tat. Vielleicht gehörte es einfach dazu, das irgendwann zu erfahren?

Nachdenklich blickte Biggi ins Wasser und hing ihren Gedanken nach. "Woran denkst du denn, Schatz?", meinte Thomas dann und strich ihr liebevoll mit der Hand über die Wange. Sie hatte sich an seine Schulter gelehnt und blickte dann auf. "Hm? Ach ... an nichts  Besonderes. Nur ans Leben.", meinte sie. "Aha. An mich auch?" "Was ist das denn für ne Frage?" "Wieso? Ist doch ne ganz normale." "Ach, mein Doofi. Du bist doch mein Leben.", meinte Biggi, lächelte und küsste ihn dann zärtlich. Er erwiderte es überglücklich und zog sie ganz nah zu sich. Karin und Michael räusperten sich und lächelten. "Äh ... wir gehen inzwischen mal ne Runde um den Teich spazieren, wenn's euch nicht stört.", meinte Michael. "Keine Sorge ... stört uns nicht.", meinte Thomas, während er Biggi verliebt ansah und sie dann weiter küsste. "Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?", fragte er dann leise. "Keine Ahnung, hast du mir noch nie gesagt. Wie sehr denn?" "Kann ich nicht beschreiben. Viel zu sehr." Er lächelte und küsste sie wieder. Er liebte sie wirklich unbeschreiblich. Das wurde ihm in jeder Sekunde, in der er sie ansah, von neuem klar. Und er spürte, wie es in jeder Sekunde stärker wurde...

Diese Liebe konnte ihnen wirklich keiner mehr nehmen. Sie hatten schon so viel zusammen durchgestanden und sie würden auch alles Weitere durchstehen, das wusste Thomas. Er wusste nicht wieso, aber plötzlich kamen ihm die Worte in den Sinn, die ein Pastor bei einer Hochzeit sagte. „...Lieben und ehren in guten und in schlechten Zeiten…“ Bis jetzt hatten er und Biggi zusammen wirklich eine schwere Zeit gehabt und trotzdem waren sie immer wieder glücklich gewesen, sehr glücklich sogar. Ihre Liebe zueinander war so unglaublich stark, dass sie alles andere in den Schatten stellte. Auf jede schlechte Zeit, folgt auch wieder eine gute, das wusste Thomas. Und er hoffte, dass es mit Biggis Genesung bald wieder voran ging und alles wieder gut werden würde. Nein, er hoffte es nicht nur, er war sich sicher, dass es so sein würde, auch wenn die Ärzte die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hatten, dass Biggi jemals wieder normal gehen können würde, Thomas würde das niemals tun. Er wusste, wenn er die Hoffnung verlieren würde, dann würde auch Biggi sie verlieren und das konnte er nicht zulassen.

Er strich Biggi sanft über das Haar. „Ich liebe dich so sehr...so sehr wie nichts anderes  auf der Welt.“, sagte er dann und sah ihr in die Augen. Sie sah ihn verliebt an und begann dann wieder ihn zu küssen. Wenn sie hier auf seinem Schoß saß in diesem wunderschönen Park, dann konnte sie ihre Lähmung für eine kurze Zeit vergessen. Es war genauso als säße sie jetzt zwischen zwei Einsätzen mit Thomas am Ufer der Salzach.. Sie kuschelte sich noch mehr an ihn und Thomas legte seine Arme noch enger um sie, was schon  kaum mehr möglich war. Sie küssten sich immer wieder und Biggi war richtig glücklich.

Nach etwa einer halben Stunde kamen Karin und Michael von ihrem Spaziergang zurück. „Na, ihr zwei, wie war euer Spanziergang?“, fragte Thomas. „Der Park ist wirklich traumhaft.“, meinte Karin. Biggi nickte. „Ja, ich bin auch unheimlich gern hier. Hier…hier kann man schon fast vergessen, dass dieser Park eigentlich zu einem Krankenhaus gehört.“ Karin nickte. Sie konnte es sich vorstellen, wie schlimm es für Biggi gewesen sein musste, immer nur im Bett zu liegen in der Zeit, in der sie noch nicht im Rollstuhl das Gelände erkunden durfte.

„Wollen wir wieder zurück aufs Zimmer gehen, es ist ein wenig frisch geworden?“, fragte Thomas fürsorglich, denn gegen Abend wurde es wirklich immer ziemlich kühl im Park. Biggi nickte leicht. „Aber nur, wenn du mir versprichst, dass wir morgen wieder hierher kommen.“, sagte sie lächelnd. Thomas nickte. „Klar, wir werden immer hierher kommen, wenn du es willst.“, versichte er ihr und küsste sie dann zärtlich, was Biggi selbstverständlich erwiderte. Karin und Michael lächelten. Anscheinend waren Thomas und Biggi wirklich total glücklich miteinander und die beiden freuten sich für sie.

Karin und Michael beschlossen wieder nach Hause zufahren. Biggi wollte sich sicher ein wenig ausruhen nach dem Ausflug im Park, außerdem wollten Thomas und sie sicherlich auch mal wieder allein sein. „Wir kommen dich bald wieder besuchen, vielleicht sogar schon übermorgen.“, versprach Karin ihrer Freundin und umarmte sie. „Schön, dass ihr da wart.“, sagte Biggi und lächelte. Sie hatte sich wirklich sehr über den Besuch von Michael und Karin gefreut. Die beiden erinnerten sie unverweigerlich wieder an ihr altes Leben und an ihren Job. Das machte es ihr immer wieder bewusst, dass sie kämpfen musste und sie hatte sich geschworen nicht aufzugeben. Auch wenn es manchmal wirklich hart war. Sie war schon oft kurz davor gewesen, doch Thomas hatte ihr immer wieder Mut gemacht und Kraft gegeben, weiter zu machen.

Als Karin und Michael gegangen waren, blickte sie verliebt zu ihm auf. Sie liebte ihn so unendlich, ein Leben ohne ihn konnte sie sich schon lange nicht vorstellen. Aber zum Glück musste sie das ja auch nicht, denn sie wusste, dass er sie niemals verlassen würde und immer für sie da war. Sie nahm seinen Ärmel und zog ihn langsam zu sich herunter. Thomas lächelte sie an und sah ihr tief in die Augen. Dann verschmolzen sie in einem unendlich zärtlichen Kuss. Es dauerte lange, sehr lange, bis sie wieder von einander abließen. Thomas sah sie mit einem verliebten Lächeln, das sich in Biggis Gesicht widerspiegelte, an und beugte sich dann langsam wieder hoch. Er schob Biggi auf ihr Zimmer und legte sie dann behutsam ins Bett zurück. „Ruh dich etwas aus, war ein anstrengender Tag heute, hm?“, sagte er lieb und deckte Biggi sorgfältig zu. Sie nickte leicht und fasste dann nach seiner Hand. Thomas streichelte ihr mit seiner anderen Hand sanft über die Wange  und gab ihr dann noch einen Gute-Nacht-Kuss. Biggi lächelte zufrieden und schloss erschöpft die Augen. Es war wirklich ein anstrengender Tag gewesen. Zuerst die Physiotherapie, die nicht ganz so verlaufen war, wie Biggi es sich erhofft hatte, und dann der wunderschöne Nachmittag im Park. Thomas blieb an Biggis Bett sitzen und hielt immer noch ihre Hand. Er war in Gedanken versunken und dachte wieder über Dr. Perdings Worte über Biggis Entlassung nach.

In zwei Wochen würde es also so weit sein. Er hatte eine sehr geteilte Auffassung darüber. Einerseits freute er sich unheimlich darauf, Tag und Nacht mit Biggi zusammen sein zu können und sie um sich zu haben - er konnte sich inzwischen ohnehin kaum mehr vorstellen, länger als eine Stunde von ihr getrennt zu sein.

Andererseits aber hatte er Angst davor, wie Biggi mit der neuen Situation umgehen würde, ob sie sich überhaupt einleben könnte. Schließlich kehrte sie nicht in ihr normales Leben zurück, wie es viele andere nach der Entlassung aus der Klinik tun konnten. Sie musste sich an ein neues Leben gewöhnen, musste hinnehmen, dass alles nicht mehr so war wie früher. Dass sie auf Hilfe angewiesen war, permanent, ob es nun das "Aufstehen" morgens aus dem Bett oder einfach nur das Öffnen des Kühlschranks war.

Sie hatte doch ein komplett anderes Leben geführt. Sie war es gewesen, die anderen Menschen geholfen hatte. Und nun? Wie sollte sie damit zurechtkommen? Auf jeden Fall hatte Thomas vor, Biggi das Leben in der Villa so angenehm wie möglich zu machen. So angenehm es eben zu machen war. Er wünschte sich so sehr, mehr tun zu können, aber er war nicht dazu in der Lage. Das war keiner. Wer wusste denn schon, ob Biggi je wieder irgendwie in ihr altes Leben zurückkehren konnte? Die Ärzte vermeinten es zu wissen. Sie sahen keinen Weg zurück. Aber Thomas sah das nicht ein, hielt an seiner Hoffnung fest und das letzte, was er in seinem Leben tun würde, wäre, diese Hoffnung loszulassen.

Er überlegte, was noch alles im Haus zu tun wäre bis zu Biggi's Entlassung. Zum Glück hatte er damals, als Michael nach seinen Unfall im Rollstuhl saß und Thomas die Häuser getauscht hatte, viele Dinge gleich rollstuhlgerecht eingerichtet und somit einiges erledigt, was bis jetzt nicht geändert worden war. Thomas war froh darüber, nicht jetzt einen ganzen Haufen Arbeit zu haben, die ihn viele Stunden kosten würde, die er so bei Biggi in der Klinik verbringen konnte. Sie brauchte ihn, und er würde sie niemals im Stich lassen. Wo würde Biggi eigentlich schlafen? Würden sie gemeinsam in einem Zimmer schlafen? Würde Biggi das überhaupt wollen? Er wusste nicht, wie sie darüber dachte und beschloss, sie am nächsten Morgen zu fragen.

Er sah sie an. Sie schlief immer noch tief und fest. Ihr Anblick brachte Thomas zum Lächeln - am liebsten würde er sie jetzt küssen, aber er wollte sie auf keinen Fall wecken, der Schlaf war unheimlich wichtig für sie. Und so streichelte er einfach nur sanft über ihr Gesicht. Draußen war es stockfinster. Thomas konnte nur ganz leicht die Umrisse der Bäume im Park erkennen, die vom Mond beleuchtet wurden. Wie romantisch es wäre, jetzt mit Biggi dort draußen am Teich zu sitzen, träumte er...

Bald wurde er selbst sehr müde und schlief schließlich erschöpft von den langen Grübeleien ein.

Am nächsten Morgen wurde er durch die ersten Sonnenstrahlen geweckt. Offensichtlich war er aber nicht der erste - als er aufsah, wurde er von Biggi angelächelt. Sie meinte liebevoll: "Guten Morgen, Schatz" "Hey, du bist ja schon wach." "Erraten." "Heißt das also, du gibst mir heute einen Guten-Morgen-Kuss?", fragte Thomas bittend und grinste. "Wenn du mir einen Grund dafür sagst." "Hmm.....wie wär's mit dem Grund, dass ich dich mehr als alles andere liebe?" "Ja, der ist gut." Lächelnd näherte sie sich seinen Lippen und umfasste seinen Hals mit ihren Händen. Sie versanken in einen langen, unendlich zärtlichen Kuss. Thomas legte seine Arme um Biggi und beugte sich über sie, sodass er beinahe auf ihr lag. Leidenschaftlich küssten sie sich weiter.

Als sie langsam wieder voneinander abließen, fragte Thomas: "Hast du gut geschlafen?" Biggi nickte glücklich. "Und du?" "Wunderbar. Neben dir kein Wunder.", meinte er lächelnd. "Aber Thomas ..." "Was denn?" "So geht das doch nicht weiter, dass du andauernd im Sitzen schläfst, bei mir, und nicht mal ne Matratze unter dir hast. Du musst dich doch auch mal richtig ausruhen." "Muss ich nicht. Besser als bei dir könnte ich gar nicht schlafen, dazu brauche ich keine Matratze. Ehrlich Biggi, mach dir da keine Sorgen. Und außerdem...", er zögerte. "Was außerdem?" Biggi sah ihn fragend an. "Außerdem wird es nicht mehr lange so sein, dass ich hier bei dir in der Klinik schlafe. Dr. Perding - er will dich in zwei Wochen entlassen." Biggi sagte gar nichts. Sie sah ihn nur ungläubig an. "In zwei Wochen?" "Ja." Biggi sah auf die Bettdecke. "Biggi, wir - wir haben ja schon mal darüber geredet, dass du zu uns ziehen wirst. Ist das denn okay für dich?" "Ich ... ich will euch keine Umstände machen." "Wie kommst du denn jetzt darauf? Du machst uns doch keine Umstände - im Gegenteil, du machst uns glücklich wenn du zu uns kommst und ... ganz besonders mich." Biggi sah ihn an, sie hatte Tränen in den Augen.

"Ich werde nie in mein altes Leben zurückkehren können, oder?" "Ach Biggi..." Thomas nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich. "Klar wirst du das. Irgendwann. Bestimmt. Ich glaube ganz fest daran - genau wie du es tun musst." Sie nickte tapfer. Er streichelte ihr lächelnd übers Gesicht. "Aber schau mal, bis dahin müssen wir einfach versuchen eine Lösung zu finden. Und es ist auch schon alles geregelt - nur so ne kleine Feinheit wäre noch zu besprechen. Darauf bin ich gestern Abend gekommen." "Und welche Feinheit wäre das?" "Ich weiß nicht ob ich es aushalten könnte plötzlich nicht mehr neben dir zu schlafen. Hättest du was dagegen, wenn wir ein gemeinsames Schlafzimmer haben?" Er sah sie erwartend an. Biggi musste lächeln. "Ich glaube, ich würde auch nicht mehr schlafen können, wenn du nicht bei mir wärst. Ich hab mich einfach viel zu sehr an dich gewöhnt." "Aha. An mich gewöhnt." "Ich liebe dich viel zu sehr." Thomas lächelte und nahm sie glücklich in die Arme. "Wir werden’s wunderschön haben, glaub mir..."

Biggi nickte. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und begann ihn zu küssen, was Thomas natürlich erwiderte. Er würde Biggi versuchen die nächste Zeit so schön wie möglich zu gestallten.

Kurze Zeit später, brachte eine Schwester das Tablett mit dm Frühstück. Biggi durfte zum ersten Mal das gleiche zum Frühstück essen, wie Angelika und alle anderen Patienten: Zwei Scheiben Weißbrot mit Käse, Wurst oder Marmelade. Sie schaute die Schwester ungläubig an, als sie sah, was auf dem Tablett lag. Diese bemerkte das und meinte: „Anordnung von Dr. Perding. Er sagt, dass sie jetzt wieder fast alles essen können, was die anderen Patienten auch bekommen. Allerdings müssen sie eine gewisse Schonkostkost schon noch einhalten, aber das wird Dr. Perding ihnen nachher sicherlich selber sagen. Es ist ja bald Visite.“ Biggi nickte nur glücklich. Wieder fast alles Essen zu dürfen, war wieder ein kleiner Schritt zurück in ihr altes Leben. Und jeder Schritt dahin machte Biggi glücklich und gab ihr wieder ein wenig Hoffnung, dass doch irgendwann wieder alles so werden würde wie früher. Nicht alles, schließlich hatte sie nun Thomas an ihrer Seite, der sie unterstützte und ihr Kraft gab und den sie über alles liebt. Es würde schöner werden als früher, viel schöner. Wie oft dachte sie daran, wie schön es doch wäre, wenn sie mit Thomas Arm in Arm am Salzachufer entlang spazieren könnte. Wenn sie beide zusammen wieder auf der Basis arbeiten könnten. Es würde zwar ein langer Weg bis dahin sein, doch sie hatte ich es fest in den Kopf gesetzt. Sie würde kämpfen, auch wenn alle anderen sie aufgeben würden. Zusammen mit Thomas würde sie kämpfen, kämpfen dafür, dass alles in ihrem Leben wieder so wäre, wie vor dem Unfall – nur mit Thomas an ihrer Seite.

Biggi aß alles auf, was auf dem Tablett lag, sie hatte richtig Hunger. „Und hat es geschmeckt?“, fragte Thomas sie danach. Biggi nickte glücklich. „Ich fühl mich gleich viel besser.“, sagte sie glücklich. Sie merkte, wie sie von Tag zu Tag kräftiger wurde und sich immer besser fühlte.

Wenig später betrat Maria das Zimmer. Biggi wusste nicht so recht, ob sie sich auf die Therapie freuen sollte oder nicht. Was war, wenn es wieder so enttäuschend verlaufen würde, wie am Vortag? Na ja, schlimmer konnte es auf jeden Fall nicht werden, dachte Biggi sich. Maria hatte ja Recht, sie hatte diese Enttäuschung einmal erlebt und wusste nun, wo mit sie es zutun hatte. Sie überlegte, ob es Angelika am Anfang wohl auch so ergangen war. Sie hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden, aber wie lange mochte das wohl gedauert haben? Biggi konnte es sich nicht vorstellen. ‚Ob ich mich wohl auch irgendwann damit abfinden werde?’, fragte sie sich, doch dann dachte sie entschlossen ‚Nein, das werde ich niemals tun, ich werde kämpfen!’

Nachdem Maria Thomas und Biggi mit einem fröhlichen „Guten Morgen“, begrüßt hatte, setzte Thomas Biggi in den Rollstuhl und schob sie langsam aus dem Zimmer. Auf dem Gang war einiges los, denn es wurde gerade ein Notfall eingeliefert. Die Sanitäter brachten den Mann auf der Trage in den Schockraum. Biggi konnte erkennen, dass er einen Helm und Mottoradkleidung trug. Das versetze ihr einen Stich ins Herz. Wie gern war sie auf ihrem Motorrad durch die Gegend fahren. Nun würde sie das, genau wie das Fliegen, vielleicht nie wieder tun können. Ihr stiegen einige Tränen in die Augen, doch sie schaffte es sie zu unterdrücken. Sie wollte jetzt tapfer sein und kämpfen. Sie wusste, dass es nicht brachte, sich zu bemitleiden und sich in eine andere Welt zuflüchten auch wenn es ihr oft sehr schwer fiel dies nicht zu tun. Doch sie wusste auch, dass sie Thomas hatte und bei ihm durfte sie schwach sein, wann immer sie wollte, er war immer für sie da.

Sie blickte auf. Schon waren sie vor dem Therapieraum angekommen und Maria schloss die Tür auf. Thomas schob Biggi hinein und hob sie dann vorsichtig auf die Liege. „Wie geht es ihnen denn heute?“ erkundigte Maria sich. „Danke, gut.“, sagte Biggi und brachte ein kleines Lächeln hervor. Sie würde sich heute voll auf die Therapie konzentrieren und geistig dabei sein, das hatte sie sich fest vorgenommen.

Maria begann wieder mit Biggi die gleichen Übungen zu machen wie beim letzten Mal, doch dieses Mal konzentrierte Biggi sich darauf. Immer wieder blickte sie lächelnd zu Thomas auf, der auf der anderen Seite der Liege stand und ihre Hand hielt.

Maria hatte bereits gemerkt, dass Biggi dieses Mal mit voller Sache dabei war. Das freute sie sehr, anscheinend hatte sie sich ihren Rat zu Herzen genommen und eins wusste sie nach vielen Jahren Erfahrung als Physiotherapeutin: Das wichtigste war die Hoffnung. Ohne die Hoffnung, hatte es noch kein Patient geschafft wieder auf die Beine zukommen. Er musste ganz fest daran glauben, das war enorm wichtig. Und sie hatte das Gefühl, dass Biggi das tat.

„Wenn sie möchten, können wir eine kleine Pause einlegen und dann gleich weiter machen.“, schlug Maria nach einiger Zeit vor. „Ok.“, meinte Biggi und blickte dann zu Thomas, der sie verliebt lächelnd ansah. Maria war das nicht entgangen und sie verließ den Raum, weil sie sich dachte, dass die beiden jetzt wohl lieber ungestört sein würden.

Als sie draußen war, lächelte Thomas Biggi weiter an. Als es noch mehrere Sekunden so weiterging, mussten sie beide loslachen und Thomas nahm Biggi schließlich liebevoll in die Arme. Er drückte sie ganz fest an sich, sie genoss es und ließ seine Nähe auf sich wirken. Als er sie wieder ein wenig losließ, sah er ihr in die Augen und meinte: "Ich bin so unendlich stolz auf dich, ich kann's dir gar nicht ausdrücken." Biggi lächelte glücklich und legte ihre Arme um seinen Hals. Dann zog sie ihn zu sich und sie küssten sich leidenschaftlich. Lange verblieben sie so, Thomas lag beinahe auf ihr und sie berührten sich zärtlich. Als sie schließlich wieder ein wenig voneinander abließen, meinte Biggi leise: "Ich kann dir auch was nicht ausdrücken. Ist nicht in unserer Größenordnung." "Was denn?" Thomas sah sie fragend an. "Na wie sehr ich dich liebe." Darauf küsste Thomas sie wieder zärtlich, und sagte dann: "Du machst mich so unheimlich glücklich. Danke dass es dich gibt." Biggi drückte ihn fest an sich, wusste genau, wie unheimlich dankbar und glücklich auch sie war, und meinte dann leise zu ihm: "Wenn es dich nicht gäbe, dann gäbe es mich doch schon längst auch nicht mehr." Sie hielten sich fest, sogen das Glück ein und wollten es nicht loslassen.

Minutenlang blieben sie so sitzen, bis schließlich Maria wieder den Raum betrat. "Oh, ich hoffe, ich störe nicht. Aber ich dachte, es wäre der richtige Zeitpunkt um weiterzumachen." "Nein nein, Sie stören nicht. Die Pause war ja lang genug.", meinte Biggi. Thomas setzte sich wieder von der Liege runter auf einen Sessel. Maria begann, mit den Übungen fortzufahren. Biggi war voll dabei. Sie hatte es zwar noch immer nicht geschafft, sich daran zu gewöhnen, ihren Körper sich bewegen zu sehen, es aber nicht zu spüren, doch sie versuchte sich dennoch zu konzentrieren. Es war schwer, ihre Beine als einen Teil ihres Körpers zu sehen. Sehr schwer. Wenn sie doch wenigstens irgendetwas spüren konnte, irgendeine Berührung, einen Schmerz, einfach irgendwas. Aber sie spürte von der Hüfte abwärts gar nichts mehr. Sie versuchte andauernd, nicht zu vergessen, wie es vor dem Unfall gewesen war. Vor dem Tag X. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sich angefühlt hatte, mit den Beinen die Pedale im Cockpit zu bewegen, auf ihrem Motorrad zu sitzen oder einfach nur an der Salzach zu stehen. Sie musste es doch irgendwann wieder erleben können, dieses Gefühl! Dieses wunderbare Gefühl, dieses ..... so schrecklich weit entfernte Gefühl.

"Na ich merke schon, das geht doch heute bereits viel besser! Der Tag gestern war wohl schlimm und ernüchternd, aber äußerst lehrreich. Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen.", sagte Maria erfreut. Biggi lächelte. "Wenn Sie so weitermachen, werden wir bald schon mit anderen Übungen beginnen können. Da müssen Sie dann schon selbst was tun, das wird sicher eine tolle Erfahrung."

Thomas drückte Biggi's Hand und meinte: "Na wer sagt's denn?" Kurze Zeit später sagt Maria dann: "Wunderbar. Ich würde sagen, wir machen Schluss für heute, es war sicher anstrengend. Dr. Perding will Sie ohnehin nachher noch zu einer Untersuchung bringen, hab ich vorhin gehört."

Also hob Thomas Biggi wieder vorsichtig zurück in den Rollstuhl und sie verabschiedeten sich von Maria. Als Thomas den Rollstuhl wieder zurück in Biggi's Zimmer schieben wollte, begegneten sie auf dem Flur Dr. Perding. "Ah, Herr Wächter und Frau Schwerin, meine wunderbare Musterpatientin.", begrüßte der Arzt sie gut gelaunt. "Sie Schmeichler", meinte Biggi grinsend. "Ich habe einst einen Eid abgelegt und ergo sage ich Patienten gegenüber immer die Wahrheit. Aber erzählen Sie doch, wie lief heute die Therapie?" "Viel besser als gestern, obwohl wir genau das selbe gemacht haben." "Das freut mich sehr. Ich habe bereits mit Maria über die gestrige Therapie gesprochen, die wohl leider so verlief wie ich erwartet hatte. Aber heute scheinen Sie es ja toll hingekriegt zu haben!" "Ja, ich denke ganz gut.", entgegnete Biggi. "Kann ich Sie gleich mit in den Untersuchungsraum nehmen? Ich will nur wieder mal allgemein prüfen, ob alles in Ordnung ist." "Ok." Thomas übergab den Rollstuhl an Dr. Perding und meinte dann: "Ich gehe dann inzwischen schnell ins Café. Wir sehen uns nachher auf dem Zimmer, ok?"

Biggi nickte. Thomas beugte sich noch mal runter zu ihr und flüsterte in ihr Ohr: "Ich vermisse dich jetzt schon." Dann küssten sie sich nochmals zärtlich. "Na na na, ist ja kein Abschied für immer.", meinte der Arzt lächelnd.

Als sie dann endlich voneinander ablassen konnten, schob Dr. Perding Biggi schließlich in sein Sprechzimmer. Zuerst prüfte er ihre Kreislaufwerte, mit denen er äußerst zufrieden war. Anschließend sah er sich die inneren Verletzungen noch mal per Ultraschall an. Erfreut bemerkte er, dass sie wunderbar verheilt waren. Schließlich meinte er auch, man könne die Verbände, die noch wegen der Operationsnarben am Bauch da waren, durch eine leichte, stützende Bandage ersetzen. Als dies gemacht war, fühlte Biggi sich gleich viel befreiter. Durch die Verbände hatte sie sich ziemlich eingeengt gefühlt. "Also ich bin wirklich überaus zufrieden mit Ihnen. Die Verletzungen verheilen perfekt, Ihre körperliche Konstitution ist sehr erfreulich und die Physiotherapie machen Sie bereits voll mit. Nur weiter so. Es nähert sich bald der Abschied, ehrlich, ich werde Sie vermissen, Frau Schwerin." "Ich Sie auch. Aber wir werden uns dann ja trotzdem noch sehen, wenn ich zur Therapie komme." "Ja, unbedingt. Und ein Weilchen ist es ja noch bis dahin. Hat Ihnen heute übrigens das Frühstück geschmeckt?" "Es war herrlich. Ich hab mich richtig satt und energiegeladen gefühlt." Dr. Perding freute sich sehr darüber, und schließlich ließ er eine Schwester rufen, die Biggi zurück auf Ihr Zimmer brachte.

Dort wartete bereits Thomas auf sie. Glücklich schloss er sie in die Arme und sie küssten sich innig...

„Und, was hat Dr. Perding gesagt?“, wollte er dann nach einiger Zeit wissen. Biggi lächelte glücklich. „Er ist sehr zufrieden mit mir und meinte, dass die Verletzungen sehr gut verheilt sind und ich bei der Therapie sehr gut mitmache.“ Thomas küsste sie daraufhin zärtlich. Dann hob Biggi ihr T Shirt ein wenig hoch und meinte: „Ich brauche die Verbände jetzt nicht mehr, Dr. Perding meinte, dass eine leichte Bandage ausreichen würde.“ „Ich bin so stolz auf dich, mein Schatz.“, sagte Thomas lächelnd, „Und du wirst sehen, bald wirst du wieder fliegen können.“ Biggi sah ihn an. Sie wusste nicht, ob er Recht hatte. Natürlich machte sie Fortsetschritte, aber es war ein langer Weg bis zur vollständigen Genesung, das wusste sie. Zwar würde sie bald aus dem Krankenhaus entlassen werden, aber bis sie wieder laufen können würde, würde es noch dauern, wenn sie es überhaupt irgendwann einmal schaffen würde. Sie seufzte leise. Thomas merkte das natürlich und nahm sie liebevoll in den Arm. „Versprichst du es mir?“, fragt Biggi leise. Thomas zögerte. Natürlich konnte er es nicht wissen, aber er hoffte es so sehr und schließlich sagte er: „Ja, ich verspreche es dir.“ Biggi legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Danke“, flüsterte sie. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie glaubte sie ihm und nun war sie sich selbst auch wieder sicher, dass sie es schaffen würde. „Machen wir noch einen kleinen Ausflug in den Park?“, fragte Biggi dann und sah auf. „Natürlich, wenn du das möchtest.“, sagte Thomas lieb und lächelte sie an. Biggi nickte. „Ok“, meinte Thomas. Er nahm den Rollstuhl und schob Biggi aus dem Zimmer. Den Weg vom Zimmer nach draußen kannten die beiden schon fast auswendig. Als sie am Ausgang angekommen waren, hatte Thomas eine kleine Überraschung für Biggi. Er gab ihr nicht wie gewöhnlich seine Jacke, sondern zauberte ihre Fliegerjacke hervor. Michael hatte sie bei seinem letzten Besuch mitgebracht, weil Thomas ihn darum gebeten hatte. „Aber, das ist doch…“ „Deine Fliegerjacke.“, vollendete Thomas ihren Satz. Biggi nahm die Jacke vorsichtig in ihre Hände und drückte sie an sich. Das war sie, ihre Medicopterjacke, auf dem rechten Ärmel stand ihr Name. Unverweigerlich wurde Biggi wieder daran erinnert, wie lange sie schon nicht mehr im Cockpit eines Helikopters gesessen hatte. Doch dieses Mal wurde sie nicht traurig, sie wurde dadurch nur noch entschlossener für ihr Leben zukämpfen, für ihr altes Leben. Lächelnd zog sie sich die Jacke über. „Danke.“, meinte sie dann. Sie nahm Thomas’ Hand und zog ihn zu sich, um ihn zu küssen.

Thomas war total glücklich, dass er Biggi mit der Jacke eine Freude machen konnte. Wenn sie glücklich war, so war er es automatisch auch und wenn es ihr schlecht ging, dann ging es auch ihm schlecht. „Zum Teich?“, fragte er Biggi. Sie nickte, also schob Thomas den Rollstuhl einmal quer durch den Park, bis sie am Teich angekommen waren. Als sie dort angekommen waren, hob Thomas Biggi vorsichtig hoch. Dann setzte er sich zusammen mit ihr auf eine Bank. Es war inzwischen schon ihre Stammbank geworden, denn fast jedes Mal, wenn sie hierher kamen, saßen sie hier. Die Bank hatte allerdings auch einen perfekten Standpunkt und man konnte direkt auf das Wasser blicken.

Thomas hatte Biggi auf seinen Schoß genommen und seine Arme um sie gelegt. Biggi kuschelte sich an ihn und blickte verträumt auf das Wasser. Dort konnte sie ihr Spiegelbild erkennen. Wenn sie so dort saß, auf Thomas’ Schoß, dann könnte man denken, dass sie gar keinen Rollstuhl mehr brauchen würde, dass sie einfach aufstehen und mit ihm zusammen einen Spaziergang machen könnte. Doch sie erinnerte sich wieder daran, dass sie der Realität ins Auge sehen musste, um etwas ändern zu können, also versuchte sie ihre Verletzung nicht zu verdrängen. „Hey, was ist denn los?“, fragte Thomas sie plötzlich und riss sie damit aus ihren Gedanken. „Was? Warum?“, fragte Biggi und sah ihn an. „Du bist so nachdenklich.“, stellte Thomas fest. „Ich habe gerade daran gedacht, wie es sein würde, wenn ich wieder laufen können würde.“, sagte Biggi leise. Thomas strich ihr über die Wange. „Das wirst du sicherlich ganz bald wieder können.“ Biggi nickte leicht. Thomas gab ihr einen zärtlichen Kuss, den Biggi erwiderte. „Bist du glücklich?“, fragte Thomas sie dann. Biggi sah ihm in die Augen. „Ja“, sagte sie dann. „Sehr“ Daraufhin lächelte Thomas zufrieden und küsste sie glücklich. „Und du bist nicht ganz unschuldig daran.“, fügte Biggi dann hinzu und lächelte Thomas an. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und begann ihn wieder zuküssen.

Sie blieben noch lange so sitzen und küssten sich oder schauten einfach nur aufs Wasser. „Ich habe eine Idee.“, meinte Biggi dann nach einiger Zeit. Thomas sah sie fragend an. „Wir könnten in das kleine Eiscafe gehen, ich habe schon lange keinen Eisbecher mehr gegessen.“, sagte Biggi grinsend. Auch Thomas musste grinsen. Dann nahm er Biggi behutsam hoch und setzte sie wieder in den Rollstuhl. Dann schob er sie wieder nach drinnen und steuerte auf das Eiscafe zu.

Als sie fast angekommen waren, trafen sie Dr. Perding auf dem Gang. „Na, haben sie einen kleinen Ausflug gemacht?“, fragte er lächelnd. „Ja, wir waren im Park.“, erzählte Biggi glücklich. Dr. Perding war es bereits aufgefallen, dass Biggi die meiste Zeit außerhalb des Zimmers verbrachte, seit sie aufstehen durfte. Erfreute sich sehr, dass es Biggi anscheinend sehr gut ging, sie machte einen ziemlich glücklichen Eindruck und auch körperlich ging es ihr zumindest wieder so gut, dass sie bald entlassen können werden würde. Er erinnerte sich noch genau daran, wie es vor einem Monat um sie gestanden hatte. Nachdem Unfall hatte ihr Leben an einem seidenen Faden gehangen und Dr. Perding hätte zu diesem Zeitpunkt niemals gedacht, dass sich ihr Zustand in so kurzer Zeit so sehr bessern würde. Doch auch später, als sie über den Berg war, ging es ihr psychisch ziemlich schlecht, schließlich musste sie erst einmal mit ihrer neuen Situation fertig werden. Und nun war sie wie ausgewechselt und würde das Krankenhaus bald verlassen können. Dr. Perding war wirklich zufrieden mit Biggi und freute sich sie bald entlassen zu können.

Nach einer kurzen Unterhaltung mit Dr. Perding, erreichten Biggi und Thomas dann schließlich das Eiscafé. Sie setzten sich an einen kleinen Tisch am Fenster, so dass sie einen guten Überblick über den ganzen Raum hatten. Nach kurzer Zeit kam bereits die Kellnerin und fragte, was sie sich bestellen wollten. Biggi nahm einen Schokobecher und Thomas entschied sich für ein gemischtes Eis.

Da das Café ziemlich gut besucht war, dauerte es eine Weile bis das Eis kam. „Und, wie schmeckt es?“, fragte Thomas Biggi, nachdem sie einen Löffel probiert hatte. „Sehr gut, ich weiß gar nicht, wie ich die letzten Wochen ohne Schokoladeneis ausgekommen bin.“, antwortet sie lächelnd. Dann nahm sie wieder einen Löffel und reichte ihn zu Thomas, damit er es probieren konnte. „Du hast Recht, es ist wirklich lecker.“, stimmte er ihr zu und fütterte sie dann auch mit einen Löffel von seinem Eis.

Biggi hatte ihren Becher ziemlich schnell auf und aß dann noch ein wenig bei Thomas mit. „Man merkt, dass du lange kein Eis mehr gegessen hast.“, meinte er grinsend. Er sah Biggi in die Augen und nahm ihre Hände in seine. „Aber wenn du wieder zu Hause bist, dann essen wir so oft Eis, wie du willst.“ Biggi nickte und gab ihm einen zärtlichen Kuss. Sie freute sich schon unheimlich endlich aus dem Krankenhaus zukommen. Doch andererseits hatte sie auch ein wenig Angst davor. Wir würde ihr Leben dann aussehen? Sie würde mit Thomas zusammen ziehen, darauf freute sie sich unheimlich, aber sie würde nicht mehr arbeiten können und auf fremde Hilfe angewiesen sein. Würde sie mit dieser Situation umgehen können? Sie wusste es nicht. Aber sie hatte ja Thomas und er würde ihr helfen, egal wie schwer es auch werden würde, mit ihm zusammen würde sie es schaffen…

"Sag mal, Thomas ... Was soll ich denn eigentlich so den ganzen Tag machen, wenn ich dann wirklich aus dem Krankenhaus raus bin?" Thomas ließ den Löffel sinken. Darüber hatte er eigentlich selbst noch nicht nachgedacht. Das war eine gute Frage. Biggi konnte ja nicht den ganzen Tag Ausflüge mit dem Rollstuhl durchs Haus unternehmen. Ach, wenn sie doch bloß ganz gesund werden könnte ... wenn sie doch wieder als Pilotin arbeiten könnte - Thomas hielt sich davon ab, wieder in ein hoffnungsloses Tief zu fallen. Immerhin hatte er gerade noch vor ein paar Stunden Biggi versprochen, dass sie wieder würde gehen können. War es leichtsinnig gewesen? Nein! Er musste selbst daran glauben ... aber es war so schwer. Biggi könnte in der Zentrale arbeiten. Nein. Thomas wollte sie bei sich haben. Außerdem war eine Büroarbeit das allerletzte, was Biggi motivieren könnte. Sie musste das Geräusch der Rotoren hören! Allein das würde ihr den Willen geben nicht aufzuhören, nicht aufzuhören zu kämpfen! "Also die erste Zeit kommst du auf jeden Fall mit auf die Basis. Die anderen werden sich riesig freuen. Und dann können wir auch immer zusammen sein." Biggi wusste, dass das absolut keine Lösung für die Zukunft war. Aber für die Zukunft hatte sie ohnehin etwas anderes vor, als in diesem geräderten Ding zu sitzen. Also willigte sie ein. "Ok, das mach ich. Vielleicht ... vielleicht kann ich ja irgendwann auch wieder in mein altes Leben zurück. Und fliegen ..."

Sie senkte den Kopf. "Das wirst du, Biggi. Ich hab's dir doch versprochen." "Das ist lieb von dir. Hoffentlich hast du dir da nicht zuviel aufgelastet, mir so etwas zu versprechen." "Es war mein voller Ernst. Du musst mir nur glauben." "Ich versuch's." Er hob ihr Kinn, sodass sie ihm in die Augen sah, und sie lächelte ihn an. "Ich glaube dir ja." "Gut.", entgegnete er, und legte seine Arme um sie. Dann zog er sie langsam zu sich, und küsste sie zärtlich. Sie erwiderte es und schmiegte sich an ihn. "Haben Sie noch Wünsche?", meldete sich plötzlich die Stimme der Kellnerin. Thomas und Biggi blickten auf. "Äh danke, nein - wir sind wunschlos glücklich.", meinte er und grinste Biggi an.

Sie bezahlten das Eis und machten sich schließlich auf den Weg nach oben ins Zimmer. Die Zeit war wie im Flug vergangen, sie hatten gar nicht bemerkt dass es bereits Abend war. Im Zimmer angelangt, erwartete sie eine Überraschung. Angelika war gerade dabei, ihre Sachen zusammenzupacken. "Oh, du packst? Gehst du denn schon?" "Ich fahre.", meinte Angelika und lächelte. "Ja, die Zeit für mich hier ist nun vorüber - alle Untersuchungen sind abgeschlossen. Ich werde euch beide schrecklich vermissen...", meinte sie traurig. Biggi erging es nicht anders - sie hatten einander über die Zeit hier in einem Zimmer sehr ins Herz geschlossen. Angelika hatte Biggi sehr geholfen, mit ihrem Schicksal fertig zu werden, zugleich aber weiterzukämpfen. Sie hatten viele schöne Gespräche geführt. "Wir müssen uns aber unbedingt wieder sehen, ja?" "Na klar, wir bleiben in Kontakt", meinte Angelika. "Ich hätte mir keine bessere Zimmerpartnerin vorstellen können", fügte sie hinzu. "Geht mir genauso.", meinte Biggi. "Mir auch.", sagte Thomas, worauf sie lachen mussten. "Komm her", sagte Angelika. Thomas schob Biggi zu Angelika rüber, und die beiden umarmten sich herzlich. "Ich wünsche dir nur das Allerbeste für die Zukunft - und wenn du dann wieder in deinem Heli durch die Luft braust, sag mir bescheid." "Mach ich bestimmt. Danke für alles, Angelika." "Da will ich mich anschließen", meinte Thomas und auch er umarmte sie noch mal.

Plötzlich öffnete sich die Tür, und ein gut aussehender Mann mittleren Alters betrat das Zimmer. "Hallo Günther", meinte Angelika hocherfreut. "Hallo Schatz, na, schon alles gepackt?"  Die beiden küssten sich, Biggi und Thomas lächelten gerührt. Biggi gönnte Angelika ihr Glück von ganzem Herzen. Sie hatte es so sehr verdient, nach all dem, was sie hatte mitmachen müssen. Als die beiden Verliebten glücklich aus der Tür verschwunden waren, beugte Thomas sich zu Biggi hinunter und küsste sie ebenso. "Bist du traurig, dass sie jetzt weg ist?", fragte er vorsichtig. "Ach Quatsch, ich freue mich doch für sie. Ich werd sie vermissen, aber ich hab doch dich. Ich liebe dich." "Und wie ich dich erst liebe." Sie umarmten sich innig.

Schließlich hob Thomas Biggi dann wieder zurück ins Bett, half ihr, das Nachthemd wieder anzuziehen und deckte sie liebevoll zu. "Das war ein wunderschöner Tag.", sagte sie glücklich, aber erschöpft. Thomas freut sich unheimlich darüber, das Strahlen in Biggi's Augen war das schönste Glücksgefühl für ihn. Er streichelte sie zärtlich und küsste sie dann wieder.

Kurz darauf öffnete sich wieder die Tür. "Ah, Frau Schwerin, wie schön – zur Abwechslung mal da wo Sie eigentlich hingehören?", meinte Dr. Perding fröhlich grinsend. Biggi sah ihn ein wenig verdattert an. "Kleiner Scherz am Rande, Sie wissen doch dass ich Ihnen gerne dort draußen begegne. Wie geht's denn? Traurig über den plötzlichen Abschied?" "Nein nein, wir gönnen es Angelika doch. Und sonst geht es uns sehr gut, danke", meinte Biggi lächelnd. "Wunderbar. Ich hab da noch was für Sie, was ihre gute Laune vielleicht sogar heben könnte, besonders die von Herrn Wächter's Rücken." "Oh, das klingt ja vielversprechend." "Ja, es war meine Idee, da wir zur Zeit Gott sei Dank nicht sehr gefüllt sind im Klinikum. Ich habe veranlasst, dieses zweite Bett hier in Zukunft Ihnen zur Verfügung stehen zu lassen, Herr Wächter. Das dürfte ja ein Paradies für Sie sein, wo sie ja nur mehr im Sitzen geschlafen haben, das kann ich als Arzt doch nicht verantworten - zumal ich Sie ja so gerne hier habe." "Hey, das ist ja super!!", freuten sich Biggi und Thomas. "Danke, Herr Dr. Perding!", bedankte sich Thomas erfreut bei dem lieben Arzt. "Kein Problem, für Sie doch immer.", meinte er lächelnd, und verabschiedete sich dann wieder.

"Oh wie schön.", meinte Biggi. "Ich hatte schon so ein schlechtes Gewissen, dass du hier immer so unbequem geschlafen hast nur wegen mir." "Hey, das brauchst du doch nicht, mein Schatz!" Er nahm sie liebevoll in die Arme. "Ich habe nie so gut geschlafen wie in deiner Anwesenheit, aber jetzt werden wir's uns erst richtig gemütlich machen.", meinte er und küsste sie zärtlich.

"Ich hab eine Idee.", sagte er dann, als er wieder von ihr abließ. Er stand unternehmungslustig auf, und beförderte die beiden Nachttischchen an die andere Seite des Zimmers. Biggi ahnte, was er vorhatte. Schließlich rollte Thomas das Bett, in dem bereits frische Bettwäsche bereitgestellt worden war, in Biggi's Richtung, bis die beiden Betten ganz direkt nebeneinander standen. "Du hast wirklich klasse Ideen", meinte Biggi lächelnd.

Eine Stunde später war Thomas dann bereits ins Bett gehüpft. "Komm her, mein Liebling.", meinte er leise, streckte seinen Arm aus und zog Biggi zu sich. Überglücklich schmiegte Biggi sich an seine Brust, er hatte seine Arme um sie gelegt und hielt sie fest. Durch das geöffnete Fenster war das leise Zwitschern der Vögel zu hören und das stille Rauschen des Flusses. Er drückte einen Kuss auf ihre Stirn und meinte: "So könnte ich ewig daliegen." "Geht mir genauso.", meinte sie leise zurück. Er streichelte sie voller Liebe, genoss es unheimlich, sie so nah bei sich zu spüren. "Thomas...", sagte sie dann nach einer Weile. "Ja?" "Ich liebe dich unendlich." Daraufhin berührte er sanft mit seiner Hand ihre Lippen, sie blickte hoch zu ihm und sie verfielen in einen langen und unheimlich zärtlichen Kuss.

 

„Ich dich auch.“, flüsterte Thomas dann leise zwischen zwei Küssen. Biggi kuschelte sich noch dichter an ihn. Sie war total glücklich. Es dämmerte schon leicht, bald würde die Nacht ihre ganze Wirkung zeigen. Doch das Zwitschern der Vögel und das Rauschen des Baches brachten eine gewisse Romantik mit sich. Thomas sah zu Biggi. Sie war in seinen Armen eingeschlafen. In der Dämmerung konnte er alles nur noch schwach sehen, doch er vermeinte auf ihrem Gesicht ein kleines Lächeln zu erkennen. Überglücklich schloss er sie nochfester in die Arme, was kaum noch möglich war und schlief dann auch ein.

Als Biggi am nächsten Morgen aufwachte, bemerkte sie, dass sie immer noch in Thomas’ Armen lag, er schlief noch. Biggi fühlte sich richtig fit und erholt, so gut, wie in der letzten Nacht hatte sie schon lange nicht mehr geschlafen. Glücklich sah sie Thomas an und gab ihm dann einen sanften Kuss auf den Mund. Er blinzelte vorsichtig und lächelte Biggi dann an. „Du bist ja schon wach, mein Schatz.“, bemerkte er dann noch etwas verschlafen. Biggi nickte. „Ja, und sieh mal, was draußen für ein herrliches Wetter ist.“, Thomas blickte aus dem Fenster. Es war wirklich wunderschön. Die Sonne schien durch das Fenster genau auf das Bett und am Himmel war keine einzige Wolke zu erkennen. Thomas freute sich riesig, dass Biggi heute anscheinend einen ziemlich guten Tag hatte. Jedenfalls klang sie ziemlich fröhlich. „Das ist ja genau das richtige Wetter für einen kleinen Ausflug in den Park.“, sagte er lächelnd. Biggi stimmte ihm begeistert zu. „Ja, lass uns gleich nach dem Frühstück in den Park gehen.“

Das Frühstück ließ dann auch nicht mehr lange auf sich warten. Auch Thomas lag noch im Bett, als die Schwester mit dem Tablett in der Hand das Zimmer betrat. Sie schmunzelte, als sie sah, dass Biggi und Thomas die Betten zusammen geschoben hatten. Sie stellte das Tablett mit dem Frühstück auf Biggis Nachttisch und verließ das Zimmer dann wieder. Biggi kuschelte sich an Thomas. „Davon hab ich immer geträumt, mit der zusammen im Bett zu frühstücken.“, meinte sie lächelnd. Thomas gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich auch.“, sagte er dann. Er nahm eines der Brötchen vom Teller und begann Biggi damit zu füttern. Biggi nahm sich das andere Brötchen und tat es ihm nach. Es ging allerdings ziemlich viel daneben und irgendwann waren die Betten total voll gekrümelt. Doch Biggi war richtig glücklich und sie mussten ziemlich viel lachen – immer wenn etwas daneben ging. Als sie aufgegessen hatten, nahm Thomas Biggi wieder in den Arm und zog sie noch näher zu sich. „Ich liebe dich so sehr.“, flüsterte er ihr ins Ohr.“ Als Antwort bekam er nur einen langen Kuss, was ihm wohl auch lieber war.

Nachdem sie sich eine Zeit lang umarmt und geküsst hatten, meinte Biggi dann: „Jetzt lass uns aber aufstehen und in den Park gehen, sonst ist es gleich Mittag.“ Thomas nickte. „Hast Recht.“ Erstand auf und zog sich dann erst einmal an. Danach half er Biggi dabei, sich ihr Nachthemd auszuziehen und ihren Jogginganzug anzuziehen. Er ging einmal um die Betten herum, so dass er nun vor Biggis Bett stand. „Na, komm her.“, sagte er lächelnd. Er hob Biggi hoch und zog sie behutsam an sich. Dann setzte er sie langsam in den Rollstuhl. Er schob sie zur Tür und wollte diese gerade öffnen, als Biggi meinte: „Halt, wir haben noch etwas vergessen!“ Thomas sah sie fragend an. Biggi grinste und deutete auf einen der Besucherstühle, auf dem ihre Medicopterjacke lag. „Oh, natürlich, wie konnte ich das vergessen.“, meinte Thomasund holte ihr ihre Jacke. Biggi bedankte sich bei ihm mit einem Kuss und zog sich dann die Jacke über. Dann schob Thomas den Rollstuhl langsam aus dem Zimmer. Den Weg zum Park kannten sie schon auswendig, so oft waren sie ihn schon gegangen.

Das Wetter war noch immer herrlich und die Sonne schien. Man merkte, dass es langsam Sommer wurde. Thomas und Biggi begaben sich wieder zu ihrer Lieblingsbank, wo sie sich glücklich niederließen. Thomas hatte Biggi liebevoll in den Arm genommen und sie kuschelte sich nun an ihn. Biggi sah zu ihm auf. „Ich liebe dich.“, meinte sie und sah ihm tief in die Augen. „Ich dich auch – unendlich-.“, gab er leise zurück. Dann näherten sie ihre Gesichter einander, bis sich ihre Lippen schließlich sanft berührten und in einem innigen Kuss verschmolzen. Es dauerte lange, bis sie langsam wieder voneinander abließen. Biggi schmiegte sich wieder an Thomas und lächelte ihn an. Dann fiel ihr Blick plötzlich auf ihre Uhr. „Oh, mein Gott, die Physiotherapie, das hab ich ja total vergessen.“, rief se erschrocken. Auch Thomas hatte nicht mehr daran gedacht. Viel zu sehr hatte er die Zweisamkeit mit Biggi genossen. Nun zeigte die Uhr bereits viertel vor zwölf und um halb zwölf solle Biggis Physiotherapie beginnen.

"Oh nein...hoffentlich ist Maria nicht sauer. Ach schade, ich wär noch so gern mit dir sitzen geblieben." "Ich auch.", meinte Biggi traurig. Aber es half eben nichts, die Physiotherapie musste unbedingt regelmäßig eingehalten werden.

Thomas hob Biggi also zurück in den Rollstuhl und schob sie eilig zurück ins Klinik-Gebäude. Vor dem Therapie-Raum angelangt, blickte er auf die Uhr. Zehn vor zwölf. Er klopfte an, und die freundliche Stimme von Maria erklang aus dem Raum. "Herein?" Als Thomas mit Biggi in der Tür erschien, meinte er: "Entschuldigen Sie bitte, wir haben im Park vollkommen die Zeit vergessen." "Aber das ist doch schön! Weniger schön natürlich, dass Sie mich sitzen lassen - aber es ist doch ein gutes Zeichen, wenn Sie sich schon so gut anderweitig amüsieren können, dass Sie die Zeit vergessen. Und wir haben ja im Übrigen heute ein etwas anstrengenderes Programm, ich hätte die Stunde ohnehin gekürzt."

Thomas und Biggi waren erleichtert. "Was gibt es denn für ein Programm?", fragte Biggi dann neugierig. "Tja, ich dachte mir, weil das gestern ja schon so gut geklappt hat, werden wir erst wieder die übliche Übung machen und uns dann mal einem ganz neuen Kapitel widmen. Dr. Perding meinte, ich könnte es durchaus schon mit Ihnen versuchen. Aber jetzt schauen Sie mal nicht so fragend drein, Sie werden es schon noch erfahren.", meinte sie und lächelte.

Thomas hob Biggi aus dem Rollstuhl und legte sie behutsam auf die Liege. Maria machte dieselben Übungen wie in den letzten Tagen, und Biggi bemühte sich sehr, mitzumachen und sich zu konzentrieren. Sie bemühte sich so unheimlich, irgendetwas spüren zu  können – aber sie spürte immer noch nichts. Es war wirklich eine große Herausforderung, dabei nicht die Hoffnung zu verlieren. Doch Biggi verlor sie nicht.

Nach etwa zehn Minuten meinte Maria, Biggi sei jetzt aufgewärmt und Thomas könne sie wieder zurück in den Rollstuhl heben. Als er dies getan hatte, küsste er sie zärtlich und meinte: "Du warst heute wieder klasse." Sie lächelte. Sie wusste ja genau, dass Thomas das nicht bewerten konnte, fand es aber rührend von ihm sie so zu motivieren. Sie strich ihm sanft über den Nacken und meinte: "Und du bist es immer." Daraufhin küsste er sie nochmals, und noch länger, bis Maria sich räusperte. "Wir haben noch was vor", meinte sie lächelnd. Dann öffnete sie die Tür und Thomas und Biggi folgten ihr raus auf den Flur. Sie gingen ein paar Türen weiter, bis Maria vor einer Halt machte. Als sie sie öffnete, blickten sie in eine große Halle - fast ähnlich einem Turnsaal, nur mit ganz vielen Geräten drinnen und ebenso mit vielen Menschen, die Übungen machten. Als Maria die beiden in die Halle geführt hatte, und Thomas und Biggi neugierig das Treiben dort beobachteten, meinte Maria: "Diese Menschen gehen alle denselben Weg wie Sie. Manche haben große Chancen, manche keine. Aber sie alle nützen sie. Genau wie Sie es auch tun.", meinte sie und blickte Biggi aufmunternd an. All diese Geräte, die aussahen wie die Geräte eines Fitnesscenters, und die Menschen, die so rastlos daran trainierten, machten Biggi ein wenig Angst. Warum musste sie denn nur diesen Weg gehen? Den Weg, den so viele andere Menschen niemals kennen lernten in ihrem Leben. Warum denn ausgerechnet sie? Aber wenn sie sich all die Menschen ansah, wurde ihr klar, dass sie wohl doch alles andere als allein auf der Welt war. Ach was, allein war sie doch sowieso nicht. Sie blickte nach oben zu Thomas, welcher ihren Blick erwiderte und sich zu ihr runterbeugte. Er strich ihr aufmunternd über die Wange, gab ihr einen unheimlich zärtlichen Kuss auf den Mund und meinte leise: "Hey, ich bin ja da. Du wirst hier nie allein sein. Wir stehen das alles gemeinsam durch." Das erleichterte Biggi wieder ein wenig. Sie lächelte leicht und sagte: "Danke" "So, nun wagen wir uns doch gleich mal an was heran. Ich werde Sie unserem wichtigsten Stützapparat vorstellen.", meinte Maria. Ein Stützapparat? Neugierig folgten sie Maria, welche schließlich vor einem Gerät halt machte. "Mithilfe dieses Geräts werden Sie erste Stehversuche machen. Na, ist das nicht was? Es dient in unserem Stadium vor allem der besseren Durchblutung und der Instandsetzung der Muskulatur." Biggi war erst mal platt, Thomas ebenso. Sie sollte stehen??? Maria holte noch einen Assistenten hinzu, der immer wieder von einem Patienten zum anderen huschte und Hilfe leistete. Bei einigen war gar kein Therapeut mehr dabei.

Mit seiner Hilfe wurde Biggi aus dem Rollstuhl gehoben und erst mal sitzend an dem Gerät festgeschnallt. Ängstlich blickte sie zu Thomas, der zusehen musste. Das alles war so schrecklich neu und ungewohnt. Als alles vorbereitet war, deutete Maria Thomas, näher zu kommen. "Sie werden ihr jetzt am besten helfen können.", meinte sie. Der Pfleger stellte sich mit ihr an die andere Seite, und schließlich steuerte er das Gerät so, dass Biggi tatsächlich aus dem Sitz gehoben wurde und schließlich aufrecht stand. "Versuchen Sie, sich an den beiden Stangen zu ihren Seiten festzuhalten. Sie müssen lernen, Ihre Kräfte nun anders proportioniert zu verteilen, das heißt, in diesem Fall belasten sie hauptsächlich Ihre Armmuskulatur." Der Pfleger stellte sich hinter sie und stützte sie mit Thomas' und Maria's Hilfe, bis Biggi schließlich meinte, sie könnten loslassen. Thomas tat es sehr ungern, hatte er doch noch zu große Angst, sie könnte sich nicht mehr halten. "Thomas, ich glaube, ich schaffe es.", meinte Biggi dann zuversichtlich, und Thomas ließ sie schweren Herzens los. Tatsächlich stand Biggi nun da, in voller Größe, wie sie es früher getan hatte. Natürlich wurde sie bis zur Hüfte nur durch das Gerät gehalten – doch aus dieser Perspektive ihre Umwelt zu sehen, das war wie ein wunderschöner Traum für sie.

Sie lächelte. Überglücklich sah sie zu Thomas, und als er ihr strahlendes Gesicht sah, wurde auch er glücklich. "Na, wie fühlt es sich an?", fragte Maria. "Phantastisch.", meinte Biggi. Dann richtete sie sich an Thomas und sagte leise: "Komm näher. Ich will dich im Stehen küssen, das hab ich noch nie gemacht." Thomas musste lächeln, dann näherte er sich ihr, legte seine Arme liebevoll um sie und sie versanken in einem unendlich zärtlichen, innigen  Kuss. "Na wenn das keine tolle Premiere ist...", meinte Maria und strahlte ebenso...

„Und, wie war es?“, fragte Thomas Biggi leise, nachdem sich ihre Lippen unendlich langsam wieder von einander gelöst hatten. „Es war wunderschön.“, antwortete sie und lächelte überglücklich. Daraufhin näherte Thomas sein Gesicht erneut ihrem und sie küssten sich noch einmal. „Ich denke, das ist genug für heute.“, meldete sich Maria dann zu Wort. Biggi und Thomas ließen von einander ab und sahen zu ihr. Sie lächelte die beiden an, dann wies sie den Pfleger an, ihnen zur Hilfe zukommen, denn sie mussten Biggi schließlich noch zurück in den Rollstuhl setzen.

Als Biggi dann wieder im Rollstuhl saß, wurde sie wieder ein wenig traurig. Es war so herrlich gewesen, die Welt wieder aus einer aufrechten Perspektive zu sehen. Ja, es war so gewesen wir früher. Und nun, nun saß sie wieder in diesem Rollstuhl. Doch sie wusste, dass sie wieder aufrecht stehen würde, vielleicht schon morgen und bald, ja bald, würde sie es schaffen aufrecht zu stehen, ohne dieses Stützgerät, das hatte sie sich ganz fest vorgenommen. Sie konnte es jetzt schon kaum noch abwarten bis zur nächsten Therapiestunde. „Bis morgen dann.“, verabschiedete Maria sich von Biggi und Thomas. „Ja, bis morgen.“, erwiderte Biggiglücklich. Thomas schob sie langsam aus dem Raum. An der Tür drehte Biggi sich noch einmal um. Sie sah zu all den anderen Patienten, die hier ihre Übungen machen, sie hatten alle genau das gleiche Schicksal wie sie. Biggi fragte sich, wie lange diese ganzen an deren Patienten wohl schon gelähmt waren. Wie lange waren sie schon physiotherapeutischer Behandlung? Ob es ihnen auch so erging wie ihr? „Wollen wir uns noch ein wenig in Cafe setzen?“, fragte Thomas und riss Biggi damit aus den Gedanken. „Ja, gern.“, antwortete sie und lächelte ihn verliebt an. Thomas schon ihren Rollstuhl in das kleine Cafe, das sich gegenüber er Behandlungsräume befand. Sie setzten sie an den gleichen Tisch, dann dem sie das letzte Mal auch gesessen hatten. Sie bestellten sich beide ein Stück Kuchen und einen Tee. „Ich bin so stolz auf dich, Biggi.“, sagte Thomas dann. „Siehst du, jetzt geht es mit der Physiotherapie aufwärts und ich bin mir ganz sicher, bald wirst du wieder gehen können.“ Biggi nickte überglücklich. Sie hoffte, dass er ihr nicht zuviel versprach, doch sie selbst wünschte es sich auch so sehr. Ja, dann wäre alles wieder gut. Sie würde wieder laufen können und fliegen. Und Motorrad fahren und mit Thomas an der Salzach spazieren gehen. Ja, es würde alles so sein wie vor dem Unfall, mit einem Unterschied. Sie hatte Thomas und das machte sie unendlich glücklich. ‚Ach, wenn es doch endlich so weit wäre.’, dachte Biggi sich. Doch sie wusste auch, dass se froh sein konnte, wenn es überhaupt irgendwann einmal so sein würde. „Ich liebe dich so sehr.“, sagte Biggi leise und blickte Thomas tief in die Augen. Er nahm sie liebevoll in den Arm und sie küssten sich zärtlich.

Plötzlich hörten sie eine wohlbekannte Stimme neben sich. „Wir wollen ja nicht stören….“ Erschrocken blickten Thomas und Biggi auf. Sie sahen in die verlegen lächelnden Gesichter von Ralf und Karin. „Da du nicht auf deinem Zimmer warst, dachten wir uns, dass ihr hier oder im Park seid….“, erklärte Karin Biggi. Biggi freute sich riesig die beiden zu sehen und sie umarmten sich erst einmal. „Hey, wie geht’s dir?“, fragte Karin ihre Freundin. „Ich konnte heute zum ersten Mal aufrecht stehen.“, erzählte Biggi überglücklich. „Zwar mit Hilfe eines Stützgerätes…aber es war herrlich die Welt mal wieder aus einer anderen Perspektive zu sehen.“ Karin und Ralf freuten sich riesig für Biggi. Sie setzten sich zu ihr und Thomas an den Tisch und zogen ihre Jacken aus. „Und, wie läuft es auf der Basis?“, wollte Biggi dann wissen. „Na ja, also deine Vertretung ist echt schlimm, ich hoffe wir müssen sie nicht mehr allzu lange ertragen. Der Ersatzpilot, der für Thomas dort ist, er heißt Jens Köster, ist ganz in Ordnung, aber trotzdem vermissen wir euch beide sehr.“, erzählt Ralf. Thomas und Biggi nickten. Sie hofften beide, dass dieser Zustand nicht mehr allzu lange andauern würde. „Tja, die Ärzte wollen mich Ende nächster Woche entlassen. Ich werde allerdings noch weiterhin zur Physiotherapie gehen und hoffe, dass ich dann bald wieder meinen Job ausüben kann.“ Karin nickte. Sie wusste, dass Biggi sich das etwas zu einfach vorstellte, doch sie sagte nichts, denn sie wollte ihr ihre Hoffnung und ihre Motivation nicht nehmen. Als Ärztin wusste sie genau, dass es ein langer Weg sein würde, bis Biggi wieder ganz gesund sein würde. Wenn sie es überhaupt schaffen würde. „Und wenn ich dann aus dem Krankenhaus raus bin und wieder ein wenig besser allein zu Recht komme, dann kann Thomas ja auch wieder arbeiten.“, fügte Biggi hinzu. „Aber zuerst, werde ich mich schon noch um Biggi kümmern. Vielleicht werde ich meinen Job nur als Halbtagsstelle weitermachen, vorübergehend jedenfalls.“, erklärte Thomas Ralf und Karin. Die beiden nickten, sie konnten verstehen, dass Thomas sich um Biggi kümmern wollte. Sie würde es sicherlich nicht leicht haben in der ersten Zeit nach ihrer Entlassung. Thomas hatte sich fest vorgenommen ihr das Leben so gut wie möglich zu erleichtern und ihr zu helfen wo er nur konnte. Dafür riskierte er sogar seinen Job, der ihm früher alles bedeutet hatte. Doch nun war Biggi das wichtigste für ihn, sie war sein Leben. Er freute sich zwar auch darauf seinen Job wider ausüben zu können, doch Biggi war einfach wichtiger, viel wichtiger. Er hatte die letzten Wochen fast ausschließlich bei ihr in der Klinik verbracht. Er fühlte sich hier schon fast wie zuhause und konnte es sich fast gar nicht mehr anders vorstellen. Ja, er hatte sein altes Leben für Biggi aufgegeben, jedenfalls die letzten Wochen. Bald würde sie schließlich entlassen werden und Thomas würde wieder arbeiten.

Thomas, Biggi, Ralf und Karin unterhielten sich noch den ganzen Nachmittag. Biggi war richtig gut drauf, vor allem wegen dem Erfolg in der Physiotherapie. Schließlich war es schon Abend. Es war bereits dunkel und Ralf und Karin verabschiedeten sich. „Ich wünsche dir noch alles Gute.“, meinte Ralf und umarmte Biggi noch einmal. „Danke.“, sagte sie, „Thomas hilft mir ja.“, sagte Biggi und lächelte Thomas, der seinen Arm um sie gelegt hatte, unendlich dankbar an. „Wir kommen in den nächsten Tagen noch einmal vorbei.“, versprachen Ralf und Karin Biggi und gingen dann endgültig. „Wollen wir hoch aufs Zimmer gehen?“, fragte Thomas Biggi dann, als Karin und Ralfweg waren. „Hm, ich hab da eine bessere Idee.“, sagte sie geheimnisvoll. „Und die ist?“ „Wir könnten noch einen kleinen Ausflug in den Park machen.“, schlug sie vor. Thomas grinste. „Warum eigentlich nicht.“, meinte er und lächelte sie an. Biggi nickte. So schob Thomas den Rollstuhl aus dem Cafe. Er schob Biggi den Gang entlang, bis sie schließlich beim Ausgang waren. Es war schon stockfinster und nur der Mond warf ein fahles Licht auf den Park, der dunkel vor ihnen lag. Thomas schob Biggi nach draußen. Es war schon ein wenig frisch geworden. „Ist dir kalt?“, fargte er sie führsorglich. „Nein, es geht schon, ich habe ja meine Jacke.“, gab Biggi zurück und lächelte ihn verliebt an. „Zum Fluss?“, wollte Thomas dann wissen. Biggi nickte. „Ja, zum Fluss“, sagte sie schon fast schwärmend. Also gingen sie einmal quer durch den ganzen Park bis hin zum Fluss. Die Lichter der Klinik konnte man nur noch schwach in einiger Entfernung erkennen. Der Himmel war sternenklar und es war keine einzige Wolke zu sehen. Thomas hob Biggi langsam aus dem Rollsuhl und zog sie ganz nah an sich. Dann ging er mit ihr zu der Bank, auf der sie immer saßen. Er nahm Biggi auf seinen Schoß und schloss sie ganz fest in die Arme. Der Mond spiegelte sich auf dem klaren Wasser und es war ganz still. Man hörte kein Geräusch nur das leise Zirpen einiger Grillen, mitten hinein in die Stille der Nacht.. „Ist es nicht wundervoll romantisch hier?“, fragte Biggi und kuschelte sich noch enger an Thomas. „Ja.“, sagte er leise und begann dann sie zärtlich zu küssen.

Nachdem sie wieder ein wenig voneinander abgelassen hatten, fragte Biggi leise: "Was sollen wir eigentlich machen, wenn ich dann entlassen werde? Ich meine, dann haben wir ja diesen wunderschönen Park nicht mehr." "Hm...aber dafür haben wir ja uns.", entgegnete Thomas darauf. "Uns haben wir doch jetzt schon.", meinte Biggi. "Stimmt. Und ich bin so unendlich dankbar dafür.", sagte Thomas und küsste sie wieder zärtlich. "Ich auch.", meinte Biggi dann. "Weißt du was?" "Was denn?", fragte sie. "Ich werde in unserem Garten einen Park anlegen. Was hältst du davon? Ein wunderschöner kleiner Teich, viele Bäume, Seerosen ... alle nur für dich, weil du so schön bist wie die schönste Seerose der Welt." "Oh Thomas..." Biggi war gerührt. Sie sah ihm tief in die Augen, er tat es ihr nach, und wieder verfielen sie in einen unglaublich zärtlichen und innigen Kuss.

Noch lange, sehr lange blieben sie in dieser einzigartig romantischen Nacht auf der einsamen Bank sitzen, küssten sich, zählten die Sterne, genossen die Zweisamkeit und ihre Liebe zueinander. Als sie schließlich doch müde in Biggis Zimmer zurückkehrten, kuschelten sie sich in den Betten aneinander und waren sofort eingeschlafen.

Die nächste Woche verging wie im Flug. Biggis Entlassung, es sollte ein Montag sein, rückte immer näher - Biggi und Thomas wurden immer aufgeregter, und sehnten dem Tag entgegen. Thomas hatte die nötigen Vorkehrungen für das Haus veranlasst und schaffte es trotzdem, so viel Zeit wie möglich bei Biggi zu verbringen. Auch Michael, Karin, Peter und Ralf freuten sich schon riesig auf den Tag von Biggis Entlassung und waren auf Hochtouren dabei, ein gehöriges Willkommensfest für sie zu veranstalten. Es sollte auf der Basis stattfinden, an dem Ort, der Biggis größtes Ziel war, der Ort, der sie motivierte, weiterzukämpfen, um irgendwann wieder dort arbeiten zu können und ihren Engel zu fliegen.

Als der Abend vor der Entlassung gekommen war, der letzte Abend, den Biggi und Thomas in der Klinik verbringen würden, hatten sie sich selbstverständlich wieder auf den Weg in den Park gemacht. Hatten gewartet, bis alle Leute verschwunden waren und sie schließlich die einzigen waren, die sich noch hier befanden. Sie saßen dicht aneinandergekuschelt auf der Bank und schauten in den Himmel. Die Nacht war sternenklar, es herrschte romantische Stille und der Mond blickte auf sie herab, wie sie sich zärtlich küssten.

"Hättest du dir je gedacht, dass die Zeit nun so schnell vorbeigeht?", fragte Thomas Biggi leise, während sie in die Sterne blickten. "Nein.", entgegnete Biggi. "Ich kann es immer noch nicht glauben. Morgen kann ich endlich zurück ins Leben. In mein altes Leben. Na ja, oder in mein neues Leben.", meinte sie nachdenklich. "In ein anderes Leben. Ein bereichertes. Meinst du nicht?", sagte Thomas darauf. Biggi sah ihn an und nickte dann lächelnd. "Ja. Mit der schönsten Bereicherung, die ich nie verdient habe. Mit dir." "Doch. Du hast mich verdient. Aber ich glaube nicht, dass ich dich verdient habe.", meinte er dann und sie mussten beide lächeln. "Bestimmt hast du das. Einen wundervolleren Menschen als dich gibt es gar nicht.  "Doch. Aber ich sage dir jetzt nicht, wen.", entgegnete Thomas, stattdessen küsste er sie nur leidenschaftlich.

Als sie wieder voneinander abgelassen hatten, atmete Thomas tief durch und sagte dann: "Und morgen ist es endlich soweit..." "Jaja...", entgegnete Biggi seufzend. Thomas sprach weiter. "Wir werden es wunderschön haben." "Selbst wenn ich mit dir in der Kanalisation leben würde, hätte ich es wunderschön.", entgegnete Biggi darauf. "Stimmt. Das könnten wir doch eigentlich auch mal ausprobieren. Meinst du, sind die Teiche dort auch so schön?" "Du Ferkel.", lachte Biggi. "Seerosen gibt's da aber auch keine. Bleiben wir doch besser über der Erde." "Hast schon recht.", willigte Thomas ein und schmiegte sein Gesicht an ihres.

"Sag mal ... kann ich dich hier kurz alleine lassen?", fragte er dann. "Ungern.", entgegnete sie. "Weshalb denn?" "Hm...ich muss was erledigen. Aber ich bin in drei Minuten wieder da. Versprochen." "Na gut. Aber komm wirklich in drei Minuten wieder, ich vermisse dich nämlich sonst zu sehr.  "Na klar." Er drückte Biggi nochmals sanft einen Kuss auf den Mund, hob sie dann vorsichtig von seinem Schoß und setzte sie auf die Bank. Dann eilte er Richtung Klinikeingang. Er wollte Biggi auf keinen Fall länger als nötig allein lassen, doch ihm war gerade eine wunderbare Idee gekommen. So schnell wie möglich fuhr er mit dem Lift nach oben und begab sich in ihr Zimmer. Dort kramte er das ganze Bettzeug zusammen und suchte sich Decken aus dem Schrank. Dann schrieb er noch schnell der Nachtschwester eine Nachricht, damit sie sich keine Sorgen machen musste. Als er das Zimmer wieder verließ, lugte er erst nach draußen, ob er auf dem Flur auch niemandem begegnete. Doch die Luft war rein und so schlich er sich beim Notausgang zurück nach unten.

Exakt drei Minuten, nachdem er gegangen war, schlich er auch schon wieder hinter Biggi und küsste sie am Nacken. Biggi drehte sich freudig um und küsste ihn zärtlich. "Ich hab dich schon so vermisst. Was hast du denn da?", fragte sie dann verwundert, als sie das ganze Bettzeug sah. "Das Material für eine wunderschöne Nacht, die wir heute zusammen im Park verbringen könnten. Hast du Lust?" "Oh ja, und wie! Das ist echt ne klasse Idee!" Biggi war begeistert. Und so breitete Thomas vor dem Ufer zwei Decken übereinander aus, und legte schließlich das Kissen und die Bettdecke darüber. Dann ging er zu Biggi, gab ihre einen zärtlichen Kuss und hob sie schließlich behutsam von der Bank. Anschließend legte er sie unter die Bettdecke, deckte sie zu, und kuschelte sich dann selbst zu ihr. Sie schmiegte sich glücklich an seine Brust.

"Ich fühle mich wie im schönsten Traum. Bei dir, über uns die Sterne, vor uns das Wasser und um uns keine Probleme... so sollte es ewig sein.", meinte Biggi leise. "Das wird es, mein Schatz.", entgegnete Thomas. "Wenn du doch nur recht hättest.", meinte Biggi und lächelte, dann richtete sie sich ein wenig auf, fasste mit der Hand zärtlich nach seinem Gesicht und küsste ihn. Er erwiderte es, und ihre Küsse wurden immer inniger und leidenschaftlicher. Irgendwann schliefen sie dann überglücklich und müde nach einem wunderschönen Tag ein. Sie träumten davon, wie das neue - nein, das andere Leben ab morgen sein würde.

Am nächsten Morgen wurden sie vom fröhlichen Zwitschern der Vögel geweckt. Als Thomas bemerkte, dass auch Biggi zugleich mit ihm wach geworden war, gab er ihr einen zärtlichen Morgenkuss. "Diese Musik ist fast so schön wie das Geräusch der Rotoren...", meinte Biggi anschließend träumerisch. "Aber nichts ist schöner als hier bei dir zu liegen - nicht mal im Cockpit unseres Engels zu sitzen.", fügte sie dann hinzu. Daraufhin lächelte er sie glücklich an und küsste sie abermals. "Hast du gut geschlafen?" "Wahnsinnig gut. Und du?" "Ja, ich auch.", entgegnete er.

Während Biggi und Thomas aneinander gekuschelt noch lange die Ruhe des Morgens genossen, herrschte auf der Basis bereits Hochbetrieb. Alles wurde vorbereitet für Biggis Willkommensfest - die würde vielleicht Augen machen...

 

Fortsetzung:

Peter, Ralf, Karin, Max und Michael hatten den ganzen Hangar aufgeräumt und dort einen Tisch aufgebaut. Sie hatten extra den Partyservice bestellt und ein kaltes Buffet kommen lassen. Zusätzlich hatten sie noch ein riesiges Schild vor der Tür zum Hangar angebracht, auf dem „Welcome Back, Biggi! Wir haben dich vermisst“ stand. Das Team war schon den ganzen Morgen damit beschäftigt alles vorzubereiten. Nur der Winter hatte sich mies gelaunt in die hinterste Ecke des Aufenthaltsraums verzogen und beobachtete missbilligend das ganze Spektakel. Sie sagte jedoch lieber nichts, weil sie genau wusste, dass die anderen in der Überzahl waren und sie sich nicht noch unbeliebter machen wollte. Kopfschüttelnd setzte sich schließlich an ihre Berichte. Ihrer Meinung nach, war dies ein Luftrettungsstützpunkt und kein Partykeller und diese Biggi wollte sie eigentlich auch gar nicht kennen lernen.

Thomas und Biggi waren inzwischen aufgestanden. Thomas hatte Biggi zurück in ihr Zimmer gebracht, wo sie zunächst gemütlich frühstückten. Dann packte er ihre restlchen Sachen zusammen, wobei Biggi ihm belustigt zusah, denn Thomas machte fast noch mehr Unordnung und brachte alles durcheinander. Schließlich hatte er es jedoch geschafft und alle Sachen waren in Biggis Reisetasche verstaut. Erschöpft aber überglücklich, ließ er sich zu Biggi aufs Bett sinken. „Oh, mein armer Schatz…“, sagte sie lächelnd und küsste ihn als Entschädigung.

Wenig später klopfte es an der Tür und Dr. Perding betrat das Zimmer. „Nun ist also der Tag des Abschieds gekommen.“, sagte er zu Biggi. Irgendwie würde er sie vermissen, sie und Thomas. Schließlich hatte er ihren gesamten Leidensweg mitbekommen. Von dem Tag ihrer Einlieferung bis heute, dem Tag ihrer Entlassung. Und es war wirklich erstaunlich, wie schnell es mit Biggi bergauf gegangen war, wobei Thomas dazu sicherlich einen großen Teil beigetragen hatte. „Ich wollte mich noch einmal persönlich von Ihnen verabschieden.“, meinte Dr. Perding und trat näher auf Biggi und Thomas zu. „Ich wünsche Ihnen noch alles, alles Gute und ich bin mir sicher, dass Sie es schaffen werden, wieder ganz gesund zu werden. Sie haben einen eisernen Willen, das ist die wichtigste Vorraussetzung dazu.“, ermutigte er Biggi. Sie nickte glücklich. „Danke noch mal, für alles.“, erwiderte Biggi und Thomas stimmte zu. „Wir sehen uns ja sicherlich noch einmal wieder, bei einer Untersuchung.“, meinte Biggi dann, denn sie wusste, dass sie in der nächsten Zeit noch öfters in die Klinik kommen müssen würde, um irgendwelche Untersuchungen über sich ergehen zu lassen. Dr. Perding gab ihr und Thomas zum Abschied die Hand und wandte sich dann an Thomas. „Passen sie gut auf ihre Freundin auf.“ Dieser nickte. „Darauf können sie sich verlassen.“ Dann verabschiedete Dr. Perding sich endgültig. Biggi konnte es nun kaum noch erwarten, das Krankenhaus endlich zu verlassen. Thomas hob sie in den Rollstuhl und nahm ihre Tasche. In den letzten Tagen hatte Biggi bereits wieder so viel Kraft gesammelt, dass sie mit dem Rollstuhl nun auch ohne Probleme alleine vorwärts kommen konnte, ohne geschoben würde. Sie musste sich schließlich daran gewöhnen.

Als sie auf dem Parkplatz, wo Thomas’ Wagen stand, angekommen waren, packte er zunächst Biggis Tasche in den Kofferraum. Dann nahm er sie hoch und setzte sie behutsam auf den Beifahrersitz. „Ist es ok so?“, fragte er sie lieb. „Ja, alles bestens.“, erwiderte Biggi glücklich lächelnd. Nachdem Thomas schließlich auch noch den Rollstuhl verstaut hatte, konnte es endlich losgehen.

Für Biggi war es ein komisches Gefühl, endlich wieder etwas anderes zu sehen, als die Klinik und den Krankenhauspark. Doch sie war total glücklich endlich wieder in ihr altes, nein in ein neues Leben zurückkehren zu können. Wie sehr hatte sie alles vermisst. Sie freute sich schon unheimlich darauf ihre BK wieder zu sehen, obgleich sie sie noch nicht wieder selbst fliegen konnte. Aber irgendwann würde sie es schaffen, das hatte sie sich ganz fest vorgenommen und diese Hoffnung gab ihr Kraft. Sie wusste, dass Thomas sie unterstützen würde, wo es nur ging und zusammen würden sie es schaffen.

„Wo fährst du denn hin?“, fragte Biggi irritiert, als Thomas an einer Kreuzung links abbog, obwohl es zur Villa von ihm und Michael nach rechts abging. „Überraschung!“, meinte Thomas nur geheimnisvoll und lächelte sie an.

Biggi konnte sich schon denken, wohin es gehen würde, denn dies war genau der Weg, der zur Basis führte. Sie grinste Thomas an und sah dann wieder aus dem Fenster. Es war ein herrlich warmer Tag, der Himmel war blau und die Sonne schien.

Nach wenigen Minuten hatten sie tatsächlich die Medicopterbasis erreicht. Biggi blickte nachdenklich aus dem Fenster. Es war schon so lange her, dass sie das letzte Mal hier gewesen, all die Woche, sie kamen ihr vor wie eine Ewigkeit. Thomas stieg aus und holte den Rollstuhl aus dem Auto, dann half er Biggi beim Aussteigen. „Und, was sagst du?“, fragte er, „Es hat sich fast nichts verändert, seit du weg warst.“ Biggi nickte. Verändert hatte sich wirklich nichts, doch trotzdem war nichts mehr wie früher. Als Thomas sie langsam um den Hangar herum schob, erblickte sie ihn dann endlich – ihren Engel. Er stand auf dem kleinen Rollbrett vor dem Hangar und glänzte im Schein der Sonne. Wie sehr hatte sie ihn vermisst. Doch die Freude wurde dadurch überschattet, dass Biggi bei seinem Anblick auch sofort wieder an den Unfall denken musste. Sie würde wahrscheinlich nie wieder selbst fliegen können. „Freust du dich denn gar nicht?“, fragte Thomas ein wenig verunsichert, denn er hatte natürlich bemerkt, dass Biggi sehr nachdenklich und schweigsam geworden war. „Doch, schon….“, antwortete sie zögernd, „Aber…ich…ich würde so gern selbst wieder fliegen können. Thomas kniete sich vor sie, nahm ihre Hände und sah ihr in die Augen. „Das wirst du Biggi, ganz bestimmt. Du musst nur ganz fest daran glauben.“ Dann nahm er sie innig n die Arme und drückte sie an sich. ‚Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, sie gleich auf die Basis zu bringen?’, dachte er sich, während er ihr sanft über den Rücken strich. Biggi nickte tapfer. „Komm, lass uns zu den anderen gehen.“, meinte sie dann. Thomas nickte und stand wieder auf. Dann betraten sie langsam die Basis

Karin, Michael, Ralf, Max und Peter hatten alles vorbereite und den Hangar abgedunkelt. Als Thomas und Biggi in den kleinen Flur kamen, sahen sie bereits das Willkommenschild für Biggi. Sie musste grinsen. ‚Was die anderen sich wohl für sie ausgedacht hatten?’ Als Thomas schließlich die Tür zum Hangar öffnete, war dort drinnen alles dunkel und man konnte nichts erkennen. Nach wenigen Sekunden jedoch ging es Licht an. Biggi strahlte über das ganze Gesicht als sie Ralf, Karin, Max, Peter und Michael erkannte, die fröhlich auf sie zukamen. Zudem sah sie das große Buffet, das die anderen aufgebaut hatten. Karin machte den Anfang und umarmte Biggi glücklich. „Schön, dass du wieder hier bist.“, meinte sie. Biggi nicke. Sie war auch froh, wieder hier zu sein. Auch die anderen begrüßten Biggi. Dann setzten sie sich alle an den großen Tisch, der in der Mitte des Hangars aufgebaut war. Thomas hob Biggi aus dem Rollstuhl und setzte sie auf seinen Schoß. Michael stand schließlich wieder auf und lenkte somit die Aufmerksamkeit auf sich. „Also Biggi, wir sind alle sehr, sehr froh dass du wieder bei uns bist. Wir haben dich wirklich vermisst.“ „Danke…“, meinte Biggi. Sie war total gerührt.

Fortsetzung folgt!!!!

 



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