Alles Glück dieser Welt (Autor: Susi und Verena)
Es war ein verregneter Abend Ende Januar. Den ganzen Tag hatte es nicht aufgehört, zu regnen und zu stürmen, und es war mehr als nur ungemütlich draußen. Trotzdem blieb Biggi keine andere Wahl, als an diesem Abend noch aus dem Haus zu gehen. Sie hatte Nachtschicht. Gerade hatte sie noch ein paar gemütliche Stunden zusammen mit Thomas auf dem Sofa vor dem Kamin verbracht, doch nun war es höchste Zeit, aufzubrechen. Ihre Schicht begann in einer Viertelstunde und zehn Minuten würde sie für den Weg von der Villa zur Basis brauchen. „Was würde ich dafür geben, die Nachtschicht heute sausen lassen zu können.“, seufzte Biggi, als sie sich ihre Jacke anzog. Thomas nickte betrübt. Meistens begleitete er seine Liebste zur Nachtschicht, genauso wie umgekehrt, doch an diesem Abend war Michael mit Dirk im Kino und konnte somit nicht wie sonst immer auf Lisa und Laura aufpassen. Die beiden Mädchen waren Thomas’ Ansicht nach noch zu klein, um allein bleiben zu können, und so musste er an diesem Abend wohl oder übel zuhause bleiben. „Ich werde dich vermissen.“, meinte er sehnsüchtig, nachdem Biggi ihn zum Abschied geküsst hatte. „Ich dich auch, mein Schatz. Macht euch einen schönen Abend!“ Thomas nickte, obgleich er wusste, dass der Abend nicht schön werden würde ohne Biggi. Er zog sie noch einmal zu sich und sie küssten sich lange und innig. Dann musste Biggi jedoch endgültig los. „Willst du nicht lieber mein Auto nehmen? Ich meine, mit dem Motorrad, bei dem Wetter und in der Dunkelheit?“, fragte Thomas zweifelnd, als sie ihren Helm von der Kommode, die im Flur stand, nehmen wollte. Biggi blickte durch das kleine Fenster neben der Haustür. Thomas hatte ja Recht, doch sie wusste, dass sie ohnehin schon spät dran war. „Aber mit dem Motorrad bin ich schneller. Ich bin eh schon spät dran und du weißt, ich kann mir nicht noch mehr Ärger mit Ebelsieder leisten.“ Oh ja, das wusste er. Biggi hatte es mit dem Basischef schon immer schwer gehabt. Bevor sie und Thomas ein Paar geworden waren, hatte Ebelsieder Biggi auffälligst umworben, und als er dann hatte einsehen müssen, dass ihr Herz Thomas gehörte, tat er alles, um der jungen Pilotin das Leben schwer zu machen. „Aber fahr vorsichtig.“, bat Thomas sie ein wenig besorgt. Ihm war immer unwohl dabei zumute, wenn er wusste, dass Biggi in der Dunkelheit Motorrad fuhr, und dann auch noch bei so einem Wetter….Biggi nickte und lächelte ihn an. „Versprochen.“ Sie drückte ihrem Liebling noch einen kleinen Kuss auf den Mund, setzte sich dann den Helm auf und verließ das Haus. Bevor Thomas hinter ihr die Tür schloss, drehte sie sich noch einmal um und winkte ihm lächelnd zu. Er winkte zurück, ließ ihr noch einen kleinen Kuss zufliegen und begab sich dann schließlich nach drinnen.
Während Biggi zu ihrem Mottorad ging, das direkt neben Thomas’ Auto parkte, war er an das Küchenfenster getreten und sah ihr nun zu, wie sie auf ihre BMW stieg und wenig später vom Grundstück fuhr. Als das rote Rücklicht ihres Motorrads im Regen verschwunden war, wandte Thomas sich vom Fenster ab. Er beschloss, erst einmal das Abendessen für Lisa und Laura vorzubereiten.
Gerade hatte er die Kinder zum Essen gerufen, als Michael und Dirk nachhause kamen. „Nanu, ihr seid schon zurück?“, wunderte Lisa sich, als die beiden in der Küche standen. „Ja, der Film war schneller zu Ende, als wir gedacht hatten.“ „War es dann wenigsten gut?“, erkundigte Thomas sich bei seinem Freund und Kollegen. Michael nickte. „Ja, es war echt nett, aber jetzt bin ich wirklich froh, wieder zuhause zu sein. Bei dem Wetter….“ Die anderen nickten zustimmend. So setzen sich Michael und Dirk zu Lisa, Laura und Thomas an den Tisch und sie aßen gemeinsam.
Sie waren gerade fertig und Lisa, Laura und Dirk waren nach oben in ihre Zimmer verschwunden, als das Telefon klingelte. Michael, der sowieso gerade aufgestanden war, ging ran. „Lüdwitz“, meldete er sich. „Hallo, Michael. Ich bin’s, Gabriele. Hast du eine Ahnung, wo Biggi ist? Unsere Schicht hat seit einer halben Stunde begonnen, aber sie ist hier noch nicht aufgetaucht. Ebelsieder ist bereits auf 180…“ „Warte, ich gebe dir mal Thomas.“, meinte Michael und reichte das schnurlose Telefon an seinen Freund weiter, der noch am Tisch saß. „Ja?“ „Thomas, hier ist Gabriele…“ Die Notärztin berichtete ihrem Kollegen dasselbe, was sie wenige Augenblicke zuvor Michael erzählt hatte. „Was? Aber das kann doch nicht sein, sie ist eine Viertelstunde vor Schichtbeginn hier losgefahren.“, erzählte Thomas mit einem Anflug von Panik in der Stimme. Nun wurde auch Gabi stutzig. Sie wusste so gut wie Thomas, dass der Weg von der Villa zur Basis nur zehn Minuten dauerte. „Meinst du, dass…ihr…“, Gabi wagte es kaum ihre Befürchtungen vor Thomas auszusprechen, da sie ihn nicht noch mehr beunruhigen wollte, als er es sowieso schon war. „Dass ihr etwas passiert ist?“, vervollständigte Thomas Gabis Satz jedoch sofort, denn er teilte ihre schlimmen Vorahnungen. Gabi bejahte das schließlich. „Ich werde sofort losfahren. Am besten ich fahre die Strecke von uns bis zur Basis ab und suche nach ihr. Falls sie sich bei euch meldet, gebt mir bitte sofort bescheid, ja?“, Thomas war fast außer sich vor Sorge. Es musste etwas passiert sein, zumindest fiel ihm in diesem Moment keine andere plausible Lösung ein. Biggi brauchte schließlich niemals über eine halbe Stunde bis zur Basis und woanders hin war sie mit Sicherheit auch nicht gefahren.
Als er Michael von seinem Vorhaben berichtete, beschloss dieser sofort, mitzukommen. Da Dirk jetzt zuhause war, konnte er auf Lisa und Laura aufpassen. Wenige Minuten später fuhren sie auch schon mit Michaels Jeep vom Hof. Der Notarzt hatte Thomas angeboten, zu fahren, da er natürlich mitbekommen hatte, wie sehr Thomas sich um Biggi sorgte und dass er in diesem Zustand besser nicht selbst fahren sollte. Während Michael die Scheibenwischer auf die höchste Stufe gestellt hatte, um überhaupt etwas sehen zu können, starrte Thomas die ganze Zeit aus dem Fenster, um zu versuchen, irgendetwas zu erkennen. Doch die Dunkelheit und der starke Regen beeinträchtigten seine Sicht stark und es war weit breit nichts zu sehen von einem Unfall oder Ähnlichem. „Oh Gott, hoffentlich ist ihr nichts passiert.“, flehte er leise. Michael versuchte seinen besten Freund zu beruhigen. „Vielleicht ist sie ja schon längst auf der Basis angekommen, hm?“ „Nein, Gabi wollte mich sofort auf Handy anrufen, sobald sie etwas Neues von Biggi gehört hat.“, widersprach Thomas ihm sofort. „Hätte ich sie doch bloß nicht mit dem Motorrad fahren lassen, bei dem Wetter.“ „Wenn du dir jetzt Vorwürfe machst, hilft das Biggi auch nicht.“, meinte Michael, der inzwischen auch ziemlich beunruhigt war. Thomas nickte, er hatte ja Recht, aber er hatte nun mal so schreckliche Angst um seine Biggi. Sein Gefühl verriet ihm, dass ihr etwas passiert war, etwas Schlimmes, und er hielt diese Ungewissheit kaum noch aus.
Fünf Minuten später hatten sie bereits die Basis erreicht. Gabi und Ralf standen am Fenster im Aufenthaltsraum und erwarteten die beiden schon. „Und?“, wollte Gabriele in großer Sorge um ihre Freundin sofort wissen. „Nichts.“, erklärte Thomas ihr und Ralf niedergeschlagen. „Nicht die geringste Spur von Biggi.“, fügte Michael hinzu.
Zur selben Zeit öffnete Biggi langsam die Augen. Der Regen wehte ihr ins Gesicht und im ersten Moment wusste sie nicht, was passiert war. Doch die beinahe unerträglichen Schmerzen holten sie wenige Sekunden später in die Realität zurück. Sie hatte das Gefühl, sich jeden einzelnen Knochen gebrochen zu haben, und unterließ die Versuche, aufzustehen, sofort wieder. Kraftlos ließ sie sich zurück in das nasse Gras sinken. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie hier schon lag, alles, woran sie sich erinnern konnte, war, dass sie in einer scharfen Kurve auf der Landstraße plötzlich die Kontrolle über ihr Motorrad verloren hatte und dann gestürzt war. Mühsam versuchte sie sich zu orientieren und zu erkennen, wo sie sich befand, doch der Regen und die Dunkelheit ließen sie lediglich feststellen, dass sie irgendeinen Abhang hinuntergestürzt sein musste. Oben führte die Straße entlang, das verrieten ihr die Scheinwerferlichter und die Motorengeräuschen der vorbeifahrenden Autos. Verzweifelt versuchte sie, auf sich aufmerksam zu machen und Hilfe zu holen, doch ihre Schreie verhalten in der Dunkelheit und im lauten Prasseln des Regens. Niemand konnte sie hören, weit und breit stand kein Haus und die Autos, die trotz des Regens mit hoher Geschwindigkeit über die Landstraße fuhren, verschwanden so schnell wieder, wie sie gekommen waren.
Als Biggi langsam mehr und mehr die Kräfte verließen, gab sie es auf. Sie musste sich eingestehen, dass es aussichtslos war. Es würde sie hier niemand hören und von der Straße aus, war die Unfallstelle nicht einsehbar. Erschöpft und geschwächt durch die Kälte und ihre Verletzungen wollte sie gerade die Augen schließen, als ihr jedoch etwas einfiel. Ihr Handy. Es war in ihrem kleinen Rucksack. Damit konnte sie Hilfe holen. Natürlich, warum war sie da nicht schon früher draufgekommen? Wenige Sekunden später wurden ihre Hoffnungen jedoch alle zunichte gemacht, denn sie musste feststellen, dass sie ihren Rucksack bei dem Sturz verloren haben musste. Er lag etwa drei Meter von ihr entfernt neben ihrem Motorrad. Eine in diesem Moment unüberwindbare Entfernung….
Auf der Basis wurde zur selben Zeit die Suchaktion nach der vermissten Pilotin gestartet. Alle waren in großer Sorge um Biggi, besonders Thomas, und mit jeder Minute, in denen es keine Nachricht von ihr gab, wuchs die Angst, dass ihr etwas zugestoßen war. Das A Team hatte beschlossen, mit dem Helicopter einen Suchflug zu starten, während Ralf und Gabi auf der Basis die Stellung halten wollten, falls Biggi sich doch noch melden würde. Zudem wollten sie alle Krankenhäuser in der Gegend abklappern. Vielleicht war Biggi ja dort irgendwo aufgetaucht. Sie wollten nichts unversucht lassen.
Thomas zog den Helicopter mit einem Gewaltstart in die Höhe. Er hatte Mühe, sich auf das Fliegen zu konzentrieren, denn die Angst um Biggi beherrschte all seine Gedanken. ‚Biggi, wo bist du nur? Was ist mit die passiert?’, fragte er sich immer wieder. Zugleich hatte er die ganze Zeit dieses Bild vor Augen, wie sie sich, bevor sie losgefahren war, noch einmal umgedreht und ihm lächelnd zugewinkt hatte.
Gabi und Ralf riefen bei jeder Klinik im ganzen Landkreis an, doch nirgendwo war eine Frau unter dem Namen Biggi Schwerin aufgetaucht, noch war irgendwo eine unbekannte Verletzte, auf die Biggis Beschreibung passte, eingeliefert worden.
Thomas flog unterdessen die Strecke zwischen der Basis und der Villa, die sie vor einigen Minuten mit dem Auto zurückgelegt hatten, ab. Er ging so tief wie möglich, um vielleicht etwas erkennen zu können, doch trotz des Suchschweinwerfers war es so gut wie aussichtslos. Der Regen und die Dunkelheit waren eine derartige Sichtbehinderung, dass die Crew sich anstrengen musste, überhaupt ganz bis auf den Boden sehen zu können.
Als sie jedoch etwa auf halber Strecke zur Villa waren, machte Michael eine Entdeckung. „Seht mal, sieht so aus, als ob dort etwas passiert wäre.“ Nun erkannten es auch Thomas und Peter. In einiger Entfernung konnte man Blaulicht erkennen. Als sie näher kamen, erkannten sie, dass dort mehrere Polizeifahrzeuge und ein Rettungswagen auf der Straße standen. „Oh mein Gott, bitte nicht…“, flehte Thomas nur, während er tiefer ging. Ihm war jetzt alles egal und er landete einfach mitten auf der Landstraße, direkt vor den Polizeiautos. Der Pilot sprang als erstes aus dem Heli, ohne vorher die Turbinen herunter zu fahren. Peter und Michael folgten ihm wenige Sekunden später. Einer der Polizisten kam bereits auf die drei zu und im nächsten Moment erkannte Thomas auch schon Biggis Motorrad, das man gerade die Böschung heraufgeholt hatte. „Wo ist sie? Was ist mit ihr? Nun sagen Sie es mir schon!“, fragte er sofort panisch. „Meinen Sie die Motorradfahrerin?“, fragte der Polizist ihn. „Ja, natürlich. Was ist mit Biggi? Ist sie…?“ Thomas lief es bei dem Gedanken dran eiskalt den Rücken herunter und ihm stiegen Tränen in die Augen, doch er rechnete mit dem Schlimmsten. „Nein, beruhigen Sie sich. Sie wurde gerade in den Rettungswagen gebracht.“ Für weitere Fragen und Erklärungen blieb keine Zeit, Thomas war bereits an dem erschrockenen Polizisten vorbeigestürmt und lief auf den Rettungswagen zu, dessen Türen gerade geschlossen worden waren.
„Kennen Sie die verunglückte Frau?“, wandte sich der Polizzist dann an Michael und Peter. „Ja, sie ist unsere Kollegin….“, erklärte Peter ihm. Der Polizist nickte nur verständnisvoll. „Und sie ist mit unserem Pilot verlobt.“, setzte Michael dann mit einem Blick auf Thomas, der den Rettungswagen gerade erreicht hatte, hinzu.
„Biggi!“, schrie Thomas panisch und klopfte gegen die Tür. Biggi lag im Rettungswagen auf der Trage und war beinahe bewusstlos. Die Schmerzen, die dank der Medikamente, die sie verabreicht bekommen hatte, zwar weniger geworden, jedoch noch lange nicht verschwunden waren, hatten ihr die letzten Kräfte geraubt und sie hatte die Augen geschlossen. Plötzlich hörte sie Thomas’ Rufe. Zuerst dachte sie, sie würde es nur träumen, doch dann vernahm sie erneut seine Stimme. Sofort öffnete sie die Augen wieder und versuchte, sich ein wenig aufzurichten. „Thomas….“, flüsterte sie leise, während einer der Rettungsassistenten sie vorsichtig zurück auf die Liege drückte. Doch auch er hatte Thomas bemerkt und öffnete nun die Schiebetür an der Seite des Rettungswagens. „Oh Gott, Biggi….“, brachte Thomas nur hervor, als er sie auf der Trage erblickte. Wenige Sekunden später hatte er sich auch schon an dem Rettungsassistenten vorbei geschoben und war bei ihr.
„Oh Thomas, ich bin so froh, dass du da bist.“, meinte Biggi schwach, als er sich über sie gebeugt hatte und ihr sanft übers Haar strich. Thomas fasste nach ihrer Hand und drückte sie leicht. „Was machst du denn für Sachen, Süße, hm?“, fragte er unendlich besorgt. „Tut mir Leid, ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machen musst…“, flüsterte Biggi und schloss dann kurz die Augen. „Ach Biggilein, das war doch nicht deine Schuld.“, versicherte Thomas ihr und küsste sie dann sanft auf die Stirn. „Aber, wenn ich auf dich gehört hätte und nicht mit dem Motorrad…“, wollte sie ihm widersprechen, doch Thomas legte ihr sanft den Finger auf die Lippen. „Psst…es wird alles wieder gut.“, beruhigte er sie. Biggi schloss erschöpft die Augen, während sie still Thomas’ Händedruck erwiderte. Dieser wollte jetzt jedoch endlich wissen, was eigentlich los war, und wandte sich an den Rettungsassistenten. „Was ist denn mit ihr?“, er war unheimlich besorgt. „Auf jeden Fall hat sie eine schwere Gehirnerschütterung und eine Knieverletzung, alles Weitere werden wir in der Klinik abchecken.“ Thomas nickte nur und strich Biggi besorgt über die Wange. Sie öffnete langsam wieder die Augen. „Hast du Schmerzen?“, fragte Thomas sie sorgenvoll. Sie nickte leicht. „Mein Knie…es tut so weh….“, sagte sie leise. Thomas drückte sanft ihre Hand, es brach ihm fast das Herz, sie so zu sehen. Er blickte den Rettungsassistent auffordernd an. Dieser verstand, schüttelte jedoch den Kopf. „Ich kann ihr unmöglich noch mehr Schmerzmittel verabreichen, das würde sonst die Atmung beeinträchtigen.“ Thomas nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. „Es kommt alles wieder in Ordnung, du wirst sehen….“, versuchte er Biggi zu trösten. Sie nickte nur leicht und erwiderte schwach seinen Händedruck. Wie gern hätte Thomas mehr für sie getan, ihr die Schmerzen genommen, doch es stand nicht in seiner Macht. Er konnte jetzt nur bei ihr bleiben und für sie da sein. Der Rettungsassistent wollte Biggi noch ein Kreislaufmedikament spritzen, bevor sie losfuhren in Richtung Klinik. Sie zuckte zusammen, als er mit der Nadel in ihre Hand einstach, doch Thomas streichelte ihr sofort wieder beruhigend über die Wange und drückte ihre Hand. Biggi war unendlich froh, dass er bei ihr war. Es tat so gut, in dieser Situation nicht allein zu sein und Thomas bei sich zu wissen.
Michael und Peter hatten den Fahrer des Rettungswagens währenddessen gebeten, ebenfalls mitfahren zu dürfen, und waren bereits eingestiegen, Peter vorne und Michael hinten. Schließlich machten sie sich mit Blaulicht auf den Weg in die Klinik.
Als der Polizist, der sich vorher mit Peter und Michael unterhalten hatte, bemerkte, dass die beiden genau wie Thomas mitfuhren, wurde ihm erst bewusst, dass der Helicopter nun verlassen mitten auf der Straße stand und alles versperrte. Doch es war zu spät, er konnte gerade noch sehen, wie der Rettungswagen hinter der nächsten Kurve verschwand. Thomas, Michael und Peter hatten sowieso im Moment auch bei weitem andere Sorgen.
Während Michael sich besorgt mit seinem Kollegen über Biggis Zustand unterhielt, hielt Thomas die ganze Zeit ihre Hand. Sie war immer nahe daran, die Augen zu schließen und bewusstlos zu werden, doch sie wehrte sich dagegen. Thomas' Anblick war nämlich ungeheuer beruhigend und ermutigend. Liebevoll streichelte er ihr über die Wange und redete ihr gut zu. "Es wird alles wieder gut werden, Liebes, bestimmt.", beruhigte er sie, als er Tränen in ihren Augen sah. Zärtlich wischte er sie ihr weg. "Es tut so weh.", meinte Biggi leise. Und wie es Thomas erst wehtat. Er konnte es kaum aushalten, sie so zu sehen, zu sehen, wie sie an ihren Schmerzen litt, ohne ihr auch nur irgendwie helfen zu können. "Michael, können wir ihr nicht doch etwas geben? Bitte!", bat er seinen Freund. Doch dieser schüttelte nur wehmütig den Kopf. Wie gern hätte er ja gesagt, aber er musste seinem Kollegen zustimmen, es wäre einfach zu gefährlich. "Aber wir sind bald in der Klinik, dann haben wir auch viel mehr Möglichkeiten und die Schmerzen werden aufhören, Biggi.", versuchte er, seine Kollegin zu trösten. Biggi nickte nur leicht. "Hörst du, in der Klinik werden sie dir die Schmerzen nehmen. Und in ein paar Tagen ist alles wieder vergessen.", meinte Thomas zu ihr, obwohl er sich seiner Worte selbst nicht so sicher war. Es würde wohl länger als ein paar Tage dauern, bis Biggi wieder gesund war.
Der Rettungswagen raste mit Blaulicht und Sirene durch die Nacht und nach etwa zehn Minuten hatten sie die Klinik erreicht. Dort wartete bereits ein Ärzteteam auf Biggi und sie wurde sofort aus dem Wagen geholt und in die Notaufnahme gebracht. Michael durfte mit in den Schockraum, Thomas musste leider draußen warten. Bevor Biggi durch die Tür geschoben wurde, auf der ein Verbotsschild für Unbefugte angebracht war, drückte Thomas noch mal ganz fest ihre Hand. "Es wird alles wieder gut, hörst du? Ich warte hier draußen auf dich. Ich liebe dich." "Ich dich auch.", brachte Biggi schwach hervor und lächelte ihn an, bis sie ihn aus dem Blickfeld verlor. Die Türen wurden geschlossen und eine Menge verschiedener Untersuchungen gemacht. Biggi war froh, dass mit Michael zumindest ein vertrautes Gesicht bei ihr war.
Thomas und Peter hatten sich währenddessen draußen auf zwei Stühle gesetzt, von denen Thomas allerdings bald wieder aufstand und begann, im Flur auf und ab zu gehen. Es dauerte nicht lange, bis Gabi und Ralf in die Notaufnahme gerannt kamen. "Wie geht es ihr?", fragten sie sofort panisch und mussten erst einmal durchatmen. "Wir wissen noch nichts.", klärte Peter die beiden auf. "Bis darauf, dass sie wohl eine schwere Gehirnerschütterung und eine Knieverletzung hat, aber Näheres finden sie gerade heraus." Gabi und Ralf nickten nur. "Warum muss nur immer so etwas passieren?", fragte Gabi Ralf verzweifelt, woraufhin er sie liebevoll in den Arm nahm. "Ich weiß es nicht, Liebling. Aber wir müssen jetzt daran glauben, dass sie bald wieder gesund wird. Und das wird sie, bestimmt." Thomas wurde inzwischen von Minute zu Minute nervöser. Er wollte jetzt zu Biggi, er wollte wieder bei ihr sein, sie in den Arm nehmen, das Warten dauerte ihm schon viel zu lange.
Doch es hielt noch eine Weile an. Irgendwann stand Peter auf und holte Kaffee für seine Freunde, der allerdings nur spärlich von ihnen getrunken wurde. Als Thomas gerade dabei war, wieder seine regelmäßigen nervösen Runden auf dem Flur zu drehen, öffnete sich die Tür zum Schockraum und Michael kam heraus. Er atmete erst einmal tief durch. "Wie geht es ihr?", bestürmten sie ihn sofort mit Fragen. "Sie wird gerade auf die Station gebracht. Beim Sturz hat sie sich einige Rippenbrüche und Verstauchungen zugezogen. Außerdem hat sie eine schwere Gehirnerschütterung. Ja, und ... da ist noch was ..." Man merkte Michael an, wie schwer es ihm fiel, das Folgende auszusprechen und wie sehr es ihn selbst mitnahm. Aber auch seine Freunde hatten ein Recht auf die Wahrheit. Aber auch seine Freunde hatten ein Recht auf die Wahrheit. "Sie hat sich das rechte Knie gebrochen, leider eine äußerst komplizierte Fraktur, bei der auch Teile der Muskulatur und der Sehnen in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Sie ... die Chirurgen wissen nicht, ob sie das wieder hinkriegen ... es kommt einfach so viel zusammen. Morgen wird sie operiert, jetzt soll sie zumindest ein wenig stabiler werden." Dann musste er erst einmal inne halten. Auch seine Freunde schafften es nicht, irgendein Wort zu sagen. Thomas war fassungslos. Das durfte doch nicht wahr sein. "Heißt das, es ist nicht sicher, ob sie wieder richtig laufen können wird?? Sag mir die Wahrheit, ist das so??", fragte er ihn aufgebracht und blickte dem Notarzt tief in die Augen. Dieser nickte nur langsam. "Wir müssen jetzt hoffen, Thomas, und ihr beistehen. Mehr können wir nicht tun." "Aber es muss doch irgendeine Möglichkeit geben!! Irgendetwas, irgendeine Technik, irgendeinen Spezialisten! Ihr Leben wäre zerstört, wenn sie nicht mehr richtig laufen könnte, wenn sie nicht mehr fliegen könnte, versteht ihr das nicht??" Natürlich verstanden die anderen ihn. Doch auch sie waren machtlos. Und am Boden zerstört. Michael versuchte, Thomas aufzurichten. "Aber natürlich gibt es solche Spezialisten. Und wenn es wirklich soweit kommen sollte, was wir alle nicht hoffen, und die Zeit reif ist, dann werden die auch bestimmt in Betracht gezogen. Aber jetzt, Thomas, jetzt geh einfach zu ihr und sei bei ihr. Sie braucht dich doch." Thomas nickte. "Ich weiß.", flüsterte er, und neigte seinen Kopf nach unten. Die anderen sollten die Tränen in seinen Augen nicht sehen. Doch zu spät. Das war längst passiert. Michael nahm den Piloten freundschaftlich in die Arme. Dann klopfte er ihm auf die Schulter und sagte: "Kommt. Gehen wir zu ihr." So gefasst wie möglich standen sie auf und machten sich auf den Weg zu der Station, auf der Biggi lag. Als sie vor der Zimmertür standen, ließen sie zuerst Thomas allein hineingehen.
Biggi hatte gerade erschöpft die Augen geschlossen, als er ins Zimmer trat. Über zwei Infusionen erhielt sie schmerzstillende und kreislaufstützende Medikamente, ihr Blutdruck und ihr Puls wurden überwacht und sogar durch die Bettdecke konnte man erkennen, dass ihr rechtes Bein dick einbandagiert war. Ganz langsam trat Thomas an ihr Bett. Er wollte sie nicht wecken. Zu sehr würde sie die Ruhe in dieser Nacht brauchen, nach all den Strapazen, die sie durchgemacht hatte. So leise er konnte holte er sich aus der Ecke einen Stuhl und schob ihn ans Bett. Dann setzte er sich und fasste vorsichtig nach ihrer Hand. Ganz leicht und zärtlich streichelte er sie und betrachtete Biggi, wie sie schlief. Doch schon nach kurzer Zeit öffnete sie langsam die Augen. Sofort huschte ein glückliches, wenn auch schwaches Lächeln über ihre Lippen, als sie ihn sah. "Mein Liebling. Ich hab dich so vermisst.", meinte Thomas leise zu ihr und lächelte sie an. "Ich dich auch.", erwiderte sie. "Danke, dass du da bist." "Aber Süße, ich werde doch immer da sein. Wir werden das alles gemeinsam durchstehen." Liebevoll streichelte er ihr über die Wange und gab ihr dann einen vorsichtigen Kuss. Biggi schloss die Augen dabei. Sein Kuss war besser als jedes Schmerzmittel in der gesamten Klinik. "Mehr.", flüsterte sie. Thomas musste schmunzeln. Und so gab er ihr abermals einen Kuss, einen innigen und weitaus längeren. Beide genossen es unheimlich. "Zufrieden?" Biggi nickte lächelnd. Doch dann verschwand das Lächeln wieder aus ihrem Gesicht und das Strahlen in ihren Augen wich mehr und mehr bitteren Tränen, die sich langsam darin ansammelten. "Aber Biggi, Süße, was ist denn los?", fragte Thomas sie sofort besorgt. Zärtlich wischte er ihr mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht. Biggi blickte nach unten zu ihrem Bein. Thomas verstand. Sie wusste es also. „Die Ärzte haben mir erklärt, wie die Chancen stehen, dass…“, sie sprach nicht weiter und abermals rannen ihr die Tränen über das Gesicht. „Gemeinsam werden wir das schaffen, Biggi. Du weißt, ich bin immer für dich da, und wenn es sein muss, bekommst du die besten Spezialisten der Welt, das verspreche ich dir.“ „Oh Thomas…“, meinte Biggi nur leise. „Ich hab solche Angst, dass ich nie wieder richtig laufen und nie wieder fliegen kann.“ „Ich weiß, Biggi, ich weiß.“, er wischte ihr abermals sanft die Tränen weg und strich ihr zärtlich übers Haar, während ihm selbst die Tränen in die Augen stiegen. Er wusste, dass er jetzt stark sein musste, für Biggi, doch es gab in diesem Augenblick bei weitem leichtere Dinge als das. „Versprich mir, dass alles wieder gut wird.“, flüsterte Biggi leise, obgleich sie wusste, dass ihr das niemand versprechen konnte. „Ich würde alles dafür tun, um dir das versprechen zu können….“, antwortete er ihr mit Tränen in den Augen, „…aber ich kann dir versprechen, dass ich dich niemals allein lassen werde und wir das alles gemeinsam durchstehen werden, egal was auch passiert.“ „Ich bin so froh, dass du da bist.“, sagte Biggi. Wieder waren ihr Tränen in die Augen gestiegen. Sie richtete sich ganz vorsichtig auf und Thomas nahm sie liebevoll in die Arme. Sie schmiegte sich so nah sie konnte an ihn und legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Halt mich ganz fest.“, bat sie ihn leise. Thomas streichelte ihr beruhigend über den Rücken und schloss sie beschützend in seine Arme. So verblieben sie eine ganze Weile und weinten ein bisschen. Sie hielten sich einfach nur aneinander fest und wollten einander am liebsten gar nicht mehr los lassen. Als Thomas jedoch nach einiger Zeit merkte, dass Biggi immer schwächer und erschöpfter wurde, bettete er sie vorsichtig zurück ins Kissen. „Du solltest jetzt ein wenig schlafen, hm?“, meinte er besorgt, während er ihr liebevoll über die Wange strich. Biggi nickte nur schwach, ihr fielen schon beinahe die Augen zu vor Erschöpfung. „Bleibst du bei mir?“, fragte sie ihn dann leise. „Natürlich, ich werde die ganze Zeit dableiben.“, versicherte Thomas ihr und gab ihr dann einen sanften Kuss. Biggi lächelte zufrieden. „Danke, Thomas.“, murmelte sie leise und drückte noch einmal zaghaft seine Hand. Wenige Sekunden später war sie auch schon eingeschlafen.
Thomas hingegen fand in dieser Nacht nicht sehr viel Schlaf. Kurz nachdem Biggi eingeschlafen war, war Michael kurz ins Zimmer gekommen und hatte seinem Freund und Kollegen bescheid gegeben, dass er und die anderen jetzt nachhause fahren und am nächsten Tag wiederkommen würden. Dann war Thomas mit Biggi wieder allein. Er hielt die ganze Zeit ihre Hand in der seinen und streichelte sie ganz vorsichtig, schließlich wollte er sie nicht wecken. Biggi schlief tief und fest und Thomas lauschte ihrem ruhigen Atem, ein Geräusch, das unheimlich beruhigend auf ihn wirkte. Wie friedlich sie doch schlief…. Er wusste, dass der Schlaf ihr gut tat. Morgen würde sie wieder einen anstrengenden Tag zu überstehen haben.
In Gedanken ließ er die Ereignisse das heutigen Abends noch einmal Revue passieren. Er seufzte leise und führte Biggis Hand behutsam an seine Wange. Er betrachtete ihr Gesicht und während er weiter so in Gedanken versunken war, stiegen Tränen in seine Augen. Eine davon lief ihm die Wange hinunter und tropfte auf Biggis Hand. Und noch eine. Thomas nahm ein Taschentuch und wischte sie behutsam weg. Davon wurde Biggi wach. Langsam öffnete sie die Augen und blickte ihn müde an. Sie erschrak, als sie die Tränen in seinem Gesicht sah. "Schlaf weiter, Süße.", wies er sie liebevoll an und strich ihr zärtlich übers Haar. "Aber du ... wieso weinst du?", fragte sie ihn leise. "Ich weine doch nicht ..." "Doch, das tust du." "Quatsch." "Bist du traurig?" Sie berührte vorsichtig mit der Hand sein Gesicht und strich ihm die Träne von der Wange. "Wegen mir brauchst du nicht traurig zu sein. Ich hab ja dich. Und dann geht es mir immer gut." "Ach Biggi.", schluchzte er, beugte sich zu ihr runter und nahm sie innig in die Arme. "Du wirst mich ewig haben. Nie, nie wird es etwas geben, das uns trennen könnte." Biggi nickte. "Ich liebe dich." "Ich dich auch.", sagte er, schniefte noch mal, nahm sich dann aber zusammen und lächelte wieder. "Schlaf jetzt weiter. Du brauchst es, mein Liebling." "Ok." "Träum süß." "Hoffentlich von dir.", meinte sie lächelnd und schloss dann langsam wieder die Augen. Thomas war froh, dass sie so schnell wieder eingeschlafen war. Er wusste, dass der Schlaf wichtig für sie war, um Kraft zu sammeln. Sie würde sie am kommenden Tag sicherlich brauchen….
Obgleich er sich bemühte, bekam er in dieser Nacht kein Auge zu. Als es draußen bereits wieder begann, ein wenig hell zu werden, betrat die erste Schwester das Zimmer. Sie wechselte Biggi eine Infusion aus, kontrollierte ihre Kreislaufwerte und verschwand dann wieder. Thomas strich seiner Liebsten mit der Hand sanft über die Wange. Er hoffte so sehr, dass bei der OP alles gut gehen würde, und klammerte sich an den Strohhalm Hoffnung, dass Biggis Verletzung sich vielleicht als doch nicht ganz so schwer erweisen würde wie angenommen.
Etwa eine halbe Stunde später blinzelte Biggi und öffnete dann langsam die Augen. Der Schlaf hatte ihr gut getan und sie fühlte sich wirklich ein wenig besser und weniger erschöpft als noch am vergangenen Abend. Lächelnd bemerkte sie, dass Thomas noch immer bei ihr saß und ihre Hand hielt. „Hast du gut geschlafen, mein Schatz?“, fragte er sie fürsorglich. Biggi nickte leicht. „Ja, es geht. Aber ich…“ Sie sah Thomas an und bemühte sich, die Tränen, die ihr in die Augen stiegen, zu unterdrücken. „Ich habe solche Angst vor der OP. Was ist, wenn etwas schief geht? Wenn sie es nicht wieder hinbekommen und ich….“ Thomas wusste nicht, was er sagen sollte. Genau diese Angst hatte ihm selbst in dieser Nacht um den Schlaf gebracht. „Das sind die besten Ärzte der Klinik, die dich operieren werden. Und selbst wenn es nicht ganz sicher ist, ob du gleich nach der Operation wieder wirst richtig laufen können, es gibt immer noch Hoffnung, Biggi. Gemeinsam schaffen wir das und du wirst sehen, es wird alles wieder gut werden.“, versuchte er, ihr Mut zuzusprechen. Biggi nickte, irgendwie glaubte sie ihm. „Danke, Thomas, ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.“, sagte sie leise. Thomas beugte sich ganz nah zu ihr und küsste sie sanft. Biggi genoss es unheimlich, seine Nähe zu spüren, und erwiderte seinen Kuss. In diesem Moment waren alle Schmerzen und alle Ängste vergessen. „Ich liebe dich…“, flüsterte sie, während sie ihm mit ihrer Hand zärtlich über die Wange strich. „Ich dich auch, mehr als alles andere auf der Welt.“, gab Thomas ebenfalls flüsternd zurück. „Und wenn du aus der Narkose aufwachen wirst, werde ich an deinem Bett sitzen und deine Hand halten, das verspreche ich dir.“ Biggi nickte zufrieden lächelnd. Sie wusste, dass er immer für sie da sein würde, und das gab ihr die größte Kraft, die sie wohl je hätte bekommen können.
Wenig später betraten ein Arzt und eine Schwester das Zimmer, die Biggi auf die Operation vorbereiteten. Als ihr Bett aus dem Zimmer geschoben wurde, ging Thomas noch den ganzen Weg bis zum Operationssaal neben ihr her und ließ ihre Hand nicht los. Erst vor der großen Tür, die die Aufschrift „OP – Zutritt verboten“ trug, mussten sie sich endgültig trennen. Thomas drückte noch einmal ganz fest Biggis Hand. „Denk dran, mein Schatz, in ein paar Stunden hast du alles hinter dir, und wenn du aufwachst, werde ich da sein.“ Biggi nickte, während sie seinen Händedruck erwiderte. Als sie die Hand des anderen schließlich schweren Herzens loslassen mussten, sahen sie sich noch so lange in die Augen, bis sie einander aus dem Sichtfeld verloren. Thomas seufzte leise, während er sich auf einem der Stühle vor dem OP niederließ. Jetzt hieß es hoffen und beten.
Michael betrat wenig später zusammen mit Peter die Klinik. Die beiden wussten, dass Biggis OP gerade begonnen hatte und dass Thomas nun wahrscheinlich gerade vor dem OP sitzen und warten würde. In dieser schweren Zeit wollten sie ihrem Freund und Kollegen so gut beistehen, wie es ihnen möglich war. Eigentlich hatten sie vorgehabt, etwas früher zu kommen, um Biggi noch ein wenig Mut zuzusprechen, doch sie kamen direkt von der Basis, wo Ebelsieder sie ein wenig länger als erwartet aufgehalten hatte, da er alle Details zu Biggis Unfall hatte hören wollen. Dafür konnten Peter und Michael Thomas nun wenigstens eine kleine gute Nachricht überbringen. Ebelsieder hatte die Basis auf Grund der gestrigen Ereignisse für die nächsten drei Tage geschlossen. Er musste schließlich auch erst einmal eine Vertretung für Biggi organisieren.
Thomas blickte auf, als er Schritte auf dem Gang hörte. Wenige Sekunden später kamen Peter und Michael auch schon um die Ecke. „Hallo Thomas.“, begrüßten sie ihren Freund und Kollegen. „Hallo.“, gab Thomas nur leise zurück und sah dann wieder auf den Boden. Michael setzte sich auf den Stuhl neben ihm und legte ihm aufbauend die Hand auf die Schulter. „Ebelsieder hat die Basis erstmal für die nächsten Tage geschlossen. Er muss erst einmal einen Nachfolger für Biggi finden.“, berichtete Peter dann. Thomas sah auf und blickte ihn an. „Einen Nachfolger?“, fragte er dann ungläubig. „Hast du gerade Nachfolger gesagt?“, fragte Thomas noch einmal aufgebracht, als Peter keine Anstalten machte, etwas zu sagen. Er packte den Sanitäter an den Schultern und stieß ihn unsanft gegen die Wand. „Es ist noch nicht sicher, ob Biggi wirklich nie wieder fliegen können wird und ihr redet schon von einem Nachfolger??? Was seid ihr denn für Freunde???“, Thomas war total aufgebracht. „Thomas, hör auf!“, rief Michael und zog den Piloten von dem erschrockenen Peter weg. „Peter hat das doch nicht so gemeint. Meinst du, uns geht die Sache nicht nahe? Meinst du, wir machen uns keine Sorgen um Biggi, hm?“, wies Michael seinen Freund zurecht. Thomas sah auf den Boden, er wusste, dass er sich falsch verhalten hatte. „Tut mir Leid…“, entschuldigte er sich leise, während ihm Tränen in die Augen stiegen. „Es ist nur…ich weiß einfach nicht, wie ich mit der ganzen Situation fertig werden soll.“ Michael fasste Thomas bei den Schultern und er sah auf. „Hör mal zu Thomas, wir sind ein Team und gemeinsam werden wir das alles durchstehen. Du weißt doch, einer für alle und alle für einen. Biggi braucht jetzt unsere Unterstützung, vor allem deine. Und wir werden alle für sie da sein.“ Thomas nickte und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ach Michael…“, meinte er dann leise, „Ich liebe sie so… und wenn sie nicht wieder ganz gesund wird…“ Der Notarzt legte seinem Kollegen freundschaftlich den Arm um die Schultern. „Aber noch ist nichts entschieden. Auch wenn es schwer fällt, wir müssen jetzt einfach abwarten und hoffen. Du weißt doch, die Hoffnung stirbt zuletzt.“ „Du hast ja Recht.“ So verbrachten sie die nächsten zwei Stunden meist schweigend vor dem OP und warteten. Michael und Peter versuchten, Thomas Mut zuzusprechen, und er war froh, in dieser Situation nicht allein zu sein.
Schließlich gingen im OP die Lichter aus und der Chefarzt, der Biggi operiert hatte, trat auf die drei Freunde zu.
Fortsetzung:
Sofort standen Thomas, Michael und Peter auf und gingen ihm die letzten Schritte entgegen. „Und?“, fragte Thomas dann sofort. Er war nervös und seine Hände zitterten ein wenig, zu groß war die Angst vor der Antwort. „Nun, es war eine sehr schwere Operation…“, begann der Chefarzt zu berichten, „Wir haben getan, was wir konnten, und versucht, das Knie Ihrer Kollegin so gut es uns möglich war wiederherzustellen. Bei den wichtigsten Elementen ist uns das auch gelungen, wenn alles gut geht, werden die Frakturen so verheilen, dass es von der Seite aus keine Schwierigkeiten geben wird.“ Thomas und Peter atmeten erleichtert auf, einzig Michael vermutete, dass der gute Arzt noch nicht ganz fertig war und das dicke Ende noch folgen würde. Als Arzt wusste er den Gesichtausdrucks des Chefarztes sehr wohl zu deuten, und obgleich er sich das Gegenteil wünschte, verhieß dieser nichts Gutes. Er räusperte sich und fuhr dann zögernd fort. „Allerdings ist es uns nicht gelungen, alle Muskeln und Sehnen wieder vollständig herzustellen. Die Verletzung war einfach zu schwer.“ „Und was heißt das genau?“, wollte Thomas sofort wissen. Der Chefarzt sah die drei durchdringend an. „Es ist jetzt noch nicht an der Zeit, irgendwelche sicheren Prognosen abzugeben, dafür ist es noch viel zu früh. Ich denke allerdings, dass Ihre Kollegin, wenn es keine Komplikationen gibt, nach der Reha mit Glück wieder normal laufen können wird. Allerdings wird sie ihr Knie nicht wieder so sehr belasten können wie vor dem Unfall und auf jegliche sportliche Aktivitäten wird sie wahrscheinlich verzichten müssen.“ Das hatte gesessen, nun war also das eingetreten, was sie alle befürchtet hatten. Thomas stiegen Tränen in die Augen. „Das heißt, sie wird wahrscheinlich nicht wieder fliegen können, oder?“, fragte er leise. Der Arzt nickte. „Noch ist nichts entschieden, aber ich kann Ihnen keine großen Hoffnungen machen. Es tut mir Leid.“ Peter gelegt tröstend seinen Arm um Thomas, doch auch ihn und Michael schockte der Bericht des Chefarztes natürlich. „Kann ich zu ihr? Ich habe ihr versprochen, dass ich bei ihr sein werde, wenn sie aufwacht.“, fragte der Pilot dann jedoch erstaunlich gefasst. Der Arzt nickte. „Wir werden sie gleich auf ihr Zimmer bringen, Sie können dort warten, wenn Sie möchten.“ Thomas nickte und ließ sich dann von Peter und Michael zu Biggis Zimmer begleiten. Der Notarzt und der Sanitäter warteten jedoch vor der Tür. Sie wussten, dass es wohl besser war, wenn Thomas und Biggi erst einmal eine Weile allein waren, und wollten sich solange in die Cafeteria der Klinik setzen.
Thomas hatte sich kaum auf dem Besucherstuhl niedergelassen, als Biggi auch schon von zwei Schwestern ins Zimmer geschoben wurde. Sie befestigten die Infusionen, die Biggi erhielt, und informierten Thomas darüber, dass sie wahrscheinlich innerhalb der nächsten Stunde wieder zu sich kommen würde. Dann verließen sie das Zimmer wieder.
Thomas seufzte leise und fasste nach Biggis Hand. Langsam strich er ihr mit der anderen Hand über die Wange. Ihre Wangen waren blass und Thomas fand, dass sie beinahe zerbrechlich wirkte in diesem vollkommen weiß bezogenen Krankenbett. Tränen stiegen in seine Augen, während er sich ganz nah zu ihr beugte und sie sanft auf die Stirn küsste. Er wünschte sich so sehr, dass einfach nur alles wieder gut werden würde, doch er wusste, dass die Chancen gering waren, dass Biggis Bein wieder ganz ok werden würde. „Ich liebe dich und ich werde immer für dich da sein.“, flüsterte er leise, während er ihr liebevoll übers Haar strich und sich eine Träne den Weg über seine Wange bahnte. Langsam tropfte eine Träne nach der anderen auf die Bettdecke und auf Biggis Hand, die Thomas noch immer in der seinen hielt. Doch sie merkte davon nichts und schlief durch die Narkose noch tief und fest. Irgendwann, nachdem Thomas bereits fast eine Stunde lang an ihrem Bett saß, ihre Hand hielt und leise mit ihr sprach, vernahm sie jedoch zunächst ganz leise wie durch einen Vorhang, doch dann immer deutlicher seine Stimme. Schließlich öffnete sie langsam die Augen. Thomas beugte sich sofort ganz nah zu ihr, als er bemerkte, dass sie wach war. „Wie fühlst du dich?“, fragte er sie ein wenig besorgt, während er ihr liebevoll mit der Hand über die Wange strich. Biggi lächelte schwach. „Komm näher…“, bat sie ihn dann leise. Thomas musste schmunzeln, ganz langsam näherte er sich mit seinem Gesicht dem ihren, bis sich ihre Lippen schließlich zaghaft berührten. Erst küsste er sie nur ganz sanft und vorsichtig, doch Biggi legte schließlich ihre Arme um seinen Hals, zog ihn noch näher zu sich und sie küssten sich immer inniger und leidenschaftlicher. „Jetzt fühle ich mich schon viel besser.“, meinte Biggi dann, als sie langsam wieder voneinander abgelassen hatten. Thomas musste lächeln und drückte sanft ihre Hand. „Haben die Ärzte schon etwas gesagt?“, wollte Biggi dann jedoch wissen. Das Lächeln auf Thomas’ Lippen wich einem sorgenvollen Blick und sie ahnte sofort, dass es keine guten Neuigkeiten gab. „Nun sag schon…“, forderte sie ihn ängstlich auf. Thomas schluckte. Es fiel ihm sichtbar schwer, das Folgende auszusprechen, doch er wusste auch, dass Biggi es so oder so erfahren würde und sie ein Recht auf die Wahrheit hatte. „Ich habe vorhin mit dem Arzt, der dein Bein operiert hat, gesprochen. Er… er hat gesagt, dass es noch zu früh ist, um irgendwelche sicheren Prognosen abzugeben, aber er ist der Meinung, dass die Chancen, dass du nach der Reha wieder normal laufen können wirst, gut stehen.“, begann er langsam, während er auf Biggis Bettdecke sah. Er konnte ihr einfach nicht in die Augen sehen, denn dann hätte sie die Tränen gesehen, die sich in den seinen angesammelt hatten, und das wollte er nicht. Er wollte stark sein, für Biggi, sie brauchte ihn jetzt doch. Doch sie hatte natürlich trotzdem sofort bemerkt, dass Thomas ihr zunächst nur die halbe Wahrheit gesagt hatte. Wie hätte er es auch vor ihr verbergen können? Sie drückte seine Hand und flüsterte leise: „Sag es mir… bitte, Thomas.“ Er sah auf und sah sie mit tränengefüllten Augen an. Er nickte, während ihm eine Träne über die Wange lief. „Wahrscheinlich wirst du dein Bein nicht mehr so sehr belasten können wie früher…“ „Das heißt, ich werde nicht wieder fliegen können, oder?“ Auch in Biggis Augen hatten sich Tränen angesammelt. Thomas nickte zögerlich. Dann beugte er sich zu ihr, ganz nah und sie fielen sich in die Arme. Minutenlang hielten sie sich so fest sie konnten und gaben einander Halt. „Bitte, versprich mir, dass du die Hoffnung nicht aufgibst.“, meinte Thomas irgendwann leise und sah Biggi in die Augen. Biggi sah ihn einen Moment lang an, nickte dann jedoch. „Solange du bei mir bist…. Vielleicht gibt es ja wirklich noch eine Chance…“, sagte sie und versuchte zuversichtlich zu klingen. Sie brachte ein tapferes Lächeln hervor, zu dem ihr eigentlich absolut nicht zumute war. Doch Thomas kannte sie viel zu gut, er wusste genau, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Die OP war eine Chance gewesen, doch sie war nicht so erfolgreich ausgegangen, wie sie beide es sich erhofft hatten. Natürlich war ihnen klar, dass die Chance nur sehr klein gewesen war, doch es war eine Chance gewesen, eine Hoffnung, an die man sich hatte klammern können. Eine Hoffnung, die nun verstrichen war.
Thomas nahm sie wieder in die Arme und Biggi schmiegte sich ganz nah an ihn. Es tat so gut, ihn jetzt bei sich zu wissen, und seine Liebe gab ihr die Kraft, die sich jetzt so sehr brauchte.
So vergingen die nächsten Wochen. Biggi war nach einem fünfwöchigen Krankenhausaufenthalt in ein Rehazentrum überwiesen worden. Thomas verbrachte so viel Zeit wie er konnte bei ihr, gab ihr Halt und Unterstützung und machte ihr immer wieder Mut, wenn sie die Hoffnung beinahe aufgegeben hatte, weil es natürlich Zeit und Geduld brauchte, bis die Verletzungen verheilten. Geduld, die Biggi oftmals nicht hatte. Allein Thomas’ Liebe und die Kraft, die sie ihr gab, ließen Biggi nicht aufgeben. Und so kam der Tag, fast zwei Monate nach ihrem schweren Unfall, an dem sie auf Krücken die ersten Schritte machen konnte. Als Thomas an diesem Abend ihr Zimmer betrat, stand sie mit Hilfe der Krücken vom Bett auf und ging langsam auf ihn zu. Thomas war sprachlos und eine Freudenträne rann langsam über seine Wange, als Biggi ihm auch schon um den Hals fiel und er sie liebevoll ganz fest in die Arme schloss. Auch, wenn es noch lange nicht geschafft war, war dies ein riesiger Schritt nach vorn. „Komm, lass uns nach draußen in den Park gehen, die Ärzte haben mir jetzt erlaubt, mit den Krücken kleine Spaziergänge zu machen, wenn ich mich nicht überanstrenge.“, erzählte Biggi glücklich. Thomas nickte strahlend.
Biggi genoss es total, neben Thomas durch den Park zu gehen – wenn auch auf Krücken. Doch trotz allem konnte sie sich jetzt endlich wieder frei bewegen und war nicht mehr so sehr auf fremde Hilfe angewiesen wie noch vor einigen Tagen. Und zum ersten Mal seit dem Unfall bemerkte sie selbst deutlich, dass es langsam bergauf ging. Auf einer sonnigen Bank beschlossen die beiden, sich einen Augenblick hinzusetzen. Biggi lehnte sich an Thomas und er schloss sie glücklich in die Arme. „Thomas?“, meinte sie dann irgendwann, nachdem sie eine Weile schweigend so dagesessen waren und einfach nur die Gegenwart des anderen genossen hatten. „Ja?“ „Danke.“ „Danke wofür?“ „Dafür, dass du immer für mich da bist, mich wieder aufbaust, wenn es mir schlecht geht, und dafür, dass du mir immer wieder zeigst, dass du mich liebst, egal was auch passiert. Ohne dich, hätte ich schon längst aufgegeben.“ Thomas drehte ihr Gesicht sanft zu sich, sodass sie sich in die Augen sahen, während Biggi sich jedoch noch immer ganz nach an ihn kuschelte. „Das ist doch selbstverständlich, ich werde immer für dich da sein und auf dich aufpassen. Du bist das Wichtigste für mich, Biggi. Ohne dich wäre mein Leben sinnlos und ich bin unendlich froh, dass es dich gibt.“ „Oh Thomas, ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt.“ „Ich dich auch, Biggi, und ich werde niemals damit aufhören.“ Sie lächelte ihn verliebt und überglücklich an und näherte sich dann mit ihrem Gesicht immer mehr dem Seinen. Thomas tat es ihr nach und als sich ihre Lippen dann sanft berührten, schlossen sie beide die Augen und vergaßen alles um sich herum. Sie küssten sich eine halbe Ewigkeit lang und wünschten sich einfach nur, dass dieser Moment niemals enden würde.
Als sich ihre Lippen nach langer Zeit langsam wieder voneinander lösten, blickten sie sich tief in die Augen und lächelten sich verliebt an. „Ich muss noch etwas mit dir besprechen, eine kleine Überraschung….“, meinte Thomas wenig später ein wenig geheimnisvoll, als Biggi sich wieder glücklich in seine Arme gekuschelt hatte und sie die letzten Minuten nur schweigend ihr Glück genossen und dem Zwitschern der Vögel gelauscht hatten. Sie hob den Kopf ein wenig und sah ihn gespannt an, während er zu erzählen begann. „Ich habe vorhin mit Michael gesprochen, er hat einen alten Freund und Kollegen aus Studienzeiten. Er arbeitet in einer Privatklinik in Boston und ist Spezialist für solche Fälle wie deinen. Natürlich gibt es keine Sicherheit, es ist eine Chance und die Aussichten stehen in etwa 50 zu 50. Du würdest dich noch einmal operieren lassen müssen und es würde wieder eine Weile dauern, bis alles verheilt wäre, aber es ist eine reelle Chance. Es gab schon mehrere Fälle, die er erfolgreich therapiert hat. Michael hat schon alles für uns organisiert. Wenn du einverstanden bist, können wir gemeinsam eine Woche nach deiner Entlassung nach Boston fliegen. Ich habe mir vier Wochen Urlaub genommen, den ich auf unbestimmte Zeit verlängern kann, wenn es nötig ist, damit ich die ganze Zeit für dich da sein kann. Das ist jetzt erstmal das wichtigste…“ Als Thomas seine Erzählungen beendet hatte, sah Biggi ihn erst einmal sprachlos an. „Und, was sagst du?“, fragte Thomas und lächelte sie sanft an. Obgleich Biggi noch immer keinen Ton heraus brachte, hatte er an ihrem Gesichtsausdruck sofort erkannt, dass die Überraschung gelungen war und sie zustimmen würde. Biggi fiel ihm wenige Sekunden später auch schon überglücklich um den Hals. „Das kommt mir alles vor wie ein Traum.“, sagte sie dann und strahlte ihn überglücklich an. Sie wusste, dass ihr niemand Gewissheit geben konnte, ob man ihr in Boston würde helfen können, doch nachdem sie sich mit dem Gedanken, nie wieder fliegen zu können, in den letzten Wochen schon beinahe abgefunden hatte, war sie jetzt einfach nur überglücklich. Thomas war es ebenso, irgendwie hatte er es im Gefühl, dass jetzt alles wieder gut werden würde. Glücklich hielten sie sich ganz fest in den Armen und küssten sich zärtlich. Und wieder war es so, als würde die Zeit um sie herum einen Augenblick lang stehen bleiben.
Die folgenden Tage konnte Biggi es gar nicht mehr abwarten, bis sie endlich entlassen werden würde. Seitdem Thomas ihr von den Behandlungsmöglichkeiten in den USA erzählt hatte, hatte sie endlich wieder Hoffnungen, dass es doch noch eine Chance gab, dass alles wieder so wie früher werden würde. Die anderen waren sehr erleichtert, denn sie alle wussten schließlich, wie viel Biggi die Fliegerei bedeutete und wie hart die letzten Wochen für die junge Pilotin gewesen waren. Besonders Gabi, aber auch Peter, Michael und Ralf hatten Biggi des Öfteren besucht und versucht, sie so gut es ging zu unterstützen.
Als der große Tag dann endlich gekommen war, begleitete das ganze Team Biggi und Thomas zum Flughafen. Biggi ging noch immer auf Krücken, doch es ging von Tag zu Tag besser und sie konnte schon beinahe wieder normal gehen.
Nun war die Stunde des Abschieds gekommen. Es würde ein Abschied für mehrere Wochen werden, dass war ihnen allen klar, doch sie alle waren voller Hoffnung und wussten, dass die Behandlung in Boston eine große Chance für Biggi war. Als sie zusammen mit Thomas in der Abflughalle vor den anderen stand, bekam Biggi doch ein wenig feuchte Augen. Immerhin würde sie ihre Freunde und Kollegen die nächste Zeit nicht sehen und das Wissen darüber, dass es nicht sicher war, wie die Operation ausgehen würde, machte es nur noch schwerer. „Ich möchte mich noch einmal bei euch allen für die Unterstützung in den letzten Wochen bedanken. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne euch machen würde, ihr seid die besten Freunde, die man sich vorstellen kann.“ Sie umarmte Peter und Ralf zum Abschied und wandte sich dann an Michael. „Michael, danke für alles, ohne dich wäre dieser Trip nach Boston niemals möglich gewesen. Ich denke, ich bin dir etwas schuldig.“ Sie umarmten sich und Michael lächelte. „Wozu hat man schließlich Freunde. Komm einfach gesund zurück, ich glaube, damit machst du uns allen hier die größte Freude.“ Biggi nickte und lächelte ein wenig „Ich werde mir Mühe geben.“ Sie wusste, dass die Operation eine große Chance war, doch gleichzeitig war es die letzte Chance. Wenn ihr die Spezialisten aus den USA nicht helfen konnten, dann würde es wohl niemand können. Schließlich wandte sie sich zu Gabi. Die beiden Freundinnen umarmten sich einige Minuten lang einfach nur schweigend. „Pass auf dich auch.“, meinte Gabi dann. Ihre Augen waren feucht ebenso wie Biggis. „Versprochen, und Thomas ist ja auch noch da, er wird mir dabei helfen.“, erwiderte Biggi und sah lächelnd zu Thomas hinüber. Gabi nickte. „Das ist beruhigend zu wissen. Biggi, ich… ich wünsche dir alles Glück dieser Welt.“ „Danke, Gabi. Den wichtigsten Teil davon habe ich ja zum Glück schon.“, antwortete Biggi lächelnd und sah Thomas verliebt an. Gabi musste schmunzeln. „Ich werde dich vermissen.“ „Ich dich auch.“ Sie umarmten sich noch einmal kurz, dann mussten Biggi und Thomas sich jedoch endgültig verabschieden, denn der letzte Aufruf für ihren Flug wurde gestartet. Während sie sich auf den Weg zum Gangway machten, drehten sie sich noch einmal um und winkten ihren Freunden. Die anderen sahen den beiden noch so lange nach, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwunden waren. „Ich hoffe so sehr, dass alles gut geht, das hat Biggi sonst einfach nicht verdient.“, meinte Gabi schließlich. Michael nickte. „Ich weiß. Aber egal, was passiert, Thomas wird für sie da sein und mit ihm zusammen wird sie es schaffen.“ „Ja, Gott sei Dank.“
Eine Woche später in einer Privatklinik in Boston:
Thomas saß an Biggis Bett, hielt ihre Hand und wartete drauf, dass sie die Augen öffnen würde - genauso wie er vor einigen Wochen schon einmal nach der ersten Operation an ihrem Bett gewacht hatte. Doch dieses Mal war es etwas anderes. Dieses Mal hatte er gerade von Michaels altem Studienfreund, der Biggi operiert hatte, erleichtert zu hören bekommen, dass die Ärzte zuversichtlich waren. Natürlich gab es keine Sicherheit, man würde abwarten müssen, doch irgendwie spürte Thomas, dass sich alles zum Guten wenden würde. Lächelnd betrachtete er seine Liebste, wie sie schlief, und strich ihr sanft über die Wange. „Ich liebe dich.“, flüsterte er, wobei er leicht ihre Hand drückte. Plötzlich sah er jedoch, wie ein Lächeln über Biggis Lippen huschte und sie wenige Sekunden später langsam die Augen öffnete. „Ich dich auch, Thomas.“, antwortete sie leise und noch ein wenig schwach. „Biggi, mein Schatz, schön, dass du wach bist. Es wird alles wieder gut, ganz bestimmt.“ Thomas strahlte sie an und strich ihr liebevoll übers Haar. Es bedurfte keiner weiteren Worte, Biggi wusste, dass er Recht hatte, sie spürte es einfach, auch wenn es natürlich noch keine Gewissheit gab. Strahlend lächelte sie ihn an. Thomas beugte sich langsam zu ihr und küsste sie dann ganz sanft. Biggi erwiderte es glücklich und zog ihn noch näher zu sich. Plötzlich fühlte sie sich überhaupt nicht mehr schwach, sie wollte einfach nur mit Thomas zusammen sein und seine Nähe spüren. Immer wieder küssten sie sich zärtlich und lächelten einander verliebt und überglücklich an. Sie wussten beide, dass die Kraft ihrer Liebe zueinander stärker war als alles andere auf der Welt und dass sie gemeinsam alles durchstehen würden, was immer auch noch kommen mochte.
The End